z. B. eine Schlosserei in einer Baumwollspinnerei, mit dem Hauptbetriebe versicherungspflichtig sind. Endlich: .
e. sind nicht versicherungspflichtig das Handels- und Transportgewerbe, sowie die Gast⸗ und Schankwirthschaft. Eisenbahn⸗ und Schiffahrtsbetriebe jedoch, welche wesentliche Bestandtheile eines der unter 1, bezeichneten Betriebe sind, z. B. ein Eisenbahnbetrieb auf einem Hüttenwerke, fallen mit dem Hauptbetrieb unter das Unfallversicherungsgesetz.
3) Nach Ziffer 14 werden Betriebe, in welchen Dampf⸗ kessel oder durch elementare Kraft bewegte Motoren zur Ver⸗ wendung kommen, als versicherungspflichtig angesehen. Gleich⸗ wohl bleiben solche Betriebe von der Versicherungspflicht be⸗ freit, wenn die Motoren nur vorübergehend und ohne daß sie zur Betriebsanlage gehoren, benutzt werden, — vorausgesetzt, daß solche Betriebe nicht ohnehin nach den übrigen Bestimmungen der Ziffer J versicherungspflichtig sind.
Die vorübergehende Benutzung eines zur Bekriebs⸗ anlage gehörenden, durch elementare Kraft betriebenen Motors, z. B. die vorübergehende Benutzung einer zur. Betriebsanlage
ehörenden Turbine zur Winterszeit macht den Betrieb ver—
e ren ene n Ebenso begründet die dauernde Be— nutzung eines nicht zur Betriebsanlage gehörenden Motors, z. B. einer Lokomobile oder einer gemierheten, aus einem Nachbarbause herrührenden stationären Kraft die Versiche— rungspflicht des Betriebes.
4 Als „Aufbereitungsanstalten“ sind anzumelden: gewerbliche Anlagen zur mechanischen Reinigung bergmännisch gewonnener Erze, .
als „Steinbrüche“: solche Anlagen, in denen die Ge— winnung von Steinen gewerbsmäßig und nach tech— nischen Regeln über oder unter der Erde erfolgt,
als „Gräbereien (Gruben)“: die auf die Gewinnung der in den sogenannten oberflächlichen Lagerstätten vorkom—⸗ menden Mineralien (Mergel, Kies, Sand, Thon, Lehm 2c.) gerichteten Anlagen, in denen ein gewerbsmäßiger und nach technischen Regeln ausgeführter Betrieb statt— findet. Die Ausbeutung eines eigenen Mergel- oder Torf— lagers zum Gebrauch auf dem eigenen Acker oder in der eigenen Haushaltung, sowie der nicht nach technischen Regeln erfolgende übliche Torfstich bäuerlicher Besitzer, auch wenn der Torf verkauft wird, fällt nicht unter das Gesetz. — Nach technischen Regeln gewerbsmäßig betriebene Bernstein-, Torf⸗, Kies⸗ ꝛc. Baggereien sind als Gräbereien (Gruben) anzumelden.
Als „Bau höfe“ sind anzumelden: die auf eine gewisse Dauer berechneten Anlagen für Bauarbeiten (z. B. für Vor— richtung von Zimmerungen ꝛc.).
5) Wer die Kraft seines stationären Motors an ver— schiedene Gewerbtreibende vermiethet, muß, auch wenn er selbst die Kraft nicht benutzt, diesen Gewerbebetrieb mit Beziehung auf seinen Maschinenwärter, Heizer ꝛc. anmelden. Desgleichen sind die einzelnen Unternehmer der von diesem Motor be— wegten Betriebe für ihre Unternehmungen anmeldungspflichtig. (Vergl. Ziffer 3 Schlußsatz.)
6) Die gewerbsmäßigen Betriebe der Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Steinhauer, Brunnenmacher und Schornsteinfeger sind anzumelden, wenn in denselben auch nur ein Lehrling beschäftigt wird, einerlei ob es sich um Neubauten ꝛc. oder Reparaturen ꝛc. handelt.
Personen, welche nicht gewerbsmäßig Maurer⸗ ꝛc. Ar⸗ beiten ausführen, unterliegen der Anmeldungspflicht nicht, wenn sie einen Bau durch direkt angenommene Arbeiter im Regie— betriebe ausführen lassen.
Andererseits brauchen die Unternehmer das Bauhandwerk nicht persönlich erlernt zu haben oder selbst auszuüben, um wegen ihrer Maurer⸗, Zimmer⸗,Dachdeckergesellen anmeldungs⸗ pflichtig zu sein. Zur Begründung der Anmeldungspflicht genügt es, daß der betreffende Arbeitgeber gewerbsmäßig Maurer⸗ ꝛc. Arbeiten ausführen läßt.
Nur die Zahl der im Maurer⸗, Zimmer⸗, Dachdecker⸗, Steinhauer⸗, Brunnenmacher⸗,Schornsteinfeger⸗Gewerbe durch⸗ schnittlich beschäftigten Arbeiter ist anzumelden. Die Zahl der von dem Bauunternehmer etwa mitbeschäftigten Tischler, Glaser, Anstreicher ꝛc. ist nicht mit anzumelden, es sei denn, daß die Tischlerei ꝛc. von ihm fabrikmäßig (oben Ziffer 1c, d) betrieben wird und deshalb für sich versicherungspflichtig ist.
Erdarbeiter für Wege⸗, Kanal⸗, Eisenbahn⸗ ꝛc. Bauten sind nicht anzumelden.
7) Bei der Anmeldung ist der Gegenstand des Betriebes genau zu bezeichnen. Es genügt z. B. nicht, den Betrieb als Spinnerei, Weberei, Mühle anzumelden, sondern es muß aus der Angabe hervorgehen, was gesponnen, gewebt oder auf der Mühle verarbeitet wird.
