1884 / 149 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Jun 1884 18:00:01 GMT) scan diff

sondern die Unternebmer, die sich in ibren Unternebmungen vergriffen baben. Das ist der Unterschied: bei dem System, welches ich das französische nannte, will die Staatsregierung jedesmal beurtbeilen. ob das Unternebmen ein richtiges ist und ein Gedeihen in Auesicht stellt; bei diesem System überlassen wir dem Handel, dem Privat⸗ mann die Wahl, und wenn wir seben, daß der Baum Wurzel schlägt, anwächst und gedeibt, und den Schutz des Reiches anruft, so stehen wir ihm bei; und ich sebe auch nicht ein, wie wir ibm das rechtmäßig versagen können.

Ich bedauere, daß mein Gesundheitszustand im Augenblick mir nicht gestattet, meinen Auslassungen die Ausdehnung zu geben, die der Wichtigkeit der Sache und meinen eigenen Wünschen entspricht; ich befinde mich aber leider in den letzten Tagen nicht so, wie ich es im Interesse der Geschäfte wünschen möchte, und deswegen bitte ich, meine Mittheilungen, soweit ich sie gegeben babe, mit Nachsicht aufzunehmen.

Ich kann meinen Wunsch nicht wiederholen, daß jetzt noch Dinge beschlossen werden möchten, es würde auch zu nichts führen. Den Beschluß, jetzt nicht zu beschliesen, welchen die Vertreter Ihrer Fraktionen ausdrücklich kundgegeben haben, konnte ich schon aus der dilatoris ben Art der Kommissionsverbandlungen entnehmen. Wenn man dort gleich einen Aufschub von 8 Tagen zuerst in Aussicht nahm und dann wieder eigen von 8 Tagen beantragte, und dann, anstatt am Dienstag die Berathung fortzusetzen, sie auf Freitag verschob nun, meine Herren, ich bin Dixlomat genug, um diese Sprache zu verstehen. Es heißt also: Sie wollen in dieser Session die Vorlage nicht weiter berathen, und ich muß mir daher vorbebalten, wenn ich es erlebe und im Amte bin, sie in der nächsten Session wieder vor— zubringen. Ich nehme also nicht für immer von dieser Vorlage Abschied, sondern ich sage: auf Wiedersehen!

Der Abg. Frhr. von Wöllwarth schloß sich im Namen seiner Fraktion den Ausführungen des Abg. von Maltzahn an. Seine Partei bedauere, daß die Vorlage nicht mehr vor den Reichstag gekommen sei. Die öffentliche Meinung sei für die Durchberathung der Vorlage, aber seine Partei wolle an dem Beschluß des Seniorenkonvents nicht rütteln. Die Abag. Kapp und Rickert hätten es mit großer Ent— rüstung zurückgewiesen, daß sie mit ihren Freunden nicht ebensoviel nationales Gefühl hätten wie seine Partei. Er ge— höre zu Denen, die von dem Abg. Bamberger anerkennten, daß derselbe seiner Zeit zur nationalen Entwickelung beigetragen habe, aber es scheine ihm, daß in neuerer Zeit sein nationales Gefühl etwas abhanden gekommen oder verdunkelt sei. Jeder Bauersmann habe mehr nationales Gefühl in sich, als die Abgg. Bamberger und Richter, die in ihren Blättern als Staatsmänner ersten Ranges gepriesen würden. Der Abg. Bamberger hätte sonst nicht mit einem gewissen Hohn von dem Wehen der deutschen Flagge gesprochen. Wenn auch dieser Reichstag die Vorlage nicht genehmige, so sei er der festen Ueberzeugung, daß die Wahlen so ausfallen würden, daß der nächste Reichstag diese und ähnliche Vorlagen mit großer Majorität annehmen werde.

Der Abg. Dr. Bamberger erklärte, er möchte doch richtig stellen, was der Reichskanzler über den Ton gesagt habe, in— dem er sich angeblich über die Kolonialpolitik geäußert habe. Er verhalte sich auch ferner wie früher durchaus skeptisch gegen die Art von Kolonialpolitik, wie sie heute von dem Reichskanzler gekennzeichnet worden sei, und sei der Ansicht, daß sie den Ernst und die Gründlichkeit, mit der dieser Gegenstand behandelt werden müßte, vermissen lasse. Der Reichskanzler sage, seine (des Redners) Partei mache prinzipielle Opposition gegen seine Kolonialpolitik, heute aber sage der Kanzler selbst, daß er nirgends von Reichswegen einen Hafen, ein Fort bauen, nirgends eine Garnison in über— seeischen Ländern unterhalten wolle, und das heiße doch auch nur: der Kanzler wolle keine Kolonien, keine Kolonialpolitik gleich wie seine Partei. Der Reichskanzler sage, er müsse Vertrauen in Fragen der auswärtigen Politik haben, aber fei demselben das nicht stets im höchsten Maße entgegengebracht worden? Es handele sich doch bei der Vorlage um die Frage, ob man durch eine bestimmte Subvention an deutsche Firmen den inländischen Wohlstand heben könne. Er sei hier ganz anderer Meinung als der Reichskanzler, er halte dessen bezügliche wirthschastliche Anschauung für falsch und glaube, daß Deutschland im Innern weit mehr Quellen des nationalen Wohlstandes als diese auf Erfolge im Auslande zielenden Subventionen besitze. Er habe sich die sämmtlichen ähnlichen Vorlagen, die bis jetzt gemacht worden seien, angesehen, namentlich die auf Samoa bezügliche, und habe gefunden, daß alle diese Vorlagen von einem und demselben Urheber stammten. Auch die jetzige Vorlage wieder— hole die alten Phrasen und könne füglich nur als eine „Re- anche paur Samoa bezeichnet werden. Es thue ihm leid, daß der Reichskanzler damals seinen großen Namen für eine Sache eingesetzt habe, bei der derselbe hinter das Licht geführt worden sei. Was seien damals für Aussichten eröffnet, wie sei es als großes Unglück hingestellt, wenn der Reich-tag den Engländern dies werthvolle Stück überlasse, den Engländern, die sich angeblich so furchtbar über die deutsche Initiative ärgerten und nur den Moment abwarten wollten, wo die Vorlage vom Reichstag abgelehnt sei, um dann das herrenlose Gut einzustecken? Dieselben nationalen Phrasen, dieselben Trompetentöne wie jetzt, klängen noch im Ohr. Vier Jahre seien seitdem ver— gangen. Wo sei der Engländer, der in Samoa etwas ge— nommen habe? Nicht ein Acre Land sei verkauft worden! Die Compagnie habe damals auf jenen Brief des Reichs— kanzlers eine erste Anzahlung auf ihre Aktien bekommen unter der Bedingung, daß sie die erhaltenen 1 200 000 zurückzahle, wenn der Reichstag den Vertrag genehmige. Als die Genehmigung nicht erfolgt sei, sei die Compagnie nicht im Stande gewesen, ihr Wort zu lösen. Die Leute seien um ihr Geld geprellt, sie hätten nothgedrungen Prioritäten an— nehmen müssen. Er könne lange Illustrationen von Details geben; er sei fest überzeugt, daß die Berichte der Agenten in der Südsee an den Reichskanzler ihm die Augen geöffnet haben werden, wenn derselbe das auch heute nicht zugebe. Man bringe dem Hause hier eine Vorlage, betreffend 4 Millionen Dampfersubvention. Man spreche ganz einfältig über die Sache, man verweise sie an eine Kommission und auf einmal sage man, darum handele es sich ja nicht, das sei Nebensache; die Regierung wolle eine große üderseeische Politik, wirkliche oder scheinbare Kolonialpolitik machen. Nun solle das Haus die Sache in elfter Stunde erledigen, wo Alles zu Ende eile und keine Aufmerksamkeit und Kraft mehr da sei. Die Herren freilich, die immer bereit seien „Ja“ zu sagen, ehe sie noch die Vorlagen kennten, möchten solche Skrupel für übertrieben halten. Der Reichskanzler sage, seine Partei habe ihn dilatorisch behandelt. Er wisse, daß derselbe das auch verstehe, es möge auch etwas „dilatorische Behand— lung im Spiele sein; aber die ganz natürliche Ver— schiebung liege darin, daß die Sache mit dem neuen Ge— sicht nicht mehr in dieser Session zu Ende geführt werden könne. Wozu also sich einen falschen Schein geben?

