manden Vorschriften machen lassen. Die Quittung, welche der Reichskanzler den deutschen Wählern ausgestellt ho ve, sei wider Erwarten ungünstig ausgefallen. Nach der Wahl habe man seine Partei für vernichtet erklärt, heute scheine man doch anders zu denken; und wenn er eine Prognose stellen solle, so scheine es ihm nach dieser Kritik des Kanzlers, als ob dieer Reichtag keines natürlichen Todes sterben werde. Denn einen so ge⸗ schilderten Reichstag werde der Reichskanzler auf die Dauer nicht ertragen können. Der Reichskanzler erkläre dem Abg. Hänel gegenüber, er lasse sich durch die Majorität des Par⸗ laments nicht imponiren. Früher habe der Reichskanzler selbst erklärt, allerdings in einer günstigeren Zeit, daß ein jeder Minister verpflichtet sei, seine Politik mit der Majorität der Volksvertretung im Einklang zu halten. Im Jahre 1874 habe der Reichskanzler den Abg. Windthorst an den Eid auf die Verfassung erinnert, der ihm vorschreibe, daß in einem konstitutionellen Staate dieser Einklang mit der Volksver⸗ tretung von dem Minister herbeigeführt werden müsse. Heute gehe der Reichskanzler von seiner damaligen Meinung voll⸗ ständig ah. Hoffentlich werde jene aber im Reiche Staatsrecht werden und bleiben. Die Einschränkung der Reisekarten habe nicht blos seine Partei verletzt, aber nicht deswegen, weil der Reichstag in seinem persönlichen Rechte beeinträchtigt sei. Der Reichskanzler taxire den Reichstag sehr gering, wenn er demselben so kleinliche Motive unter⸗ schiebe; er bespreche das nur, weil er darin das Maß von Rücksicht vermisse, welches der Volksvertretung nothwendig zu Theil werden müsse. Nur diesen Mangel an Rücksicht urgire er; die Rechtsfrage werde beim Etat erörtert werden. Die einseitige Aenderung durch den Bundesrath widerspreche offen— bar der bisherigen Praxis. Die Bekanntmachung des Kanz⸗ lers, welche für den Etatstitel die Grundlage bilde, sei her⸗ vorgegangen aus einer Vereinbarung des Reichstages und des Bundesraths. Es sei mit den Eisenbahnen festgestellt, daß freie Fahrt auf allen Bahnen gewährt werden würde. Redner schloß mit nochmaligem Protest gegen die Kritik des Kanzlers; die deutschen Wähler würden darüber entscheiden, ob seine (des Redners) Partei es treu mit der Sache des Vaterlandes
und dem Kaiserhause meine oder nicht.
Hierauf ergriff wiederum der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:
Der Herr Vorredner schloß damit, dagegen zu protestiren, daß ich eine Kritik über den Reichstag, seine Zusammensetzung und Par⸗ teien übe. Meine Herren, in verfassungsmäßigen Staaten beruhen alle Beziehungen auf Gegenseitigkeit. Wollen Sie denn darauf ver— zichten, eine Kritik an meinen Ansichten und an meinen Ueberzeugun gen zu üben, die ich hier offen zu Tage bringe? Ich glaube es kaum, und ich würde es auch nicht wünschen, denn meine eigenen Ansichten können ja durch Kritik geläutert werden. Der Herr Vorredner nimmt das von den Ansichten seiner Partei nicht an, er glaubt nicht, daß diese durch Kritik geläutert werden können, er nimmt für sie Un— fehlbarkeit in Anspruch, vor der ich mich neigen soll, ohne meine Meinung darüber zu äußern. Meine Herren, das kann ich nicht acceptiren, ich werde fortfahren, mir die Freiheit des Worts in keiner Weise verschränken zu lassen und ich hoffe, stets in Ausdrücken, die nicht persönlich verletzen, meine Meinung über die Bestrebungen der ein zelnen Parteien unumwunden auszusprechen; ich glaube das dem deutschen Volke schuldig zu sein, daß ich ein Urtheil darüber habe, 26 dieses Urtheil gebe ich ab, ich lasse mir den Mund nicht ver—
eten.
Der Herr Vorredner hat, um meine Worte einer Kritik zu unter⸗ ziehen, seinerseits doch eine leise Verschiebung derselben für noth— wendig gehalten. Er legte mir in den Mund, ich hätte drei Mil⸗ lionen Wählern die Treue für Kaiser und Reich abgesprochen. Das habe ich nicht gesagt, und ich erlaube mir, das richtig zu stellen. Ich babe gesagt, es giebt etwa 157 Abgeordnete von drei verschiedenen Fraktslonen, die für die Herrschaft von Kaiser und Reich kämpfen, nachdem ich vorausgeschickt hatte, jeder kämpfe hier für irgend eine Herrschaft. Bei der Partei des Herrn Vorredners scheint augenblick lich unterschieden zu werden zwischen früheren Parteien der Fort schrittspartei und den Sezessionisten. Ich glaube, das ist ein Begriff, ich halte mich berechtigt, das anzunehmen, denn ich glaube nicht, daß die eine Unterfraktion vor der anderen eine unabhängige Stellung hat. In wie weit überhaupt die ganze Fraktion sich eine unabhängige Stellung nach dem Wahlvorgange noch bewahrt hat, in wie weit sie sui juris aus den Wahlen hervorgegangen ist, das will ich dahin gestellt sein lassen.
Sie (nach links gewendet) existiren nur noch mit Unterstützung anderer Fraktionen, Sie haben keine selbständige Stellung.
Der Herr Vorredner weist nun als einen fast beleidigenden Vor— wurf zurück — nicht geradezu beleidigend — daß ich behaupte, die e,. strebten nach der Herrschaft; er hat das für eine Fabel er— lärt, daß er ja selbst genannt worden wäre in einer Kombination mit dem Ministerium Stosch. Ja, meine Herren, ist er genannt worden? mir sind noch mehrere genannt worden, nicht blos Hr. von Stosch, sondern auch Leute, die damals meine Kollegen waren. Es ist ein on dit, auf das ich weiter kein Gewicht lege, aber daß die Partei des Herrn Vorredners nicht nach der Herrschaft streben sollte, steht mit ihrem eigenen Programm im vollständigen Widerspruch. Sie streben doch nach der parlamentarischen Regierung. Das ist Ihr offenes Programm, das ist in vielen Zeitungen von Ihnen kund. gegeben bei den Wahlen. Sie streben danach, daß die Königliche und Kaiserliche Regierung sich der Majorität unterordnen soll. Die Majorität fällt natürlich den besten Rednern zu, und dazu rechne ich den Herrn Vorredner unter Anderen, er ist ein ausgezeichneter Redner, ich mache ihm mein Kompliment und beneide ihn darum.
