Briefe er schreiben muß, ebe ein Geschäft zu Stande kommt, wie viel Erhebungen er da einziehen muß, und wenn das Porto so bedeutend ist für einen einzelnen Brief, wird das Geschäft eben einfach nicht ge= macht. — Fragen Sie jeden erfahrenen Geschästsmann, er wird Ihnen sagen: Aus den Briefen baut sich der Verkehr erst zuf, die Briefe sind die geistige Betricbsquelle des Verlehrs, aus den Millionen von Briefen bauen sich die Berge von Waaren auf, wie die Alpen aus den Muscheln. Das ist allgemein bekannt! z
Ferner haben wir mit Australien einen Postanweisungsverkehr, ebenso mit Ostindien und Japan; es ist aber nicht möglich, Geld dorthin zu schicken obne die Vermittelung Englands, die ganze Geld— abwickelung erfolgt durch eaglische bezw. unter Umständen auch fran—⸗ zösische Bankiers, also ein Ablängigkeitsverbältniß, das sehr nach— theilig wirkt und sehr störend ist Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß wir auf den Konferenzen des Weltpostrercins sehr hufig in unseren Abstimmungen genirt waren dadurch, daß wir in diesen Fragen uns nur in zweiter Linie betheiligen konnten, und wenn wir darauf binwirkten, daß der Verkehr erleichtert werde, daß die See⸗ spesen berabgesetzt werden, ist uns wiederholt gesagt worden: Ihr önnt dabei nicht mitreden, oder, wie man uns entgegenhielt: Ren will be generous out of our poczets!“ Das sind die Folgen von dem Abhängigkeitsvvmerhältniß. ; . ;
Es ist ferner, außer den praktischen Berürfnissen der Postver⸗ waltung, hingewiesen worden in den Motiven auf die Bedürfnisse der Kaiserlichen Marine. Das wird ja hier von kompetenterer Seite näher ausgeführt werden, so weit dazu Anlaß gegeben wird; aber ich wollte nur erwähuen, daß hierbei in Betracht kommt die Versorgung der im Auslande stationirten Kriegsschiffe mit dem nöthigen Marine⸗Ersatzmaterial, ebenso die Hinbeförderung von Ablösungsmannschaften bezw. die Zurückbeföͤrderung der—⸗ selben: ferner die direkte, postalische Beziehung mit den Kriegsschiffen, damit eine regelmäßige und zuverlässige Verbindung mit dem Heimathlande bestehe. Es kommt auch noch in Betracht, daß, wenn die Vorlage in der Gestalt, wie sie vorliegt, durchgeht, wir 14 Schiffe brauchen werden, 19 ersten Ranges und 4 fleine für die Seitenverbindungen. Ich dächte, das wäre eine ganz hübsche Flotte, bei der die Bemannung auch wohl wesentlich in Betracht kommt; eine Flott, die im Nothfalle auch als Traneportdampfer, als Ävisos und Kreuzer verwendet werden kann; und endlich bitte ich Sie zu beherzigen, daß der Bar dieser Fahrzeuge unsere Schiffswerften immer mehr und mehr in die Ver— fassung setzt, den Anforderungen auch der Kaiserlichen Marine gerecht zu werden. = ö
Höher als diese Einzelheiten steht aber, wie gesagt, den verbün · deten Regierungen der allgemeine und nationale Gesichtspunkt in dieser Vorlage, die Erweiterung des Absatzmarkts, die Steigerung des Werthes der einheimischen Produktion, die Förderung des Exports und. die Vervielfältigung aller hieran sich knüpfenden Beziehungen. Meine Herren, wenn ich vergleiche — und ich habe die Mühe natürlich nicht geschent, das in ausgiebigster Weise zu thun — welche Fortschritte die anderen Linien seit ihrem Bestehen gemacht haben, so bin ich fest überzeugt, daß wir in 10 Jahren schon so bedeutende Ergebnisse er⸗ zielt haben werden, daß man denn gar nicht begreifen wird, wie es überhaupt möglich gewesen ist, daß sich eine Stimme gegen diesen Vorschlag hat erheben können. (Widerspruch links, Sehr richtig! rechts.)
Ich werde es ja nicht mehr erleben — wenigstens nicht mehr im Dienst erleben, diefe retrospektive Betrachtung anzustellen, aber ich hoffe, daß mein Nachfolger sih das nicht entgehen lassen wird. Ich kann das nach aller meiner Beobachtung der Verkehrsverhältnisse mit größter Bestimmtheit voraussagen. .
Davon hin ich auch überzeugt, daß in der Mehrzahl der Nation das Bewußtsein lebt, es handele sich hier um eine eminent nationale Sache. Sie bauen mit diesen ostdampfern eine Brücke über den Ocean nach produktenreichen Lindern mit austauschfähiger Be— völlerung, die noch sehr den Fortschritten der euroxäischen Civili⸗ sation zugänglich ist, und denken Sie auch an die Tausende und Hunderttausende unserer Söhne, die in
jenen Landern mit Anstrengungen und Opfern die Ehre des deutschen Namens aufrecht erhalten, denen Sie mit diesem Plan gewissermaßen
die Mutterhand entgegenstrecken. . Sie werden gewiß mit der gespannlesten Aufmerksamkeit alles verfolgen, was in der heutigen Sitzung gesprochen und beschlossen werden wird und jedes wohlthuende Wort wird in ihren Herzen gewiß den wärmsten Wiederhall dort finden. Ich habe das Gefühl, daß in der Nation hüben und drüben der Instinkt vorhanden ist, es handelt sich hier um eine große und eine gute Sache. Vollenden wir sie und rühren wir uns noch in der Jugendkraft unseres natio—⸗ nalen Lebens unter dem Banner unseres wiedervereinigten und ge— stärkten Vaterlandes. (