Der Reichskanzler wolle keine Kolonialpolitik im alten Stil, keinen übersecischen Länderbesitz, derselbe wolle nur die schützende Hand des Reichs über die deutschen Niederlassungen ausbreiten. Auch dagegen habe er seine Bedenken, daß für jeden Deutschen, der es irgendwo für gut finde, ein Terrain als Eigenthum zu erwerben, das Reich eintreten solle, das führe das Reich zu der Kolonialpolitik, die er nicht wolle. Das könne sehr verhängnißvolle Folgen haben. In der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ sei an seine An— schauungen das Wort Feigheit geknüpft. Nun die Courage, die die Herren von der „Norddeutschen“ bei diesen Kolonial— bestrebungen entwickelt hätten, könnte er auch entwickeln, sie würden schwerlich auf die Flotte gehen und sich den fremden Kanonen aussetzen, er auch nicht. Aber er habe nicht die Courage, hohle Worte zu machen, wenn der Verstand nicht folgen könne. Er fühle die Ver— pflichtung, hier nicht für die Stimmungen des Momentes zu arbeiten, sondern vorauszudenken an die Dinge, die kommen könnten. Hr. Lüderitz sei ein so begeisterter Mann, derselbe habe einen so guten Eindruck auf den Reichskanzler gemacht, darüber wolle er nicht diskutiren, allein daraufhin könne sich das Haus doch nicht engagiren. Wenn nun seine (des Redners) angebliche Furcht, die Kräfte des Deutschen Reiches zu zeigen, berührt worden sei, so könne er nur sagen, daß er allerdings Furcht habe, die Ehre und den Ruhm des Deut⸗ schen Reichs, wofür er ebenso begeistert sei, wie der Abg. von Wöllwarth für die Konsequenzen von Handlungen aben— teurerischer Privatunternehmungen einzusetzen; ein En— gagement in dieser Art sei doch wohl ein sehr ge— fährliches, und er könne darum nur sagen: respice finem! Graf Moltke habe seiner Zeit gesagt: Fünf ig Jahre werde Deutschland noch gefürchtet, nicht geliebt werden, fünfzig Jahre müsse es noch gerüstet sein, dann werde es be— stehen, trotzdem Deutschland diese schwere Rüstung erheblich drücke, bringe es dieses Opfer. Der Reichskanzler habe in der Kommission gesagt, er Redner) habe wie ein englischer Minister gesprochen, das glaube er nicht. Für einen solchen Vorwurf stehe er viel zu hoch. Auf England habe Deutschland sicherlich zu achten, wenn Deutschland es auch nicht zu fürchten habe. Leichtsinnig für Illusionen wolle es sich nicht engagiren. Man sollte doch nicht in Schützenfest— stimmung hier verhandeln. Das stolze mächtige Amerika ver— schmähe die Kolonialpolitik. (Der Abg. Frhr. von Minnigerode: Amerika sei selbft eine Kolonie! Red— ner bestritt dies unter Hinweis auf den amerikanischen Freiheitskrieg. Der amerikanische Grundsatz laute, es wolle Handel und keine Herrschaft, und die Ameri— kaner bildeten sich doch auch etwas ein auf ihr Nationalgefühl und glaubten auch den überseeischen Handel zu verstehen. Wenn man meine, daß derartige Projekte, ohne handels— politische Gesichtspunkte, ohne Gesichtspunkte des Friedens, der Sicherheit, wie sie in jeder Thronrede betheuert und von dem Hause mit Freude und Genugthuung entgegengenommen würden, nicht geprüft, sondern übers Knie gebrochen werden sollten, weil ein Schützenfest oder ein Kolonialverein allen Parteien Adressen schicke; wenn man sein Verlangen feig nennen wolle, dann nenne man es feig, er nenne es ge— wissenhaft!

