Ein ähnlicher Zusatz wird auch beim Obfiwein und gleichfalls, obwobl seltener, beim Bier in Anwendung gebracht. Solche Mani⸗ vulationen sind im Handel gebräuchlich und gegenwärtig durch die gegen den Verkauf und das Feilbalten verfälschter Nahrungsmittel und Getränke gerichteten Strafbestimmungen (Gesetz vom 14. Mai 1879) nur wenig behindert. ᷣ
Ein solcher mit Branntwein (destillirtem Alkohol) versetzter Wein oder Obstwein oder ein solches Bier wird jedoch an sich daher nicht als Branntwein im Sinne der Gewerbeordnung bezeichnet werden können, und der Händler wird einer Kontravention gegen die Ge. werbeordnung kaum schuldig zu erachten sein, wenn er solches Getränk verkauft, ohne die Erlaubniß zum Branntweinverkauf zu besitzen.
Dagegen ist der Fall ins Auge zu fassen, daß lediglich zum Zweck der Umgehung der Bestimmungen der Gewerbeordnung dem Wein oder Cyder so große Mengen Branntwein beigemischt werden, daß das Gemisch mehr einen Branntwein darstellt, dem etwa Wein oder Cyder zugesetzt ist, als einen Wein oder Cyder, welchem man durch Zusatz von Branntwein größere Stärke gegeben hat.
Es würde somit darauf ankommen, ein Maximum des Alkohol- gehaltes festzusetzen, welches an sich alkoholische Getränke nicht über⸗ schreiten dürfen, ohne als Branntwein angesehen zu werden. Für diese Festsetzung würden aber Erwägungen, die vom medizinischen Standpunkt aus angestellt werden können, wenig maßgebend sein und es würde das sanitäre Interesse nicht sowohl durch eine solche Fest: setzung als vielmehr durch die in 8. 5 des Gesetzes vom 14. Mai 1879 in Aussicht gestellten, zum Schutze der Gesundheit zu erlassenden Verordnungen zu wahren sein, soweit dies nicht bereits durch die Strafbestimmungen des §. 8 und event. des 5. 10 des genannten Ge⸗ setzes geschehen ist.
Zu 2. Anders liegt die Sache in dem zweiten Fall.
Jedes mittelst destillirten Alkohols (Branntwein) hergestellte Ge⸗ tränk der zweiten Art wird unbedenklich als (verdünnter) Branntwein angesehen werden dürfen, wobei es nicht darauf ankommt, welche Be⸗ zeichnung ihm beigelegt wird. Es würde uns nur als ein theoretisches Bedenken erscheinen, wollte man diese Auffassung beanstanden, weil im Sinne derselben wohl auch Getränke mit einem sehr geringen Zu—⸗ satz von Branntwein als Branntwein behandelt werden würden. Thatsächlich wird der Branntweinzusatz immer groß genug sein, um dem Gemisch den Charakter und die Wirkungen eines alkoholischen Getränkes zu verleihen und somit dasselbe einem (mehr oder weniger verdünnten) Branntwein gleich zu stellen.
Das als „Cyder“ verkaufte Getränk, in dem von dem Land⸗ gericht zu Gleiwitz unter dem 19. Juni 1882 abgeurtheilten Fall, welches ohne wirklichen Obstwein unter Benutzung von Branntwein hergestellt war, konnte demgemäß auch nur als „Branntwein“ ange⸗ sehen werden.
Berlin, den 14. Mai 1884.
(Unterschriften.)
— Der Fiskus haftet im Geltungsbereich des Preußi⸗ schen Allgemeinen Landrechts nach einem Urtheil des Reichs⸗ gericht s, V. Civilsenats, vom 27. September d. J., bei der Erfüllung privatrechtlicher Verpflichtungen gleich Privatper⸗ sonen, mithin aus pflichtwidrigen Amtshandlungen von Beamten nur unter denselben Voraussetzungen wie eine Privatperson unter gleichen Umständen aus den Hand⸗ lungen ihrer Vertreter.
— Durch Allerhöchste Kabinetsordre ist Se. Groß— herzogliche Hoheit der Prinz Ludwig von Baden, Seconde⸗Lieutenant im 1. Badischen Leib⸗Grenadier⸗Regiment Nr. 109, unter Stellung à la suite dieses Regiments in das 1. Garde⸗Ulanen⸗Regiment versetzt worden.
Württemberg. Stuttgart, 27. Oktober. (Allg. Itg.) Auf der ganzen Linie der Gewerbetreibenden Württem⸗ bergs regt es sich zur Einleitung von Schritten, welche die Bildung von Berufsgenossenschaften im Auge haben, wie solche zur Ausführung des Unfallversicherungs⸗ gesetzes vorgeschrieben sind. Neuerdings haben wieder zwei große Branchen in dieser Richtung Beschlüsse gefaßt. Nach⸗ dem die vereinigten Papier und Leder verarbeitenden Betriebe Württembergs kürzlich beschlossen haben, der von Leipzig aus⸗ gehenden Berufsgenossenschaft der Buchbinder und ähnlicher Gewerbe beizutreten, sprach sich eine heute hier abgehaltene zahlreich besuchte Landesversammlung von Angehörigen des Baugewerbes, darunter auch Vertreter der in Württemberg sehr bedeutenden Cementbranche, sowie Ziegeleibesitzer, für die Absendung einer Eingabe an das Reichs-Versiche— rungsamt auf Gründung einer Berufsgenossenschaft für Württemberg, mit Bildung eines Landes-Versicherungsamts für Württemberg, aus.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 29. Oktober. (Th. Corr) Der Großherzog und die Großherzogin werden, dem Vernehmen nach, etwas früher als ursprünglich hestimmt, zurückkehren und gegen den 9g. November wieder hier eintreffen. .
Für den Landtag, welcher morgen seine Thätigkeit wieder aufnimmt, ist ein reiches Arbeitsmaterial vorbereitet, namentlich auf dem Gebiete der Verwaltung, so daß die Session sich bis Anfang Dezember erstrecken dürfte. Zunächst wird der Landtag, obwohl die Session nur vertagt ist, einen Prä⸗ sidenten zu wählen haben. Der seitherige Präsident Dr. Fries hatte in der Zwischenzeit durch Beförderung zum Landgerichts— Präsidenten sein Mandat verloren; er ist zwar wiedergewählt worden, aber der Landtag wird ihn nun ebenfalls von Neuem zum Präsidenten zu wählen haben.
