1884 / 232 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Oct 1884 18:00:01 GMT) scan diff

stützen würde, nicht allein alle wir e Frankreichs schädi⸗ gen, sondern es auch in eine äußerst schlimme Lage versetzen müsste.

. 30. September. (Köln. Ztg.) Die „France“, welche seit einigen Monaten auf Ferry's Seite steht, schreibt: Man darf nicht vergessen, daß der Suezkanal die große Puls⸗ ader unseres Organismus ist und es besser sein würde, ihn zu zerstören, als ihn den Engländern lassen. Wenn Frank⸗ reich nicht aus der sich ihm darbietenden Gelegenheit Nutzen ieht und nicht versteht, seinem Groll Schweigen aufzuerlegen, s werden die Quellen seines Lebens versiegen. Unser Kolonial⸗ reich, dessen Schlüssel Egypten ist, wird zusammenstürzen, unser Handel wird abnehmen. Heute kann ein Land nicht stillstehen! Es muß vorwärts oder rückwärts gehen. Giebt es nur einen vernünstigen Franzosen, der den Krieg mit Deutschland vorzuschlagen wagte? Selbst in der Voraussetzung, daß wir Sieger sein werden, würden wir 200 000 Mann und 5 Milliarden verlieren, und der Besiegte würde zu erschöpft sein, um uns eine Entschädigung zu be⸗ zahlen. Ein Krieg würde mehrere Jahre dauern und Die beiden Länder vollständig zu Grunde richten. Die, welche ihn wollen, müssen die Offenheit haben, es zu sagen, anstatt die⸗ jenigen, welche glauben, daß die Zerstückelung des Vaterlandes nicht von 1871 her datirt, sondern im 18. Jahrhundert be⸗ gonnen hat, anzuklagen, daß sie Frankreich an Deutschland auslieferten.

1. Oktober. (W. T. B.) Dem „Temps“ zufolge sollte Admiral Courbet heute früh vor Kelong eintreffen. Wie das Journal „Le Telégraphe“ erfährt, wäre der apostolische Vikar in Junnan, Tenouills, getödtet und seien die Christen daselbst heftigen Verfolgungen aus⸗

esetzt.

gelebt 2. Oktober. (W. T. B.) Amtlicher Wochenbericht über die Cholera. In der Zeit vom 29. bis zum 26. v. M. sind in Frankreich insgesammt 177 Personen gegen 210 in der vorhergehenden Woche an der Cholera gestorben. Die Zahl der von der Cholera betroffenen Kommunen beträgt 62; davon kommen auf das Seine⸗Departement 2 Todesfälle, und zwar einer auf St. Denis und einer auf St. Ouen.

Italien. Rom, 1. Oktober. (W. T. B.) Dem Cholera⸗Bericht vom 30. v. M. zufolge kamen vor: In Aquila 8 Erkrankungen und 5 Todesfälle, in Bergamo 19 Er⸗ krankungen und 8 Todesfälle, in Brescia 4 Eikrankungen und 3 Todesfälle, in Campobasso 1 Erkrankung, in Caserta 13 Erkrankungen und 3 Todesfälle, in Cremona 22 Er— krankungen und 7 Todesfälle, in Cuneo 256 Erkrankungen und 8 Todesfälle, in Ferrara 6 Erkrankungen und 1 Todes⸗ fall, in Genua 102 Erkrankungen und 54 Todesfälle, da⸗ von in der Stadt Genua 52 Erkrankungen und 30 Todes— fälle, und in der Stadt Spezzia 6 Erkrankungen und 2 Todesfälle, in Mantua 14 Erkrankungen und 1 Todesfall, in Massa e Carrara 1 Erkrankung, in Mailand 2 Erkran—⸗ kungs⸗- und eben so viel Todesfälle, in Modena 4 Erkran— kungen und 3 Todesfälle, in Neapel 197 Erkrankungen und Ss8 Todesfälle, davon in der Stadt Neapel 136 Erkrankungen und 57 Todesfälle, in Novara 1 Erkrankung, in Parma 4 Erkrankungen und 2 Todesfälle, in Pavia 3 Erkran—⸗ kungen und 1 Todesfall, in Reggio nell' Emilia 3 Erkran— kungen und 2 Todesfälle, in Rovigo 4 Erkrankungen und 3 Todesfälle, in Salerno 1 Erkrankung und 3 Todesfälle, in Sondrio 3 Erkrankungen und 1 Todesfall, in Turin 6 Er— krankungen und 3 Todessälle.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 2. Oktober. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pétersbourg“ bezeichnet die Meldung der „République francaise“ von Mißhelligkeiten, die jüngst zwischen dem Botschafter Nelidow und der Pforte wegen Zahlung der Kriegsentschädigung entstanden wären und wegen deren der Botschafter eine längere Reise nach dem Ar⸗ chipel angetreten hätte, sowie die weitere Behauptung, diese Reise stehe in Zusammenhang mit der Entrevue in Skiernie⸗ wice, als reine Erfindungen, wenngleich die russische Regie— rung die häufigen und plötzlichen Stockungen oben erwähnter Zahlungen zu beklagen habe.

Wie der „Swiet“ meldet, ist in mission die Uebertragung der Standesregister, welche bisher den Rabbinern oblag, an die Polizeiorgane beantragt worden, mit der Entscheidung, daß diese Maßregel nicht die religiöse Seite der Sache berühre—

Moskau, 1. Oktober. (W. T. B.) In einem Leit— artikel über die Kaiserbegegnung in Skierniewice hebt die „Moskauer Zeitung“ besonders hervor, daß dieselbe die völlige Sicherstellung der wesentlichsten Interessen jeder der drei Großmächte nach sich ziehen dürfte. Als vorzüglichstes Ergebniß der Entrevue betont der Artikel die Herstellung jener herzlichen Beziehungen Rußlands zu Oesterreich, wie sie zwischen Rußland und Deutschland bereits hergestellt waren. Letztere herbeizuführen sei freilich viel leichter gewesen, weil zwischen Rußland und Deutschland nur Mißverständnisse persönlichen und zufälligen Charakters obgewaltet hätten. Allein zwischen Rußland und Sesterreich könnten reale Miß⸗ helligkeiten entstehen. Die Annäherung der Kaiser sei nicht nur für den europäischen Frieden wichtig, sondern noch mehr für die Aufrechterhaltung des inneren Friedens und die Befestigung, des monarchischen Prinzips Wenn Oester⸗ reich aus irgend welchen Gründen von einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Anarchisten Abstand genommen hatte, so existirten diese Gründe jetzt nicht mehr. Dies bezeuge die Entrevue. Es sei daher unnütz, zu ergründen, gegen wen die Entente cordiale der drei Großmächte gerichtet sei. Vor Allem müsse sie sich gegen das Institut der internationalen Banditen richten, welche das heilige Asylrecht genießen bei Regierungen, welche das Verständniß oder das Gewissen für das, was sie dadurch thun, verloren hätten.