Umfaßt ein Betrieb wesentliche Bestandtheile verschieden⸗ artiger Industriezweige, z. B. Baumwoll⸗-Spinnerei,⸗-Weberei und ⸗Färberei, so sind diese Bestandtheile bei der Anmeldung sämmtlich anzugeben, und gleichzeitig ist derjenige Bestandtheil hervorzuheben, welcher als der Hauptbetrieb anzusehen ist.
8) In der Anmeldung ist ferner die Art des Betriebes genau zu bezeichnen, insbesondere ob derselbe lediglich ein Handbetrieb ist oder unter Benutzung elementarer Kräfte (Wind, Wasser, Dampf, Gas, heiße Luft ꝛc.) erfolgt.
93 Zur Anmeldung verpflichtet ist der Unternehmer des Betriebes oder sein gesetzlicher Vertreter. Als Unternehmer gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb erfolgt, dem⸗ nach bei verpachteten Betrieben der Pächter, bei Betrieben, welche im Nießbrauch besessen werden, der Nießbraucher.
Für die Anmeldungspflicht ist es einflußlos, ob der Be⸗ trieb im Besitze von physischen oder juristischen Personen, des Reichs, eines Bundesstaats, eines Kommunalverbandes oder einer Privatperson ist.
10 Die * aller in dem Betriebe durchschnittlich be⸗ schäftigten versicherungspflichtigen Personen muß in der An— meldung angegeben sein, einerlei ob dieselben Inländer oder Ausländer, männlichen oder weiblichen Geschlechts, ob sie er— wachsene Arbeiter, junge Leute oder Kinder, Lehrlinge mit oder ohne Lohn sind, ob sie dauernd oder vorübergehend be⸗ schäfstig werden. Beamte mit mehr als 2000 „S6 Jahres verdienst sind nicht mitzuzählen.
11) Bei Betrieben, welche regelmäßig nur eine bestimmte Zeit des Jahres arbeiten (Zuckerfabriken, Brauereien, Bau⸗ betriebe ꝛc. ), ist die anzumeldende (,durchschnittliche“ Arbeiter⸗ zahl diejenige, welche sich für die Zeit des regelmäßigen vollen Betriebes, also bei Maurern während des Sommersg, ergiebt.
12 Als „in dem Betriebe beschäftigt“ sind Diejenigen anzumelden, welche in dem Betriebsdienste stehen und Arbeiten, die zu dem Betriebe der Fabrik ꝛc. gehören, zu verrichten haben, ohne Rücksicht darauf, ob die Verrichtung innerhalb oder außerhalb der Vetriebsanlage (der Fabrik⸗ höfe ꝛc.) erfolgt.
13) Selbständige Gewerbtreibende, welche in eigener Betriebsstätte im Auftrage oder für Rechnung anderer Ge⸗ werbtreibenden mit der Herstellung oder Bearbeitung gewerb⸗ licher Erzeugnisse (I. h. in der Hausindustrie) kefer werden, sind bei der Anmeldung nicht mitzuzählen. Ein Kaufmann (Fabrikant), welcher 100 Hausweber beschäftigt, hat deshalb allein noch keinen versicherungspflichtigen Betrieb.
Sollte dagegen ein Hausweber an seinem mittelst elemen⸗ tarer Kraft betriebenen Webstuhl einen Arbeiter beschäftigen, so müßte der Hausweber (nicht der Fabrikant, für den er arbeitet) diesen Betrieb gemäß Ziffer L4 anmelden.
14 Für die Anmeldung wird die Benutzung des nach⸗ stehenden Formulars empfohlen.
15) Ist ein Unternehmer zweifelhaft, ob er seinen Betrieb anzumelden habe oder nicht, so wird derselbe gut thun, die Anmeldungsfrist nicht unbenutzt verstreichen zu lassen, wenn er sicher sein will, den aus der Nichtanmeldung eines ver— sicherungspflichtigen Betriebes sich ergebenden Nachtheilen zu entgehen. Hierbei bleibt ihm unbenommen, in dem Formulare, Spalte „Bemerkungen“, die Gründe anzugeben, aus denen er die Anmeldungspflicht bezweifelt.
16) Schließlich werden die betheiligten Betriebsunternehmer noch besonders darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn sie die vorgeschriebene Anmeldung nicht bis zum 1. September 1884 erstatten, sie hierzu durch Geldstrafen im Betrage bis zu ein—⸗ hundert Mark angehalten werden können.
Formular für die Anmeldung. Kreis (Amt) Gemeinde⸗ (Guts⸗) Bezirk . . .. Anmeldung. auf Grund des 8. 11 des Unfallversicherungsgesetzes. Name der des Gegenstand Art durchschnittlich Be⸗ des des beschäftigten
Unternehmers merkungen.
(Firma).
RNetricbese' &etriebesas) versicherungs. Betriebes . Betriebes J. pllichtigen ? Personen.
.
den Unterschrift des zur Anmeldung Verpflichteten.) B. Baumwoll ⸗Spinnerei, ⸗Weberei, ⸗Färberei,
Appretur, Holzsägemühle, Getreidemühle, Oelmühle.
Bei mehreren Betriebszweigen ist der Hauptbetrieb zu unter— streichen.
) 3. B. Handbetrieb, Betrieb mit Dampf⸗, Wind-, Wasser⸗ kraft, Gasmotor 2c.
Aichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 14. Juli. Wie „W. T. B.“ von der Insel Mainau meldet, verlief das am Sonnabend von den Offizieren des 6. Badischen Infanterie⸗Regiments Nr. 114 veranstaltete kostümirte Jagdfest äußerst glänzend.
