1884 / 223 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Sep 1884 18:00:01 GMT) scan diff

erscholl tausendstimmiger Jubel. An dem Festbanket in der Turnhalle nahmen 306 Gäste, darunter auch die Minister Graf Taaffe, Graf Falkenhayn und Baron Pino theil.

21. September. (W. T. B.) Unter den Hochrufen einer dichten Volksmenge fuhr heute früh der Kaiser auf dem Dampfer „Habsburg“ zum Besuch des Großherzogs und der Großherzogin von Baden nach der Insel NRainau. Die Fahrt war vom schönsten Wetter begünstigt; die Ankunft in Mainau erfolgte um 11 Uhr. Das Großherzogliche Paar erwartete den Kaiser am Landungsplatze, begrüßte denselben auf das Herzlichste und geleitete ihn nach dem Schloß, von dessen Zinnen die RKaiserstandarte wehte. Wenige Minuten später trafen auf der „Germania“ auch der Prinz und die Prinzessin Wilhelm von Baden ein, die sich ebenfalls sofort nach dem Schlosse begaben. Im Schlosse Mainau wurde hierauf das Dejeuner eingenommen. Nach zweistündigem Aufenthalte begab sich det Kaiser, von sämmt⸗ lichen Mitgliedern der Großherzoglichen Familie begleitet, nach dem Landungsplatze, und fuhr nach herzlichster Verab⸗ schiedung unter den Klängen der österreichischen Volkshymne,

auf dem „Habsburg“ nach Friedrichshafen weiter. Auf dem

Molo von Friedrichshafen wurde er von dem gesammten würt⸗ tembergischen Hofstaat empfangen und von der versammelten Volksmenge mit lebhaften Hochrufen begrüßt. Der König und die Königin von Württemberg bewillkommneten den Kaiser vor dem Schlosse auf das Herzlichste und begleiteten denselben in das Schloß. Ein halbe Stunde später wurde ein Cercle abgehalten, nach dessen Beendigung der Kaiser zum Landungsplatze zurückkehrte, wo sich der König von ihm ver— abschiedete, während die Königin ihm bis in die Nähe des Landungsplatzes das Geleite gab. Die Verabschiedung war eine außerordentlich herzliche. Auf der Fahrt nach Lindau wurden dem Kaiser beim Passiren des Schlosses Montfort, auf welchem die österreichische Flagge aufgehißt war, von der dort residirenden Prinzessin Luise von Preußen freundliche Grüße durch Wehen mit dem Taschentuche zugewinkt. In Lindau stattete der Kaiser der Prinzessin Ludwig von Bayern in ihrer Villa am See einen Besuch ab. Bei der Wiederein—⸗ schiffung wurde der Monarch von der in großer Anzahl ver— sammelten Bevölkerung mit lebhasten Zurufen begrüßt. Nach seinem Wiedereintreffen in Bregenz, welches um 5 Uhr er—⸗ folgte, begab er sich unter sympathischen Kundgebungen der Bevölkerung nach dem Hoflager. Die Häuser der Siadt waren auch heute wieder festlich geschmückt und die Straßen mit Fremden überfüllt. Abends wurde durch An— schlag an den Straßenecken ein Kaiserliches Schreiben ver—⸗ öffentlicht, in welchem der Kaiser den Statthalter beauftragt, der getreuen Bevölkerung von Tirol und Vorarlberg, in deren Mitte er stets gern weile, seinen wärmsten Dank für die erneuerten Kundgebungen der Liebe und angestammten Treue anläßlich des bedeutungsvollen Ereignisses der Eröffnung der Arlbergbahn auszudrücken, und die Versicherung seiner Kaiser⸗ lichen Huld und unablässigen landesväterlichen Fürsorge be— kanntzugeben.

Abends 6 Uhr fand große Hoftafel statt, zu welcher 62 Einladungen ergangen waren, und an welcher außer dem Minister⸗Präfidenten, den Geheimen Räthen, den zu der Fest— feier geladenen Gästen und den Spitzen der Behörden auch der aus der Schweiz hier eingetroffene Herzog von Parma theilnahm. Nach dem Diner fand Cercle statt. Abends S!se trat der Kaiser unter stürmischen Hochrufen der Bevölke— rung auf der Arlbergbahn die Rückreise an.

Belgien. Brüssel, 22. September, früh. (W. T. B.) Der „Moniteur“ veröffentlicht das vom König genehmigte, mit der Gegenzeichnung der Ministern des Innern und der Justiz versehene Schul gesetz. Dem Gesetze ist das Reglement über die Ausführung desselben alsbald beigegeben. Ein an den Straßenecken angeschlagenen Erlaß des Bürger⸗ meisters sagt, es sei die Pflicht eines jeden guten Bürgers, dem Schulgesetze Folge zu leisten. Kund— gebungen in den Straßen würden den öffentlichen Frieden gefährden, und seien deshalb bis auf Weiteres untersagt. Die bevorstehenden Kommunalwahlen böten legale Waffen zur Bekämpfung des Gesetzes, das den Unterricht gefährde. Die Bürger werden schließlich aufgefordert, die Ordnung aufrecht zu erhalten, alle größeren Menschenansammlungen, durch ö die Ruhe gestört werden könnte, würden zerstreut werden.

Lüttich, 20. September. (W. T. B.) Das Journal „Meuse“ behauptet, die Chefs der Bürgergarde in den größeren Städten hätten eine Zusammenkunft gehabt und be⸗ schlossen, an dem Tage, wo die Publikation des Schulgesetzes im „Moniteur“ erfolge, die gesammte Bürgergarde zur Auf— rechterhaltung der Ruhe aufzubieten, dieselbe aber sofort zu— rückzuziehen, falls Militär requirirt werden sollte.

Großbritannien und Irland. London, 19. Sep⸗ tember. (Allg. Corr Die Rundreise des Premier— Ministers in Schottland nähert sich ihrem Ende. Gestern wurden demselben in Fettercairn mehrere Adressen über⸗ reicht, was ihm Gelegenheit zu einer kurzen Ansprache an die verschiedenen Deputationen gab. Inzwischen ist Sir Stafford Northeote auch nicht müßig, Propa— ganda für die konservative Partei zu machen. So empfing er gestern in Edinburg zwei weibliche Deputationen, denen er versprach, bei seiner Ansicht zu Gunsten des Frauen Wahlrechts zu beharren, wenn der Gegenstand im Parlamente wiederum zur Sprache gebracht werde. Abends hielt er eine längere Ansprache in der Kornbörse zu Dalkeith. Er urgirte die Wichtigkeit, in Bezug auf die Abänderung der Konstitution des Landes nichts übereilt zu thun, und argumentirte daher, daß eine sorgfältige Erörterung der vollständigen Reformmaßregel unbedingt nöthig sei, ehe die Wahlreformvorlage angenommen werden könne. Zur auswärtigen Politik übergehend, bestritt Sir Stafford em— phatisch die Aeußerung Gladstone's, daß die Politik der Re—⸗ gierung unter Lord Beaconsfield absichtlich den Krieg provozirt und für den Frieden Europas die größte Geringschätzung ge⸗ zeigt habe. Dagegen griff er heftig die Politik des jetzigen Kabinets im Transvaal und in Egypten an.