Nun frage ich: ist das ein Streben nach Herrschaft oder nicht, wenn Sie die parlamentarische Regierung erstreben? Sie wollen natürlich eine parlamentarische Regierung für Ihre Partei oder ab und zu für Ihre Partei, Sie wollen gelegentlich herankommen; es ist unangenehm, wenn durch Kaiserlichen Willen ein und dieselbe Re— gierung über 20 Jahre am Ruder bleibt, es ist billig, daß auch An— dere einmal hereingelassen werden. — Ja, meine Herren, Niemand wünscht das mehr als ich, und ich habe Sr. Majestät seit Jahren vergebens darin Vorschläge gemacht, es doch einmal mit einer anderen Partei zu probiren, blos damit wir sehen — hie Rhodas, hie salta — wie die Herren regieren werden; Se. Majestät haben kein Be— dürfniß empfunden, diesen Versuch zu machen.
. Der Herr Vorredner fand es wichtig genug, der Versammlung hier mitzutheilen, daß eine Aeußerung, die ich heute gethan habe, in der ich die Partei eine demokratische nannte, früher in der „Nord deutschen Zeitung“ gestanden habe. Der Herr sagte, er Jese sie nur gelegentlich. Ich, meine Herren, lese sie alle Tage, lese sie mit Ver⸗ gnügen, und ich habe das vor einigen Wochen darin gelesen. Ich habe lange nach einer kürzeren Bezeichnung für die neue Partei gesucht. . Deutschfreisinnig — das kann ich wirklich nicht über meine Lippen bringen, ich schäme mich der Unwahrheit, die ich jedes⸗ mal ausspreche, wenn ich das niederschreibe oder sage. Ich halte die Partei weder für deutsch noch für freisinnig, ich halte si für eine Gefahr für das Deutsche Reich und für unduldsam, für den Gegensatz von freisinnig. e. Sie werden mir die implizirte Unwahrheit, die darin liegt, nicht Aaufzwingen. Auf der anderen Seite möchte ich Ihnen gern den Willen thun. Jeder hat das Recht, sich einen Namen zu geben, und ich glaube, die Bezeichnung ‚demokratisch hat nichts Verfängliches; ich glaube, sie sind stolz darauf, Demokraten zu sein — ich habe das in mehreren Blattern gelesen — nur nicht sozial; Sie sind Anti⸗ sozialdemokraten, ober Demgkraten. Und waß nun ein Republikaner ist, daß ist eigentlich eine rein wissenschaftliche Definition. Ich habe mir darüber im Laufe meines Lebens und meiner langjährigen Thaͤtig⸗
keit auch eine Nomenklatur und eine Ansicht gebildet. Was ist denn das unte rscheidende Kennzeichen zwischen Revublik und Monarchie? Doch durchaus nicht die Erblichkeit des Präsidenten.
Die polnische Republik hatte einen König, er hieß König und war unter Umständen erblich. Die englische aristokratische Republik hat einen erblichen Präsidenten, der König oder Königin ist; aber in den Begriff einer Monarchie nach deutscher Definition vaßt die ganze englische Verfassung nicht. Ich unterscheide zwischen Monarchie und Republik auf der Linie, wo der König durch das Parlament ge⸗ zwungen werden kann, ad faciendum irgend etwas zu thun, was er aus freiem Antriebe nicht thut. Ich rechne eine Verfassung diesseits der Scheidelinie noch zu den monarchischen, wo, wie bei uns, die Zu⸗ stimmung des Königs zu den Gesetzen erforderlich ist, wo der König das Veto hat und das Parlament ebenfalls. Das Parlament hat das Recht, zu ver hindern, daß Gesetze, die ihm nicht gefallen, die schädlich, oder die leichtfertig gemacht sind, zu Stande kommen, aber die monarchische Einrichtung hört auf, diesen Namen za führen, wenn der Monarch gezwungen werden kann, durch die Majorität des Parla⸗— ments sein Ministerium zu entlassen, wenn ihm Einrichtungen auf— gejwungen werden können durch die Majorität des Parlaments, die er freiwillig nicht unterschreiben würde, denen gegenüber sein Veto also machtlos bleibt. In der preußischen Verfassung ist die Ueber einstimmung des Königs und der beiden Häuser des Landtages noth⸗ wendig, um ein Gesetz zu Stande zu bringen, d. h. um den Rechtszustand des Landes zu ändern. Das nenne ich eine monarchische Verfassung. Da ist der König in der Exekutive, in der vollziehenden Gewalt vollständig frei, er kann in Betreff der gesetzgebenden Gewalt nicht gezwungen werden, er kann nicht ge—⸗ zwungen erden, Gesetze zu unterschreiben, die er für schädlich hält. Wo er gezwungen werden kann von Seiten einer abstimmenden Majorität, da ist die Verfassung republikanisch, mag der Präsident ernannt sein oder nicht. Das ist meine persönliche Auffassung. Ob sie in eine wissenschaftliche Theorie paßt, ist mir gleich, sie paßt in meine staatsrechtliche Auffassung, und ich werde in meiner Auffassung über den König, die vollziehende Gewalt und erbliche Monarchie ihr die Freiheit zu bewahren wissen, daß sie nicht wider Willen etwas zu thun gezwungen wird. In diesem Sinne lasse ich mir von der Majorität nicht imponiren und werde diese Auffassung vertreten, so lange ich auf diesem Platze stehe.