Se. Majestät der Kaiser und König trafen mit den Großherzoglich badischen Herrschaften Abends 6i½ Uhr auf dem Festplatze in dem benachbarten Walde ein, verließen hier den Wagen, unterhielten Sich in huldvollster Weise mit den bei dem Feste mitwirkenden Herren und Damen und dankten den⸗ selben sür die bereitete Ovation. Bei der Ankunft auf dem Festplatze wie bei der Abfahrt von demselben wurden Se. Majestät von der zahlreichen Volksmenge mit enthusiastischen Kundgebungen begrüßt.
— Enthält ein Geschäftsabschluß unter anderen Festsetzungen auch solche, die als Verträge über unbewegliche Sachen an sich der Schriftform bedürfen, resp. die als Ver—⸗ träge über Handlungen im Geltungsbereich des Preuß. Allg. Landrechts das freie Rücktrittsrecht gestatten, so bedarf des— halb nach einem Urtheil des Reichsgerichts, J. Civilsenats, vom 31. Mai d. J., das Geschäft, wenn es in seiner Tota— lität im Wesentlichen eine kaufmännische handelsgeschäft⸗ liche Vereinbarung bezweckt, weder der Schriftform, noch steht dem Kontrahenten ein freies Rücktrittsrecht in Bezug auf das ganze Vertragsverhältniß oder auf einen Theil desselben zu. Beispielsweise ist ein mündlich abgeschlossener Vertrag, durch welchen ein Kaufmann einem anderen Kaufmann sein Waarengeschäst nebst Beständen verkauft und den Käufer verpflichlet, in seinen Miethsvertrag in Bezug auf die bis— herigen Geschäftslokalitäten und in seine mit dem Geschäfts⸗ . abgeschlossenen Engagementsverträge einzutreten, gültig.
— Bei der Beleidigung eines Kindes, welches des ehrenkränkenden Charakters der Beleidigung sich noch nicht bewußt ist und deshalb sich gar nicht beleidigt fühlt, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 2. Mai d. J, der Beleidiger dennoch, auf den Strafantrag 39 (. des beleidigten Kindes, wegen Beleidigung zu be—
rafen.
= Der hiesige hanseatische Minister⸗Resident Dr. Krüger hat einen längeren Urlaub angetreten. Während seiner Ab⸗ wesenheit von Berlin werden die Geschäfte der hanseatischen Mission durch die Königlich bayerische Gesandtschaft mit versehen.
— S. M. S. Leipzig, Kommandant Kapitän zur See Herbig, 12 Geschütze, ist am 12. Juli cr. in Simonstown bei Kapstadt eingetroffen und beabsichtigte, am 16. Juli er, die Reise fortzusetzen. Das vom Aufenthalt in Singapore stam⸗ mende Malariafieber an Bord ist erloschen. Der Gesundheits⸗ zustand ist sehr gut,
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Feilchenfeld in Schlochau, Dr, Breitkopf in Schwetz, Hr. Win⸗ ter, hr. Jos. Hoffmann, Dr. Feld und Dr. Quetsch, sämmtlich in Berlin, Dr. Herzfeld in Heldrungen, Dr. Wessel in Roß— leben, Dr. Wander in Ellrich, Dr. Ewert in Wesel, Dr. Vogel⸗
sang in Werden, Dr. Wehrmann in Düsseldorf, Dr. Hofacker in Düsseldorf.
Bayern. Kreuth, 14. Juli. (W. T. B.) Der König und die Königin der Niederlande sind heute früh von hier abgereist.
Oldenburg. Oldenburg, 11. Juli. (Oldb. Ztg.) Der Erbgroßherzog und die Erbgroößherzogin nebst Prinzessin Charlotte werden sich am Sonnabend, den 12. Juli, auf kurze Zeit wieder nach Helgoland begeben. Nach bis jetzt getroffenen Bestimmungen wird die Erbgroßherzogliche Familie gegen den 20. d. M. nach Lensahn übersiedeln, woselbst die hohen Herrschaften wie alljährlich bis Anfang November zu verweilen gedenken.
Desterreich ungarn. Wien, 13. Juli. (W. T. B.) Das Kriegs-⸗Ministerium hat die Einberufung zu den Waffenübungen betreffs derjenigen Urlauber und Reser—⸗ visten,; welche sich in Frankreich aufhalten, aus Anlaß der in Südfrankreich herrschenden Cholera-Epidemie füuͤr dieses Jahr sistirt.
Agram, 12. Juli. (Prager Ztg.) Der Landtag. nahm heute mit 63 gegen 3 Stimmen den §. 1 des Gesetz— entwurss, betreffend die Suspendirung der Unabhän— gigkeit der richterlichen Personen, mit dem Amende— ment Gyurayvic. (dreijährige Dauer der Suspen— dirung) an. Die Weiterberathung des Gesetzentwurfs wurde durch die Opposition verhindert, welche fortwährend die Verhandlung unterbrach und die bei Beginn der Sitzung von Tuskau und Barcic eingebrachten Dringlichkeits anträge zu ver— handeln verlangte. Der Antrag Tuskau's wegen grundbücher⸗ licher Eintragung der Grenzwälder als Eigenthum Kroatiens wurde mit 18 Stimmen Majorität abgelehnt, ebenso der An⸗ trag Barcic, daß der Bericht der Regnikolardeputation über die Fiumaner Frage als erster Gegenstand der Tagesordnung der nächsten Sitzung verhandelt werde.
Niederlande. Haag, 12. Juli. (W. T. B.) Die Erste Kamm er hat die Vorlage, betreffend eine Anleihe von 60 Millionen, und den zwischen Frankreich und den Niederlanden ahgeschlossenen Handels vertrag, angenommen.
Großbritannien und Irland. London, 12. Juli (W. T. B. Die finanziellen Beigeordneten der Kon ferenz traten heute Nachmittag im Auswärtigen Amt wiederum zu einer Sitzung zusammen.