Der Bundeskommissar, Geh. Legations-Rath von Kusserow erklärte, er müsse es sich versagen, zu den Bemerkungen des Reichskanzlers über Kolonialpolitik irgend welchen Kommentar zu machen. Er glaube aber die Verpflichtung zu haben, that— sächliche Unrichtigkeiten nicht unwiderlegt ins Land gehen zu la ssen. Der Abg. Bamberger habe gemeint, diese Vorlage sei Revanche für Samoa, hätte der Reichskanzler die Berichte über Samoa studirt, so hätte derselbe die ÜUeberzeugung ge— winnen können, daß die thatsächlichen Voraussetzungen, auf welche die Samoavorlage begründet gewesen, unrichtig seien. Dem müsse er auf das Entschiedenste widersprechen. Sämmt— liche Berichte von Ort und Stelle, auch die mündlichen Mit— theilungen des deutschen ausgezeichneten Generalkonsuls in Sidney, stimmten darin übexein, daß die Ablehnung der Samoavorlage nicht blos ein Fehler, sondern eine ganz er— hebliche Schädigung der deutschen Interessen in AÄustralien gewesen sei. Wenn die Folge nicht eingetreten sei, die der Abg. Bamberger damals befürchtet habe, so sei das wahrlich nicht ein Verdienst derjenigen Herren, welche die damalige Vorlage zu Falle gebracht hätten, sondern es sei dem Patriotismus derjenigen zu verdanken, die trotz der Ablehnung der Vorlage doch noch Mittel und Wege gefunden hätten, um die nothleidende Plantagengesellschaft wenigstens soweit zu unterstützen, bis sie habe rekonstruirt werden können. Diese Rekonstruirung sei selbstverständlich nur eine mangel— hafte gewesen. Die Gesellschaft habe das Vorhandene zu 'er— halten gesucht, es fehlten ihr die Mittel, um die unbebauten Ländereien in Besitz zu nehmen. Trotzdem sei es ihr ge— lungen, aus eigenen Mitteln und durch Unterstützung von Privatpersonen einen bedeutenden Antheil von Aktien, welche sich in den Händen einer englischen Bankfirma befänden, an— zukaufen. Das beweise, daß das Vertrauen sachverständiger Leute zu dem Unternehmen sich nicht vermindert, sondern ver— mehrt habe. Die Entwickelung wäre aber eine noch viel günstigere gewesen, wenn das Haus damals die Samoa— vorlage genehmigt und dadurch eine große potente Gesellschaft zu Stande gebracht hätte, die ihr Geschäft weit über Samoa ausgedehnt hätte. Es würde ein grsßer Theil der Länder, die von Andern annktirt seien, sich in deutschen Händen befinden und sich desselben Schutzes erfreuen, wie die Lüderitzsche Niederlassung in Westafrika. Daß die Samoavorlage mit der Dampfervorlage zusammenhänge, wie der Abg. Bamberger meine, sei kein Vorwurf für die Regie— rung. Die Vorlegung der Dampferkonvention beweise, daß Momente für die Regierung vorlägen, anzunehmen, daß die Stimmung im Lande sich geändert habe und daß der nächste Versuch, überseeische Politik zu treiben, kein vergeblicher sein würde.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode bemerkte, der Umfang der heutigen Verhandlungen sei der beste Beweis für die Bedeutung dieser Sache. Wie da der Abg. Richter äußern könne, es handle sich hier nur um ein kleines Stück Wahl— politik, möge derselbe mit sich selbst ausmachen. Man möge sich täuschen über die gegenwärtige Ströämung im Lande, aber ein großer Theil der die (hatsächlichen Verhältnisse kennenden Personen stehe dieser Frage viel wohlwollender gegenüber als die Majorität dieses Hauses. Die Aeußerung des Abg. Bamberger, die Rechte und der Reichskanzler wollten die Vorlage in einer gewissen Schützenfeststimmung behandeln, sei wohl nur der Ausdruck einer oratorischen Gewandheit, um die innere Verlegenheit zu verdecken. Man könnte einen solchen Vorwurf mit viel größerem

Rechte der Budgetkommission mach, die unter Führung der Deutsch⸗Freisinnigen aus einer schen Stimmung heraus nicht den nöthigen Fleiß habe finde fönnen, Ber Abg. Windthorst habe von einer Spekulgon auf Kosten der Steuerzahler gesprochen. Derselbe Einnnd ließe sich bei jeder Position des Budgets erheben. Solche gemeine Wendungen bewiesen nichts. Der Abg. Windthorst abe von der Noth⸗ wendigkeit des Hausvaters den Daumen uf den Geldbeutel zu drücken gesprochen. Vorher müsse d. Geidbeut-l aber doch gefüllt sein. Diese Unternehmunge sollten erst den Geldbeutel füllen. Wenn man einen Grof en nicht ausgebe, könne man einen Thaler nicht verdienen. Hẽée das Haus uns den deutschen Export durch diese Vorlage hen. Ber Vor— wurf der Verschleppung müsse gegen die Deisch⸗Freisinnigen aufrecht erhalten werden. Gewiß habe seine Cartei der Äb— machung des Seniorenkonvents zuäestimmt, nzwischen seien aber neue Momente eingetreten, welche die Deut f⸗Freisinnigen hätten bestimmen sollen, die Rechte ihres Verspichens zu ent⸗ binden. Seine Partei sei in dieser Frage vollfindig einig. Er leugne nicht, daß er gegen die Samoavorlage ge immt habe. Damals hätten aber die Dinge ganz anders wie hate gelegen. Heute handele es sich um ein reelles Unternehn en zu (Lunften des deutichen Handels in Asien. Der Abg. Kapp habe die Ae ßerungen des Abg. von Maltzahn mit großer Erregung zurüczewiefen. Er wolle den Streit nicht erneuern. Aber er' sage That— sachen bewiesen. Wenn die Linke vorweg, ehe das ere Wort überhaupt gefallen sei, in der Kommissiön erklärt hae, die freisinnige Partei sei einig, die Vorlage nicht anzunehnen, so komme man leicht zu der Empfindung, daß hier wiedr ein prinzipieller Standpunkt eingenommen worden sei, un. daß es mit einer Variante heiße: „Diesem Ministerium könen Dampfer!“ Dem Abg. Bamberger gegenüber behaupte er auch jetzt noch: Amerika sei selbst eine Kolonie. Von eirem Punkte aus habe es sich langsam aber stetig unter dem Schitz der Konföderation weiter entwickelt. Der Abg. Richter meim, die Vorlage sei nur mit allgemeinen Redensarten begründe worden. Sei denn die Stärkung des deutschen Exports eine allgemeine Redensart? Bei der Gestaltung des Zolltarife habe der Abg. Richter Tag für Tag die Besorgniß aus⸗ gesprochen, der deutsche Export könnte darunter leiden. Be— kanntlich habe sich seitdem der Export glänzend gehoben. Auch die heutigen Bedenken würden' sich als ungerechtfer: igt erweisen. Bei der Linken, er wiederhole es, sei das Schlag— wort siegreich durchschlagend: „Diesem Ministerium keinen Dampfer!“

