Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Unter⸗Staatssekretär Dr. Busch hob hervor, daß die Organisation des Auswärtigen Amts trotz der vermehrten Arbeitslast, welche demselben im Laufe der Jahre zugefallen sei, noch dieselbe sei, wie sie im Jahre 1810 für das preußische Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten geschaffen worden. Es rechtfertige sich deshalb — die oberen Beamtenstellen im Auswärtigen Amt zu ver⸗ mehren.
Der Abg. Graf von Dönhoff⸗Friedrichstein trat für die Bewilligung der Forderung ein, so wie dieselbe in den Etat eingestellt worden.
Der Abg. Löwe vertheidigte die Beschlüsse der Budget— kommission. ö.
Bei Schluß des Blattes ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort.
— Dem Kreise Königsberg N-M. ist durch Allerhöchste Ordre vom 24 November d. J. für die von Küstrin bis zur Grenze des Kreises West-Sternberg in der Richtung auf Göritz führende Chaussee gegen Uebernahme der künftigen chausseemaßigen Unterhaltung derselben das Recht zur Erhe— bung des Chausseegeldes nach den Bestimmungen des Chausseegeldtarifs vom 29. Februar 1840 einschließlich der in demselben enthaltenen Bestimmungen über die Befreiungen, sowie der sonstigen, die Erhebung betreffenden zusätzlichen Vor⸗ schriften — vorbehaltlich der Abänderung der sämmtlichen vor— aufgeführten Bestimmungen — verliehen worden. Auch sollen die dem Chausseegeldtarif vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee-Polizei-Vergehen auf die gedachte Straße zur Anwendung kommen.
— Wie wir hören, will das Auswärtige Amt die neuerdings dem Reichstage vorgelegten Sammlungen von Aktenstücken, ebenso wie es seiner Zeit mit der dem Reichstage vorgelegten Korrespondenz über die Südseeinseln geschehen ist, der Buchhandlung von L. Friedrichsen und Comp., in Hamburg in Verlag geben. Die genannte Firma wird ihrer Publikation eine Sammlung von Originalkarten beigeben, welche in dem bekannten kartographischen Institut derselben angefertigt sind.
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Fürstlich schwarzburg-sondershausensche Staats-Minister Reinhardt ist von hier wieder abgereist.
— Der Königliche Gesandte am Großherzoglich badischen Hofe, von Eisendecher, ist von dem ihm Allerhöchst be— willigten Urlaub nach Karlsruhe zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Gesandtschaft wieder übernommen.
— Der Königlich rumänische Gesandte am hiesigen Aller— höchsten Hofe, Liteano, ist vom Urlaub nach Berlin zurück⸗ gekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder über⸗ nommen.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren Dr. Pinkert in Schönau und Dr. Seeger in Sömmerda.
Hannover, 13. Dezember. (Hann. Post.) Die heutige Sitzung der Außerordentlichen Landessynode wurde um 9 Uhr von dem Präsidenten Mayer eröffnet.
Erster Gegenstand der Tagesordnung war die Berathung über den Bericht der Bußtagskommission. Hierzu lagen mehrere Anträge vor.
Punkt 1 des Kommissionsantrages wurde gegen wenige Stimmen angenommen, also die Einführung des Freitags vor dem ersten Advent als Bußtag beschlossen.
Punkt 2 des Kommissionsantrages wurde mit dem von Pastor Bartels beantragten Zusatz, daß der in Osnabrück gefeierte Bußtag am Mittwoch vor Michaelis fortfalle, ein— stimmig angenommen, ebenso der Antrag Sievers, daß der jetzt in der Grafschaft Hohnstein gefeierte Bußiag aufge— hoben werde.
Es wurde also die Aufhebung des bisherigen Advents— bußtages vor Weihnachten, resp. der in Ostfriesland, Lingen, Osnabrück und Hohnstein an den bezeichneten Tagen gefeierten Bußiage beschlossen.
An Stelle der Nr. 3 des Kommissionsantrages wurde der Antrag Uhlhorn angenommen: die Kirchenregierüng zu bitten, der nächsten Landessynode eine auf diesen Bußtag bezügliche Vorlage zu machen und bis dahin die Bezirkssynoden, soweit möglich, darüber zu hören, um zu erfahren, ob die Landbevöl— kerung die Feier des Bußtages vor oder nach Michaelis wünsche.
Es bleibt also der Kirchenregierung anheim gegeben, nach möglichster Anhörung der Bezirkssynoden auf Grundlage der heutigen Verhandlung in Bezug auf die Regelung des Michgelis⸗Bußtages der nächsten ordentlichen Landessynode eine Vorlage zu machen.
In der Schlußabstimmung wurde das so veränderte Gesetz mit allen gegen 10 Stimmen angenommen.
Zur zweiten Berathung der Vorlage der Regierung über die Umgestaltung der Konsistorien stellte Pastor Krome den Antrag, daß, falls die Cellesche Generaldiözefe zu Hannover gelegt werde, die Diözesen Soltau und Walsrode bei Verden resp. Stade bleiben.
Abt Uhlhorn heantragte, die beiden Vorschläge der Synode, betreffend die Größe der künftigen Konsistorialbezirke der Königlichen Regierung nicht in der Weise zu unterbreiten, daß der eine, welcher ganz Lüneburg zum Konsistorialbezirk Lüne⸗ burg resp. Stade legen will, nicht primo loco, der andere nur als Eventualvorschlag unterbreitet werde, sondern beide gleich⸗ gestellt und gesagt wird: entweder 1) Stade, Otterndorf, Lüneburg, Harburg und Lüneburg-Celle, oder 2) Stade 2c. ohne die Generaldiözese Celle. Antragsteller wollte dadurch der Königlichen Regierung freie Hand lassen und die größere Möglichkeit offen halten, daß Lüneburg getheilt werde, was er in Gemäßheit seiner Ausführungen bei der ersten Lesung für die Landeskirche als einen Segen betrachte.
Der Antrag Uhlhorn wurde angenommen und darauf mit dieser Aenderung das ganze Gesetz nach den Beschlüssen der ersten Berathung genehmigt.
Um halb 12 Uhr schloß der Ober-Präsident die außer⸗ e r ch Landessynode. Das Schlußgebet sprach Abt
horn.