Anhalt. Dessau, 29. Oktober. Der „St. A“ publi⸗ zirt eine Verordnung der Herzoglichen Kreisdirektion zu Bal— lenstedt, welche die Wahl der ö zum Land⸗ tage auf den 19. November er. festsetzt.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 28. Oktober. Die „Wiener Zeitung“ entnimmt der Schlußrechn ung über den n Staatshaushalt der öster— reichisch'ungarischen Monarchie für das Jahr issæ, daß die Gesammtsumme der Ersparungen sich auf 7 069 437 Fl. die der Ueberschreitungen auf 2085778 Fl. beläuft. Beim Zollgefälle wurden keine Ueberschüsse präliminirt. Im Erfolge zeigte sich jedoch ein Ueberschuß von 15613 830 Fl. Im Er— jolge war auch günstiger die Bedeckung des gemeinsamen Finanz-Ministeriums um 37 062 Fl. und des Obersten Rech⸗ nungshofes um 111 Fl., giebt eine günstigere Bedeckung von 15651 003 Fl. Dagegen war der Erfolg ungünstiger bei der Be⸗ deckung des Ministeriums des Aeußern um 8 743 Fl., bei jener des Heeres um 228 568 Fl. und der Kriegsmarine um 16 544 Fl., zusammen um 343 854 Fl., mithin verbleibt ein günstigerer Erfolg in der Bedeckung von 15 307148 Fl. Wird diesem ünstigeren Erfolge in der Bedeckung die Summe der Er⸗ parungen per 7 069 4357 Fl., dann die aus der Gebahrung mit dem Okkupations⸗Kredite erzielten reellen eigenen Ein⸗ nahmen per 115 924 Fl., zusammen 7 186 361 Fl. zugeschlagen und von der Gesammtsumme des günstigeren Erfolges per 22492510 F1., die Summe der Ueberschreitungen per2 08977881.
in Abzug gebracht, so ergiebt sich die oben nachgewiesene verminderte Leistungsschuldigkeit der beiden Reichstheile von 20 402732 Fl. Das Netto⸗Erforderniß für das Jahr 1882 beträgt 130 9653 208 Fl, während ein Erforderniß von 151 345940 Fl. bewilligt wurde. Die von diesem Netto⸗Erfordernisse zu Lasten des ungarischen Staatsschatzes vorweg abzuziehenden 2 Prozent betragen 2619 9664 Fl. und von dem Reste per 128 334 144 Fl., welcher durch Quotenbeiträge zu bedecken ist, entfallen auf die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder 70 Proz., das ist 89 833 900 Fl., und auf die Länder der ungarischen Krone 30 Proz., das ist 38 500 243 Fl.
Agram, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Landtag genehmigte gestern in der General⸗ und Spezialdebatte die Vorlage, betreffend die Suspendirung der Jury bei Preß⸗ delikten, und nahm heute die dritte Lesung vor. Hierauf vertagte sich der Landtag auf unbestimmte Zeit.
Niederlande. Haag, 29. Oktober, Abends. (W. T. B.) Nach den bisher feststehenden Wahlresultaten sind 29 Mitglieder der liberalen Majorität gewählt, und gelangen außerdem 10 von denselben zur Stichwahl; ferner sind 3 ge⸗ sonderte Liberale gewählt und steht einer dieser Gruppe zur Stichwahl. Aus den antiliberalen Parteien sind 33 Abgeord⸗ nete gewählt und stehen 6 von diesen zur Stichwahl. Aus 9 Wahlbezirken, von denen 6 früher den Liberalen angehörten, sind die Resultate noch nicht bekannt.
Amsterdam, 29. Oktober. (W. T. B.) Bei den Wahlen, welche zur völligen Erneuerung der Zweiten Kammer der Generalstaaten in der Hauptstadt stattgefunden haben, wurden sämmtliche Kandidaten der liberalen Majori⸗ tät gewählt, während die Kandidaten der klerikalen und der J Partei mit starker Majorität geschlagen wurden.
— 29. Ottober. (W. T. B.) Von den Wahlen zur Zweiten Kammer sind 32 Resultate bekannt. Nach den⸗ selben sind in den betreffenden Bezirken die katholischen Abgeordneten, bis auf einen, der in Delft zur Stichwahl mit einem Liberalen kommt. sowie die calvinistischen Abgeordneten, bis auf zwei, die mit Liberalen und Kathokiken zur Stichwahl stehen, wiedergewählt. Von den 3 Konservativen ist nur einer wiedergewählt und kommen die anderen beiden im Haag zur Stichwahl mit Liberalen. Die gesonderten Liberalen verloren einen Sitz; in einem anderen, bisher von ihnen innegehabten findet Stichwahl mit einem Kandidaten von der liberalen Majorität statt; letztere verliert ebenfalls einen Sitz und steht in zwei anderen zur Stichwahl mit Calvinisten und Katholiken.
Großbritannien und Irland. London, 27. Oktober. (Allg. Corr.) Das heute veröffentlichte Blaubuch über die egyptischen Angelegenheiten enthält die nach— stehenden, dem Lord Wolseley ertheilten Instruktionen für die Expedition nach dem Sudan. Die bezügliche Depesche lautet:
... .. Der Hauptzweck der Expedition das Nilthal aufwärts ist, General Gordon und Oberst Stewart aus Chartum zu führen. Wenn dies erreicht ist, sind keinerlei weitere offensive Operationen zu unternehmen. Obgleich es Ihnen frei steht, bis Chartum vorzu— dringen, falls Sie einen solchen Schritt für den sicheren Rückzug General Gordons und Oberst Stewarts für erforderlich halten, so sollte es Ihnen doch gegenwärtig sein, daß Ihrer Majestät Regie⸗ rung die Sphäre Ihrer militärischen Operationen so viel als mög— lich zu beschränken wünscht Sie werden sich bemühen, sich so⸗— bald als möglich mit General Gordon und Oberst Stewart in Ver— bindung zu setzen. In Bezug auf alle polttischen Angelegenheiten wollen Sie sich an Ihrer Majestät Regierung wenden; deren In— struktionen werden Sie durch den Generalkonsul in Kairo erhalten. Sie wissen, die Politik der Regierung besteht darin, daß die egyptische