Der Herr Vorredner hat mir eine gewisse Undankbarkeit vorge⸗ worfen für das Entgegenkommen, welches das Parlament mir gezeigt hätte. Ja, meine Herren, in Worten ganz außerordentlich! Nament— lich meine politischen Gegner haben sehr häufig, um den Angriffen, den Ablehnungen mehr Nachdruck zu geben, dies damit eingeleitet, daß sie eine Anerkennung mir gegenüber aussprachen, die ich nur auf eine Ueberschätzung meiner Person zurückführen kann. Damit ist mir aber nicht geholfen. Sie haben mich in meiner Politik anhal⸗ tend und nachhaltend nicht unterstützt. Vorübergehend hat mich die Partei unterstützt, wie jede Partei mich vorübergehend unterstützt und im Stich gelassen hat. Der Gedanke, die Behauptung, daß ich über⸗ haupt keine unabhängige Meinung neben mir dulden könnte, ist voll⸗ ständig unrichtig. Jede der vorhandenen Parteien habe ich schon als Gegner gehabt, und jeder Partei habe ich die Hand gegeben, wenn ich gefunden habe, daß sie ihrerseits dem zustimmte, was ich im Inter— esse des Landes, der Nation, des Kaisers und Königs für richtig hielt. Das ist meine Grenze. Finde ich dafür keine Unterstützung, dann natürlich lasse ich mich nicht zwingen. Ich wäre verdammenswerth wie eine Schildwache, die auf ihrem Posten nicht ihre Schuldigkeit thut, wenn ich dem nicht entgegenträte. Aber Jeder, dem ich ent⸗ gegentrete, sagt, es liegt nicht daran, daß seine Meinung unrichtig ist, sondern an der Herrschsucht des Kanzlers, der keinen Widerspruch er— tragen kann. Wenn ich keinen Widerspruch ertrüge — 23 Jahre stehe ich auf dieser Stelle — müßte ich längst todt sein. Ich habe im Widerspruche, im Kampfe von Anfang bis zu Ende gelebt; und wenn ich mich jedesmal der Majorität des Landtages und des Reichstages hätte fügen wollen, wo wären wir?!
Der Herr Vorredner sagte, er wolle nur, daß liberal regiert wird. Aber durch wen soll regiert werden? Doch durch die Liberalen! Ich glaube, daß ich mich sehr liberal, viel liberaler als es häufig den konservativen Parteien angenehm gewesen ist, in vielen Richtungen bethätigt habe. Was der Herr Vorredner versteht unter „liberal regiert“, heißt doch nur durch die liberale Partei regiert. Anders kann ich es nicht auslegen. Und, meine Herren, mit dieser Behaup— tung steht in Widerspruch, wenn er sagt, daß er nicht nach Herrschaft strebe. Ich habe kaum geglaubt, daß gegen diese einfache Behauptung von dem Hauptverfechter der parlamentarischen Regierung, von dem Hrn. Abg. Rickert, eine Ableugnung stattfinden würde. Ich habe nicht geglaubt, daß er auf dem Boden des si fecisti, nega stände, ich glaubte, er würde sich kühn dazu bekennen: ‚Ja, ich strebe nach der Herrschaft, nach der Spitze, da will ich das Land regieren, auch dann, wenn der König nicht mit mir einverstanden ist, und die Wahl wäre, mich zu entlafsen oder mir Folge zu leisten. Ich werde mich so einrichten oder einzurichten wünschen, daß er mich nicht entlassen kann, daß er mir also Folge leisten muß.“ Das nenne ich nach der Herrschaft streben, und wenn der Abg. Rickert in seinen Busen greift, wird das wohl das Ideal sein, was ihm vorschwebt.
Ich möchte doch davon abmahnen, manchen Beschuldigungen mir
gegenüber durch starke Stimme, durch Unterstreichen, vielleicht durch fetten Druck besonderen Nachdruck zu geben. Der Herr Abgeordnete hat z. B. mit einer solchen Stimme, die ich mit fetter Schrift gleich bedeutend finde, gesagt: wir lassen uns keine Vorschriften machen. Wo befinde ich mich denn nun in der Lage, dem Herrn Abgeordneten Vorschriften zu machen? Er hat mir gerade Vorschriften machen wollen, ich soll die Hand bieten zu einer Verfassungs— änderung. Gerade umgekehrt wäre ich im Recht, wenn ich sagte: ich lasse mir von dem Abg. Rickert nicht. Vorschriften machen, da wird aber der Spieß umgedreht und mit dem Tone sittlicher Entrüstung behauptet: wir lassen uns von dem Herrn Reichskanzler keine Vorschriften machen. Wird das angewandt auf den Fall, wo der Reichskanzler sich mit Mühe und Noth gegen die Majorität wehrt, die ihm als civium parva inbentium in meinem Sinne eine Verfassungsänderung abfordert — wo bleibe ich da als einer, der dem Abg. Rickert Vorschriften macht, und wo bleibt die Berechtigung, mit dem Tone sittlicher Entrüstung es mir gegenüber zu sagen? Das ist Etwas, was der Staatsanwalt dem Verbrecher gegenüber beobachten kann, aber nicht ein Abgeordneter gegenüber dem Reichskanzler. Der Abgeordnete hat ferner meine Worte einigermaßen verschoben, indem er gesagt hat, ich hätte behauptet, die Majoritaät wäre repu— blikanisch. Das ist ein Irrthum, ein Gedächtnißfehler, das ist un— richtig, ich habe das nicht gesagt, ich habe von der Majorität über- haupt nicht gesprochen, ich habe von der Art der Zusammensetzung gesprochen, aber ich habe der Majorität einen einheitlichen Charakter überhaupt nicht beigelegt. Das ist ja das Unglück, hätte sie einen einheitlichen Charakter, dann würde ja heute die Koalition der Par—⸗ teien, der die beiben Herren Vorredner aus dem Centrum und aus dem Fortschritt angehören, berufen sein, den Reichskanzler und Minister bei ung zu stellen, und wenn sie homogen wäre, eine dauernde Majorität, wäre ich der Erste, der dazu riethe, die Parteien sind zwar bei den Wahlen zusammengegangen, aber ob sie im Ministerium zu⸗ sammengehen würden, ist mir noch zweifelhaft. Wenn ich darüber einige Sicherheit hätte, mache ich mich anheischig.; Sr. Majestät den Vorschlag zu machen, seine konstitutionelle Auffassung dadurch zu be⸗ thätigen, daß die Minorität von der Majorität abgelöst wird. Ich befinde mich in der Minorität einer negativen Majoritaͤt gegenüber, die nur in der Negation einig ist, aber nicht in dem ersten Schritt zu einem Vorschlage nach vorwärts. Das ist die Hoffnungslosigkeit, über die ich klage, mit der ich mich aber auch abfinden werde. Es sind nicht wir, die darunter leiden, und wenn das Land darunter leidet, so sind wir nicht schuld daran.