Frankreich. Paris, 19. September. (Köln. Ztg.) Der Budgetausschuß der Deputirtenkammer beginnt seine Arbeiten bereits am 1. Oktober. Rouvier, der Präsident, hatte vor Einberufung des Ausschusses bei Ferry angefragt und die Antwort erhalten, die Einberufung des Parlaments bleibe zwischen dem 109. und 15. Oktober vorgesehen. Im nächsten, am. Dienstag stattsindenden Ministerrath wird nicht allein der Tag, an welchem die Kammern zu⸗ sammentreten, festgesetzt, sondern auch die Truppen⸗ zahl bestimmt werden, welche man einerseits nach China und

andererseits nach Tongking sendet, wo General Brisre de 6 die Operationen gegen die Chinesen wieder aufnehmen soll, um ihnen die noch im Besitze derselben befindlichen festen Plätze von Tongkin e mehr. Der Kriegt⸗Minister Campenon soll entschlossen sein, keine weiteren einzelnen Truppenabtheilungen herzugeben, falls man sich nicht ent⸗ 23 ein Armee Corps (wahrscheinlich das 15) mobil zu machen.

20. September. (W. T. B.) Dem Journal Baris zufolge hätte Admiral Courbet bei dem Marine⸗Minister Peyron angefragt, wie er sich den Neutralen gegenüber zu verhalten habe. Die hiesigen katholischen Missionen erhielten eine Depesche aus Hongkong, vom 13. d. M., worin es heißt, die Chinesen hätten die tatholischen Kapellen in * 22 Canton zerstört, und gegen 6000 Christen seien ohne ach.

21. September. (W. T. B.) In dem Departe— ment der Ostpyrenäen kamen vorgestern und gestern je 4 Cholera⸗Todesfälle vor.

Spanien. Madrid, 21. September. (W. T. B.) In den von der Cholera infizirten Ortschaften starben gestern im Ganzen 9 Personen.

Italien. Rom, 20. September. (W. T. B.) Dem Cholerabericht vom 19. d. M. zufolge kamen vor: In Alexan⸗ dria? Erkrankungen und?2 Todessälle, in Aquila 20 Erkrankun⸗ gen und 1 Todesfall, in Avellino 1“ Erkrankungsfall, in Ber⸗ game 13 Erkrankungen und 16 Todesfälle, in Bologna 2 Er⸗ krankungen und 1 Todesfall, in Caserta 8 Erkrankungen und 3 Todesfälle, in Chieti 1 Erkrankungsfall und 1 Todesfall, in Cremona 7 Erkrankungen, in Cuneo 10 Erkrankungen und 9 Todesfälle, in Ferrara 3 Erkrankungen und 1 Todesfall, in Genua 31 Erkrankungen und 16 Todesfälle, davon in Spezzia 20 Erkrankungen und 12 Todesfälle, in Massa 3 Erkrankungen und 1 Todesfall, in Modena 1 Erkrankungsfall und 1 Todes⸗ fall, in Neapel 433 Erkrankungen und 251 Todesfälle, davon in der Stadt Neapel 385 Erkrankungen und 236 Todes fälle, in Parma 8 Erkrankungen und 6 Todesfälle, und in Pisa 1 Erkrankungsfall. Am 20. d. M. kamen vor: In Aquila 7 Erkrankungen, in Avellino 3 Erkrankungen, 3 Todes⸗ fälle, in Bergamo 14 Erkrankungen,. 7 Todesfälle, in Bologna 2 Erkrankungen, 1 Todesfall, in Brescia 1 Erkrankung, in Campobasso 1 Erkrankung, in Cremona 3 Erkrankungen, 5 Todesfälle, in Cuneo 15 Erkrankungen, 10 Todes⸗ fälle, in Genua 32 Erkrankungen, 18 Todesfälle, davon in Spezzia 19 Erkrankungen, 12 Todesfälle, in Massa 1 Erkrankung, 1 Todesfall, in Mailand 1 Erkrankung, 1 Todesfall, in Modena 1 Erkrankung, in Neapel 376 Er— krankungen, 146 Todesfälle, davon in der Stadt Neapel 303 Erkrankungen, 191 Todesfälle, in Pärma 4 Erkrankungen, 3 Todesfälle, in Reggio nell' Emilia 3 Erkrankugen, 2 Todes—⸗ fälle, in Rovigno 6 Erkrankungen, 2 Todesfälle und in Sa— lerno 1 Erkrankung.

Neapel, 20. September. (W. T. B.) Vom 18. d. M. Mitternachts bis zum 19. d. M. Mitternachts sind hier an der Cholera 382 Erkrankungen und 205 Todesfälle vorgekommen.

In den letzten 24 Stunden sind hierselbst 320 Per— sonen an der Cholera erkrankt und 194 gestorben, darunter 95 früher Erkrankte.

Afrika. Egypten. Kairo, 20. September. (W. T. B.) Der Mudir von Dongola hat hierher telegraphirt, nach einer vom General Gordon dort eingetroffenen Botschaft seien der Emir von Abu⸗Khanga und ein aus Kordofan gekommenes Heer Aufständischer vom General Gordon am 24. Juli voll⸗ ständig und mit großen Verlusten geschlagen worden. In Folge eines am 30. August stattgehabten weiteren Gefechtes sei die Belagerung von Khartum aufgehoben, der Scheik Sidi mit seinem Sohne und seinen Parteigängern seien getödtet. Diese Nachricht des Generals Gordon werde durch ein Schreiben von Khatem Bey bestätigt, der Halfayah mit egyptischen Truppen besetzt halte. Die Häuptlinge des Scheikiye⸗Stammes hätten ihre Unterwerfung angeboten und auf den Koran ge— schworen, dem falschen Propheten nicht mehr folgen zu wollen. Gegen die Suspendirung der Amortisirung der öffentlichen Schuld durch die Verfügung Nubar Paschas sollen, wie es heißt, Proteste auswärtiger Vertreter erhoben werden. Der französische Vertreter habe bereits heute Morgen Verwahrungen

geltend gemacht.