Der Abg. Meier (Bremen) bedauerte, daß die Dampfer— vorlage in dieser Session nicht zu Ende geführt werden könne; er wolle keine Anschuldigung gegen irgend Jemand aussprechen. Der Reichskanzler habe ganz Recht, daß die Dampfersubvention in gewisser Beziehung, wenngleich nicht in direkter Beziehung zu der Kolonialpolitik stehe, zu deren Vertheidigung er hauptsächlich das Wort ergriffen habe. Er möchte gein konstatiren, daß' die beiden Gesellschaften, die sich hier gebildet hätten und deren Vorstandsmitglied er seit drei oder vier Jahren sei, der Deutsche Kolonialverein in Frankfurt und der Vestdeutsche Kolonialverein in Düsseldorf bestrebt gewesen seien, die Unter— nehmer von unverständigen Unternehmungen abzuhalten. Es sei ihnen vorgeworfen, man wolle nicht mit den Plänen hervortreten, aber man thue so, als wenn man sehr große Pläne hatte. Das hänge mit sehr bedeutenden Finanzopera—⸗ tionen zusammen, um einen großartigen Plan auszuführen, der, wenn derselbe in die Oeffentlichkeit gelangt wäre, mitzlingen würde. Er glaube allerdings, daß er augenblicklich schon in der Lage wäre, über den ziemlich bedeu— tenden Plan sich auszusprechen; aber er sei nicht genau insormirt und wolle keine Indiskretion begehen. Soweit er den Kolonialbestrebungen nahe getreten sei, seien alle mit ihm davon ausgegangen, dahin zu wirken, wie es der Reichskanzler ausgesprochen habe. Man habe sich nicht an die Worte des Reichskanzlers gehalten, sondern habe sich selbst eine groß— artige schwindelhafte Kolonialpolitik ausgebildet und sei da— gegen angegangen. Der Reichskanzler habe gesagt, er wolle die Deutschen schützen, aber nicht: Jeder könne sich irgendwo niederlassen und dann Deutschland in Verlegenheit bringen. Wenn in irgend einer Weise das nicht verstanden sein sollte, so biete die vorsichtige Art, wie in dem Lüderitzschen Falle vorgegangen sei, volle Garantie, so daß man dem Reichs— kanzler voll vertrauen könne, wie in allen auswärtigen An— gelegenheiten. Man habe die Sache nicht durch Turnvereine und irgend welche Phrasen betrieben, sondern man sei nüchtern und sorgfältig vorgegangen und habe auch die großen Be— denken nicht außer Acht gelassen. Bei Samoa habe es sich nicht um Kolonialpolitik, sondern um die Unterstützung eines kaufmännischen Geschäfts gehandelt; er sei noch jetzt der An— sicht, daß der Reichstag das damals mit Recht abgelehnt habe. Vielleicht habe die Ablehnung dahin geführt, daß man in Regierungskreisen mit einer gewissen Scheu an neue Sachen herangehe; aber es sei nicht mehr der Fall, und er begrüße es, daß die Regierung auf diese Weise vorgehe. Wenn die Subvention demnächst bewilligt werde, werde sich ein Verkehr entwickeln, der dem Gedeihen der deutschen Industrie zum Vortheil gereichen werde.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der Konservativen Parole scheine zu sein: „Diesem Ministerium jeden Groschen.“ (Sehr richtig! rechts.) Die Rechte sage sehr richtig, ja wären es nur die Groschen der Rechten, dann hätte er nichts dage— gen einzuwenden. Aber man solle hier aus den Taschen der Steuerzahler bewilligen. Daß seine Partei nicht die Parole habe, diesem Ministerium keinen Groschen, habe seine Partei gestern noch bewiesen in der anstandslosen Bewilligung eines neuen Konsulatgebäudes sür Schanghai, und kürzlich durch die Bewilligung von 17 Millionen für die Marine. Von dem Abg. von Wöllwarth hätte er lieber gewünscht ein eventuelles Amendement, daß Württemberg die Postdampsschiffe mit ve— zählen solle. Denn wenn es wirklich dermaßen eine natio— nale Ehrensache sei, dann sollten die Württemberger und Bayern, welche dafür sprächen, es sich zur Ehre rechnen, auch mit zu zahlen und nicht blos dem Hause zureden, aus den Taschen der übrigen Steuerzahler zu bewilligen. Der Abg. Hammacher habe den nationalen Brustton angenommen, den er immer bei ihm bemerke, wenn derselbe des Reichskanzlers ansichtig werde. Der Abg. Hamma⸗ cher habe am wenigsten Ursache, über den Parteistreit zu klagen. Die nationalliberale Partei habe von Anfang an solche Fragen in der gehässigsten Weise zum Gegenstand des Parteikampfes gemacht. Der Abg. Hammacher möge sich nur die Kölnische Zeitung ansehen, vielleicht könne ihm der Abg. Marquardsen die Exemplare zur Ansicht leihen. Gerade der Abg. Hammacher habe den überseeischen Handel und die inter— nationalen Beziehungen Deutschlands geschädigt durch die