Der Abgeordnete hat gesagt, es sei meine Verpflichtung und die Verpflichtung des Ministers, sich im Einklang mit den gesetzgebenden
Körpern zu setzen, und ich hätte das früher gesagt. Ja, meine Herren, ich werde das nur esagt haben in derselben Richtung, in der ich gesagt habe, das ken flf i f! Leben besteht aus Kompro—
missen. Es ist allerdings meine Verpflichtung, mich nach Mög- lichkeit in Einklang mit den gesetzgebenden Körpern zu halten, es ist aber auch, die Verpflichtung der gesetzgebenden Körper, sich noch Möglichkeit in Einklang mit der Krone zu setzen, und die Verpflichtung des Reichstages, sich nach Möglichkeit in Einklang mit dem Bundesrath zu setzen. Nur durch Uebereinstimmung kann ein Fortschritt in unserer Gesetzgebung entstehen. Der Abg. Rickert ist also im Unrecht, wenn er mir bloß diese Lehre giebt, ich geöe sie ihm vollständig zurück, und in der Art, wie er diese Forderung seinerseits vorbringt, sehe ich immer wieder den Ausdruck eines Irrthums über die Gleichberechtigung der beiden Faktoren. Der Bundesrath repräsentirt die gesammten deutschen Regierungen. Meine Herren, schätzen Sie diesen Faktor nicht gering! er ist sehr mächtig, und ich rathe Ihnen dringend: fuchen Sie ebenso, wie ich die Uebercinstimmung mit dem Parlament und seiner Mehrheit suche, die Uebereinstimmung mit der Mehrheit des Bundesraths und der deutschen Regierungen; wir werden uns dann beiderseits finden und auf dem Wege der Gesetzgebung fortschreiten können. Wenn aber einer dem anderen, was der Bundesrath noch niemals gethan hat, seinen Willen als Gesetz auferlegt, weil die Majorität da ist, dann werden wir nicht vorwärts kommen, sondern werden die Gesetzgebung des Deutschen Reiches lahm legen, und das möchte ich verhütet sehen. Es wird aber folgen, wenn die Theorien, die der Abg. Rickert eben über unsere inländische Verfassung entwickelte, jemals praktisch zur Wahrheit werden sollten. Zur Herr⸗ schaft werden Sie nicht gelangen, davor ist mir nicht bange; aber lassen Sie nicht eine Ueberzeugung in die Wähler eindringen, als ob
den Wählern an ihrem Rechte eine gewisse Verkürzung geschähe, wenn
der Reichstag nicht die allein herrschende Körperschaft in diesem Lande ist; — das ist er nicht und wird er nicht werden.
Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, nicht seine Partei habe, wie der Reichskanzler sage, zu dieser Debatte den Anlaß gegeben, sondern der Bundesrath sei es durch sein einseiti⸗ ges Vorgehen gewesen; indem derselbe eine seit jetzt zehn Jahren vestehende Einrichtung plötzlich abgeändert habe, und dabei nicht einmal den Ablauf des Etatsjahres abgewartet habe, obwohl doch jene Einrichtung durch den Etat des Reichs⸗ tages festgestellt sei. Das einseitige Vorgehen des Bundes— raths habe seine Partei gezwungen, zu dieser Frage Stellung zu nehmen und den von seiner Partei dabei von jeher ange— nommenen grundsätzlichen Standpunkt in Form eines Initiatipantrages hier zu vertreten. Das sei kein Angriff seiner Partei auf den Bundesrath, kein Eingriff in dessen verfassungsmäßige Rechte, sondern es sei der verfassungsmäßige Gebrauch des Rechts des Gesetzesvor⸗ schlags, das der Reichstag nach der Verfassung besitze. Der Reichskanzler stelle sich immer so an, als ob er der konstitutionellste parlamentarische Minister sein würde, wenn nur große Parteien im Hause vorhanden wären. Noch im Jahre 1882 habe derselbe der Linken anempfohlen, aus zwei Parteien eine größere zu werden; aber gerade seit der Ver— einigung sei seine Partei für den Reichskanzler das Ziel noch weit heftigerer Angriffe geworden, als sie es früher gewesen sei, wo die Fortschrittspartei und die liberale Ver— einigung für sich bestanden hätten. Sogar die äußere Partei⸗ bezeichnung sei fortgesetzt Gegenstand der Bemängelungen. Zuerst habe der Reichskanzler den Namen „deutschfreisinnig“ durch „neusortschrittlich“ ersetzen wollen; nachdem dies lang— weilig geworden sei, erfinde derselbe den Namen „demo⸗ kratisch“. Aus der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ habe man schon vor einigen Tagen ersehen können, was heut bevorstehen würde. Im gewöhnlichen Leben pflege man von Denjenigen, welche ihre Ausführungen an äußere Namen anknüpfen, anzunehmen, daß sie ihrer Polemik nicht gerade inhaltreiche Gedanken zu geben im Stande seien. Der Reichskanzler werfe seiner Partei vor, nach der Herrschaft zu streben. Allerdings strebe seine Partei nach der Herrschaft ihrer Grundsätze; das müsse jede Partei, die nicht eine persönliche Clique vorstelle, sondern das zu ver⸗ wirklichen strebe, was nach ihrer Ueberzeugung sür Volk und Reich das Beste sei. Wenn der Reichskanzler selbst nach den Grundsätzen seiner (des Redners) Partei regieren wolle, so könnte es ja keine mächtigere und energischere Kraft zur Durch⸗ führung derselben geben. Viele Jahre hindurch habe seine Partei die Gesetzgebung des Reichskanzlers, insbesondere seine Wirthschaftspolitik, unterstützt, ohne jemals es zur Bedingung
zu machen, daß Dieser oder Jener von der Linken dafür
