fassung über einen Bau beim Ständehause beschäftigte sich der Landtag im Wesentlichen mit der Verleihung von Stipendien und Stistungsgenüssen aus den ver— schiedenen ständischen und unter ständischer Verwaltung stehenden Stiftungen und Fonds und mit verschiedenen Be⸗ willigungen zu wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecken, und stellte insbesondere auch dem Landeshauptmann eine Summe zur Verfügung, aus welcher deutsche Predigtamts⸗Kandidaten bezw. Studirende der Theologie, welche Behufs Uebernahme einer wendischen Pfarrstelle in der preußischen Oberlausitz die wendische Sprache erlernen, Kostenbeihülfen bewilligt werden können. Nachdem die Geschäfte des Landtages beendet waren schloß der Vorsitzende denselben mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König, in welches die Ver— sammlung begeistert einstimmte.
Württemberg. Stuttgart, 6. Dezember. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat die in der Reichs-Postspar⸗ kassen⸗Angelegenheit von der Kommission gestellten Anträge mit 82 gegen 5 Stimmen angenommen. Der Staats-⸗Minister von Mittnacht erklärte Namens des Ministeriums: die Regierung gehe von der Ansicht aus, daß Württemberg verfassungsmäßig keine Verpflichtung habe, die Landespost zum Betrieb der Sparkassen herzugeben. An— gesichts der Nützlichkeit sowie der höheren Bedeutung der Reichsvorlage in sozialpolitischer Hinsicht und der Vortheile einer Reichs⸗-Anstalt werde die Regierung aber zustimmen, wofern das württembergische Reservatrecht in dem Reichsgesetz ausdrücklich gewahrt und die Unterstellung der Beamten unter die württembergische Postverwaltung anerkannt werde. Selbstver⸗ ständlich sei die Voraussetzung, daß der Weg einer selbständigen Verständigung zwischen der Reichspost und der württembergi⸗— schen Post eingeschlagen werde. Materiell erwähnte der Staats⸗-Minister von Mittnacht in seiner Erklärung noch einiger beim Bundesrath gestellten Anträge Württembergs, namentlich bezüglich der Repartition und Verwaltung der Sparfonds, endlich auch des freien Zustimmungsrechts Württembergs bei allen ferneren Stadien des Reichsgesetz— entwurfs.
Mecklenburg. Schwerin, 7. Dezember. Die letzte Woche hat eine Reihe bemerkenswerther Verhandlungen und Beschlüsse des Landtages in Malchin gebracht. Am Montag ward ein von der Regierung vorgelegter neuer Entwurf, die Reorganisation des Hebammenwesens be⸗ treffend — die vorigjährige Regierungsvorlage über diese Materie war von den Ständen auf dem Stern— berger Landtage abgelehnt worden — angenommen, unter der Bedingung, daß die bisher benutzten, jetzt aber als unzulänglich anerkannten Lehrbücher nur noch bis zum 1. Juli 1886 beibehalten werden dürfen. Nach einem alsdann erstatteten Bericht der Schuldenlilgungs— Kommission betrug die Salomon Heine'sche Anleihe, nachdem im letzten Rechnungsjahr 376 000 Mk. Beo. getilgt worden sind, noch 2 252 000 Mk. Beo. Ferner ward verhandelt über die Ver⸗ wendung der 4 Millionen Mark, welche die Königlich preußische Regierung als Abfindung für den Uebergang der Mecklenburg Schwerin an dem Berlin-Hamburger Eisenbahnunternehmen zu— stehenden finanziellen Betheiligung auf den preußischen Staat gezahlt hat. Die Regierung hatte proponirt, das Abfindungs— kapitel zu konserviren und die Zinsen der Allgemeinen Landes⸗ rezepturkasse zu überweisen. Dieser Antrag ward mit 26 gegen 19 Stimmen abgelehnt und von der Regierung erbeten, dem nächsten Landtage weitere Vorschläge zu machen, wie das Geld zur Vermeidung neuer Anleihen und zur Tilgung der Landesschulden zu verwenden sei. In der Dienstagssitzung wurde ein schwerinsches Reskript an das Comité für. Eisenbahn⸗ und Wegesachen ver— wiesen, welches mittheilte, daß die Direktion der Friedrich Franz⸗Eisenbahn sich unter Voraussetzung der Gewährung der TLanbeahullse bereit erklärt habe, den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Schwerin nach Gadebusch resp. Crivitz zu übernehmen. Weiter kam ein schwerinsches Reskript zur Vor— lage, durch welches die Regierung den Antrag der Ritterschaft wegen Wiederherstellung des früheren Trauformulars ablehnte. In Betreff der Aufhebung des Chausseegeldes kam es nach Erstattung eines Berichts des Comités für die Eisenbahn und Wegesachen zu keiner Einigung, da die Landschaft (Städte) erklarte, zu⸗ nächst unter sich (als Stand) berathen zu wollen, also die so⸗ genannte itio in partes eintrat. — Der 3. Dezember war der Tag, an welchem die verschiedenen landständischen Wah⸗ len vorgenommen wurden. Zum Deputirten der Ritterschaft mecklenburgischen und wendischen Kreises im engeren Ausschuß zu Rostock ward der Amt— mann a. D. von Döring⸗Badow und zum Klosterhaupt— mann für das Kloster Malchow der Rittmeister von Gundlach⸗ Hinrichsberg gewählt; für die erledigte Stelle eines Landes—⸗ Steuerdirektors wurden der Regierung der Kammer Rath a. D. und Kammerherr von Oertzen zu Kotelow und der Ritt— meister a. D. von Storch zu Rostock präsentirt. — Am Don— nerstag bewilligte man für den beim Ober-Landesgericht in Rostock anzustellenden Hülfsarbeiter ein Jahresgehalt von 8560 Alsdann referirte das Justizcomité über die dritte Allerhöchste Landtagsproposition, betreffend die fernere Bestreitung der Kosten der Justizverwaltung nach Johannis 1885. Der von der Landtagsversammlung genehmigse Bericht geht dahin, daß Stände den Abschluß eines neuen Provisorli, wie ihn ein Regiminalrestript vom 23. September d. J. vorgeschlagen, ablehnen, dagegen die Verlängerung des bestehenden Inkeri⸗ mistikums auf ein Jahr, also bis Johannis 1886 unter Ausbescheidung derjenigen Kosten, rücksichtlich welcher jetzt ein Definitivum proponirt, beschließen und dem Großherzoge zu den laufenden Kosten der Justizverwaltung für das Jahr von Johannis 1885 bis dahin 18386 aus den Mitteln der Landes rezepturkasse einen einmaligen aversionellen Hülfsbeitrag von 520 900 M zur Verfügung stellen. — Vorgestern erklärten sich die Stände mit einem schwerinschen Reskript, betr. die Zu⸗ ständigkeit der Polizeibehörden zur Erlaffung der Straf— verfügung nach 5. 81 des Reichsgesetzes vom 15. Juni 1883, betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, einverstanden— Endlich bewilligte die Landtagsversammlung am Freitag 3009 4M für Vornahme hydrotechnischer Beobachtungen und Messungen im Flußgebiete der Nebei und genehmigte den Bericht über den Etat des Landarbeitshauses zu Güstrow pro 1866/86. — Gestern beschloß man die Erhöhung des bisherigen Zuschussetãz für die Blindenanstalt zu Neukloster von 18 000 für die nächsten 9 Jahre auf 22 000 S
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 5. Dezember. (Wien. Ztg.) Unter den Regierungsvorlagen, welche in der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses zur ver⸗ sassungsmäßigen Verhandlung eingebracht wurden, befindet sich auch ein Gesetzentwurf über die neuerliche Verlänge— rung der Wirksamkeit des Gesetzes vom 25. Mai 1880, be—⸗ treffend die Zugeständnisse und Begünstigungen für Lokalbahnen.
