1884 / 293 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Dec 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Erste Beilage ö zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

in denen sich noch einmal die Entwickelung vom 15. bis 18. Jahr. hundert widerspiegelt. In ähnlicher Weise ist in der ö hälfte der Galerie die Vertheilung derart erfolgt, daß die bende ersten Qberlichtssäle und das an die Rückseite des größeren derselben anstoßende Kabinet die deutsche und altniederländische Malerei vom 13. bis 16. Jahrhundert verfolgen lassen, der zweite Saal aber diese Entwickelung überdies bis in das hier vornehmlich durg

die Galerie während der letzten zwölf Jahre erfahren hat, der Ankauf der Suermondtschen Sammlung und zahlreiche weitere Erwerbungen, die ihre frühere Bedeutung erheblich steigerten, ließen eine völlige Umgestaltung der ursprünglichen Ausstellungsräume längst schon als ein dringendes Erforderniß erscheinen, sondern es wurde der Ersatz der von Schinkel in der oberen Etage des alten Museums eingerichteten Räume durch eine Anlage von wesentlich abweichendem

Waaren⸗ und Bankgeschäft entsprechend reduzirt werden. Nach dem Einlangen der Erklärungen der bekannten Gläubiger, wofür eine acht tägige Frist in Aussicht genommen wird, sollen die momentan ihren Namen nach nicht bekannten Kassenschein⸗Inhaber mittelst Bekannt- machung zur Abgabe einer gleichen Erklärung aufgefordert werden.

Bradford, 11. Dezember. (W. T. B) Wolle ruhig, stetig, feine Bright haired sest, für Garne ungefähr letzte Preise; in

1884.

Stoffen für das Inland etwas Bedarf.

Verkehrs⸗Anstalten.

Der hier schön angezogenen Statistik der deutschen Reichs ⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung für das Kalenderjahr 18835 sind folgende Taten über das Telegraphen⸗ wesen entnommen. Die Länge der Telegraphenlinien betrug Ende 1883 65 099 90 km, Ende 1882 63 284,16 Km; und zwar die ober⸗ irdischen Linien (einschließlich der Kabellinien in Städten, durch Tunnel, Flüsse und durch die Sec) 59 442 05 km (1882 57 771 20 Rm), die unterirdischen Linien 5615,94 km (1882 5471,05 km), die unter- seeischen Kabel 41,91 km (1882 41,91 Km). Außerdem sind als Be— standtbeile des Reichs Telegraphennetzes anzusehen die unterseeischen Kabel von Hoyer über Sylt nach Aremdal in Norwegen, von Emden über Borkum nach Lowestoft, von Emden über Norden nach Lowestoft und von Emden über Greetsiel nach Valentia (Irland), welche zusammen eine Länge von 2965,B71 km besitzen. Die Vermehrung der Reichs⸗Telegraphenlinien gegen das Vorjahr beträgt 1815.74 km oder 2, 90 (1882 11628, 20 Em oder 2o/ ). Die Länge der Drahtleitungen beziffert sich auf 259 679, 74 km (1882 222 101,A37 Rm), daven waren oberirdische Leitungen 191 621,61 km 882 184 5533,70 km), unterirdische Leitungen 37 932,39 m (1882 57 421,84 km), untersceische Kabelleitungen 125,74 Rm (1882 125,4 km). Außerdem betrug die Länge der Drahtleitungen nach Norwegen. Lowestolt und Valentia zusammen 6435,05 km. Die Vermehrung der Drahtleitungen gegen das Vorjahr stellt sich auf 7578,37 km eder 3,4 o, (1883 4012,55 km oder 1,8 0/9. Die Gesammtzahl der Telegraphenanstalten belief sich Ende 1883 aaf 9792 (1882 9235), davon waren Reichs Telegraphenanstalten 6608 (1882 6167), Eisenbahn ⸗Telegraphenanstalten, welche zur Annahme und Beförderung von Privattelegrammen ermächtigt sind, 3016 (1882 2964), im Besitze von Privaten befindliche Tele— graphenanstalten 168 (1882 1045. Reichs -Telegraphenanstalten mit Fernsprechbetrieb waren vorhanden 1800 (1887 1462). Von den Telegraphenanstalten in Berlin und Charlottenburg sind mit Rohr— Posteinrichtung versehen 29 (1882 26). Von der Gesammtzahl der Telegraphenanstalten entfällt in 1885 eine auf 45,5 qkm resp. auf 3878 Einwohner. 1882 eine auf 48,1 qkm resp. auf 4112 Einwohner; von den Reichs ⸗Telegraphenanstalten allein entfällt in 1883 eine auf 67.4 4km resp auf 5747 Einwohner, 1882 eine auf 72,1 4km resp. auf 5158 Einwohner. Das Gefammtpersonal bei den selbst— ständigen (nicht mit Postanstalten vereinigten) Telegraphen— ämtern belief sich auf 3303 Personen (i883 3178 Perf., davon waren 2619 (1882 2489) Beamte und 693 (18382 689) Unter- beamte. Die Gesammtzahl der bei den Reichs-Telegraphenanstalten im Betriebe befindlichen Apparate belief sich Ende 1883 auf 12 A3, 1882 auf 11 518, und zwar System Morse 8770 (1887 S547), Hughes 198 (1882 186), Fernsprechsystem 3096 (1882 2613), andere Systeme 168 (1882 172). Die Gesammtzahl der beförderten Tele— gramme betrug in 1883 16790032 (1882 16317058), davon inner⸗ halb des deutschen Reichs-Telegraphengebiets 10 863 401 (18382 10441 983), nach anderen Ländern 2 550 252 (1882 2521 532), aus anderen Ländern 2 644505 (18382 2627 389), im Durchgang durch