Der Abg. Pr. Bamberger erklärte, er sei wieder einmal, wie so oft im Lehen, um eine Enttäuschung reicher geworden. Als der Staatssekretär das Wort genommen habe, habe er sich wirklich mehr als sonst gefreut, wenn der Regierungstisch die Diakussion eröffnet habe; erinnere der Staatssekretär ihn doch zugleich an die beste Zeit der Thätigkeit des Reichstages, und er hoffe, daß der Staatssekretär noch lange auf seinem Posten hleiben und nach 10 Jahren erleben werde, daß der Handel sich auch ohne Postsubvention zu seiner Freude ent— falten werde. Er habe eine ganz besondere Neigung zu dem Stgatssekretär, er bewundere ihn — er hoffe ihm dadurch nicht zu schaden — derselbe habe sich nicht blos für Deutsch— land, sondern für die ganze Welt ein eminent kulturhistorisches Interesse erworben und ermüde niemals in dem rastlosen Streben, sein großes Werk zu vervollkommnen. Er sei darauf gespannt gewesen, nun endlich von dem Staatssekretär das zu hören, was er seit zwei Monaten erwartet habe, nämlich eine sachliche Begründung dieser Vorlage. Aber der geehrte Herr möge es ihm nicht übel nehmen, dessen Darstellung hab— ihn (den Redner) schnierzlich enttäuscht, denn an sachlichenm Inhalt sei autzerordentlich wenig darin zu finden gewesen. Das Inhaltreichste sei gerade die Prophezeihung gewefen, mit der derselbe geschlossen habe, die er in Ehren halten wolle, aber doch nicht mehr wie jede andere, und der gegenüber er nüchtern, wie es einem Volksyertreter gezieme, mit Handel, Verkehr und Steuerlasten, sehr positiven und konkreten Dingen, rechnen werde. Der Staatssekretär habe das Haus gewarnt, der Vorlage nicht mit doktrinären und vorgefaßten Lehr— meinungen entgegenzutreten. Er dürfe wohl sagen: Wenn irgend Jemand im Hause günstig für sie prädisponirt sein könnte, so müßte er es sein, da er und seine Freunde ihrer einseitigen ungerechten Vorliebe für Seehandel, Ausfuhr und Post wegen beinahe verrufen seien. Für jeden Posten im Kriegs-Marinebudget herrsche hier immer Einstimmigkeit, so wenig seien auch seine Politischen Freunde von der allge— meinen Vorliebe des deutschen Volkes für die Kultivirung seiner maritimen . frei, und selbst sein Freund Rickert, sonst einer der schlimmsten Anhänger seiner Partei, vertrete diese Posten der Regierung stets in vorderster Reihe. Es spreche ja auch anscheinend sehr Vieles für die Vor⸗ lage, und man werde auch in seinen Ausführungen keinen doktrinären Gegner der Vorlage finden. Gründe gehe die Regierung eigentlich keine für ihre Vorlage an, man müsse erst danach suchen, was die Regierung bewogen haben könnte, der Rhederei ein jährliches Geschenk von vier Millionen zu machen. Er frage noch immer vergeblich: Solle das Haus die Postsubvention geben, weil die betreffenden Dampferlinien in gutem oder weil sie in schlechtem Zustande seien? Welches Bild von Handel und Verkehr habe hen verbündeten Regierungen denn vorgeschwebt,
daß sie eine so große
Summe, deren Gesammtbetrag sich auf 60 Millionen belaufen könne, bewilligt haben wollten? Die Nation nehme ja alle Bestrebungen mit Sympathie auf, welche ge⸗ eignet seien, den deutschen Export zu heben, und es wäre wohl sehr angezeigt gewesen, daß die Regierung, wenn sie der Vorlage Freunde erwerben wollte, gezeigt hätte, wie und in welcher Weise diese zu subventionirenden Postdampferlinien dem erwähnten so wichtigen Zwecke dienen könnten. Aber man habe in der Vorlage darüber nicht die geringste Auf— klärung gegeben, sich nur einfach an die Sympathie dieses Hauses gewandt und einfach Geld ohne nähere Motivirung verlangt. Was sich für die Vorlage geltend machen könnte, wäre der Wunsch der Nation nach erhöhtem Export. Das sei der Mittelpunkt des ganzen Interesses und da hätte er doch gewünscht, daß dem Hause über den gegenwärtigen Stand der Handelsverbin⸗ dungen in der Vorlage eine Mittheilung gemacht würde. Statt dessen sei dort gesagt, eine derartige Aufstellung wäre sehr schwierig — ja, wenn sie so schwer sei, dann könne man doch auch nicht wissen, ob die Verhältnisse gut oder schlecht seien. Als einzigen Grund habe man dem Hause gesagt, die anderen Staaten gäben mehr für überseeische Verbindungen aus. Sei denn aber nicht Frankreich das klassische Land der Geldverschleuderung? Und könne man sich in Deutschland etwa mit dem Handelsverkehr Englands messen? Also auch dieser Grund falle weg. — Man wolle mit dieser Vorlage den Export vermehren, aber man werde in Länder nur exportiren, wenn man von ihnen importire. Gegen— wärtig werde von dem deutschen Export nur 5 Proz. baar bezahlt, der Rest werde durch Tausch beglichen. Man würde also in hohem Maße den Import vermehren, wie es ja auch zum Leidwesen Vieler die St. Gotthardbahn . habe. Die Zufuhr von Getreide aus Indien werde sich wachsend vermeh— ren, die Fleischeinfuhr 2c. Die deutsche Landwirthschaft arbeite also gegen ihr eigenes Interesse. Sei denn aber wirklich auch nur zu vermuthen, daß die Verabredungen nicht genügten, daß in Bedürfniß vorliege, welches der deutsche Unternehmungs⸗ geist nicht privatim befriedigen könne? Doch wohl kaum. England unterhalte 38 Postdampferlinien, Deutschland 18 — sei das denn nicht ein ganz richtiges Verhältniß? — Der Verkehr mit Ostasien werde jetzt von Frankreich, England und Holland monatlich durch 54 Dampfer vermittelt, nach Australien durch 65. Sollten die 54 nicht genügen? Und wenn sie nicht genügten, dann solle der eine deutsche Dampfer, der nach der Vorlage monatlich abgelassen werden solle, das Bedürfniß erfüllen? Und erwarte man eiwa, daß der ganze deutsche Verkehr nach Australien auf den einen deutschen Monats⸗Schnelldampfer warten würde? Das sei doch ein Paradoxon im höchsten Grade. Denke man doch an die Schwierigkeit, den von Hamburg abgehenden Dampfer zu füllen. Die gegenwärtigen Gesellschaften seien gern bereit, alle 14 Tage Schiffe abzusenden, wenn sie nur Ladung hätten, aber ohne Ladung zu fahren, das sei doch ein Vergnügen, das man sich nur auf Kosten der Steuerzahler gestatten könne. Noch schlimmer stebhe es mit der Rückladung. Die „Nordd. Allg. Zig“ meine, die Schiffe der Slomanschen Linie seien ungelenk, unsauber ꝛc, deshalh erhielten sie keine Ladung. Auf Eleganz könnten aber diese Unternehmungen sich nicht einlassen, dazu rentire das Unternehmen zu wenig. Der Verkehr von Bremen nach jenen entfernten Ländern serner sei sehr unbedeutend; und ein Artikel, der in diesen Aufstellungen über den Verkehr mit Asien eine Rolle spiele, der Thee, liege ganz außerhalb der Linie, für die man sich jetzt interessire. Der Theehandel sitze wesentlich in Königs— berg und habe es durchaus nicht nöthig, subventionirt