21. September. (W. T. B.) Ein Telegramm des „Reuterschen Bureaus“ meldet: Seitens der Staats— schuldenkasse ist gestern ein Protest wegen der Suspen—

dirung des Tilgungsfonds erhoben worden.

Seitungsstimmen.

Der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ wird aus Westpreußen geschrieben:

„Es hat seinen guten Grund, wenn die von freisinniger Seite angestellten Versuche, in unserer Provinz neue politische Eroberungen zu machen, aussichtsloser denn je sind. Seit die wirthschaftlichen Interessen allenthalben in den Vordergrund getreten sind, wollen die wohlklingenden politischen Phrasen, mit welchen die Rickert und Ge— nossen um sich werfen, nicht mehr ziehen, und fragt die Mehrzahl der Wähler zunächst nach den Dingen, die ihnen direkt auf den Nägeln brennen. Was würden Landwirthschaft und Industrie von einem fort · schrittlichen Wahlsiege zu erwarten haben und wie verhält das frei · sinnige Programm sich zu den thatsaächlichen Bedürfnissen desjenigen Theils der. Bevölkerung, der von Industrie und Landwirthschaft leöt?

Verglichen mit der Lage, in welcher unsere Industrie sich vor einigen Jahren befand, ist eine unzweifelhafte Besserung derselben zu verzeichnen. In Elbing, in den Kreisen von Pr. Stargard, Reu—˖ stadt u. s. w. haben die Arbeitsgelegenheiten sich in erfreulicher Weise gemehrt, einzelne Unternehmungen glänzende, andere zum Mindesten erträgliche Resultate geliefert. Bas erscheint um so be⸗ merkenswerther, als der Gang des für die Verhältniffe der gefammten Provinz maßgebenden Danziger Handels nichts weniger als günstig ist, der allenthalben beobachtete Rückdgang der Frachten“ sich auch bei uns fühlbar macht und gleichzeitig ein empfindliches Sinken der Zuckerpreise eingetreten ist. Jedermann weiß indessen, daß das Vorgänge sind, die mit der Zollgesetzgebung nichts zu thun haben, und daß diese letztere auf die industrielle Thätigkeit entschieden günstig eingewirkt hat. Der Gewerbsmann hat“ die Empfindung, bei gehöriger Anspannung seiner Kräͤffe vorwärts kom— men zu können, der städtische Arbeiter darf auf ausreichende Be—⸗ schäftigung rechnen. Wenn diesen Leuten vorgeredet wird, die Politik der Regierung habe ihre Interessen geschädigt, so macht das keinen Eindruck, weil sie erfahrungsmäßig wissen, daß ihre Erwerbsverhält⸗ nisse sich gerade im Laufe der letzten Jahre gebesserk haben, ohne daß von der vielbesprochenen ‚Vertheuerung der Lebensbedürfnisse“ etwas zu verspüren gewesen wäre.

Ganz anders liegen die Verhältnisse der Landwirthschaft. Trotz der günstigen Ernteaussichten, deren auch wir uns erfreuen, steckt die

Mehrzahl der Landwirthe in außerordentlich schwierigen Verhältnissen und hört man immer wieder vön

und Bankerotten.

Jahren

blieben

werden, verlangt Niemand, diejenigen Dinge aber, welche der nach .

Millionen zählenden ländlichen Bevölkerung zumeist am Herzen liegen finden bei dieser Partei kein Verständniß und keine Berücksichtigung

Die Herren werden es sich selbst zuzuschreibeu haben, wenn w .

sie auch unsererseits unberücksichtigt laffen!“

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“

meldet: Der Jahresbericht der Handelskammer zu Flensburg konstatirt

daß trotz ungünstiger Geschäftslage einiger Branchen der überwiegende . Das Gesammtergebniß lautet dahin, daß die Industrie sich kräftig entwickelt habe und auc auf dem ausländischen Markt mit Erfolg in Konkurrenz trete, de: Export sich hebe. In einer Erweiterung des Eisenbahnnetzes nach dem Westen erblickt der Bericht das geeignete Mittel zur Hebun der als nicht völlig befriedigend bezeichneten Geschäftszweige und zur

Theil der Industrie gut prosperirt habe.

Befestigung bezw. Ausdehnung gefunder Handelsbeziehungen zu dem Hinterlande.

Die „Elsaß⸗Lothringische Zeitung“ theilt aus dem Jahresbericht der Handelskammer zu Straßburg i. E (August 1883/84) Folgendes mit:

Nach einer kurzen Bemerkung über den Gesetzentwurf,

betreffend die Börsen⸗(Geschäfts ⸗) Steuer folgt eine Uebersicht über die Lage der bedeutendsten Industrien des Unterelsaß. Was die Baumwollenindustrie anlangt, so konnten die Spinnereien Dank den Schutzzöllen und den bisher beständigen niedrigen Baumwollenpreisen, mit bescheidenem, jedoch ziemlich regelmäßigem Gewinn fortarbeiten; ebenso die Färberei; auch bezüglich der Kat— tune ist eine kleine Besserung eingetreten, dagegen

Geschäftsgang der Webereien noch immer ein Die Wollenindustrie befindet sich in guten Verhältnissen.

beitragen kann, indem der Versandt der Stoffe behufs Färbung und Appretirung nach Gera in Sachsen überflüssig wird; diese Zuberei= tungen können von nun ab im Lande selbst geschehen. Bezüglich der Wollsockenfabrikation von Barr und Wasselnheim bemerkt der Bericht: »Zum ersten Male seit langen Jahren kann bezüglich der Lage dieser sonst so blühenden Industrie etwas Besserung gemeldet werden, nach,

dem zur Bekämpfung der drückenden Konkurrenz in den Vorjahren

sich alle Fabrikanten zu einem Syndikat vereinigt haben.“

In der Eisenindustrie ist der Geschäftsgang ein etwas flauer. Trotzdem sind jedoch die Arbeiter noch fortwährend bei gleich— gebliebenem Verdienst beschäftigt und die Beziehungen derfelben zu den Arbeitgebern sind ausgezeichnet. Wahrend sich die Papier- fabrikation in guter Lage befindet, läßt die Situation der Stearin · fabrikation, der chemischen Produkte, der Pfeifen⸗ und Stärkefabri⸗ lation sowie der Lederindustrie und Gerberei viel zu wünschen übrig. In der Lage der Straßburger Bierbrauerei ist eine Besse— rung eingetreten; die das Straßburger Syndikat bildenden Brauer haben 188384 gebraut: 529 149 bl (gegen 515 325 im Vorjahr, also 4 15323), sie haben in Elsaß⸗ Lothringen untergebracht 296 228 h] (gegen 272 175 im Vorjahr, also 4 - 23 0565), zurückge⸗ gangen ist nur der Export von 243 653 hl auf 233 921 (also 9732 kI). Die letztere Erscheinung ist wesentlich auf den Auß— bruch der Cholera im südlichen Frankreich zurückzuführen, wohin unsere Großbrauereien sonst massenhaft exportirten. . . . .