Schutzzollpolitik, welche derselbe stets vertreten habe. Kein Ervort sei möglich, ohne entsprechenden Import. Auf das Fleisch aus Australien, auf The und Reis aus Ostasien seien erhöhte Zölle gelegt. Gerade die ungenügende Rückfracht von dort mache die Verbindungen dorthin unrentabel. Keine Ver— wohlfeilerung der Seefracht durch Reichszuschüsse werde den Schaden der Vertheuerung des Imports durch erhöhte Zölle ausgleichen. Die Ausführung des Abg. Meier in dieser Frage mache auch gar keinen Eindruck, nachdem derselbe neu— a offen erklärt habe, sich um die Subvention für seinen norddeutschen Lloyd bewerben zu wollen. Der Abg. Meier sei also hier Spezialinteressent, und das Lob, welches derselbe dem Reichskanzler zolle, könne mit Rücksicht auf das Geschäft, das derselbe mit dem Reichskanzler machen möchte, auf den Reichskanzler noch weniger als sonstige Lobeserhebungen Eindruck machen. Es sei auch nicht hübsch von dem Abg. Meier, daß derselbe neulich, indem er seine eigenen Linien in jeder Weise gepriesen habe, die Hamburger Linien herunter— gesetzt habe. (Abg. Meier: Ist nicht wahr!) Aus dem steno— graphischen Bericht könne sich Jeder überzen gen. Dem Reiche— kanzler sei er für seine Betheiligung an der heutigen Debatte außerordentlich dankbar. Abgesehen von der polemischen Ein— leitung seiner Rede, habe derselbe wesentlich mitgewirkt, die Fragen auf ihren sachlichen Kern zurückzuführen. Wäre von Anfang an, wie er dies in der Kommission gewünscht habe, nur öffentlich durch Interpellation hier über diese Fragen ver— bandelt worden, so wäre jeder Streit darüber überflüssig, was in der Kommission gesagt worden sei und was nicht. Der Reichskanzler sage, die Norddeutsche Allgemeine Zeitung habe den Auftrag gehabt, das von einem Beamten in der Kommission stenographisch Niedergeschriebene zu veröffent— lichen (Fürst Bismarck: Das ist nicht wahr ), oder die Ver— öffentlichung sei nach stenographischer Niederschrijt erfolgt. Das möge in Bezug auf die Aeußerungen des Reichskanzlers selbst der Fall sein, aber von seiner längeren Rede in der Kommission berichte die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ nur, und zwar ganz falsch, daß er sich gegen jede überseeische Politik erklärt und Angra-Pequena als Sandloch bezeichnet hätte. Es sei doch eine eigenthümliche Stenographie, eine Rede, welche den Raum von etwa 200 Zeilen einnehme, in dieser Weise in 2 Zeilen inhaltlich völlig entstellt wiederzugeben. Aus solchen Zeitungsberichten ent— ständen alsdann Mißverständnisse; sodann entständen Miß— verständnisse dadurch, daß der Reichskanzler, weil ihn sein Gesundheitszustand verhindere, hier an den Verhandlungen völlig theilzunehmen, auf die Berichte dritter Personen über das, was hier gesagt werde, angewiesen sei. Der Abg. Kapp habe allerdings gesagt, die Vorlage sei schon im Februar fertig gewesen, ohne dabei dem Reichskanzler den Vorwurf der Verschleppung zu machen; der Abg. Kapp habe ange— deutet, daß politische Gründe vorgelegen hätten, die Vorlage erst im Mai an das Haus zu bringen. Darauf habe der Minister von Boetticher eine Erklärung abgegegen dahin, daß die Vorlage nicht schon im Februar fertig gewesen sei, sondern daß sie sich inzwischen im natürlichen Geschäftsgange zwischen den Büreaus bewegt habe. Er beanspruche aber auch nur, daß man dem natürlichen Geschäftsgang Raum lasse, und daß, wenn die Regierung drei bis vier Monate zur Vorbereitung brauche, auch dem Reichstag, der da viel weniger sachliches Material besitze, Vit gelassen werde, ohne Ueberstürzung die Fragen zu prüfen. Der Minister von Boetticher liebe es sehr, seine (des Redner) Erwiderungen gegen ihn einzuleiten mit den Worten:; „Es sei nicht wahr“. Er habe allerdings in der Kommission viele Fragen

gestellt und eine Spezialdiskussion gewollt, dieselbe sei nur am;

Montag durch die Hammachersche Interpellation über Kolonial— politik unterbrochen worden. Daß Korea in der Südsee liege, babe er nicht behauptet, er habe gemeint, die Hamburger ost— asiatische Linie berühre schon seit sechs Monaten Korea ebenso, wie dies mit den Reichs-Postdampfern beabsichtigt werde. Doch alles das sei nebensächlich, und es lohne sich kaum darüber zu streiten. Er sei dem Reichskanzler außerordentlich dankbar dafür, daß derselbe öffentlich und ausdrücklich erklärt habe, von einer Kolonialpolitik, die darauf ausgehe, Länder zu er— werben, Ansiedelungen zu machen, stehende Garnisonen zu unterhalten, Beamte einzusetzen, absolut nichts wissen zu wollen. Nach Allem, was vorher in der nationalliberalen Presse über Kolonialpolitik gestanden habe, hätte man den entgegengesetzten Eindruck empfangen müssen. Gewiß könne men die Politik des Reichskanzlers in gewissen Grenzen unterstützen. Er sei in Bezug auf die Konsulate und die maritimen Angelegenheiten durchaus mit dem Reichskanzler einig. Er habe auch garnichts da— gegen, wenn der Reichskanzler in Bezug auf Angra⸗Pequeñna be— stimmte Erklärungen noch nicht abgeben wolle und wolle ruhig abwarten, was der Reichskanzler dem Hause seiner Zeit dar⸗ über vorlegen werde. Das Haus werde dann seine Prüfung eintreten lassen. Es lasse sich aber doch auch nicht leugnen, daß die Erklärungen des Reichskanzlers in gewisser Beziehung eine Gefahr böten und zwar insofern, als sich doch wohl viele Leute dadurch bewegen lassen würden, ihr Glück in fremden Ländern zu suchen. Die Postdampfer aber, die der Abg von Minnigerode so warm befürworte, seien doch gerade Beförderer der jonst von ihm bekämpften Auswanderung, wie denn auch die Schiffe des Abg. Meier Auswanderungsschiffe scien. Der Reichskanzler sage, er wolle kein Geld für seine Kolonial⸗ politik. Nun: infoweit, als keine Kosten erwüchsen, volles Vertrauen, wenn es sich aber um Geld handele, so verlange er volle Unterlage für sein Vertrauen. Nun fange aber der Anspruch an das Vertrauen des Hauses doch schon mit einer starken Geldforderung an, und dies in einem Moment, wo die Finanzen schlecht ständen, wo man für arme nothleidende Schulmeister keinen Groschen übrig habe. Um so mehr sei es nothwendig, die Sache eingehend zu prüfen. . . 366 ergriff der Reiche kanzler Fürst von Bismarck 83 . - ö . ö Abg. Richter hat eine eigenthümliche Gabe, über die mein Nachbar, Hr. Minister von Boetticher, sich neulich schon aut rrach, die Gabe, die Aeußerungen der Regierungsredner in einer Deise zurechtjustellen, daß sie ihm den Angriff erleichtern, aus neren Aeußerungen den Stoff herauszunehmen, um wirksame Angriffe auf uns zu machen, und ihnen eine Gestalt zu geben, y , , . eigenen Aeußerungen gar nicht wiedererkennen. Ich will es nicht Ent⸗ stellung nengen, denn ich glaube, es ist keine Afsictlichkeit dabei; schwebt ihm feibst so vor Selbst wenn der Abg. Richter, wie heute Uu meiner Ueberraschung und Freude in vielen Fällen mit mir ein- derstanden jst und mir 'anerkennende Worte ousspricht, so wird doch im Ganzen Jeder, der die Rede hört und liest, daruber, rachdenken: welcker Stachel liegt bierin verborgen? denn es ist leider zur e wohnbeit geworden, daß schon der Ton und der Name des 5 Richter mit einer Anerkennung der Regierung im Publikum für underträgl ten wird. ; ; ö Iden nn. für alle Menschen und für mich persönlich, das ihn beseelt, bin ich ja überzeugt, daß er Alles, was er mir ju

6 8

sagen bat, in der schonendsten und freundlichsten Weise immer vor- bringen wird, und deshalb bin ich überzeugt, das ist ein ungerechtes Vorurtheil. Aber man glaubt einmal, wenn der Abg. Rickter fwrickt und den Namen des Reichskanzlers der, ich weiß nicht, wie viel Dutzend Mal in der Rede vorkam nennt, dann muß ein bitterer und harter Angriff folgen. Man prüft erst den Wortlaut genau und findet man nichts, so legt man jzweifelnd das Blatt aus der Hand und denkt: irgend wo muß es doch sitzen.