Cassel, 12. Dezember. In der heutigen Abendsitzung des Kommunal⸗Landtags wurden die erforderlichen Wahlen für die Ober⸗Ersatzkommission, die Bezirkskommission für die klassifizirte Einkommensteuer, die hessische Deputation für das Heimathwesen, den ständischen Verwaltungsausschuß, sor ie des Abgeordneten und eines Stellvertreters behufs Mit— wirkung bei den Geschäften der Rentenbank zu Münster voll⸗
Gesetze vom 6. Februar 1881 in Betreff der den Hinter— bliebenen der Staatsbeamten zu gewährenden sogenannten Gnadenkompetenzen getroffenen Bestimmungen auf die stän⸗ dischen Beamten ausgedehnt werden.
Hiernächst gelangte der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Einführung der Gesetze vom 3. März 1850 und vom 27. Juni 1860 über den erleichterten Abverkauf und Austausch von Grundstücken, zur Berathung und be— schloß die Versammlung, das geforderte Gutachten da— hin zu erstatten, daß dieser Gesetzentwurf für den Re⸗ gierungsbezirk Cassel sür höchst wünschenswerth zu er— achten und nur die Hinzufügung folgender Worte zu erbitten sei: In dem Negickungsbezirk Cassel tritt an die Stelle der landschaftlichen Kreditdirektion die Direktion der Landeskredit⸗ kasse in Cassel.“
Nachdem alsdann die Verwaltungsordnung für die stän— dische Irrenheilanstalt zu Marburg in einigen Punkten ab— geändert und der Beschluß gefaßt war, dem §. 10 des Reglements für die Taubstummenanstalt zu Homberg vom 3. September 1874 unter Vorbehalt der staatlichen Ge⸗ nehmigung einen Zusatz dahin zu geben, daß für begabte Schüler Zwecks deren fernerer Ausbildung der Unterricht auf ein achtes Jahr ausgedehnt werden könne, wurde die Sitzung geschlossen.
— 13. Dezember. In der heutigen Schlußsitzung des Kommunal⸗-Landtages gelangte der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ergänzung des Gesetzes vom 29. Mai 1573 über das Grundbuchwesen, zur Berathung. Zu diesem Ent— wurfe hatte der zur Vorberathung desselben niedergesetzte Aus— schuß sowohl in formeller als in materieller Beziehung Ab— änderungen beantragt, und insbesondere auch die Einführung eines Generalaufgebotsverfahrens für die vorhandenen älteren Hypotheken in Vorschlag gebracht. Nach einem eingehenden Referate wurde der einstimmige Beschluß gefaßt, diesem Gesetzentwurfe in der demselben von dem Ausschusse gegebenen Fassung die Zustimmung zu ertheilen.
Hiernächst referirte der Hauptausschuß über einen Antrag zur Ergänzung des Reglements für die Verwaltung des vor— mals kurhessischen Staatsschatzes vom 4. März 1869, in welchem eine Umbildung der staͤndischen Schatzkommission, so— wie die Herbeiführung einer besseren Rechnungskontrole an— heimgegeben wurde.
Nach kurzer Diskussion beschloß die Versammlung diesen Antrag dem ständischen Verwaltungsausschuß zur Prü⸗ sung und Berichterstattung an den nächsten Kommunal-Land— tag zu überweisen, gleichzeitig aber denselben zu ersuchen, innerhalb seiner Zuständigkeit diejenigen Anordnungen bald— thunlichst zu treffen, welche eine umfassende Rechnungskontrole gewährleisten.
Nachdem sodann beschlossen worden war, daß das Amt der Mitglieder der ständischen Schatzkommission künftig als ein Ehrenamt zu verwalten sei, wurde die Wahl der Mit— glieder dieser Kommission vorgenommen.
Endlich wurde, zu dem letzten Gegenstande der Tagesord— nung übergehend, der Beschluß gefaßt, den kommunalstän— dischen Verwaltungsausschuß zu beauftragen, die durch Be— schluß vom 18. September 1875 aufgestellten Grundsätze für das Aufrücken der Beamten in höhere Gehaltsklassen einer Revision zu unterziehen und hierbei darauf Bedacht zu nehmen, daß der Regel nach die Versetzung der kommunalständischen Beamten in die nächst höhere Gehaltsklasse nach dem Ablauf einer fünfjährigen Dienstzeit in der vorhergehenden Klasse ohne Rücksicht auf Vakanzen in der nächst höheren Klasse ein⸗ trete; auch den Verwaltungsausschuß zu ermächtigen, schon von jetzt an hiernach zu verfahren.
Hiermit waren die Geschäfte des Kommunal -Landtages beendet und wurde derselbe von dem Königlichen Kommissartus für geschlossen erklärt, worauf der Vorfitzende auf Se. Majestät den Kaiser und König ein Hoch ausbrachte, in welches die Versammlung mit Begeisterung einstimmte.
Düsseldorf, 14. Dezember. Nachdem Se. Majestät der König mittelst Allerhöchsten Erlasses vom 17. v. Mts.
die Zusammenberufung des Provinzial-Landtages der
Rheinprovinz auf den heutigen Tag zu genehmigen geruht, hegab sich heute Mittag nach Beendigung des in der evangelischen und in der katholischen Kirche stattgehabten Gottesdienstes der Königliche Landtags-Kommissarius, Ober— Präsident der Rheinprovinz, Wirkliche Geheime Rath Dr. von Bardeleben, nach dem Ständehause.
Am Eingange des Gebäudes wurde der Königliche Kom— missarius von einer Deputation der Provinzialstände empfan— gen und in den Sitzungssaal geleitet.
Der Königliche Kommissarius überreichte nach einer An— sprache das Allerhöchste Propositionsdekret vom 8. d. Mts. und erklärte demnächst im Namen Sr. Majestät des Kaisers 9 Königs den 30. Rheinischen Provinzial-Landtag für er— öffnet.
Der Landtags⸗Marschall Fürst zu Wied brachte hierauf ein dreimaliges Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König aus, in welches die Versammlung begeistert einstimmte. Die Dauer des Landtages ist auf acht Tage bestimmt.
