Statsjahr 1885/86, nebst Anlagen und einer Denkschrift; sodann 5) das Protokoll d. d. Berlin, den 16. Oktober 1884, über die Verpflichtung dreier neuernannter Mitglieder der Königlich preußischen Hauptverwaltung der Staatsschulden; 6) die Uebersicht der Reichsausgaben und Einnahmen für das Etats jahr 1882/83; 7) die allgemeine Rechnung über den Reichs⸗ aushalts-Etat für das Etatsjahr 1880181 nebst den dazu ge⸗ e. Spezialrechnungen, einem Vorberichte und den Be⸗ merkungen des Rechnungshofes; 8) die allgemeine Rechnung über den Reichshaushalt für das Etatsjahr 1879,80 nebst den dazu gehörigen Spezialrechnungen, einem Vorberichte und den Bemerkungen des Rechnungshofes; 9) die Uebersicht der Reichs— ausgaben und Einnahmen für das Etatsjahr 1883/84; 160) die Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer pro 1882,83 nebst Nachweisungen und Belägen.
Die Konstituirung der Abtheilungen soll am Sonnabend 12 Uhr stattfinden. ⸗
Hierauf vertagte sich das Haus um 35, Uhr auf Sonn⸗ abend 2 Uhr (Präsidentenwahl).
— Die Verjährung s⸗Bestimmung des 5. 343 Th. 1 Tit. 5 des Preuß Allg. Landrechts, nach welchem die Rechte, welche dem Uebernehmer einer Sache wegen natürlicher, die Sache selbst betr. Fehler zukommen, bei städtischen Grundstücken innerhalb eines Jahres nach dem Empfang der Sache aus— geübt werden müssen — bezieht sich nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 25. Oktober d. J, auch auf die Ansprüche aus dem Versprechen, daß das Haus von Schwamm frei sei. Nur in dem Falle, daß wegen Hausschwamms eine Betrugsklage gegen den Verkäufer, welcher bei dem Verkauf des Hauses von dem Vorhandensein des Schwammes Kenntniß gehabt hat, erhoben wird, kann der Einwand der Verjährung aus §. 343 nicht entgegengesetzt werden.
— Die Bestimmung des §. 804 der Civilprozeßordnung, daß gegen den Beschluß, durch welchen ein Arrest ange— ordnet wird, Widerspruch stattfindet, betrifft nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Civilsenats, vom 17. Ok— tober d. J., lediglich den Schuldner.
— Der Justiz⸗Minister hat unterm 27. November v. J. in Betreff der Erhaltung der Uebereinstimmung zwischen den Grundbüchern und dem Steuerkataster folgende allgemeine Verfügung erlassen:
Nach mehrfachen, von den Katasterbehörden gemachten Wahr— nehmungen werden die zum Zweck der Erhalkung der Ueber- einstimmung zwischen den Grundbüchern und den Steuerbüchern erlassenen Bestimmungen von einzelnen Amtsgerichten nicht aus— reichend beachtet. Insbesondere beziehen sich die Wahrnehmungen darauf, daß die Vorschrift des 5. 58 der Grundbuchordnung, nach welcher im Fall einer Abzweigung von Trennstücken ein beglaubigter Auszug aus den Steuerbüchern und eine von dem Fortschreibungs— beamten beglaubigte Karte vorzulegen ist, sowie die über die Ab, und Zu⸗ schreibung von Trennstücken in den §§. 60, 61 und 63 der Grundbuch— ordnung enthaltenen Vorschriften, ferner die Vorschriften in der Nr. VII. der Bestimmungen vom 5. Juni 1877 GJustiz. Minist. Bl. Seite 103), betreffend die Uebernahme der durch die Flurbuchs⸗ und Gebäudesteuerrollen⸗Anhänge nachgewiesenen Veränderungen in die Grundbücher, nicht selten unbefolgt bleiben.
Indem ich, namentlich auch mit Rücksicht auf die Wahrung der Interessen des Grundbesitzes und des Realkredits, den Amtsgerichten die genaue Befolgung der den Gegenstand betreffenden Bestimmungen dringend empfehle, ersuche ich die Präsidenten der Landgerichte, dem— selben ihre unausgesetzte Aufmerksamkeit zuzuwenden und nöthigenfalls im Aufsichtswege Abhülfe herbeizuführen.
Berlin, den 27. November 1883.
Der Justiz . Minister. Friedberg. An die Präsidenten der Landgerichte und an die Amts gerichte im Geltungsbereich der Grundbuchordnung.
Der Finanz-Minister hat in einem Cirkular-Eclaß vom 11. d. M. die Erwartung ausgesprochen, daß in Folge dieser Verfügung die früher mehrfach wahrgenommenen und durch die Jahresberichte der Kataster-Inspektoren zu seiner Kenntniß gebrachten Mängel, welche auf einer nicht zureichenden Beachtung der bestehenden Vorschristen hinsichtlich der Be⸗ ziehungen zwischen dem Grundbuche und dem Kataster be— ruhten, nunmehr überall abgestellt seien. Die Regierungen sind veranlaßt worden, hierauf auch ihrerseits fortgesetzt hin— zuwirken und jede Gelegenheit zu ergreifen, um etwa noch hervortretende Mängel zu beseitigen.
Cassel, 20. November. In der heutigen Sitzung des Kommunal-Landtags hat der Referent über den Ent— wurf einer neuen Kreis- und Provinzialordnung für die Pro— vinz Hessen-Nassau einen einleitenden allgemeinen Bericht er— stattet, in welchem die gegenwärtig in dem Regierungsbezirk Cassel bestehende Kreiseintheilung sowie kreis- und kommunal— ständische Verfassung näher dargelegt und auf die Aenderungen hingewiesen wurde, welche durch die neue Kreis- und Provin— zialordnung in Bezug auf jene Rechtsverhältnisse herbeigeführt werden.