— 6. Dezember. In der heutigen Sitzung des Ab— geordnetenhauses wurde von dem Minister für Kultus und Unterricht, Frhrn. von Conrad⸗Eybesfeld, eine Vorlage eingebracht, welche die Eröffnung eines Nachtragskredits von 39300 Fl. zum Staats⸗ voranschlage für das Jahr 18854 betrifft. Dieser Nachtragskredit steht im Zusammenhange mit der Er— richtung eines neuen griechisch-katholischen Bisthums in Stan isl au und dient zur Bedeckung der im Finanzgesetze für das Jahr 1884 nicht vorgesehenen Auslage zur Erwerbung und Einrichtung eines Hauses in Stanislau als Residenz des neucreirten griechisch⸗katholischen Bischofs daselbst, während die mit der päpstlichen Kurie vereinbarte Jahres⸗ dotation sowie die übrigen Adaptirungs Auslagen für das neue Bisthum in dem Staatsvoranschlage für das Jahr 1885 Berücksichtigung finden werden, weil erst in diesem Jahre mit der Besetzung des neuen bischöflichen Stuhles, der Kapitular⸗ und Domvikar⸗Stellen, der Einrich— tung der Konsistorial⸗Kanzlei wie mit der Adaptirung der Pfarrkirche in Stanislau zur Kathedrale vorgegangen werden soll. Der regelmäßige Jahresaufwand für das Bisthum wurde mit 17575 Fl. festgestellt. Die in dem erwähnten Nachtragskredit pro 1884 noch nicht enthaltenen Adap— tirungskosten der griechisch-katholischen Pfarrkirche in Stanislau zur Kathedrale sind mit 196000 Fl. veranschlagt worden.
Pest, 6. Dezember. (Wien. Ztg.) In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses konstatirte Csanädy, daß die, zur Beschlußfassung erforderliche Anzahl von 100 Mitgliedern nicht anwesend sei, was den Präsidenten veranlaßte, in dieser Bezichung den Abgeordneten die pünkt— liche Erfüllung ihrer Pflicht in nachdrücklicher Weise ans Herz zu legen. In Folge der Resignation des Abg. Madaräasz wuͤrde Kelfy in den Finanzausschuß gewählt. In der Speziglberathung des Budgets wurden heute die Ka— pitel „Allerhöchster Hofstaat“, „Kabinetskanzlei, „Reichstag“, „Bau des Parlamentsgebäudes“ und „Gemein same Ausgaben“ votirt.
Der Justizausschuß des Abgeordnetenhauses verhandelte gestern den Gesetzentwurf, beetreffend die Auf— hebung der Institution der Hauskommunionen in der gewesenen Militärgrenze und acceptirte denselben nach kurzer Debatte zur Basis der Spezialverhandlung. Die kroatischen Abgeordneten hielten in letzterer Zeit mehrere Konferenzen, in welchen wiederholt der Vorschlag auf⸗ tauchte, sich an der Generaldebatte über das Budget zu betheiligen. Die Majorität lehnte indeß den Antrag ab, um nicht eine Debatte über croatische Angelegenheiten zu provo— ziren, welche den Verhandlungen der Regnikolardeputation präjudiziren könnte; dagegen wurde beschlossen, sich an der Spezialdebatte mehrfach zu betheiligen.
Großbritannien nd Irland. Kondon, 5. Dezember. (Allg. Corr.) In der rr, zu Esher (Surrey) fand gestern in Gegenwart der Königin, des Prinzen und der Prinzessin von Wales sowie der anderen Mitglieder der Kö— niglichen Familie die Taufe des jungen Herzogs von Albany statt. Taufpathen waren die Königin und der Prinz von Wales. Der Prinz erhielt die Namen: Leopold Charles Edward George Albert. Der Bischof von Winchester vollzog die heilige Handlung.