Amerika. Washington, 1. Oltober. (W. T. B.) Die internationale Konferenz zur Festsetzung des ersten Meridians ist heute hier eröffnet worden. Anwesend sind Vertreter von 22 Ländern.

Afrika. Egypten. Wady-Halfa, 28. September. (Allg. Corr) Ein Dampfer ist mit großer Schwierigkeit über den Katarakt bei Semneh ‚bugsirt worden. Ein Boot mit 2 Offizieren und 36 Mann des Royal Sussex Regiments kenterte auf dem Nil bei der Insel Nilwarhall. Zwei Mann ertranken; sämmtliche Equipirungsstücke, Waffen und Proviant⸗ vorräthe des Detachements sanken mit dem Boote.

der Judenkom—⸗ ,. der jüdischen

Zeitungsstimmen.

Der Anhaltische Staats⸗Anzeiger“ druckt ein sehr ausführliches Sendschreiben ab, welches der (national⸗ liberale) Abgeordnete, Geheime Kommerzien⸗Rath Oechelhäuser an die liberalen Wähler des II. anhaltinischen Reichstags— Wahlbezirks gerichtet hat. In der Einleitung dieses Send— schreibens sagt Hr. Oechelhäuser:

...Mit dem Augenblick, wo die Sezessionisten zum Fortschritt übergingen, erwachte nicht blos in den Abgeordneten des Reichstags und der Landtage, sondern im ganzen Volke, soweit es dem gemäßig— ten Liberalismus huldigt, das Bewußtsein von der Nothwendigkeit, mit verslärkten Kräften für unsere Grundsätze einzutreten. Die Pro⸗ gramme und Reden von Heidelberg, Neustadt und Berlin wären wir⸗ kungslos verhallt, wenn sie nicht die Gefühle und Anschauungen weiter Kreise zur Geltung gebracht hätten. Wir glauben uns nicht zu täuschen, daß ein stets wachsender Theil der liberalen Wähler mit der von der deutsch⸗freisinnigen Partei vorgenommenen Verwerfung der Krankenkassen und Unfallversicherungsgesetze und ihrer Stellung zu den sozialpolitischen Bestrebungen der Reichsregierung überhaupt, mit ihrer Behandlung der Dampfersubventionsvorlage, mit dem neuen Programm in der Militärfrage u. s. w. unzufrieden ist und daß ihre allgemeine schroffoppositionelle Haltung in der par— lamentarischen Debatte, sowie speziell ihr Auftreten dem Fürsten Reichskanzler gegenüber im steigenden Maße Mißbilligung finden. ...

Weiter heißt es:

Gegen das Ende der Legislaturperiode wird auch wiederum die Frage des Militäretats an den Reichstag herantreten, welche leider wiederum einen Konflikt unserer Anschauungen und denen der deutsch— freisinnigen Partei im Gefolge haben dürfte. .. . Abweichend von den früheren Absutimmungen der liberalen Vereinigung, will das neue , , Programm den Militäretat und die Friedens präsenz⸗ stärke nur auf höchstens 3 Jahre feststellen, verlangt auch Ausdehnung der Wehrpflicht, bei abgekürzter Dienstzeit;...

Wir unsererseits stimmen wiederum für das Septennat und überlassen die technischen Fragen über Präsenzstand, Dienftjeit u. s. w. unserer erprobten Kriegsleitung, so gerne wir auch sonst die Dienst— zeit verkürzt, die Militärlasten ermäßigt und das formale konstitutio— nelle Recht auch auf diesem Gebiet hergestellt sehen möchten. ...

Wie schon erwähnt, steht die Wiedereinbringung der Dampfer— subventionsvorlage und wahrscheinlich sogar in erweitertem Umfange zu erwarten, was unsere Partei, aus den oben angeführten Gründen, freudig begrüßen wird. Obgleich weniger eine Frage der eigentlichen Kolonialpolitik, als vielmehr der Förderung deutscher Ausfuhr und überhaupt der Erweiterung unserer Handelsbeziehungen zu Auftralien, China, Japan, Koreg ꝛe., hat sie doch dem Fürsten Reichskanzler, auf Anregung unserer Partei, Gelegenheit gegeben, sein Kolonial pręgramm zu entwickeln und man darf wohl behaupten, daß selten ein weittragender wirthschaftspolitischer Plan einer so einmüthigen Zustimmung des Volks und seiner Ver— treter begegnet ist. Schutz der privaten deutschen Erwerbungen und Unternehmungen im übersecischen Ausland, aber keine Gründung von Reichskolonien', das ist der kurze allgemein verständliche Inhalt seines Programms, welches nicht blos seines positiven Inhalts wegen, sondern in gleichem Maße deshalb die allgemeine Zustimmung verdient, weil es mit einem Mal so vielen unklaren und bedenklichen Bestrebungen ein Ziel setzt, welche sich, neben zeit. und vernunft— gemäßen Bestrebungen unfer der mißberstandenen Firma ‚Kolonial— politik im Volk einzunisten begannen und vielfach geradezu in eine Verleitung zur Auswanderung auszuarten drohten. Wenn deutsche Häuser ihre Theilhaber oder AÄngestellten mit den nöthigen Stamm— mannschaften in fremde Länder fenden und durch ihr Kapstal und ihre Intelligenz, unter dem Schutze des mächtigen Deutschlands und seiner Flagge, Handelebeziehungen eröffnen, Läͤnderstrecken er— werben u. s. w., so sind das gesunde wirthfchaftliche Ziele. Der deutsche Arbeiter aber soll nicht zur Auswanderung verführt werden, sondern in Deutschland bleiben; nicht seine Arbeitskraft fesbst, son⸗ dern deren Erzeugnisse sollen ins Ausland wandern. „Bleibe im Lande und nähre dich redlich', das ist der erste Satz meiner natio— nalen Wirthschafts lehre. w Die „Weimarische Zeitung“ schreibt mit Bezug auf, eine Wahlrede, welche Hr. Barth⸗Berlin kürzlich in Weimar gehalten hat: = Der reaktionäre Ansturm spukt nur in den Köpfen der Deutsch-Freisinnigen. Wer unbefangen die Verhältniffe beurtheilt, kann keinen Augenblick darüber im Unklaren sein, daß die Männer, die das Deutsche Reich gegründet, sich wohl bewußt find, wie eine reaktionäre Beseitigung der verfassungsmäßigen Rechte das Funda— ment des Reiches erschüttern, ihre eigene Schöpfung in Frage stellen würde. Aber nicht bloß diefe Männer, auch die konfervativen Parteien, abgesehen von einigen Sprudelköpfen, wie sie an den Rockschößen jeder Partei, auch an denen der Freifinnigen hängen, wollen nichis davon wissen, daß an den Volksrechten, die die Ver—⸗ fassung giebt, gerührt werde. Man weiß das auch auf frei⸗ sinniger Seite ganz wohl, wenn dort zum Zusammenstehen gegen eine nicht vorhandene Regktion aufgefordert wird, so schiebt man deshalb schleunigst an Stelle der verfassungsmäßigen Volksrechte: liberale Errungenschaften unter. Was sind denn nun diefe liberalen Errungenschaften? Decken sie sich etwa mit den verfassungsmäßigen Rechten des Volkes? Keineswegs; hat doch die Fortschrittspartei das Zustandekommen der Verfassung aufs lebhafteste bekämpft, und ist diese nur den Konservativen und Nationalliberalen zu danken. Mit seinen „liberalen Errungenschaften‘ auf eigentlich politischem Gebiet mag Herr Barth daher nur zu Hause bleiben; damit kann die Fort⸗ schrittspartei nicht eben viel Staat machen, und sie ist jedenfalls am wenigsten berechtigt, sich als die Hüterin von Rechten aufzuspielen, die ohne ihr Dazuthun erworben worden sind.