Nachdem sodann von einer Generaldebatte Abstand genom⸗ men war, trat der Kommunal⸗-Landtag in die Berathung der einzelnen Paragraphen des Kreisordnungs-Entwurfs en, und wurde den Anträgen des Hauptausschusses gemäß beschlossen, der Königlichen Staatsregierung eine Abänderung der Vor— lage in folgender Weise zu empfehlen:
I) daß zu 5. 1 die Stadt Hanau aus dem dermaligen Kreise hangt ausgeschieden, aus dem letzteren ein Stadtkreis und ein kandkreis Hanau gebildet, und diese beiden Kreise an Stelle des der— maligen Kreises Hanau in das Verzeichniß der Kreise des Regierungs— bezirks Cassel in Anlage A (S. 33) der Vorlage sowie in das Ver⸗ zeichniß der Wahlbezirke des Regierungsbezirks Cassel Anlage B (S. 36) der Vorlage aufgenommen werden;
2) weiter zu §. 1:
a. daß die Stadt Bockenheim nebst den Gemeinden Eckenheim, Eschersheim, Ginnheim, Praunheim und Preungesheiln bei dem Re⸗ gierungsbezirk Cassel belassen werde,
b. daß, falls Seitens der Königlichen Staatsregierung die Ver— einigung dieser Gemeinden mit anderen zu einem neu zu bildenden Kreise vom Umfange des projektirten Landkreises Frankfurt a. M. beschlossen werden sollte, der neue Kreis dem Regierungsbezirke Caffel zugetheilt werde;
3) daß dieser projektirte neue Kreis nicht unter der Bezeichnung eines Landkreises Frankfurt a. M, sondern unter derjenigen eines Kreises Bockenheim gebildet und in das Verzeichniß der Kreise und der Wahlbezirke des Regierungsbezirks Cassel Anlage A und B (Seite 33 und 36) der Vorlage entsprechend eingestellt werde;
4) daß entsprechend den Beschluͤssen unter 2 und 3 der Eingang des §. 113 folgende Fassung erhalte:
„Die Auseinandersetzung zwischen dem kommunalständischen Ver⸗ bande im Regierungsbezirke Wiesbaden und den dem Kreise Bocken— heim zugetheilten, bisher zur Stadt Frankfurt a. M. und dem Re⸗ gierungsbezirke Wiesbaden gehörigen Gemeinden, bezw. dem kom—
munalständischen Verbande im Regierungebezirke Cassel ist durch ein u. s. w.“; ;
5) daß zu §. 4 Absatz 3 statt des Wortes Provinzial Landtags gesetzt werde Kommunal ⸗Landtags des betreffenden Regierung: bezirks; und im 5. 43 Absatz 2 statt der Worte der Provinzial ; vertretung!“ „dem Kommunal⸗Landtage des betreffenden Regierungs⸗ bezirks /;
ͤ 6M daß zu 8 25 folgender Zusatz trete:
„Insoweit die Polizeiverwaltung in einer der vormals kur— hessischen Provinzial⸗Hauptstädte (5. 41, 42, 50 der kurhessischen Ge⸗ meinde Ordnung rom 253. Oktober 1834) nicht einer besonderen Staatsbehörde oder einem besonderen Beamten, sondern dem Ober: Bürgermeister in Zukunft überwiesen werden sollte, wird die Aufsicht über dieselbe nicht von dem Landrath, sondern von dem Regierungs— Präsidenten geführt“; .
7) daß in der NUeberschrift des 5. 29 statt der Worte Landkreis Frankfurt a. M.“ die Worte „Kreis Bockenbeim“ und daß in gleicher Weise im Terte des §. 29 und des 5. 30 statt der Worte „‚Landkreise Frankfurt a. M.“ die Worte „Kreise Bockenheim“ gesetzt werden; .
8) daß der 5§. 32 zu streichen sei; .
9) daß zu s. 34 nach dem Absatz 1 der Satz eingeschaltet werde:
„Die Bestätigung kann von dem Landrath nach vorgängiger An— hörung des Kreisausschusses versagt werden. Gegen den Versagungs⸗ beschluß kann von dem Wahlkörper binnen zwei Wochen die Be— schwerde beim Regierungs ⸗Präsidenten angebracht werden.“;
10) daß zu §. 34 Absatz ? hinter dem Worte „Stellvertreter“ die Worte zugefügt werden: .
in der Regel aus den Mitgliedern der Gemeindebehörde“;
1) daß zu 5 39 Absatz 1 der Zusatz trete: .
„»Die Bestätigung kann von dem Landrath nach vorgängiger Anhörung des Kreisausschusses versagt werden. Gegen den Ver— sagungsbeschluß kann von dem Gutsbesitzer bezw. dessen Stellvertreter binnen zwei Wochen die Beschwerde bei dem Regierungs⸗Präsidenten angebracht werden. J. ; .
Ferner soll nach den Beschlüssen des Kommunal-⸗Landtags die Königliche Staatsregierung ersucht werden, auf administranivem Wege die Anordnung zu treffen, daß 29
I) allmonatlich zur Besorgung der laufenden Geschäfte an im Voraus bestimmten Tagen der Landrath des Kreises Frankenberg in dem Bezirke Vöhl und der Landrath des Kreises Gelnhausen in dem Bezirke Orb anwesend seien, und .
2) daß unter Berücksichtigung des deshalbigen Gesuches der Stadt Bockenheim ein Landrath für den neu zu bildenden Kreis Bockenheim mit dem Sitze in der Stadt Bockenheim bestellt werde.
Bei S§. 43 des Kreisordnungs⸗-⸗Entwurfs wurde die Sitzung
geschlossen.
Baden. Baden, 20. November. (W. T. B.) Der Großherzog und die Großherzogin von Mecklen— burg⸗-Schwerin sind heute nach Cannes abgereist.
