Großbritannien und Irland. London, 25. Novem⸗ ber. (Allg. Corr.) Die Königin wird im Laufe der nächsten Woche der Herzogin von Albany auf Schloß Clare⸗ mont einen Besuch abstatten und bei dieser Gelegenheit der Tau fe des neugeborenen Herzogs von Albany beiwohnen.
Die Stärke der Betschuanaland⸗Expedition ist auf S000 Mann aller Waffengattungen erhöht worden.
— 27. November. (W. T. B.) Nach dem „Standard“ sind die Vorschläge der englischen Regierung betreffs der Regelung der Finanzen Egyptens folgende: Eng⸗ land schießt 5 Millionen Pfd. Sterl. zur Tilgung der admini⸗ strativen Lasten vor, von denen eine Million für Bewässerungs⸗ anlagen in Unter⸗Egypten bestimmt ist. Die Einkünfte der Dalra und der Domänen werden als Sicherheit für die Anleihe, welche von England zu 31 Proz. garantirt wird, in die englische Bank eingezahlt. Der Zinsfuß der Prioritätsschuld wird nicht reduzirt; aber dieser Schuld wird der Betrag der Entschädigungen für die Verluste bei dem Bombardement von Alexandrien hinzugefügt. Die Daira⸗Anleihe geht in der unifizirten Schuld auf. Der Zinsfuß der ganzen unifizirten Schuld wird um ein halbes Prozent reduzirt, wodurch jähr— lich 320 0090 Pfd. Sterl. erspart werden. Die Zinsen der englischen Suezkanal⸗Aktien werden um 1 Proz. reduzirt. Die Daira⸗ und Domänenverwaltung wird abgeschafft. — Ein Leitartikel der Times“ stizzirt die Vorschläge der eng⸗ lischen Regierung übereinstimmend mit dem „Standard“ und meldet, daß die Summe der Entschädigungen für die Verluste bei dem Bombardement von Alexandrien durch Creirung von 4 000 000 Pfd. Sterl. neuer 5proz. Prioritätsbonds be⸗ schafft werden soll.
Madras, 23. November. (A. C.) Ein verheerender Wirbel sturm hat diesen Theil der Präsidentschaft heim⸗ gesucht. Ungeheuerer Schaden wurde im Rothen Gebirge an⸗ gerichtet, und die Dämme des Flusses Cholaveram, woher Madras seine Wasserzufuhr bezieht, sind arg beschädigt wor⸗ den. Die Zufuhr ist in Folge dessen abgeschnitten und Madras für seinen Wasserbedarf auf die Brunnen angewiesen.
Frankreich. Paris, 25. November. (Fr. Corr.) Die „Agence Havas“ theilt den Blättern folgende Note mit: „Der Minister des Innern übermittelte dem heutigen Ministerrath die Berichte über die versuchten Ruhestörungen nach der Versammlung in der Salle Levis vom letzten Sonntag. Nach diesen Informationen und den in den Be⸗ richten dargelegten Eindrücken war die eigentliche Ar⸗ beiterbevölkerung in nichts bei dem Zwischenfall be⸗ theiligt, welcher das ausschließliche Werk von Revolu— tionären von Profession ist, denen sich Leute, die keine an⸗ ständige Beschäftigung haben, anschlossen.“
— (Köln. Ztg.) Das Comité des Ministeriums des Innern für die Festungswerke hat sich für die Ab⸗ tragung der Ringmauer von Paris ausgesprochen. Dieselbe soll aber erst erfolgen, wenn alle Forts von Paris beendet sind.
Den neuesten Nachrichten der „Ag. Havas“ aus Madagaskar zufolge, haben 965 Franzosen, welche vor Kurzem erst den Posten von Ambutimadru auf der westlichen Küste besetzt hatten, einen Ausflug nach der Umgegend ge⸗ macht, einen Hovaposten, 18 km im Innern, der von 416 Mann mit Geschützen vertheidigt war, erstürmt, die Hovas in die Flucht geschlagen, denselben 17 Mann, darunter den Chef des Postens, getödtet und 30 Gefangene gemacht. Die Geschütze, die Lafetten und der ganze Posten wurden zerstört, das Pul vermagazin in die Luft gesprengt.
— 26. November. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer setzte heute die Berathung der Kreditvor—⸗ lage für Tongking fort. Der Minister-Präsident Ferry erklärte: er wolle keineswegs jede Verantwortlichkeit des gegenwärtigen Ministeriums für die augenblickliche Lage der Dinge in Tongking zurückweisen, er wolle indessen den dem Ministerium zukommenden Theil der Verantwortlichkeit begrenzen und jedem das geben, was ihm zukomme. Das Verhalten des gegenwärtigen Ministeriums sei durch zwei in der Kammer abgegebene Voten vorgeschrieben. Das Ministerium sei einzig und allein der von der Kammer ge⸗ gebenen Anregung gefolgt. Er müsse entschieden gegen den Vorwurf, das Land getäuscht zu haben, protestiren. Alles habe sich bei hellem Tageslicht vollzogen. (Widerspruch.) Der Minister gah zu, daß man von den Ereignissen fort— gezogen worden sei; aber das hätte nicht anders sein können bei Ereignissen, die sich in fernen Kolonien zugetragen hätten, wo stets sehr viel des Unvorhergesehenen eintreten könne. Hr. Ferry erklärte ferner: Die Wahrheit über unsere Situation in Tongking ist, daß unsere Truppen keineswegs, wie man ihnen vorwirft, gleichsam wie Gefangene im Delta eingeschlossen sind, sondern daß sie tagtäglich sieg⸗ reich vorwärts dringen. Die militärische Lage in Tongking ist vortrefflich. Die Hülfsquellen dieses Landes werden sich bei guter Verwaltung noch weiter entwickeln; vorher aber ist es nöthig, daß Tongking pazifizirt und daß der Konflikt mit China, sei es durch einen Vertrag, sei es durch einen modus vivendi beigelegt werde. Die Sitzung wurde hierauf suspendirt. — Nach Wiederaufnahme derselben fuhr der Minister⸗Präsi⸗ dent in seiner Rede fort. Er hielt das Recht Frankreichs, wegen des Ueberfalls bei Baels von China eine Ent— 1 zu verlangen, aufrecht. China habe die Me— diation Englands nachgesucht und Letzteres sei bemüht, eine Üütliche Lösung anzubahnen. Hr. Ferry betonte die
othwendigkeit, die gegenwärtige Politik, welche dar⸗ auf gerichtet sei, Pfänder für die Zahlung einer Entschädigung zu gewinnen, wenn China bei seiner Weigerung beharren sollte, weiter zu verfolgen. Die Be⸗ setzung der Insel Formosa, welche gegenwärtig eine pro⸗ visorische sei, werde eine permanente werden. England habe seine guten Dienste zur Herbeiführung eines Arrangements an⸗ geboten. Frankreich habe die Vermittelung Englands auf der Grundlage der Besetzung von Kelung und Tamfui für eine noch festzusetzende Frist angenommen. Die Forderungen Chinas 566 dahin, daß Frankreich dem Protektorat über Annam ent⸗ age, daß eine neue Grenze für Tongking unterhalb Caobang bestimmt werde, und daß die Einführung von Erzeugnissen Tongkings in chinesische Provinzen untersagt werde. Die ein⸗ zige, Antwort auf diese unerfüllbaren Forderungen sei die Be⸗ . weiter beantragten Kredits von 43 Millionen Franks für das erste Semester 1885. (Lebhafter Beifall.) — Der Minister⸗Präsident brachte hierauf die Vorlage, betreffend den neuen Kredit von 43 Millionen Franks, ein und bean tragte für dieselbe die Dringlichkeit. Die Berathung soll mor— gen fortgesetzt werden. .