Statistische Nachrichten.

Das „Deutsche Grundeigenthum“ erörtert den Einfluß der Eisenbahnen auf das Wachsthum der großen Städte. In dem betreffenden Artikel heißt es: Berlin war damals freilich bereit die Hauptstadt eines mächtigen Königreichs, es konnte jedoch wegen der Schwierigkeit, eine große Bevölkerung in Mitten der wenig frucht baren Mark genügend mit Nahrungsmitteln zu versorgen, trotz aller Bemühungen der preußischen Regenten, welche außerordent— lich große Summen zur Vergrößerung und Verschönerung ihrer Hauptstadt ausgaben, zu keiner regelmäßigen Fort— entwickelung gelangen. Die Stadt zählte 1740 96 000 Elnw, 1755 126 700 Einw., 1768 (ohne Militär) 92 400 Einw., 1762 98090 Einw., 1763 (mit Militär) 119000 Einw, und 1786, beim Tode Friedrich des Großen, inkl. 34 000 Mann Militär 147 000 Cinw. Im Jahre 1790 veranschlagte man die Bevölkerung Berlins auf 120 600 Civileinwohner und es wurde damals vielfach in kleineren und größeren Schriftwerken die Schwie / rigkeit erörtert, eine so große Stadt mit Nahrungsmitteln zu billigen Preisen zu versorgen, denn der märkische Bauer, welcher mit einem Wispel Roggen nach Berlin fuhr und zur Hin, und Rück fahrt auf den tiefen Landwegen einige Tage gebrauchte, ver- zehrte auf der Reise mehr als den halben Marktpreis seines Produkts. Zur Zeit als die Wirkung der Bahnen sich zuerst bemerklich machte, im Jahre 1843, hatte Berlin es auf 330 230 Einw. gebracht. Dann ging es aber weit rascher, 1861 waren es bereits 547 000 Einw., 1871 826 000 Einw. und 1880 1122 330 Einw. Während also im vorigen Jahrhundert die Bevölkerung in 50 Jahren, trotz der am Ende dieser Periode kolossalen Besatzung, nur um ca. 60000 Einw. zunahm, wuchs sie in diesen 37 Fahren um Ca. 800 000 Einw. Breslau stieg in dem letzteren Zeitraume von

103 000 auf 272 911 Einw., Hamburg von 1858 1889 von 17568 ö

auf 289 859 Einw., Dresden von 11775650 auf 220 818 Einw. Vergleichen wir die Progression der Bevölkerungszahl der

deutschen Städte mit den enaälifcben, fo finden wir, daß in Gngland;.

wo die ausgedehnte Seeküste und das dichte Kanalnetz schon vor der Periode der Bahnen große Städte geschaffen hatte, die Entwickelung später weit langsamere Fortschritte machte als in Deutschland. In Frankreich aber war die Vermehrung der Städtebevölkerung noch weit schwächer, wie denn ja dort auch die Bevölkerungszunahme im Allgemeinen sehr unbedeutend ist. Wir lassen hier die betreffende Zu— sammenstellung folgen: Deutschland.

1880

1122330 289 859 272 912 230 023

Durchschnittliche

1852 Jahreszunahme Prozent 438 961 555 175 683 2 121 052 1370995 117 750 74 209 101 091 79 887 67 975 66 545

Berlin Hamburg Breslau. München Dresden. 220 818 Leipzig J 144 772 Königsberg... 140909 Trankfurt a. ND. ... 136819 (1858) tettin (mit Vororten) 129 000 (1855

(1868)

(1858) 1868) 155)

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ist der schlechter. In Mül hausen wurde ein Haus für Färberei und Zubereitung wollener Stoff gegründet, welches nur zum Aufschwung der Wollenweberei im Elsaß

1

i e , e . an 1 n n n,, .. . a

Großbritannien. 1881

3 814 571 552 508 511 532 4100774 517689 309119 284 508 249 602 228190 Frankreich.

1881.

2269 023 (1860) 347619 (1856) 269 340 (1856)

Bordeaux. 217990 (18567 149 928

ö 117555 (1856 108 530 0.4

Schließlich wollen wir noch, als charakteristisch für den Einfluß der

Bahnen. auf die Bevölkerungszahl der Städte, anführen, daß

Christignia, die einzige Stadt in Norwegen, welche der Knotenpunkt

eines Bahnsystems ist, 1855 nur 38 959 Einwohner, 1882 jedoch

12 036 Einwohner zählte und damit Bergen, früher die größte

Stadt des Landes, weit hinter sich zurückgelassen hat, denn Christiania

hatte jährlich eine durchschnittliche Zunahme von 8 6/0.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Ergänzungen und Erläuterungen des Allge⸗ meinen Landrechts für die preußischen Staaten durch Gesetzgebung und Wissenschaft. Unter Benutzung der Justiz⸗ Ministerialakten und der Gesetzrevisionsarbeiten. Siebente Ausgabe, neu bearbeitet von Dr. Ludwig von Rönne. Appellationsgerichtz. Vize— Präsidenten a. . Berlin 1884. R. von Deckers Verlag, Marquardt K Schenck. Erster Band. 3. Lieferung. Bogen 51— 765. 45. ge— heftet 5. Die jüngst zur Ausgabe gelangte dritte Lieferung behan— delt die Schluß ⸗Paragraphen des Titel 7, den Titel 8 und die erste Hälfte des Titel 9 in bekannter vortrefflicher Weise— Hervorheben wollen wir insbesondere die eingehende und dabei doch übersichtliche Kom mentirung, welche die neueren Gesetze, wie über die Ansiedelung, Fluchtlinien, Fischerei, Jagdpolizei, gefunden haben.