Mecklenburg. Malchin, 17. November. (Meckl. Lan⸗ desnachr.) In der heutigen Sitzung des Landtages ge— langte das Allerhöchste schwerinsche Reskript vom 7. No— vemher zur Mittheilung, welches die Verzichtleistung des Herzogs Paul Friedrich von Mecklenburg— Schwerin für sich und seine Des cendenz auf die demselben zustehenden Rechte zur Erbfolge im Großherzogthum Meck⸗ lenburg sowie auf eine eventuelle agnatische Regent— schaft, unter Beifügung der dieserhalb ausgestellten Urkunden, zur Kenntniß der Stände bringt. Das Reskript lautet:
Friedrich Franz von Gottes Gnaden Großherzog von Mecklen— burg 2c. Unsern gnädigsten, Gruß zuvor. Edle, Veste, Ehrenveste, Ehrsame, liebe Getreue! Wach dem Unser Herr Bruder Paul Friedrich, Hoheit und Liebden, für Sich und Seine Descendenz auf die Ihm zustehenden Rechte zur Erbfolge im Großherzogthum Mecklenburg nach Maßgabe der anliegenden Urkunde verzichtet hat und Wir diesen Verzicht landetherrlich genehmigend geeeptirt haben, so haben Wir den Inhalt dieser beiden anliegenden Dokumente mit Zustimmung der majorennen Mitglieder Unseres Großherzoglichen Hauses in das Haus⸗ gesetz aufnehmen lassen, und haben auch Se. Königliche Hohest der Großherzog von Mecklenburg⸗-Strelitz mit den majorennen Mitgliedern des Großherzoglichen Hauses Ihren Beitritt zu diesen Hausgesetzlichen Bestimmungen erklärt. e —
Bei der hohen Wichtigkeit derselben für Unser Land fordern Wir euch auf, Unsere getreue Ritter⸗ und Landschaft von dem Inhalt dieses Reskriptes in Kenntniß zu setzen und bleiben euch in Gnaden ewogen.
; Gegeben durch Unser Staats⸗Ministerium.
Schwerin, 7. November 1884.
An den Engeren Ausschuß zu Rostock. Bassewitz.
Die in dem Reskript angeführten beiden Do kumente haben den nachstehenden Wortlaut:
Ich, Paul Friedrich, Herzog von Mecklenburg. verzichte hierdurch freiwillig für mich und meine Detcendenz auf alle mir zustehenden Rechte, jeder Art, an der Erbfolge im Großherzogthum Mecklenburg, und damit selbstverständlich auf alle Ansprüche auf eine eventuelle agngtische Regentschaft in der Weise, daß meine nachgeborenen Brüder und deren Descendenz in ihren gesetzlichen Rech en bezüglich der Eibfolge und dieses auch für den im Hamburger Vergkeich vom 8. März 101 vorgesehenen Fall, daß das Großherzog⸗ lich Mecklenburg-Strelitzer Regierhaus vor dem Schweriner aus sterben sollte, mir und meiner Degcendenz vorgehen sollen, daß aber nach Aussterben aller meiner Brüder und deren Des eendenz meine und meiner Des cendenz Rechte unter folgender Bedingung wieder in Kraft treten. In letzterem Fall soll nämlich der zur Erb folge Berechtigte verpflichtet sein, zur protestantischen Kirche über zutreten, um sein Erbrecht ausüben zu können, widrigenfalls er seines Erbrechts verlustig bleibt.
Cannes, 24. Februar 1884.
Friedrich Franz.
ge. Paul Friedrich, Herzog zu Mecklenburg. Durchlauchtigster Fürst! Freundlich vielgeliebter Herr Bruder!
Ew. Hoheit Li bden eröffne ich hiermit, daß ich den von Ew. Hoheit d. d. Cannes, den 24. Februar 1884, ausgesprochenen Ver⸗ zicht in der Weise genehmige, daß Ew. Hoheit für Sich und Ihre Deecendenz auf alle Ihnen zustehenden Rechte jeder Art an der Erbfolge im Großherzogthum Mecklenburg und damit selbstverständ⸗ lich auf alle Ansprüche auf eine eventuelle agnatische Regentschaft verzichten, der Art, daß Ew. Hoheit nachgeborene Brüder und deren Dek cendenz in ihren gesetzlichen Rechten bezüglich der Erk— folge, und dieses auch für den im Hamburger Vergleich vom 8. März 1701 vorgesehenen Fall, daß das Großherzoglich Mecklen⸗ burg⸗-Strelitzer Regierhaus vor dem Schweriner ausfterben sollte, Ew. Hoheit und. Ihren Descendenten vorgehen sollen, daß aber nach dem Auksterben aller Ihrer Brüder und deren Vescendenz Ihre und Ihrer Descendenz Rechte unter den unten folgenden Bedin⸗ gungen wieder in Kraft treten. Dagegen gestatte ich Ew. Hoheit auf Ihre Bitte, daß Sie Ihre Kinder in der katholischen Religion taufen und erziehen lassen, jedoch mit der von Ew. Hoheit Vamens Ihrer Descendenz versprochenen Bedingung, das derjenige Ihrer Descendenz, der nach obigen Vorausfetzungen zur Erbfolge in dem Großherzogthum Mecklenburg berufen würde, zur protestan. tischen Kirche übertreten muß, widrigenfalls er seines Erbrechts ver⸗ lustig bleibt. Die Ew. Hoheit als zweitgeborenem Sohne des regie renden Großherzogs hausgesetzmäßig zustehende höhere Apanage, sowie der lebenslängliche Besitz der vom hochseligen Großherzoge zur Secundogenitur errichteten Billa Gustava bei Ludwigskust werden
durch den von Ew. Hoheit geleisteten Verzicht nicht berührt, ebenso wenig als die den Descendenten Ew. Hoheit als Herzogen und Herzoginnen von Mecklenburg nach Landes- und Hausgesetzen zu⸗ stehenden sonstigen Rechte und Prärogative.
Cannes, den 213. Februar 1884. . ; Ew. Hoheit und Liebden
dienstwilliger treuer Bruder u gez. Friedrich Franz. n des Herzogs Paul Friedrich von Mecklenburg Hoheit.
Schwerin, 7. November 1884.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 29. November. (Thür. Corr.) Der Großherzog beabsichtigt, sich nach den bis jetzt getroffenen Bestimmungen in der nächsten Woche nach Allstedt zur Abhaltung von Jagden zu begeben.