Aus Oran werden heute 3 Cholera-Todesfälle gemeldet.
— 27. November. (W. T. B.) Die „Agence Havas“ meldet, daß die zwischen Frankreich und Marokko be—⸗ standenen Schwierigkeiten nunmehr beseitigt seien, in⸗ dem der Sultan in einem an den französischen Geschäfts⸗ träger Ordeja gerichteten Schreiben die betreffenden Maß⸗ 3 der marokkanischen Beamten vollständig desavouirt abe.
Syanien. Madrid, 26. November. (W. T. B.) In Toledo ist gestern eine Person an der Cholera gestorben.
Italien. Rom, 26. November. (W. T. B.) Dem „Popolo Romano“ zufolge lehnten die Minister Depretis und Mancini die ihnen vom Könige zugedachte Medaille für Hülfeleistung während der Cholera ab, weil die Diplome von Depretis gegengezeichnet sein müßten und weil ihnen das Bewußtsein genügend sei, die Zufriedenheit des Königs ver— = zu haben, dessen humanem Beispiele sie nur gefolgt eien.
— 26. November, Abends. (W. T. B.) Die oppo⸗ sitionelle Linke beschloß, über den morgen bei Wieder— zusammentritt der Kammer von der Regierung zu stellenden Antrag auf sofortige Berathung der Eisenbahn⸗ Konventionen ein Votum nicht zu provoziren und lediglich der Regierung die Verantwortlichkeit zu überlassen.
— Ueber die lateinische Münzkonferenz in Paris schreibt der „Diritto“: Aus guter Quelle erfahren wir, daß die italienische und die französische Regierung über die Haupt— punkte einig geworden sind; dieselben bestehen in der An⸗ erkennung des Königlich italienischen Dekrets vom 12. August 1883, sowie der Legalität und Gültigkeit der italienischen Staatspapierbillets von 5 Lire von Seiten Frankreichs. Der „Diritto“ glaubt, daß, nachdem diese Verständigung erzielt worden, keine Schwierigkeiten von anderer Seite be⸗ vorstehen. Italien werde durch den Deputirten Luzzatti, welcher bereits an der Münzkonferenz von 1878 theilnahm, und den Botschafts⸗Rath Reßmann in Paris vertreten sein. Die Eröffnung der Konferenz soll jedoch laut dem „Diritto“ auf Grund einer Verständigung mit Frankreich erst statt— finden, wenn das italienische Parlament die bevorstehende große Debatte über die Eisenbahn⸗-Betriebsverträge beendigt haben wird.
Griechenland. Athen, 24. November. (Allg. Corr.) In der heutigen Sitzung der Deputirten kammer legte der Finanz⸗Minister das Budget für das neue Finanzjahr vor. Dasselbe veranschlagt die Einkünfte auf S5 641 547 Drachmen und die Ausgaben auf 85 252 933 Drachmen. Der Minister erwartet einen Ueberschuß von 38 823 Drachmen, der sich möglicherweise vergrößern mag. Die Voranschläge umfassen eine neue Anleihe, gesichert durch die Er⸗ trägnisse des Petroleum⸗Monopols sowie anderer Monopole und Ersparnisse im Civildienst im Betrage von 9 000 000 Drach⸗ men. Der Premier⸗Minister Tricupis hielt eine lange Rede, im Verlaufe welcher er die von der Opposition gegen die Regie⸗ rung erhobenen Beschuldigungen als verleumderisch bezeichnete. Er kündigte gleichzeitig an, die neue Anleihe würde in Kurzem unter günstigen Auspicien emittirt und das mit Zwangs— . ausgegebene Papiergeld aus dem Umlauf zurückgezogen werden.
Afrika. Egypten. Dongola, 24. November. (Allg. Corr.) Die berittene Infanterie rückt morgen vor; der ganze Vorstoß geschieht bis zu einer Stelle, die 20 Meilen südlich gelegen ist. Das Kameel-Corps der Garde wird hier ohne Aufenthalt durchmarschiren und sich den Anderen anschließen. Dies ist der erste Vorstoß britischer Truppen über Dongola hinaus; er wird indeß nicht als eine Angriffsbewegung gegen die Streitkräfte des Mahdi beabsich—⸗ tigt oder als der Anfang eines allgemeinen Vorrückens, sondern man entschloß sich lediglich zu der Bewegung wegen des Herrschens der Blattern unter den hiesigen Eingeborenen.
Sua kim, 24. November. (Allg. Corr) Von Osman Dig ma sind strenge Maßregeln ergriffen worden, um allen Zugang und Ausgang von Suakim abzuschneiden. Drei Schäfer und zwei Spione wurden neuerdings getödtet. Es schließen sich ihm noch immer Stämme an, und einige 50 Personen verließen Suakim, um zu ihm zu stoßen.
Seitungsstimmen.