Herrschaft im Sudan aufhöre. Es ist wünschenswerth, daß Sie allgemeine Instruktionen über zwei Punkte erhalten, die mit der Methode, diese Politik in Ausführung zu bringen, nothwendiger— weise in Verbindung stehen Diese sind 1) die zum sicheren Rückzug der egyptischen Truppen und der Civilbeamten zu ergreifenden Maß— regeln; 2) die in Bezug auf die künftige Regierung des Sudan, und insbesondere von Chartum zu verfolgende Politik. Die Unter— handlungen mit den Stämmen, um den sicheren Rückzug der Gar— nison von Kassalg zu ermöglichen, dürften gelegener von Suakim und Massauah aus geführt werden. Sie brauchen daher mit Bezug hierauf keine Schritte zu thun. Die Lage der Garnisonen in Darfur, Bahr— el⸗Gasell und in den Aequatorial-Provinzen macht es für Sie unmög— lich, irgend etwas zu thun, was deren Abzug erleichtern könnte, ohne Ihre Operationen weit über die Sphäre hinaus auszudehnen, die Ihrer Majestät Regierung zu sanktioniren vorbereitet ist. Was die Garnison von Sennaar betrifft, so ist die Regierung nicht vorbereitet, die Entsendung einer Expedition britischer Truppen den Blauen Nil aufwärts zu sanktioniren, um ihren Rück— zug zu sichern. Was die künftige Regierung des Sudan, und ins— besondere Chartums anbetrifft, so würde Ihrer Majestät Regierung in Chartum gern eine Regierung sehen, die, soweit es die innere Ver— waltung des Landes angeht, ganz unabhängig von Egypten ist. Die egytische Regierung würde vorbereitet sein, eine vernünftige Sudsidie an, irgend einen Chef oder mehrere Chefs zu zahlen, die mächtig genug sind, die Ordnung längs des Nilthales von Wady⸗Dalfa bis Ghartum aufrecht zu halten und die sich folgenden Bedingungen unterwerfen würden: 1) im Frieden mit Egypten zu bleiben und irgendwelche Einfälle in egyptisches Gebiet zu unterdrücken; 2) den Handel mit Egypten zu ermuntern; 3) durch jedes mögliche Mittel irgend welche Expeditionen zum Sklavenraube und zum Sklavenhandel zu hintertreiben. Sie sind ermächtigt, irgend ein Abkommen abzuschließen, welches diese allgemeinen Bedingungen ausführt. Die Hauptschwierigkeit wird in der Wahl eines Individuums oder einer Anzahl von Individuen bestehen, die zur Aufrechthaltung der Ordnung hinreichende Autorität besitzen. Sie werden natürlich nicht vergessen, daß irgend ein südlich von Wady⸗Halfa ir ft, Herrscher sich zur Aufrecht⸗ haltung seiner Stellung lediglich auf seine eigene Stärke zu veilassen hat. Wie bereits erwähnt, würde unter gewissen Bedingungen die egyptische Regierung vorbereitet sein, eine mäßige Subsidie zu zahlen, um die Ruhe und eine einigermaßen gute Regierung im Nilthale zu sichern. Darüber hinaus ist jedoch weder Ihrer Majestät Regierung, noch die egyptische Regierung vorbereitet, irgend welche Verantwort— lichkeit für die Regierung des Nilthales südlich von Wady-⸗Halfa zu übernehmen..
Die englische Staatsschuld betrug im Jahre 1884 III 588 323 Pfd. Sterl. gegen 755 570 374 Pfd. Sterl. im Jahre 1874.
Die überlebenden 18 Personen der Mannschaft des „Nisero“ langten am 26. d. M. an Bord des „Ajax“ in
der Themse an.
— 29. Oktober. (W. T. B.) Das Unterhaus setzte heute die Adreßdebatte fort. Der Staatssekretär Ashley vertheidigte die Politik der Regierung bezüg⸗ lich Südafrikas. Die Proklamation, betreffend die Schutz⸗ herrschaft über das Montsioga⸗Gebiet, sei zurückgezogen worden; die Regierung werde jedoch nicht dulden, daß frei⸗ beuterische Boers in diesem Gebiete bleiben. In vierzehn Tagen werde Warren mit hinreichenden Streitkräften nach Südafrika abgehen, um die diesbezüglichen Absichten der Regierung durchzuführen.
Frankreich. Paris, 28. Oktober. (Fr. Corr.) Der heute unter dem Vorsitz des Präsidenten Jules Gr évy ab⸗ gehaltene Ministerrath beschäftigte sich hauptsächlich mit der Tongking-Angelegenheit. Der Conseils⸗Präsident Jules Ferry theilte den Ministern die von ihm in dem betreffenden Kammerausschuß abgegebenen Eiklärungen mit. — Bezüglich der Senatorwahlen im Januar nächsten Jahres entschied sich der Ministerrath nach einer nochmaligen Prüfung dafür, kein provisorisches Wahlgesetz für diese einzubringen, da der letzte Termin erst am 30. Januar abläuft und die Kammern demnach Zeit genug hätten, das neue Wahlgesetz in aller Ruhe durch⸗ zuberathen. — Der Ministerrath beschloß ferner, daß der Minister des Innern 50 000 Fr. für die beschäftigungslosen Arbeiter in Lyon und 1600 Fr. für die Opfer der Cholera in Hport senden möge. — Die Frage der zoll⸗ freien Einfuhr von Baumwollgarnen wurde bis zur Er⸗ e ng der Angelegenheit durch den Ober⸗-Handelsrath offen gelassen.
Den Deputirten wurde gestern eine Zusammenstellung der Verpflichtungen des Staatsschatzes gegen die Gläubiger des Staates und für die durchzuführenden großen Arbeiten mitgetheilt. Der Gesammtbetrag der zu entrichten⸗ den Summen beläuft sich danach auf 16152736 554 Fr. 53 Cent., nämlich 6 588 528 077 Fr. 83 Cent. an Kapital und 9 564 208476 Fr. 70 Cent. an Zinsen. Die Annuitäten er⸗— strecken sich von 1884 bis 1960. Die meistbelasteten sind die von 1884 und ihnen unmittelbar folgenden. Die Annuität von 1884 beläuft sich auf 383 Millionen; von 1900 ab sinkt sie von 232 Millionen auf A Millionen.