das deutsche Telegraphengebiet 791 874 (1882 756 145). Die Ver— mehrung der Telegramme gegen das Vorjahr beträgt 442 974 oder 271 (1882 811 175 oder 5, 220! ). Von den in 1883 im deutschen Reichs ⸗Telegrophengebiet aufgegebenen Telegrammen waren gebühren pflichtig 12 946 400 Stück oder 96,96 ,. Von den in 1883 im Deutschen Reichs ⸗Telegraphengebiet aufgegebenen Telegrammen hatten bis 5 Worte 19 ½, 6—10 Worte 44,5 69, 11— 15 Worte 26,3 oso, 16—20 Worte 196 ½, 271 25 Worte 4,1 6G, 26 - 30 Worte 1, 8 Oo, über 39 Worte 29 C. Im Durchschnitt hatte jedes gebührenpflick⸗ tige Telegramm im inneren Deutschen Reichs Telegraphenverkehr 1883 wie 188 11,60 Worte. Die Länge des Röhrennetzes der Rohrpost in Berlin und Charlottenburg betrug Ende 1883 52.43 (1882 46, () km, die Zahl der Rohrpostämter 29 (1882 26); befoͤrdert wurden mittelst Rohrpost in 1883 1576383 (1882 1 608 473) Telegramme und 686 8900 (1882 6111765 Briefe und Karten, in Summa 2263273 (1882 2219 649) Gegenslände. Die Vermehrung beträgt 43 624 oder 1ů,97 ½ (1882 S0 756 oder 3,8 61. Die Zahl der Städte mit allgemeinen Stadtfernsprech— verbindungen belief sich Ende 1883 auf 37, die Länge der Leitungen 10 431 km, die Zahl der Theilnehmer 48890; 6 Städte hatten öffent— liche Stadtfernsprechstellen, im Ganzen gab es 14 öffentliche Stadt⸗ fernsprechstellen. Die gesammte Telegraphengebühren-Einnahme be— lief sich in 1883 auf 18 819911 ½ (1883 17359 828 ); die Mehr—⸗ einnahme beträgt also 1450 183 M6 oder 8, 3695/9. Die Finanz ˖ ergebnisse der Reiche Post! und Telegraphenverwaltung kennzeichnen folgende Angaben: Im Etatsjahre 1883/84 betrug die Gesammt⸗ einnahme 158 190 404 M. (1882,83 151 453 853 M6, die Gesammt-⸗ ausgabe 133 822 68) M (1882/83 127112 902 M), der Ueberschuß 24 367 724 M (1882/83 24 340 953 M6) Der Gesammtausgabe treten hinzu die einmaligen Aufgaben mit 3195 318 (1882583 3003751) 66, wodurch der Ueberschuß zu stehen kommt auf 21 172 4066 AM ( 1882/83 21 337 202 ).

Bremen, 12. Dezember, (W. T. B.) Der Dampfer des Vorddeutschen Lloyd „Elbe“ ist gestern Abend 5 Uhr in Southampton eingetroffen.

Sanitätswesen und Quarantänemesen.

Frankreich.

Laut amtlicher Bekanntmachung der Sanitätsbehörde zu Nantes ist seit dem 22. November d. J. ein neuer Cholerafall in Nantes und Umgebung nicht beobachtet worden und somit die Epidemie in jener Stadt als erloschen zu betrachten.

Bis zum 1I. Dezeinber unterliegen jedoch alle auslaufenden Schiffe einer gesundheitspolizeilichen Kontrole und auf den Patenten wird das Datum des Erlöschens der Cholera (22. November) vermerkt.

Vereinigte Staaten von Amerika. Cirkular des Schatzamts zu Washington vom 15. November 1884. Die Einfuhr von alten Lumpen aus fremden, durch ansteckende oder epidemische Krankheiten verseuchten Häfen oder Ländern nach den Vereinigten Stagten von Amerika ist vom 20. d. M. ab verboten. Frankreich, Italien und alle Häfen des Mittelmeeres und Frankreichs werden als im Sinne dieses Erlasses ver seucht erklärt. Solche alte Lumpen, welche aus verseuchten Häfen oder Ländern stammen, jedoch demnächst von anderen unverdächtigen Häfen 2c. aus zum Ver— sandt gelangen, sollen gleichfalls von der Einfuhr ausgeschlossen sein. Im Uebrigen wird die Zulassung von alten Lumpen nach den Ver— einigten Staaten von Amerika nur auf Grund beglaubigter Atteste gestattet, welche von dem amerikanischen Konsul des Abgangsplatzes ausgestellt sein und die Bescheinigung enthalten müssen, daß die ein⸗

zuführenden Lumpen keiner infizirten Gegend entstammen.

(Vergl. auch . R. A.“ Nr. 268 vom 13. November.)

Berlin, 12. Dezember 1884.

Nach nunmehr vollendetem Umbau ist die Gemäldegalerie der Königlichen Mufeen den Besuchern seit dem Mittwoch dieser Woche wieder in ihrer vollen Ausdehnung zugänglich, nachdem