Lord Wemyß beabsichtigt, am Montag eine Resolu— tion im Oberhause einzubringen, in welcher die Ansicht ausgesprochen wird, daß die Berathung der Wahlreform— bill im Oberhause fortgesetzt werden müßte, um die An— nahme derselben noch in der gegenwärtigen Session zu er⸗ möglichen. Ferner soll in der Resolution betont werden, daß eine Adresse an die Königin gerichtet werden müsse, mit der Bitte, das Parlament im Oktober zusammenzuberufen, um den Entwurf der Reorganisation der Wahl— kollegien zu berathen, welchen das Kabinet vorzulegen versprach, sobald die Wahlreformbill die Königliche Sanktion erhalten habe. — Die Abendblätter besprechen die Chancen des Kompromisses zwischen dem Oberhause und dem Unterhause und halten ein Arrangement für möglich.
Die „St. James Gazette“ will wissen: der Regierung sei die Nachricht zugegangen, daß Osman Digma sich des 60 Meilen von Suakim entfernten Port Asis am Rothen Meere bemächtigt habe.
— ¶ A. C) Das Reutersche Bureau meldet aus Kap—⸗ stadt, vom 19 Juli: Tha banchu, ein Flecken im Orange⸗ Freaistaat, ist von einer Horde Basutos und Baralongs angegriffen worden. Die Stadt wurde niedergebrannt. Dem Besehlshaber des Platzes gelang es nur mit Mühe, sich zu flüchten. Von Bloemfontein sind Truppen nach dem Schau— platz der Ruhestörungen entsandt worden.
Frankreich. Paris, 11. Juli. (Köln. Ztg.) Der Minister des Innern wird morgen einen Kredit von 2 Millionen verlangen, von dem je nach Bedürfniß die von der Cholera heimgesuchten Städte, welche um Geldunter— stützung nachsuchen, unterstützt werden sollen. Die Minister des Jnnern und der öffentlichen Arbeiten reisen am Dienstag nach Toulon und Marseille. Bis jetzt ist noch kein Cholerafall in Paris erwiesen worden; freilich kommen viele Fälle von Cholerine vor.
In der heutigen Sitzung des Pariser Gemeinde- raths theilte der Seine-Präfekt zuerst das Gutachten der Akademie der Medizin mit und fügte hinzu: die Regierung bringe dieses Gutachten einfach zur Kenntniß des Gemeinde— raths, ohne Anträge irgend welcher Art hinzuzufügen; die Feier des 14. Juli sei ein gesetzlich bestehendes National⸗ fest und werde ein solches bleiben. Was die Regierung be⸗ treffe, so würden die angekündigten Beleuchtungen und Pa⸗ raden in der vorgeschriebenen Weise erfolgen; der Gemeinde— rath hahe demnach zu überlegen, was von seiner Seite ge— schehen solle. Nach kurzer stürmischer Berathung beschloß der Gemeinderath mit 51 gegen 18 Stimmen Uebergang zur Tagesordnung. Mit der Rechten stimmten neun Republikaner gegen die Tagesordnung. Die Parade der Schüler— Bataillone und die übrigen Festlichkeiten werden also stattfinden.
— 11. Juli. (K. Itg.) Der Beschluß des Pariser Gemeinderaths, das Nationalfest, ungeachtet des Gut⸗ achtens der „Academie de Médecine“ und vieler anderen be—⸗ rühmten Aerzte, doch zu feiern, hat die Furcht vor der Cholera nur noch vergrbßert. Die Angst ist viel schlimmer als 1867, 1853 und selbst 1849, wo die Cholera in Paris arg hauste. Der Polizeipräfekt Camescasse hat indeß angeordnet, daß auf einem und demselben Festplatze nicht mehr als 6 bis 8 Buden errichtet werden dürfen, um allzu starke Ansammlun⸗ gen zu verhüten. Die Vorbereitungen für das Fest begannen heute Morgen mit erneuter Thätigkeit. Die zwei Paraden der Garnison vonParis, die eine in den Elyseischen Feldern, die andere an der Barriere du Tröne, werden eben⸗ falls stattfinden. Der Kriegs⸗Minister hatte dieselben keines— wegs abgesagt, sondern sie sollten erst abgesagt werden, wenn der Pariser Gemeinderath sich gegen die Feier des Festes aussprechen würde.
Der Senatsausschuß für die Verfa ssungs— Revision hielt heute wieder Sitzung. Der Ausschuß be— müht sich, einen Entwurf zu Stande zu bringen, in welchem die
Veränderungen genau festgestellt werden. Die Arbeiten können deshalb lange dauern. Da die Revisionsfrage in die Länge gezogen wird, so werden Senat und Kammer ihre letzte Sitzung wahrscheinlich am 21. halten. Das Budget wird erst in der Herbstsession zur Verhandlung kommen. — Der Budgetausschuß hat jetzt die Prüfung des Kriegsbudgets beendet. Die Ersparnisse, die er bewirkte, betragen 22 Mill. Francs. Die wichtigste ist die Streichung von drei Millionen von den Kosten für die Besetzung von Tunesien. Der Ausschuß stützt sich dabei auf die im letzten Jahre gemachten Erklärungen des Minister⸗Residenten Gambon, daß diese Ausgaben 1885 um 3— 4 Millionen verringert wer⸗ den könnten. — Der Marine⸗-Minister überreichte der Kammer einen Gesetzentwurf, in welchem er S2 000 Fr. für die Besetzung des Hafens von Obok verlangt. Der Gesetzentwurf rechtfertigt die For⸗ derung durch die Ausdehnung der französischen Besitzung in Hinterindien und durch die Nothwendigkeit, in der sich die französische Flotte befinde, beim Auslaufen aus dem Rothen Meere einen Hafen zu haben, wo sie Kohlen und Lebensmittel einnehmen kann. Die Einleitung zu dem Ge⸗ setzentwurf besagt ferner, daß der Hafen von Obok trefflich und durch unbedeutende Arbeiten sehr bequem zu machen sei. Süßes Wasser sei leicht zu erhalten, und ein großer Theil des Bodens könne bebaut werden. Außerdem würden die Eingeborenen, deren Gesinnungen sehr freundliche seien, hel⸗ fen, um einen Kolonialpunkt zu bilden, dessen Sicherheit durch eine kleine Truppenabtheilung geschützt sei. Vom wirth⸗ schaftlichen Standpunkt aus könne Obok der Markt der rei— chen Provinzen von Schoa werden. .