Im Berlage von Franz Vahlen in Berlin erschien soeben „Das Unfallversicherungsgesetz' für das Deutsche Reich vom 6. Juli 1884. Mit kurzen Erläuterungen, entnommen aus den Grundzügen, der Begründung, dem Berichte der Kommission des Reichstags und den Verhandlungen des letzteren selbst, nebst Aus— führungsbestimmungen im Anhang. Herausgegeben ron E. Grüne wald, Landgerichts Rath, und R. Haas, Landrichter in Metz. Bei einer gesetzgeberischen Schöpfung von der Tragweite in Eigenart des Unfallversicherungsgesetzes tritt, wie die Verfasser in einer Vorrede bemerken, an die Betheiligten, namentlich an die zur Mitwirkung bei dessen Ein⸗ und Durchführung in erster Linie berufenen industriellen Kreise in er höhtem Maße die Nothwendigkeit heran, sich mit Inhalt und Geist des Gesetzes möglichst rasch und eingehend vertraut zu machen. Die Verfasser hielten es daher für geboten, zunäckst eine Ausgabe dieses Gesetzes erscheinen zu lassen, welche hauptsächlich die in den Motiven und den Verhandlungen der zur Berathung desselben im Reichstage niedergesetzten Kommission, sowie in den Verhandlungen des letzteren selbst ausgesprochenen leitenden Gesichtspunkte kurz, gedrängt und übersichtlich wiedergiebt. Nur von diesem Gesichtspunkt aus, nicht aber als Kommentar im eigentlichen Sinne des Wortes soll die vorliegende Arbeit beurtheilt werden. Das Inhalts verzeichniß weist folgende Kapitel auf: J. Allgemeine Bestimmungen. II. Bil- dung und Veränderung der Berufsgenossenschaften. 1II. Mitglied- schaft des einzelnen Betriebs. Betriebsveränderungen. JV. Ver— tretung der Arbeiter. V. Schiedsgericht. VI. Feststellung und Aus— zahlung der Entschädigungen. VII. Unfall verhlitung. Ueberwachung der Betriebe durch die Genossenschaften. VIII. Das Reichs ˖ Versiche⸗ rungsamt. IX. Schluß und Strafbestimmungen. Ein Anhang ent— hält sodann die Bekanntmachung betr. die Anmeldung der unfall— versicherungspflichtigen Betriebe, ferner ein Formular für das von den unteren Veiwaltungsbehörden aufzustellende Verzeichniß der Be⸗ triebe ihres Bezirks, sodann eine Nachweisung der Gruppen, Klassen, Ordnungen der Reichs-Berufs. (Gewerbe) Statiftik. Endlich eine Anweisung zur freiwilligen Bildung von Berufsgenossenschaften. Das sorgfältig gearbeitete Werk zeichnet sich durch Uebersichtlichkeit und Gründlichkeit aus. In leicht faßlichen kurzen Anmerkungen geben die Verfasser Erläuterungen zu den einzelnen Paragraphen, so daß das Verständniß derselben wesentlich erleichtert wird und auch dem Laien die Möglichkeit gegeben ist, sich über dies wichtige Gesetz ge⸗ nügend zu informiren. Der Preis des gehefteten Buches beträgt 1,80 „½½ Derselbe Verlag veröffentlicht zugleich eine Tertausgabe des Unfallversicherungsgesetzes, welche mit Ausführungsbestimmungen im Anhang, und mit einem Sachregister versehen find. Der Preis des kartonnirten Bändchens beläuft sich auf O, 60 M,

Henrik Steffen s. Ein Lebensbild von Rich. Petersen, Pastor auf Seeland. Aus dem Dänischen von Al. Michelsen. Mit Porträt, Gotha, Friedr. Andr. Perthes. 1884. Preis 6 0 Henrik Steffens, der Naturforscher, Philofoph und Belletrist, ver⸗ dient gewiß nicht der Vergessenheit anheimzufallen. Es ift daher dankenswerth, daß die von dem dänischen Pastor Richard Petersen verfaßte, von der Kopenhagener Gesellschaft für schöne Künste preis gekrönte, anschauliche und zuverlässige Biographie den deutschen Lesern durch die gewandte Uebersetzung Michelsens zugänglich gemacht worden ist. Steffens' Selbstbiographie (. Was ich erlebten, Breslau 1840 1845) umfaßt bekanntlich 10 Theile, um so ange⸗ nehmer berührt die straffe Kürze und das rasche Fort⸗ schreiten in Petersens Datstellung, die nichts Wesentliches übergeht und doch durch den leichten Fluß der Rede die Lektüre zu einer genußreichen gestaltet. Steffens: Name ist mit dem Erwachen des neuen geistigen Lebens in Deutschland und mit den großen Er⸗ eignissen, unter denen dieser Umschwung sich vollzog, unauflöslich verknüpft. Der Verfasser hat darum gut daran gethan, nicht blos Steffens persönliche Verhältnisse, sondern auch die Bewegungen jener unvergeßlichen Zeit in großen Zügen zu schildern. Steffenz' eigentliche Bedeutung liegt in seiner mächtigen Persönlichkeit. Seine wissen⸗ schaftlichen und schriftstellerischen Leistungen sind weit hinter dem zurückgeblieben, was er selbst war. In diesen Beziehungen hat. er mehr anregend und bahnbrechend als aufbauend, mehr divinatorisch als konstruktiv gewirkt. Er war eine Natur voll Geist und Feuer, von unverwüstlicher Jugendlichkeit und daher von außergewõöhnlichem Einfluß auf die Gemüther der Jugend, die er durch seine sprudelnden Ideen und seine flammende Beredtsamkeit um so mehr in Bewegung zu versetzen verstand, als er selbst in be—⸗ ständiger geistiger Bewegung war. Tief und nachhaltig war dieser Einfluß, denn Steffens wurde in all seinem Thun und Wirken von einer hohen religiösen Begeisterung getragen. Mit Interesse begleiten wir ihn nach Halle, Breslau und Berlin, fowie auf seinen zahlreichen Reisen und Wanderungen, und verweilen mit besonderer Theilnahme bei seiner energischen Mitarbeit an Preußens Erhebung, für welche er bei der akademischen Jugend Breslaus den ersten Anstoß gegeben hat. Mit Recht sagt der Verfasser, daß solch ein Leben in liebreichem Andenken bewahrt werden müsse.

Der 13. Jahrgang des Saarbrücker Bergmanns⸗ lalenders für das Jahr 1885 ist soeben in Kommiffion bei Gebr.