— 6. Dezember. (Allg. Corr.) Die Bill fr die Neueintheilung der Wahlbezirke wird im Ganzen sehr beifällig beurtheilt, aber in diesen Beifallschor mischt sich fast allgemeines Bedauern und Unzufriedenheit über das neue System, welches den meisten Wahlbezirken nur einen Ver— treter giebt. Im liberalen Lager sind bereits Proteste laut geworden gegen eine Bestimmung, die, wie man arg⸗ wöhnt, dem liberalen Kabinet von Lord Salisbury auf⸗ gedrungen worden wäre. Die Klausel, welche die großen Städte und Wahlkreise in kleine Bezirke mit einem Vertreter zer⸗ splittert, hat der Regierung bereits ein nützliches Mitglied, den Finanzsekretär des Schatzamtes Mr. Courtney, geraubt, und es heißt, daß der kürzlich verstorbene General⸗Postmeister Faweett ebenfalls sein Amt niedergelegt haben würde, wenn er am Leben geblieben wäre. Die zweite Lesung der Bill ist allerdings, trotz des Protestes Courtney's und Goschens gegen die erwähnte Klausel, erfolgt, allein in der Einzelbera⸗ thung im nächsten Jahre wird sich voraussichtlich ein neuer und vielleicht weit ernsterer Sturm gegen bie Zersplitterung der großen Städte und Landbezirke Und die Eintheilung der⸗ selben in „single member districts« erheben. Der Premier Gladstone hat indeß schon angedeutet, daß die Regierung be⸗ reit sei, in der Einzelberathung rationellen Modifikationen der Klausel Gehör zu schenken. Die liberale Partei weiß, daß von der Bill zur Neueintheilung der Wahlbezirke das Schick— sal des Kabinets abhängt. Unter diesen ÜUmständen werden die Gegner der Klausel wahrscheinlich ihre Opposition dagegen nicht auf die Spitze treiben und die Hand zu einem Ausgleich
bieten.
— 6. Dezember. (W. T. B.) Beide Häuser des Parlaments wurden heute, nachdem die Reformbill die Königliche Sanktion erhalten hatte, bis zum 19. Fe⸗ bruar künftigen Jahres vertagt.
—— 7. Dezember. (W. T. B.) Der „Observer⸗ meint, daß die den egyptischen Finanzvorschlägen gewordene Aufnahme nicht zu großen Hoffnungen auf eine schließliche Annahme dieser Vorschläge berechtige.
Frankreich. Paris, 5. Dezember. (Köln. Ztg.) Das neue Wahlgesetz, welches heute der Aus schuß auf den Tisch des Senats niederlegte, hat die volle Zustimmung der Regierung und rird voraussichtlich von dem Senat ange— nommen werden, da das linke Centrum unter dem Vorsitz von Léon Say sich heute zu Gunsten desselben aussprach. Dasselbe hält die gegenwärtigen Senatoren auf Lebens⸗ zeit aufrecht, schafft sie aber für die Zukunft ab; d. h. alle 300 Senatoren werden von den Departements ge⸗— wählt werden. Das Gesetz wird wahrscheinlich am nächsten Montag wieder vor die Kammer kommen, die es jedenfalls annehmen wird, da eine große Anzahl Deputirter, welche für den Antrag Floquet waren (man sagt fogar Floquet selbst) ihren Widerstand aufgeben. Die Debatten im Senat werden
wahrscheinlich heiß werden, da der Herzog von Broglie in de Kampf eintreten und das direkte allgemeine Stimmrecht für die Senatswahlen verlangen will.
— 6. Dezember. (W. T. B.) Im Senat ver⸗ langte, heute hei der Genera ldedatte. über Un, Wahlreform Niemand das Wort. Lareinty von der Rechten gab seinem Erstaunen über dieses Schweigen Aus- druck und warf der Majorität vor, in ihrer Wahl vertheilung die Stimmen der Minorität unterdrücken zu wollen. er Redner sprach sich für das System der Deputirtenkammer aus. Das einzige Mittel, dem Senat die Autorität wiederzu⸗ geben, sei die W usung an das Volk. Der Senat nahm sodann die fünf ersten Artikel ohne Dis kussion an. Die von Naquet (radikal) und dem Herzog von Broglie (Rechte) eingebrachten Amendemenks, wonach die Wahl des Senats mittelst des allgemeinen Stimmrecht; erfolgen soll, gaben zu längerer Debatte Veranlassung. Der Minister⸗Präsident Ferry sprach sich gegen die Amendementz aus und wies darauf hin, daß das Hervorgehen beider Kammern aus demselben Entstehungsmodus das gegenwärtige System vollständig umstürzen und dem parlamentarischen Regime widersprechen würde. Das Amendement Naquets welches das allgemeine direkte Stimmrecht für die Senatgz⸗ wahlen vorschlug, wurde abgelehnt, ebenso ein Amendement Lareinty's, welches für die Senatswahlen das allgemeine Stimmrecht mit zwei Abstufungen angewendet wissen wollte mit 145 gegen 86 Stimmen. Die Berathung wird am Mon— tag fortgesetzt.
Die hiesige Handelskammer hat gegen die Erhöhung der Getreide⸗Eingangszölle Protest eingelegt.
Durch Straßenanschläge war in der vergangenen Nacht zu einem morgen in Belleville abzuhaltenden Meeting aufgefordert worden, in welchem über eine vor dem Elysée zu veranstaltende Massenkundgebung be— rathen werden sollte. Die Plakate wurden von der Polizei entfernt.
Spanien. Madrid, 8. Dezember. (W. T. B.) Aus⸗ wärtige Blätter fahren fort, über die am 20. v. M an der hiesigen Universität stattgehabten Vorgänge über— triebene Nachrichten zu verbreiten. Dem gegenüber ist hervorzuheben, daß die Freiheit des Unterrichts bei jenen Vor⸗ gängen gar nicht in Frage gekommen und von einer Ni— nisterkrisis keine Rede gewesen ist.