Wie verlautet, wird General Millot, Oberbefehlshaber in Tongking, die verlangten Verstärkungen Anfangs August schon erhalten. Dieselben werden aus 2500 Mann, von denen die eine Hälfte der Marine-Infanterie, die andere der afrikonischen Armee entnommen werden soll, bestehen.
— 12. Juli. (Fr. C) Das „Journal des Dabats“ kommt auf die Gefahr zurück, welche für die Pariser Bevölke⸗ rung in der Abhaltung des Nationalfestes am 14 d. liege, und fordert, „da alle Warnungen an dem Starrsinn einer politischen Partei scheitern, den Pariser Gemeinde⸗ rath auf, doch wenigstens sich der 7000 Knaben zu erbarmen, welche dem Programm gemäß von allen Seiten nach dem Stadthause zu einer Truppenschau über die „Ba⸗ taillons scolaires“ strömen sollen. Die Anstrengungen, die man ihnen da auferlege, könnten nicht ermangeln, bedenkliche Symptome zu erzeugen, die dann im Laufe des Nachmittags und Abends durch Besuch der verschiedenen Ergötzlichkeiten mit den Familien noch entwickelt würden. Wenn man doch um jeden Preis das Fest feiern wolle, so möchten die Schul⸗ bataillone vor ihren Schulen oder Mairien versammelt und ihnen die Mühe langer Märsche in der Julihitze erspart wer— den. Die Vorsichtsmaßregel, die man für die Erwachsenen ergriffen, sollte doch wahrlich auch den noch zarteren Un— erwachsenen zu Gute kommen.“
— 12. Juli. (K. Ztg.) Am 5. August geht von Brest ein Handelsschiff mit 500 Soldaten und Kriegsmaterial nach Tongking ab. Im Kriegs⸗ hafen von Brest werden die Kreuzer „Lapeyrouse“ und „Niell zur Verstärkung der Flotte in den chinesischen Gewässern ausgerüstet. Im Hafen von Lorient wird das Transportschiff „Gendre“ fur Tongking aus⸗ gerüste. — Clémenceau wurde zum Präsidenten der äußersten Linken gewählt. — Dauphin, der Vorsitzende des Senatsausschusses für die Ver⸗ fassungsrevision hatte heute Morgen eine Besprechung mit Dreyfus, dem Berichterstatter des Kammeraus⸗ schusses für die Revision. Nach Dauphins Ansicht ist der Senat zur genauen Angabe der in die Verfassung einzu⸗ führenden Reformen geneigt, wird aber die Entscheidung bis zum Oktober vertagen. — Die amtlichen Vorbereitungen zum Nationalfest sind sast beendigt, dagegen die der Privatleute noch sehr im Rückstande; bis jetzt sind nur wenige Fahnen zu sehen.
— 12. Juli. (W. T. B.) Heute Vormittag fand im
Palais Elysöè ein Rinisterrath statt, in welchem der
Präsident Greévy mehrere Strafmilderungen für politische Vergehen unterzeichnete. Die Strafen, zu denen Louise Michel, Krapotkin und Gauthier verurtheilt worden, sind hierbei nicht gemildert worden.
Der Erste Sekretär der diesseitigen Botschaft in Berlin, Baron von Plancy, ist zum Offizier der Ehrenlegion ernannt worden.
In der Deputirtenkam mer legte heute der Conseils⸗ Präsident den am 6. Juni zwischen Frankreich und Annam geschlossenen Vertrag vor. — Révillon und Laguerre begründeten ihren Antrag auf Erlaß einer all— gemeinen Amnestie für alle wegen politischer Ver— brechen Verurtheilten. Der Minister des Innern, Waldeck-Rousseau, erklärte: es sei nicht statthaft, Individuen zu begnadigen, welche sich der Aufreizung zur Plünderung, Brandstistung und zum Morde u. s. w. schuldig gemacht hätten. Das seien keine politischen Vergehen. Die Regierung sei geneigt, den Irre— geführten gegenüher Nachsicht zu üben, nicht aber den Führern der Anarchisten gegenüber. Der Amnestieantrag wurde schließ⸗ lich mit 283 gegen 123 Stimmen abgelehnt. — Der Minister des Innern beantragte sodann die Bewilligung eines Kredits von 2 Millionen für die von der Cholera heim— gesuchten Städte. Für diesen Antrag wurde die Dringlichkeit beschlossen und derselbe einstimmig genehmigt; ebenso ein weiterer Kredit von 500 000 Fr. zur Bestreitung der durch die Epidemie verursachten Kostkan. — Im Laufe der Debatte erklärte der Deputirte für Marseille, Clovis Hugues: die Nach—⸗ richten über die Cholera in Marseille seien übertrieben; die Cholera treie in einer milden Form“ auf, und es wür⸗ den von derselben nur Personen hetroffen, welche Früchte und Wasser im Uebermaß genössen. — Die Kammer nahm sodann den Art. 1 der Zuckersteuervorlage an, welcher neue Steuern auf Zucker jeden Ursprunges sowie auf inländischen Traubenzucker einführt.
Nach dem heute verbffentlichten Bericht über den Ge— sundteitszustand in Paris während der letzten Woche sind 1195 Personen gestorben, gegen 991 in der vorhergegangenen Woche. Die Zunahme ist indessen nur durch die zahlreichen Todesfälle von Kindern unter 2 Jahren hervor— gerufen. Bisher ist hier kein Cholerafall konstatirt worden. — Der „Temps“ bestätigt, daß der bereits ge⸗ meldete Todesfall an sporadischer Cholera in der Rue St. Peres durch Unmäßigkeit hervorgerufen worden sei.