Derselbhe wird sich — abgesehen von der Vornahme ständischer Wahlen — im Wesentlichen beschäftigen mit der Beschlußfassung wegen Uebernahme der nach den Bestimmungen über die Gewerbekammern dem Provinzialverbande zu über⸗ tragenden Rechte und Pflichten und mit der Begutachtung über die Entwürfe eines Gesetzes, betreffend die Kanton— gefängnisse in der Rheinprovinz, eines Gesetzes, betreffend die Zusammenlegung der Grundstücke im Bezirke des ehemaligen Appellations⸗-Gerichtshofes zu Cöln und eines Gesetzes, befreffend die Veräußerung und hypothekarische Be— 6 von Grundstücken im Geltungsbereiche des Rheinischen
echtes.
Mecklenburg. Schwerin, 13. Dezember. (W. T. B.) 6. Betreff des Baues einer Eisenbahn von Röbel nach aren hat die Regierung wegen der mangelhaften Vor— arbeiten und wegen nicht genügender Betheiligung der Inter⸗ essenten es abgelehnt, den Ständen eine Vorlage zu machen.
Oesterreich⸗- Ungarn. Wien, 13. Dezember. (Wien. Abdp.) Heute tagten im Abgeordnetenhause folgende Ausschüsse: der Justizausschuß, welcher den Antrag Vitsche, betreffend die Erleichterungen bei Löschung kleiner Satzposten, genehmigte, ferner der Ste uerausschuß, der volkswirthschaftliche Aus schuß, der Eisenbahn⸗
zogen und sodann Beschlüsse gefaßt, durch welche die in dem
aus schuß und der Schulausschuß.
Pest, 13 Dezember. (Presse) Das Abgeordnete haus hat gestern das Budget des Ministeriumg * Innern erledigt und sodann das des Finanz- Minip! riums in Angriff genommen. Die gestrige Sitzung han kein Moment von größerem Interesse aufzuweisen, und na dem Anlauf, den die Debatte über das Finanzbudget 2 nommen, ist nicht zu erwarten, daß sich dieselbe auf das . veau großer hrinzipieller Standpunkte erheben werde; n man jedoch in den Reihen der Opposition gegen den Fingn? Minister allerhand auf, dem Herzen hat, so dürfte die handlung, wenn auch nicht in die Höhe, so doch in die tei und Länge gehen.
Schweiz. Bern, 12. Dezember. (N. 3. Ztg.) Die De⸗ partements des Bundes raths sind für 1885 in fl gender Weise vertheilt worden: Politisches Departemem Vorsteher Schenk, Stellvertreter Deucher; Inneres: Deuche Schenk); Justiz und Polizei: Ruchonnet (Welti); Miliz. Hertenstein (Hammer); Finanzen: Hammer (Hertenstein Handel und Landwirthschaft: Droz (Ruchonnet); Posten und Eisenbahnen: Welti (Droz).
— 13. Dezember. (N. Z. Ztg.) Der National rath bewilligte in Uebereinstimmung mit dem Ständerath die zwe Nachsubvention von 466 600 Fr. für die Rhonekoxrrektion und erledigte die Differenzen, welche bezüglich der landwirth⸗
schaftlichen Postulate und der Eisen bahn konzessionen
mit dem Ständerath entstanden der ständeräthlichen Beschlüsse.
Belgien. Brüssel, 11. Dezember. (Köln. Ztg) Da Kriegs-Minister legte der Zweiten Kammer heute da⸗ Gesetz vor, welches für das nächste Jahr die Zahl der für die Armee auszuhebenden Rekruten feststellen foll. Ueber die Armeereserve-⸗Frage ist das Haus zur Tagesordnung über. gegangen, nachdem General Pont userklärt hatte: er werde, sohah ihm klar geworden sei, daß er die Mehrheit niemals für seinen Plan (13jährige Dienstzeit) werde gewinnen können, keine Minute mehr auf seinem Posten bleiben, und nachdem Hr. Tha nissen die an ihn gerichtete Frage, ob alsdann auch sämnn— . anderen Minister abtreten würden, unbeantwortet gelassen halte.
— 12. Dezember. (Köln.
waren, meistens im Sinn
Ztg.) Das Armeekontingent soll nach der Vorlage des Kriegs-Ministers für das nächste Jahr 100 000 Mann und die Aushebung der Miliz 13000 Mann betragen. — Rolin Jacquemynt Antrag: der Senat möge die Lehrergehälter vorschießen und von den Gemeinden die Gelder wieder einziehen, wurde heute in der Zweiten Kammer mit 47 gegen' q Stimmen abgelehnt. Von den 16 „unabhängigen“ Par tretern Brüssels stimmten 7 mit der in der Minderheit ge bliebenen Linken.
Großbritannien und Irland. London, 13. Ne zember, Nachts. (W. T. B.) Heute Abend gegen s Uhr fand unter einem Bogen der London-Brdge eine Explosion statt, welche weithin vernommen wurhe Die Polizei hat sofort geeignete Untersuchungen ange⸗ stellt; bis jetzt ist indessen über die Natur, die Entstehung und die Folgen der Explosion noch nichts bekannt.
— 15. Dezember, früh. (W. T. B.) Durch die Explosion unter einem Bogen der London-Bridge hat die Brücke selbst keinen Schaden gelitten, in einer großen Anzahl von Waarenläden und Häusern wurden aber Ri Fenster zertrümmert; über die Urheber der Explosion ist noch nichts ermittelt.
Frankreich. Paris, 12. Dezember. (Köln. Ztg.) Die ersten Verstärkungen für Tongking verlassen heute Toulon; in vierzehn Tagen werden sämmtliche neuen Ver— stärkungen von Frankreich abgegangen sein.
1 ,,
Havas“ erklärt die Meldung englischer Blätter: General Briere habe seine Demission in Aussicht gestellt, falls er nicht Verstärkungen erhalte, für unbegrün— det; die Depeschen des Generals enthielten davon kein Wrot, Ebenso dementirt die Agence das Gerücht, daß die französische Regierung zum Transport von Truppen nach China in England mehrere Dampfer angekauft habe: Frankreich besitze alles zum Truppentransport nothwendige Material.
Die Deputirtenkammer genehmigte heute dat Marinebudget. Der Marine-Minister wies bei der
„Agence
Berathung darauf hin, daß die Operationen am Min-
fluß den Beweis geliefert hätten, daß das Personal und das Material der Marine auf der Höhe ihrer Aufgabe ständen. Die gegen die Panzerschiffe vorgebrachten Bedenken wur— den von dem Minister widerlegt, welcher dabei in deß bemerke, daß er den Bau neuer Panzerschiffe gleichwohl nicht unter— nehmen, sein Hauptaugenmerk vielmehr auf den Bau von schnellsegelnden Kreuzern und Torpedobooten richten werde.