zu werden. Der Handel von Königsberg in Thee sei so groß, wie wahrscheinlich der ganze Transporthandel von Deutsch— land nach China. Man sage, man müsse Anstrengungen machen, um auch die Rückfahrt zu befördern. Wolle und Thee seien die zwei großen Artikel, die vom Osten nach Erxopa geführt würden. Die Hamburger hätten drei Mal versucht, die direkte Wolleinfuhr von Australien nach Hamburg auf die Beine zu bringen: immer vergeblich, weil der Markt ein— mal in London centralisirt sei. Auch mit dem Thee habe man 6 versucht, aber es sei mißlungen, weil man keine ge— nügende Rückfracht gehabt habe. Also an Anstrengungen er deutschen Rhederei, den Verkehr zu entwickeln, feyle es nicht entfernt; und ebensowenig würde es wahrlich an Schiffen fehlen, wenn Waaren da wären zur Beförderung. Die Fol⸗ gerung zu ziehen, daß der Handel blühe, weil der Postverkehr blühe, heiße doch das Thermometer mit der Hand erwärmen. Wenn so auch nicht der geringste Beweis dafür erbracht werbe, daß dem Verkehr Deutschlands durch die besteher den Ver⸗ bindungen nicht genügt werde, so müsse er andererseits auch ben Bemeis verlangen, daß die deutschen Schiffe sich als un— genügend erwiesen hätten. Nur in einem einzigen Konsular— berichte habe er einen auch nicht besonders substäntiirten Vor— wurf gefunden, daß der Handel ben direkter Verbindung besser würde. Die patriotische Freude über das Wehen der deutschen Poastflagge im Auslande werde doch durch die Erhöhung der Steuern um jährlich vier Millionen bedenklich abge— schwächt. An lebendigem Verkehr mit jenen fernen Märk— ten fehle es Deutschland gar nicht. Es existirten dort eine ganze Reihe deutscher Handlungshäuser. In Piano— forten beherrsch? Deutschland den ganzen australischen Markt, ebenso im Export von Farben. Glaube man, daß es dem deutschen Handel nütze, sich blos der deutschen Schiffe zu hedienen? Derselbe brauche auch die englischen und anderen Schiffe, die ihm die Vermittelungen vermehrten, die nöthigen Verbindungen fördern hülfen. Es wäre ebenso falsch, den deutschen Hande! beschränken zu wollen auf die Verbindung mit deutschen Schiffen, als es falsch wäre, ihn auf die Vertreihung von deutschen Waaren zu beschränken. Der Handel müsse, um die Schiffe zu befrachten, sich auch der fremden Waare bedienen; und wenn man sich hier auf einen falschen humanistischen Standpunkt stelle, mit deutschen Schiffen deutsche Waaren führen zu wollen, dann würde man den Handel auf 1/3 oder auf 150 des jetzigen Standes bringen. Der deutsche Exporthandel habe seine Probe bestanden; und blos darauf hinzuweisen, England habe zwanzig Mal so viel Export nach Asien und China als Deutschland, und Deutsch— land damit zu vergleichen, das komme doch auf dasselbe arith⸗ metische Rechenexempel hinaus, welches laute, aus der Höhe des Mastbaums das Alter des Schiffskapiläns herauszurechnen. Habe Deutschland 259 Mill. Einwohner in jenen Gefilden? Der Haupt⸗ artikel des großen massenhaften englischen Exports seien die sog. Shirtings, die England allein fabrizire und Deutschland nicht mache. Einstweilen aber Schiffe zu bauen für das, was die
Deutschen in Zulkunft machen könnten, werde wohl Niemand.
empfehlen mögen. Deutschland habe nun allerdings nur den
zwanzigsten Theil ber Ausfuhr nach Asien. Aber frage man einmal, welchen Antheil Deutschland an der Ausfuhr nach Westen, nach Nord⸗ und Südamerika habe. Von den 3 Milliarden, die ausgeführt würden, gehe eine Milliarde also der dritte Theil über See. Es werde für diese Vorlage gerade so viel Reklame gemacht, wie seiner Zeit für die Samog—= Vorlage. Uebrigens stehe dieser Verkehr nach Ching, für den man so große Opfer bringen solle, in gar keinem Verhältniß zu dem großen Verkehr, den Deutschland nach Amerika habe, und für den doch keine Subvention für nöthig erachtet fei' Man habe seit 1881 verschiedene Denkschristen über die Nothwendigkeit der Subventionirung des deutschen Han⸗ dels bekommen. Heute behaupte man nun noch, daß eine große Stimmung der Nation für, die Sache sei. Er sei davon durchaus nicht so durchdrungen; ein derartiges allgemeines Gefühl wäre auch nur eine sehr schlechte Magnetnadel bei so wichtigen Unternehmungen. Die Argu— mente aber dafür, daß der deutsche Handel und die deutsche Schiffahrt zurückgegangen wären, seien so wenig fundirt, daß er im Interesse und im Namen der deutschen Seefahrer ganz entschieden dagegen protestiren müsse. Blos was Deutsch' land an gewebten Strümpfen und Handschuhen nach Amerika ausführe, sei so viel, wie der chinesische Handel, und was Deutschland an Glacéhandschuhen ausführe, sei so viel, wie der ganze japanische Handel; und da solle man für diesen eine Flotte bauen, die 45 Millionen Mark koste! Berufe man sich auf fremde Länder, so passe Englands Beispiel wahrlich nicht; Englands enorme Beziehungen seien ja be— kannt; es gebe aber eine verhältnißmäßig verschwindende Summe für seinen ganzen Verkehr aus; Englands effektivv Ausgabe für den chinesich-japanischen Verkehr betrage nur 204 000 Pfund oder 4680 600 S Und Deutschland mit seinem winzigen Verkehr solle die— selbe Summe aufbringen! Wenn gesagt werde, England gebe im Hanzen 13 Millionen an Subvenkionen, fo umfasse doch England die ganze Erde, auch jene Länder, nach denen, Gott sei Dank, die deutschen Dampferverbindungen so gut seien, daß Deutschland keine Subvention zu geben brauche. Man solle nach Australien Subventionen geben, und England, das alte seefahrende England, mit seiner emporblühenden austra— lischen Kolonie gebe keine Subvention nach Australien, denn die einzige Subvention, die den Dampfschiffen für Australien gegeben werde, zahlten australische Kolonien, die natürlich ein Interesse hätten, den Verkehr mit dem Mutterlande herzu— stellen. Man berufe sich auf Frankreich. Er enthalte