Der Landtag wird voraussichtlich bereits übermorgen geschlossen werden können. Nachdem der Landtag unter Zu⸗ stimmung der Regierung sich für einen allgemeinen Steuer⸗ erlaß für die beiden nächsten Jahre der Finanzperiode aus⸗ gesprochen, ist ein wesentlicher Theil seiner Aufgaben erledigt. Unter den sonstigen Gegenständen, die seiner Beschlußfassung noch unterliegen, ist die Verwilligung von 30 000 M zur Her⸗ stellung und Unterhaltung einer Chaussee durch die Rhön von der preußischen bis an die bayerische Grenze sowie die Vor⸗ lage über den Bau einer Eisenbahn von Weimar nach Berka und Blankenhayn hervorzuheben. Für erstere Sache ist die
Zustimmung des Landtages zu erwarten, während die zweite Vorlage voraussichtlich nicht angenommen werden wird.
Sesterreich⸗ Ungarn. Pest, 19. November. (Prag. Ztg.) Der Ausschuß zur Berathung der Reform des Qberhauses hielt heute Abend seine erste Sitzung ab. Der Referent Lang führte aus, daß der vorliegende Gesetzentwurf den Forderungen des Parlamentarismus und den an das Oberhaus zu stellenden Ansprüchen entspreche. Iranyi war mit dem Gesetzentwurse nicht zufrieden, er brachte einen Be— schlußantrag ein, wonach an Stelle des Oberhauses ein Staatsrath gebildet werden solle, und zählte die Punkte über Wahl, Zusammensetzung und Wirksamkeit desselben auf. Der Minister⸗Präsident Tisza führte aus, wenn die Grundprin— zipien Iranyi's angenommen würden, wäre das Oberhaus nichts als ein durch Wahl gebildeter Körper. Es sprachen noch Szilagyi, Jokai und Apponyi, welch Letzterer namentlich auf den Mißbrauch mit dem Pairsschub aufmerksam machte. Nachdem der Minister⸗Präsident Tisza erklärt hatte, daß er kein Freund des Pairsschubs sei, und die projektirte Zusammen⸗ stellung des Oberhauses die Garantie dafür biete, daß ein Mißbrauch ausgeschlossen sein werde, wurde die Sitzung ge⸗ schlossen.
— 20. November. (W. T. B.) Der Finanzausschuß des Unterhauses diskutirte heute die allgemeine Finanzlage. Referent Hegedüs konstatirte die Herstellung des Gleichgewichts zwischen ordentlichen Einnahmen und Ausgaben. Das Defizit sei zwar noch immer groß, es werde aber auch ohne Steuer— erhöhung möglich sein, das Gleichgewicht in Zukunft herzu— stellen. Referent verwies auf die Besserung der wirthschast— lichen Lage, welche sich nach dem nächsten Ausgleiche und durch die künftige Valutaregelung noch steigern werde; auf diesem Wege könne künftighin ein Gleichgewicht hergestellt werden. Der Minister-Präsident Tisza spraͤch den Wunsch aus, daß die Fragen wegen des nächsten Ausgleiches und der Valutareguli— rung im nächsten Berichte nicht berührt werden möchten.
Schweiz;. Bern, 19. November. (Bund.) Der „Tessiner Handel“ spielt jetzt vorzugsweise in der öffent— lichen Diskussion, ist aber immer noch nicht erledigt. Man erwartet im Bundespalast den Bericht des eidgenössi— schen Kommissärs und hält bis dahin mit bezüglichen Mittheilungen zurück.
Niederlande. Haag, 20. November. (W. T. B.) Der König ernannte von den drei von der Zweiten Kammer erwählten Kandidaten Mackay zum Präsi—⸗ denten derselben. Mackay gehört der antiliberalen Partei an.
Großbritannien und Irland. London, 19. November. (Allg. Corr). Die Punkte des zwischen der Regierung und der Opposition getroffenen Uebereinkommens zur Erledigung der Wahlreform-Frage sind nach der „Daily News“ folgende: „Die Regierung hat ver— sprochen, die Vorlage für die Eintheilung der Wahlkreise sosort einzubringen und dieselbe durch alle ihr zu Gebote stehenden Mittel zu fördern. Sie hat ferner eingewilligt, der Opposition Gelegenheit zu geben, zu einer Verständigung mit ihr in Betreff der Prinzipien und Grundlagen‘ des Neueintheilungsplanes zu gelangen. Die Oppositlon im Oberhause verpflichtet sich ihrerseits, die Wahlreform— Vorlage in zweiter Lesung anzunehmen und an einer Be— rathung des Neueintheilungsplanes theilzunehmen mit dem aufrichtigen Wunsche, die ganze Frage zu einer schleunigen und befriedigenden Lösung zu bringen. Ferner erklärt die Regierung, daß sie ein Ermangeln ihrerseits, im nächsten Jahre die Neueintheilungs⸗-Vorlage durch das Unterhaus zu fördern oder irgend eine Abänderung der Maßregel, welche eine ernste Abweichung von dem zwischen ihr und der Oppo⸗ sition vereinbarten Prinzipien bilden würde, als verhängniß— voll für ihre ministerielle Existenz betrachten werde. Dle Regierung ist von dem Verlangen zurückgetreten, daß die Verpflichtung der Pairs, die Wahlreform-Vorlage anzunehmen, eine Bedingung sein soll, die vorausgehen müsse, ehe die Neueintheilungs Vorlage den konservativen Führern unter⸗ breitet wird. Genannte Vorlage muß vom Lord Salisbury „gesehen und gutgeheißen“ werden, ehe er irgend ein Abkom— men eingeht, so daß die Freiheit des Handelns der Pairs vollkommen reservirt ist.“ .