14. Dezember, (K. T. B.) Der Sen nor Eugene Pelletan, welcher im Jahre 1870 Mitglied der provisorischen Regierung war, ist gestorben.
Türkei. Konstantinopel, 13. Dezember. (W. T. B) Der Unter⸗Staatssekretär im Minist erium des Aeußern, Artin Effendi Dadian, ist seiner Funktionen enthoben worden.
Ostrumelien. Philippopel, 11. Dezember. (All; Corr.) Die Minister der öffentlichen Arbeiten, des
Unterrichts, und der Finanzen, welche die einzigen ver⸗
bliebenen Kabinetsmitglieder aus der Verwaltungszeit Aleko Pascha's waren, sind durch die ihnen in der gesetzgebenden Versammlung bereitete Opposition zum Rücktritt gezwungen und durch die drei Führer der Unionistenpartei, die Herren Hacanoff, Veletchkoff und Madgaroff ersetzt worden.
Asien. Korea. (W. T. B.) Ein Telegramm der Times“ aus Hongkong, vom 14. Dezember, meldet den Ausbruch einer Empörung in Korea mit dem Hinßu—= fügen: dieselbe sei erfolgt, während zu Ehren des englischen General⸗-Konsuls ein Banket stattgefuͤnden habe. Ein Sohn des Königs und sechs der Minister feien ermordet worden oder in die Berge geflohen. Die in Korea sich aufhaltenden Eng länder befänden sich in Sicherheit. Auf dem Flu bei der Hauptstadt Soul sei ein englisches Hanonenkon angekommen = Eine Depesche des „St an dard. aun Shanghai von gestern sagt über die Vorgänge in Soul: ö sei am 7. d. M. zwischen Chinesen und Japanern ö einem Kampfe gekommen. Das Gebäude der jahanisch Gesandtschaft sei niedergebrannt worden. Der chinesische, n der japanischen Regierung beglaubigte Gesandte, der ö. gegenwärtig in Shanghai aufhalte, 7 aufgefordert worden, sich nach Soul zu begeben.
Afrika. Egypten. Debbeh, 12. Dezember. (A. C.) Das Detachement des Royal Susjer Regiments unter dem Befehl von Oberst- Lieutenant Tols on, hat eine Redoute von 40 Quadrametern errichtet. Die Eingeborenen in Ambukol sagen., daß die berittene Brigade ohne große Gefahr bis Shendy die Wüste durchkreuzen könne. Das erste
eldhospital ist in Korti eingerichtet worden. Die Ein— geborenen in hiesiger meilenweiten Umgegend scheinen freund— lich gesinnt zu sein; die Truppen werden überall bewillkommnet, und ihr Abmarsch wird bedauert Die Eingeborenen sind er—
staunt über das freundliche Auftreten der Engländer sowie karüber, daß sie für ihre Lieferungen baare Bezahlung er⸗
Seitungsstimmen.
Die „Germania“ bringt folgenden Artikel über Ge— treide und Schutzzölle: 9
Einige Insinuationen bezüglich der Getreidezölle müssen fort und sort zurückgewiesen werden, weil sie die freie Bahn für eine sachliche Ctörterung der betreffenden Frage von vornherein zu verlegen suchen. G3 ist das unterem Anderem die Insinuation, nur Großgrund⸗ hesitzer könnten Interesse an den Getreidezöllen haben. Diese In⸗ sinuation ist nun zunächst unwahr. Schon wer einige wenige hektar Landes bebaut, hat in der Regel Getreide zu verkaufen, und nur die allerkleinsten Grundhesitzer gebrauchen selbst ihr Ge⸗ treide oder müssen noch zukaufen. Alle diese letzteren aber verdienen größtentheils ihren sonstigen Unterhalt wieder bei anderen Land— wirthen und haben also ein Interesse daran, daß diese bestehen und einen ausreichenden Lohn bezahlen können. Dasselbe Interesse baben die Millionen ländlicher Arbeiter und da viele von diesen selbst einige Morgen Landes zu eigener Bebauung zugewiesen erhalten, oder auch shren Lohn gan oder zum Theil in Naturalien ausbezahlt bekommen, so haben auch sie ein direktes Interesse an den Getreidezöllen. Endlich aber ist auch das ganze Erwerbsleben, Großindustrie, Kleingewerbe und Handel dabei interessirt, daß die Landwirthschaft existiren kann, um kaufkräftig zu bleiben. .
Dieses Allgemein⸗Interesse an der Existenzfähigkeit der Land— wirthschaft ist so groß und so klar, daß bei der Frage der Getreide zölle ganz gleichgültig ist, wie der Grund und Boden sich vertheilt. Selbst wenn der Grundbesitz in sehr wenigen Händen wäre, ja wenn er sogar ganz und ausschließlich im Besitze des Staates wäre, selbst dann müßten Getreidezölle bewilligt werden, wenn die Pro— duktionsbedingungen der deutschen Landwirthschaft im Ver—
gleiche mit den Produktionsbedingungen auswärtiger Konkurrenten
ju ungünstig lägen, um einen lohnenden Betrieb der deutschen kandwirthschaft zu gestatten. Denn auf diese Frage allein kommt es an, von ihrer Beantwortung allein hängt es ab, ob Ge— treidezölle hewilligt werden müssen und wie hoch sie sein müssen. Auch wenn der Staat den ganzen Grund und Boden besäße, würden ja do eben so viele Menschen in der Landairthschaft ihre Beschäͤfti⸗ gung finden und davon leben müssen, wie jetzt, wo der Grundbesitz n Deutschland in größten, großen, mittleren, kleinen und kleinsten Besitz sich theilt. Und auch beim Staatsbesitz müßten die Bedin—⸗ zungen der Existenz auf dem Wege des Schutzzolles gesucht werden, wenn diese Bedingungen sonst gegenüber der ausländischen Konkurrenz nicht gegeben wären.