Liberale Errungenschaften“ sind allerdings aufzuweisen auf dem Gebiet unserer wirthschaftlichen Gesetzgebung, und zwar in den Früchten, die die extrem manchesterliche Anschauung hier gezeitigt hat. Hr. Barth, der Manchestermann par excellence, befchuldigte neulich eine, Gegner, daß sie die Gesetzgebung über die Einzesschicksale von Millionen Menschen entschelden lassen wollten und setzte hinzu, dann müsse man auch „vom Gesetzgeber verlangen, daß er im Stande sei, die gesammte Produktion eines Landes zu überschauen und das ist eben heute keiner Gesetzgebung des Landes möglich“. Der MNanchestermann spottet hier seiner selbst und weiß nicht wie. Denn gerade weil die Freihandelsleute im Wahne waren, die Pro⸗ duktionsverhältnisse des Landes sicher überschauen zu können, entschie— den sie über das Einzelschicksal von Millionen Menschen, als auf ihr

Betreiben die letzten. Zollschranken niedergerissen wurden und nun die hereindringende Fluth der ausländischen Er—

zeugnisse, die zu Schleuderpreisen hereingebracht wurden, um der Ueberproduktion in den fremden Ländern Abhülfe zu schaff en, zahllose deutsche Arbeiterexistenzen schwer gefährdete, ja vernichtete. Gegen diese „liberalen Errungenschaften? richtet sich allerdings ein lebhafter Kampf in allen Schichten der Bevölkerung: wenn Hr. Barth dies Reaktion nennen will, so mag es sein; nicht auf das Wort, auf die Sache kommt es an. Diese Reaktion aber ist durchaus berechtigt. Denn es gilt, auf den wirthschaftlichen Ruinen, die das extreme Manchesterthum geschaffen hat, neue Bildungen zu errichten, die die Arbeitsfähigkeit des Einzelnen erhalten und der Gesammtheit nützen. Alles Leugnen ändert nichts an der Thatsache, daß, seitdem die bessernde Hand an die „liberalen Errungenschaften⸗ gelegt worden ist, ein neuer Aufschwung auf gewerblichem und wirthschaftlichem Leben eingetreten ist. Aber der Kampf gegen die liberalen Errungen« schaften geht tiefer, und berührt die prinzipiellen Fragen, die hier in Rede stehen. Die Freisinnigen vom Schlage des Hrn. Barth lassen nur das Gehen. und Geschehenlassen gelten, gleichviel wie der Einzelne dabei fährt. Die Gegner diefes Liberalismus ver— langen, daß auch der Schwächere einen Schutz finde und nicht schonungslos dem Mächtigen überantwortet werde. Diesen Schutz kann nur die Gesellschaft mit Hälfe des Staats gewähren,

erfüllen hat. Hr. Barth findet darin ein der Sozialdemokratie! und mahnt, man solle listischen Geist nicht zu stark werden lassen, denn er werde die verzehren, die heute mit ihm kokettiren. Meint man nicht, eine Stimme aus der Zeit vor 48 zu hören, die davor warnt. man möge doch um Himmels Willen nicht auf die liberalen Wünsche hören, denn jede Konzession, die hier gemacht werde, bedinge den Untergang des Staats! Heute wie damals ist der wahrhaft Freisinnige der, der in ernster Prüfung den richtigen und berechtigten Kern in neu sich geltend machenden Anschauungen zu erfassen und ihn thatsächlich in Harmonie mit den bestehenden Verhältnissen auszugestasten bestrebt ist; wirklich Reaktionäre aber sind diejenigen, die stets an dem Alten als an dem allein Richtigen festhalten, obne Rücksicht darauf, daß nicht durch die Unterdrückung berechtigter Forderungen, sondern durch die umsichtige Berücksichtigung derselben gefährliche Krisen und Katastrophen vermieden werden. Demgemäß auf sozial politischem

Kokettiren mit doch den sogzia⸗

Gebiet handeln, heißt, durchaus nicht mit der Sozial. demokratie sich verbünden, und ebenso wenig heißt . die „liberalen Errungenschaften“ auf wirthschaftlichem Gebiet

bekämpfen, das freie deutsche Bürgerthum mit einem Ansturm der Reaktion bedrohen. Das deutsche Bürgerthum will man halte Umfrage bei Bürger und Bauer im Ganzen recht wenig von jenen liberalen Errungenschaften wissen, die auf dem Trugwort von der freien Arbeit beruhen. Denn die Arbeit ist eben nicht frei, son⸗ dern abhängig von Faktoren, die das freie deutsche Bürgerthum nur regeln kann in der Anlehnung an ein starkes Staatswesen.

Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 48. Inhalt: Verfügungen: vom 26. September 1884. Postverbindung mit Helgo— land; Eröffnung der Eisenbahnstrecke Tarnowitz —tahlhammer. Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie. Heft 1X. Inhalt: Die indirekten oder ge—⸗ näherten Auflösungen für das Zwelhöhenproblem. Von Professor

Dr. G. D. C. Weyer. Die Küste von Ober. Guinea. Aus den Berichten S. M. Kbt. „Möwe“, Korv. Kapt. Hoffmann. Aus

den Reiseberichten des Kapt. G. Schlüter, Führer der deutschen Bark „Rofa y Isabel“. (Mittheilung von der deutschen Seewarte.) Aus den Reiseberichten des Kapt. P. Duhme, Führer der deutschen Brigg „Minerva“. (Mittheilung von der deutschen See—⸗ warte) Die harmonische Analyse der Gezeiten Beobachtungen. Von Prof. Dr. Börgen in Wilhelmshaven. (Fortsetzung) Notizen über die nordamerikanische Polarexpedition in den Jahren 1881— 884. Tiefseelothungen der Romanche“ im Atlantischen Ocean, 1882 83. Apparat zur Bestimmung der Geschwindigkeit und Richtung des Stromes. Woltmann⸗Holsboer⸗Ribbers. Ein— gänge von meteorologischen Journalen bei der deutschen Seewarte im Monat Mai 1884. Vergleichende Uebersicht der Witterung des Monats Juni 1884 in Nordamerika und Centraleuropa. (Mit- theilung von der deutschen Seewarte.) Kleine hydrographische Votiz. Stromoersetzung und Wassertemperatur im atlantischen Ocean, südlich von Neufundland. Tabellen. Kartenbeilage.