Gepräge nicht minder auch durch die gänzlich veränderten Anschauungen bedingt, die in Bezug auf die praktischen und ästhetischen Erforder⸗ nisse einer derartigen Galerie im Verlauf der Zeit zu unbestrittener Geltung gekommen sind. Machte abgesehen von geringeren Uebel⸗ ständen auf der einen Seite die mangelbafte Beleuchtung einer ganzen Reibe von Räumen, die theils von Anfang an vorhanden, theils durch den Anbau des neuen Museums an die Nordfront des älteren herbei geführt war, eine Abhülfe dringend nothwendig, so galt es anderer seits, den Eindruck einer nüchternen Magozinirung der Bilder in einer ermüdend langen Reihe gleichartiger und gleich großer Kom⸗ partimente zu beseitigen., dafür durch einen angemessenen Wochsel größerer und kleinerer Säle und Kabinete eine glücklich gegliederte und belebte Anlage zu gewinnen und in ihr zugleich das für eine richtige Würdigung des Kunstwerks unerläßliche, der Art und Größe des Bildes entsprechende Verhältniß zwischen ihm selber und dem Raum, in welchem es Platz findet, herzustellen. Den einzelnen Sälen und Kabineten aber war endlich auch in der Anordnung der Gemälde sowohl wie in der gesammten dekorativen Ausstattung eine Erschei⸗ nung zu geben, die den Eindruck einer todten Aufspeicherung von Malereien nach Möglichkeit durch den einer Reihe kunstgeschmückter und zu gesammeltem Kunstgenuß einladender Räume erfetzt. Nach jedem dieser Gesichtspunkte darf das jetzt glücklich durchgeführte Werk des Umbaues und der neuen Aufstellung der Galerie ebenso der leb haftesten Anerkennung gewiß sein wie die Umsicht, mit welcher diese schwierige Aufgabe während eines Zeitraums von etwa sechs Jahren derart bewältigt wurde, daß während dessen der wesentlichste Bestand der Sammlung doch niemals der Betrachtung und dem Studium entzogen blieb. Von dem gesammten, der Gemäldesammlung zur Verfügung stehenden oberen Geschoß des alten Museums ist nunmehr die west— liche Hälfte den Bildern der italienischen, spanischen und französischen, die östliche denen der deutschen und niederländischen Schulen zu— gewiesen. Den Zugang zu der Galerie vermittelt nach wie vor sowohl die inmitten der Südfront des Gebäudes emporführende Freitreppe, von der aus man über den Umgang der Rotunde in den mittleren Raum der Nordfront eintritt, wie der von der anderen Seite her auf denselben Raum mündende Verbindungsgang zwischen dem alten und dem neuen Museum. Der so von Norden wie von Süden her zugängliche kleine Oberlichtsaal hat seine ursprüngliche, den früheren Kompartimenten der Galerie entsprechende Breite beibehalten und dient nunmehr, mit dem ror einiger Zeit erworbenen prächtigen italienischen Chorgestühl und mit darüber aufgehängten flandrischen Gobelins geschmückt, als ein inmitten der beiden großen Abtheilungen der Galerie angeordnetes Vestibül. Leicht bewegliche Glasthüren führen von ihm aus nach rechts und links in die längs der Nordfront hergerichteten vier Oberlichtsäle, von denen die beiden zunächst anstoßenden, aus je zweien, die beiden folgenden aus je dreien der früheren Komparti⸗ mente gebildet wurden. Von den beiderseits an den größeren dieser Säle sich anschließenden Seitenflügeln der Galerie ist der westliche in zwei weitere Oherlichtsäle und in drei zwischen dieselben sich einschiebende Kabinete mit Seitenlicht, der östliche dagegen mit Rücksicht auf die große Anzahl der niederländischen Kabinetbilder in sieben Kabinete getheilt. Aut den ehemals von den inneren Höfen des Gebäudes her nur un— genügend beleuchteten Kompartimenten der Südfront ist sodann beiderseits noch je ein großer, an die Seitenflügel anstoßender Ober— lichtsaal, aus den ihnen entsyrechenden an der Rückseite der Nordfront für die westliche Hälfte der Galerie ebenfalls ein Oberlichtfaal, für die westliche eine Reihe von drei Kabineten hergerichtet worden, von denen zur Zeit indeß nur das mittlere, am besten beleuchtete zur Ausstellung von Gemälden herangezogen wurde. Im Ganzen sind somit dem Publikum gegenwärtig neun Shbersschtsäle und eilf Kabinete geöffnet, zu denen endlich in jedem der beiden Seitenflügel je ein längs der Rückwand der Kabinete entlang führender, von den inneren Höfen her beleuchteter, Korridor hinzutritt, der hier wie dort zur Aufstellung minder bedeutender Bilder erwünschten Platz bietet. Die geringere Höhe aber, die für die Kabinete und Korridore sowie für die an die beiden Ecken der Nordfront verlegten Verwaltungsräume erforderlich war, gestattete überdies noch oberhalb derselben die Anlage eines durch Oberlicht erhellten Halbgeschosses zur Aufstellung derjenigen Bilder von geringerem künstlerischen Werth, deren Aufnahme in die eigentliche Galerie sich nicht empfahl und die deshalb aus letzterer ausgesondert . für Studienzwecke aber nun doch jederzeit bequem zugänglich eiben. Wie die Räume, aus denen die Galerie nun besteht, in den an— sprechend wechselnden Abmessungen und in der durchweg guten, in sämmtlichen Oberlichtsälen und in den Kabineten der beiden Seiten flügel vorzüglichen Beleuchtung ihrem Zweck bestens entsprechen, so präsentiren sie sich zugleich in einer derartigen Aus— stattung, die ihrem kostbaren Inhalt in jeder Hinsicht an— gemessen und mit sicherem Geschmack darauf berechnet ist, der richtigen Wirkung der ausgestellten Gemälde als wirksamer Fond zu dienen. Den Thüreinfassungen aus schwarzgebeiztem Holz gefellen sich ringsg umlaufende, in einzelnen Räumen mit graugemaserten Fül— lungen versehene Wandsockel aus gleichem Material, während die oberen Wandflächen mit tieffarbigen Stoffen in vorherrschend braun— rothen Tönen bekleidet und die in der Höhe der Sockel hinlaufenden Schutzstangen in echter Bronze gearbeitet sind. Entsprechend behan—⸗ delte Plafonds, Vorhangdrgpirungen aus moosgrünem Seidenplüsch, welche die größeren Säle und die Fluchten der Kabinete gegeneinander abgrenzen, und bequeme, inmitten eines jeden der Oberlichtsäle aufgestellten, mit braunem Leder bezogenen Rundsitze tragen des Weiteren dazu bei, durchweg den Ein druck einer vornehmen, von aller Aufdringlichkeit freien Eleganz und einer ruhig geschlossenen, zum Verweilen einladenden Stimmung her— vorzurufen. Was aber die Vertheilung der Gemälde selber betrifft, so ist neben dem Gesichtspunkte einer historischen Anordnung überall zugleich ein von künstlerischem Empfinden geleitetes Arrangement der verschiedenen Gruppen im Auge gehalten und nach Möglichkeit dahin gestrebt worden, jede störende Ueberfüllung der einzelnen Räume und Wandflächen zu vermeiden.

Wie bereits bemerkt, hat die östliche Hälfte der Galerie die deutschen und niederländischen, die westliche die romanischen Schulen aufgenommen. Dabei ist die Anordnung derartig getroffen, daß die Reihenfolge der nach beiden Seiten hin von dem Vestibül ausgehenden Räume möglichst dem Gange der historischen Entwickelung entspricht und demnach auf jeder Seite der große Oberlichtsaal an der Südfront des Gebäudes nicht blos räumlich, sondern auch historssch den Abschluß der betreffenden Abtheilung darstellt. Doch ließ diese Anordnung, wenn man nicht dem wissenschaftlichen Prinzip die gebotene Rücksicht auf ästhetische Wirkung opfern wollte, fich keines wegs auch im Einzelnen mit voller Strenge durchführen. So sind denn im westlichen Flügel den besonders trefflich vertretenen stalieni⸗ schen Schulen des 15. Jahrhunderts der erste und zweite Oberlicht⸗ gal zugewiesen, während der an die Südwand des letzteren anstoßende Saal von etwas geringerer Tiefe die weiter zurückliegenden Werke D darunter als neueste Erwerbung das „Jüngste Gericht“ des Fiesole aufgenommen hat. In den Oberlichtsälen des Seitenflügels setzt sich die Entwickelung mit den Werken aus der großen Blüthe— pertode der italienischen Malerei fort, um in dem füdlichen Ober lichtsaal mit den italienischen, spanischen und französischen Schulen des 16.— 18. Jahrhunderts ihren Abschluß zu finden. In den drei Kabineten dieser Westhälfte aber bilden die ‚Beweinung Christi⸗ von Giovanni Bellini und die neuerdings aus den Magazinen für die Galerie gewonnene. . Auferstehung? von Lionardo da Vinci, die beiden Hauptbilder Raffagels und endlich die beiden vor—