Italien, Rom, 7. Dezember. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkam mer gab der Finanz⸗-Minister Magliani das Finanzexpose. Dasselbe beziffert den Ueberschuß der Einnahmen für das Jahr 1883 auf 24 Millionen und den Gesammtüberschuß auf 44 Millionen Lire. Trotz der Aufhebung der Mahl⸗ steuer seit dem 1. Januar d. J. beträgt im ersten Semester der Ueberschuß mehr als 15 Millionen. Bezüglich der Abschaffung des Zwangscourses konstatirt der Minister die Auswechselung von Noten im Betrage von 232 Millionen Gold und 116 Millionen Silber; es bleiben mithin noch 252 Millionen einzuwechseln. Der Goldvorrath in Italien erhöhte sich. Die gegenwärtige Gebahrung er— giebt wegen der Cholera nur einen Ueberschuß' von 3090 000 Lire; derselbe dürfte sich jedoch dem nächst viel höher gestalten und zur Deckung der außerordentlichen Aus— Jaben hinreichen, Für 1886, 1886 wird der Ueberschuß auf 193ͤ0 Millionen beziffert, wovon 9g, Millionen zur Amortisirung von Staatsschulden bestimmt sind— Nach hinreichender Bedeckung sämmtlicher ordentlichen Aus⸗ gaben wird das Budget noch über 90 Millionen zur Bestreitung außerordentlicher Ausgaben und Amorktffi— rung der Staatzschuld disponiren. Der vorgelegte Gesetz⸗ entwurf über die Reorganisirung der Geschäftstaxen und die Eisenbahn⸗-Konventionen werden das Budget voͤr jeder zu⸗ fälligen Eventualität sicherstellen. — Der Minister besprach sodann den gegenwärtigen Entwurf betreffs der viertel jährigen Zahlung der Rentenzinsen und betonte die Nothwendigkeit eines organischen Instituts zur Amortisirung der Staatz—
schuld.
ö
Rumänien. Bukarest, 6. Dezember. (W. T. B.) Das Parlament autorisirte heute in einer vertraulichen Sitzung die Präsidenten beider Häuser, dem Könige als denjenigen, der den Kammern geeignet erscheine, das neue Kabinet zu bilden, Bratianu zu bezeichnen. Der Be— schluß wurde heute dem Könige unterbreitet, und schon heute oder morgen dürfte Bratianu beauftragt werden, die Bil dung des Kabinets zu übernehmen.
— 8. Dezember. (W. T. B.) Das Ministerium hat sein Demissionsgesuch zurückgezogen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, S8. De— zember. (W. T. B.) Die russische „St. Petersburger Zeitung“ meldet, daß im nächsten Jahre der Bau des größten russischen Panzerschiffes nach dem Muster des „Duilio“ begonnen werden soll. Dasselbe wird einen Tonnengehalt von 11 000 haben und mit einem zwölfzölligen Panzer versehen sein; bei 8000 indizirten Pferdekräften wird die Schnelligkeit auf 17 Knoten berechnet; die Armirung wird aus 16 zölligen Geschützen bestehen, und die Baukosten sollen sich auf 5 Millionen Rubel belaufen.
Ode ssa, 6. Dezember. (W. T. B. Der persönliche Adjutant des Sultans, Edip Bei, welcher beauftragt ist, dem Kaiser Alexander den Osmanise-Orden in
Brillanten zu überreichen, ist auf der Reise nach St. Peters⸗
burg heute hier durchpassirt.
Amerika. Washington, 5. Dezember. (Allg. Corr.) Der Staatssekretär Frelinghuysen und der Ge— sandte von San Domingo haben den auf Gegenseitig⸗ keit beruhenden Handelsverkrag zwischen den Vereinigten Staaten und San Domingo, dessen in der Botschaft des Präsidenten Erwähnung gethan ward, unterzeichnet.
S8. Dezember. (W. T. B.) Der Vorsitzende des Tomités für Banken und Geldumlauf wird bei der Kammer heute einen Entwurf wegen Sugspendirung der Aus— prägung von Silberdollars einbringen.
Asien. China. Hongkong, 4. Dezember. (Allg. Corr) Die Chinesen scheinen alle Hoffnung aufgegeben zu haben, daß der Krieg durch Unterhandlungen beigelegt werden dürfte, und sind zu einer energischen Politik entschlossen. Zwölf Kriegsschiffe haben den Befehl, in See zu stechen und Formosa zu entsetzen. Fünf dieser Schiffe gehören zu dem Nanking Geschwader und die übrigen fieben sind der Division in Tientsin entnommen. — Der frühere Vize⸗König Yang hat die Weisung erhalten, Pen Nulin, der jetzt in
. gehenden Zolleinnahmen?
10 650 M,
Canton befehligt, zu ersetzen; während Letzterer sich als Com— mandeur en chef nach Tongking begeben und dort mit Lin Jungfu kooperiren soll.
Afrika. Egypten. Alexandrien, 5. Dezember. (Allg. Corr) Die Frauen und Kinder aus Senheit sind in Nassauah glücklich angekommen, und nur die männliche Bevölkerung ist in jener Stadt zurückgeblieben. Geld zur Be⸗ ahlung der Truppen wurde sicher nach Senheit befördert Dasselbe liegt 5000 Fuß über dem Meeresspiegel, und die dorthin führenden Pässe sind schwierig zu passiren; es ist daher sehr befriedigend, daß so viel bewerkstelligt worden ist. Die Behörden bemühen sich auch, die Frauen und Kinder aus Matam meh, im Tistrikt Kalabat an der abessinischen Grenze, fortzuschaffen. Dieser Entsatz ist schwieriger als der von Senheit, da der Platz weiter im Innern liegt. Die Flüchtlinge werden durch Abessinien geführt werden, und ein egyptischer Offizier ist mit dem Entsatz beauftragt worden. Suüakim, 4. Dezember. (Allg. Corr.) Die Rebellen eröffneten gestern Abend im Norden der Stadt ein lebhaftes Feuer gegen die befestigte Stellung der Marine soldaten. Dann zogen sie außerhalb der Linien nach dem Süden zu und machten dort einen entschlossenen Angriff, wobei sie in einer Entfernung von 250 im aus Schießgräben feuerten. Die Marinesoldaten und die egytischen Truppen erwi— derten das Feuer aus den als Forts besetzten Häu⸗ fern, wobei sie von den Genietruppen unterstützt wurden. Das auf den Feind gerichtete Musketenfeuer, sowie das aus den Gardiner⸗-Geschützen beherrschte einen sehr großen Flächenraum, und in 20 Minuten war von den arabischen Scharmützlern nichts mehr zu sehen. Dann aber begann ein sogenanntes Kaninchenschießen. Im hellen Mondschein sah man die Rebellen aus ihren Verstecken nach den Schießgräben schlüßfen; doch der Granatenhagel brachte Viele zum Fall, die alsdann von ihren Kameraden fortgeschleppt wurden. Dies dauerte 3 Stunden lang, bis der Boden mit Blutlachen be— deckt war. Zwei Leichen wurden auf dem Schlachtfelde auf— gefunden, aber die Spursinder behaupten, daß i5ß Feinde ge— tödtet und viele andere verwundet wurden. Im Hinker— grunde sah man, daß die Todten und Verwundeten den dort harrenden Kameeltreibern überliefert wurden.