Die „République frangaise“ veröffentlicht einen Artikel über die Lage der französischen Truppen in Tongking, in welchem sie zu dem Schlusse gelangt, daß schleunigst Verstärkungen abgesandt werden müßten, weil nur diese dem General Brière de l' Isle gestatten würden, die chinesischen Truppen zu verfolgen, deren Anprall die franzö⸗ sischen Garnisonen sich jetzt gefallen lassen müssen. Ebenso ergebe sich die Nothwendigkeit, das Landungs-Corps des Admirals Courbet zu verstärken, welches von einer feindlichen Ueberzahl im Norden der Insel Formosa in Schach gehalten wird. Die „République frangaise“ schreibt dann weiter:
Es sind in der Presser sehr überttiebene Befürchtungen über die Möglichkeit, die Verstärkungen unserem Landheere zu entnehmen, zu Tage getreten. Hat man sich doch nicht gescheut, das Wort Des organisirung für den Fall zu gebrauchen, daß eine allgemeine Mobi— lisirung des Heeres nöthig würde. Wir haben es da mit einer offenkundigen Uebertreibung zu thun, gegen die man nicht entschieden genug vorgeben kann, damit diesseits wie jenseits unserer Grenzen die Wahrheit bekannt werde. Wem wird man den Glauben beibringen, die Entsendung einer Verstärkung von, sagen wir, 10 000 Mann, könne einem aktiven Heere, welches, die Reserve einbegriffen, 1 200000 Mann zählt und das überdies noch von einer Landwehr von 600 000 Mann unterstünt wird, erheblichen Schaden verursachen? Haben nicht alle Die, welche den letzten großen Manövern gefolgt sind, die einmüthige Wahr— nehmung gemacht, daß unsere Reservisten mit den unter den Fahnen stehenden Soldaten ganz und gar Hand in Hand gehen? Wie Hr. Ballue im Schoße des Tongkingausschusses ganz richtig bemerkte, kann noch über eine gewisse Anzahl von Bataillonen, namentlich in Algerien, verfügt werden, ohne daß man in den Mechanismus der Mobilisirung einzugreifen brauchte. Unter den gänzlich freien Elemen— ten nennen wir: 1) 2 Bataillone der Fremdenlegion. Der Effektiv Bestand der Legion beträgt 7009 Mann und hat an Tongking bisher nur 2 Bataillone ab gegeben; 2) 3 Bataillone algerischer Tirailleurs, welche die Zahl der von jedem Regiment nach dem äußersten Osten gesandten Bataillone auf zwei ansetzen würde; 3) 1 Bangzillon leichter afrikanischer In⸗ fanterie; 4) 2 oder 3 Bataillone Jäger zu Fuß, von denen, welche keinem Armee ⸗Corps beigezählt sind und auch nicht zur Vertheidigung unserer Gebirgsgegenden gehören. Um diese Truppentheile partiell zu ersetzen, würde es genügen, die kostspieligen gemischten Compagnien in Tunesien abzuschaffen und sogleich mit den vorhandenen Elementen ein zweites Fremden⸗Regiment, ein 4. Regiment einheimischer Tirailleurs, ein 4. Bataillon leichter Infanterie und ein 4. Bataillon Spahis zu bilden. Vielleicht könnte man auch außerdem noch mit Freiwilligen aus anderen Corps ein 5. Bataillon für jedes der vier Zuaven⸗Regimenter bilden. In diesem Falle kämen zu den Verstärkungen für den äußersten Osten noch 4 Zuaven ⸗ Bataillone hinzu. Wenn, wie man annehmen darf, der Aus⸗ schuß für die Tongkingeredite entschlossen ist, das Nöthige zu thun, um eine rasche Abwicklung anzubahnen, so können wir ihn nicht dringend genug aufmuntern, die hier angedeuteten Anordnungen zu treffen. So würde er mit möglichster Sparsamkeit den gebieterischen Anforderungen des Augenblicks genügen und die entgültige Bildung der afrikanischen Truppen und der Kolonialreserven vorbereiten.
— 29. Oktober. (W. T. B.) Nach einer Depesche des Admirals Courbet, vom 27. d., ist aus Formosa nichts Neues von Belang zu berichten.
Der „Temps“ meldet die Ernennung des englischen Obersten Chermside, bisherigen Kommandanten von Suakim, zum General⸗Gouverneur des ganzen Küstenlandes am Rothen Meere mit Massauah als Aufenthaltsort. Der „Temps“ schließt hieraus auf die Ab⸗ sicht der englischen Regierung, sämmtliche egyptischen Häfen am Rothen Meere definitiv zu okkupiren.
Spanien. Madrid, 29. Oktober. (W. T. B.) Oberst Coello, welcher dem spanischen Gesandten, Grafen Benomar, für die Kongo-⸗-Konferenz beigegeben ist, wird am 1. No— vember nach Berlin abreisen.
Portugal. Lissabon, 27. Oktober. (Allg. Corr.) Das heutige amtliche Blatt veröffentlicht ein König⸗ liches Dekret, welches den Bischof von Quarda und den Erzbischof von Goa tadelt, weil sie die Aufmerksam⸗ keit des Clerus ihrer Diözese auf die päpstliche Encyclica, Humanum genus“, vom 20. April, gelenkt hatten, ohne vorber im Einklange mit dem portugiesischen Gesetz das Königliche Placet dazu eingeholt zu haben.
Italien. Rom, 29. Oktober. (W. T. B.) Der österreichische Botschafter beim Vatikan, Graf Paar, ist hier eingetroffen.
Gestern kamen in den infizirten Provinzen 26 Erkran— kungen und 7 Todesfälle an Cholera vor.
Turin, 29. Oktober. (W. T. B.) Am 4. November wird die Preisvertheilung an die Aussteller in Gegenwart des Königs und der Königin stattfinden. Das diplomatische Corps, die Minister und die Kammer⸗ Präsidenten haben dazu Einladungen erhalten.
New⸗Hork, 27. Oktober.
(Allg. Corr.) Mr. Blaine weilt gegenwärtig im Staate New-Hork und befindet sich auf der Reise hierher mittelst der Exie⸗Eisenbahn.
Amerika.
Er wird unterwegs Reden halten. Gouverneur Cleveland ist in Newark, New Jersey, und trifft morgen in New-Hork ein. — Die letzte Woche der Präsidentschaftswahl⸗
.
Propaganda hat mit großer Thätigkeit auf beiden Seiten begonnen.
Afrika. Eg ypten. Suakim, 27. Oktober. (Allg. Corr.) Ein Spion von dem Amarar⸗Scheich Ahmed Beddrie von Sinkat ist hier angekommen. Er sagt Osman Digma habe die Meldung erhalten, daß Berber und die Häuser auf den Inseln niedergebrannt worden. Beddrie war ge⸗ zwungen, sich den Rebellen anzuschließen. Als die Rebellen von dem Niederbrennen Berbers hörten, kehrten sie zu Osman Digma zurück, wobei sie auf ihrem Wege Andere unter An⸗ drohung des Todes zwangen, sich mit ihren Familien und ihrer ganzen Habe ihnen anzuschließen.
Seitungsstimmen.
Ein „Die Aufgaben des bevorstehenden Reichstags“ überschriebener Artikel des „Hamburgischen Correspon— denten“ lautet:
. . . Mit der Anbahnung einer spezifisch sozialen Gesetzgebung haben wir einen großen und glücklichen Anfang gemacht, ja wir haben mit ihr einen beneidenswerthen Vorsprung vor allen anderen Völkern gewonnen. Damit ist uns indessen zugleich die Ehrenpflicht auferlegt, diese Gesetzgebung nicht blos zu einem gedeihlichen Ende zu führen, sondern auch die praktische Möglichkeit ihrer Anwendung zu erweisen. Für unser wirthschaftliches Leben hat sich ferner, man könnte sagen mit dem Drange einer Naturgewalt, die endliche Inangriffnahme einer ent— schlossenen überseeischen Politik geltend gemacht, welche ein ganz neues Moment in die Verhandlungen des Reichstages bringt. Legt nun auch ein Arbeitsprogramm, welches sich in der Hauptsache auf so emi— nente Zielpunkte richtet, das beste Zeugniß für die Gesundheit und Kraft unserer Nation ab, so bleibt nichtsdestoweniger die Grundfor⸗ derung bestehen, welche unsere nationale Sicherheit durch die unan— tastbare Hochhaltung unserer bewährten militärischen Institutionen an uns stellt. . . .