In der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ lesen wir:
S Sogar über die Grenzen des Deutschen Reiches hinaus hat das Verdikt der Wähler über das Manchesterthum seine Wirkungen geäußert. Vor ung liegt eine Nummer der in Wien erscheinenden Deutschen Wochenschrift“, datirt vom 9. November, in der der Ein⸗ druck dieses Verdikte ß; in einem Aufsatze von Joseph Neuwirth, Mitglied des österreichischen Abgeordnetenhauses, zur vollen Geltung kommt. Herr Neuwirth gilt als der jweifellos begabteste Volkswirthschafter der vereinigten Linken und redigirte viele Jahre hindurch den volkswirthschaftlichen Theil der radikal manchesterlichen „Neuen freien Presser, und dieser felbige Herr Neuwirth richtet nun in der genannten Wochenschrift eine feierliche Mahnung“ an den österreichischen Links-Liberalismus, aus den Fehlern des deutschen, die letzterem die Niederlage des 38. Oktober bereiteten, wenigstens für sich zu lernen. Alles, was Hrn. Neuwirth und dessen Partei bisher als heilig, unverletzlich und allein selig⸗ machend auf wirthschaftlichem Gebiete gegolten, wirft er in dieser Mahnung als überflüssigen Ballast des Liberalismus über Bord; denn, so sagt er: „In der That eine monumentale Mahnung — dieses Wahlergebniß im Deutschen Reiche!“
. Aichts kurzsichtiger fürwahr und nichts trostloser zugleich als die Schadenfreude über des deutschen Reichskanzlers angebliche Niederlage. Hat er am 28. Oktober 1884 überhaupt eine Niederlage erlebt, dann liegt sie zum Mindesten nicht dort, wo die Gegner jeglichen Soʒialreformversuchs sie suchen, sondern ganz anderswo. Leicht und rasch ist darauf die Probe gemacht. Wenn Fürst Bismarck den neuen Reichstag auflöste und seierlich erklaͤrte, daß er sich geirrt habe und fortan von allen sozialreformatorischen Versuchen ablafse — glaubt man wirklich, daß dann für die nächsten Wahlen dem stetigen Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmbataillone ein Halt geboten wäre?“
So verspottet Hr. Neuwirth obenein noch seine diesseitigen der⸗ einstigen Parteifreunde zu dem Schaden, den sie ohnehin hon haben; dann aber redet er ihnen folgendermaßen ins Gewissen:
Daß sie dem Fürsten Bismarck auf seinen polizeilichen Wegen zur Bekämpfung der sozialdemokratischen Bewegung keine Heerfolge geleistet haben, das ist allerdings männiglich bekannt, ebenso bekannt ist aber auch, daß sie ihm mit dem ganzen Aufgebote ihrer geistigen Potenz bei seinen sozialreformatorischen Versuchen auf Schritt und Tritt Prügel zwischen die Beine geworfen haben. Sie wollen weder das Eine noch das Andere, keine bewaffnete Polizeihetze, aber auch keinen Staatssozialismus '. Was also wollen sie denn? Ein Brittes: Wirth⸗ schaftliche Freiheit, Gehenlassen, unbeirrte Aufrechthaltung der auf
dem Individualrechte fußenden Rechtsordnung, freie Konkurrenz der individuellen Kräfte, und wie sie sonst noch klingen mögen die ab— gestandenen und abgethanen Melodien eines alten Liedes, nach dessen Weisen von allen Gesellschaftsklassen keine einzige mehr tanzen mag. Das freie Spiel der individuellen Kräfte — Jeder für sich, der Herrgott für Alle, der Staat für Niemanden! Aber bat dieses Spiel nicht gerade jene Bewegung erzeugt und gefördert, die heute vor unseren Augen in so erschreckend gewaltigen Dimensionen da steht? Und die Fortsetzung dieses Spiels ohne jegliche Aenderung des Repertoires sollte geeignet sein, dieser Bewegung, deren elemen⸗ 24 n . immer intensiver in die Erscheinung tritt, Halt zu gebieten?“
So giebt Hr. Neuwirth denn „der nationalöõkonomischen Dogmatik von der streng manchesterlichen Observanz“ feierlich den Abschied; er bringt den Sozialreformideen des Fürsten von Bismarck enthusiastische Huldigung dar und sogar Bebel und Liebknecht sieht er mit milderem Auge an, weil sie im Gegensatze zu den in Manchesterwabn befangenen Fortschrittlern schon vor Jahien sich bereit erklärt, soziale Reformen auch vom Kanzler zu nehmen. . . ..
„Der Liberalismus — predigt er — muß sich mit dem Gedanken befreunden, daß Reformen nothwendig geworden sind, bei denen es ohne eine gewisse Dosis von sogenanntem Staatssozialismus nun, einmal nicht abgeht. Mit dem vom Staate und seinem Berufe völlig absehenden, lediglich dem individualistischen Interesse Rechnung tragenden wirthschaftlichen Liberalismus mitsammt seinen Unfehlbar— keit in Anspruch nehmenden Dogmen hat die Zeit gebrochen. Es wird dem reinen politischen Liberalismus als Hüter unveräußerlicher bürgerlicher Freiheit keinen Eintrag thun, wenn die Scheidung zwischen ihm und seinem übelgerathenen wirthschaftlichen Milchbruder sich möglichst gründlich vollzieht.“
— Die Wiener „Presse“ schreibt unterm 22. November:
. .. . Mit einem Schlage ist die fieberbafte Erregung der Dis⸗ kussion, welche bis zum Vorabende der Reichstags⸗Eröffnung die Leidenschaft des Wahlkampfes in die Berathungen des Parlaments hinübertragen sollte, einer durchaus besonnenen und sachlichen Er— örterung gewichen. In die erste Stelle gerückt erscheinen die Ge— sammt-⸗Interessen der Nation und des Reiches, und die würdevolle Bescheidenheit, mit welcher der greise Monarch vom Throne herab die sieghaften Erfolge seiner europäischen Friedensmission verkündete, die taktvolle Vorsicht, mit welcher von den Anfängen deutscher Kolonialbestrebungen gesprochen wurde, haben den Volks vertretern und den Organen der öffentlichen Meinung die Pflicht der nationalen Selbstachtung in Erinnerung gebracht. Die Küleinlichkeit des Parteienstreits konnte aber nicht drastischer, nicht überzeugender dem deutschen Volke klar gestellt werden, als durch eine Thronrede, welche in der Feststellung des Arbeitsprogramms für den Reichstag auch nicht eine der Kentroversen berührte, um derentwillen National—⸗ Liberale und Foritschrittler, Centrumsleute und ö—ᷣ durch Wochen und Monate einander bekriegt hatten. Die Vorlage, betref⸗ fend die Ausdehnung des Unfall ver sicherungs Gesetzes auf landwirth⸗ schaftliche Arbeiter entspricht den Anschauungen, die gerade von libe—⸗ raler Seite in dieser Hinsicht zum Ausdrucke gebracht wurden, und von den weiteren so leidenschaftlich umstrittenen Entwürfen auf sozial⸗ politischem Gebiete ist — vorläufig und für diese Session nicht die Rede. Welchen Werth haben die Angstrufe wegen der bevorstehenden Reaktion Angesichts einer Thronrede, deren Inhalt den ganzen Lärm von der gefährdeten Freiheit gegenstandslos macht?