Seitungsstimmen.
Das „Deutsche Tageblatt“ wendet sich in dem Leit⸗ artikel seiner letzten Sonnabend⸗Nummer gegen die neuliche
( Behauptung des Abg. Richter von dem „Zusammenbruch der
ganzen Wirthschaftspolitik des Kanzlers“ und sagt: Daß er den Beweis dafür schuldig blieb, versteht sich von selbst — schon aus dem einfachen Grunde, daß derselbe eben nicht zu liefern
ist. — Es kommt ja auch nur darauf an, ein so vorwurfsvolles
Wort einstweilen in die Welt zu schleudern; findet es doch der Gläubigen genug, die auch ohne Beweise nachzubeten bereit sind, was sie selbst mit Beweisen nicht verstehen würden.
Eines schickt sich aber nicht für alle, und für Herrn Eugen Richter als den anerkannten Sach und Fachverständigen in allen Dingen, die mit der Finanzwirthschaft zusammenhängen, ziemt es sich nicht, bei diesem einstweilen gesprochenen großen Wort stehen zu bleihen; das ungewöhnliche Maß seiner Kenntnisse zwingt ihn geradezu, demselben bei jeder sich bietenden Gelegenheit — und wo fände er die nicht — noch weiter nachzuhelfen.
So ließ er sich denn auch in der Montagssitzung bei Gelegenheit der Dampfersubventionsvorlage wieder also vernehmen: „Der Reichs⸗ kanzler meint, daß sich seit der neuen Wirthschaftspolitik die Ver— hältnisse in Deutschland erfreulich gebessert hätten und daß sich der Import beständig höbe. — Der Anschlag der Zolleinnahmen beweist
das Gegentheil. — Gerade weil die natürliche Steigerung der Ein—
GUahmen?nicht vorhanden ist, erscheint das Deficit so, bedeutend. SGerade die neue Zollpolitik hat das überseeische Geschäft so geschädigt, daß die Dampfersubvention, selbst wenn sie den erwarteten Nutzen
brächte, es nicht aufzuwiegen vermag“ ö . Es ist sehr bedauerlich, daß Worte wie diese, nicht gleich an Ort
und Stelle die verdiente Zurückweisung erfahren, trotzdem eine solche,
der absoluten inneren Unwahrheit der ganzen Behauptung halber, so
fehr angebracht wäre; man mag es ja muͤde werden, denselben un⸗ wahren allgemeinen Behauptungen immer und immer wieder dieselben
vor aller Welt daliegenden Thatsachen entgegenzuhalten, auf unsere
Jsahlenmäßig nachgewiesenen beständig steigenden Importe und Exporte,
unsere demgemäß günstig sich gestaltenden Bilanzen zu verweisen, und
Namit zugleich das widerwaͤrtige Geschwätz von der Schädigung der Geschäste in sein Nichts zurück uführen; es sollte aber doch nicht ununterbleiben, dem dreisten Ankläger müßte besser gedient werden. An
aʒnußreichendem Material dazu gebricht es nicht. . Wie steht es denn z. B. mit der Behauptung von den rück—
Die Zollerträge des Kalenderjahres 1883 betrugen 209 793 000 4,
. die des Jahres 1882 202799 600 „M, mithin ergab sich ein Mehr von 760650 .
Sehen wir uns nun einmal das Jahr 1884 — oder doch die
. bisher abgelaufenen 10 Monate desselben — an und fragen wir, wie ich die Resultate derfelben nach der offiziellen Reichsstatistik der
Ein. und Ausfuhr im Gegensatz zu der Privatstatistik des Herrn
. Richter gestalten.
Für, die zehn Monate vom 1. Januar bis ult. Oktober 1884 er—
; geben sich gegenüber demselben Zeitraum des vorigen Jahres die nach stehenden Mehr. und Mindererktäge an Zolleinna hmen von denjenigen
hauptsächlich in Betracht kommenden und für das Gefammtergebniß
ʒzAusschlaggebenden Artikeln, bei welchen eine irgendwie erhebliche
Differenz in den Einfuhrmengen sich bemerklich macht. — Mehrertraͤge: Getreide 3 300 O00 M, Rum, Arrak z. 1 0300004, Wein 6h Höh M, Heringe 240 000 MS, getrocknetes Obst 90 000 „, Fier sh 90 c, Kaͤse 46 050 M06, Taback 296 G0 „, Petroleuni 5520 009 ς, Maschinen 150 066 Eisenwaaren 170 000 M, Leder⸗
NRadren bo 00 , Holz. S0 CCW „, Baumwollengarn 236 600 K, Wollengarn 12 696 656 4
190 000 A, Seidenwaaren 90 000 Summa „n Mindererträge. Mehl, Graupen 2c. 240 009 46, Salz 300 0090r‚, Vieh ib hb 4, Butter 13h ß M, Schmal; Gä0 Höh , Fleisch Bh M00 s, Olivendl. 109 6900 ƽ, Leinöl iG Hb 6, Stegrin, Talg ꝛc. 15h ) „S, Kaffee 1 870 000 M, Reis 250 000 υ, Thee 20b0 , Zucker und Syrup 170 000 AM, Citronen, Apfelsinen
c 6.
. Rosinen 550 000 Se, Korinthen 540 000 S6, Mandeln 3000) , Leinenwaaren 116 0 0“ é, Wollenwaaren 10 500 , Summa 7 7765 006 ;
. Mitbin übersteigen hiernach die Mehrerträge die Mindererträge Um 4 920 000 M (selbstverständlich handelt es sich hier nur um runde Zahlen und um die Brutto Zollerträge ohne Anrechnung der Ver, . waltungskosten) und von einem Rückgange der Zollerträge zu reden ist
aalso eitel Flunkerei.