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 39. Inhalt: Nichtamtliches: II. Verzeichniß der Berichte der technischen Astaches. Zwei Meerekerscheinungen an der französischen Küste des Aermel⸗ meeres. Herstellung ebener Cementbetondecken. Vermischtes: Von den Berichten der technischen Attachsß. Ursachen und Be— dingungen der Härtbarkeit der Metalle. Gesundes und ungesundes Haus. Aufzüge in Londoner Gasthöfen. Die Pferdebahnen leben noch! Selbstthätige Sicherheitsweichen in Ämerika. Kabelbahnen in Amerika. Schiffahrts⸗Kanal zwischen Ostindien und Ceylon. Bücherschau.

Statistische Nachrichten.

Das soeben ausgegebene Augustheft der Monatshefte des Kgiserlichen Statistischen Amts enthält außer den regel— mäßigen guf den betreffenden Monat bezüglichen Nachweisungen noch folgende Arbeiten: 1) Beiträge zur Forststattstik des Deutschen Reichs, 2) die Deutschen im Auslande und die Ausländer im Deut schen Reich, 3) der Tabackbau und die Ergebnisse der Tabackernte im deutschen Zollgebiet für das Erntejahr 1883.64, 4) die Straffälle in Bezug auf die Zölle und Steuern des Deutschen Reichs bezw. Zollgebiets im Crate jahre 1883/84.

Die Waarenausfuhr aus dem deutschen Zollgebiet hat, wie dem Augustheft der Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reichs für das Jahr 1884 zu entnehmen ist, vom Januar bis Ende August d. J. im Vergleich zu demselben Zeitraum des Vorjahres nur bei wenigen Artikeln eine Abnahme erfahren. Speziell von Roh, Bruch, und Luppeneisen wurden 23 303 t, von Eisenwaaren aller Art 28493 t weniger ausgeführt. Dieses Minus in der Ausfuhr von Eisenwaaren entfällt hauptsächlich auf Materialien zum Eifenbahn— und Eisenbahnwagenbau (Schienen, Laschen, Schwellen, Hackennägel bezw. Achsen, Räder und Radkranzeisen), ferner auf eiserne Brücken und Brückenbestandtheile, Platten und Bleche, auch auf Eisendraht. Doch ist die Ausfuhr dieses letzten Artikels seit Juni diefes Jahres fortgesetzt im Steigen begriffen und nähert sich be— reits der Höhe der vorjährigen Ziffer (1356 116 t gegen 143 961 t),. Die Ausfuhr von schmiedbarem Eisen in Stäben. schmiedeeisernen Röhren, Drahtstiften und anderen groben, sowie feinen Eisenwaaren ift dagegen zusammen um 21 889 gestiegen. Außerdem macht sich eine mehr oder minder erhebliche Abnahme der Ausfuhr bemerkbar bei: Eisenbahnfahrzeugen, Maschinen, Säge oder Schnittwaaren (— 30 100 t), Baumwollengarn (— 912 t), Pottasche, Glycerin, schwefel⸗ und salzsaurem Kali (— 12745 t), Salzsäure, Waaren auß edlen Metallen (mit Ausschluß der Taschenuhren), Kar— toffeln (— 161 935 t) frischem Obst, Wein, gebrannten oder ge— mahlenen Cichorien, Mehl aus Getreide 6767 t), Stearin, Rind— und, Schafvieh, roher Schafwolle und Shoddy. Die Zahl der Artikel, bei welchen die Ausfuhr eine wesentliche Zunahmé erfahren hat, ist im Vergleich hiermit erheblich größer. Es gehören dazu: Leinen, und Wollengara; Baumwollen., Leinen, Halbseiden⸗ und Wollenwaaren; Kleider, Leibwäsche, Putzwaaren und Hüte; Glas und Glaswaaren; rohes Bau⸗ und Rutzholz; grobe und feine Holz-, Metall- und Lederwaaren; musikalische Instrumente; Then. und Porzellanwagren; Papier und Papiertapeten; viele Artikel der chemischen und Farbenindustrie, wie z. B. Aetznatron, Soda, Alaun, Gelatine und Leim, Alizarin, Anilinfarben, Blei⸗ und Zinkweiß, künstliches Mineralwasser, Glaubersalz, Schwefelsäure, Superphosphate und Vitriole; ferner Cement (mit Einschluß von Tuffstein, Traß zc.); Erze, Kohlen und Koks; rohes Blei; Lichte; frische und getrocknete Cichorien; Bier, Branntwein, Butter, Fleisch und Käse; Kartoffelstärke und Kartoffelmehl; Salz, Zucker und Melasse; Rohtaback und Tabackfabrikate; Schweine. Insbesondere stieg die Ausfuhr von: Baumwollenwaaren von 152353 t auf 16960 t; Wollenwaaren von 16769 t auf 16978 t; Glas- und Glaswaaren von 50 253 t auf 51 957 t; Bau und Nutzholz von 195 666 t auf 212 859 t; Thon und Porzellanwaaren von 30 392

auf 1 468 t; Papier- und Papiertapeten von 38676 t auf 461095 t; Soda von 4685 t auf 9848 t; Bier von 90 536 t auf 6 545 t; Branntwein von 25 851!ñ t auf N 412 t; Zucker von

243 397 t auf 327616 t; Rohtaback (Blätter und Stengel) von 1U901t auf 2845 t. Von dem ausgeführten Taback ging der größte Theil nach Frankceich und Italien.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Die erste Nummer einer neuen illustrirten Wochenschrift, eines illustrirten Familien⸗Journaltz „für Berlin und ganz Deutschland“ Der Berliner“ Verlag von S. Schottländer in Breslau und Berlin, Preis 2.25 M pro Quartal) ist soeben erschienen. Das

der nicht bloß polizeiliche, fondern auch sittsiche Aufgaben zu

elegant und solid ausgestattete, reich illustrirte Blatt bringt in erster

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ihe den Roman des Fürsten Meschtscherssy: „Die Frauen der 2 Gesellschaft! Daran schließt sich eine Berliner Novelle don Franz Wichmann: Damen Bedienung., welche gesellschaftliche Mißstände großer Städte in ergreisender Weise bloßlegt. Außerdem bietet das Blatt einen reichen Inhalt von allerlei Darstellungen aus Leben und Geschichte der Weltstadt, Poetisches und Pikantes, zahlreiche nützliche Mittheilungen „Fürs Haus, und aus aller Welt, abwechselnd mit Kleinhumoristischem und mit, einer besonders aus- aichig gefüllten Rubrik von „Spielen und Denkaufgaben“ in denen Schach und Skat, Frage und Antwortspiele, Mosaik, Preisräthsel aller Art der Unterhaltung der Leser dienen. Eine bogenstarke Bei⸗ lage“ bietet außer hübschen. Illustrationen abwechselungsreiche Unterhaltung: Berliner Straßenbilder, Plaudereien aus der Theaterwelt, Ernstes und Heiteres aus Gerichtssälen, Berliner Flatsch ꝛc. Das Blatt beweist, daß Berlin so reichen Stoff stefert, daß derselbe bei geschickter Auswahl, und Vexarbeitung, wie in dieser ersten Nummer geschehen, einer Wochenschrift Verbreitung