Minister würde. Jetzt sei eben die Wirthschaftspolitik des Kanzlers eine andere geworden. Nicht der Reichskanzler wolle eingreifen in die Rechte der Krone, sondern umgekehrt der Reichskanzler bestreite den Einfluß auf die Regierung, der dem Reichstage gebühre. Der Reichskanzler sage, die Mehrheit des Reichstages sei nicht für Herrschaft von Kaiser und Reich; der— selbe verwechsele seine eigene Person und seine jeweilige Po— litik mit Kaiser und Neich. Was nicht nach seiner Pfeife und nach den jeweiligen Melodien derselben tanzen wolle, das sei bei ihm gegen Kaiser und Reich. L'état c'est moi! habe einst Ludwig XII. gesprochen, ganz dasselbe, wie man es heute von dem Reichskanzler gehört habe, nur in anderer Form. Was solle das Ausland sagen, wenn der Reichskanzler hier solche Aus⸗ sprüche thue, die Mehrheit der Volksvertretung sei gegen Kaiser und Reich. Wenn das Ausland wirklich auf Grund dieser Autorität die Meinung gewinnen sollte, daß in Deutschland die Mehrheit der Bevölkerung gegen Kaiser und Reich sei, so würde das Ansehen des Deutschen Reiches im Auslande dadurch mehr geschädigt werden, als auch die meisterhafteste Diplomatie je wieder gut machen könnte. Aber vielleicht glaube der Neichs— kanzler selbst nicht, daß man im Auslande seine Aeußerungen so ernsthast nehmen werde, wie derselbe sie hier ausspreche. Der Reichskanzler sage, er lasse sich vom Reichstage nicht im⸗ poniren; er habe sich auch von Europa nicht imponiren lassen. Er habe sich immer gefreut, wenn sich der Reichskanzler von Franzosen und Russen nicht habe imponiren lassen. Aber sei es richtig vom Reichskanzler, sich gegenüber der Vertretung des deutschen Volkes in gleiche Linie mit Franzosen und Russen zu stellen? Als Wellington einst im englichen Parlament einen absolutistischen Ton angeschlagen habe, da sei ihm ge⸗— antwortet: „Sieger von Spanien, Sieger von Waater⸗ loo, Du sollst nicht Sieger sein über das englische Volk, Du sollst nicht Deinen Fuß auf seinen Nacken setzen!“ Der Reichskanzler habe einmal gesagt, es gebe Zeiten, wo diktatorisch, und Zeiten, wo liberal regiert werden müsse. Jetzt scheine der Reichskanzler nur noch das diktatorische Re—⸗ giment anzuerkennen. Gerade jetzt, unmittelbar nach den Wahlen, habe die Linke den vollen Anspruch darauf, die An⸗ sichten des Volks vor dem Reichskanzler i vertreten. Wie könne der Reichskanzler sich einem solchen Reichstage gegenüber auf andere Ansichten im Volke berufen? Was sei die Kon⸗ seguenz der heutigen Aeußerxungen des Reichskanzlers? Die Wiederherstellung des Absolutismus, die Aufhebung der ganzen Volksvertretung und die Uebertragung der Diktatur auf den Reichskanzler, wenigstens für desfen Lebenszeit!
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Zweite Beilage zun Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗-Anzeiger.
Berlin, Donnerstag, den 27. Novemher
ESS 4.
M 28.
(Schluß aus der Ersten Beilage
Die Rede des Reichskanzlers von heut werde nicht im Volk das Bild von dem großen Staatsmann wiedergeben, als welchen man gewohnt sei, den Fürsten Bismarck zu betrachten; im Gegentheil, das sei das Bild des kleinen Edelmannes von 1847, der zu den Idealen seiner Jugend, zu seinen absolu⸗ tistischen Anschauungen wieder zurückkehre. In der Thronrede heiße es, die Regierung des Kaisers erachte es für ihre vor— nehmste Aufgabe, soweit es menschliche Unvollkommenheit ge⸗ statte, Bürgschaften für den inneren Frieden im Lande herzu— stellen. Niemand habe dem Geist dieser Thronrede mehr zu— widerhandeln können, als heute der Reichskanzler. Dieser An⸗ griff auf Reichstag und Volk sei ganz dazu angethan, im Widerspruch mit den Worten der Thronrede den Geist der en. und der Uneinigkeit allenthalben auflodern zu machen.
Damit schloß die Debatte. In namentlicher Abstimmung wurde §. 1 mit 180 gegen 99 Stimmen angenommen. Auch die 85. 2 und 3 wurden mit derselben Majorität ange— nommen.
Auf die Tagesordnung für morgen wurde der Etat und das Anleihegesetz gesetzt.
Der Abg. Kayser beantragte, auch den Antrag Grillen— berger wegen Hinausschiebung des Inkrafttretens des Kranken⸗ kassengesetzes morgen auf die Tagesordnung zu setzen. Da dieses Gesetz schon am 1. Dezember in Kraft treten solle, so würde jede Hinausschiebung der Berathung des Antrags den⸗ selben vollkommen überflüssig machen.
Der Abg. Rickert erkannte an, daß allerdings der Antrag nur dann einen Sinn habe, wenn derselbe vor dem 1. De⸗ zember zur Verhandlung komme.
Hierauf ergriff der Staats-Minister von Boetticher das Wort:
Meine Herren! Es wird an sich schon außerordentlich schwer sein, diesen Antrag durch alle die Stadien, die er, wenn er Gesetz werden soll, zu absolviren hat, bis zum 1. Dezember durchzubringen, und wenn der Hr. Abg. Rickert gemeint hat, daß es möglich sein werde, die Auffassung, welche der Bundesrath über den Antrag hat, schon morgen zu vernehmen, so kann ich dieser Erwartung nicht Rech⸗ nung tragen. Der Bundesrath hat sich mit dem Antrag noch nicht beschäftigt und er wird konform den Gewohnheiten, die er bisher gegenüber Anträgen des Hauses beobachtet hat, sich auch erst dann mit dem Antrage beschäftigen, wenn derselbe zum Beschluß dieses Hauses erhoben worden ist. Ich möchte aber kaum glauben — wenn ich von meiner persönlichen Empfindung sprechen darf —, daß der Antrag und insbesondere zunächst der prinzipale Antrag Aussicht auf Annahme im Bundesrath hat, und ich glaube auch schwerlich, daß er die Majorität in diesem Hause wird finden können, wenn ich kurz die Rücksichten entwickele, die dem Antrage entgegenstehen.