Die Zugeständnisse, welche die Regierung der Opposition gemacht hat, haben, wie es heißt, unter ihren radikalen Anhängern große Verstimmung und Ent— täuschung verursacht. Das Aufgeben des Verlangens nach einer „angemessenen Versicherung“, daß die Wahlreform-Vor— lage in diesem Jahre angenommen werden würde, hat die Unzufriedenheit unter den Radikalen erhöht. John Bright, der gestern bei einem vom „Achtziger-Klub“ im Westminster— Palace⸗-Hotel veranstalteten Biner eine Rede über die Frage in Betreff der Neueintheilung der Wahlkreise hielt, hat dabei dieser Verstimmung über das Kompromiß zwischen der Regierung und der Opposition gewissermaßen öffentlichen Ausdruck gegeben. Er sagte u. A.: „Wenn ich ein Mitglied der Re— gierung wäre und diese große Maßregel (Neueintheilung der Wahlkreise) dem Parlament zu unterbreiten hätte, würde ich nicht im Traum irgend einem Abkommen beistimmen, um die
. der Torypartei dazu zu erkaufen .. . Die egierung wird Schwierigkeiten mit dieser Vorlage haben. Ich glaube nicht so sehr an die Friedeneliebe der Oppofition. Ich habe eine solche nicht gesehen, seitdem dieses Parlament gewählt wurde, und nach der Vergangenheit zu urtheilen, haben wir nicht viel Grund dieselbe in Zukunft zu erwarten.“ Die „Times“ bemerkt zu den Auslassungen Brights: „Wir sind froh, daß Mr. Bright nicht ein Mitglied der Regierung ist. Er hat einen gefährlich großen Antheil an der Schwäche, Namen für Dinge zu verkennen, und weil er sein ganzes Leben lang die Tories gehuißt hat, ist er blind gegen Gefahren, die furcht— barer sind, als eine Neueintheilungs-Vorlage Lord Salisbury zu Gefallen zu erweitern. Wir hoffen im Gegentheil, daß die kommende Maßregel ein ehrlicher Ausdruck der englischen Meinung ohne Parxteirücksicht sein wird, und daß das jetzige Kompromiß einen Präcedenzfall bilden möge für künftige Koalitionen, um die erklärten Feinde der Liberalen wie der Konservativen zu vernichten.“
In der von den Morgenblättern gebrachten Dar— legung des Kompromisses scheint sich bezüglich der von der diegierung verlangten „angemessenen Verficherung“, daß das Oberhaus die Wahlreformvorlage 'in diefer Session annehnien werde, ein Frrthum eingeschlichen zu haben. Die Abendblätter bringen ein Communiqué, welches diesen Irrthum berichtigt. Dasselbe lautet: „Tie Regierung besteht darauf, die angemessene Versicherung beireffs der Wahl reformvorlage zu empfangen, ehe sie ihre Neueintheilungsbill produziren oder vorlegen kann. Dieses Erforderniß schließt jedoch nicht die Abhaltung eines freundlichen und vertraulichen Meinungsaustausches zwischen den Führern beider Seiten, ehe die Versicherung ertheilt wird, aus. Die Führer der Opposition haben einen solchen Minungsaustausch verlangt.“
General-⸗Major Scratchley, der neuernannte erste Ober⸗Kommissar für Neu-Guinea hat England ver— lassen, um sich auf seinen Posten zu begeben.
Mr. Caine, welcher Scarborough im Unterhause ver— tritt, wuß sich infolge seiner Ernennung zum Civillord der Admiralität einer Wiederwahl unterziehen.
Die „London Gazette“ enthält einen Erlaß der Königin, welcher eine Königliche Kommission nieder— setzt zur Förderung einer Ausstellung von Produkten, Fabrikaten und Kunstwerken aus den englischen Kolonien und Indien, welche im Jahre 1886 in London abgehalten werden soll. Der Prinz von Wales ist Präsident der Kom— mission, der außerbem die Herzöge von Edinburg, Connausht und Cambridge als Mitglieder angehören.
— 26. November, Abends. (W. T. B.) In der heutigen Dberhaussitzung bezeichnete Lord Norkhbrook ben heute von der „Times“ über seinen Bericht bezüglich Egyptens gebrachten Artikel als in wesentlichen Punkten in korrekt.
Im Unterhause erklärte der Premier Gladstone: die Regierung sei gegenwärtig mit der Vorbereitung von Vor— schlägen über die egyptischen Finanzen beschäftigt, die sie den Mächten zu unterbreiten beabsichtige. Sohald der Meinungsaustausch mit den Mächten über Egypten abgeschlossen sei, würde das Ergebniß desselben veröffentlicht werden; bis dahin sei jede Veröffentlichung, auch die Veröffentlichung der die Mission Lord Northbrooks betreffenden Schrifistücke unmöglich. Uebrigens habe sich das englisch⸗französische Abkommen? nur auf die im Sommer stattgehabte Konferenz, nicht auf die jetzigen Vorschläge bezogen.
Frankreich. Paris, 19. November. (Köln. Ztg.) Der Temps“ meldet: „Die Verhandlungen in Hinsicht des Friedens mit China sind noch weit entfernt, Gestalt zu gewinnen, wie es eine Londoner Havas⸗Depesche erwarten läßt.“ „Paris“ bemerkt dazu: „Es ist gegenwärtig nicht weniger noch mehr wahrscheinlich, daß die fortwährend schweben— den Vorberathungen zu einer ernstlichen Lösung gelangen. Auf jeden Fall wird weder eine englische Vermittelung noch der Schein der Unterwürfigkeit von Seiten China's uns verhindern, militärische Anordnungen für Tongking und Formosa zu treffen. Frankreich wird erst abrüsten, wenn China erstere Gebiete geräumt und ein Pfand für unsern friedlichen Besitz gegeben hat.“ — Der Kriegs-Mrnister hat in Uebereinstimmung mit dem Marine⸗Minister beschlossen, daß das Marine-Infan—⸗ terie⸗Regiment, welches nach Tongking geschickt wird, aus 18 Compagnien bestehen soll. — Der Seinepräfekt hat bis jetzt noch keine Verordnung betreff der Brottaxe erlassen. Wie es heißt, wird dieselbe um ungesähr 5 c für das Kilogramm Brot herabgesetzt werden; jetzt kostet das Kilo—
gramm 35 c.
— 20. November. (W. T. B.) Der Ministerrath wird, dem Vernehmen nach, am nächsten Sonnahend fest⸗ stellen, wie viel die von der Zolltarif⸗Kommission im Prinzip beschlossene Erhöhung der Importzölle auf fremdes Getreide und Mehl betragen“ soll— Dem „Temps“ zufolge würde die Erhöhung des Ein— gangszolls 3 Fres. nicht übersteigen. — Der Kongreß der landwirthschaftlichen Vereine Frankreichs hat sich einstimmig für die Erhöhung der Zölle auf ausländisches Getrei de ausgesprochen. — In den Kom munalwerkstätten . Lyon sind heute früh die Arbeiten wieder aufgenommen worden.