Die Aufgaben, welche die Reichsregierung dem deutschen Parla— mente stellt, sind durchwegs sachliche und ihre Lösung kann, soll ge—= funden werden abseits des Macht- und Meinungsstreites der Fraktionen in jenem Minimalausmaße von gutem Willen, der von jedem redlichen Vertreter des deutschen Volkes im Dienste der nationalen Ehre und des nationalen Wohl— standes gefordert werden kann. Wir sehen hierbei von dem Post⸗ sparkassengesetze ab. Diese Vorlage bezweckt die Einführung einer in anderen Staaten mehrfach als nützlich erprobten Inftitution, bezüg— lich deren wesentliche Bedenken von, keiner Seite vorgebracht werden. Im Uebrigen sind lediglich drei Fragen auf die Tagesordnung des gegenwärtigen Reichstages gestellt: die soziale, die Kolonialpolitik und das Reichs⸗Budget. Die soziale Aktion der Reichsregierung beschränkt sich, wie bereits bemerkt, auf eine als nothwendig und nützlich anerkannte Ausdehnung der Unfall⸗ arten, Die Postdampfervorlage, welche die deutsche Kolonialpolitik zum legislatorischen Ausdruck bringt, entwaffnet durch die, Bescheidenheit einer Subventionsforderung von fünfeinhalb Millionen Mark jährlich für die Sicherung des deutschen Handels« verkehrs mit drei Welttheilen die . . . . .. Befürchtungen der Herren Bamberger und Genossen. Indem das Reich seine Thaͤtigkeit darauf beschränkt, dem deutschen Handel die Möglichkeit selbständiger Theilnahme an dem kolonialen Güterverkehr zu sichern, und seinen Schutz auf jene Gebiete heschränkt, in welchen thatsächlich deutscher Handel und deutsche Arbeit sich fest⸗ gesetzt haben, entspricht die staatliche Thätigkeit lediglich den wirklich vorhandenen nationalen Interessen, sie verbleibt im normalen Kreis ihrer Pflichten und macht ihre gesteigerte Aktion abhängig von der wirthschaftlichen Theilnahme der Nation an den kolonialen Be— strebungen der Kaufherren und Schiffsrheder in Hamburg und Bremen. . . . Zur sachlichen Arbeit zwingt endlich das Defizit von 42 Millionen Mark im Reichsetat. Die Regierung ist bereit, für das laufende Jahr mit einer Anleihe sich auszuhelsen, sie tritt aber an das Parlament mit der Frage nach der Vermehrung der Reichseinnahmen und diese Frage will sachlich beantwortet werden. Es ist bezeichnend, daß heute schon das Organ des Berliner Bürger thums die Nothwendigkeit von der Veranlagung einer rationellen Börsensteuer durch die nächstbetheiligten Kreise felbst in Diskussion stellt. Angesichts des Defizits wird es nicht länger angehen, daß Agrarier und Industrielle mit den öffentlichen Lasten Fangball spielen und sie einander zuwerfen. Die unerläßlichen Reichsausgaben werden ihre Bedeckung finden müssen auf die Gefahr, daß aus der nutzlosen Belastungsprobe einzelner Theile der Produktion und des Konsums schließlich doch das — vielgefürchtete Tabackmonopol als das kleinste und gerechteste Uebel aus der Versenkung emporsteigt ....
Sicherlich werden die Fraktionen, welchen das Arbeitsprogramm des Parlamentes so wenig Material für flammende Polemik bietet, sich solches aus den Ereignissen zur eigenen Initiative schaffen. Die liberale Partei hatte Angesichts der einfachen und ernsten Berathungs—⸗ probleme des Reichstages nichts Eiligeres zu thun, als die Frage der Eisenbahn⸗Freikarten ür Reichstagsabgeordnete und die Beantragung von Diäten zur Parteiaktion zu machen. .. Es kann nicht ausbleiben, daß in solcher Betrachtung der junge Parlamentaris mus des jungen deutschen Reiches eine ernste strenge Prüfung durchmachen wird. In Erinnerung ist der Ausspruch Bismarcks von den parlamentarischen Kritiken, welche ohne das Gefühl der Verantwortung in die Welt geschleudert werden. Der gegenwärtige Reichstag ist nach der ganzen Geschichte seiner Wahl nicht sehr geeignet, dem Kanzler sonderlich zu imponiren. Er bedeutet die Unterbilanz einer veralteten Parteitaktik, welche die Verantwortlichkeit der Abgeordneten nach ihrer Treue zu den Kredoös und Kommandos der Fraktionspolitik bemessen wollte. Heute.. wird der Reichskanzler die Verantwortlichkeit der Parteien und der Abgeordneten an ihren nationalen Pflichten bemessen können, denn nur an diese, nicht an der Parteien Haß und Liebe wendet sich die Fragestellung des Reichsamtes. . ..
Amtsblatt des Reichs⸗Postamtgz. Nr. 61. — Inhalt: Verfügungen: vom 17. November 1884. Entwerthung der Frei⸗ marken zu 2 M — Vom 19. November 1884. Ausgabe von neuen Reichsbanknoten zu 190 S und 1000 — Vom 19. November 1884. Nachweis über die Anzahl der bei den Postanstalten eingegangenen Packete ohne Werthangabe im Jahre 1884.
Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 47. — Inhalt: Nichtamtliches: Versammlung zur Vereinbarung einheitlicher Pirüfungẽ⸗ arten für Bau⸗ und Konstruktions⸗Materialien. — Aug dem Reicht
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haushalts-⸗Etat für 188583. — Die Pariser Stadtbahnen. — Ueber die Eröffnung des Kongo-⸗Gebietes und den Bau einer Eisenbahn zur Verbindung des oberen und unteren Kongo — Vermischtes: Der Bau des Reichstagshauses. — Der Bau des Kaiserpalastes in Straß- burg. — Das Germanische Museum in Nürnberg. — Die öffent⸗ lichen Arbeiten in Italien. — Das englische Hol-pflaster. — Die Cisenbahnen in Japan. — Bücherschau.
Neichstags⸗Angelegenheiten.
In dem Etat für den Reichstag 1885 — 85 vermindert sich die Einnahme (2383 „S) gegen das Vorjahr um 36 ½ Die Aus— gaben (409 670 Æ) erhohen sich um 2000 Æ , und zwar treten den Besoldungen 1440 S und dem Fonds zu außerordentlichen Remu⸗ nerationen und Unterstützungen für Beamte, Hülfsbeamte und Hülfs⸗ diener 2000 S hinzu, wogegen für Geschäftsbedürfnisse 1440 0 weniger zum Ansatz gekommen sind.
— Der Etat für den Reichskanzler und die Reichs⸗ kanzlei pro 1885/86 weist in Einnahme 2699 MÆ, in Folge der durch die Veränderung in den Besoldungstiteln herbeigeführten Er⸗ höhung der Wittwen⸗ und Waisengelder 124 M mehr als im Vor⸗ jahre, in Ausgabe 141 360 M, 14 390 6 mehr als pro 1884/85 auf; die Mehrausgabe resultirt aus der Nothwendigkeit der Vermehrung des Beamtenpersonals der Reichskanzlei, sowie den um 10000 . gesteigerten Kosten für die bauliche Unterhaltung und die Inventarien des Reichskayzlerpalais.