Wag diese letztere hochwichtige Angelegenheit betrifft, so sind wir die Letzten, welche einer sorgfältigen Prüfung allec die Militärlast betreffenden Einzelnheiten entgegentreten möchten. Gerade weil in Deutschland mehr Verständniß für militärische Dinge herrscht, als in irgend einem anderen Lande, braucht die Reichsregierung die Die— kufsion militärischer Fragen nicht zu scheuen. Auch hat sich die europäische Lage durch die Annäherung Rußlands an die deutschen Kaisermächte sowie durch eine, gewisse Besserung unserer Beziehung ju Frankreich so günstig gestaltet, wie vor Kurzem kaum zu hoffen war. Nichtsdestoweniger wird an den Grundlagen unserer Militärverfassung nicht zu rüt— teln und deshalb auch von vornherein die Erneuerung des Militärseptennats in Aussicht zu nehmen sein, wenn sich auch die erste Session des Reichstages noch nicht mit derselben zu befassen haben wird. Denn nur allein die machtvolle Stellung, die uns unsere militärische Ueberlegenbeit gewährt, sichert uns dasjenige An sehen, durch welches wir bei Aufrechterhaltung und Förderung unserer nationalen Wohlfahrt zugleich den europäischen Frieden zu wahren vermögen. Speziell im Vordergrunde der parlamentarischen Aufgaben aber steht die Weiterentwicklung unserer jungen Marine. Man sieht schon jetzt mit Spannung der Vorlegung des Marine Etats beim Bundesrath entgegen, da derselbe dem Vernehmen nach erhebliche Mehrausgaben enthalten soll. Bei der allgemeinen Aner— kennung indessen, welche die ebenso thatkräftige wie einsichtige Ver⸗ waltung des neuen Chefs der Admiralität findet, und bei der Vor— liebe, welche die Nation von Anfang an der deutschen Marine zuge— wandt hat, dürften auch diesmal die Forderungen der Regierung um so mehr ein bereitwilliges Entgegenkommen finden, als dieselben mit dem allseitig so lebhaft gewünschten Eintreten Deutschlands in eine geregelte Kolonialpolitik in innigstem Zusammenhange stehen.
Diese Anfänge unserer überseeischen Politik, zu deren Unter— stützung an der westafrikanischen Küste sich soeben in Wilhelmshaven ein größeres Geschwader bereit macht, schließen naturgemäß auch die Erweiterung unserer Dampferverbindungen in sich, ganz abgesehen davon, daß diese letzteren an sich selber für die planmäßige Förde⸗ rung der deutschen Ausfuhr von wesentlicher Bedeutung sind. Da sich inzwischen nach dieser Richtung hin Lie Einsicht sehr geklärt hat, so dürfte die bekannte Dampfersubventionsvorlage im neuen Reichstag vielleicht nur noch deshalb beanstandet werden, weil man die zunäͤchst auf 5 400000 M6 bemessene Subvention nicht für ausreichend erachtet. Geringere Ausgabeposten für neu zu errichtende Berufskonsulate wird man ingleichen ohne Schwierigkeit bewilligen wollen Nicht minderes Verständniß wird man hoffentlich auch für die Herstellung des Nordostsee⸗Kanals haben, wenn dieselbe, wie es heißt, für eine Aufgabe des Deutschen Reichs erklärt werden sollte. Der Kanal ist bekanntlich sowohl für die Evolutionen unserer Flotte wie für eine geschickte Verwendung derselben in zwei Meeren von großer Wichtigkeit; daneben aber wird er der Vermittelung des Verkehrs zwischen dem industriereichen deutschen Westen und dem ackerbautreibenden Osten die vortrefflichsten Dienste leisten können.
Tragen diese zukunftsreichen wirthschaftlichen Unternehmungen schon in sich selber einen unberechenbaren Werth, so biete sie zugleich ein gesegnetes Heilmittel für die soziale Krankheit, an der beute mehr oder weniger alle großen europäischen Völker leiden. Denn wer wollte leugnen, daß namentlich eine gesunde Kolonialpolitik eine der besten Ableitungen der sozialen Umtriebe ist, welche bauptsächlich auf dem Mißvergnügen erschwerter Erwerbsthätigkeit und beschränkter Unternebmungslust beruhen. Aber freilich! Wie die Dinge namentlich in dem stark bevölkerten Deutschland einmal liegen, wird die Heilung der Krankheit so wenig durch die geregelte Aus— wanderung, als durch die ungeregelte allein geheilt werden. Der Reichstag wird deshalb auch mit allem Ernst die Weiterführung der soziajpolstischen Gesetzgebung ins Auge zu fassen haben, um dem er⸗ wünschten Ziel einer Aufhebung des Soꝛialistengesetzes allmählich näher zu kommen. Wie schon bekannt geworden ist, hat die Regie⸗ rung eine Ausdehnung der Unfallversicherung auf die land und forst⸗ wirthschaftlichen Arbeiter, sowie auf die Beamten und Arbeiter der Transportgewerbe in Aussicht genommen. Die betreffenden Entwürfe befinden sich schon in den Händen des Bundesraths. Namentlich die Versicherung der Transportgewerbe ist aber von großer Tragweite, und zwar auch in finanzieller Beziehung. Dabei ist augenblicklich die Finanzlage des Reiches keine allzu günstige. Gegen den diesjährigen Etat hat der Etat 1885,86 von vornherein einen Ausfall von 15 Millionen aufzuweisen, da das Finanzjabr 1883 / ohne Ueber⸗ schuß abschließt. Es müssen also jedenfalls für laufende neue Aus⸗ gaben auch neue Einnahmen beschafft werden, und das führt uns zugleich auf die schon so lange in der Schwebe begriffene Steuerreform.
Wie dies nach ihrer bis jetzt immer eingehaltenen Gewohnheit zu erwarten war, ist die Reichsregierung mit ihren die Weiterführung der Reform betreffenden Plänen noch nicht hervorgetreten. Es dürfte indessen keinem Zweifel unterliegen, daß auch auf diesem Ge— blete dem neuen Reichstage wichtige Vorlagen gemacht werden dürften. Mit der Frage der Reichssteuerreferm steht außerdem die so dringend erforderliche Entlastung von Kommunal⸗ und Schulabgaben in den Einzelstaaten in Verbindung. Man ist deshalb der Meinung, daß die Reichsregierung die Frage der Börsenbesteuerung nicht auf sich beruhen lassen und sich auch wohl entschließen wird, an die schwierige Frage einer richtigen Besteuerung des Branntweins heranzutreten. Bazu kommt die Nothwendigkeit, in die Neuregelung der Zuckersteuer einzutreten, wenngleich auch diese Aufgabe durch die gegenwärtige Zuckerkrisis nichts weniger als er— leichtert wird.