kann. . ;

e,. Von Hackländers Soldatengeschichten , illustrirt von Emil Rumpf (Stuttgart bei Carl Krabbe) liegen die Lieferungen 15 —17 vor. Mit der 16. Lieferung schließt das Soldatenleben im Frieden, in der 17. beginnt Feuerwerker Wortmann. Die Hefte ent⸗ halten zahlreiche köstliche Bildchen, die wieder den glücklichen Humor des jungen Künstlers in helles Licht stellen. Unleugbar wirken die Illustrasionen, die ganz im Hackländerschen Sinne entworfen, wesent⸗ sich mit, um den Reiz der Erzählungen noch zu erhöhen.

Die in Leipzig und Berlin den 4. d. M. erscheinende Nr. 21653 der -Illustrirten Zeitung enthält folgende Abbildungen: Die rheinischen Kaisermanb ver. 2 Abbildungen. Driginalskizzen unseres Spezialzeichners Th. Rocholl: 1) Der Kronprinz auf dem Manöverfeld zwischen Millendorf und Pütz am 15. September. 3) Die Reiterattake bei Wiedenfeld zm 16. September. Schloß Benrath bei Düsseldorf. Nach einer photozraphischen Aufnahme. Schloß Brühl bei Cöln. Nach einer photographischen Aufnahme. Tizians „Flora“ in den Uffizien zu Jorenz. (Z3weiseitig)— Die Fholera in Neapel. 3 Abbildungen. Rach Skizzen von E. Matanig: I Eine Klageprozession. 2) Desinfizirung einer Sackgasse. 3 Straßentumult gegen die Aerzte und die Polizei. Eine deutsche Wahlurne. Opernsängerinnen der Gegenwart. J. 12 Portrats: Frau Josefine Klafsky. Frau Schröder ⸗Hansstängl. Frau Angelina Luger. Signora Bianca Bianchi. Frau Mathilde Wegkerlin, Frau Marie Lißmann ⸗Gutschbach. Frl. Orlanda Riegler. Frau Moran⸗ Olden. Frau Sucher-⸗Hasselbeck. Frau v. Voggenhuber. Frau Pauline L Allemand. Frau Rosa Papier, Pierre Corneille, Fam J. Oktober 1684. Amerikanische Skizzen: Chicagos beliebtester Ängelplatz. Nach einer Skizze von C. Bunnel; Polvtechnische Mittheilungen: Cyklostyle⸗Kopirspparat. Meister und Förderer des Schachspiels: 24. James Mason. Moden: Neues Jagd⸗

m. . ö Unter der Ueberschrift Wie sind die Krankenkassen zu errichten und ältere Kasseneinrichtungen nach dem Krankenversicherungsgesetze vom 15. Juni 1883 u m zuändern?“ ist vom Redacteur der ANAibeiter · Versorgung . Schmitz, verfaßt, in Heusers Verlag (Louis Henser) zu Neuwied und Leipzig, foeben ein recht brauchbares und gründliches Werk erschienen, das jene vom genannten Verfasser gestellten Fragen in ausreichender und befriedigender Weise beantwortet und über das Krankenkassen⸗ wesen überhaupt gewünschte Auskunft gewährt. Nachdem der Ver⸗ fasser in einer Einleitung sich über die Krankenkassen und über das Verhältniß des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883 zu denselben im Allgemeinen verbreitet, handelt er zu⸗ nächst ausführlich über Ortskrankenkassen, deren Gründung, Einrichtung, Statut u. A., zieht demnach die Betriebs und Innungskrankenkassen, alsdann die Einrichtung der Gemeinde— krankenkassen und zum Schlusse die Veränderungen in den Kreis der vorliegenden Arbeit, welche die sonst bestehenden Krankenkassen an ihren Einrichtungen vornehmen müssen, wenn sie Gleichberechtigung mit den obligatorischen Kassen und das Recht auf Weiterexistenz in Anspruch nehmen wollen. Hierauf wird zur Kontrolirung der vorhergegangenen Darstellung, in welcher überall die in Betracht kommenden Gesetzes⸗ Paragraphen bezeichnet sind, in einem Anhange der Wortlaut der Reichsgesetze vom 15. Juni 1883 und vom 7. April 1876 in der Fassung des Gesetzes vom 1. Juni 1884, mit einigen Anmerkungen vom Verfasser erlaͤutert, zum Abdruck gebracht. Zum Schluß wer— den noch Formulare zur Einrichtung der Buch und Rechnungsführung für alle Kassen mitgetheilt. Ven der 2. vollständig umgearbeiteten, vermehrten und illustrirten Auflage des von Dr. E. Götzinger bearbeiteten Reallexikons der deutschen Alterthümer, eines Hand— und Nachschlagebuchs der Kulturgeschichte des deutschen Volkes, das wir schon wiederholt in anerkennender Weise erwähnt haben, sind in Urbans Verlag zu Leipzig soeben wiederum 3 Hefte, Heft 10, 11 und 12, erschienen. Dieselben beendigen den Buchstaben J, bringen den Buchstaben K. vollständig und den größeren Theil des Buchstaben. X. führen im Ganzen den Text von „Idhunn“ bis zu Lucidarius“ fort und enthalten, gleichwie die früheren Hefte, eine Menge theils län— gerer, theils kürzerer interessanter und lehrreicher Artikel sehr ver—⸗ schiebenen Inhalts aus dem deutschen Alterthume, , .