— Der Etat des Auswärtigen Amts pro 1885/86 weist in Einnahme 622 800 S, 49 740 Sƽ mehr als im Vorjahre auf. An diesem Mehr sind hauptsächlich die Gebühren bei den gesandt— schaftlichen und besoldeten Konsulatsbehörden betheiligt; dieselben sind mit 453 480 AM, um 46 680 M höher als im letzten Etat eingestellt. Die fortlaufenden Ausgaben sind mit 7207 0975 M angesetzt, 381 660 M höher als pro 1884185. An diesem Mehr partizipirt das Auswärtige Amt mit 20 000 S Besoldung für einen zweiten Direktor, rücksichtlich dessen im Etat Folgendes bemerkt ist:
„Die wachsende Bedeutung der wirthschaftlichen und kommer⸗ ziellen Interessen des Reiches hat in den letzten Jahren die Geschäfte der zweiten — handel spolitischen und staatsrechtlichen — Abtheilung des Auswärtigen Amts in einem Maße vermehrt, daß für die Leitung und Kontrole derselben, die zunächst dem Direktor der Abtheilung obliegt, die Arbeitskraft eines einzelnen Beamten nicht mehr aus— teicht. Während im Jahre 1874 die Gesammtziffer der nicht politi⸗ schen Eingänge des Auswärtigen Amts sich schon auf 44 000 Nummern belief, hat dieselbe im Jahre 1883 die Höhe von 58 000 Nummern erreicht, und eine weitere Steigerung steht in dem laufenden Jahre zu erwarten. Die ordnungsmäßige Erledigung der Geschäfte hat durch diese Zunahme mehrfache Störung erfahren, so daß eine Ab⸗ hülfe im Interesse des Dienstes geboten erscheint. Es wird deshalb beabsichtigt, diese Abhülfe durch eine andere Organisation der Ge⸗ schäfte in der Art herbeizuführen, daß die bisher in der zweiten Ab— theilung des Auswärtigen Amts bearbeiteten handelspolitischen, Ver waltungs⸗ und Rechtssachen unter zwei gesonderte Abtheilungen, die zweite und die dritte, vertheilt werden und jede dieser letzteren einem eigenen Direktor unterstellt wird. Es ist deshalb für die zu kreirende zweite Direktorstelle eine Besoldung von 20 000 M in den Etat ein— gestellt worden.“
Ferner wird für die Beamten des Centralbureaus eine Zulage von 4500 S ausgeworfen und dieserhalb bemerkt: „Die Natur des Dienstes im Centralbureau des Auswärtigen Amts bedingt es, daß an die daselbst angestellten Bureaubeamten besonders hohe Ansprüche hinsichtlich des Maßes ihrer täglichen Arbeitsleistung und ihrer fach mäßigen Qualifikation gestellt werden. Die betreffenden Beamten müssen von 8 bezw. 9 Uhr Morgens bis gegen 12 Uhr Nachts im Dienste sein, sind also durch den Dienst mehr als doppelt so lange in Anspruch genommen, wie die Bureaubeamten bei anderen Reichs behörden. Die Art der ihnen obliegenden Geschäfte verlangt zugleich speziellere und ausgedehntere Vorbildung in wissenschaftlicher und sprachlicher Hinsicht, als solche von den Beamten gleicher Kategorie in anderen Ressorts gefordert wird. Aus diesen Gründen wird es im Interesse des Dienstes und zur Sicherung des für die betreffenden Stellen besonders schwierigen Ersatzes für nothwendig erachtet, die pekuniäre Lage der bezeichneten Bureaubeamten günstiger als bisher zu gestalten. Weiter sind 8400 für die Einstellung zweier neuen Registratoren und 25 000 M mehr zur Verstärkung des Fonds zur Remunerirung von Hülfsleistungen erforderlich. Die Gesammtausgaben für das Auswärtige Amt stellen sich auf 1 227 150 6 (4 65 976 06).
Die Gesandtschaften und Konsulate (5 535 500 „Æ ) sind mit 315 750 AM mehr bedacht worden.
Nachdem Serbien von den Mächten im Jahre 1882 als Königreich anerkannt worden und durch den Abschluß eines Handels und Konsularvertrages zu Deutschland in engere Beziehung getreten ist, erscheint es angemessen, die Mission in Belgrad zum Range einer Gesandtschaft zu erheben und dieselbe dadurch den bei allen übrigen Königlichen Höfen bestehenden deutschen Missionen formell gleich⸗ zustellen. Auch Rücksichten der Reziprozität lassen dies angezeigt erscheinen“, da das Königreich Serbien am hiesigen Hofe seit einer Reihe von Jahren durch einen Gesandten vertreten ist. Die Mehr— kosten, welche dem Reiche entstehen, sind gering, da das bisherige Diensteinkommen des Missionschefs von 30 06060 Ss auch für den Gesandten genügen wird. Neu tritt nur das Diensteinkommen für den bisher nicht vorhandenen Legationssekretär im Betrage von 6000 M hinzu.“ ;
„Die politischen und wirthschaftlichen Verhältnisse in Mittelasien machen es erforderlich, von der in den Artikeln 2 und 3 des am 11. Juni 1873 abgeschlossenen Freundschafté⸗, Handels und Schiff fahrtspertrages zwischen Deutschland und Persien eingeräumten Be— fugniß Gebrauch zu machen und eine ständige deutsche Gesandtschaft , . Vorgange der Mehrzahl der Großmächte in Teheran zu errichten.
Die Aufgabe des Gesandten wird es sein, die rolitische und wirthschaftliche Entwickelung auf dem weiten Gebiete zwischen der türkischen und der indischen Grenze, woselbst es bis jetzt an jeder ständigen deutschen Vertretung fehlte, zu beobachten und den in Persien lebenden Deutschen, sowie dem deutschen Handel nach Persien Schutz und Förderung zu Theil werden zu lassen. Es läßt sich er⸗ warten, daß unter dem Schutze einer deutschen Gesandtschaft die in steter Entwicklung begriffenen Handelsbeziehungen Deutschlands zu Persien, insbesondere der deutsche Export nach Persien mehr und mehr an Bedeutung gewinnen werden. ö
Finem wiederholt ausgedrückten Wunsche Sr. Majestät des Schah gemäß ist im September dieses Jahres bereits eine außer ordentliche Mission kommissarisch nach Teheran entsandt worden, welche insbesondere den Auftrag hat, der in Aussicht genommenen ständigen Gesandtschaft die Wege zu ebnen. Nach dem Vorgange anderer Mächte soll die ständige Gesandtschaft aus einem Gesandten, einem Legationssekretär, einem Dragoman und einem Legations · kanzlisten zusammengesetzt werden. Die in den Etat eingestellten Besoldungssätze (77 500 M) sind nach den ungefähren Durchschnitts kern der Dotationen der übrigen fremden Missionen in Teheran
emessen.
Sowohl in Deutschland wie in Südafrika sind im Laufe der letzten Jahre Kundgebungen wegen Abhülfe des Mangels einer berufs- mäßigen Konsularvertretung des Reichs in Südafrika laut geworden. In Kapstadt insbesondere ist die vollständige und ersprießliche Er⸗ ledigung der Dienstgeschäste nur von einem Berufsbeamten zu erwarten. Zudem ist das Bedürfniß eines festeren Jusammenschlusses der ein zelnen Konsularämter in der Kapkolonie und den angrenzenden Ge⸗ bieten unter einer gemeinsamen Leitung hervorgetreten. Es ist des- halb die Errichtung eines General ⸗Konsulats für Südafrika mit dem Sitze in Kapstadt ins Auge gefaßt und für den General-Konful ein Dienstein kommen von 24 060 06. für den Sekretär ein solches von 600 MM in den Etat eingesetzt.