Im Senat beantwortete heute der Minister⸗Präsident Ferry die Interpellation Gavardie' s über Egypten und konstatirte, daß Frankreich auf der Londoner Konferenz zu dem Abschluß eines festen und dauerhaften Einvernehmens mit England zu gelangen gesucht habe. Irgend eine weitere neue Auskunft abzugeben, sei er außer Stande, denn er er— warte fortgesetzt weitere Mittheilungen der englischen Regie— rung, Freycinet widerlegte die seiner Verwaltung des Ministeriums in Bezug auf Egypten von Gavardie gemachten Beschuldigungen und sprach die Hoffnung auf eine schließliche Verständigung zwischen England und Frankreich aus. Die von Ferry beantragte einfache Tagesordnung wurde vom Senat angenommen.
In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer brachte Révillon (radikal den Nothstand der Pariser Indu strie zur Sprache und beantragte unter Hinweis dar— auf, daß eine große Anzahl von Arbeitern ohne Beschästigung sei, die Ausführung großer Arbeiten und“ die Bewillizunz eines Kredits von 3 Millionen für die Bevölkerung von Paris. Der Minister des Innern, Waldeck⸗Rousseau, zählte die Arbeiten auf, die bereits in Angriff oder in Aussicht ge— nommen worden seien, sprach sich gegen die verlangte Kredit— bewilligung aus und beantragte die einfache Tagesordnung. Die Kammer beschloß dem Anirage des Ministers gemäß.
Zwischen der Tongking-Kommission und dem Minister-Präsidenten Ferry hat sich in Folge von Abänderungen, die der Minister Präsident Ferry bei der Re⸗ daktion der vorher von ihm abgegebenen Erklärungen vor⸗ genommen haben soll, eine neue Schwierigkeit ergeben. Cl 6⸗ mencegu hat den Minister⸗Präsidenten benachrichtigt, daß er die Angelegenheit morgen in der Kammer zur Sprache bringen werde.
Nach einer dem Marine⸗Minister zugegangenen Depesche ist die Bai von Tadjurah bei Obock von den Franzosen besetzt worden.
Das Journal „Paris“ schreibt: einem Telegramm des Generals Brisre de l(Ilsle, vom 15. d. M., zu⸗ folge seien die Kanonenboote „Eclair“ und „Trombe“, als sie nach der Verproviantirung von Tuyenquan den hellen Fluß heruntergefahren, vom; Feinde heftig ange⸗ griffen worden; ein Matrose sei getödtet, 8 andere ver⸗ wundet. Oberst Duchesne sei abgesendet worden, um die Gegend vom Feinde zu säubern und die ermüdete Gar— nison von Tuyenquan abzulösen. General Brière füge seiner Meldung hinzu: es sei ein Corps von 8000 Chinesen signalisirt, welches den rothen Fluß herabkomme, er sei aber vorbereitet, dieselben zu empfangen. Nach dem näm— lichen Blatt werden 3 Kreuzer ersten Ranges, der, Magon“, „Lapérouse“ und „Primauget“ ausgerüstet, um zur Ver⸗ starkung des Geschwaders in Ostasien abzugehen.
Nach dem Bericht der Seine-Präfektur sind gestern von Mitternacht bis Mitternacht hierselbst 30 Personen an der Cholera gestorben und zwar 5. in der Stadt und 25 in den Hospitälern. — Heute starben in der Zeit von Mitternacht bis Mittag 8 Personen, davon 3 in der Stadt und 5. in den Hospitälern. — Aus Nantes werden von gestern 2 Cholera⸗ todesfälle gemeldet.
Spanien. Madrid, 20. November. (W. T. B.) Aus Toledo werden von gestern 2 Cholera⸗Todesfälle ge⸗ meldet; in Bien opa (Provinz Valencia) kam gestern ein Cholera⸗Todesfall vor.
November.
Italien. Rom, 20. (W. T. B.) Der Senat ist zum 27. 8d. M. einberufen worden.
Griechenland. Athen, 20. November. (W. T. B.) Der Kandidat der Regierungspartei, Kalligas, ist mit 105 Stimmen zum Präsidenten der Deputirtenkammer wiedergewählt worden. Der Kandidat der Opposition, Auto⸗ riopulos, erhielt 65 Stimmen.
Dänemark. Kopenhagen, 16. November. (Hamb. Vachr.) Die dem Folkething unterbreitete Vorlage des Fin anz⸗Ministers, betreffend die Altersversorgung, unterscheidet sich von der vorjährigen Vorlage wesentlich nur in folgenden Punkten: Die Interessentschaft ist auf unbe— mittelte Personen beschränkt, welche noch nicht das 45. Lebens— jahr vollendet haben. Die Beiträge der Interessenten sind freiwillig, und Niemand ist an bestimmte Einlagen gebunden. Der Zuschuß der Staatskasse richtet sich nach dem Alter der Interessenten. Das Maxamum der Altersversorgung ist 300 Kronen jährlich, und die Kommunen des Landes sind verpflichtet, Agenten anzustellen, und haften zugleich für deren Hebungen.
— 29. November. (W. T. B.) Im Folkething be—⸗ antragte heute die Linke, die Regierungsvorlage über die Arbeiterversicherung als durch die gestern angenommene Tagesordnung — wonach die Verhandlung über alle Regierungsvorlagen sistirt werden soll — erledigt anzu⸗ sehen. Der Conseils-Präsident Estrup erklärte: er halte nächst der Vertheidigungsvorlage die soziale Reform für die wichtigste der Regierungsvorlagen; die neue Form, die Vorlagen zu begraben, verändere in keiner Weise die Situation; er verlange ein positives Programm.
— 20. November. (W. T. B.) Der Präsident des Folkethings vertagte schließlich die Sitzungen bis auf Weiteres, da alle vorliegenden Berathungsgegenstände durch die gestrige motivirte Tagesordnung erledigt seien, und nichts Neues vorliege.
Asien. China. (Allg. Corr) Aus Amoy meldet der Korrespondent der Times“ unterm 18. d.: Der Stand der Dinge in Formosa ist unverändert. Tam sui ist noch nicht eingenommen worden. Eine sehr strenge Blockade wirs aufrecht gehalten. Die Franzosen warten die Ankun st von Verstärkungen ab.