Ufer in Saarbrücken erschienen. Außer den Kalendernachrichten ent. ält er genealogische Notizen von den Regentenfamilien des Deutschen Reiches, ferner 5, durch 6 Bilder aus dem schönen Heuchler⸗ schen. Werke: Der Bergmann in seinem Berufs und Familienleben gesterte Bergmannslieder und Gedichte, dann zwei spannende Erzählungen aus der Feder Dr. Wilhelm ischers und eine Auswahl nützlicher Hausmittel, deutscher Sprüche, nekdoten, Räthsel u. s. w. Dag vollständige Verzeichniß aller bei dem Saarbrücker fiskalischen Bergbau wirkenden Staats⸗ und Werks—⸗ beamten fehlt auch im J3. Jahrgange nicht, ebenso wenig wie die

1851 2362 246 375 955 329 097 232 841 388 490 172270 135 310 258 369 160 302

London Liverpool Glasgov· = Birmingham

* mit Salford

Manche Leeds Sheffield Dublin. Edinburg

& R · N s V E O O

*

1525535 292 721 260 09990

Paris. Lyon. Marseille

.

statistischen Ergebnisse des Bergbaues im Deutschen Reiche und in Preußen für das Jahr 1883. Das Verzeichniß für die im Jahre 1885 stattfindenden Jahrmärkte in allen Regierungebezirken der Rhein⸗ provinz, in Elsaß Lothringen, der bayerischen Pfalz und im Fürsten⸗· thum Birkenfeld und der Lohntage auf den Saarbrücker Gruben bilden den Schluß. Der Preis beträgt bei Bezug von wenigstens 12 Exemplaren für das Stuck 25 3, im Einzelnen 30 3.

Gewerbe und Handel.

Die Jahresberichte der Fabrikinspektoren. XII.

(N A. Ztg) Es erübrigt noch, aus den Berichten der Aufsichts⸗ beamten der kleineren Staaten einige Mittheilungen zu machen, welche bezüglich der dortigen industriellen Verhältnisse von besonderem Interesse erscheinen.

Sachsen⸗Meiningen umfaßt zwei Aufsichtsbezirke, von denen den einen die Kreise Saalfeld und Meiningen, den anderen Sonne—⸗ berg und Hildburghausen bilden. Für ersteren Bezirk wird berichtet, daß die Zahl der Anlagen und Fabriken auch in diesem Jahre zugenommen, einige Etablissements erhebliche Erweite—⸗ rungen erfahren, bei anderen solche in Ausführung seien. Erzeugung und Absatz in der Porzellan und Textilindustrie, ferner von Metallkurzwaaren, Messern, Drahtgeweben, Nähmaschinen, Farben, Papier, Leder und Cigarren bewegten sich in aufsteigender Linie, während die von Roheisen und Stabl und zwar wesentlich zurück— gingen. Aus den Mittheilungen Über die Arbeiterverhältniffe ist die Abnahme der Kinder (12 14 J) Beschäftigung zu erwähnen; den auf Unfallverhütung gerichteten Anordnungen war willig nachgekom⸗ men, 10 Unfälle, darunter 1 Todesfall, gelangten zur Kenntniß der Beamten. Für den Bezirk Sonneberg⸗Hildburghausen wird die geschäftliche Lage als gegen das Vorjahr nicht wesentlich geändert be— zeichnet, in zahlreichen besuchten Fabriken sei das ganze Jahr hindurch der Geschäftsgang zufriedenstellend gewesen, Klagen über Geschäfts⸗ stockung und Mangel an lohnender Arbeit hat der Beamte nirgends vernsmmen, doch wurde Seitens der Glasindustrie über gedrückte . im Puppen- und Spielwaarengeschäft über große Konkurrenz geklagt.

In Sachsen-Altenburg blieb die Zahl der Anlagen unver— ändert, die Arbeiterzahl stieg jedoch von 7325 auf 8411, oder um le, während sie im Vorjahr um 150,9 gestiegen war. Die Lage der Indnstrie sei allgemein in gemäßigtem Vorschreiten, bei der Porzellan⸗ und Knopfindustrie kamen in Folge nachlassender Ausfuhr Stockungen vor, die jedoch bald wieder verschwanden. Die wirthschaftliche Lage der Arbeiter könne als im Allgemeinen gut bezeichnet werden, Arbeits. mangel so wenig als Arbeitermangel sei eingetreten. Der durchschnitt⸗ liche Arbeitẽverdienst sei den Lebensmittelpreisen angemessen, dafür spreche die Wahrnehmung, daß in den meisten Arbeiterkreisen eine freundliche zufriedene Stimmung herrsche; während von keiner Seite allgemeine Klagen über Nothstände bekannt geworden seien.

Ueber Coburg ⸗Gothg berichtet der Beamte, die wichtigsten Industriezweige der Herzogthümer, Porzellan⸗, Glas-, Spielwaaren⸗ und Maschinenfabriken, sowie Brauereien, hätten recht günstige Ge—= schäftsvverhältnisse gehabt. Befriedigend war auch die wirthschaftliche Lage der Arbeiter, besonders hätten die Waldorte regelmäßigen und autzreichenden Verdienst gehabt.

In Anhalt wirkten die Verhältnisse der Zuckerindustrie störend ein, ebenso litten die Kalifabriken in Leopoldshall unter der schon Ende 1882 eingetretenen Stockung fort, während alle übrigen Be— triebe ausreichende Beschäftigung batten und in unausgesetzter Thätig⸗ keit waren. 42 Unfälle gelangten zur Anzeige, davon 2 tödliche, 29 anerkannt schwere und 11 leichte Verletzungen. Nothstände unter der Arbeiterbevölkerung wurden nirgends bemerkt, doch macht der Beamte darauf aufmerksam, daß die öffentlichen Tanzluftbarkeiten sowohl, als das Vereinswesen mit seinen Stiftungs, und anderen Festlichkeiten die Arbeiter zu Geldausgaben verleite, so daß Spar⸗ einlagen an den Lohntagen mehr und mehr zu Ausnahmen wüden. Schwarzburg⸗Sondershausen hatte günstige Erfolge für seine Porzellan, Glas⸗ und Mineralwasserfabriken zu verzeichnen, da⸗ gegen klagten Schuh. und Handschuhfabriken über schlechtes über⸗ seeischez Geschäft, welcher Umstand nicht ohne Rückwirkung auf die Löhne blieb, doch wurden die hie und da eingetretenen Minderein⸗ nahmen der betreffenden Arbeiter ausgeglichen durch billigere Lebenz— mittelpreise, so daß nach dem Urtheile der Beamten die Löhne zu bescheidenem Auskommen ausreichten.