sich gern der Kritik über den Charckter eines fremden Volkes. Aber es sei doch wirklich bekannt, daß in keinem Lande so verschwenderisch mit Staatsgeldern umgegangen werde, daß die Begünstigung von einzelnen Unternehmungen, Fabri— kanten und Geschäftsklassen nirgend so schleuderartig seit hundert Jahren getrieben werde, wie in Frankreich. Und was sei aus den zwei unterstützten französischen In— stituten geworden, auf die man 1881 in einer Denkschrift hingewiesen habe? Sie seien schmählich zu Grunde gegangen. Außerdem seien vier Compagnien gebildet zur Erbauung von Schiffen und zum Betriebe von Rhedereien. Die besten von ihnen ständen heute 25 Proz. Verlust. Der subnentionirte französische Export sei viel geringer als der deutsche. Der all— gemeine Exporthandel von Frankreich nach China sei im Jahre 1882 88 000 000 Fr. gewesen, aber der Spezialhandel mit französischen Waaren nicht ganz 3 000 000. Deutschland führe für 30 Mill. aus, und die Franzosen, die 20 060 000 Fr. Subvention gäben, führten für3 006 0060 466 aus. Sie führten auch von Deutschland deutsche Waaren, schweizer und englische Waagren aus, und nun solle Deutschland aus Neid auf die fran— zösischen Erfolge auch das Vergnügen haben, daß es für deutsches Geld auch fremde Waaren besördere. Der Generalpostmeister mache gewissermaßen eine Ehrensache daraus. Es schicke sich nicht, daß Deutschland nicht bei— steuere für den Weltpostverein. Was sei denn der Sinn dieses Weltpestvereins, der den Namen des General⸗-⸗Postmeisters in die spätesten Jahrhunderte ruhmreich tragen werde. Daß sich die Nationen einander in die Hände arbeiteten, daß sie von den andern bedient werden, wie Deutschland gelegentlich sie be— diene. Und nun solle Deutschland aus einer Art point d'honneur 45 Millionen ausgeben, damit es nicht heiße, es werde von fremden Nationen regalirt. Andere Länder, die in der Schifffahrt sehr schön prosperirten, wüßten von solchen Subventionen nichts. Holland gebe nur ein paarmal hundert— tausend Mark für die Schiffe aus, die in seine ostindischen Kolo— nien führen. Und welche Erfahrungen habe Belgien gemacht? Dort sei eine überseeische Linie nach China vor ein paar Jahren abgelehnt und die Folge sei gewesen, daß sich drei unabhängige Linien gebildet hätten, die mit großem Erfolge führen. Auch in Amerika habe das Subventionssystem vollständig Schiffbruch gelitten, und seitdem werde das Waarengeschäft dort viel beffer be⸗ trieben. Was nun die Post betreffe, so habe er erwartet, er würde an den General-Postmeister einen sehr schwer zu bekämpfenden Gegner haben. Dessen Material könne ihn aber nicht um— stimmen. Wenn man bedenke, daß Deutschland 4 Millionen für die 300 900 Poststücke von und nach jenen Ländern geben solle, so werde es wahrscheinlich kein Irrthum sein, daß jeder Brief 100 6 koste. Dann werde man doch nicht alle Briefe nur alle Monat schicken wollen und dem deutschen Verkehr zumuthen, sich nur auf die deutschen Schiffe zu beschränken, nur alle Monate einmal nach Australien u. s. w. zu schreiben, wenn derselbe die fremden Schiffe benutze. Man würde jedenfalls nur einen kleinen Theil bekommen. Nehme man an, man bevorzuge hier den Theil, so habe man höchstens immer nur ein Fünftel dieser Briefe, also 60 Postsäcke zu be⸗ lommen. Und dafür wolle man diese mächtige Flotille bauen? Wie könne man diesen Briefverkehr vergleichen mit dem von Amerika? 50 bis 60 Tausend Postbriefe seien etwa 60 Post—⸗ säcke und dafür wolle man 24—26 Reisen machen? Da kämen auf jedes Schiff 2— 3 Säcke. Darum eine solche Aus⸗ gabe? Es sei dann gesagt worden, daß die Ausbildung der Marine das Haus bewegen müßte, jedenfalls für die Sache eine gute Meinung zu haben. Auch hierüber könnte er ein⸗ gehende Glossen machen, aber er wolle das Haus für heute damit verschonen und nur bemerken, daß selbst alle accessori⸗ schen Gründe, die Rücksichten auf den Transport der Marine⸗ mannschaften und auf ihre Ausbildung, hier durchaus nicht
paßten, daß die Handelsflotte, die man jetzt herstellen wolle,
für diese Zwecke gar nicht dienen könne. Der Hauptwider⸗ stand der hanseatischen Handelsblätter gegen die Vorlage laufe immer darauf hinaus, daß man für die jährliche Subvention von vier Millionen diese Dampfer nicht bauen, diese Schiffs— linien nicht unterhalten könne, und der in Aussicht genommene Subventionsbetrag durchaus unzureichend sein würde. Mit diesen Schnellschiffen könnte der deutsche Kaufmann also doch
nur einmal im Monat seine Correspondenz nach Australien absenden, während derselbe jetzt auf den verschiedensten Linien 8. Mal oder mehr im Monat Briefe versenden könne. Was den Passagierverkehr anbetreffe, so müsse man doch in Betracht nehmen, daß sich Passagiere, die schnell reisen wollten, wahrlich nicht in Hamburg, sondern etwa in Neapel oder Brindisi einschiffen würden. Solle eine Gesell⸗ schaft die geforderten Zwecke vollständig erfüllen, so reiche die Summe von vier Millionen Mark jährlich nicht aus; man werde nothwendig Mehrforderungen eintreten lassen müssen. Das sei bisher in allen anderen Ländern, wo man Staatgz— Subventionen gegeben habe, geschehen. Sodann halte er es nicht für richtig, daß man dem Hause nicht die ganzen Ver— träge mit den betreffenden Dampfergesellschaften vorgelegt habe, wie es in England und Oesterreich gefchehen sei. Endlich werde die ganze dentsche Rhederei einer großen Gefahr ausgesetzt, es werde in Zukunst jeder Rheder nur mit Furcht an den Bau eines neuen Schiffes gehen, weil man stets über die Absichten der Regierung im Unklaren sein werde. Er halte die Vor— lage für eine Schädigung der sreien Entwickelung des deutschen Handels, und bitte, falls man nicht, wie eine Verstaatlichung der Eisenbahnen, auch eine Verstaatlichung der Rhederei wünsche, das Gesetz abzulehnen!
Hierauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:
Ich habe nicht die Absicht, auf den sachlichen Inhalt der Rede, welche soeben schließt, zu antworten. Ich werde davon schon durch zwei materielle Gründe abgehalten. Einmal, um eine Rede von der Länge zu beantworten, wäre eine Gegenrede von mehr als dieser Länge nothwendig, und ich möchte den Hrn. Dr. Bamberger bitten, wenn er die Reichsregierung in Behandlung nehmen will, seine Dosen kleiner einzurichten; uns fehlt für so Großes auf ein Mal die Rezeptivität. Es ist mir unmöglich, auf die ganze Masse dessen, was er vorgetragen hat — es hat beinahe zwei Stunden gedauert, glaube ich — hier sachlich zu antworten; es ist auch das eigentlich nicht fo sehr meine Aufgabe. Außerdem mache ich den Herrn? Vorredner für zukünftige ähnliche Lokalverhältnisse darauf aufmerkfam, daß, wenn er in seinem gewöhnlichen Ton spricht, hier an der bundezrätblichen Bank gerade soviel von seiner Rede verloren geht, um den größeren Theil derselben unverständlich zu machen. Das liegt unmöglich in seiner Absicht. Nur den letzten Theil, der gewissermaßen mit fettem Druck gesprochen wurde, habe ich klar verstanden; wenn es ihm mög—⸗ lich wäre, zwei Stunden hintereinander so zu sprechen, würden wir dankbar sein.
Der Zweck, zu dem ich dennoch das Wort ergreife, ist, mich zu verwahren gegen die Art von Rollenvertheilung zwischen den Regie rungen und dem Reichstage, die aus der Rede des Herrn Abgeord⸗ neten und aus der ganzen Polemik in den Zeitungen mir hervor- zugehen scheint. Es ist, als ob die Regierungen, der Bundesrath und der Reichstag als Parteien in einem Prozeß einander gegenüber— ständen, und als ob uns, den Regierungen, obliege, mit Ziffern nach— zuweisen, daß das, was wir hier angeregt haben, sich in einer ge⸗ wissen Anzahl von Jahren bezahlen wird, entweder durch einen finanziellen Ueberschuß oder durch ein volkswirthschaftliches Plus. In dieser Form, meine Herren, sind ja organische Fragen, wie es alle volkswirthschaftlichen Fragen sind, gar nicht zu behandeln. Hier Jemand zu überzeugen, Jemandem sogar durch das Material, was wir beibringen, durch die Vorlage, durch deren Motivirung zu beweisen, daß die Ausgabe, die wir dem Lande vorschlagen, eine nothwendige oder auch nur eine nützliche ist — wer kann denn das von uns erwarten? Wer aicht überzeugt ist, daß diese Ausgabe nützlich ist, der wird nicht zu⸗— stimmen; aber muthen Ste uns nicht zu, den zu überzeugen! Die Aufgabe z. B., den Herrn Vorredner davon zu überzeugen, daß irgend welche Regierungsvorlage nützlich und zweckmäßig ist, würde ich nie⸗ mels übernehmen und auch in dieser Lage nicht, weil ich überzeugt bin, daß seine Meinung so wohl erwogen und so fest und so sicher ist, daß keine ministerielle Deduktion sie jemals erschüttern könnte. Ich hahe zu viel praktische und erfolgreiche Arbeit auf meinen Schul- tern ruhen, um solche unpraktische Ueberredung des Hrn. Abg. Bam— berger jemals übernehmen zu wollen. Aber das gilt auch den übri— gen Herren gegenüber, der Gesammtheit hier. Meine Herren, wer hier nicht überzeugt hergekommen ist, daß es nützlich sei, diese Subvention unseren überseeischen Verbindungen zu be— willigen, den werden wir hier zwischen 1 bis 5 Uhr nicht über— zeugen — ich wenigstens nicht — meine Beredsamkeit reicht dazu nicht aus, auch die Kenntniß keines Einzigen von uns. Wie Viele sind so wohl unterrichtet, wie der Hr. Abg. Bamberger? Er ist genau genug unterrichtet, um alle Einzelheiten des überseeischen Verkehrs mit großer Sachkunde und, wie ich voraussetzen kann, ohne Interesse für irgend eine der dabei betheiligten einzelnen Rechnungen zu ver⸗ stehen; aber dem in der Geschwindigkeit zu folgen und darauf einen Beschluß zu fassen, das ist gar nicht möglich. In solchen Sachen liegt der Regierung nicht die Beweislast ob; was der Regierung ob⸗ liegt, ist, die Anregung und die Möglichkeit dazu zu) gewähren, Fragen, wie beispielsweise die Samoafrage, nach einer ge⸗ wissen Anzahl von Jahren einmal wieder der gemeinschaftlichen Prüfung mit uns zu unterziehen, der gemeinschaftlichen Prü⸗ fung nicht im Interesse der Regierung, — meine Herren, mir ist es ja vol ständig gleichgültig, und jedem andern Minifter persönlich auch, ob diese Sache zu Stande kommt oder nicht; aber im Interesse des Volks, der deutschen Nation, ihres Exports, ihrer Arbeit, der Rhederei liegt es die Sache zu prüfen, zu erwägen, ob sie nützlich ist oder nicht. Ob es nebenbei dabei auf einen Ehrenpunkt ankommt, das überlasse ich dem persönlichen Ermessen eines Jeden; die Ehre ist wesentlich von dem persönlichen Gefühl abhängig. In der Weise, wie es hier von der Gegenpartei geschehen ist, daß nämlich die Summe der jährlich zu machenden Verwendungen abdirt wird ö die Zeitungen kommen auf 60 Millionen im Ganzen, 15X4, Hr. Dr. Bamberger, der das Diskontogeschäft genauer kennt, reduzirt diese Summe auf nur 45 Millionen —, in dieser Weise läßt sich die Sache doch nicht behandeln. Das Raisonnement, das ich hier in einer fortschrittlichen Zeitung finde: 6 Millionen Mark für das Wehen der Reichsflagge in Asien und Australien, ist dasselbe, was Hr. Bamberger berührt; mntatis! mut an- dis, mit einigen Variationen reproduzirt er daffelbe. Das läßt sich guf alle nationalen Institutionen anwenden. — Ich habe mir hier die Ziffern der Marine ausgezogen; da sind im Ordinarium 27 und im Extraordinarium 10 Millionen, macht 37 Millionen, und das fünfzehnmal genommen macht 555, alfo: Sie können mit demselben Recht sagen, für das Vergnügen, die deutsche Flagge wehen zu sehen, 5556 Millionen. Oder daz gesarnmte Poftbud get praster propter 160 Mill. — wenn Sie das mit demselben Multiplikator versehen, e kommen Sie guf 40 Millionen. Sie können daß ganze Beutschẽ Reich unter diese Rechnung bringen mit seinem Budget von 591 Millionen; das macht, fünfzehn Mal genommen, 8865 Millionen. Das Alles für das Vergnügen, die deutsche Flagge wehen zu sehen! Das sind also keine ernfken Gründe; darauf sollte man hier nicht zurückkommen.