Rubens und van Dyck mit. mehreren ihrer. Hauptwerke ra, tretene 17. Jahrhundert weiterführt. Die übrigen dieser Gruppe zugebörigen großen Bilder der, vlämischen und hbolländisch, Schule des 17. Jahrhunderts sind sodann in den südlichen Oberlicht. saal verwiesen; von den zwischen die Nord. und Südfront sich n, schiebenden sieben Kabineten aber leiten die beiden ersten wieder u der Blütheperiode der altniederländischen und deutschen Maler zurück, die hier in erster Linie durch den in die Zwischenwand einge lassenen van Eyckschen KHenter Altar sowie durch Rogier van da Weyden und Lucas von Leyden, durch die Meisterwerke Holbeinz und durch die beiden Dürerschen Porträts repräsentirt wird, zu denen als Dritte nunmehr das neuerdings erworbene unvergleichliche Bildniß de Hieronymus Holischuher hinzugekommen ist. Die fünf folgenden Kabinete endlich gehören dann wieder der vlämischen und der hol⸗ ländischen Schule des 17. Jahrbunderts, und es gruppirt sich' m ihnen um die köstlichen Hauptwerke des Rembrandt, des Pieter d Hooch, des Frans Hals u. s. w. die ansehnliche Reihe erlesener Ar beiten aus der Blüthezeit der niederländischen Genre- und Lam. schaftsmalerei, die in diesen Räumen ebenso ausgezeichnet zur Gel tung gelangen, wie der gesammte Inhalt der übrigen Säle und Fa⸗ binete, der jetzt auch in ihrer äußeren Erscheinung sich ihrem fort. . gewachsenen inneren Werth entsprechend darstellenden alerie.

Leipzig 11. Dezember, Abends. (W. T. B.) heit Ihrer Majestäten des Königs und der Königin von Sach sen, Allerhöchstwelche von der sehr zahlreichen Festversammlun enthusiastisch begrüßt wurden, hat heute Abend die Einweihung dez Feuen Gewandhauses stattgefunden. Nach der Beethovensche Ouverture Zur Weihe deg Hauses“ sprach Fr. Olga TLewingty. Precheisen den von Rudolf von Gottschall gedichteten Prolog. Das musikalisch Programm wurde unter Leitung de Kapellmeisters Reinecke, welcher heute zum Ehrendoktor ernannt worden ist, musterhaft ausgeführt. Zur Aufführung gelangten Toccata und Fuge für Orgel (Bach), der 114. Pfalm Mendel sohm und die neunte Sinfonie mit dem Schlußchor über Schillers Ode an die Freude, Im Fopyersaal des neuen Gewandhaufes wurden die

Marmorbüsten Bachs, Schumanns und Reinecke's aufgestellt. Kom⸗ merzien Rath Blüthner hat dem Gewandhause einen prachtvollen Concertflügel geschenkt. Die Ausstattung des Inneren des Hausez i prachtvoll, die Akustik des Saales vortrefflich.

Im Residenz⸗Thegter begann gestern Sgr. Ernesto Rossi sein Gastspiel und wurde bei seinem Erscheinen von dem Publikum, welches äußerst zahlreich erschienen war, um den gefeierten Künstler zu begrüßen, mit lebhaftem Applaus empfangen. Ber berühmte Gut hatte als Antrittsrolle den Kean“ in Dumas' gleichnamigem Schau— spiel gewählt und gewann auch in diesem, unserm Geschmack wenig zusagenden Stück gleich mit den ersten Worten die alte, ihm in Berlin stets bewahrte Sympathie von Neuem wieder. Die Rolle des Kean, welche lediglich darauf herechnet zu sein scheint, einem routinirten Schauspieler die Möglichkeit zu geben, alle nur denkbaren Nuancen und Finessen der Schauspielkunst dem Publikum vor Augen zu führen, bot denn auch dem Gast hinreichend Gelegenheit, seine Messterschaft in der darstellenden Kunst zu zeigen. Daß Hr. Rossi dabei nicht der naheliegenden Gefahr entging, zu⸗ weilen hart an das Virtuosenthum zu streifen, kann nicht verschwiegen werden; in den Glanzstellen des Stückes jedoch wußte er stets daz richtige künstlerische Maß inne zu halten, und so zählte die Unter haltung mit Anna Danby, die Wirthshaus und die Wahnsinntscene zu den besten Leistungen des Künstlers, welcher stürmischen Beffal erntete und durch prächtige Kranzspenden ausgezeichnet wurde. Daß die Hauptrolle italienisch gesprochen wird, wirkt allerdings befremdlich, das tüchtige Ensemble mildert jedoch diesen Eindruck etwas, auch war daß Zusammenspiel des Kean mit dem Souffleur Salomon (Hr. Pansa), der Anna Danby (Frl. Wismar) und dem Seiltänzer Pistol (Bech ein recht tüchtiges. Die drei letztgenannten Rollen wurden alle gleich gut dargestellt, während die Herren Reicher als Minister, Mügge als Confeld und Frl. Hagen als Gräfin Confeld nicht so ganz befriedigten; namentlich die letztgenannte Dame wußte ihre glühende Liebe zu Kean uns nicht recht glaubhaft zu machen. Das Publikum wohnte der, Vorstellung mit sichtbarem Vergnügen bei und ließ es an Beifallsbezeugungen nicht fehlen.

Der Pianist Hr. Jo sef Weiß gab gestern im Saale der Sing-Akademie ein Concert, in welchem er Kompositionen klassischen und modernen Stils zu Gehör brachte. Eine für das jugendliche Alter des Concertgebers sehr vorgeschrittene Technik be— währte sich in allen Klaviervorträgen; nur ist zu wünschen, daß er noch die nöthige Ruhe und die maßvollere Verwendung des Fortes sich aneignen möge. Der Vortrag des Orgelconcerts von Friedemann Bach, sowie der Sonate von Schumann ließ Beides vermissen, wäh— rend Kompositionen freieren Stils, wie die Fantasie von Chopin, »Gnomenreigen“ von Litzg und, Nachtfalter“ von Strauß⸗Tausig hesser gelangen. Auch als recht begabter Komponist bewährte sich Hr. Weiß in vier Liedern nach Texten von Heine und Hans Hopfen. Sbwohl von poetischer Erfindung, dürfte ihre Verbreitung doch durch das Vor— herrschen einer oft komplizirten Klavierbegleitung erschwert werden. Der Königliche Hof⸗Opernsanger Hr. Paul Kalisch trug diese Lieder, sowie Kompositionen von Jensen und Dregert sehr innig und auß⸗ drucksvoll vor. Mit voller und umfangreicher Stimme begabt, müßte er nur die theatralischen Effekte beim Äbschluß von Liedern idyllischen Inhalts zu meiden suchen. Das Publikum war zahlreich erschienen und begleitete die Vorträge beider Künstler mit lebhaftem Beffall.