— Am 11. d. Mts. sind in Marseille 83 und am 12. 60 ö vorgekommen.
n dem Zeitraum von gestern Abend bis heute Abend sind in Marseille im Ganzen 63, in Toulon 22 Per⸗ sonen an der Cholera gestorben. — Der Geheime Regie⸗ rungs⸗Rath Dr. Koch besuchte heute die Hauptstadttheile von Lyon, wo heute Vormittag ein Cholera-Todesfall vor—⸗ gekommen ist. ͤ .
— 13. Juli, Abends. (W. T. B.) Von heute früh bis heute Abend starben in Toulon 8, in Marseille 32 Per⸗ sonen an der Cholera.
Italien. Rom, 12. Juli. (W. T. B.) Die „Agen⸗ zia Stefani“ veröffentlicht mehrere dem Ministerium des Auswärtigen zugegangene Depeschen aus Aden und Asssab, in welchen, auf Grund aus dem Innern Afrikas eingegangener Nachrichten, die Meldung von dem Scheitern der Expedition Bianchi's dementirt wird.
Der „Agenzia Stefani“ wird aus Madrid gemeldet: Die spanische Regierung hat ihren Gesandten in Rom beauftragt, dem Minister des Auswärtigen, Maneini, die herzlichsten und freundschaftlichsten Versicherungen zu geben und demselben den lebhaften Wunsch der spanischen Regierung auszudrücken, den durch den Minister Pidal hervorgerufenen Zwischenfall zur vollen Zu⸗ friedenheit Italiens zu beendigen. Um diesen Zweck zu erreichen, finden gegenwärtig Verhandlungen zwischen dem spanischen Kabinet und dem italienischen Ge— sandten in Madrid statt. Letzterer erhielt auch die Weisung, ein formelles Dementi der Worte des Ministers Pidal zu ver⸗ langen, daß Italien die spanische Regierung anläßlich des Vassus der spanischen Thronrede, welcher die zwischen Spanien und dem Vatikan herrschenden wohlwollenden Beziehungen betont, beglückwünscht habe.
Türkei. Konstantinopel, 11. Juli. (Wien. Ztg.) Bedraß Efendi Kerhtedjan, Beamter des Finanz— Ministeriums, und Ali Beg, Funktionär der Ciwvilliste, wurden zur Durchführung der Konvertirung der türki—⸗ schen Schuld in Paris und London designirt.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 13. Juli. (W. T. B.) Der Mintster des Innern hat anläßlich des Austretens der Cholera in Südfrankreich unterm 28. Juni und 1. Juli er. die Erneuerung der Maß— regeln angeordnet, welche im vorigen Jahre gegen die Ein— schleppung der Cholera von Egypten her auf dem Seewege getroffen worden sind. Demzufolge sind alle aus cholera— verdächtigen Oertlichkeiten Frankreichs kommenden Schiffe in den Häfen des Schwarzen Meeres einer zweiwöchent— lichen Quarantäne zu unterwerfen. In die baltischen Häfen dürfen solche Schiffe nicht einlaufen, wenn sie nicht ein Certifikat über eine im Auslande bestandene Quarantäne vor— weisen. — Am 2. Juli fand eine Berathung des Ministeriums des Innern mit demjenigen der Wege und Kommunikationen wegen sofortiger Ergreifung prophylaktischer Maß— nahmen auf den Eisenbahnen, insbesondere den Süd⸗— westbahnen statt, in Folge deren den Behörden die Be— folgung der Bestimmungen eingeschärft worden ist, welche in dem im vorigen Jahre erlassenen Cirkular des Medizinal— Departements, betreffend das Verfahren bei dem Auftreten der Cholera oder Cholera ähnlichen Krankheiten, getroffen worden sind.
Amerika. Chieggo, 12. Juli. (W. T. B.) Die demo— kratische Konvention hat sich nach der Ernennung Hen— dricks zum Kandidaten für die Vize-Präsidentschaft vertagt.
Afrika. Egypten. (Allg. Corr) Ueber die zum Schutze Ober-Egyptens gegen eine Invasion ge— troffenen Maßnahmen wird der „Times“ aus Assuan unterm 9. d. gemeldet: Assuan ist jetzt gründlich geschützt. Die egyptische Infanterie und Artillerie haben auf einer süd— lich von der Stadt gelegenen Anhöhe eine stark befestigte Stellung bezogen. Die Kapallerie lagert in der Ebene im Osten, während eine halbkreisförmige Linie von Vedetten mit einem Radius von zwei Meilen die Stadt und das Lager umgiebt. Das Royal Sussez⸗-Regiment campirt am Flußufer, 1 Mei— len nach Norden zu. Die westliche Front ist durch Kapitan Bedfords Nilbowte geschützt. Es existirt eine Karavanenstraße von Berber nach Kosseir mit Zweigstraßen nach Darawi, Cu— mumbu, Luxor und Keneh. Auf dieser Route befinden sich zahl⸗ reiche Brunnen, aus denen 200 Mann in Zwischenräumen von 2 Tagen mit Trinkwasser versehen werden könnten. Land— einwärts, am linken Ufer des Stromes, sind mehrere Routen mit Abzweigungen nach dem Nil vorhanden. Eine läuft von Darfour längs der alten Sklavenhändler⸗Route nach Assiut, wo Oberst Colville und Major Stuart⸗Wortley jetzt Posten der irregulären Beduinen herstellen. Eine andere, parallel mit dem Flusse laufende Route von Dongola nach Assiut, zweigt nach Esneh und Girgeh ab. Oberst Duncan beab— sichtigt Vorpostenlager auf diesen Routen zu bilden.