— Den „Schwäbischen Merkur“ veranlassen die ersten Wahlnachrichten zu folgenden Aeußerungen:
Es ist immerhin Bedeutendes geschehen. Der „Äufschwung“ der nationalliberalen Partei ist keineswegs Redensart, das Heidelberger
— keinekwegs Programm, die Vereinigung der gemäßigt konservativen und gemäßigt Liberalen ist keineswegs blos frommer Wunsch geblieben. In mühevoller Arbeit ist nach diesen Richtungen Vieles zu Stande gebracht worden und die Mühe wird sich lohnen, wenn auch nicht auf einmal alle Früchte reif werden. Das Ueber⸗ gewicht der radikalen Opposition, das sie übrigens auch bisher nur im Anschluß an die römische Partei hatte, ist erjchüttert, wenn es auch nicht auf einen Ruck gebrochen werden konnte.
Amtsblatt des Reichs-⸗Postamttz. Nr. 54. — Inhalt: Verfügungen: Vom 21. Oktober 1884: Leitung der nach Postagen⸗ turen bestimmten Nachnahmesendungen. — Verfahren bei Nachfor⸗ schungen über den Verbleib gewöbnlicher Briefsendungen im Wechsel— verkehr mit Oesterreich⸗Ungarn, Bayern und Württemberg. — Vom 22. Oktober 1884: Aenderung in den Tarifsätzen im Fahrpostverkehr mit der Schweiz.
Archiv für Post und Telegraphie. Nr. 19. — Inhalt: Aktenstücke und Aufsätze: Zum zehnjährigen Bestehen des Weltpost— vereins. — Gewitter und Gewitterbeschädigungen der Telegraphen⸗ anlagen im Juli 1884. — Das italienische Postwesen im Jahre 1882. — Der Ausbruch des Vulkans Krakatau im Jahre 1383. — Kleine Mittheilungen: Zur Verdrängung der Fremdwörter aus der Amts⸗ sprache. — Neue Postkarten von Griechenland und Finkand. — Ver- trag zwischen der französischen und der spanischen Regierung, be⸗ treffend die Legung eines unterseeischen Kabels zwischen den Kanari⸗ schen Inseln und dem Senegalgebiet. — Der deutsch⸗britische Post⸗ päckereiverkehr im Jahre 1883. — Die längste Drahtseilbahn in Deutschland — Der Papierverbrauch auf der ganzen Erde. — Zeit⸗ schriften⸗Ueberschau.
Neichstags⸗Angelegenheiten.
(N. A. Ztg.) Die Betheiligung an den Berliner Wahlen war weit weniger rege als 1881, denn im 1. Wahlkreis wurden von 21 611 eingeschriebenen Wählern (1881 betrug die Wählerzahl 18 065) 16101 gültige Stimmen abgegeben; es machten also hier 75 ½ der Wähler gegen 81,1 eĩὴ in 1881 von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Im 2. Wahlkreis betrug die Zahl der eingeschriebenen Wähler h8 869 (1881 42233), 38936 gültige Stimmen wurden abgegeben, es stimmten also hier nur 66 96ͤ0 gegen 79,1 0 0 in 1881. Im 3. Wahlkreis betrug die Zahl der eingeschriebenen Wähler 31 682 (1881 26 805), 22 921 gültige Stimmen wurden abgegeben, es stimmten also hier 720,½ gegen 80,2 oo in 18381. Im 4. Wahl⸗ kreis betrug die Zahl der eingeschriebenen Wähler 72,1l00 (1851 54,775), 47,592 gültige Stimmen wurden abgegeben, es stimmten also hier 666/90 gegen 76,2 /9 in 1881. Im 5. Wahlkreis betrug die Zahl der eingeschriebenen Wähler 26,729 (1881 21,089), 17,990 gültige Stimmen wurden abgegeben, es stimmten also hier etwas mehr als 671½ gegen 80,100 in 1881. Im 6. Wahlkreis betrug die Zahl der eingeschriebenen Wähler 74,89) (1881 55.466), 51, 323 gültige Stimmen wurden abgegeben, es stimmten hier also etwas mehr als 680/9 gegen 70,200 in 1881.
— (N. A. 3.) Die Zahl der Stichwahlen wird, wie schon vorher anzunehmen war, diesmal eine ganz außergewöhnlich große. Bis jetzt sind solche als sicher bekannt oder doch anzu⸗ nehmen außer in den 4 Berliner in folgenden 36 Wahlkreisen: Königsberg zwischen Soziald. und Deutschfr. — Elbing⸗Marienburg zwischen Letzteren und Konserv. — Stuhm -Marienwerder zwischen Polen und Nationallib. — Sorau zwischen Kons. und Deutschfr. — Magdeburg zwischen Deutschfr. und Soziald. — Halle zwischen Nationallib. und Teutschfr. — Waldenburg zwischen Reichs—⸗ partei und Deutschfr. — Breslau J. und II, zwischen Deutschfr. und Soziald. — Altona zwischen denselben. — Hannover (Stadt) zwischen Welfe und Soziald. — Siegen zwischen Kons. und Nationallib. — Altena-Iserlohn Deutschfr. und Nationallib. — Dortmund zwischen denselben. — Cassel zwischen Nationallib. und Soziald. — Frank— furt a. M. zwischen Volkspartei und Soziald. — Lennep-⸗Mettmann zw. Deutschfr. und Nationallib. — Solingen zwischen Centrum und Soziald — Cöln (Stadt) zwischen Centrum und Nationallib. — Elberfeld zwischen Nationallib. und Soziald. — Duisburg zwischen Nationallib. und. Centtum. — Er— langen zwischen Deutschfr. und Nationallib. — Nürnberg zwischen Deutschfr. und Soziald. — München J. jwischen Centrum und Nationallib. — Zittau zwischen Deutschfr. und Nationallib. — Dresden ⸗Altstadt zwischen Soziald. und Antisemit. — Dresden Neustadt zwischen Konserv. u. Soziald. — Pirna zwischen Konserv. u. Deutschfr., ebenso Döbeln. — Stuttgart zwischen Volkspartei und Nationallib. — Mannheim zwischen denselben. — Karlsruhe zwischen Nationallib. und Centrum. — Mainz zwischen Soziald. und Centrum. — Darmstadt zwischen Soziald. und Nationallib. — Hamburg III. zwischen denselben. — Lübeck zwischen Nationallib. und Deutschfr.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Bei der im 9. Wahlbezirk des Regierungsbezirks Düssel⸗ dorf (Geldern ⸗Kempen) stattgefundenen Ersatz wahl wurde an Stelle Majunke's der Buchdruckereibesitzer Ludwig Pleß aus Mülheim a. Rhein (Centrum) mit 468 Stimmen einstimmig zum Mitglied des Hauses der Abgeordneten gewählt.
Statistische Nachrichten.