So 3. B. bat der Abg. Richter die Geschicklich keit gehabt, auf Grund meiner Aeußerung, daß ich beffte, wir würden Garnisonen nicht brauchen und daß ich mich dem Prin;iip der Garnisonen wider— setze, um vor den Augen der erschreckten Wähler, den deutschen Sand— webrmann in dem Gebiete der Namaquastämme hinter den Negern berlaufend dargestellt, als ob ich das gewollt hätte. Ich dächte, bier wäre ich wenigstens ganz sicher, aber latet angnis sub herba. Ich war sehr erstaunt, als der Herr Abgeordnete anfing, in gewöhnlichem Ton anerkennend zu erwähnen, daß ich also Garnisonen nicht brauchte. Damit war er sehr zu⸗ frieden; nun aber folgte in gehobenem Tone eine sehr scharfe Mißbilligung der Möglichkeit, daß der deutsche Landwebrmann woö— möglich im Alter von 39 Jahren seiner Frau und seinen Kindern entrissen werden könnte, um in West⸗ oder Ostafrika, in einer Sandbüchse so dünkt mich, nannte er Angra Pequenßa ver- wendet ju werden, um fliehende Namaquas zu greifen. Und muß nicht Jeder, der nur den Herrn Abgeordneten gehört bat, oder der nachher den geschickt zugestutzten Bericht liest, alauben, der Reichs“ kanzler wolle dem deutschen Landwehrmann dergleichen zumuthen. Und das knüpft Hr. Richter an meine Bemerkung an, in der ich genau das Gegentheil gesagt und mich gegen eine solche Auffaffung verwahrt habe!

Ich wünsche dem Herrn Abgeordneten Glück zu der Geschicklich— keit, aber ich möchte ibm als Warnung zurufen, was der frarzöõsische Dachdecker im Fallen sagte: Ca va bien. pourvu que ga dure. Der- gleichen kann auf die Dauer nicht behauptet werden, und ich glaube. es ist doch etwas anrüchig, immer dergleichen zu verfuchen und auf iese Weise durch geschickte Oratorik der Regierung eine Menge Misse⸗ thaten unterzuschieben, an die sie nicht entfernt gedacht kat.

Der Herr Abgeordnete sagte, es sei sehr tugendbaft, das die Re— gierung es nicht will; aber wenn sie es wollte, das wäre schrecklich,

und nun schildert er dieses ganze Wollen welches der Regierung fehlt in einer so drastischen Weise, daß es auf den Wähker den

Eindruck macht, als ob es wirklich vorhanden wäre.

Dann habe ich aus dem ganzen Inhalt des Richterschen Vor— rages eninommen, daß seine Auffassung der der Regierung heute sebr iel näber steht, als die des Hrn. Abg. Bamberger und als Lie seinige selbst am vergangenen Montag. Es ist das eine außerordentliche An— näherung. Ich möchte ihn nur bitten: fahren Sie so fort, dann wer— den wir ein Herz und eine Seele sein, und Sie werden sich als mein getreuer Kamerad an meiner Seite sehen, wenn Sie die Annäherung, die in diesen wenigen Tagen vollßogen ist, weiter fortsetzen.

Damals unterschied sich die Richtersche Auffassung kaum von der Bambergerschen: Angra Pequena war eben eine Sandbuüchse, und ich erwiderte vergebens darauf, daß das Sache des Hrn. Lüderitz und nicht die des Reiches wäre. Der Hr. Abg. Richter hatte eine sehr geringe Meinung, eine sehr viel geringere Meinung über die Mög— lichkeit der Annäherung und der Prüfung, die er heute zugegeben. Ich glaube, ich hätte am Montag Abend besser geschlafen, wenn er sich damals so ausgesprochen hätte wie beute.

Der Hr. Abg. Richter hat vorausgesetzt, daß ich es bedauerte, daß die Berathungen sich hinzögen, und hat sich darüber gefreut, daß gerade dieses Hinziehen Gelegenheit zu intercssanten Aussprachen nach dieser Seite gegeben babe. Ich habe mein Bedauern nicht sowobl auf das Hinziehen, auf das Verschleppen gerichtet, als auf die ganz hoffnungslose Stellung, die bei der ersten Berathung, wo ja eigent—

lich nur der Hr. Abg. Bamberger gesprochen hatte es blieb für andere keine Zeit mehr übrig und bei der Kommissionsberathung

sich geltend machte. Da mußte ich den Eindruck bekommen: die Sache mag sich hinziehen, so lange sie will, und mag nach dem Zeugniß der ganzen cirilisirten Welt eine nützliche und zweckmäßige sein, so lange das Land das Unglück hat diese jetzine Verwaltung an der Spitze zu haben, wird sie nie den Beifall und die Stimme der Herren ju erwerben vermögen, die einmal das proton pseudos darin erkennen, daß ich nach 22 Jahren noch immer ron diesem Platze nicht beseitizt werden konnte. Aber warten Sie nur noch 22 Jahre, meine Herren!

Herr Abgeordnete hat uns vorgeworfen, wir hätten drei bis vier Monate Zeit gebraucht, um uns über die Sache zu orientiren. Das ist leicht möglich; darüber sind eine Menge Erkundigungen nöthig gewesen, die hier nachher leicht ignorirt werden. Und die Herren