Gegen diese Sätze läßt sich nichts Vernünftiges einwenden. Und bei der Industrie ist es gerade so. Ob z. B. unfere Eisenbergwerke, unsere Cisenhütten und alle die vielfachen Fabriken und Werkstätten uur Verarbeitung von Eisen in den Händen weniger Großbesitzer nd, oder ob Aktiengesellschaften die Besitzer sind, oder auch genossen⸗ schaftlicher Betrieb und Kleinbetrieb vorkommt, das ist in der Haupt— fache vollständig gleichgültig für die Frage des Schutzzolles auf Eisen und Eisenfabrikate. Die entscheidende Frage vielmehr ist, unter welchen Bedingungen arbeitet die Eisengewinnung und die Eisenindustrie in Deutschland, und welche Bedingungen bestehen für diese Erwerbs⸗ vveig9 in dem mit uns konkurrirenden Ausland. Also die Fragen: ob unser Eisen besser oder schlechter ist, ob es mit mehr oder weniger Mühe und Kosten gewonnen und verarbeitet wird, ob die deutschen Lebensverhältnisse einen größeren oder kleineren Arbeits lohn erfordern, das und Anderes sind die Fragen, welche über die Nothwendigkeit und eventuell über die Höhe des Zolles entscheiden. uf die Vertheilung des Besitzes an Eisenbergwerken und Fabriken füt Eisenverarbeitung dagegen kommt für diese Frage so gut wie nichts m; nicht, ob kleiner, mittlerer und großer Besitz neben einander be⸗ steht oder eine dieser Kategorien vorherrscht oder sogar allein herrscht, kommt hier in Betracht, sondern der Gegensatz ist: Deutschland und daz Ausland. . ;
Wer kraß dahin sagt, durch die Zölle auf Eisen und Eisenfabri⸗ late würden die Gebrauchsgegenstände von Eisen, selbst die Geräth— sbaften und Arbeitswerkzeuge des Arbeiters, Handwerkers und Land— wirths etwas vertheuert, das sei falsch, sei Unrecht, sei eine Schädi⸗ zung, besonders des kleinen Mannes, wer also behauptet, man müsse immer kaufen, wo es am billigsten, ohne Unterschied, ob deutsches Ptodukt oder Produkt des Auslandes, der muß uns vorber, ehe vir ihm Recht geben, folgende Fragen beantworten: Sollen wir denn das Eisen, welches nun einmal in unseren Bergen ruht und biöhher zu den Erwerbsmitteln unseres Landes gehörte, un— gehoben lassen, sollen wir ebenfalls unsere Steinkohlen, soweit sie bei der Eisenindustrie erforderlich sind, unbenutzt im Bufen der Erde ruhen lassen? Sollen wir, wenn selbst eine Vertheuerung um 5 und Loso durch den Zoll nöthig wäre, um diese Prozent zu sparen, unseren anzen Bedarf an Eisen vom Auslande beziehen? Dann bekämen wit allerdings unser Eisen zu 90 oder 96 C des deutschen Preises, äber wir bezahlten diese ganze Summe an das Ausland, und unfere
iseubergwerke und Eisenhütten lägen still, bloß um uns eine kleine Vertheuerung von 5. oder 10 0½ zu eisparen.
Dasselbe also, was von der Eisengewinnung, gälte dann auch von det Eisenverarbeitung. Wie viele Hunderte von Millionen Kapital becken nun aber in den deutschen Bergwerken und Fabrikanlagen für Eisen, wie viele Hunderttausende von Arbeitern, deren Familien einige Uillkonen Köpfe zählen, leben davon! Sollen dlefe gewaltigen Summen zum Theil definitiv in den unbenutzten Anlagen kerloren sein, und soll das Kapital, soweit es Betriebs⸗ kapital ist, eine andere Anlage suchen? Aber wie denn ud wo denn? Ist nicht allenthalben von Ueberfüllung, kon Ueberproduktion, von übermäßiger Konkurrenz die Rede? Und ho sollen denn die Hunderttausende von Arbeitern mit ihren Millionen von Angehörigen bleiben? Sollen sie alle auswandern? Wer möõch te gad vorzuschlagen wagen, daß Deutschland so viele Angehörige ins äeland wiese? Und die Arbeiter selbst, und das ist doch noch viel nichtiger, wie viele fänden denn wohl noch Arbeit und Stellung? Würde nicht die große Mehrzahl, abgesehen von dem Verluste des Vaterlandes, einer traurigeren und unsicheren Existenz entgegengehen?
Nein, diejenigen Erwerbszweige, für die Deutschland überhaupt Eisten bedingungen besitzt, seien sie auch etwas ungünstiger als die d Auslandes und deshalb eines Schutzzolles bedürftig, müssen wir uns erhalten und bei der steigenden Konkurrenz auf allen Gebieten bid Ae Sicherung des einheimischen Pbfatzes immer mehr Aufgabe ler Völker und wird von alien auch schon immer energischer in die nd genommen. Und das gilt von der Landwirthschaft wan so gut wie von, der Industrie. Alle die obigen ragen von der Eisengewinnung und Eisenverarbeitung passen Uh für die Landwirthschaft. Wer gegen landwirthschaftliche ile iert und die ärmere Bevölkerung Hegen der Vertheuerung er nothwendigsten Lebensmittel“ aufregt, ehe er die obigen Fragen antwortet hat, handelt gewissenlos und demagogisch. Wer sie aber intwortet und findet, daß danach der Landwirthschaft ein Zoll nöthig ist, . zuch dem. kleinen Manne“ begreiflich machen können, daß die Land⸗ ithschaft lebens ähtg erhalten werden muß, felbst wenn dadurch eine ge
ringe Vertheuerung des täglichen Lebens eintritt. Ergiebt die Lage der deutschen Landwirthschaft die Nothwendigkeit von Schutz ⸗ zöllen, dann ist es ein ganz allgemeines Interesse, daß sie ibr gewährt werden, kein Deutscher ist von diesem Interesse ausgeschlossen, mag er einen Beruf haben, welchen er will. Alle Zweige der National⸗ wirthschaft hängen innerlich zusammen, sind gegenseitig auf einander angewiesen, und es ist demagogisch diese auf der Hand liegende Wahr⸗ heit zu verschweigen, ja von Steuern zu sprechen, wo es sich um Schutzzölle handelt, die erst nach genauester Prüfung eventueller Roth wendigkeit dem wichtigsten und verbreitetsten deutschen Erwerbs zweige gewährt werden sollen! .