Zum Besten des Berliner Schulvereins für Fort— bildung von Mädchen der arbeiten den Klassen“ wird, Pro= fessor Strakosch am 5. Januar, Abends 73 Uhr, in der Sing“ Akademie einen dramatischen Vortrag halten, und zwar mit folgendem Programm: 1) Der polnische Reichstag aus, Deme— trius' von Schiller. „Der reiche Mann zu Cöln“ von E. Geibel. 3) „Strandgut“ von Coppée. Eintrittskarten zu 3 und 2 sind schon jetzt beim Hauswart der Sing ⸗Akademie zu haben.

Im Circus Renz erschien in der vorgestrigen Vorstellung Frl. Clotilde Hager, die Tochter des ausgezeichneten, beliebten Spultg e J. W. Hager und Enkelin des Altmeisters Renz, zum ersten Male auf einem neuen Springpferde, der englischen Vollblut Fuchsstute Cobham“, welche zu den werthvollsten Thieren des Renʒschen Slalle⸗ gerechnet werden kann. Ohne Anlauf nahm die junge graziöse Dame die in dichten Zwischenräumen aufgestellten, etwa 6 Fuß hohen 9. und zum Schluß die doppelt übereinander gehaltenen ca. 9 Fu hohen Barrièren und zeigte dabei eine Sicherheit und Eleganz im Sitz und eine Leichtigkeit in der Zügelführung, welche Fachmännern und Laien die lebhafteste Anerkennung abnöthigte.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner⸗ Fünf Beilagen

Berlin:

sie berejts am Dienstag einem geladenen Publikum zu einer ersten Besichtigung geöffnet war. Nicht blos der ansehnliche Zuwachs, den

züglichen, Landschaften des Poussin und des Claude TLorrain die Mittelpunkte der in ihnen vereinigten Bildergruppen,

leinschließlich Börsen⸗ Beilage).

In Anwesen.

n 293.

Berlin, Freitag, den 12. Dezember

Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 12. Dezember. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (12) Sitzung des Reichstages wurde die erste Berathung des von dem Abg. Munckel eingebrachten Hesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Herichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeß⸗ ordnung in Verbindung mit der ersten Berathung des von dem Abg. Dr. Heichensperger eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Gerichts ver⸗ fassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung,

esetzt. . . .. Abg. Dr. von Grävenitz erklärte sich gleichfalls sür Wiedereinführung der Berufung, mit der das Prinzip der Mündlichkeit keineswegs kontrastire. Bei der Unvollkommen⸗ heit des ersten Verfahrens komme aber gerade das Prinzip der Mündlichkeit gar nicht zu voller Geltung, und eben die Unvollkommenheit des mündlichen Verfahrens mache die Berufung nothwendig. Die Klage über unzu⸗ reichende Berücksichtigung der Beweisanträge sei eine ganz allgemeine, und daß sie begründet sei, habe man in der Thätigkeit am Reichsgericht voll erkannt. Redner ging dann zu einer Besprechung der gegenwärtigen Praxis über, die ernste Bedenken hervorrufen müsse. Das Vertrauen nicht in die Richter, aber in die objektive Zuverlässigkeit der Entschei⸗ dung sei gefährdet und das sei eine traurige Konsequenz der gegenwärtigen Praxis. Die Anträge Munckel und, Reichen serger ständen also auf dem guten, festen Boden der historischen Rechtsentwickelung und einer hundertjährigen Praxis. Die Beru⸗ fung sei eine wesentliche Garantie der Güter, die im Sirafpen⸗ fahren auf dem Spiele ständen; und diese Garatie werde nicht allein in den Kreisen der Praktiker verlangt, sondern in den weitesten Kreisen des Volkes. Auch der Neichskanzler, dessen weiten Blick für die Bedürsnisse des Volkes man ja kenne, habe das anerkannt. Der Abg. Rintelen schlage mit Reichensperger für die Berufung die Landgerichte vor, er (Redner) möchte sie mit Munckel den Ober⸗Landesgerichten übergeben, weil, wenn der Berufungs— richter verpflichtet sei, mit Freiheit und Unbefangenheit von neuen Gesichtspunkten aus die Sache zu beurtheilen, ihm dann auch in formeller Beziehung eine völlig unabhängige und selbständige, auch eine höhere autoritative Stellung, wenn es möglich sei, gewährt werden möge. Der Kostenpunkt sei dabei nicht von Erheblichkeit. Daß bei Einführung der Berufung dieselbe auch gleichmäßig der Staat anwaltschast gegeben werden müsse, erfordere die gleichmäßige Gerechtigkeit zumal in der jetzigen Zeit, wo bei einer aufs Höchste gestei⸗

gerten Kultur auch das Verbrechen an den Vortheilen dieser Kultur Theil nehme und seine volle Kraft gegenüber der menschlichen Gesellschaft entwickele. Der Zweck der Anträge werde aber durch eine Novelle bezüglich der mit der Berufung unmittelbar zusammenhängenden Bestimmungen nach seiner An⸗ sicht nicht zu erreichen sein. Ein aus der Kette herausgerissenes Glied lockere das Ganze und hringe es zum Wanken; zahlreiche andere Bestimmungen der Strafprozeßordnung würden in Mitleidenschaft gezogen werden, betreffend die Rechtsmittel, das Vorverfahren, die Stellung des Schwurgerichts und der Laien im Prozeß. Das führe, wenn nicht zur vollständigen, so Doch zur umfassenden Revision der Strasprozeßordnung. Das hochverdiente frühere Mitglied des Reichstages, dessen An— wesenheit von seinen Freunden und auch in weiteren Kreisen vermißt werde, Hr. von Schwarze, führe in einer Abhand⸗ lung aus, daß die Berufung die Fundamente, der Straf⸗ prozeßordnung berühre und sich wie ein rother Faden durch den ganzen Strafprozeß ziehe. Gleichwohl nehme er an, daß die Kommission, an die die Anträge verwiesen würden, ihre Aufgabe erledigen werde. . 5

Hierauf nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staassekretär des Reichs⸗Justizamts, Pr. von Schelling das Wort: . = .