Schwarzburg-⸗Rudolstadt berichtet, die Arbeiterzahl sei

von 4432 auf 4547, also etwa um 3 oso gestiegen, auch einige neue Fabriken seien entstanden. Auf die günstige Lage des Arbeiterstandes lasse sich aus erheblicher Vermehrung der Fleischereien, namentlich auf den Dörfern, ein Rückschluß machen, indem bei den günstigen Lohn⸗ verhältnissen Fleischkost die Kartoffelnahrung verdränge. Die in Waldeck besonders entwickelte Cigarrenfabrikation zeigte eine Zunahme der Arbeit, besonders der Hausarbeit; die in früheren Jahren recht schwierig gewesene Lage der Tigarrenarbeiter habe sich gebessert, dieselben zeigten durchgehend zufriedenere Stimmung, und Personen, die 1882 sich noch über die vorangegangene Zeit beschwer⸗ ten, erklärten, daß sie nun nicht mehr zu klagen hätten.

In Reuß ä. L. entstanden 11 neue Fabriken; die Textilindustrie hatte einen abermaligen größeren Aufschwung, die Zahl der mechani— schen Stühle stieg von 6345 auf 7107 oder um 10 oι, die der Strumpfstühle von 690 auf 729, so daß etwa 800 Weber und Wirker mehr in den Fabriken Arbeit fanden. Außerdem machten Porzellan und Maschinenindustrie wesentliche Fortschritte. Die wirthschaftliche Lage sparsamer Arbeiter sei eine gute zu nennen. Die Löhne der mechanischen Weber seien um 5 bis 16 υ des Normaltarifs rück— gaͤngig gewesen als Folge einer im Herbst eingetretenen Ueberproduk— tion, die Löhne der anderen Branchen blieben jedoch konstant.

Die Arbeiterzahl in Reuß j. L. stieg un etwa 126 von 9772 auf 10904; daran war die Textilindustrie am stärksten betheiligt. Beim Gerger Unfallversicherungsverein waren 4950 Arbeiter gegen 4441 im Vorjahre versichert (überhaupt von den 10 964 Arbätern S400), bei einer Lohnsumme von 2905782 MS betrug die gesammte Prämienzahlung nur 13 836 M etwa 6, 116 Unfälle waren mit 8724 S zu entschädigen, darunter nur 3 Haftpflichtfälle.

In Bremen trat eine wesentliche Veränderung der industriellen Verhältnisse im Vergleich zum Vorjahre nicht hervor. Den Cigarren⸗ sabriken wurde eine größere Aufmerksamkeit gewidmet und eine größere Anzahl kleinerer Betriebe der Aufsicht unterstellt; dadurch zeigt die Abbeiterzahl eine erhebliche Vermehrung, die alfo nur rechnungsmäßig wäre; jedoch wies die Fabrikation von Maschinen und Werkzeugen eine merkliche Zunahme um 400 Arbeitern auf. In der Cigarren⸗ fabrikation zeigte sich eine unerfreuliche Zunahme der Kinderbeschäf tigung, Unfälle wurden 19 gemeldet, davon 11 auf Werften und in Maschinenfabriken, 8 Unfälle waren schwerere.

Für Ham burg. Die Anzahl der Anlagen habe verhältnißmäßig wenig zugenommen, doch habe sich in den größeren Betrieben elne gewisse Stetigkeit des Geschäftsganges und als Folge davon eine Ver— mehrung der Arbeitskräfte beobachten lassen. Der Umstand, daß, während die Arbeiterzahl um Tos9 stieg, die der Betriebe nur um 20 zunahm, läßt den Aufsichts⸗eamten auf guten Stand der Fabrik⸗ industrie schließen. Vertragsbruch sei selten geworden, seitdem von einer Kündigungsfrist abgesehen worden und man in vielen Fabriken ein oder zwei Tagelöhne bis zum ordnungk mäßigen Abgang einbehalte. Unfälle wurden 405 den Beamten bekannt, von denen 8 Todesfälle und 76 Arbeitsunfähigkeit von und über 13 Wochen zur Folge hatten.

Am Schlusse der Berichte werden die in der Gesammtindustrie beschäftigten jugendlichen Arbeiter in einer Tabelle zusammengestellt; darnach wurden Kinder (12 bis 14 Jahren) 18 395 gegen 14 669 in 1882, und jugendliche Arbeiter (14 bis is Jahren) 124 275 gegen 198 943 im Vorjahre beschäftigt, wozu noch für Braunschweig L535 Köpfe in beiden Kategorien kommen, so daß die Gesammt— zunahme der beschäftigten Kinder und jugendlichen Arbeiter 20 262 Köpfe betragen würde, wobei jedoch ausdrücklich hervorzuheben ist, daß diese erhebliche Zunahme mehr auf gründlichere Ermittelungen

dieser Beschäftigung als auf merkliche Zunahme derselben zurück⸗ zuführen ist.

Der Einblick, welchen die hier gegebenen Auszüge aus den Be⸗ richten der Aufsichtsbeamten in die Gesammtlage der industriellen und sozialen Verhältnisse im Jahre 1883 gewähren, ist gewiß kein un erfreulicher. Diese Berichte, von Männern herrübrend, deren amt⸗ liche Stellung sie zu genauen Beobachtungen aller dieser Verhãltnisse dauernd veranlaßt und die in täglichem Verkehr mit den werkthãtigen Bevölkerungskreisen selbst stehen, haben für die Erkenntniß dieser Ver⸗ bãltnisse hohen Werth; jedenfalls aber höheren, als die meist mebr die finanzielle Prosperität ing Auge fassenden Berichte der Mehrzahl der Handelskammern. Der Raum einer Zeitung mußte es natürlich verbieten, auch nur den Versuch zu machen, alles das Wissenswerthe dieser Berichte wiederzugeben, es mußten die Mittheilungen Über Unfallsursachen, Unfallsverhütungsmaßregeln, Schutz der Arbeiter gegen Gefahren, Schutz der Nachbarn gegen Gefahren und manches Andere sehr eingeschränkt, ja fast unberücksichtigt gelaffen werden und es den sich dafür interesstrenden Kreisen überlassen bleiben, sich in den nunmehr baldigst im Verlage von Fr. Kortkampf er⸗ scheinenden Berichten darüber näher zu informiren. Der gegebene Ueberblick aber über die vorliegenden Nachrichten betreffs der industriellen Lage, der wirthschaftlichen Lage der Arbeiter, der sozialen Verhältnisse, zeigt, daß alle diese Dinge hinsichtlich des in den Vor— jahren beobachten Aufschwungs im Jahre 1883 keineswegs zum Still⸗ stande gekommen sind. Daß es in einigen Zweigen, ja selbst in wichtigen, an Stockungen nicht gefehlt hat, cine in großen wirth— schaftlichen Gebieten wohl nie ganz ausbleibende Erscheinung, war schon vorher bekannt; jedoch bleibt selbst unter Berücksichtigung dieser Umstände die Gesammklage eine stetig fortschreitende. Besonders er— freulich ist die Beobachtnng, daß die gesunde wirthschaftliche Lage auf 16. sozialen Zustände eine deutlich erkennbare günstige Wirkung ausübte.