Nach dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Berlin, 10. Jahrgang (Berlin, P. Stankiewicz' Buchdruckerei) bat die Zahl der Eheschließungen in Berlin in den Jahren 1873 bis 1882 absolut und relativ abgenommen. Die absolute Zahl der Ehen ist von 12397 auf 11 812 gesunken (das Maximum war 1875 14529, das Minimum 1878 10429 Ehen), die relative von 28,10 auf 20,12 Heirathende vom Tausend der Bevölkerung (im Maximum 1875 36,63, im Minimum 1879 1946 pro Mille).
Die verhältnißmäßig zahlreichsten Cheschließungen kamen im Jahre 1882 unter den Arbeitern ohne nähere Angabe der Art der Arbeit vor, denn von den betreffenden Männern heiratheten 1575 oder 406,8 pro Mille der Selbstthätigen, von den betreffenden Frauen gar 1253 oder 715,6 pro Mille. Demnächst folgen die mit persönlichen Dienst— leistungen beschäftigten Männer (184 oder 280,5 p. M.), dann die Schiffahrt treibenden Männer (123 oder 132,2 p. M.), die bei der Justizverwaltung beschäftigten Männer (433 oder 105,7 p. M.), die Metallarbeiter (1054 oder 74,8 p. M.), die Gärtnerei oder Land wirthschaft betreibenden Männer (119 oder 73,5 p. M.) und die den Bekleidungs⸗ und Reinigungsgewerben Angehörigen (1094 Männer oder 73,5 P. M. und 3742 Frauen oder 66,9 p. M.)
Die Zahl der gelösten Ehen hat dagegen von 1873 bis 1882 absolut und relativ zugenommen. Die der Ehen, welche durch den Tod getrennt wurden, ist von 5289 auf 609035 gestiegen oder von 426 pro Mille der neugeschlossenen Ehen auf 512 pro Mille. Die Fälle, in denen der Mann starb, haben sich von 3251 auf 3591 erhöht, aber relativ von 615 auf 595 pro Mille der neugeschlossenen Ehen vermindert. Die durch Erkenntniß getrennten Ehen sind von 480 auf 708 ange⸗ wachsen oder von 38,7 auf 43,4 pro Mille. Seit dem Jahre 1878, in welchem die relative Zahl mit 55 pro Mille ihr Maximum er⸗ reichte, hat dieselbe abgenommen. -
Verhältnißmäßig die meisten Ehen wurden nach 5 bis gjähriger Dauer durch den Tod gelöst: 695 durch den Tod des Mannes, 542 durch . der Frau, demnächst nach 10 — J15jährigem Bestande: 567 bezw. 375.
— Das XVI. Heft der Mittheilungen des Statistischen Bureaus der Stadt Leipzig enthält: den Bevölkerungswechsel in Leipzig in den Jahren 1881 und 1882, speziell die Tafeln über Geborene, Verstor⸗
bene und über Eheschließungen in Leipzig im Jahre 1881. Wir ent⸗ nehmen denselben aus dem Kapitel: Besonderes über Verstorbene in Leipzig im Jahre 1881 zunächst über Selbstmörder. Es kamen vor im Ganzen 81 Selbstmordfälle, wovon 63 auf männliche, 18 auf weibliche Individuen treffen. Erhängt haben sich 31 Männer, er⸗ schossen 14 Männer und eine Frau, ertränkt 10 Männer und 7 Frauen, vergiftet 6 Männer und 7 Weiber, zum Fenster herabgestürzt 1 Mann, 2 Frauen, den Hals aufgeschnitten 1 Frau, von einem Eisenbahnzug überfahren wurde 1 ann. — Durch Raubmord kam um 1 Frau, welche in der Wohnung erdrosselt und verbrannt wurde. — Tödtliche Unglücksfälle kamen im Ganzen 47 vor, wovon 8 auf weibliche und 39 auf männliche In⸗ dividuen trafen. Von Gerüsten und Treppen herabgestürzt sind 10 Männer, zum Fenster herabgestürzt 4 Männer und 2 Frauen, vom Dach herabgestürzt 1 Mann, vom Fahrstuhl gestürzt 1 Mann, aus der Droschke gestürzt 1 Frau, vom Pferd gestürzt 1 Mann, ertrunken 3 Männer und 1 Frau, durch Geschirre über⸗ fahren 4 Männer und 1 Frau, von der Pferde⸗Eisenbahn Überfahren 1 Mann. An Brandwunden gestorben 3 Männer und 2 Frauen. Durch fallende Gegenstände verletzt? Männer, durch Eisenbahn verletzt? Männer, auf nicht ermittelte Art verunglückt 7 Männer und 1 Frau. — Leichname wurden aufgefunden: 1 männl., und 2 weibl. Kinderleichen. Militärpersonen starben überhaupt 16. Nach den Konfessionen vertheilen sich die Verstorbenen wie folgt: Lutherische 3191, und zwar 1734 männl, 1457 weibl., darunter 170 ungetaufte Kinder. Reformirte 28 männl., 33 weibl., zus. 61, davon 3 unge— taufte Kinder. Römischkatholische 62 maͤnnl. und 37 weibl., zus. 99 Personen, davon 9 ungetaufte Kinder. Deutsch⸗Katholiken 4 männl., 1 weibl., zus. 5, darunter J ungetauftes Kind. Griechisch⸗ Katholische 1 männl. und 2 weibl. Kathol. Apostolische 3 weibl. und 3 männl., zus. 6. Apostolische 3 männl. Israeliten 265 männl. 11 weibl., zus. 37, darunter 3 ungetaufte männl. Dissidenten 2, un⸗ bekannt 8 männl., 4 weibl., zus. 12. Alles in Allem ohne Todtgebrene 1871 männl., 1547 weibl., zus. 3418, darunter 187 ungetaufte Kinder. — Im Jahre 1882 erhängten sich 27 Männer, 6 Weiber, zus. 33 Personen, erschossen sich inel 2 Militärpersonen 17, ertränkten sich incl. 2 Militärpersonen 12 Männer, 9 Weiber, zus. 21 Personen, ver gifteten sich ? Männer, 3 Weiber, zus. 5 Personen, erstach sich 1 Mi—⸗ litärperson, stürzten sich aus dem Fenster heraus 3 Männer und L Frau, zus. 4 Personen, schnitt sich den Hals auf 1 Weib, die Am-Arterien 2 Weiber, es kamen also im Ganzen 84 Selbst— mordfälle vor. Todtschläge kamen vor 1 durch Stich, 1 durch Schuß. Mord (durch Wasser) 1, im Duell erschossen 1. Tödtliche Unglücksfälle kamen vor von Gerüsten Treppen herabgestürzt 9 M. 1W. Zum Fenster herabgestürzt 1 M. Vom Dach herabgestürzt 3, vom Fahrstuhl erschlagen 1 M. Ertrunken 6 M., 1 F. Durch Geschirre überfahren 6M. Durch Fall 1 M., 1 F. Grubengas—⸗ vergiftungen 2 M., anderweitig erstickt 1 M. An Brandwunden gestorben 4 M. und 4 F. Durch