Nachdem das koreanische Reich dem europäischen, und durch den am 26. November v. J. abgeschlossenen Freundschafts“ Handels und Schiffahrts vertrag insbesondere auch dem deutschen Handel geöffnet worden ist, empfiehlt es sich, nach dem Vorgang anderer betheiligten Mächte, durch Errichtung einer berufsmäßigen konsularischen Vertretung die deutschen Interessen an dem neuen Absatzgebiete zu sichern. Um, wie bei Abschluß des Vertrags, gleichen Schrittes mit Großbritannien vorzugehen, ist bereits ein Beamter mit dem Rang eines General⸗Konsuls kommissarisch nach Korea ent⸗ sandt und demselben ein Gehülfe mit dem Charakter als Vize⸗Konsul beigegeben worden. Wo der Ober⸗Beamte, welchem das gesammte Königreich als Amtebezirk zuzuweisen sein wird, seinen dienst lichen Wohnsitz zu nehmen habe, ist noch nicht festgestellt. Ein besonderes, dem Vize⸗Konsul zu übertragendes Konsularamt wird in Fusan, als dem wichtigsten der Vertragshäfen, einzurichten sein. Der Bemessung der Besoldungen (45 000 M6 sind die analogen Verhältnisse beim General⸗Konsulat in Shanghai zu Grunde gelegt worden.“
Dem Konsul in Apia, dessen vielseitige Amtsgeschäfte stetig wachsen, soll ein Vize Konsul beigegeben werden, welcher namentlich auch während der nothwendigen Bereisungen des ausgedehnten Amts⸗ bezirks durch den Konsul die Vertretung in Apia führen kann. Außer— dem hat sich die ständige Anwesenheit eines konsularischen Berufs— beamten in Tonga als Bedürfniß erwiesen und nicht minder er— scheint es geboten, die Wahrnehmung der deutschen Interessen in dem westlichen wie in dem nördlichen Theile des Südsee ⸗Archipels einem oder mehreren durch Privatinteressen nicht gebundenen Berufsbeamten unter Kontrole des Konsuls in Apia zu übertragen. Es ist deshalb ins Auge gefaßt, dem Konsul drei junge Beamte in der Stellung von Vize⸗Konsuln behufs wechselnder Verwendung in Apia und an den bezeichneten anderen Punkten der Südsee, in der Art, daß die Kon⸗ tinuität des Dienstbetriebes gewahrt bleibt, beizuordnen. Die Kosten hierfür belaufen sich auf 48 000 M.
Der bisherige Wahlkonsul in Porto ⸗Alegre hat sein Amt niedergelegt, und es erschien angezeigt, für diesen umfassenden wich—⸗ tigen konsularischen Wirkungskreis einen Berufskonsul zu ernennen; die Kosten hierfür betragen 30000 .
Die Handels ⸗ und Schiffahrtsinteressen Deutschlands in Zan⸗ zibar sind bedeutend und weiterer En lwickelung und Ausdehnung fähig. Die Anstellung eines Berufskonsuls daselbst, seit Jahren viel⸗ seitig angeregt, wird einige Sicherheit dafür bieten, daß die anschei⸗ nend günstigen Aussichten für Erschließung neuer Absatzgebiete an der Ostküste Afrikas dem allgemeinen Interesse der deutschen Produktion gemäß verwerthet werden. Nachdem der bisherige Wahlkonsul seine Entlassung genommen hat, soll auch dort ein Berufskonsulat errichtet und mit 30 000 A6 dotirt werden.“
Auch der bisherige Wahlkonsul in Swatow ist zurückgetreten, und nachdem ein geeigneter Ersatz unter den Handelsleuten des Ortes nicht zu finden war, hat ein Berufsbeamter kommissarisch mit Wahr⸗ nehmung der Amtsgeschäfte betraut werden müssen. Die kommerzielle Bedeutung von Swatow ist mit dem chinesischen Handel überhaupt sür Deutschland gewachsen. Fast alle größeren Vertragsmächte haben daselbst Berufskonsulate errichtet und eine gleiche Maßregel empfiehlt sich im Interesse der deutschen Schiffahrt, welche in Swatow eine ansehnliche Stellung und zwar die zweite unter den Mächten ein— nimmt. Es ist deshalb die Errichtung eines Vize⸗Konsulats in Swatow, welches dem Konsulat in Kanton untergeordnet werden soll, in Aussicht genommen und sind hierfür 15 006 M in den Etat ein gestellt.“
Der allgemeine Fonds, 444 375 ½ , ist um 60 M ermäßigt worden.
Unter den einmaligen. Ausgaben, welche 137 950 , 1097 950 S mehr betragen als im Vorjahr, befinden sich 30 G0 1 als Subvention für die zoologische Station des Prof. Dr. Dohrn in Neapel, 47 200 υ für Ausführung außerordentlicher Reparaturen an dem Botschaftsbotel in Paris, und 60 750 „M als erste Rate für Errichtung einer Sommerresidenz in Therapig, wo sich in den Som—⸗ mermonaten der ganze diplomatische Verkehr konzentrirt, für die Bot⸗ schaft in Konstantinopel.
— Der Etat für das Königlich preußische Reichs Militär⸗Kontingent und die in die preußische Verwal⸗— tung übernommenen Kontingente anderer Bundes— staaten pro 1885/86 weist an Einnahme für Rechnung der Bundes staaten, mit Ausnahme Bayerns, 3 555 112 M, 679 11 M mehr als Vorjahre auf; ein Plus von 500 00 e é entsteht dadurch, daß die Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung in Ermangelung eines anderweiten geeigneten Bauplatzes in Cöln die dortige alte Artillerie⸗ Kaserne um 2400 000 „ ankaufen will und 500 000 M als erste Rate 1885/86 zur Auszahlung gelangen sollen. Die Uebergabe des Grund⸗ stückes Seitens der Militärverwaltung ist nur nach Herstellu ng eines Ersatzbaues angängig. für welchen unter den einmaligen Ausgaben die erste Rate von 500 000 M für den auf 2 400000 M veranschlagten Neubau einer Kaserne für eine Abtheilung der Feld Artillerie und ein Bataillon Fuß-Artillerie in Cöln gefordert werden. Die Ein⸗ nahmen der Militärverwaltung für Rechnung der Gesammtheit aller Bundesstaaten sind auf 182 378 MS C 1267 M) veranschlagt.