Meine Herren! Wir müssen doch alle wünschen, daß das Kranken—
kassengesetz, das erste sozialpolitische Gesetz, das durch Uebereinstim mung zwischen Bundesrath und Reichstag vereinbart worden ist, mög—= lichst bald in Wirksamkeit tritt, und jedes Hinausschieben seiner Wirk- samkeit würde gleichbedeutend sein mit einem Vorenthalten der Wohlthaten, die das Gesetz der ganzen arbeitenden Bevölkerung, für die es bestimmt ist, zuwenden will.
Nun ist es ja möglich, — sichere Nachrichten darüber stehen mir nicht zu Gebote — daß rücksichtlich einzelner befstehender Kassen, welche sich nach den Vorschriften des Krankenkassen—⸗ gesetzes, wenn ihre Mitglieder von der Theilnahme an den Zwangskassen befreit werden sollen, reformiren müssen, diese Reform durch eine entsprechende Abänderung der Statuten noch nicht geschehen ist und nicht bis zum 1. Dezember bewirkt werden kann. Damit ist aber keineswegs die Wirksamkeit des Gesetzes an sich be— einträchtigt. Denn, meine Herren, ich darf Sie daran erinnern, daß jeder unter das Gesetz fallende Arbeiter, der nicht einer bestimmten Kasse angehört, im Krankheitsfalle durch die Gemeinde⸗Krankenversiche⸗ rung versorgt wird. Also die Fürsorge tritt mit dem 1. Dezember unter allen Umständen im ganzen Reiche ein, und wenn Sie jetzt nach dem Antrage der Hrn. Grillenberger und Genossen den Gel⸗ tungstermin des Gesetzes auf den 1. April verschieben, so ist das, — wie ich bereits vorher zu bemerken mir erlaubt habe, — gleich—⸗ bedeutend mit einer Vorenthaltung der Fürsorge für den erkrankten Arbeiter auf vier Monate.
Das, meine Herren, berechtigt mich zu der Annahme, daß auch hier im Reichstage dieser Antrag die Majorität nicht finden wird.
Der zweite eventuale Antrag, daß die Verpflichtung ruhen soll, so lange nicht die Reorganisation der bestehenden freien Hülfskassen nach Maßgabe der Vorschriften des Krankenkassengesetzes erfolgt ist, — ist meines Erachtens auch nicht acceptabel; denn auch dieser Antrag würde dazu führen, daß für die betheiligten Mitglieder nicht die
Fürsorge geleistet wird, welche das Krankenkassengesetz für die davon betroffenen Arbeiter im Erkrankungsfalle vorsieht.
Ich bin nun aber der Meinung, daß sich sehr wohl wird reden lassen über einen aadern Vorschlag. und zwar — ich bin ja nicht dazu ermächtigt, schon jetzt die Zustimmung des Bundesraths zu er— klären, es ist das nur meine persönliche Auffassung — würde sich vielleicht über einen Vorschlag in eine Erörterung eintreten lassen, welcher etwa dahin ginge, daß denjenigen Mitgliedern freier Kassen, welche jetzt nachweis bar solchen Kassen angehören und welche an der Fortsetzung dieser Mitgliedschaft lediglich dadurch gehindert worden, daß das Statut noch nicht den Vorschriften des Krankenkassengesetzes entsprechend or— ganisirt ist, — gestattet wird, demnächst, wenn die Bestätigung des Statuts erfolgt, ohne Weiteres in die freie Kasse zurückzutreten, also sie zu dispensiren von der jetzt durch das Krankenkassengesetz gegebenen Bestimmung, daß der Austritt aus den Zwangskassen immer nur ge⸗— schehen darf am Schlusse des Rechnungsjahres und nach einer vorher— gegangenen dreimonatlichen Kündigung. Ich glaube, wenn man sich über eine solche Vorschrift, wie ich sie hier im Auge habe, verständi⸗ gen könnte, so ist das das äußerste, was verlangt werden kann im Interesse der freien Kassen. Vor allen Dingen möchte ich glauben, daß man das Interesse der Kassen niemals über das Interesse der versicherten Arbeiter stellen darf, und diesem Interesse wird nur Rechnung getragen, wenn wir es bei dem bisherigen Geltungstermin für das Krankenkassengesetz
belassen. Um ein solches Gesetz zu machen, wie ich es andeutete, haben wir aber gar keine Eile. Wir können es in der von mir an⸗ gedeuteten Richtung auch nach dem 1. Dezember vereinbaren, und es wird dann die durch eine solche Vereinbarung gegebene Modifikation des Krankenkassengesetzes eintreten, sobald wir uns über das Gesetz verständigt haben. Wir erreichen dadurch den Vortheil, daß wir uns über den Weg, wie den als berechtigt anzuerkennenden Ansprüchen der freien Kassen genügt wird, in einer kommissarischen Berathung klar werden können, während, wenn wir jetzt in drei beschleunigten Lesungen hintereinander die hier gestellten Anträge erledigen müßten, ich erstens sehr fürchte, daß wir nicht zum Ziele kommen, und zwei⸗ tens, daß wir, wenn es nach dem Antrage geht, etwas machen, was den Interessen der betheiligten Arbeiter durchaus widerstreitet.
Aus diesen Gründen möchte ich, ohne mich dagegen zu erklären, daß die Sache morgen auf die Tagesordnung gesetzt wird, mich doch dagegen aussprechen, daß man diese Anträge durch ein beschleunigtes Verfahren erledigt.