Aber ich will auf diese materielle Seite der Sache nur soweit eingehen, als ich es mir überhaupt vorgenommen hatte. Der Hr.
g. Bamberger hat hier Bezug genommen auf die Erklärung der Hamburger Tampfschiffs-Rhedereigesens schaft, die, wie er ganz richtig agi, ihrerseits mit Verlust gearbeitet hat, und von der er voraussetzt, ß ie zu den unbedeutenden Vorarbeiten, die seiner Meinung nach die Regierung überhaupt geliefert hat, im Wesentlichen das Material bescaff habe. Gerade dieser Rechnungsbericht, das Promemoria, 8 gegeben ist in Nr. 162 des Hamburger Correspondenten, wo es zeder nachlesen und die Schlüsse bestätigt finden kann, die ich daraus ziehe, fängt damit an: .
Am 1. Juli 1871 konstituirte sich die deutsche Dampfschiffs— hederg zu Hamburg mit einem Kapital von 500 0090 Thlr. —
00 000 MM Damals, vor ea. 12 Jahren, waren unsere deutschen
Schiffsbauwerften noch wenig im Stande, den Bau größerer eiserner Dampfsschiffe sammt Maschinen zu einem im Vergleich zu den auf englischen Werften kuranten Preise und in einigermaßen gleichen Lieferungsterminen zu übernehmen.
Es ist seitdem ein Fortschritt gemacht worden, seit den 12 Jahren, zu Aller Befriedigung. Ob und inwieweit dieser Fortschritt in Ver⸗ bindung mit der Gesellschaft zu bringen ist, überlasse ich eines Jeden Ermessen. Es ist mir immer merkwürdig, daß bei solchen Gelegen— beiten wie die heutige, ein Theil der Herren vorher überzeugt ist von der Sache, und der Beredsamkeit der Regierung nicht bedarf, während ein anderer Theil auch vorher überzeugt ist, daß die ganze Sache fehlerhaft ist, und daß es der Beredsamkeit der Opposition nicht bedarf, um die Opposition zusammenzuhalten. Merkwürdig ist ferner auch, daß die wirthschaftliche Ueberzeugung sich gerau so abgrenzt wie die Fraktionen, daß sich selten in der Fraktion ein Mann findet, der anderer Mei⸗ nung ist als die Majorität, daß genau mit der Regierungsfreundlich- keit die Uebereinstimmung mit den wirthschaftlichen Ansichten der Regierung aufhört, also da, wo die Regierungsfeindlichkeit anfängt, auch die Verurtheilung jeder wirthschaftlichen Auffassung der Regle— rung feststeht und unerschütterlich fest bleibt. Es läßt mich das Fast auf den Schluß fommen, daß noch andere als wirthschaftliche Er— wägungen für diese Ueberzeugung maßgebend sein müssen; natürlich werden diese Ecwägungen indirekt auch immer auf wirthschaftliche Quellen zurückko:nmen, vielleicht würden diejenigen, die augenblicklich die Wirth— schaftspolitik der Regierung mißbilligen, dieselben Maßregeln, die die Regierung ihnen vorschlagt und die Sie heute verwerfen, ihrerseits selbst ausführen, wenn Sie Regierung wären, allerdings dann riel geschickter und besser vorbereitet. Der Unterschied liegt darin: Sie würden es selbst machen, Sie lieben vie Personlichkeiten nicht, Die gegenwärtig die Verwaltung leiten. Ich wollte, dieser Mangel an Liebe wäre stark genug, um die Verwaltung von mir zu nehmen, aber leider sind Sie alle nicht so mächtig, wie ich Ihnen wünsche— Ich wünschte, Sie wären einmal am Ruder, ich möchte Sie wohl sehen.
In dem vorher erwähnten Promemoria heißt es dann weiter:
Mit 4 Schiffen übernahm diese deutsche Dampfschiffahrts— rhederei im Juni 1873 die Fahrt nach Penang, Singapore, Hong— kong und Shanghai. Deutschland entbehrte bis dahin jeder direkten Dampsschiffsverbindung mit jenen Gegenden.
Ich will Sie nicht mit weiteren Vorlesungen ermüden und Ihre Zeit und tneine nicht verschwenden. Hinterher kommt das Resultat, daß. diese Gesellschaft, nachdem sie ein erhebliches Verlustkonto abge— schrieben hatte, nachdem sie mit Schaden operirt hatte, schließlich doch elf Seedampfschiffe dauernd auf diesem Seewege beschästigte. Das ist die Thätigkeit dieser einen offenbar wenig potenten, aber streb⸗ samen Gesellschaft. Wenn schon deren Thätigkelt genügend gewefen ist, um in unseren ganzen Rhedereiverhältnissen, in unseren über— seeischen Beziehungen, eine erhebliche Veränderung herbeizuführen, sollte da die Möglichkeit ganz von der Hand zu weisen sein, daß bei einer noch größeren Ausdehnung mit Zuhülfenahme einer Subvention von Seiten der Staaten, alle die Vortheile, die für die nationale Arbeit, für den Handel, für den Export gewonnen werden können, sich in noch größerem Maßstab zeigen? Wie hat der Verkehr in Folge der Anlagen von Eisenbahnen sich gehoben, wie hat der Wagen Frachtverkehr in Folge der Eisenbahnen sich gehoben, wie haben Hunderttausende anderer Verkehrsarten sich seit meinen Jugend— jahren verdreifacht, verzehnfacht und an Umfang zugenommen durch Verbesserung der Verkehrsverbindungen? Weit über jede Berechnung! Der Klügste, meine Herren, wird das Maß der Entwickelung unferes Verkehrs in Folge der Anwendung des Dampfes auf unseren Ver— bindungs wegen sowohl zu Wasser wie zu Lande nicht ganz sicher fest⸗ stellen können. Können Sie also mit Sicherheit nach kaufmännischer Buchführung genau das Verluft⸗ und Gewinnkonto anzeigen, was wir hierbei haben werden? Es ist das eine Ueberzeugungs, eine Glaubenssache, die ich aber doch nicht, wie der Herr Vor— redner, als Gefühltsache charakterisiren möchte. Wir fühlen die Verpflichtung, über die Ablehnung von Samong nicht zu boudiren, sondern — Sie könnten es auch aus Ihrer Mitte thun — Ihnen nach einem gewissen Zeitraum wieder Gelegenheit zur Prüfung zu geben. Sind Sie überzeugt, daß diese Vorlage nützlich ist, dann werden Sie dafür stimmen trotz der langen Rede und der vielen Daten, die Ihnen der Herr Vorredner verlesen hat. Sind Sie davon nicht überzeugt, dann bin ich der Letzte, der es Ihnen übel nimmt, wenn Sie in wirthschaftlichen Fragen anderer Ueberzeugung sind. Für die Regierung entspringt daraus der Vortheil, daß sie von der Verantwortlichkeit für das Nichtinslebenrufen dieses Institutes befreit ist. Wollen wir den Weg, den nicht nur, wie her Herr Vorredner sagte, Frankreich, som ern auch England, Belgien, Holland und alle hauptsächlich feefahren den Nationen betreten haben, auch Italien — der Herr General-⸗Postmeister hat die Data darüber, ich habe sie nicht im Kopfe —, wollen wir den Weg, den alle Diese betreten haben, nicht betreten, weil wic die klugen Deutschen sind, die Alles besser wissen, weil wir spo viele Gelehrte und so gute Redner haben? Wollen wir uns nicht, an der Weiterentwickelung, des Verkehrs betheiligen? Wollen wir nichts thun für die Seefahrt, die Arbeit, die Erhaltung unseres Exportes, zur Vorbeugung von Nahrungklosigkeit im Lande wegen Mangel an Exports und Mangel an Arbeit? Wollen wir nicht vielmehr jedes Mittel wählen, die Ausfuhr zu fördern, auch solche Mittel, für deren Rentabilität wir nicht vorher den Beweis liefern lönnen, an die wir aber glauben? — Wollen wir ablehnen oder annehmen? Vie Regierung übernimmt nur dafür die Berant— wortung, daß sie Ihnen Gelegenheit bietet, einen Beschluß zu fassen, daß sie ihrerseits die Initiative ergreift. Der Verantwortlichkeit für das Lnterbleiben solcher Einrichtungen bei uns in Deutschland ist fie überhoben. Diese Verantwortlichkelt wird von dem Augenblicke, wo Sie die Vorlage ablehnen, Hrn. Bamberger, seinen Freunden und den Ablehnenden ins Konto geschrieben werden, und wir werden die Sache ad aeta Samoa schrelben.