ö Außerdem aber ist es wohl der Beachtung werth, daß unter denjenigen Artikeln, welche geringere Zollerträge er · Pben, sich gerade eine ganze Reihe solcher befindet, deren Einführrückgang unseren eigenen wirthschaftlichen Interessen Ungute kommt. wie z. B. Vieh, Butter, Schmalz, Fleisch, Mehl, Zucker, ebenso auch Leinewand und Wollenwaren; nicht zu
über ehen ist ferner, daß die recht erheblichen Mindererträge der Zölle auf Citronen, Apfelsinen, Rosinen, Korinthen und Mandeln nicht . 8 in geringeren Einfuhrmengen ihren Grund haben, sondern le ⸗ dielich durch die handelsvertragsmäßig bedeutend reduzirten Zollsätze
hervorgerufen sind, und daß gerade im Gegentheil die Einfuhrmengen dieses Jahres die des vorigen sehr bedeutend Übersteigen.
Daß Kaffee, Reis und Thee eine Mindereinfuhr und somit zu— gleich einen Ausfall an den Zollerträgen aufweisen, hat, wie sattsam bekannt, nur darin seinen Grund, daß die abnorm niedrigen Preise des vorigen Jahres eine den Bedarf übersteigende Einfuhr bewirkten.
Auch hier stehen also wieder die Behauptungen des großen er und Rechenkünstlers im geraden Widerspruch zu den That⸗ achen.
— Die „Staatsbürger ⸗Zeitung“ schreibt zum Kapitel des parlamentarischen Regime:
Einer der hervorragendsten National - Oekonomen Frankreichs hat im Economiste frangais“ die Behauptung des Näheren begründet, daß an eine Gesundung der französischen Staatsfinanzen erst dann zu denken sein werde, wenn die Befugnisse des Parlaments erheblich eingeschränkt und Sicherheiten gegen die „Despoten. Launen“ der Volksvertretung beschafft werden. Dies sind goldene Worte und es ist namentlich zu beachten, daß sie aus einem Lande kommen, wo das sogenannte rein parlamentarische Regime seit etwa sechs Jahren, das ist seit Verzichtleistung des Marschalls Mac Mahon auf seine Stel lung als Präsident der Republik, bis in seine äußersten Konsequenzen aktivirt worden ist.
. . . Bis jetzt hatte Frankreich die hochweise Einrichtung besessen, daß den in der Kammer der Deputirten vor— herrschenden mehr oder weniger radikalen Elementen ein Gegen— gewicht gegeben war in der Kammer der Senatoren, welche nicht aus direkten Volkswahlen hervorgingen, sondern mittelbar ge⸗ wählt wurden. Auf diese Weise ward der Senat aus besonnenen Elementen zusammengesetzt, welche zwar ebenfalls überwiegend repu— blikanischen Ideen huldigten, aber den Strömungen der Zeit in einem etwas langsameren Tempo folgten. Man rüttelte seit geraumer Zeit an den Grundlagen des Senats; denn die Radikalen hätten ihn am liebsten ganz beseitigt, so daß dann der Wille der Kammer der De— putirten allein maßgebend gewesen wäre. Die Furcht vor einer ge— waltsamen Erschütterung seiner Grundlagen nöthigte ihn zu gar mancher Konzession, die er dann später bedauerte, indem er damit sich selbst untergraben balf.
Nach einem etwa fünfjährigen Rütteln an seinen Fundamenten gelangten die Radikalen nun wirklich dazu, das Ministerlum zu einer Gesetzesvorlage zu pressen, betreffend eine andere Zusammensetzung des Senats. Der betreffende, nun in Vorlage gebrachte, soeben in Berathung stehende Regierungsentwurf strebte selbstverständlich die Beibehaltung eines Theiles des seitherigen Modus der Zusammensetzung des Senats an; aber wie von vielen befürchtet wurde, erfochten auch hier die immer mehr zum Extrem drängenden Radikalen einen neuen Sieg, indem die Kammer ein Amendement annahm, nach welchem die Wahlen zum Senat mittels des allgemeinen Wahlrechts und Listenserutiniums vorzunehmen seien. Die Regierung war bestürzt, es drohte ein Rück. tritt des gegenwärtigen Ministeriums, dem Frankteich in der That sehr viel zu verdanken hat, nur mit Mühe konnte man die Minister überzeugen, daß die betreffende Abstimmung kein Mißtrauens— votum gegen sie involvirte. Aber die Unruhe bleibt und — was die Hauptsache bei der ganzen Affaire ist, die Kammer der französischen Deputirten, welche ohnehin schon viel radikaler ist, als irgend eine in der Gegenwart existirende Volkskammer, wird, sobald sie obigen Be⸗ schluß nicht festhält, als reaktionär verschrien werden und die nächsten Wahlen werden alsdann noch viel radikaler ausfallen.