Die fortlaufenden Ausgaben sind mit 18658 81 96, 185 566 ½ höher als pro 1884185 angesetzt und vertheilen sich folgendermaßen: Kriegs-Ministerium 1 686 250 M (— 31 200), Militär⸗Kassenwesen 230 128 1. Militär. Intendanturen 1 506 553 ( 12180) ½, Militär . Geistlichkeit 600 510 (4 3000) , Militär⸗ Justizverwaltung 565 322 (4 5026) M, höhere Truppenbefehlshaber 2273 724 (4 19 980) 46. Gouverneure, Kommandanten und Platz⸗ majore 610425 (4. 360) M, Adjutantur -⸗Offiziere und Offiziere in besonderen Stellungen 851 412 S; Generalstab und Landes⸗ vermessungswesen 1547 751 (4 76060) S; Ingenieur⸗Corps 1501543 (4 22 555) M ; Geldverpflegung der Truppen 86 S2 780 ( 8980018) (die Ersparnisse in Folge Manguements von Offi⸗ ieren vermindern sich um 525 900 „6 bei den Kavallerie⸗Regimen⸗ tern treten 56 315 S½ für 1 Zahl⸗ und 71 Waffenmeister hinzu, bei den Mannschaften 393548 6); Naturalverpflegung 67771 637 (— 836 485 1½ι); Bekleidung und Ausrüstung der Truppen 19221 367 ( 352 130 ; Garnisonverwaltungs. und Serviswesen 29 646 607 (4 231 678) „; Garnisonbauwesen 355 010 1; Militär-Medizinal⸗ wesen 5 386 510 (4 64 807) ½ é; Verwaltung der Traindepots und Instandhaltung der Feldgeräthe 422 010 „n é; Verpflegung der Ersatz⸗ und Reservemannschaften 2220706 (— 200 000 A; Ankauf der Remontepferde 4 803 822 (4 20123) S; Verwaltung der Remonte⸗ depots 1523267 CS 7500) M; Reisekosten und Tagegelder., Vor⸗ spann⸗ und Trangportkosten 4833 177 (- 25 000). ; Militär- erziehungs⸗ und Bildungswesen 4590 627 C4. 146 828) „; Militär- gefängnißwesen J24 887 (— 53 802) M3 Artillerie und Waffenwesen il 505 100 (4 83 325) 4A; technische Institute der Artillerie 524 414 (— 2849) S; Bau und Unterhaltung der Festungen 2706 448 (— 412) 1½ ; Wohnungsgeldzuschüsse 6 506 976 (4 146795) M; Unterstützung für aktive Militärs und Beamte, für welche an anderen Stellen Unterstützungsfonds nicht ausgeworfen sind, 102375
29 000) S; Zuschuß zur Militär Wittwenkasse 736 758 ( 109110) M; verschiedene Ausgaben 90 225 4 ; .
Unter den Ausgaben sind auch diejenigen für Errichtung eines Landwehrbrigade Kommandos und eines zweiten Reserve Landwehr Regiments in Berlin wieder enthalten. Die Errichtung eines Land⸗ wehrbrigade Kommandos in Berlin ist bereits zweimal Gegenstand einer Etatsforderung gewesen, in beiden Fällen aber an dem Verlangen des Reichstags gescheitert, daß entweder dem Bezirkskommando des Reserve Landwehr⸗ Regiments (Berlin) Nr. 35, an dessen Spitze zur 6e ein aktiver Regiments⸗Commandeur sich befindet, oder dem
andwehrbrigade⸗Rommando in Berlin, für welches ein aktiver
General beantragt war, ein inaktiver statt des aktiven Commandeurs gegeben werde. Die Erneuerung des Antrages, und zwar in erwei⸗ terter Form, wird ausführlich durch eine dem Ctat beigegebene Denk- schrift erläutert. —
Die einmaligen Ausgaben sind auf 11622762 , 6028 554 M höher als im Vorjahre veranschlagt .
Von den einmaligen Ausgaben beben wir hervor: 3765 000 als erste Rate zur Beschaffung und Unterbringung von Feldeisenbahn⸗
Brückenmaterial. Der Gesammtbedarf ist auf 750 000 AM veranschlagt; für den Neubau eines bombensicheren Proviantmagazins in Thorn als erste Rate 405 3090 ; desgleichen für Posen 150 000 4A; für den Neubau eines Kasernements nebst Zubehör für die 2. Abtheilung des 2. Garde ⸗Feldartillerie Regiments in Berlin als erste Rate 300 000; die Gesammtkosten sind auf 1 385 000 4 veranschlagt; desgl für eine Escadron des 1. Garde⸗Ulanen⸗Regiments in Potsdam, für ein Ge⸗ neral · Commando · Dienstgebäude in Posen erste Rate je 300 000 M Zur Bestreitung der Kosten von Schießstandsanlagen aus Anlaß der Ein⸗ führung weittragender Handfeuerwaffen als erste Rate 160000 , Neubau eines Friedenslaboratoriums in Spandau 100000 46, do. in Küstrin 100006 , zur Munitionsausrüstung des Artillerie⸗Belage⸗ rungs trains erste Rate 1500 900 S6, Gesammtbedarf 2683 200 4; zur Komplettirung des Ingenieur⸗Belagerungstrains der volle Bedarf von 131 000 ; Umzugs kosten ꝛc. aus Anlaß von Truppendislokationen, 645 0090 , Neubau eines Traindepots bei Spandau 300 000 4A, zum Austausch der Garnison 1 400 000 4M u. s. w.
— Der Etat für die Verwaltung der Kaiserlichen Maxine pro 1886/86 weist an Einnahmen 438 250 4 auf, 12735 ½ mehr als der laufende Etat. Die dauernden Ausgaben stellen sich auf 34 851 177 6, wovon künftig 17565 239 4 fortfallen. Das sind 7640 290 „ mehr als im Vorjahre. Die dauernden Aus⸗ gaben setzen sich wie folgt zusammen: Admiralität 539 380 ( 69670), hydrographisches Amt 153 720 CC 90650) M; deutsche Seewarte 270 985 (4 1880) 1½; Stations Intendanturen 175 610 (— 760) M; Rechte pflege 27 760 M; Seelsorge 40 4·ę77 (4 275) S; Militär⸗ personal 6 328 9860 (4 516046) S, (es treten u. a. hinzu: 1 Vize⸗ Admiral, 2 Kapitäne zur See, 2 Kapitän⸗Lieutenants J., 5 II. Klasse, 5 Lieutenants zur See, 5 Unter ⸗Lieutenants zur See u. s. w.). Indienst⸗ haltung der Schiffe und Fahrzeuge 4589 530 (in Folge vermehrter Indienststellung 4 1 667 530) S6; Naturalverpflegung 2999 7009 ( 623 352) S; Bekleidung 105 800 M; Servis⸗ und Garnison⸗ verwaltungswesen 755 694 (4 38 568) 46; Wohnungsgel dzuschuß 568 000 CMC 59 000) 66; Krankenpflege 547 926 (4 16360) 41; Reise., Marsch⸗ und Frachtkosten 308 000 M„ ; Unterricht 122189 (4 289) Æ ; Werfthetrieb 12995 588 (4 2843 405) M us. a. 1500000 M erste Rate zum Bau eines geschützten Kreuzer für die Korvette „Elisabeth“ 1 000000 K erste Rate zum Bau eines Awiso als Ersatz für die „Loreley“ und 300 000 ½ erste Rate zum Bau eines Kanonenkoots als Ersatz des „Albatroß‘), Artillerie 3 568 713 CC 1 640 728) AS ; Torpedowesen 492 810 (CC 119137) 4; Lootsen⸗, Betonnungs⸗ und Leuchtfeuerwesen 188265 M; (— 2280 4; ver⸗ schiedene Ausgaben 122 040 (4 47 040) M.