herabfallende Gegenstände verletzt 2 M.,, 1 F. Durch Eisenbahnverletzungen 3 M. Gelegenheit unbekannt 5 M., 3 F., also zus. 44 M., 11 F. im Ganzen 55 Per⸗ sonen. Leichname wurden aufgefunden 3 weibl. Im Wasser gefundene Erwachsene 2 weibl. Militärpersonen starben überhaupt 19. Nach den Konfessionen vertheilen sich die Verstorbenen wie folgt: Es starben 1689 männl., 1386 weibl., zus. 305 Personen, darunter 191 ungetaufte Kinder. Reformirte 44 M., 21 Weiber, zus. 65 Personen, darunter 1 ungetauftes Kind. Römisch katholische 61 männl., 32 weibl., zus. 93 Pers., darunter 3 unge— taufte Kinder. Deutsch⸗katholische 1 Frau Griech. katholisch 1 Frau. Katholisch⸗apostolisch 1 Frau. Apostolische 4 Männer, 4 Frauen, zus. 8. Baptisten 1 Frau. Presbyterianer 1 Frau. Juden 24 Männer, 15 Frauen, zus. 39). Unbekannt 6 Männer, 4 Frauen, zus. 10. Also ohne Todtgeborene 1828 Männer, 1467 Weiber, zus. 3295 Pers., darunter 106 ungetaufte Kinder.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches von der Gründung des Norddeutschen Bundes bis auf die Gegenwart.“ Mit Erläuterungen und Registern herausgegeben von B. Gaupp, Geh. Regierungs⸗Rath, A. Hellweg, Landrichter, R. Koch, Kaiserl. Geh. Ober⸗Finanz Rath, W. Neubauer, Ober⸗ Landesgerichts⸗ Rath, W L. Solms, Ober⸗Corps⸗Auditeur, R Sydow, Ober ⸗Postrath, W. Turnau, Kammergerichts⸗Rath, F. Vierhaus, Landrichter. Verlag von J. Guttentag (D. Collin) in Berlin und Leipzig. — Von diesem Sammelwerk erschien soeben die fünf— zehnte und sechszebnte Lieferung. Dieselben bringen u. A folgende größere Gesetze: über den Markenschutz vom 30 November 1874 nebst den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen vom 8. Fe⸗ bruar 1875; über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875, die dazu er⸗ gangene Ausführungs⸗Verordnung, die Uebereinkunft mit Italien und Belgien wegen Verzichts auf die Beibringung von Trau⸗ erlaubnißscheinen, welche dem ‚Centralblatt für das Deutsche Reich“ entnommen sind, ferner die aus dem Handbuch für die Deutsche Handels⸗ marine abgedruckte Anweisung in Betreff der Beurkundung ron Geburten und Sterbefällen auf Seeschiffen; die Verordnung über die Natural⸗ leistungen für die bewaffnete Macht im Frieden vom 13. Februar 1875 nebst Instruktion zur Ausführung dieses Gesetzes; den Ruslieferungs⸗ vertrag mit Belgien vom 24. Dezember 1874; den Konsularvertrag mit Rußland vom 8. Dezember / 6. November 1874; das Bankgesetz vom 14. März 1875 nebst folgenden sonst nirgend zum Abdruck gelangten An lagen: Verzeichniß der bei der Reichsbank beleihbaren Effekten, Bestimmun⸗ gen für den Giroverkehr der Reichsbank, Offene Depots von Werthpapteren, Verzeichniß sämmtlicher Zweiganstalten der Reichsbank; das Statut der Reichsbank vom 21. Mai 1875; die Verordnung, betreffend die Tagegelder, die Fuhrkosten und die Umzugskosten der Reichsbeamten vom 21. Juni 1875 nebst Ausführungsbestimmungen des Reichskanz— lers, des Staatssekretärs des Reichs⸗Postamts und den Beschlüssen des Bunderraths, welche aus dem Centralblatt für das Deutsche Reich“, resp. dem „Amtsblatt des Reichks⸗Postamts“' entnommen sind; endlich den aus dem ‚Amtsblatte der Reichs ⸗Telegraphenverwaltung“ abgedruckten Internationalen Telegraphenvertrag vom 10 /22. Juli 1875 nebst Anlagen.
— Im Verlage von M. Heinsius in Bremen erschien soeben ein Buch, betitelt: Das Christenthum im Lichte der Vernunft und Erfahrung, geschrieben zur Ehre Gottes von einem Laien.“ Der Verfasser hat, wie er selbst in seinem Vorwort bemerkt, bei dieser Arbeit nicht das Bestreben gehabt, ein wissenschaftliches Werk zu schreiben, sondern nur in möglichst einfacher und schlichter Weise eine Anzahl von Gedanken niederlegen wollen, welche ihm auf Grund seiner eigenen Erfahrungen geeignet erscheinen, demjenigen, welcher ehrlich nach der Wahrheit sucht, über manchen Zweifel hinwegzuhelfen. Die an sich löblichen, dem Grundsatz der Religions. und Gewissensfreiheit entsprungenen Worte Friedrichs des Großen, daß in seinem Lande jeder nach seiner Fagon selig werden könne, haben nach Ansicht des Ver = fassers schon Manchem den Kopf verdreht, oder sind vielmehr schon von Manchem, dem Herz und Kopf verdreht waren, den Warnungen seines Gewissens gegenüber als eine Art Legitimation oder Entschuldi—⸗ gungsschein vorgebracht worden Sie konstruiren nãmlich den Satz so, als habe jeder das unanfechtbare Recht, ein eigenes, seinen persön⸗ lichen Neigungen und Wünschen entsprechendes Religions.“ und Sittensystem für sich zu begründen und auf Giund desselben selig zu werden, als sei man für seinen Glauben ganz unverantwortlich. Für unseren Glauben, sagt der Verfasser, sind wir allerdings nicht verantwortlich, wohl aber ohne Zweifel für die Art und Weise, wie wir die Thatfachen, auf denen derselbe beruht, untersucht und geprüft haben. Die Frage ist deshalb nicht sowohl: Glaub ich an Gott und Christum? Glaube ich an das Fortleben der Seele, oder glaube ich nicht? sondern vielmehr; Welchen Grund habe ich, nicht zu glau— ben? Auf welchem Wege bin ich zu meinen Ansichten gelangt? Habe ich mich dem Gegenstande mit dem aucsschließlichen Verlangen, die Wahrheit zu erkennen und nach nichts Anderem als der Wahrheit zu suchen, genähert, oder mit dem mehr oder weniger klar empfunde⸗
nen, in jeder Art der Forschung verwerflichen Wunsch, daß die