Der Abg. Graf von Holstein erklärte, noch heute könne er den schmerzlichen Eindruck nicht verwinden, daß die Samoa—⸗ vorlage abgelehnt worden sei. Eine ähnliche Vorlage trete auch heute an das Haus heran. Er erinnere das Haus daran, daß bald nach Ablehnung der Samoavorlage zwei Denk— schriften erschienen seien, von denen die eine über die Ver— hältnisse in Frankreich gehandelt habe, die andere alle die Hülfsrufe enthalten habe, die aus Asien an das Deutsche Reich ergangen seien. Schon damals sei die Forderung gestellt: vor Allem bedürften die Deutschen einer direkten Dampfer— verbindung! Diesen Punkt habe auch der vorliegende Gesetz⸗ entwurf hervorgehoben. In die technischen Schwierigkeiten dieser Vorlage wolle er sich nicht einlassen. Für ihn und seine politischen Freunde seien die Sätze maßgebend gewesen, erstens, daß nur ein ganz regelmäßiger Import und Eyport bei regelmäßiger Postverbindung sein könne. Nur dann sei es möglich, fuͤr Deutschland dauernde Bezugs⸗ resp. Absatz⸗ guellen zu sichern. Sodann bestimme seine Partei der Satz, daß eine solche Linie vorläufig nur mit Schaden arbeiten könne. Erwäge man ferner die Ungeheuren Summen, die von anderen Völkern sür derartige Unternehmungen gezahlt wurden. Der Abg. Bamberger sage, das wäre relativ wenig gegen— über den Besitzungen, welche diese Staaten in jenen Ländern hätten. Deutschland wolle aber auch dort seinen Einfluß haben. Die australische Kolonialverwaltung habe jüngst 200 000 Pfund Sterling zu solchem Zwecke bewilligt. Das sei doch ein Beweis dafür, daß die Nothwendigkeit solcher Ein⸗ richtungen anerkannt sei. Der Abg. Bamberger habe ferner darauf aufmerksam gemacht, daß bei dem gesteigerten Verkehr der Landwirthschast Gejahr drohe. Er wisse sehr wohl, daß von sehr fernen Gegenden der deutschen Landwirthschaft Kon⸗ kurrenz gemacht werde, daß z. B. indischer Weizen auf der
Ostsee geschwommen komme. Es sei ihm bekannt, welch niederdrückenden Einfluß die Zufuhr australischer Wolle für die Landwirthschaft und Wollproduktion gehabt habe. Aber diese Waaren würden weniger durch die schnellen Postdampfer befördert werden, da diese zu theuer seien und es weniger auf rasche als vielmehr auf sichere Beförderung ankomme. Die beste Stütze für die Landwirth⸗ schaft sei eine kräftige Industrie. Eine Maßregel, wie die vor⸗ liegende, fördere die Industrien, und er lasse sich durch das Gespenst, das der Abg. Bamberger heraufbeschwören wolle, nicht schrecken. Uebrigens habe er sich gefreut, bei dem Abg. Bamberger ein so reges Mitgefühl für die bedrohte Lage der Landwirthschaft zu finden. Er hoffe, wenn ein eneraischer Schutz nothwendig werde, auf ihn rechnen zu können. Deutsch⸗ land hahe das Recht, zu verlangen, daß es ebenfo dastehe, wie die anderen Nationen; aber Deutschland wolle sich nicht alles cediren lassen, sondern es sich selbst erwerben. Bei den ungeheuren Summen, welche das Ausland für solche Zwecke verwende, könne er das Gefühl nicht unterdrücken, daß Deutschland zurückbleibe. Es werde Viemand glauben, daß nur aus reiner Liebhaberei jene Summen bewilligt worden seien. Der Werth dieser Ausgaben hahe sich durch die Dauer der Zeit bestätigt. Man solle des⸗ halb nicht aus absoluter Sparsamkeit und grauer Theorie sich vor solchen Ausgaben scheuen. In neuerer Zeit habe ein wahres Wettrennen stattgefunden, auf je der Ecke Landes Kolonien zu etablixen. Es handele sich jetzt nicht darum. Man müsse aber eilen! Sonst gehe es Deutschland wie dem Poeten in dem Schill erschen Liede, der gekommen sei, als die Welt vertheilt gewesen sei. Deutschland habe nicht den guten Trost, den Zeus dem Träumer gegeben habe, indem derfelbe ihm das himmlische Reich gewährt habe. Wenn Deutschland zu spät komme, sei das himmlische Reich geschlossen. Es säßen bereits Franzosen unh Engländer auf den besten Plätzen und Deutschland habe das Nachsehen. Auch für den Fall eines Krieges zwischen einer europäischen Macht und China sei eine solche Postverbindung nothwendig. In solchen Fällen wäre Deutschland auf fremde Hülfe ange⸗ wiesen und das könnte unter Umständen geradezu verderblich sein. Eine solche Stellung sei für Deutfchland unerträglich und unwürdig. Allein dies genüge, um seine Partei für die Vorlage eintreten zu lassen. So erkläre er denn in seinem und seiner politischen Freunde Namen, daß sie für die Vor— lage stimmen würden, und er wünsche, die übrigen Parteien im Interesse der Würde Deutschlands ein Gleiches thäͤten.