Meine Herren! Meine gestrigen Mittheilungen über die Ab- sichten des Herrn Reichskanzlers, auf welche der Herr Vorredner gegen den Schluß seines Vortrages hinwies, haben auch gestern schon den Gegenstand der Besprechung gebildet und dabei ist von einem der Herren Redner ich glaube, es war Hr. Dr. Marquardsen be⸗ merkt worden, das Vorgehen des Herrn Reichskanzlers scheine sich doch auf einer etwas schmalen Grundlage zu bewegen. Wenn meine Mit theilungen den Eindruck hervorgerufen haben sollten, der sich a dieser Bemerkung wiederspiegelt, dann glaube ich, wird dieser Ein⸗ druck doch verwischt werden, wenn ich etwas Näheres über die Vorgeschichte mittheile. Die Wirksamkeit der Reichs-Justizgesetze wird schon seit einer Reihe von Jahren im Reichs-Justizamte einer aufmerksamen Beobachtung unterworfen. Was den Herrn Reichskanzler persönlich anlangt, so hat derselbe schon vor Wwei Jahren der Frage der Berufung sein Interesse zugewendet. Im Sommer dieses Jahres nahmen die Erwägungen eine konkretere Ge— stalt an, im Reichs-Justizamt wurde eine Zusammenstellung der reformbedürftigen Punkte in unserm Gerichtswesen ausgearbeitet und auf Grund dieser umfänglichen Vorarbeiten hat der Herr Reichs. kanzler bei Sr. Majestät dem Kaiser die Ermächtigung nachgesucht und erhalten, über eine Reihe von Punkten zunächst mit der Königlich preußischen Regierung und den Regierungen der anderen größeren

undesstaaten in Berathung zu treten. . ö.

Ich habe gestern dem Gegenstand unserer Verhandlung gemäß mich darauf beschränken müssen, die auf den Strafprozeß bezüglichen Punkte hervorzuheben und habe mich auch hierbei auf die Hauptpunkte mit Uebergehung blos nebensächlicher Fragen beschränkt. Da ich nun aber durch die gefallene Aeußerung provozirt bin, meine Mittheilungen ju erweitern, so nehme ich gar keinen Anstand, zu erklären, daß auch Fragen der Civilgerichtsordnung der Erwägung der Regierungen werden unterstellt werden. Ich habe keinen Grund, mit der Mit⸗ . der wichtigeren der in Betracht kommenden Punkte zurück— zuhalten.

Meine Herren! Es handelt sich zunächst um die Frage, ob der

nwaltszwang in seiner gegenwärtigen Ausdehnung unserem gegen— wärtigen Bildungsstande entspricht. Des ferneren werden zur Dis⸗ kussion gestellt werden verschiedene Punkte, welche das Gerichts vollzieherwesen betreffen; eg wird, namentlich in Frage ge⸗ zogen werden, ob die große Selbständigkeit unserer Gerichtsvollzieher sie nicht manchmal zu einer eĩgenmächtigen Ausbeutung ihrer Stellung beranlaßt, ob nicht insbesondere durch die Freiheit, welche ihnen in

ejug auf die Aufbewahrung und den Verkauf der Pfandstücke ein⸗ Feräumt ist, häufig der Schuldner in unberechtigter Weise benach— theiligt wird.

1115 .

bindung mit den bezeichneten Regierungen, insbesondere mit“ der preußischen Regierung, einer näheren Erwägung unterzogen werden

sollen, um die Möglichkeit einer Reform und das Ziel und den

Umfang derselben festzunellen. Es ist leicht möglich, daß andere

Punkte unseres Prozeßrechis in den Bereich der Er⸗

örterung gezogen werden und daß in . Folge dessen die

Revision sich in weiteren Grenzen als den zunächst in Aussicht ge—

nommenen bewegen wird. Im Allgemeinen möchte ich es aber doch

im Anschluß an das, was der Hr. Abg. Rintelen beute hervorgehoben

hat, für räthlich erachten, den Bereich der vorzunehmenden Revision

nicht zu weit zu stecken, denn, meine Herren, Prozeßgesetze haben noch

mehr wie andere Gesetze eine organische Natur, „wo ein Schlag tau⸗

send Verbindungen regt“. Wenn man zu viel Tasten anschlägt, dann

versetzt man noch viel mehr Töne ins Mitklingen und es ist dann

zu fürchten, daß wir zwar in sehr nützliche, sehr interessante Erörte⸗

rungen uns verlieren, daß aber darüber das eigentliche praktische Ziel

der Reform aus den Augen oder doch in die Ferne gerückt wird.

Die Diskussion wurde geschlossen.