Die Antiquariats handlung Kirchhoff u. Wigand in Leipzig hat über ihr antiquarisches Bücherlager vor Kurzem 3 Kataloge, Nr. 710 —–— 712, ausgegeben. Nr. 710, „Geschichte, Sprache und Literatur Englands , enthält ein Verzeichniß von 762 Schriften, die unter folgende Rubriken vertheilt sind: J. Geschichte Englands und seiner Kolonien (354 Nrn.); II. Kultur- geschichte, Genealogie, Heraldik, Literaturgeschichte (im Ganzen s0 Nrn.); III. Sprache und Literatur [I) Gramatik, Sprachderk⸗ mäler, Dialekte, im Ganzen 53 Nrn.; 2) Shakespegre und seine Komentatoren, 41 Nrn.; 3) Englische Litergtur älterer und neuerer Zeit, 234 Nrn. J. Nr. III, Geschichte, Sprache und Literatur Frankreichs“, bringt ein Verzeichniß von 1269 Schriften unter folgenden Abtheilungen; J. Geschichte Frankreichs ( 11 Nrn., von denen viele den französischdeutschen Krieg von 1879571 betreffen); II. Alterthümer, Genealogie, Numismatik, (im Ganzen 22 Nrn.); III. Literärgeschichte (78 Nrn.); IV. Sprache und Literatur II) Gram⸗ malik, Sprachdenkmäler, Dialekte, im Ganzen 82 Nrn.; 2) Aeltere und neuere Literatur, 651 Nrn.; 3) Neuere Uebersetzungen, 28 Nrn. J. S Nr. 712, . Geschichte, Sprache und Literatur Italiens, Spaniens und Portugals“, führt 903 Schriften unter folgenden 5 Abtheilungen auf: J. Geschichte Italiens (390 Nrn); II. Gultur⸗ geschichte, Genealogie, Numismatik (im Ganzen 52 Nrn.); III. Lite- raturgeschichte (64 Nrn.); 1IV. Italienische Sprache und Literatur (271 Nrn.); V. Spanien und Portugal (136 Nrn., von denen 74 auf Geschichte und deren Hülfswissenschaften, 62 aber auf Sprache und Literatur der beiden Lander entfallen). In allen 3 Katalogen be— finden sich viele interessante und werthvolle Werke.

Gewerbe und Handel.

In der Generalversammlung des Eschweiler Bergwerks— vereins zu Eschweiler⸗Dumpe vom 30. September er. wurde in Uebereinstimmung mit dem Vorschlage des Aufsichtsraths beschlossen, 2 0o Dividende zu vertheilen.

Das „Dresd. Journ.“ theilt folgenden Bericht von der Leipziger Michaelismesse mit über. Tuche und Buckskins: Der ganz außergewöhnlich warme letzte Winter und der heiße trockene Sommer ließen wohl erwarten, daß es mit der schweren Herbst und Winterwaare nicht besonders aussehen würde, und der Erfolg der Michaelismesse hat diese Erwartungen bestätigt. Alle Doubles und Paletotstoffe, welche nicht den besonderen Reiz der Neuheit hatten, lagen still. Die Grossisten kamen mit Unlust zum Einkaufe, da der erste Absatz für die nächste Saison zu schwach gewesen war und der Detaillist nur das Nöthigste kauft, um sein Lager wenigstens etwas aufzufrischen. Selbst die feinen Anzug⸗ und Hosen⸗

mitschauer Fabrikant hatte einige 30 Ballen helle Streifer, und er nahm nicht ein einziges Stück wieder mit nach Hause. Auch in Forster Bucks kin war nach helleren Dessins außergewöhnlich viel Nachfrage, und solche assortirte Ballen wurden ungeöffnet schlank verkauft und der Bedarf darin lange nicht befriedigt. Dies wird hervorgerufen durch das trockene Wetter, welches so lange Jahre entbehrt wurde. Es wird sich die Mode den lange vernachlässigten hellen Dessins beson⸗ ders für Buckskin juneigen. Die Zufuhr zur Messe war eine normale, da das Sommergeschäft sehr gut gewesen war, und hätten wir frühzeitig kühles Wetter gehabt, so hätte die Messe gewiß auch einen günstigern Verlauf genommen; aber so suchte ein jeder Fahri⸗ kant ein Entgegenkommen, um die Käufer zu animiren. Luckenwalde, Großenhain, Peitz nahmen wieder mit nach Hause, was sie nicht zu regulären Preisen verwerthen konnten, da ja die Bestellungen sofort nach Umschlag der Witterung eintreffen. Forst und Cottbus hatten einen schlanken Absatz für ihre mittelschwere Waare; dam gegen war Spremberg mit der Messe sehr unzufrieden, da Forst demselben viel Konkurrenz macht dadurch, daß es fast ebenso billige Waare herstellt, dessen Stoffe aber den Vortheil haben, daß sie breit liegen und beim Krumpfen nicht eingehen. Ein Theil der Sprem⸗ berger Fabrikanten hat sich von der alten Tradition losgesagt; aber es besteht doch noch ein erheblicher Theil, dessen Waare nicht nadel⸗ fertig ist. Crimmitschau wie Werdau hatten viele Waare am Platze und verkauften sehr billig. Schwiebus, Finsterwalde, Sorau fanden das Meßgeschäft recht schlecht, da für Erfurt keine Nachfrage, und in Italien, ein großer Konkurrent, die Cholera haust. China, ein Hauptaknehmer für Sommerfeld, ist momentan auch nicht aufnahme sähig, und selbst ein persisches Haus, welches sonst regelmäßig große Posten „schwarz“ kaufte, ließ auf sich warten. In den Lengenfelder billigen Tuchen kauften Schweden und Holland Einiges. In den wenigen Meßtagen wurde etwa für 2) Millionen umgesetzt. Essen, 1. Oktober. (W. T. B.) Der Bericht der . Rhein. Westfäl. Ztg.“ über die Lage des rheinisch-westfälischen Kohlenmarktes konstatirt unverändert abwartende Haltung von Konsumenten und Produzenten. Von einzelnen Zechen gemachte Kon zessionen, ungünstiger Wasserstand des Rheins, wenig erfreuliche Lage der Eisenindustrie werden von der einen Seite, günstiger Ausfall der Ernte und herannghender Winter von der anderen bei Abschlüssen ins Feld geführt. Die Zechen sind jetzt alle gut beschäftigt und müssen bereits Ueberschichten einlegen. In gesiebten Produkten ist Nachfrage und damit auch der Preis gestiegen. Kokes und Kokeskohle immer noch matt. . ; Nürnberg, 30. September. (Oopfenmarktbericht von Leopold Held) Die in dem letzten Bericht erwähnte steigende Richtung im Hopfengeschäft hat inzwischen weitere Fortschritte gemacht. Dem heutigen Markte wurden ea 1200 Ballen vom Lande, und per Bahn gestern und heute 900 Ballen zugefahren. Der Markt eröffnete in sehr animirter Stimmung und wurden sämmtliche Markthopfen zu 5— 10 AM höheren Preisen verkauft. Auch in anderen Sorten, namentlich in Württemberger, Aischgründer und Hallertauer Hopfen war lebhafter Verkehr bei festem Preisstand. Die Tendenz ist eine feste und steigende. Heutige Notirungen: prima Markthopfen 95 105 „, mittel 85 9) 4M, geringe 78 80 ; prima Gebirgshopfen 115— 120 4, mittel 95 160 4; prima Aischgründer 115 120 , mittel 98 110 „M; prima Württemberger 1290 130 „½ , mittel 110-115 S; prima Hallertauer 125 —=130 46, mittel 110 115 prima Badische 120— 125 „S, mittel 105 110 ; prima Elsãässer 115—125 S, mittel los 110 M; prima Posener 130 135 , mittel 115— 120 416.