Abzeordneten brauchten eine gleibe Frist nimmt Hr. Richter ver— muthlich an; er sagte es nicht. da vier Wochen nicht genüzten, auch nachdem die Sache in den Zeitungen besprochen war; aber er

meint, sie brauchen eine gleiche Frist, um sich schlüssig zu machen. Wie dreht sich das um? Ueher ein Amendement von der größten Tragweite, was plötzlich eingebracht wird, muß man sich in fünf Minuten schlüssig machen, die Rezierung muß das, der Präsident muß es nach seiner ganzen Bedeutung klassifiziren, Gegner und Freunde müssen sich orientiren. Wer einmal eine Wahl übernommen hat, bat damit erklärt, daß er in 5 Minuten mit seinem Urtheil über alle Dinge, die in der Politik vorkommen, fertig sein will; sonst kann er sich gar nicht auf solche Ueberraschungen, die ein plötzliches Amendement bringt, dessen Tragweite nur erkennbar ist durch Vergleichung mit dem größten Material, einlassen und sich darüber schlüssig machen. Meine Herren, nehmen Sie an, ein Minister wird in einer Inter pellation über Dinge der verwicke tsten Art gefragt, denken Sie an die Interpellation, die im Jahre 1878 über die Lage der orientalischen Frage gestellt wurde, ja, wenn ich da auch vier Wochen Zeit mir ausbitten würde, dann würden Sie sagen: die Beantwortung der Inter— xellation ist einfach abgelehnt, wir werden dilatorisch behandelt. Denselben Eindruck hat natürlich die Regierung, wenn Sie nach 4 Wochen hierüber noch immer Informationen und Studium brauchen. Sie hat den Eindruck, ibre Vorlage ist abgelehnt oder dilatorisch behandelt. Es paßt Ihrer Taktik nach irgend einer Seite hin, sich darüber in diesem Augenblick nicht schlüssig zu machen, vielleicht niemals. Sie müssen dech, mit etwas gleichem Maße messen! Geben Sie uns, der Regierung, die Zeit nicht, uns über Anträge, die aus Ihrer Mitte hervorgeben, monatelang oder auch nur wochenlang zu besinnen und zu berathen, geben Sie uns die Zeit nicht, wenigstens nicht freiwillig, zwischen 25 Regierungen ein Einverständniß herbeizuführen, wenn hier eine Interpellation über eine politische Frage gestellt wird, die nur mit Kenntniß der Anfichten aller Regierungen beantwortet werden kann, so sind wir auch berechtigt, von Ihnen zu verlangen, über eine Frage, die Jeder nach seinem Verstande und seiner Bildung beant— Zorten muß, in 4 Wochen ein Urtbeil zu fällen. Wer das nicht will, der muß kein Mandat annehmen.

Was dann die Aeußerungen des Hrn. Abg. Karp betrifft, über meinen Mangel an Diensteifer, so kann ich es dem Urtheil des Auditoriums überlassen, ob das, was der Hr. Abg. Kapp in Bezug hierauf sagte, als auch die Reproduktion und Verbreitungen, die Hr. Abg. Richter in seinem stets bereiten Wohlwollen für mich über— nommen hat, jenen Aeußerungen die Bedeutung genommen haben, die ich dens(lben vorhin beilegte. Ich bin durch wichtige Geschäfte ge— nöthigt worden, meine hiesige Anwesenheit zu unterbrechen. Ich kann nicht allen Sitzungen beiwohnen. Ich überlasse es den Hrn. Abgg. Kapp und Richter, untereinander auszumachen, wer von ihnen über meinen Diensteifer und mein Pstichtgefühl die schlechteste Meinung hat,

Sodann hat der Hr. Abg. Richter wieder ein eklatantes Beispiel gegeben, wie schnell die innere Gährung bei ihm eine Umgestaltung einer ministeriellen Aeußerung hervorruft. Er sagte zuerst, in meinem Auftrage wären die Verhandlungen in der Kommission stenographirt worden; wenigstens habe ich es aus seinen ersten Aeußerungen so auf gefaßt. Die Herren, die hier anwesend waren und ich glaube, der Hr. Abg. Rickter war auch anwesend, und derselbe hat ein scharfes und schnelles Verständaiß, was nicht vier Wochen hraucht, um eine solche Sache sich klar zu machen —, die Herren haben gebört: ich

babe gesegt, es wäre mir die Version vorgekommen, ich hätte meine Aeußerungen geprüft, weil mir zeiagt worden wäre, sie beruhten auf einer stenogrerhischen Niederschrift Die Kenntnih, daß überhauvt stenographirt werden würde, bat mir gan; ferngelegen, und ich habe erst nach der Kommissionssitzung daron Mittheilung erhalten. Da dies aber bebauptet wurde, babe ich mich verpflichtet gefühlt. meine Aeußerungen oder den Auszug meiner Aeußerungen, der darin war, durchzulesen, um zu sehen, ob irgend etwas darin stand, was ich in meiner Stellung als auswärtiger Minister nicht gedruckt zu seben

wünschte oder nicht gesast zu haben glaubte. Das war für mich ein⸗ fach Pflichterfüllung. Der Hr Akg. Richter hat daraus einfach die Gelegenheit genommen, der Regierung ei ffiziöse Mitschuld auf: u⸗ bürden, daß seine Aeußerungen nur eise wiedergegeben wären. Ich weiß das nicht; ich babe di ngen Anderer eben

er sich über die

oder eines Abgeordneten der ic freund wiedergegeben sind, ob chte volle Aus⸗ führlichkeit vorhanden ift, die dem vollständig ge⸗ recht zu werden wünscht. Ich glaube nicht ch weiß es nicht, da ich mit den Herren nicht persönlich bekannt bin —, daß die Redaktion der ‚Norddeutschen Zeitung“ mit dem Hrn. Abg

Richter genau auf dem gleichen politischen Standrunkt stebt; ich ver= muthe eher nach den Preßerzeugnissen, daß di

14

das nicht erreich n. In antiken Gesetzgeb zwingender an der Spitze aller Aufg s

* —— 1

ͤ * 6. w Zeitung“ zu den politischen Gegnern des Abg. Rick da möchte ich dem Abg. Richter v lagen. do Bezug auf die Genauigkeit, in B auf die . r. 37 Mi 35 sojner * w * * stenographischen Wiedergabe seiner Aeußerungen m Maßstabe zu messen als mit dem, welchen i s x 33 M rask 1 . 3 Nahestehenden bei Wiedergabe von Regierungs- und kon . Aeußerungen mißt. Peceatar inrra muros et extra. Ich bekämpfe immer das Parteiwesen; mein dringender Wunsch wäre daß alles Fraktionswesen verschnände und bei Strafe verboten würde; aber ich werde ö sffentliche Wo 9 nlll e 50 Hesetzgebung 44

3

2 8 9 X YwG

wäre es möglich gewesen, Besprechungen 3 zu gemeinschaftlicher Abstimmung bei hat das auch seine zwei Seiten, wie alle ine Seite bei uns, die Seite der Fraktionsp ro⸗ gression so accentuirt, daß die Gesammtheit l zu ihrem Recht kommt, und die Existenz der Fraktionen an un ich ein an dem Wobl des Vaterlandes fressendes Uebel