Im Schlußwoꝛrt sührte der Abg. Munckel aus, daß gerade

das Motiv, die Kreise der Revision nicht zu weit zu ziehen,

ihn und den Abg. Reichensperger zur Stellung der Anträge,

die bestimmte Punkte beträfen, veranlaßt habe. Das Vorgehen der

Regierung begrüße er mit Freuden, denn alle die vom Staats⸗ sekretär angeführten Punkte seien revisionsbedürftig. Für die Kommission gelte es, die Berufung in den Rahmen der Straf⸗ gesetzgebung einzufügen, der Weg, wie das geschehen solle, sei Sache der Kommission. Die Menge von Wünschen, die von allen Seiten des Hauses wach geworden seien, würden sich nicht erfüllen lassen ohne das Rechtsmittel der Berufung. Wenn man sage, die Thatsachen würden in zweiter Instanz nicht so lebhaft dargestellt, so sei es auch wahr, daß die zweite Verhandlung leidenschaftsloser sei. Weil die zweite Verhand⸗ lung später sei, brauche sie nicht schlechter zu sein. Niemand sei es eingefallen, die Revisionsinstanz abzuschaffen, weil jeder Richter sich bewußt sei, daß er über Rechtsfehler nicht erhaben sei, daß bei der ersten Verhandlung in Bezug auf Prüfung der Thatsachen, oft der feinsten seelischen Vorgänge, Irrthü⸗— mer möglich seien. Jemand werde, obgleich unhescholten, von einem Diebe der Hehlerei beschuldigt. Der Richter glaube dem Diebe, denn was solle derselbe für einen Grund haben, den Mann fälschlich zu bezichtigen? Der Un— bescholtene werde verurtheilt, und wenn es nicht ge⸗ linge, irgend einen kleinen Rechtsirrthum nachzu⸗ weifen, so bleibe es bei dem Urtheil. Es würden in erster Instanz Verdikte gefällt, die physikalische Grundsätze beträfen. So sei in einem Urtheil ausgesprochen, daß, wenn ein Gefäß eine Treppe herunterfalle, es nur die Beine, nicht den Kopf des Untenstehenden treffen könne. Gegen solche Urtheile habe selbst das Reichsgericht kein Mittel. Der Mündlichkeit und Oeffentlichkeit sollten die vorliegenden Anträge zuwider sein! Wenn dies auch der Fall wäre, so würde er sie doch annehmen, wenn die Praxis es erfordertn sollte. Wie jetzt das Revisions⸗ verfahren gehandhabt werde, gehe aus folgendem Falle hervor: Ein Mann werde vom Landgericht zu Hannover wegen Betruges angeklagt und freigesprochen, das Reichs⸗ gericht vernichte das Urtheil und weise die Sache an das Landgericht zurück. Nun werde der Angeklagte in einem lichtvollen Erkenntniß verurtheilt. Das Reichsgericht vernichte auch dieses Urtheil, und dann spreche das Landgericht den Angeklagten wiederum frei. Wer hütte nicht gewünscht, daß in dem vielbesprochenen Runge'schen Falle das zweite Mal ein anderes Gexicht geurtheilt hätte? Auch das Reichsgericht habe ja die Befugniß, die zweite Entschei⸗ dung an ein anderes Gericht zu verweisen, falls der betreffende Bundesstaat groß genug sei, mehr als ein Landgericht zu haben. Auch der Vertheidigungszwang könne die Berufung nicht entbehrlich machen. Wie werde dieser Zwang gehand⸗ habt? Beim Schwurgericht in Hannover verwende man rein aus fiskalischen Gründen statt der in genügender Anzahl vor⸗ handenen Rechtsanwälte junge Referendarien, nur weil sie billiger seien. Diese jungen Leute könnten unmöglich ihre Aufgaben gegenüber der Autorität des Staatsanwalts erfüllen. Nicht um eine Umwälzung der Rechts verhaältnisse her beizu⸗ führen, sondern um die Wohlthaten der Neichs⸗-Justizgesetze dem Volke zu Gute kommen zu lassen, seien diese Anträge eingebracht worden. .

] Der mn, Kayser erklärte, daß es seiner Partei durch den Schluß der Diskussion unmöglich gemacht worden sei, sich an der Debatte zu betheiligen. . . .

Beide Anträge wurden an eine Kommission von 14 Mit—

iedern verwiesen. . 96 Es ö die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshau shalts⸗ Etats für das Etatsjahr 1885/86, mit der Diskussion des Etats der Verwaltung des Reichs heeres (fortdauernde Ausgaben Kap. 21 Tit. I). . . .

3 Ber g in Tit. J und 2 für die Adjutanten Sr. Majestät, 12 Stellen für Offiziere in der Charge vom Haupt⸗ mann bis zum General der Infanterie resp. Kavallerie S8 500 Me und für die 76 Adjutanten bei deutschen Fürsten und höheren Militärbehörden, 312 912 6 wurden ohne De⸗— hatte genehmigt. . . = 9 mung; werden für Ofsiziere bei den Stäben der Armee⸗Inspektionen, für Militärbevollmächtigte bei auswär⸗ tigen Gesandtschaften und für 94 Offiziere in sonstigen be— sonderen Dienststellungen 450 000 M gefordert.

Der Abg. Frhr. von Euen beantragte, diesen Titel an die Budgetkommission zu verweisen.

w n tn g schlug vor, den Titel um 100 000 6 zu ermäßigen. Es handele sich in demselben nicht um Stellen mit bestimmten Funktionen, sondern die Fonds des Titels schienen zur Unterhaltung der nichtetatsmäßigen Offiziere bestimmt zu sein. Ein Nachweis über die Verwen⸗ dung der geforderten 450 9000 sei nicht vorhanden. Aus der Rang⸗ und Quartierliste könne man entnehmen, daß aus diesem Fonds 2 General Lieutenants, 1 Qberst und 1 Oberst⸗ Lieutenant besoldet würden; der größere Theil desselben müsse also für die nichtetatsmäßigen Majors in Verwendung kom⸗ men, deren Zahl besonders groß bei der Infanterie sei. Wahr⸗ scheinlich hänge das damit zusammen, daß ältere Hauptleute den Majocrsiitel erhielten, während sie nach wie ver

würde darauf hinauslaufen, daß das

vom Premier ⸗Lieutenant zum Hauytmann beschleunigt werde. Bei der Kavallerie mache sich die Erschei⸗ nung nichtetatsmäßiger Majors kaum bemerkbar, bei der Artillerie und dem Ingenieur⸗-Corps gar nicht. Im Interesse der Finanzlage werde eine Herabminderung des Titels auf 350 000 S6 geboten erscheinen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundegrath, Staats-Minister Bronsart von Schellendorff das Wort: Meine Herren! Ich habe nicht ganz genau verstanden, in welcher Höhe der Hr. Abg. Richter diesen Titel zu ermäßigen wünscht. Das würde dann auch Gegenstand der Erörterung in der Budgetkommission sein, wenn dem Antrage des Hrn. Abg. von Huene entsprochen wird, diesen Titel in die Budgetkommission zu verweisen. Ich möchte mich nur gegen ein paar Worte des Herrn Abgeordneten hier richten. Dieser Titel dient ausgesprochenermaßen, wie der Herr Abgeordnete auch selbst angeführt hat, dazu, um vorübergehenden Bedürfnissen in der Militärverwaltung genügen zu können, und er hatte auch hervorgehoben, daß der Reichstag dieses Bedürfniß durch die hisherige Bewilligung der Summe gewissermaßen anerkannt hatte. Es ist wirklich kaum erforderlich, darüber noch viel zu sprechen. Bei einer großen Armee, wie die preußische es ist, machen sich derartige Bedürfnisse ja gel⸗ tend. Ich bin nicht im Stande, sogleich die Zahlen zu kontroliren, welche der Herr Abgeordnete in Bezug auf Einzelheiten hier ange⸗ geben hat, wie viel Generäle u. s. w. aus diesem Titel eine Besol⸗ dung empfangen, ich möchte nur bemerken, daß wenn etwa in den Mehrforderungen an etatsmäßigen Stellen, die wir in diesem Etat beanspruchen werden, der dadurch bedingten Mehrforderung ein gleichartiger oder gar noch weiter gehender Abstrich in dem Titel 3 Kapitel 21 gegenüber gestellt würde, daß uns, damit aufrichtig nicht geholfen werde, denn wir würden ja sonst im Stande gewesen sein, auf diesen Titel diejenigen Stellen zu übernehmen, die wir jetzt etatmäßig fordern. Wir sind aber der Meinung, daß Stellen, welche sich als dauerndes Bedürfniß der Militärverwaltung unter bestimmten Gesichtspunkten herausstellen, auch da in dem Etat zu erscheinen haben, und nicht auf diesen Titel kommen, und möchte alauben, daß, wemnn sich also einzelne neue Stellen als dauernd im Etat ergeben, daß die an und für sich ohne Einfluß bleiben dürften, auf die bis⸗ herige Dotation dieses Titels, da kein rationeller Grund meiner Meinung abzusehen ist, dafür, daß, weil wir einzelne etatmäßige Stellen dauernd mehr bedürfen, daß darum ein vorübergehendes Be— dürfniß sich weniger geltend machen könnte. .