Wa sshington, 1. Ottober. (W. T. B.) Die Schuld der Vexeinigten Staaten hat im Monat September um 12 050 000 Dollars abgenommen. Im Staatsschatze befanden sich Ende September 425 030 000 Dollars.

Berkehrd⸗Auftalten.

Bremen, 2. Oltober. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Hermann“ ist gestern in Baltimore eingetroffen. ; ;

ö 1. Oktober. (W. T. B.) Der Postdamp fer Suevia“ der Hamburg Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von New⸗YJork kommend, heute früh 5 Uhr auf der Elbe eingetroffen.

Sanitätswesen und Quarantänewesen.

Portugal. Laut einer unterm 23. September veröffentlichten Verfügung der portugiesischen Regierung werden die von Bordeaux kommenden Schiffe fortan in portugiesischen Häfen wieder zugelassen, jedoch zuvor einer strengen Quarantäne unterworfen. (Vergl. R. A.“ Nr. 217 vom 15. September. . Unter strenger Quarantäne (rigorosa) ist eine solche von min— destens acht Tagen zu verstehen, welche jedoch nach Ermessen der Sanitätsbehörde auf die doppelte und dreifache Zahl von Tagen ver— längert werden kann. Malta.

Durch Verordnung der Lokalregierung von Malta vom 1. Juli (-R. A.“ Nr. 166 vom 17. Juli) war gegen Provenienzen aus cholera⸗ verseuchten Häfen des Mittelmeeres eine Quarantäne von 21 Tagen verhängt worden. Provenienzen aus egyptischen Häfen hatten sich, da in letzteren eine kürzere Quarantänezeit vorgeschrieben ift, in Malta einer Zusatzquarantäne von 10 Tagen zu unterziehen, bis eine Ge⸗ sammtquarantänezeit von 21 Tagen erreicht war. Diese Vorschrift soll einer Verordnung des Gouverneurs vom 16. September zufolge in Zukunft gegen solche Schiffe nicht mehr Anwendung finden, welche aus jenseits des Suezkanals gelegenen Häfen kommen und weder Passagiere noch Schiffsfracht aus irgend einem egyptischen Hafen des Rothen oder Mittelländischen Meeres an Bord genommen haben.

Berlin, 2. Oktober 1884.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute beendigten Ziehung der 1. 8 171. Königlich preußischer Klassenlotterie fiele

1ẽ6Gewinn von 15 000 MS auf Nr. 387.

1ẽ6Gewinn von 3600 MSM auf Nr. 87 822.

1 Gewinn von 1500 S6 auf Nr. 59 644.

2 Gewinne von 300 S auf Nr. 25 260. 28196.

2lasse n:;

Die Humboldt ⸗Akademie, deren Aufgabe es ist, eine har⸗ monische wissenschaftliche Weiterbildung auf der sehr großen Zahl gründlich vorgebildeter Personen, welche die Universität nicht besuchen können, zu ermöglichen, tritt in ihr 7. Studienjahr mit einem reich- haltigen Programm. Dasselbe bringt außer einer Abhandlung des Herrn Lie. Dr. Fr. Kirchner über Immermanns Merlin die moeist spezialisirte Anzeige von 18. Vortragseyklen Ceinschließlich Anhang) welche im Herbstquartal je an einem bestimmten Wochen abend, theils von den bisherigen, theils von neu gewonnenen Dozenten aus fast allen Wissensgebieten gehalten werden. Sowohl die Natur wissenschaften, wie die philosophisch⸗historichen Disziplinen sind aus⸗ giebig vertreten. Die Astronomie behandelt Professor Thurein, die Entwicklungsgeschichte der Erde Dr. Rob. Schneider; Chemie doeiren Dr. C. Döring und Dr. H. Lange, Hygieine Pr. A. Langgaard, Assistent am Königlichen Pharmakologischen Institut, Pflanzenanatomie Dr. H. Potonis. Ueber Metaphyßsche Probleme liest Lizentiat

in ce über Literaturgeschichte des klassischen Alterthums Dr. Fr. elle.

Die französische, englische und italienische Literatur behandeln . Ch. Marelle, Rerd. R. B. Earse,

ihrer Muttersprache Brin ft . Ueber

British Ebaplain, und Marchese Barbaro di San Güiorglo.

deutsche Kulturgeschichte spricht Dr. C. von Kalckstein, über Geschichte

der wirthschaftlichen Ideen Dr. Moritz Mever, Dozent der König lichen Technischen Hochschule, über Soziale Probleme Dr. Max Hirsch. Die Rechtswissenschaft endlich ist durch Vortragszyklen von Rechts⸗ anwalt Dr. Julian Goldschmidt üker Aktiengesellschaften, Rechts⸗ anwalt Dr. Sello über Deutschen Strafprozeß und Stadtgerichts- Rath g. D. Meineke über Verfassung und Verwaltung vertreten. Alles Rähere enthalten die ausführlichen Lehrprogramme, welche im Bureau der Akademie, Centralbuchhandlung im Centralhotel, im Invalidendank' und in einer Anzahl Buchhandlungen gratis zu haben sind. . J

Nach einer polizeilichen Bekanntmachung ist bei einem Pferde des Fuhrherrn Kleve, Friedensstraße Nr. 87 hierselbst, der Ausbruch der Räude amtlich festgestellt worden.

Laibach, 1. Oktober. (W. T. B) Heute Morgen stieß der von Wien nach Triest gehende Personenzug auf dem hiesigen Bahnhof in Folge falscher Weichenstellung gegen einen Güter⸗ zug. Hierbei wurden 2 Personen leicht verletzt. Die Lokomotive des Personenzuges wurde beschädigt, mehrere Wagen des Güterzuges zer⸗ trümmert.

(W. T. B.) Heute trafen die Mit- glieder des westdeuts chen Fluß und Kanalvereins nach Besichtigung der Veenkolonien und des Stadtkanals hier ein. Die selben werden morgen per Dampfer ihre Fahrt über Delfzyl nach den Ems⸗ und Weserhäfen fortsetzen.

Groningen, 1. Oktober.