An dem Beispiel Frankreichs ersieht man also, wohin das so— genannte parlamentarische Regime führen kann, wenn den beschließenden Kammern kein auf einem unverrückbaren, ja felsenfesten Fundamente stehendes Gegengewicht gegenübersteht, in der Person eines hochgeistigen, erleuchteten Monarchen, der den Pulsschlag, den Willen seines Volkes und die Bedürfnisse desselben richtiger beurtheilt, als es von Seiten der Abgeordneten geschieht, die in Vn der Gelüste herrschsüchtiger Fraktionen nur allzu leicht der Degenerirung verfallen. — Bie Despotenlaunen der Volkevertretungen sind gar viel gefährlicher als die Maßregeln der Vernunftsdespotie eines großen Staatsmannes, welcher, sobald er sieht, daß sich das parlamentarische Regime zu einer gemeinschädlichen Fraktionswirthschaft und zu einem traurigen Spiele auswächst, der Volksvertretung ein Qugs ego! zuruft. . . . ⸗
— In der „Baugewerks⸗Zeitung“ lesen wir:
Das Gesetz Ackermann, betreffend den §. 109 der Gewerbe— Ordnung, dessen Publikation durch den „Staats. Anzeiger man täg— lich erwarten darf, wird in der fortschrittlichen Presse vielfach er— örtert. Während man aber vor der Annahme durch den Bundesrath resp. durch den Reichstag dasselbe immer als Schreckbild und gleich bedeutend mit der Zwangsinnung hinstellte, verfolgt man jetzt die Praxis, das Ge setz als verhältnißmäßig einflußlos darzustellen, welches überdies leicht zu umgehen sei. Auf die Mittel der Umgehung kommt es natürlich jener Partei nicht an. So sagt das „Braun⸗ schweigische Tageblatt! vom 20. November d. J.:
und möglicherweise sind auch die Folgen der Annahme des Ackermannschen Innungséantrages nicht so fühlbare, wie befürchtet worden, weil durch das Fehlen der Strafbestimmungen für die Ueber⸗ tretung des Verbotes an Nicht Innungsmeister, Lehrlinge zu halten, die Durchführung der Neuerung so gut wie unmöglich gemacht worden ist. Wird aber das Versäumte nachgeholt, was erst nach einiger Zeit im Reichstage würde geschehen können, so bleibt den Nicht⸗Innungs⸗ meistern immer noch der Weg frei, sich Über die Schranken des Lehr⸗ lingsßparagraphen hinwegzusetzen, indem sie ihre Betriebe äußerlich und auf die leichteste Weise zu Fabrikbetrieben machen und statt Lehrlinge fortan „jugendliche Arbeiter“ anstellen.“
Also man soll sich über die Schranken des Lehrlingsparagraphen hinwegsetzen, indem man die Betriebe äußerlich in Fabrikbetriebe um⸗ wandelt und statt des Lehrlings nur „jugendliche Arbeiter“ anstellt. Versteht, der Schreiber des Ariikels im . Braunschweigischen Tage⸗ blatt? die Bedeutung seines Rathschlages? Weiß er, daß man damit die Zukunft des jungen Arbeiters und die Zukunft des Handwerks vernichten würde. Es ist das Lehren und Lernen ein sehr ernstes Ding und ein jugendlicher Arbeiter in einer Fabrik kann wohl bei guter Drillung ein Stück Maschine werden, aber niemals ein tüchtiger Gesell. Tüchtige Gesellen und Meister werden aber — abgesehen vom Handwerk — im Fabrikbetriebe sehr nothwendig gebraucht, denn ohne solche kann keine Fabrik, keine Großindustrie bestehen.
Die Innungen laden sich große Arbeit und Verantwortlichkeit durch die Ueberwachung des Lehrlingswesens auf, und daß man ihnen durch die lex Ackermann ein wirkiches Vorrecht gegeben, werden sie durch viele schwere Pflichten wieder wett machen muͤssen.
Uebrigens scheint es uns an dieser Stelle angebracht, auf die, sagen wir, Ungenirtheit hinzuweisen, mit welcher die manchesterliche Presse ihre Anhänger die Umgehung von Gesetzen lehrt.
In demselben Artikel giebt jener Kenner der handwerklichen Verhaͤltnisse“ noch einen anderen Rath, indem er sagt:
Vielleicht wäre es sogar von Vortheil, wenn die bisher außer⸗ halb der Innungen gewesenen Meister jetzt in die Ingungen eintreten, um nicht durch die lex Ackermann benachtheiligt zu werden.“
Diesem Rath können wir nur zustimmen, denn seine Wirkung wird eine andere sein, als sich der Rathgeber vorstellt. Diejenigen, welche in die Innung treten, werden nämlich bald erkennen, daß dort nicht Zünftlerei und Formenkram getrieben, sondern recht ernsthaft gearbeitet und gestrebt wird. Wenn unsere Gegner sich uns erst an— schließen, so werden bald aus Feinden Freunde unserer Sache gewor⸗ den sein, und darum können wir den „liberalen! Handwerkern, wenn sie nur tüchtig sind, zurufen: ‚Kommt zu uns, das Weitere wird sich finden.“
Land⸗ und Forstwirthschaft.
London, 6. Dezember. (A. C.) Am 5. d. verstarb in London Dr. Augustus Völcker, berathender Chemiker der König lichen Landwirthschaftlichen Gesellschaft von England.
Gewerbe und Handel.
Das Königliche Polizei⸗Präsidiu m hierselbst bringt die Po-
lizei⸗Verordnung vom 23. April 1869 in Erinnerung, nach welcher nicht
allein das Anfertigen von Feuerwerkskör pern und erplodirenden Stoffen, sondern auch die weitere Behandlung derselben behufs des Verpackens sowie das Verpacken selbst nur in Räumen geschehen darf, für deren Benutzung zu den gedachten Zwecken eine besondere poli⸗ zeiliche Konzession ertheilt worden ist. Zuwiderhandlungen werden in Gemäßheit des 5. 367 Nr. 4 des Sträfgesetzbuches mit Geldbuße bis zu 59 Thlr. oder Gefängniß bis zu 6 Wochen bestraft.
— Der Bericht der Berliner Unions-⸗Brauerei für das Geschäftsjahr 1883/84 konstatirt, daß sich das Geschäft stetig und in normaler Weise hebt; es sind in diesem Jahre bei einem Malj⸗ verbrauch von 38 069 Ctr. rund 76 846 hl Bier verkauft, während im Vorjahre bei 29 700 Ctr. Malzverbrauch nur 63 6309 hl Bier ab⸗ gesetzt wurden. Der Nettogewinn des verflossenen Jahres beziffert sich inkl. 1207 M Vortrag aus 1882/83 auf 1167795 77 Ba von erhalten der Reservefonds 5477 S, der Aufsichtsrath 6572 es, die persönlich haftenden Gesellschafter 6572 „, die Aktionäre 300 Divi⸗ dende mit 90 000 S und 2121 MS werden auf neue Rechnung vor⸗ getragen.
Danzig, 8. Dezember. (W. T. B.) Die Einnahmen der
Marienburg ⸗Mlawkaer Eisenbahn betrugen im November cr. 160 609 M, mithin 14485 S weniger als im selben Zeitraum des Vorjahres. Lon don, 6. Dezember. (Allg. Corr.) Die handelsamt— lichen Ausweise pro November ergeben einen EGinfuhr⸗ werth von 30752 453 Pfd. Sterl. oder 5773 984 Pfd. Sterl. weniger als im November 1883. Der Import für die abgelaufenen 11 Monate beziffert sich auf 356 689 573 Pfd. Sterl., d. i eine AÄb⸗ nahme von 34 926 222 Pfd. Sterl. im Vergleich mit demfelben Zeit⸗ raum des Vorjahres. Der Ausfuhrwerth pro November stellt sich auf 17 704 213 Pfd. Sterl., was einer Abnahme von 2 350 485 Pfd. Sterl. gleichkommt. Die Verminderung für die 11 Monate betrãgt 5771 170 Pfd. Sterl.