Essen, 22. September. (W. T B.) Nach dem Dortmunder Bericht der „Rheinisch . Westfälischen Zeitung“ ist die Physiognomie des Cisenge schäfts eine ruhige geblieben. In Eisenerzen slagnirt der Markt, doch haben Preise keine Abschwächung erfahren. Im Roheisenmarkt ist noch keine Besserung zu bemerken, auch ist an Preissteigerung schon deshalb nicht zu denken, weil mit den vor⸗ handenen Hochofenwerken die Produktion noch bedeutend gesteigert werden könnte und dadurch der Preiesteigerung wieder der Boden entzogen würde. In Walzwerkfabrikaten dauert regelmäßiger Verkehr fort, Waljdraht nach wie vor ruhig. In Schienen ist vorhandenes Arbeits quantum ziemlich belangreich. Internationales Schienenkartell bleibt bis Mitte 1886 in Kraft und die Verkaufsgrundpreife find trotz Unterbietens französischer Konkurrenz unverändert geblieben. Maschinenfabriken und Eisengießereien wie auch Kesselschmiede sind dagegen recht gut engagirt.

Gotha, 22. September. (W. T. B) Die Vertrauens⸗ kommission der Gotbaer Grund kredit Bank ift heute Morgen zur Berathung, eventuell zur Antragstellung an den ebenfalls ver—⸗ sammelten Aufsichtsrath zusammengetreten. Die Sitzung dauert zur Zeit noch fort.

Glasgow, 20. September. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 584 700 Tons, gegen 686 4 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen 94 gegen 115 im vorigen Jahre.

Paris, 20. September. (W. T. B.) Nach einer Meldung aus Panama vom 19 d. ist der Kontrakt über die letzten 30 Millionen Kubikmeter für Herstellung des Bettes des Panama— kanals mit der amerikanischen Unternehmerfirma Dredging u. Co. in New⸗Jork zum Preise von 1,45 per Kubikmeter unterzeichnet worden. Die bezüglichen Arbeiten sollen im Jahre 1887 voll⸗ endet sein.

New⸗ York, 21. September. (W. T. B.) Der Werth der Waarenein fuhr der vergangenen Woche betrug 71056690 Doll. davon 2400000 Doll. für Manufakturwaaren.

Verkehrs⸗Anstalten.

Hamburg, 22. September. (W. T. B.)) Der Post⸗ dampfer. Wieland? der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft ist, von New. Jork kommend, gestern Bormittag 11 Uhr in Plymouth, der Dampfer „Hungaria“ Nachts 12 Uhr auf der Elbe eingetroffen.

Triest, 21. September. (W. T. B.) Der Lloyddampfer Achille! ist mit der ostindisch⸗chinesischen Ueberlandpost aus Alexandrien heute Vormittag hier eingetroffen.

New- York, 20. September. (W. T. B.) Der Dampfer Spain“ von der National ⸗Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messing⸗ sche Linie) ist hier eingetroffen.

Berlin, 22. September 1884.

Robert Julius Kramm g.

Am 29. September, Abends, verstarb nach ängerem Leiden der Wirkliche Geheime Ober⸗-Postrath Robert Julius Kramm.

Am 16. Mai 1822 in Schwiebus geboren, trat der Heim—⸗ gegangene nach Absolvirung des Pädagogiums zu Züllichau am 4. Mai 1840 in den preußischen Postdienst ein. Nachdem er in verschiedenen Stellen des Provinzial-Postdienstes sowohl, als während längerer Zeit bei der Central-Postbehörde mit Erfolg thätig gewesen war und die Prüfung zu den höheren Dienststellen der Verwaltung bestanden hatte, wurde er im Jahre 1854 zum Postrath ernannt und vier Jahre später als Hülfsarbeiter zur obersten Postbehörde einberufen. Im Jahre 1862 wurde Kramm die Stelle eines Mitgliedes der Tele⸗ graphen-Direktion übertragen. 1863 erfolgte sodann seine Ernennung zum Geheimen Postrath und vortragenden Rath im General-Postamt, 1867 zum Geheimen Ober-Postrath. 1875 wurde ihm der Rothe Adler-Orden 2. Klasse mit Eichen⸗ laub und im September 1883 der Charakter als Wirklicher Geheimer Ober-⸗Postrath mit dem Range der Räthe erster Klasse verliehen.

Mit hervorragenden Fähigkeiten und vorzüglichen Dienst⸗ kenntnissen ausgestattet, hat Kramm seine ausgezeichnete Arbeitskraft während einer langjährigen Thätigkeit unermüd⸗ lich mit voller Hiöngebung und bestem Erfolge dem Dienste gewidmet.

Die Reichs⸗Postverwaltung hat durch sein Hinscheiden einen schmerzlichen Verlust erlitten. Ein Muster echten Be⸗ amtenthums, hat er sich durch sein biederes, gerades Wesen, durch seine seltene Gewissenhaftigkeit, sowie durch seine ehren⸗ hafte, humane Gesinnung allgemeine Liebe und Werthschätzung, weit über seinen Berufskreis hinaus, erworben.

(A. Woldts wissenschaftliche Correspondenz) Der Führer der deutschen Expedition in Südamerika sendet soeben folgende Nachricht die wohl für längere Zeit die letzte sein wird nach der Heimath: Wir find endlich, schreibt Dr. von den Steinen, am letzten Punkte angelangt, von dem aus sich noch mit der übrigen Welt verkehren läßt. Wir befinden uns jetzt in Aldea dos Bacairis am Rio Paranatinga. Ein nahe wohnender Fagendero wird in kurzer Zeit Vieh nach Diamantino transportiren und unsere Correspondenz mitnehmen. Die Reise hat sich durch einige Schwierigkeiten unerfręu⸗ lichen Charakters erheblich verzögert. Nachdem wir am 26. Mai Cuyabaä verlassen hatten, am 2. Juni in Rosario eingetrof⸗ fen und dort einige Tage zur Vervollständigung des Pro⸗