Der Herr Abgeordnete bat ferner heute ein dankenswerthes Inter esse für die Landwirthschaft an den Tag gelegt, i ze⸗ sorgniß vor dem Fleischimport, welcken wir aus Australien bekommen würden, und ror der Beförderung der Auswanderung aussprach. Ja, meine Herren, ich glaube kaum, daß gerade die vostalischen Sen dungen zur Beförderung der australischen Fleischproduktion, der Hammel, die zu 25000 Stück in einem einzigen Fahrzeug

zum Gefrieren gebracht werden und bier in einem nich menen Geschmack ankommen, die Herren werden ja Freitag in der Lage gewesen sein, darüber zu i also nicht, daß dazu gerade die postalischen Sen würden; das ist mir sehr unwahrscheinlich; was Amerika an Fleisch bierher gebracht werden kann, hnehin, das hängt hiermit nicht zusammen. Ich

i 621 1

t sehr vollkom⸗

* ne

a

en benutzt werden

won Mrnstralisrw * von Australien und ! *

'

8 . Roß 8 Minarna n =. daß dadurch die Auswanderung befördert wird; die Auswanderer ĩ 669 I ö Post haben ja so viel und so reichlich Gelegenheit, daß die ftabilen Post . s * 9 ' 182 ö my dampfer sie nicht mehr als bisher zur Auswanderung verleiten wür—

den. Ich bin kein Freund der Auswanderung im Allgemeinen, und 3

namentlich nicht der krankhaften Beförderung der Auswanderung, die ö ; s 2. 38 f * . wir in den ersten Jahren des Deutschen Reiches gebabt haben

*

unter meiner Untersbrift, gebe ich ja zu, aber ich babe damals dieser Sache meine Aufmerksamkeit nicht zugewendet. Ich kämpfe

gegen die Beförderung der Auswanderung; ein Deutscher, der sein

Vaterland abstreift, wie einen alten Reck, ist für mich kein Deutscher eresse mebr für ibn,

mehr, ich babe kein landsmannschaftliches Int k

und wenn die Beförderung der Correspondenz und des Verkehrs und unseres Erports eine Beförderung der Auswanderuag sein würde, so würde dies ein Grund dagegen sein, aber ich habe gerade das Wort Export gebraucht der Export ist ein Mittel, die Aus— wanderung zu hindern. Es ist eine auffällige Thatsache, daß gerade die bevölkerten Landstriche Deutschlands, die wir die industriellen

e * . 2 J —— 54 34 1 n Heß nennen dürfen, von der Auswanderung so gut wie frei sind, und daß

diejenigen Landstriche, in denen keine JIndustrie ist, die baltischen

Provinzen und die, welche in ähnlichem Kulturstande sind, Posen und Mecklenburg, das Hauptkontingent der Auswanderer liefern. Geben Sie denen Industrie, geben Sie denen Export, geben Sie denen Schutzzölle und die Leute werden nickt mehr auswandern. Gerade die Förderung des Exports, die Förderung der Verbindung, und womöglich thatsächliche Förderung einer sicheren Verbindung hindect

die Auswanderung. . . w Dann haben die Herren stets ihren Patriotismus bei di 39

Diskussionen dadurch zu dokumentiren gesucht, daß sie darau wiesen, wie sie den Bedürfnissen der Marine ohne Weiteres il Votum gegeben haben. Ja, meine Herren, das ist kein Verdienst;

dann werden Sie zustimmen, oder Sie sind nicht überzeugt: dann werden Sie dagegen stimmen. Es läßt sich ja nicht leugnen, daß die Marine in der Opposition ich will es mit einem Worte sagen

D

vopulärer ist als das Landheer. Das Landheer hat immer mit viel größeren Schwierigkeiten zu kämpfen als die Marine. Ich will dar uͤber nicht weiter rechten, will der Marine das von Herzen gönnen. daß wenigstens ein Theil unserer Wehrkraft sich der Gunst aller Parteien erfreut; ich hoffe nur, daß diese Gunst eine dauernde ist und nicht an das Regime Stosch geknüpft ist, sondern auch auf das Regime Caprivi übergehen werde. Daß die frühere Verwaltung der Marine bei der Opposition populär war, das weiß ich. Ich habe häufig davon reden hören ich weiß nicht, ob mit oder ohne Beftiedigung meines früheren Kollegen aus der Marineverwaltung daß mein Kollege Hr, von Stosch öffentlich als mein möglichst baldiger Nachfolger im Reichskanzleramt angesehen wurde. Ich habe deshalb diesen Herrn immer mit besonderem Interesse angesehen, und ich bin von der Befürchtung nicht frei ge— wesen, daß die reichlichen Subventionen der Marine, die ihm von der Opposition bewilligt wurden, an deren Spitze der Hr. Abs. Rickert stand, der auch für die Danziger Institute eine große Vor- liebe hatte ich habe immer die Befürchtung gehabt, daß das vielleicht beim Austritt des Hrn. von Stosch sich änders könnte. Zu meiner großen Freude ist dies nicht der Fall gewesen, und ich bitte Sie, dem jetzigen Herrn Chef der Marineserwaltung dassel be Woblwollen und Vertrauen zuzuwenden, das Sie leinem Vorgänger nicht versagt haben. Namentlich ist der Hr. Abg. Rickert die wesent liche Stütze des Herrn Ministers von Stosch gewesen. J

Ich muß dann noch leider auf einige Worte kommen, die mir trotz aller gegentheiligen Versicherungen der Herren beweisen, wie ge— ring das Vertrauen ist, das Sie auf die Reichsregierung und persoͤn⸗ lich auf meinen guten Willen und meine Einsicht setzen. Also der Hr. Abg. Bamberger hat gesagt, er wolle nicht, daß die Ehre des Reichs nach der Inspiration eines jeden abennuerlustigen Deutichen engagirt werde; er nimmt also an, daß das Deutsche Reich im Allgemeinen in der Lage ist, daß der Beamte, der an seiner Sxitze steht, die Ehre desselben engagiren würde denn ohne denselben kann sie nicht engagirt werden für cinen jeden Abenteurer, der sich in fremden

Meeren umhertreibt. Das ist doch wirkich eine Geringschätzung meiner Urtheilsfähigkeit und Sachkunde, wie ich sie in äbnlicher Weise selbst von Hrn. Bamberger bisher kaum gebört habe. Als ob es hinreichend wäre, daß ein abenteuernder Lump an mich schreibt, damit ich jofort mit der ganzen Schwerfälligkeit der deutschen Rafe für den Mann mich engagiren würde! Wenn Sis jemals einen solchen Narren von Reichskanzler haben, auf den diese Voraussetzungen des Hrn. Bamberger vassen, dann streichen Sie ihn und jagen ihn weg; das ist das Beste, was Sie thun könnten.

In eine ähnliche Kategorie, obgleich nicht so scharf und verletzend

**