Nun ist der Hert Abgeordnete speziell eingegangen auf einen sehr bedeutenden Theil dieses Titels, nämlich auf die aggregirten Stabʒs⸗ offiziere von der Infanterie, und da glaube ich, daß es ja auch für das Plenum, vorbehaltlich der Berathung in der Kommission, von Interesse sein wird, wenn ich diesen Punkt etwas näher erörtere. Es ist bekannt, meine Herren, daß das Avencement der Armee in den höheren Stellen seinen Ausgang nimmt von der Beförderung zum Stabsoffizier. nun ein

Thatsache Avancement

Wir haben Interesse daran, daß wir doch das Avencement in den einzelnen Re⸗ gimentern, welches grundsätzlich bis zum Stabsoffizier im Regiment geht, nicht allzu ungleichartig werden zu lassen, weil das ja eben die Grundlage bildet für die weitere Beförderung in der Armee. Es kommt weniger darauf an, ob Jemand in einem Regiment etwas früher Premier Lieutenant oder Hauptmann wird; es sind das Unan⸗ nehmlichkeiten für Denjenigen, den es ungünstig J trifft, die sich aber doch nicht auf, die ganze militärische Zu⸗ kunft übertragen. Wird aber Jemand erst später Stabsoffizier, dann überträgt sich das für ihn für seine ganze spätere militãrische Zukunft; also es liegt ein Interesse der Ausgleichung des Avance⸗ ments an dieser Stelle, wo das Regiments Avancement in das allge⸗ meine Armee ⸗Avancement übergeht, vor. Nun würden wir, wenn wir etwa zur Beförderung zum Stabsoffizier diese Verhãältnisse dadurch berücksichtigten, daß wir jede Stabsoffiziervakanz, die irgendwo ein⸗ tritt, besetzten durch den ältesten Hauptmann aus irgend einem anderen Infanterie⸗ Regiment der Armee, nicht, nur einen höheren Grad von Unstetigkeit in das Offizier⸗Corps hineintragen, sondern es würde auch ein erheblich höherer Betrag von Umzugs- und Ver— setzungskosten erforderlich werden. Das ist schon ein Grund, weshalb wir einen Offizier, welcher in seiner Anciengetät heransteht zum Major, unter Umständen, obgleich im Augenblick eine Vakanz im eigenen Regiment nicht vorhanden ist, diesem aggregiren und ihn zum Major befördern, und wenn nach kurzer Zeit dann eine Vakanz in diesem Regiment eintritt, ihn in das Regiment einrangiren. Der Herr Abgeordnete wird, wenn, er diese Frage weiter ver⸗ solgt, meine Angaben bestätigt finden, daß wir nicht etwa dieselbe Persönlichkeit als aggregirt längere Zeit durch einen Truppentheil durchschleppen, es müßte denn besondere Gründe haben, also eine vorübergehende, aber doch längere Zeit in Anspruch nehmende Erkrankung, wo wir den Offizier nicht pensioniren wollen, weil wir uns noch weitere Vortheile von seinem Dienste ver⸗ zrechen. . kenn der Herr Abgeordnete ganz richtig hervorgehoben hat, daß sich das bei der Infanterie ganz besonders geltend macht, so kommt hier noch zur Sprache, daß die Infanterie bei, der Beförderung zum Stabsoffizier augenblicklich die. allerungünstigsten Verhältnisse aufzuweisen hat und daß auch ein ganz. erhebliches Interesse der Militärverwaltung vorliegt, die Offiziere nicht allzulange in der verantwortlichen und im höchsten Grade aufreibenden, ich möchte beinahe sagen abstumpfenden Stellung des Compagnie chefs zu lassen. Die Herren bleiben jetzt, wie Sie sich aus jeder Anciennetäts / Liste überzeugen wollen, etwa zwölf Jahre in der Stellung eines Compagniechefs und das ist, wirklich sehr viel, und da finden Sie, während das Avanecement bei der Artillerie und dem Ingenieurcorpz sich zur Zeit viel günstiger gestaltet, als bei der Infanterie, dieses Verhältniß bei der Infanterie besonders ausgeprägt. Bei der Kavallerie ist man wenigstens im Stande, den Avancements⸗ verhältnissen insoweit nachzuhelfen, als man Stabsoffiziere auch als Escadronschefs belassen kann und sie als solche Majore mit Patent werden können. Wir gehen aber von der Ansicht aus, daß im großen Dienst ein Stabsoffizier nicht zu Fuß erscheint, daß es also der allgemeinen Auffassung widersprechen würde, einen Major zu Fuß in seiner , pagnie als Compagniechef zu sehen, weil die Compagniechefs einen großen Theil ihres Dienstes zu Fuß thun. Das sind also die Ind

. Uebrigen habe ich garnichts dagegen, daß dieses ganze Kapitel oder der Titel in die Budgetkommission überwiesen wird, und ich bin gerne bereit, dort noch weitere Aufklärungen zur Begründung des fhatfächlich bestehenden Zustandes und zur Begründung des hier auch wieder eingestellten Etatanschlags zu geben.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, die Erläuterungen des Kriegs⸗-⸗Ministers seien dankenswerth und neu, sie stellten diesen Titel in ein ganz besonderes Licht. Die Fonds defelben hätten nur zum kleinsten Theil die Bestimmung, vor⸗ übergehenden Bedürfnissen zu genügen, sie hätten vielmehr die Be⸗ stimmung, das Avancement auszugleichen und eine künstliche Be⸗ schleunigung desselben herbeizuführen. Der letztere Gesichts-= punkt werde der maßgebende sein, denn wenn es sich in erster Linie um eine Ausgleichung handelte, würde auch die

Es handelt sich aber dabei noch nicht um definitiv gefaßte Ent- schließungen, h nn es handelt sich nur um Punkte, die in Ver—

das Gehalt eines Hauptmanns bezögen, und die

Kavallerie an diesen Fonds mehr betheiligt sein. Indessen