Der „Daily News“ wird von ihrem Spezialkorrespon⸗ denten in Assugn u. d. 10. berichtet: Ein aus Dongola eingelaufener Brief bestätigt vollauf die Verrätherei des Mudirs von Dongola. Ein Abgesandter des Mahdi hat die Stadt besucht. Sämmtliche Christen wurden gezwungen, den mohamedanischen Glauben anzunehmen. Der Mudir von Dongola hatte eine Unterredung mit dem Scheich Huda, der die Rebellen in Debbah befehligt, und ist vom Mahdi als Emir anerkannt worden. Der in griechischer Sprache geschriebene Brief kommt von einem maltesischen Kaufmann, Joseph Franco, der britischer Unterthan ist und gegenwärtig in Dongola weilt. Aus dem Briefe erhellt, daß Dongola seit dem 26. Juni in der Gewalt der Rebellen ist, und daß die angebliche Schlacht bei Debbah im Juni eine Erfindung war.
Kairo, 13. Juli. (W. T. B.) Aus Sua kim wird gemeldet, das englische Kanonenboot „Woodlark“ sei gestern von Rawaya und Agig zurückgekehrt und be⸗ richte: an beiden Orten habe Ruhe geherrscht.
Seituugsstimmen.
In dem „Deutschen Landboten“ lesen wir:
. . . Die amerikanische — und seit Kurzem auch die indische — Lebensmittel konkurrenz hat in allen Staaten des mittleren Europas schwere Bedenken für den Bestand, der europäischen Landwirthschaft hervorgerufen, und man ist allgemein bemüht, die Nachtheile, welche
die auf das Prinzip des Freihandels gegründeten! Handelsverträge heraufbeschworen haben, zu beseitigen. Die Erfahrung lehrte ja deutlich genug, in welch reichem Maße es der nordamerikanischen Republik gelungen war, eine eigene selbständige Industrie zu erzielen. Ruß⸗ land verfolgt genau dasselbe bandelspolitische Prinzip und es ist nicht zu leugnen, daß trotz der wenig entwickelten inneren Verhältnisse unseres östlichen Nachbarreiches seit mehr als einem Jahrjehnt ein gewaltiger Aufschwung der Industrie erfolgt ist, der massenhaft deutsches Kaxital und deutsche Arbeit und Unternehmungslust heran⸗ gezogen hat. Das sind unter grundverschiedenen politischen Staats⸗ verfassungen unleugbar ganz gleichartige Erfolge des Schutzzollspstems. Wir Deutschen sollten daraus lernen, daß die wirthschaftlichen Be⸗ dürfnisse mit den politischen und den Verfassungsfragen nicht das Gerinaste zu thun haben.
Unsere Freihändler weisen uns dagegen immer auf England hin das angeblich durch den Freihandel reich geworden sein soll. Es wäre wohl einer Untersuchung werth, ob England in Folge oder trotz des Freihandels seinen Reichthum erlangt hat und ob derselbe nicht blos eine Folge seiner geographischen Lage ist, ähnlich wie Hamburg immer die größte See- und Handelsstadt Deutschlands sein und bleiben muß, einerlei ob es schutzzöllnerischen oder freihänd— lerischen Prinzipien folgt. Aber wenn wir auch diese Frage ununter⸗ sucht sein lassen wollen, müssen wir doch darauf hinweisen, daß das Handelsprinzip Englands thatsächlich nur scheinbar frei⸗ händlerisch ist, in Wirklichlichkeit ist es blos ungemein praktisch. Verschiedene Maßregeln, wie Viehsperre, Zoll auf Spiritus und Seife 2c. bemeisen, daß man in England keineswegs Alles aus frei⸗ händlerischem Prinzip thut, sondern daß man dort bei Allem und Jedem nur den wirthschaftlichen Vortheil im Auge hat. Die über seeische Lehensmittelkonkurrenz hat jetzt schon in England eine mäch— tige Bewegung auf Einfuhr von Getreidezällen wachgerufen, und wer die praktischen Engländer aicht nach liberalen Zeitungsphrasen be⸗ urtheilt, sondern sie wirklich kennt, der ist gar nicht im Zweifel darüber, daß man im Parlament zu London plötzlich zum theilweisen oder gänzlichen Schutzzoll übergehen wird, sobald das Land seinen Vortheil dabei findet
Es ist uns unbegreiflich, daß es auch außerhalb der Seestädte Leute giebt, welche in den Bestrebungen zur Vereinheitlichung und zum Zollschutz unseres wirthschaftlichen Gesammtlebens eine Schädi⸗ gung der „Freiheit“ zu sehen vermeinen.
Die Getreidekonkurrenz, welche durch das Auftreten indischer Ge⸗— treidemassen noch größer geworden ist, wird bald die Vertreter des europäischen Freihandels lehren, wie sehr sie im Jerthum befangen gewesen sind. Alles ausländische Getreide, das bei uns hätte gebaut werden können, jede englische oder sonstige ausländische Waare, welche in Deutschland hätte hergestellt werden können, aber durch den see⸗ städtischen Import bei uns eingeführt wird, schädigt die deutsche Arbeit und vermindert die Zahl der deutschen Käufer. Dadurch schadet sich der deutsche Kaufmann offenbar selbst. Denn so richtig es ist, daß der Kaufmann die Waare von Orten des Ueberflusses nach Orten des Mangels daran befördern soll, so wenig richtig ist es, daß er Waaren heranführt, welche die Produkte seiner Käufer herab—⸗ drücken und letztere schließlich kaufunfähig machen. An dem Geld, welches die Einfuhr nach Deutschland ins Ausland spedirt, verdient der Kaufmann nur einmal, an dem Gelde, welches für deutsche Arbeit im Lande cirkulirt, kann dagegen der Kaufmann viele Male verdienen, weil es oft durch seine Hände geht.