— Die „Deutsche Volkswirthschaftliche Cor— respondenz“ bemerkt zu der Frage „Wer trägt die Ge— treidezölle?“
Auf die Nachricht hin, daß Frankreich seine Getreidezölle zu er— höhen beabsichtige, sind in weit höberem Grade als die französischen Brodkonsumenten die ungarischen Getreideproduzenten in Besorgniß gerathen, wo es doch gewiß unerklärlich wäre, wenn die französischen Konsumenten ohne Weiteres auch die Kosten der Zollerhöhungen zu tragen hätten. Noch bemerkenswerther ist indessen, wie man uns aus Wien schreibt, die Absicht der österreichischungarischen Regierung durch weitere Ermäßigungen der Getreidetarife einen Theil der Zoll⸗ erhöbhungen Frankreichs zu übernehmen, um das dortige Absatzgebiet nicht zu verlieren. Vie manchesterliche Theorie wird nunmehr wohl zugestehen müssen, daß zuweilen auch das Ausland den Zoll — wenig⸗ tens theilweise — trägt. Oder sollte diese Thatsache auch dem gegen— über geleugnet werden?
Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 50. — In⸗ halt: Zoll, und Steuerwesen: Befugniß einer Steuerstelle. — Konsulatwesen: Exequatur ⸗Ertheilung; — Bestellung eines Konfular⸗ Agenten. — Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende November 1884. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Rei chsgebiete.
Amtsblatt des Reichs⸗Poftam rs. Nr. 65. — Inhalt: Verfügungen: vom 8 Dezember iss4: Bezeichnung der Gattung des Telegramms im Telegramm⸗Aufgabe⸗Formular; — vom 9. De- zember 1884: Schluß der Post⸗Dampfschiffahrten auf der Stett n— Kopenhagen.
Linie
Neichstags⸗Angelegenheiten.
Die VIII. Kommisson des Reichstags zur Vorberathung des von dem Abg. Munckel eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung, und des von dem Abg. Dr. Rei⸗ chensperger eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Gerichtverfassungsgesetzes'und der Strafprozeß“ ordnung, hat sich wie folgt konstituirt: Dr. Reichensperger, Vor⸗ sitzender; Hr. Hartmann, Stellvertreter des Vorsitzenden; Dr. von Lenz, Schriftführer; Payer, Stellvertreter des Schriftführers; Brünings, Frohme, Klemm, Munckel, Pfafferott, von Reinbaben, Rintelen, Dr. Roßhirt, Saro, Traeger.
Kunst, Wiffenschaft und Literatur.
»Das Hohenzollernhaus“ betitelt sich ein Volksbüchlein für Schule, Volk und Heer, welches die Geschichte der brandenbur— gisch-preußischen Regenten aus dem Hause Hohenzollern behandelt, berausgegeben von W. Ueberschaer (Leipzig, Georg Wigands Verlag). Der Verfasser, welcher das kleine Buch zuerst anonym, jetzt aber, durch den Erfolg ermuthigt, unter seinem Namen heraus⸗ gegeben hat. hat es unternommen, zu der überall bekannten, bei Georg Wigand in Leipzig erschienenen Hohenzollerntafel, welche die Porträts des brandenburgisch⸗preußischen Herrscherhaufes von seinen Anfängen an bis auf unsere Zeit herab bringt, einen erläuternden Text zu schreiben. Die große Verbreitung, welche jene Tafel hat, ließ dies Unternehmen, durch welches eine kurze und rasche Orientirung über die engere vaterländische Ge— schichte ermöglicht wird, durchaus empfehlenswerth erscheinen; das patriotische Gefühl der Landeskinder kann durch solch ein anschauliches und handliches Buch nur erhöht werden. Es fehlt immer noch an derartigen praktischen volksthümlichen Leit— fäden für die preußische Geschichte; das vorliegende Werk, in welchem der streng geschichtliche und daher werthvolle, anziehend geschriebene In— halt mit den rühmlichst bekannten Bildern sich auf das Glücklichste zu einem hübschen Ganzen verbindet, scheint geeignet, dem Bedürfniß abzubelfen. Dadurch, daß dem Lesenden das Bild des geschilderten Fürsten vor Augen geführt wird, prägt sich dasselbe viel tiefer in das Gedächtniß ein und wird der historische Sinn ange messen angeregt. Das Ueberschaersche Werk sollte daher in keiner Kaserne fehlen, wo den Soldaten durch die Lektüre des— selben eine passende, ihrem Beruf entsprechende, patriotische Unterhaltung geboten wird; auf dem Lande, in den Dorf— schulen dürfte die Benutzung des Buches für den Lehrer eine wesent— liche Unterstützung bieten und dazu beitragen, der Jugend Liebe und Anhänglichkeit an das angestammte Herrscherhaus frühzeitig einzu⸗ flößen. Volks und Schulbibliotheken werden das Büchlein gern in ihren Katalog aufnehmen. Der Verfasser giebt zunächst eine Ein— führung in die Geschichte des Hauses Hohenzollern, und bietet dann zu jedem der sauber in Holzschnitt ausgeführten Bilder einen an— sprechenden Text, der, knapp gehalten, charakteristische Züge der be—⸗ sprochenen Persönlichkeit enthält, welche namentlich bei den Regenten der neuesten Zeit reichlicher gebracht werden. Eine Tabelle giebt zum Schluß eine Uebersicht über die allmähliche Vergrößerung des bran— denburgisch -⸗preußischen Hauses seit der Regierung der Hohenzollern. Der Preis des elegant kartonnirten Bändchens beträgt 1 4