Afrika. Egypten. Kairo, 19. November. (Allg. Corr.) Die Militärbehörben erwägen die Eventualität, die Rückkehr der Nil-Expedition bis zum nächsten Steigen des Nils zu verschieben.
Ueber den Verlauf der Nilexpedition meldet der in Dal weilende Spezial-Correspondent des „Standard“ unterm 17. d.: „Ein starker Nordwind fährt fort zu wehen, welcher dem Fortschritte der Boote wesentlichen Vor— schub leistet. Sollte er anhalten, so werden die Truppen in Dongolg eher beisammen sein, als dies vor einigen Tagen möglich schien. 60 Kameele sind von Dongola hier ange— kommen, um Vorräthe zu holen, und wenn sie beladen nach Dongola zurückkehren, wird die berittene Infanterie in der Lage sein, einen Vorstoß nach Ambigol zu machen.
Seitungsstimmen.
Die „Staatsbürger-Zeitung“ schreibt:
Die Thronrede, mit welcher der Deutsche Kaiser den Reichstag eröffnet hat, enthält nichts, was wir nicht erwartet hätten, aber grade das ist es, was sie uns besonders werthvoll erscheinen läßt. Nicht der leiseste Schatten des Fremdartigen tritt uns in den herzigen Worten des greisen Monarchen entgegen; zwischen Ihm und Seinem Volk herrscht kein Mißverständniß, das irgend welches Mißtrauen hervorzubringen im Stande wäre; es ist Alles klar, und hell ist der Weg erleuchtet, den wir zu verfolgen haben, um zu dem Ziele zu ge— langen, an welchem die Wänsche und Hoffnungen des Kaisers und Seines treuen Volkes sich vereinigen.
Die Freude des Kaisers darüber, daß es Ihm, dem über 87 Jahre zählenden Greise, vergönnt war, die Vertreter des Volkes persönlich begrüßen zu können, findet ihre Erklärung in dem nachfolgenden Satze, in welchem er Seine Genugthung darüber ausspricht, daß die Kaiserliche Botschaft vom 17. November 1881 ihrer Erfüllung ent⸗ gegengehe. Wir können hieran nur den Wunsch knüpfen, daß Er auch die Krönung des Werkes noch erleben möge, zu welchem Er in wahr— haft landesväterlicher Fürsorge den Grundstein legte—
Es ist ja noch frisch in Aller Gedächtniß, daß die Gegner des Unfallversicherungsgesetzeß einen der Hauptmängel desselben darin fanden, daß es sich nicht mit auf die Arbeiter der Landwirthschaft und des Transportwesens erstrecke. Jetzt sind die schon damals voll—
ständig unberechtigten Zweifel verschwunden. Die Regierung bat ihr Versprechen eingelöft und an dem Reichstag wird es nun sein, in vollster Einmüthigkeit der vorgeschlagenen Ausdehnung des wohl- thätigen Gesetzes zuzustimmen. Stufenweise, wie es in der Thron rede heitzt, wird sich die Reform voll siehen, und somit ist denn auch mit Sicherheit darauf zu rechnen, daß die Reichsregierung nicht mit den Vorarbeiten säumen wird, welche die Alters. und Invalidenver · sorgung, der Schlußstein der Reform, erfordert.
Es dürfte hier die Frage am Platze sein, wie sich der Reichstag zu diesem Vorgeben auf dem Wege der fozialen Reform stellen werde, und da kann es nur zu unserer Genugthuung dienen, daß die Mitglieder der Arbeiterpartei ihre Bereitwilligkeit, für die Reform mit einzutreten, bereits zu erkennen gegeben haben. Folgen sie dieser Erklärung auch bei der Berathung der Vorlagen im Reichs tage, so ist die Hoffnung nicht ausgeschlossen, daß auch der innigste Wunsch des Kaisers, die Herstellung des inneren Friedens, zur Wahr⸗ heit wird. Der Standpunkt der Negation wäre dadurch verlassen und wohl oder übel müßte auch die Manchesterpartei, wenn sie sich nicht ganz unmöglich machen wollte, ihre bisherige Haltung aufgeben. Dadurch, daß es der Arbeiterpartei durch die ihr in den Wahlen gewordene Stärke möglich gemacht worden ist, selbständige Antrãge zu stellen, wird sie einen wesentlichen Einfluß auf die soziale Gesetzgebung gewinnen, und auch das kann nur erwünscht sein. Wir betonen das Wort „Arbeiterpartei“, weil wir der Meinung sind, daß mit der Umwandlung des negativen Standpunkts der Sozialdemo⸗ kratie in den positiven Standpunkt der einflußreichen Mitwirkung an der Gesetzgebung auch die Umwandlung der Parteistellung vollzogen wird. Das Sozialistengesetz, dem wir ein baldiges Ende wünschen, würde durch einen solchen Schritt gegenstandslos werden.
Wie wir es bei der Einverleibung Hamburgs in den Zollverein erwartet haben, ist Bremen ganz von felbst gekommen, und somit sind alle schlimmen Prophezeiungen der Manchesterpartei und ihrer Anhängsel zu Nichte geworden. Die Thatsachen haben für die Po⸗ litik der Reichsregierung entschieden.
Dasselbe ist aber auch in Betreff der Vorlage wegen Subven— tionirung der Postdampfschiffabrt der Fall; auch hier haben die That⸗ sachen gesprochen und ihnen wird sich selbst der Abg. Dr. Bamberger beugen müssen. Und wenn nicht? Nun, dann wird die Vorlage 5 ohne seine Zustimmung und die seiner Freunde zur Annahme gelangen.
Der wichtigste Passus der Thronrede ist unstreitig der Hinweis auf die Stellung, welche Deutschland zu den anderen Staaten ein nimmt. Die Pflege des Friedens, das Glück der Völker und die freudige Zuversicht auf die dauernde Sicherung desselben, das ist das Beste, was dem Deutschen Vaterlande, was allen Völkern geboten werden kann. Diese erhabenen Worte des greisen Heldenkaisers werden einen freudigen Widerhall finden in allen Zonen und segens⸗ reich wirken überall, wo Menschen wohnen.