Der Abg. Bebel erklärte, das Auftreten des Staats⸗ sekretärs habe ihn heute in hohem Maße überrascht. Zu Anfang der Sitzung sei derselbe so gefällig gewesen, seiner Partei für eine Abänderung seines Antrages sein (des Ministers) Manuskript zur Verfügung zu stellen; er habe die Hülfe des Mi⸗ nisters gern angenommen. Jetzt mische derselbe sich aber in einer Weise in die Geschäftsordnung des Reichstages, wie man sie bisher doch nicht gewohnt sei. Derselbe habe nicht nur seine formellen Bedenken gegen die Verhandlung des Antrages Kayser ausgesprochen, sondern sich auch thatsächlich über den mate⸗ riellen Inhalt desselben verbreitet. Wenn er in derselben Weise verführe, würde der Präsident ihn daran verhindern. Die Ausführungen des Ministers hätten aber bewiesen, daß seine Partei alle Ursache habe, sich mit der Frage in irgend einer Form so bald als möglich zu beschäftigen, und er könne auch konstatiren, daß ihm aus verschiedenen Kreisen Mitthei⸗ lungen gemacht seien, daß an die Abgeordneten von ihren Wählern die Aufforderung gestellt sei, eine Hinausschiebung des Inkrafttretens des Krankenkassengesetzes zu bewirken.
Der Abg. Frhr. von Maltzahn⸗-Gültz glaubte nicht, daß der Antrag, selbst wenn derselbe morgen zur Berathung käme, noch bis zum 1. Dezember durch alle Stadien der Gesetzgebung hindurchgeführt werden könnte. Das Haus sollte dem Staats⸗ Minister für seine Ausführungen Dank wissen, denn derselbe habe klargelegt, daß auch nach dem 1. Dezember noch Remedur geschafft werden könne.
Das Haus beschloß, den Antrag Grillenberger morgen nicht zu berathen.
Auf Antrag des Abg. Rickert wurde beschlossen, daß die Wahlprüfungskommission demnächst in einer Stärke von 28 Mitgliedern gewählt werden solle, ihre Geschäfte solle sie indeß in zwei Abtheilungen zu je 14 Mitgliedern erledigen.
9. 6 vertagte sich das Haus um 5 Uhr auf Donnerstag ; .
* Inserate für den Deutschen Reichs⸗ und Königl. Preuß. Staats ⸗Anzeiger und das Central⸗Handels⸗
1. Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen.
Deffentlicher Anzeiger.
Invalidendank“, Rudolf Mosse, Haasenstein
Krenßischen Ktaats-Anzeigers: Berlin 8W., Wilhelm⸗Straße Nr. 32.
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egister nimmt an: die Königliche Erpedition des Neutschen Reichs- Anzeigers und Königlich
2. Subhastationen, Aufgebote, Vorladungen u. dergl.
3. Verkäufe, Verpachtungen, Submissionen et.
4. Verloosung, Amortisation, Zinszahlung
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(53195) Im Namen des Königs! In der Strafsache gegen 1) k Adalbert Janetzeck zu Neu⸗ dörfel, 2) den Hausmann Stephan Rajewski zu Ino⸗ wrazlaw,
wegen Hausfriedenshruches,
hat das Königliche Schöffengericht zu Schwiebus in der Sitzung vom 13. November 1884, für Recht erkannt:
Die Angeklagten, der Hausmann Adalbert Ja⸗⸗ netzeck, am 22. April 1834 zu Posemuckel bei Bomst geboren, katholisch, verheirathet, nicht Soldat ge: wesen, unbestraft, der Hausmann Stephan Rajewski zu Inowrazlaw, 32 Jahre alt, geboren in Carne bei Wollstein, katholisch, verheirathet, Soldat gewesen und noch nicht bestraft, sind des Hausfriedensbruchs schuldig und wird deshalb der Angeklagte Janetzeck mit (I) einem Tage, der Angeklagte Rajewski da⸗ gegen mit einer Woche Gefängniß bestraft; es wer⸗ den den Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens zur Last gelegt.
Von Rechts Wegen. Munckel. 3176)
Der ehemalige Füsilier — Wehrmann — Her⸗ mann August Apitz, geboren am 11. April 1853 zu Prillwitz, Kreis Pyritz, zuletzt in Dieckow, Kreis Soldin wohnhaft gewesen,
wird beschuldigt,
als Wehrmann der Landwehr ohne Erlaubniß ausgewandert zu sein, ohne von der bevorstehen⸗ den Auswanderung der Militärbehörde Anzeige erstattet zu haben, Uebertretung gegen §. 360 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs.
Derselbe wird auf Anordnung des Königlichen Amtsgerichts hierselbst auf
den 12. Februar 1885, Vormittags 9 Uhr, vor das Königliche Schöffengericht in Berlinchen zur Hauptverhandlung geladen.
Bei unentschuldigtem Ausbleiben wird derselbe auf Grund der nach . 472 der Strafprozeßordnung von dem Königlichen Bezirks Kommando zu Cüstrin ,. Erklärungen verurtheilt werden.
erlinchen, den 24. November 1884. Der Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.
Subhastationen, Aufgebote, Vor⸗ ladungen u. dergl.
Ioõ2047 Aufgebot. Der Schenkwirth . Hinrich Stuve aus
Fleeste hat das Aufgebot des auf seinen Namen
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5. Industrielle REtablissements, Fabriken und
Grosshandel. 6. Verschiedene Bekanntmachüngen. J. Literarische Anzeigen. 9 Theater- Anzeigen.
In der Börsen- beilage. KR
& Vogler, G. L. Daube & Co., E. Schlotte, Büttner & Winter, sowie alle übrigen größeren
Annoncen ⸗Bureaux.
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Familien- Nachrichten.
dorfer Sparkasse Nr. 5732 über 1741,70 MS be⸗ antragt. Der Inhaber der Urkunde wird auf⸗ gefordert, spätestens in dem auf Sonnabend, den 17. Januar 1885, Vormittags 19 Uhr, vor dem unterzeichneten Gerichte anberaumten Auf— gebotstermine seine Rechte anzumelden und die Ur⸗ kunde vorzulegen, widrigenfalls die Kraftloserklärung der Urkunde erfolgen wird. Geestemünde, den 7. November 1884. Königliches Amtsgericht. J. Rasch.
51663 Ausfertigung. Regensburg, den 16. Oktober 1884.
Aufgebot,
betreff. Amortisation eines Bankscheins.
Der von der K. Filialbank Regensburg dem Söldner Simon Rußwurm von Eulsbrunn über ein zo /oiges Darlehen zu 1500 S ausgestellte Schuld⸗ schein Nr. 41590/5590 de dato 21. Juli 1883 ist abhanden gekommen.