Die seit fünf Jahren bestehende Zoll, und Wirthschaftspolitik hat der von unserem Handelsstand gepflogenen Geschäftsrichtung be— reits ein wesentliches Hinderniß in den Weg gelegt, die Handelswelt lehnt sich aber dagegen auf und glaubt in ihrer bisherigen Praktik die „Freiheit“ zu erblicken, während doch gerade durch die Zollpolitik auch für ihre Zukunft eine gesicherte Fortdauer angestrebt wird. Etwas Wandel in diesen Irrthümern ist allerdings schon eingetreten, am meisten im Süden Deutschlands. Aber auch im Norden wird unsere Kaufmannswelt bald mehr und mehr einsehen lernen, daß man sich von alten Gewohnheiten, welche der Neuzeit und den Erfordernissen eines nationalen Staates nicht mehr ent— sprechen, losmachen muß, und daß es für die deutsche Handelswelt heute nichts mehr und nichts weniger als eine Pflicht der Selbst— erhaltung ist, sich ihren Käuferkreis kaufkräftig zu erhalten.
— Das „Deutsche Handelsarchiv“ meldet:
Die in Glauchau und Meerane heimische Webwaaren⸗ branche für Kleiderstoffe anlangend, so haben die Fabrikanten in den Monaten Januar und Februar hinreichende Aufträge bekommen, so daß jowohl die Arbeiter in den mechanifchen Webereien als solche auf Handstühle volle Beschäftigung hatten und noch haben. . ..
Die meisten Fabrikanten verfügen aber noch über hinreichende, unausgeführte Aufträge, so daß man hofft, die guten Arbeiter bis zum Beginn der nächsten Saison beschäftigen zu können. . . .
Die Lage der Arbeiter hat weitere Besserung erfahren. Wenn auch die Löhne in den letzten Monaten nicht erhöht wurden, so war es doch von großem Werth, daß die Arbeiter ohne jede Unterbrechung in ein und demselben Artikel thätig sein konnten. Daß durch den außerordentlich milden Winter die Ausgaben geringer waren, hat die Lage der zahlreichen Weber gleichfalls wesentlich unterstützt.
Der Geschäftsgang der Webwaarenbranche in Frankenberg und Umgegend (Fabrikarion von Cachenez und sonstigen Tüchern) ist kein flotter gewesen, aber dennoch als mittelmäßig zu bezeichnen. ..
Ueber die verschiedenen Industriezweige des Vogtlandes kann erfreulicherweise meist Günstiges berichtet werden. Was zunächst die Stickereien anlangt, so ist die Tüllstickerei voll beschäftigt. Die Tüll⸗ spize ist noch immer sehr beliebt und verdrängt fast alle übrigen, besonders Cambrie. Die Geschäfte haben stark zu thun und alle Maschinen sind besetzt. Welche Massen von Tüll gebraucht werden, ergiebt sich, wenn man berechnet, daß die etwa 3300 Stickmaschinen von Plauen und Umgegend wöchentlich je 2 Stück Tüll verarbeiten, also insgesammt etwa 6600 Srück pro Woche. !
Die Seidenstickerei erfreute sich eines recht flotten Geschäfts⸗ ganges
Die Deckenstickerei, die sich in Reichenbach immer mehr aus— dehnt, hat eine große Anzahl neuer Maschinen beschäftigt.
Gardinen. Das Geschäft geht in englischer Waare nach wie vor flott; trotz der rerdoppelten Arbeitszeit einiger größerer Etablisse⸗ ments können die eingehenden Aufträge nicht prompt effektuirt werden. . . . . Die Konkurrenz mit den in England selbst angefertigten Gar⸗ dinen wird mit Erfolg ausgehalten. . . ..
Die Appreturanstalten waren gut und zu lohnenden Preisen be⸗ schäftigt. Das Konfektionsgeschäft hat seit kurzer Zeit wieder einen etwas lebhafteren Anstrich gewonnen Die Korsetfabrikation hat gesteigerte Nachfrage nach besseren Qualitäten aufzuweisen, so daß die Fabriken in Oelsnitz voll beschäftigt sind. . . . . Die Musikinstrumenten⸗
abrikation ist zwar gut beschästigt, klagt aber sehr über die in
olge unsolider Konkurrenz arg gedrückten Preise. Concertinas und. Mundharmonikas bilden noch immer die gangbarsten Artikel und gehen in großen Posten nach Amerika.. ... Die Holzschleifereien und Holzstoffpapier⸗Fabriken des Erzgebirges haben in der letzten Zeit in Folge des neuen Verfahrens zur Gewin- nung der Cellulose und auch in Folge der erhöhten Holzpreise nicht so gute Ergebnisse aufzuweisen, wie vorher; immerhin sind die haupt⸗ sächlichsten und nach den neuesten Erfahrungen eingerichteten Etablisse⸗ ments (besonders in Niederschlema) für längere Zeit mit lohnenden Auf⸗ trägen versehen. Das Jahr 1883 hat nach den jetzt fertiggestellten Ab⸗ schlüssen in der Branche einen recht ansehnlichen Gewinn abgeworfen. Die . hat durch die Konkurrenz zu leiden und vermag keinen hohen Gewinn zu erzielen. — Die Kartonfabrikation ist dagegen im Aufblühen begriffen. Aus Rautenkranz, wo diese Industrie lebhaft entwickelt ist, gehen jährlich allein etwa 10000 Ctr. Kartons nach Süddeutschland Das Geschäft der Steinnußknopf ⸗ Fabrikation, welches in Schmölln und Göß— nitz betrieben wird, hat sich in den letzten Monaten etwas belebt, volle Beschäftigung haben indeß die Fabrikanten noch nicht Die Cigarrenbranche ist leidlich gut beschäftigt gewesen. . . . Die Maschinenindustrie ist in den verschiedenen Zweigen auch sehr ab⸗ weichend beschäftigt. Was den Werkzeugmaschinenbau an