Glasgow, 6. Dejember. (W. T. B.) Die Vorräthe von
Roheisen in den Stores belaufen sich auf 579 7660 Tons, gegen 683 500 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen g3 gegen 103 im vorigen Jahre. St. Peters burg, 7 Dejember. (W. T. B.) Die trans—⸗ kaukasische Eisenbahngesellschaft hat den Tarif für Kerosin und Naphta berabgesetzt; von Baku bis Batum und Poti beträgt die Zuschlagstaxe 16 Kop. pro Pud, der Rücktransport der leeren Fastage erfolgt unentgeltlich.
New⸗Jork, 7. Dejember. (W. T. B.) Der Werth der Waaxrenein fuhr in letzter Woche betrug 6560 000 Dollars, davon entfallen 1 100 000 Dollars auf Manufakturwaaren.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, JT. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Fulda ist gestern Vormittag 11 Uhr in New-⸗Vork eingetroffen.
Bremen, 8. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Habsburg“ ist gestern früh 6 Uhr in New-⸗Jork eingetroffen.
Hamburg, 6. Dezember, Abends. W. T. B.) Das schwim⸗ mende Dock Blohm Voß ist im Laufe des heutigen Tages aus seiner gefährlichen Lage glücklich befreit und in Sicherheit ge⸗ bracht worden, nachdem es gelungen war, das Dock sinken zu laffen und den englischen Dampfer „Athens“ herauszubringen. Der Eisgang ist bedeutend geringer geworden.
Hamburg, J. Dezember. (W. T. B.) Der Postdampfer Westphalia? der Hamburg ⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von New⸗Jork kommend, heute Morgen in Plymouth eingetroffen.
Triest, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Llovddampfer Achille ist gestern Nachmittag mit der ostindischen Ueberlandpost aus Alexandrien hier eingetroffen.
Holyhead, 8. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer Pochard“, mit Passagieren und Ladung von Cork nach Rotterdam bestimmt, ist gestern Nachmittag in der Nähe von hier gesunken. Obgleich das Rettungsboot sofort hinausgeschickt wurde, so konnte des schweren Seeganges wegen doch Niemand gerettet werden.
Sanitätswesen und Quarantänemesen. Italien. Nr. 41. Erlaß des Königlich italienischen Ministeriums des Innern vom 23. November 1884:
Artikel 1. Die aus allen nicht egyptischen, jenfeits des Sueʒ⸗ kanals gelegenen Häfen und Plätzen kommenden Schiffe, welche mit reinem Patent versehen und auf denen während der Ueberfahrt Krank⸗ heitsfälle nicht vorgekommen sind, werden von heute ab einer ärzt⸗ lichen Untersuchung und einer Beobachtung von 24 Stunden unter⸗ worfen, während welcher Zeit an Bord die im Artikel 133 der ministeriellen Instruktionen vom 26. Dezember 1871 vorgeschriebenen Desinfektionsmaßregeln und Lüftungen ausgeführt werden müssen.
Von dieser Beobachtung bleiben diejenigen Schiffe befreit, welche sich in der oben erwähnten Lage befinden und darthun können, daß sie jener Beobachtung bereits in zum freien Verkehr zugelassenen Zwischen⸗ häfen unterworfen gewesen sind.
Artikel 2. Das zur Zeit bezüglich der Einfuhr von Hadern, Lumpen und alten nicht gewaschenen Kleidungsstücken, welche aus jenen Gegenden stammen, bestehende Verbot bleibt bis auf Weiteres in Kraft.
Berlin, 8. Dezember 1884.
Se. Majestät der Kaiser und König konnten, der unsicheren Witterung halber, der am Sonnabend, den 6. De⸗ zember er., in der Göhrde stattgefundenen Hofjagd nicht bei⸗ wohnen, und auch Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz war behindert. Deshalb ward die Jagd im Aller⸗ höchsten Auftrage von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinz en Wilhelm abgehalten.
Die am Schluß verrichtete Gesammtstrecke ergab nach einer Suche mit der Findermeute auf Sauen im abgestellten Jagen am Waschkabel und einem Hauptjagen auf Rothwild in Adlershorst: 32 Hirsche, 35 Stück Wild, 118 grobe, 68 ge⸗ ringe Sauen und 1 Rehbock. Auf die Strecke Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm entfiellen 2 Hirsche, 10 grobe und 13 geringe Sauen.
Togogebiet und Biafra-Bai. (Aus der dem Reichstag vorgelegten Denkschrift.)
Nr. 1. Berlin, den 14. April 1883.
In den französischen Documents Parlementaires vom März d. J. wird der Worlaut einer am 28. Juni v. J. in Paris unterzeichneten Konvention zwischen Frankreich und England, betreffend eine Demar—= kationglinie für die Ausdehnung ihrer beiderseitigen Besitzungen an der Westküste von Afrika, nördlich von Sierra Leone, veröffentlicht.
In den Motiven zu dem inzwischen angenommenen Ratifikationg« gesetze ist außer auf die Nothwendigkeit einer geographischen Ab— grenzung der beiderseitigen Besitzungen, bezw. in Besitz zu nehmenden Landstriche, auch auf die in der dortigen englischen Kolonie gebräuch— liche höhere Belastung des fremden als des britischen Handelsstandes hingewiesen.
Nach Artikel 5 nnd 6 der Konvention sollen die Angehörigen der Kontrahenten in ihren beiderseitigen Besitzungen an der ganzen Westküste von Afrika auf gleichem Fuße behandelt werden.
Diese Konvention und andere noch schwebende Verhandlungen zwischen verschiedenen Kolonialmächten zur Regelung ihrer Beziehungen
und Handelsinteressen an der westafritanischen Küste, legen uns den