Auf Antrag des Rechtsanwalts Seboldt, als Ver⸗ treter des Söldners Simon Rußwurm, wird hiemit der Inhaber dieses Schuldscheins aufgefordert, spä⸗ testens in dem auf
Donnerstag, den 18. Juni 1885, Vormittags 9 Uhr, beim diesseitigen Gerichte angesetzten Aufgebots⸗ termine seine Ansprüche und Rechte anzumelden und den Schuldschein vorzulegen, widrigenfalls dieser für kraftlos erklärt würde. K. Amtsgericht Regensburg J. Der K. Amtsrichter: Pfeufer. Zur Beglaubigung: Regensburg, den 13. November 1884. Der Königl. Sekretär: (L. 8.) Hencky.
sss] Bekanntmachung.
Auf Antrag des Bauergutsbesitzers August Driefert zu Niebel bei Treuenbrietzen, Regierungebezirk Potsdam, werden die Inhaber folgender, angeblich bei einem am 10. März 1882 in Niebel stattgefun denen Brande vernichteter Stammaktien der Breslau⸗ Schwei dnitz⸗Freiburger Eisenbahn⸗-Gesellschaft
Litt. B. Nr. 12126 und Nr. 17046, ferner Nr. 34185, 34186, 34187, 364188, letztere vier ohne Littera, über je 200 Thaler mit Dividendenscheinen pro 1882 aufgefordert, spätestens in dem am 9. Dezember 1885, Vormittags 11 Uhr,
Gericht anzumelden, widrigenfalls die Kraftlos⸗ erklärung der gedachten Aktien erfolgen wird. Breslau, den 9. November 1883. Königliches Amtsgericht.
38524 Aufgebot.
Auf Antrag des Rendanten Rautenberg und des Maurermeisters F. Reitmeyer wird der am 30. März 1835 zu Tilsit geborene und im Jahre 1858 nach Rußland ausgewanderte Schlossergeselle Carl August Robert Dürr aufgefordert, spätestens im Termin den 3. September 1885, Vormittags 11 Uhr, im Zimmer Nr. 16 vor dem unterzeichneten Ge⸗ richte sich persönlich oder schriftlich zu melden, widrigenfalls seine Todeserklärung ausgesprochen und über seinen Nachlaß in Gemäßheit der 85. 834 ff. 6. 18 Theil II. des A. L. R. verfügt werden wird.
Tilsit, den 19. August 1884.
Königliches Amtsgericht. III.
lsosss] Oeffentliche Zustellung.
Der Mühlenbesitzer Theodor Stahl in der Amts—⸗ schreibersmühle bei Eisenberg, vertreten durch Rechts⸗ anwalt Oertel in Eisenberg, klagt gegen den Bäcker Oswald Sperhake, früher in Eisenberg, jetzt un⸗ bekannten Aufenthalts, wegen einer Restforderung von 208 M fur in den Jahren 1882 und 1883 käuf⸗ lich geliefert erhaltenes Mehl mit dem Antrage:
1) den Beklagten in Bezahlung von 208 M Rest⸗ kaufgelder mit Zinsen zu 6 9eͤ vom 1. Juli 1884 an kostenpflichtig zu verurtheilen,
2) . Urtheil für vorläufig vollstreckbar zu er⸗
ren, und ladet den Beklagten Sperhake zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits auf Donnerstag, den 8. Jannar 18865, Vormittags g Uhr vor das Herzogliche Amtsgericht Eisenberg.
Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht.
Eisenberg S. A., den 10. November 1884. Gerichtsschreiberei des Herzogl. sächs. Amtsgerichts. Rfdr. Lösch, als Gerichtsschreiber.
h 3269] Oeffentliche Zustellung.
Der Strumpfwirker Gustav 3 Hahne zu Elberfeld, vertreten durch Rechtsanwalt von Hurter, klagt gegen den Robert Halbach, früher in Elber⸗ feld, jetzt ohne bekannten Wohn ⸗ und Aufenthalts ort, auf Theilung des Nachlasses der am 21. Mai
1884 zu Elberfeld verstorbenen Wittwe Peter Wil⸗ helm Rübenstrunk, Maria Catharina, geb. Hahne, und ladet den Beklagten zur mündlichen Verhand⸗ lung des Rechtsstreits vor die Erste Civilkammer des Königlichen Landgerichts zu Elberfeld auf
den 4. Februar 1885, Vormittags 9 Uhr, mit der Aufforderung, einen bei dem gedachten Gerichte zugelassenen Anwalt zu bestellen.
Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht.
Schuster, Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts.
53262 Oeffentliche Zustellung. ; Die zu Crefeld unter der Firma G. Neidlinger bestehende Handlung, vertreten durch Geschäftsmann Klein zu Geldern, klagt gegen 1) Christian Pötters, Handelsmann zu Geldern, 2) Aloys van der Velden, Kaufmann, früher zu Geldern, jetzt ohne bekannten Wohn⸗ und Aufenthaltsort, und ladet dieselben zur mündlichen Verhandlung über: I) den Antrag der Klägerin auf Anerkennung ihres Eigenthums an 1 Nähmaschine Nr. 5 1d 82, . J 2) die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung, die Herausgabe dieser Nähmaschine betreffend, vor das Königliche Amtsgericht zu Geldern auf den 18. Januar 1885, Vormittags 9 Uhr. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht. Geldern, den 14. November 1884. Hendriksen, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.
sõ3 260 Oeffentliche n,,
Der Uhrmacher F. H. Meyer zu Lübbecke, ver⸗ treten durch den Rechtsanwalt Coppenrath zu Lüb⸗ becke, klagt gegen den Knecht Carl Barmeier, . zu Holzhausen, dann zu Lübbecke und jetzt seinem Aufenthalte nach unbekannt, wegen 25 S, mit dem . den Beklagten kostenpflichtig zu verurtheilen, dem Kläger 25 M nebst 5 o/ Zinsen seit dem 25. Oktober 1884 zu zahlen, auch das Urtheil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, und ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechts- streits vor das Königliche Amtsgericht zu Lübbecke auf
den 11. Februar 1885, Vormittags 19 Uhr.
Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht.
Lübbecke, den 20. November 1884.
Dreis hoff, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.