Zu einmaligen Ausgaben sind 28 Positionen 7639 400 0 ( 21 276 500 M) ausgeworfen, darunter 1061 000 M für bauliche Anlagen auf der Werft in Danzig, 730 00 ½ desgl. Wilhelmshaven, I00 000 M 10. Rate für Herstellung der zweiten Einfahrt daselbst, 500 9000 AM 6. Rate für den Bau des Ems Jadekanals, 792 000 M. für 72 Revolverkanonen zur Armirung von Handelsschiffen im Kriegs⸗ fall, 1470 000 ½ zu Erweiterungsbauten der Torpedobootsschuppen un s. w., 500 000 1 1. Rate zum Bau einer Kaserne in Wilhelmshaven.
— Der Etat der Reichsjustizverwaltung weist in Ein— nahme 459 104 6, 26 677 „ mehr als pro 1884/85, auf. Die Steigerung der Einnahmen entfällt hauptsächlich auf die Gerichtskosten vom Reichsgericht, welche mit 429 000 „M, also mit 26 000 S höher als im Vorjahre, eingestellt sind. Die dauernden Ausgaben des Reichs justizamts sind mit 510080 „ durch Zugang zweier neuer Sekretär⸗ stellen und bei Ersparung von 3000 S bei den Kosten der gesetz⸗ geberischen Vorarbeiten 3180 ½ höher als pro 1884/85 angesetzt. Die dauernden Ausgaben für das Reichsgericht werden mit 1343 348 , 25 981 S als im Vorjahre veranschlagt. Neu eingestellt ist zunächst ein Reichsanwalt (12 9000 „S), dessen Anstellung eine nothwendige Folge der vom 1. April 1884 ab erfolgten Errichtung eines vierten Strafsenats ist. Die Verrichtungen der Reichsanwälte anlangend, sind neben den Strafsachen die Verhandlungen vor dem Dis iplinar⸗ hofe und dem Ehrengerichtshofe für Rechtsanwälte, sowie in Ehesachen, ferner die Geschäfte in Betracht ziehen, welche sich aus der Wahr⸗ nehmung der Rechte der Staatskasse bei dem Verfahren über Erinne⸗ rungen gegen den Kostengnsatz oder über Beschwerden in Betreff des Kostenansatzes ergeben. Der Okerreichsanwalt, dem die Leitung und die Kontrolirung des ganzen Geschäftsbetriebes bei der Reichsanwalt⸗ schaft obliegt, kann sich bei der Verhandlung und Bearbeitung von Strafsachen nur in geringem Maße betheiligen. Die anderen Mehr— ausgaben vertheilen sich auf die nothwendige Vermehrung der unteren Beamtenstellen. Die Gesammtausgabe für die Reichs⸗Justizverwaltung stellt sich auf 1 853 428 S, 29 161 S mehr als pro 1884/85.
— Der Etat für das Reichsschatzamt ist in den Ein— nahmen (68 877 4) gegen das Vorjahr nur um 343 M ermäßigt worden. Die fortdauernden Ausgaben (100 651 222 ) erhöhen sich um 752 814 A. Auf die Rayonentschädigung trifft ein Mehrbedarf von 296 214 S6. Aus den Erträgen der Zölle und der Tabacksteuer sowie der Reichsstempelabgaben sind (97 416 000 4) 442 120 ½ mehr als im Vorjahre an die Bundesstaaten zu überweisen. In den übrigen Titeln treten nur unbedeutende Veränderungen ein.
Zu einmaligen Ausgaben sind 4500000 M ausgeworfen, 153 200 1 weniger als im Vorjahr, und zwar 300 000 M (— 153 200 46) 4. Rate zum Bau des Kaiserpalastes in Straßburg und 4000000 t (aus der Anleihe zu deckende) 3. Rate Beitrag des Reichs zu den Kosten des Zollanschlusses Hamburgs. .
Der Etat des Reichseisenbahnamts ist in Einnahme mit
264 Æ (—? „A) und in Ausgabe unverändert mit 310 365 0. veranschlagt. .
Der Etat des Rechnungshofes weist in Einnahme unverändert 12 580 S und in Ausgabe 529 773 SM (4 700 4A in Folge vermehrter Geschäftsbedürfnisse) auf.
Kunst, Wifssenschaft und Literatur.
Leipzig, 26. November. (W. T. B.) Der Professor der Chemie, Geheime Hofrath Dr. Kolbe, ist in Folge eines Schlag— flusses gestorben.
— Die in Leipzig und Berlin am 29. d. M. erscheinende Nr. 2161 der „Illustrirten Zeitung enthält folgende Abbildungen: Nemesis. Nach einem Gemälde von Karl Kronberger. — General Tonsul von Braunschweig, Führer der deutschen Gesandtschaft nach Persien. — Heinrich Karl Brugsch, Mitglied der deutschen Gesandt⸗ schaft nach Persien. — Aus dem Gebirgsland des Benusgebietes in Westafrika. Nach Skizzen des Afrikareisenden Eduard Robert Tegel. — Eine Hochzeit am Grundlsee in Oberösterreich. Nach einer Skijze von L. K. — In der Todtenkammer der Arena. Nach einem Gemälde von Juan Luna y Novicio. (Zweiseitig) — Das neue Elisabeth⸗ Hospital des ungarischen Vereins vom Rothen Kreuz in Pest — Die Uniformirung der Mannschaft und die Kostüme der Kranken wärterinnen des ungarischen Vereins vom Rothen Kreuz in Pest. — Alfred Brehm, F am 1I. November. — Schnabelthiere. Original⸗ zeichnung von G. Mützel. — Chinesische Vylle. Originalzeichnung von A. Wanjurga. — Das Poniatowsky Denkmal in Leipzig. — Polytechnische Mittheilungen: Hörstock. — Moden; Elegante Jersey⸗ faillen. 2 Figuren. Promenadenkostüm mit Chenillestickerei. — Vom Weihnachtabüchertisch: Aus der illustrirten Ausgabe von Goethe's Werken (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalth: Goethe schreibt die Ode an Kuchenbäcker Hendel in den Kohlgärten bei Leipzig mit Blei⸗ stift an die Wand. Aus Heinrich Steinhausens „Irmela (eipzig, Georg Böhme). 2 Abbildungen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Im Druck und Verlage von M. Heinsius in Bremen erschien soeben: Seuchen und Seuchenpolizei, Währschafts gesetzgebung und Gewährfehler für Landwirthe, land⸗ wirthschaftliche Schulen, Thierärzte und Beamte“, bearbeitet von August Hink, Thierarjt. Preis 2 Æ 50 3.
— Dieses für Landwirthe und Viebbesitzer bestimmte Buch ist
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