Die Aufführung der Lessingschen Miß Sara Sampson“ im Victoria-⸗Theater muß entschieden ein Wagestück genannt wer— den, und hatte als solches auch nur einen nicht sehr zahlreichen Zu schauerkreis herbeigelockt, der sich diesen seltenen Kunstgenuß nicht ent- gehen lassen wollte. Eben nur solchen konnte auch wohl die Mei ningensche Künstlerschaar bieten wollen, da sie sich selbst wohl darüber klar ist, daß dieses Trauerspiel erstensmal kein Zugstück werden kann, zweitens aber der Eigenart des Kunstinstituts ziemlich fremd ist. Die Lessingsche Tragödie ist vollständig veraltet und sagt unserm heutigen Geschmacke durchaus nicht mehr zu; als ein Charakter- und Sitten gemälde aus der damaligen Zeit wird sie ihren Werth behalten,

auf der Bühne wirkt sie abstoßend und theilweise sogar er- müdend. Abgesehen von der delikaten Situation, welche uns darin vorgeführt wird, können wir uns nicht ein⸗

mal für die Charaktere erwärmen. Ein solch jämmerlicher Charakter

wie der Mellefont flößt uns Widerwillen ein, wir verachten diesen

haltlosen Schwächling. Hr. Arndt suchte allen denjenigen

Anforderungen gerecht zu werden, welche man. an eine so heikle Rolle stellen kann; wenn ihm das auch nicht immer gleich gut gelang, so war seine Leistung doch eine recht tüchtige. Auf eines sei jedoch aufmerksam gemacht, daß nämlich das überstürzte derunterhatpeln des Briefes im letzten Akt, welches jedes Verständniß ausschließt, recht störend ist und eher eine komische als tragische Wirkung hervor ruft. Etwas zu thränenselig und weich gab Frl. Lorenz die Sara. Diese junge Lady, welche sich nicht bedenkt, einem Abenteurer zu folgen, muß doch ein wenig schärfer gezeichnet werden und darf nicht allzusehr verschwimmen. Anerkannt muß werden, daß Frl, Lorenz mit feinem Takt das Allzugräßliche des letzten Aktes, während dessen ganzer Dauer der Dichter uns eine vergiftete Person im Todes- kampfe vorführt eine Zumuthung, wie sie bei einem Lessing befremdet nach Kräften milderte und über das Abstoßende dieses peinlichen Auftritts geschickt hinwegzuhelfen suchte. Die beste Leistung war diejenige des Frl. Schanzer als Marwood. Die diabolische Natur dieser selbstsüchtigen Liebhaberin, all die leiden⸗ schaftlichen Affekte einer tief verletzten, nach Rache begierigen Frauen⸗ seele kamen prächtig zur Geltung. Daß Marwood die furchtsame Sara mit drohender Faust um den Tisch herum verfolgt, mag natürlich sein, wirkt aber auf der Bühne abstoßend. Die übrigen Rollen lagen in recht guten Händen,. Hr. Teller als Norton, Hr. Richard als Sampson und. Hr. Pückert als Waitwell spielten sämmtlich mit Geschmack; ein vielversprechendes Talent zeigte der kleine Walter Godeck als Arabella. Was die Inscenirung anbetrifft, so legte dieselbe wie immer beredtes Zeugniß ab von dem kunst˖ sinnigen Geschmack des Instituts, dem für die Aufführung des eigenartigen Stückes immerhin Dank gesagt werden muß. Miß Sara Sampson

wird am Freitag zum letzten Male aufgeführt werden. Am Sonn⸗ abend wird „Bie Ahnfrau“ in Scene gehen, und zwar nur dieses eine Mal; da das Gastspiel sich seinem Ende naht, kann eine spätere Wiederholung nicht stattfinden. Sonntag werden die Meiningenschen Hofschauspieler ihren berühmten „Julius Cäsar“ geben.

Aus den bisherigen Aufführungen von Millöckers ‚„Gasparone“, die allabendlich vor ausverkauftem Hause und unter allgemeinstem Beifall von Statten gingen, läßt sich zweifellos konstatiren, daß diese Operette ebenso wie es der Bettelstudent / that. das Repertoire des Neuen Friedrich ⸗Wilhelmstädtischen Theaters auf

Monate hinaus beherrschen wird. Von den zahlreichen Dacapos des ersten Abends hat das Publikum für die weiteren Auf

führungen sechs, mehr als bei irgend einer früheren Operette, in Per⸗ manenz erklärt. Es sind dies im 1. Akt die reizende Romanze des Hrn. Steiner, das Terzett zwischen Wellhof, Frl. Wrada und Frl. Schmidt und die Tarantella (die sogar dreifach da. capo gesungen werden muß); im 2. Akt das überaus drollige Lied des Frl. Schmidt Es giebt ja keine Männer mehr“, das Eifersuchtsdueit zwischen Hrn. Weidmann und TErl. Koch und das Couplet des unwiderstehlichen Podesta Wellhof. Im 3. Akt ist es der flotte Walzer des Hrn. Weidmann „Er soll Dein Herr sein“, der regelmäßig doppelt verlangt wird. Das Podesta⸗ Couplet hat dadurch, daß Hr. Wellhof die matten Originalstrovhen/ die er am ersten Abend sang, durch neue zündende ersetzt, dem 2. Akt eine Wirkung gesichert, die der durchschlagenden des ersten vollständig gleicht. Die Vorstellung, an einigen Punkten zweckmäßig gekürzt, endet jetzt um 96 Uhr.

Im Belle ⸗Alliance-Thegter findet morgen auf Verlangen noch eine Wiederholung des Lebensbildes „Die Goldprobe“ von Augier statt. Bei der Aufführung des Lustspiels, Bürgerlich und Romantisch“ von E. Bauernfeld am Sonnabend sind außer der berühmten Gastin Fr. Franziska Ellmenreich auch Frl. Fröhlich und Fr. Hayn sowie die Hrrn. Steinar, Würzburg, Link und Straßmann in hervorragen⸗ den Rollen beschäftigt.

Teresina Tua concertirt am Sonntag im Krollschen Saale zum vorletzten Male. In diesem Concert werden die Sängerin Frl. Annie Duncker und der Pianist Conrad Ansorge mit⸗ wirken.

Des sommerlich schönen Wetters ungeachtet hatte sich der Saal des Concerthauses gestern Abend so dicht gefüllt, daß schon vor Beginn des Concerts kein Plätzchen mehr zu erlangen war, und die Nebensäle zu Hülfe genommen werden mußten. Und als der Hof⸗ Musikdirektor Bilse auf dem festlich geschmückten Orchester . seinem mit einem mächtigen Lorbeerkranz gekrönten Pult erschien, da begrüßte ihn der lebhafteste anhaltende Willkommen. 2 saifon eröffnete in würdigster Weise Beethovens Leongren- ö. ure Rr. 3, von Hrn. Bilse trotz seines Silberbagreg mit jugendlicher Verve dirigitt und von der Kapelle mit Präzision und feinstem Ausdruck vorgetragen. Eine reiche Blumenspende hegleitete den brausenden Applaus, den diese Produktion hervn rief. Auch die Aus führung der übrigen Nummern des gewählten Programms gereichten dem Dirigenten wie der Kapelle zur hohen Ehre.

stoffe hatten unter diesen Sonnenstrahlen zu leiden. Das Einzige, was auf der Messe gesucht war, sind helle Hosenstoffe. Ein Crim⸗

Dr. Fr. Kirchner, über italienische Malerei Professor Dr. Bruno Hint über Musikgeschichte seit Joh. Seb. Bach Dr. Alfr. Chr.