— Die „National-Zeitung“ sprechung der Thronrede:
...: In der Börsensteuerfrage wird es mit der bloßen Ver— neinung nicht gethan sein. Die nächftbetheiligten Kreise selbst müssen, zur Abwehr ruinirender Projekte, Besteuerungsvorschläge aufstellen, bei denen das solide Geschäft bestehen kann, und diefelben den Par⸗ teien, welche nicht von blinder und thörichter Gehässigkeit gegen die Börse erfüllt sind, zur Vertretung im Reichstag übergeben.
— In den „Berliner Politischen Nachrichten“ lesen wir:
Als einen erfreulichen Erfolg der beschlossenen Einverleibung Hamburgs in das deutsche Zollgebiet können wir schon jetzt konsta⸗ tiren, daß sich große und angesehene dortige Firmen sehr gern bereit finden lassen, die Vertretung leistungsfähiger deutscher Fabriken zu übernehmen und den Export deutscher Waaren zu ihrem Hauptberuf zu machen. Es wird dies wesentlich zur Belebung des Letzteren bei⸗ tragen, da an keinem anderen Orte eine so genaue Kenntniß des auswärtigen Marktes und der Bedürfnisse der überseeischen Plätze vorhanden ist, wie offenbar in der vorgenannten Hansestadt.
— Die „Baugewerkszeitung“ bemerkt zu dem Antrag Ackermann:
.. Wenn auch auf den Gewerbebetrieb selbst die lex Ackermann keinen Einfluß ausübt, so wird sie doch dafür forgen, daß nicht in so ungerechtfertigter Weise wie bisher eine Menge von befähigten Leuten ihre Arbeitskraft den großen Aufgaben der Innungen entziehen und sich damit begnügen, die von anderen Leuten gezeltigten Früchte in den Mund zu stecken. Nach unserer Ansicht werden sich jetzt viele Fachgenossen beeilen, Aufnahme in den Innungen zu finden, sonst wird ihnen eines Tages verboten werden, Lehrlinge zu halten. Nun ist zwar das Halten und Ausbilden von Lehrlingen nicht gerade mit Vor— theil verbunden, im Gegentheil, wer es ehrlich mit seinen Lehrlingen meint, wird bei vielen Pflichten wenig Dank haben, aber es ist doch ohne Zweifel, daß das Publikum sehr bald unterscheiden wird, wer Lehrlinge halten darf und wer nicht. Davon wird die Werth schätzung abhängen; denn wer nicht Lehrlinge ausbilden darf, wird nicht als voll angesehen werden.
Somit glauben wir, daß die Annahme des Antrages Ackermann auf die Entwicklung der Innungen einen wesentlichen Einfluß aus⸗ üben und zur Befestigung dieser Institutionen beitragen wird.
sagt in einer Be⸗
Statiftische Nachrichten.
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 8. November bis incl. 15. November cr. zur Anmeldung gekommen: 230 Eheschließungen, 870 Lebendgeborene, 36 Todtgeborene und 577 Sterbefälle.
— Nach der „Uebersichtlichen Zusammenstellung der wichtigsten Angaben der deutschen Eisenbahn⸗Statistik“ betrugen die Baukosten sämmtlicher deutschen Eisenbahnen mit normaler Spur⸗ weite im Betriebsjahre 1882/83 8749 637 5667ꝰ SS (iss /82 8 608 652 862) d. i. auf 1ß Rm Eigenthumslänge 251 315 M (188I82 250 972 S). Zu den Baukosten treten für diese Bahnen zufammen hinzu an Coursverlusten, Zinsen während der Bauzeit und sonstigen Aufwendungen 681 980 146 S½ (1881.82 613 657 450 ), während durch Ueberschüsse der auf Baufonds betriebenen Strecken Räck— einnahmen, Coursgewinne, Verwendungen aus Betriebsmitteln, Subventionen, Zinsen der Kapitalien und sonstige Ein nahmen abgehen 391 432 954 M (1881/89 339 520 227 ); so daß die gesammten Bauaufwendungen sich belaufen auf 2 040 184844 MÆ (1883/82 8912735 085 S), d. i. auf 1 Ea Eigenthumslänge 259 660 S (1881/82 259 837 46). Das ver—⸗ wendete Anlagekapital (der gegenwärligen Besitzer) beträgt für die sämmtlichen deutschen Bahnen g 238 509 696 MS. (881/82 9 054 560 226 „), d. i. auf 1“ km Eigenthumslänge 265 356 1881582 263 972 6). Von dem verwendeten Anlagekapital sind eschafft worden: I) bei Staatsbahnen: durch Staatsanleihen 6 80ß 017 829 S (188182 5 849 831 412 6), aus extraordinären Fonds 584 541 897 ½M (1881/82 570 481 507 „S), 2) bei Pcivat⸗ bahnen: durch Emission von Aktien 942 667 929 (1881 / 82 1282199 123 ½6), von Obligationen 895 919 257 Æ (1881 / 32 1256 655 955 S). durch schwebende Schulden 89 314317 (1881/82 87 039 668 6). — Beil den preußischen Staatsbahnen be—= liefen sich die Baukosten überhaupt auf 4143 189 953 0 (1881.82 3242181 354 M)) unter Hinzurechnung von Coursverlusten. Zinsen während der Bauzeit ze. und unter Abzug der Ueberschüsse von auf Baufondg betriebenen Strecken der Rückeinnahmen, Courg—⸗ gewinne 2c. stellten sich die gesammten Bauaufwendungen auf 1305124 735 M (1881/82 3 380 313 279 6). Das vom preußischen Staat überhaupt verwendete Anlagekapital belief sich auf 4424 121 064 M (1881/82 3 447 831 712 Ac), d. i. auf 1 Rm Eigen⸗ thumslänge 304 427 M (—1831./87 289 537 66). Von dem verwen⸗ deten Anlagekapital der preußischen Staatsbahnen sind beschafft durch Staatsanleihen 4 33539 428 978 . (1681/82 3444 661.933 A), aus extraordinären Fonds 988 201 M (1881/82 988 201 A), durch Emission