Demnächst nahm der Staatssekretär des Reichs-Postamts Dr. Stephan das Wort:
Meine Herren! Ich bin mit der größten Aufmerksamkeit den Ausführungen des Hrn. Abg. Bamberger gefolgt, so wie sie es nach Maßgabe der gründlichen Studien, auf denen sie beruhen, verdienen. Ich habe eine große Menge Zahlen von ihm gehört, aber ich habe trotz meines redlichen Bemühens einen wirklich entscheidenden und durchschlagenden Grund gegen diese Vorlage nicht von ihm ver⸗ nommen. Er hat geschlossen mit einer durchschlagenden Bemerkung, nämlich derjenigen, daß man die Verstaatlichung der Rhederci nicht wolle. Das ist vollkommen richtig, das wäre ja auch eine große Ge⸗ fahr. Wer will denn aber eine Verstaatlichung der Rhederei? Vas wollen wir ebensowenig wie Sic. Davon ist ja in der ganzen Vorlage nicht die Rede. Wie können Sie uns zumuthen, auf den horrenden Gedanken zu kommen, die gesammte Rhederei zu verstaatlichen? Ich habe aus der ganzen Ausführung nur immer das entnommen: weit eben schon so viele Routen existiren, weil so viele Dampfschiffe da
sind, die genügen, um die vorhandenen Ladungen zu befördern, deg—
halb brauchen wir nicht auch in dieser Arena zu erscheinen, deshalb können wir uns vollständig zurückhalten, können, wie man sagt, die Däude in den Schoß legen. Ja, meine Herren, wenn man sonst wohl die Prinzipien der handelspolitischen Schule, welcher der Hr. Abg. Dr. Bamberger angehört, mit dem laisser faire bezeichnet, so kommt das, was er heute gesagt bat, auf das Jaisser rien faire hin⸗ ass, denn wir sollen eben nichts thun und die Anderen fortwährend dieses Terrain ausbeuten lassen. Er hat erwähnt, daß nach Inhalt der Begründung“ des Gesetzentwurfs in England 38 Linien bestän⸗ den, in Deutschland 10; er hat eine Unrichtigkeit darin gefunden und seinerseits angeführt, daß 16 deutsche Linien bestaͤnden. Es führt sich das darauf zurück, daß der Hr Abg. Dr. Bamberger die bestehenden Frachtlinien mit hinzugerechnet hat, die nicht zur Postbeförderung benutzt werden, also beispielsweise die Slomannsche und die Oswaldsche Linie in Hamburg, während diese zehn Linien nur die Postschifflinien umfassen, die auch hier nur, mit den englischen Postschifflinien in Vergleich gesetzt sind; wir müssen also in diefer Beziehung die Zahlen in der Vorlage aufrecht erhalten.
Er hat sich dann darüber beklagt, daß in der Vorlage überhaupt zu wenig Zahlen vorhanden seien. Ja, meine Herren, es wäre ein Leichtes gewesen, auf Grund des umfassenden Materials aus den Konsulatsberichten u. s. w. die Vorlage mit Zahlen bis zum Uchecmaß pollzupfropfen, aber ich habe eigentlich die Bemerkung gemacht, di derartige Vorlagen nicht hesonderes Glück hier im Hause haben; i 9laube auch bemerkt zu haben, wie ich vorhin mir gestattete, bei meiner ersten Ausführung etwas in die Zahlen hineinzusteigen und verschie— dene Zahlen anzuführen, daß das Interesse in der verehrten Ver⸗ sammlung etwas nachließ. Wie gesagt, es wäre uns ein Leichtes ge⸗ wesen, diese Zahlen beizubringen, wir haben aber das Produkt aus den Zahlen gegeben, was hekanntlich ja sehr viel schwieriger ist, als die nackten Zahlen hinzustellen. Sie finden das auf Seite 5 der Motive mit den Worten angegeben:
Bei, den internationalen Beziehungen kann der Umfang des Postverkehrs immer mit als Maßstab betrachtet werden für die Bedeutung des zwischen den betreffenden Ländern bestehenden all— gemeinen Geschäfts. und Handels verkehrs.
— und hier möchte ich mir erlauben einen anderen Irrthum zu be— richtigen, der dem geehrten Herrn Abgeordneten untergelaufen ist. Mit diesem Umfange des Postverkehrs ist nicht die Anzahl der Poft⸗ schiffe gemeint, wie Sie das in Ihrer Ausführung vorhin dargelegt haben — indem Sie die Anzahl der deutschen Postschifte mit der AÄn⸗ zahl der englischen in Verhältniß setzten — sondern der Umfang des gesammten Briefverkehrs nach jenen Ländern hin, der ein sicheres Barometer — das brauche ich Ihnen ja nicht zu fsagen — des vor- handenen Geschäftsverkehrs ist. Was nun diesen Briefverkehr be— trifft, so hat er sich in den letzten sieben Jahren verzehnfacht mit, jenen Ländern, was doch eine ansteigende Lebhaftigkeit der Beziehungen bekundet. Nehmen wir an, daß er sich in den 15 Jahren, für welche das Gesetz und der abzuschließende Vertrag oder die Ver—⸗ träge berechnet sind, nur verfünffächt, so würde er bereits eine Anzahl von 5. Millionen Briefe, also die Hälfte dessen umfaffen, was der Herr Vorredner selbst als den Verkehr Englands angegeben hat, mit- hin eine sehr erhebliche Summe. Es heißt nun aber hier weiter:
In der That haben die unmittelbaren Handelsbeziehungen zwischen Deutschland einerseits und Ostasien bezw. Australien andererseits eine stetig steigende Ausdehnung gewonnen. Zwar findet es wesentliche Schwierigkeiten, in dieser Beziehung über den that— sächlichen Umfang des in Betracht kommenden Handels c. Verkehrs bestimmte Nachweise zu erlangen. Soviel ist indef als feststehend zu betrachten, daß allein die unniittelbare Ausfuhr von Hamburg nach Australien dem Werthe nach auf mehr als 10 Millionen Mark jährlich geschätzt werden kann. Dennoch erreicht der Gesammtwerth des deutschen Handels mit Australien und Ostasien noch nicht den zwanzigsten Theil des englischen Handelsverkehrs mit den betreffenden Ländern. Allerdings darf hierbei nicht außer Betracht gelassen werden, daß die Schätzung des deutschen Exportumfanges wesentlichen