— Aus Carmen Sylva's Leben. Von Natalie Freiin von Stackelberg. Mit jwei Bildnissen und einem Faesimile. Heidelberg. Carl Winters Universitäts buchhandlung 1885. gr. 8. S. 221. — Seit bekannt geworden, daß unter dem Pseudonym Carmen Sylva sich die Königin Elisabeth von Rumänien verbirgt, welche seit dem Jahre 1880 als eine echte Dichterin von reichem edlem Gemüthe lauterer Phantasie und poetischem Schwunge anerkannt wurde, war der Wunsch begreiflich, von den Erlebnissen und Erfahrungen, wie sie zu der bedeutenden Persönlichkeit herangebildet wurde, Näheres und Glaubwürdiges zu erfahren. Die bereits durch die an interessanten Aufschlüssen reiche Biographie (1882) des verstorbenen Oheims, des in den Kreisen der Archäologen und Kunsthistoriker unbedingte Achtung genießenden Freiherrn von Stackelberg, vortheilhaft bekannt gewordene Verfasserin, bat auch dies vorstehende biographische Denkmal mit treuer Verehrung und liebevollem Verständniß für die Geistes⸗ wie Gemüthsart einer aus⸗ gezeichneten Persönlichkeit von idealer Anlage ausgeführt. Die mit ge— schickter und pietätvoller Hand gemachten Auszüge aus den Briefen und Tagebüchern gewähren einen unmittelbar sprechenden, fesselnden Einblick in das Innerste eines Lebens und Strebens, welches den seltenen BHöhepunkt erreichte, als Frau und Königin zu den edelsten, wie bedeutendsten ihres Geschlechts zu gehören. Wir lernen die erlauchte Frau vorwiegend aus ihren eigenen Worten über die Jugendbildung wie Lebensereignisse kennen, folgen ihr an die mit farbenreicher Lebendigkeit geschil derten Stätten der Kindheit und des reiferen Alters, gewinnen aber auch unbedingtes Vertrauen zu der Erzählung, weil die Verfasserin laut eigener Angabe in Segenhaus bei Neuwied xreich— erfüllte Wochen mit der Königin verlebte“ und die Verhältnisse der fürstlichen Familie von Wied unverkennbar aus genauer Bekanntschaft schildert. Die Prinzessin Elisabeth ist die am 20. Dezember 1843 geborene Tochter des Fürsten Hermann zu Wied und seiner Gemahlin der Fürstin Marie, einer Tochter des Herzogs Wilhelm von Raffau. Sie hat sich als ein höchst eigenartiges Kind entwickelt. Ganz hervor⸗
ragende Charaktereigenschaften waren von früher Jugend an: Mitleid, Wahrhaftigkeit und große Selbständigkeit Gar nicht oder ganz, dies war ihr Wahlspruch. Nach dem eigenen Bekenntnisse im Tage—⸗ buche hat sie eine sehr reiche Jugendzeit gehabt, reich an Liebe, an Sonnenschein an reicher Erfahrung. Sie nannte den Segen ihres Lebens, daß Gott ihr so viel Liebe schicke. Die Liebe zu ihren Eltern ist von pietätsvoller Erkenntlichkeit erfüllt. Wenn sie einen guten Gedanken hatte, dann fragte sie immer: welchem von meinen Eltern verdanke ich ihn nur; von einem stammt er her. Von ihrer Mutter wurde sie zur Got esfurcht und Frömmigkeit erzogen, für den höheren wissenschaftlichen Unterricht wurde ein Mann von großer Ge⸗ lebrsamkeit berufen, über dessen Wahl die Prinzessin enkzüäckt war, denn lsie lernte leidenschaftlich gerne und sehr leicht die fremden Sprachen. Sie las den Ovid, Horaz, einen Theil des Cicero, machte schriftliche Arbeiten in lateinischer, englischer und italienischer Sprache, lernte eisrig Arithmetik und Geometrie, machte mit Passion gerne Dispositionen zu Aufsätzen, ihr wonnevollstes Entzücken aber waren von jeher Märchen und Volkslieder. Leidenschaftlich und ungestüm erfaßte sie jegliche Beschäftigung; mit Geschick und Ruhe verstand die Mutter die schrankenlose Natuc zu bändigen. Der Prinzefsin fester Wille war, wenn sie sich nicht verheirathe, Schullebrerin zu werden: sie wollte ein eigenes Seminar gründen, der Jugend Kraft und Zeit zu widmen. Die Mutter hatte ihrem Willen nachgegeben nur die Bedingung gestellt, daß, bevor der Plan als Thatsache ing Leben trete, sie zuerst einen pädagogischen Cursus durchmachen und ein Examen bestehen müßte. Die Prinzessin war nun zu innerer Ruhe gekommen, — sie sagte ausdrücklich in ihren Briefen: „ich will einen Beruf haben“. Sie meinte den Beruf einer Lehrerin und Erzieherin und sie erhielt den einer regierenden Fürstin und Königin. Am 12. Oktober 1869 verlobte sie sich mit dem Fürsten Karl von Rumänien, welcher ihr an diesem Tage sagte: „Du befommst eine schöne Lebensaufgabe! Du sollst milde trösten, wenn ich zu hart war, und für alle bitten dürfen. Nicht hohe Politik, sondern aufrichtige Herzensneigung batte den Bund geschlossen. Die schweren Pflichten, welche in dem unbekannten Lande harrten, hat die Fürstin, seit 14/18. März 1881 Königin von Rumänien, gewissenhaft und elfrig erfüllt. Sie ist unermüdlich bestrebt gewesen, die geistigen Interessen ihres Volkes zu wecken, sie versammelt junge Mädchen um sich zur Beschäftigung im Schreiben, Lesen, Musiziren, Dichten, Malen und Sticken, fucht in den jugend⸗ lichen Gemüthern den Sinn für Naturschönheit zu pflegen, die
Spaziergänge durch anregende Gespräche zu beleben. Sie hofft durch
diefe Erziehung einen ernsteren Grund in die Gewohnheit der Ober— flächlichkeit zu legen und den Müttern des kommenden Geschlechts eine idealere Richtung zu geben. Mit solcher bildenden Thätigkeit vereint sie ein fühlendes Her; und klaren, theilnahmsvollen Blick für die Leiden ihrer Mitmenschen. Was sie selbst während des türkisch— serbischen Krieges 1877 theils persönlich, theils durch umsichtiges Anordnen geleistet hat, das ruht mit tiefgefühlter Dankbarkeit in den Herzen ihrer Unterthanen und wird von Geschlecht zu Geschlecht fortleben. Sie ist, wie es in Carmen Sylvas Märchen heißt, „ein Sonnenkind, ausgestattet mit aller Anmuth und allem Lieb— reiz??. Ueber die Wahl. dieses Namens hat die Königliche Dichterin selbst in dem Liede Meine Ruh“ die sinnige Aufklärung gegeben: Carmen, das Lied, und Sylva, der Wald, Von selbst ge⸗ sungen das Waldlied schallt, Und wenn ich im Wald nicht geboren wär, dann säng' ich die Lieder schon längst nicht mehr. Der Drang der Mittheilung treibt sie zum Dichten. ‚Wenn ein Gedanke mir kommt, so will ich nicht, ich muß ihn in Worte, in ein Lied fassen, dann erst bin ich beruhigt“, sagt sie. Ihre höchste Idee ist, so zu schreihen, daß jeder glaubt, er habe es selbst geschrieben. Die König⸗ liche Frau besitzt eine wunderbare Fähigkeit, die geheimsten Vorgänge des Seelenlebens mit einer Schärfe und Charakteristik zu zeichnen, als hätte sie alle Phasen der Qualen selbst durchlebt. Sie hat den großen Schmerz erfahren müssen, die einzige Tochter zu verlieren; — sie fühlte aber, daß sie nicht das Recht habe zu klagen nach so großen Seg⸗ nungen, „früher war's ein sonnenheller Freudentag, ein ewig Jauchzen! Nun ist in uns tödtlich Schweigen, nun ist in uns eis'ge Ruhe.“ In der Arbeit, in großer, reicher Arbeit muß der Trost des Leidens liegen, sagt Carmen Sylva in dem Märchen von Leidens Erdengang“. — hier schildert sie in schlichter Einfachheit und Wahrheit ihr Leben und Leiden, ihr Ringen und Streben. Liegt nicht in dem, was wir erleben, sondern wie wir es erleben, die Bedeutung des menschlichen Daseins und der Sinn unserer Lebensereignisse, so gebührt dem Fräu⸗ lein von Stackelberg aufrichtiger Dank und freudige Anerkennung für das feinsinnige Geschick, mit welchem gerade das innere, edle Leben der hochbetagten Königlichen Dichterin so überaus wohlthuend er— schlossen, ein reichhaltiges farbenvolles Charakterbild gegeben ist. —das vom Verleger nach löblichem Herkommen wiederum vortrefflich aus gestattete Buch zieren zwei Bildnisse: Elisabeth, Königin von Ru⸗ manien und Prinzessin zu Wied, außerdem das Faecsimile einer über aus deutlichen, festen Handschrift des Gedichts ‚Meine Freunde“ zum Abschied von Neuwied, — wir wohnten beisammen am grünen Rhein, der Wald und ich und die Lieder mein, die Lieder sind mit mir ge— zogen!“ — Möchten sich Viele an der näheren Kenntniß einer so eigenartigen, gleichzeitig Verstand wie Gemüth befriedigenden, hoch—⸗ gestellten Persönlichkeit erfreuen — und erheben.
— Zu dem diesjährigen Weihnachtsfest hat Otto Franz Gen⸗ sichen, der durch seine beiden dramatischen Schöpfungen: „Die Märchentante“ und Frau Aspasia“ in weiten Kreifen vortheilhaft bekannt gewordene Autor, einen Band Gedichte unter dem Titel „Frauenlob“ im Verlage von Eugen Grosser in Berlin erscheinen lassen. Die erste Abtheilung der Sammlung umfaßt 80 hyrische Gedichte, in welchen vornehmlich eine nicht immer lobenswerthe leiden schaftliche LZiebesgluth zum Ausdruck gelangt; untermischt sind diese Lieder mit anmuthenden Naturschilderungen von oft überraschend zarter Empfindung und von schwungvollen patriotischen Gesängen, welche durch ihre innere Wärme und durch den Ausdruck wahrer Be⸗ geisterung hervorragen. Hieran schließen sich zwei kleine dramatische Gaben „Lydia: und „Dornröschen, dann eine moderne Erzählung »Isolde“, ebenfalls in gebundener Form, welche zusammen von der vielseitigen dichterischen Begabung des Verfassers zeugen. Den Schluß bildet unter dem Namen „Echo“ eine Reihe vortrefflicher Neber= setzungen aus Horaz und Alfred de Musset. — Gensichen hat in seinem „Frauenlob“ sich auf's Neue als Meister der Form bewiesen; ganz besonders aber zeigen die zuletzt erwähnten Uebertragungen seine hoch entwickelte Sprach, und Formgewandtheit. Gensichen ist eben in der That ein Dichter, dessen Phantasie aber leider nicht immer in den Grenzen bleibt, welche erlauben, seine Produkte, selbst wenn sie unter dem Titel Frauenlob“ erscheinen, deutschen Jungfrauen unge⸗ sichtet als poetische Lektüre zu empfehlen. Auch die Auswahl der übertragenen fremden Dichterblüthen läßt in jeder Zeile, wie die ur⸗ sprünglichen Schöpfungen, die eigenthümliche Geistes und Sinnenrichtung erkennen, welcher der Dichter zugewandt ist Goethe und Horaz sind ihm Vorbilder; aus seinen Liedern klingt wie bei jenen das frobe und sorglose Ergreisen der Gegenwart und der heitere Sinnengenuß uns entgegen; doch füllt bei Gensichen solches Streben das ganze Empfinden aus und nimmt in heißer Leidenschaftlichkeit eine stark realistische Färbung an, welche das gesunde Gleichmaß des Gemütbs und der Seele stören kann. Selbst die lieblicheren Blüthen seiner Muse tragen fast ausnahmslos Spuren einer versengenden leiden—⸗ schaftlichen Gluth, welche dieselben gestreift hat. Deutsche Frauen werden daher kaum aus ganzer Seele und vollem Herzen sich mit diesem „Frauenlob“ sympathisch vereinen.
— Von der großen Sorgfalt und dem Fleiß, die auf unsere jetzige Jugendlitteratur verwandt werden, legen die in Verlage von Fran; Ebhardt in Berlin erschienenen Jugendschriften den besten Beweis ab und bezeugen, welch eine hohe Entwicklung der Geschmack unserer Tage genommen hat. Die Ausstattung der uns vorliegenden drei Bücher ist technisch und künstlerisch von gleich bohem Werthe, und der gediegene Inhalt derselben steht mit der äußeren Herstellung in gutem Einklang. Die höchstgestellten Ansprüche unserer verwöhnten Jugend müssen sich beim Anblick dieser prächtigen Bücher befriedigt sehen, und die Gleichgültigkeit, mit welcher oft derartige Geschenke hingenommen werden, dürfte in richtiger Würdigung der Sorgfalt