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stellen, das Kaufen der Tabacke nach Qualität zu bevorzugen, endlich notorische Mißstände im Maklerwesen zu beseitigen verfuchen soll Hoffen wir. daß die dankenswerthen Anregungen zu Gunften unseres Tabackbaues recht reiche Erfolge aufzuweisen haben, es dürfte bisher selten eine so große Versammlung zu finden gewesen sein, in welcher die 3 Eiwerbskategorien, Landwirthschaft, Industrie und Handel so harmonisck einem Ziele zuarbeiten, um so wichtiger, als diefes Ziel a. . volkswirthschaftlich so hochbedeutendes ist, wie in iesem Fall.
Gewerbe und Handel.
Die „Schles. Ztg. meldet vom oberschlesischen Stein— kohlenmarkt: Der stattgefundene Witterungswechsel hat dem Ab— satz von Hausbrand Kohlen, auf welche sich nach wie vor der Haupt— bedarf konzentrirt, auch bis jetzt noch nicht den mindesten Abbruch gethan. Wenn auch anzunehmen ist, daß bei weiterhin anhaltend warmer Witterung nach dem Fest die Bestellungen sich verringern werden, so ist doch für die rückliegende Woche zu konstatiren, daß die Aufträge eher zu. als abgenommen haben. Die Förde⸗ rung sowohl guter als geringerer Marken war in An⸗— betracht des andauernd starken Bedarfs in fortwährender Zu⸗ nahme begriffen, da man bei den geringen Vorräthen und dem während der Feiertage bevorstehenden Produktionsausfall nicht auch mit gröberen Körnungen in Verlegenheiten kommen will. Aufbe— reitungsprodukte waren ohnehin in genügender Menge schwer zu be— schaffen. Der Mehrumsatz gegen die fär den Kohlenversandt schwachen Monate belief sich in jüngster Zeit auf fast 1200 Waggons oder und 132090 t Kohlen pro Tag, und durch diese außerordentliche Konsumtionszunahme erklärt sich auch der in diesem Winter ver— schärft auftretende Wagenmangel, da die Verkehrsanstalten bei⸗ nahe 50 9e mehr Waggons heranzuschaffen batten, als in der verkehrsschwächeren Zeit. Der westliche Bereich des Re— viers stebt mit dem Mehrumsatz nach wie vor oben an. Aber auch in den anderen Revieren hat der Verkehr außerordentlich zugenommen. Bei den Zechen im Nordrevier, welche früher be⸗ langreiche Mengen von Stapelkohlen liegen hatten, sind diese jetzt total geräumt. Einige Gruben im West⸗, Central« und Ostrevier haben die Betriebsverrichtungen über Tage erweitert. Die ostwärts gelegenen Zechen, wie Myslowitz⸗, Neu ⸗Prjzemza⸗, Wanda⸗, Leopoldine⸗ grube waren nach dem Aufhören der Schiffahrt auf der Prjemza mit dem Versand von Kohlen per Eisenbahn sehr stark beschäftigt. Im Ost⸗ und Südrevier ist ins besondere der Verkehr nach Oesterreich⸗Ungarn be lebter als seit langer Zeit, während gleichzeitig auch der Absatz ins Inland bedeutender geworden ist. Mitwirkend auf die Hebung des Außenhandels war die Ermäßigung der Frachtsätze für die Beförde— rung von Kohlen aus dem Ostrevier über die österreichische Grenze bezw. nach der galizischen Carl⸗Ludwigs. und Lemburg ⸗Czernowitz⸗ Jassy⸗Eisenbahn. Angesichts des allseitig starken Bedarfs wird auf den höheren Kohlenpreisen fest beharrt.
Nürnberg, 16. Dezember. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held.) Am gestrigen Marlte wurden ca. 300 Ballen ver⸗ kauft Heute zeigte sich ziemlich rege Frage, so daß schon bis Mittag ein Umsaßz von über 400 Ballen erzielt werden konnte. Die gezahlten Preise waren jedoch alle sehr niedrig, und die Verkäufe bewegten sich fast ausschließlich in dem Rahmen von 65— 75 M Die Tendenz ist unverändert flau. Die Notixungen lauten: Markthopfen 55 — 70 4A; Hallertauer 5 — 100 M6; Württemberger 66—- 1900 M; Gebirgs⸗ bopfen 75— 90 46; Elsässer 60— 75 M; Posener 85 — 110 10; Wolnzacher und Auer Siegel 85 — 110 1
Braunschweig, 17. Dezember. (W. T. B.) In der heutigen außerordentlichen Generalversammlung der Braunschweigischen Eisenbahngesellschaft ist der Vertragsentwurf betreffs Ueber⸗ ganges des braunschweigischen Eisenbahnunternehmens an den preußi— schen Staat genehmigt worden.
Verkehr s⸗Anstalten.
Seit einigen Jahren ist die Reichs-Post⸗ und Telegraphenverwal⸗ tung dazu übergegangen, während der Semmermonate auf viel besuchten Bergspitzen und Aussichtspunkten, wie der Schneekoppe, dem Brocken, Inselsberg, Großen Feldberg, Niederwald, Wartburg, Bastei, ferner in Bade- und Luftkurorten am Seestrand und im Binnenland, sowie auch bei außergewöhnlichen Veranlassungen — für die Zwecke von größeren Ausstellungen und Versammlungen, auf Militaͤr-⸗Schießplätzen u. s. w. — besondere Post und Telegraphenanstalten in Betrieb zu setzen. Im laufenden Jahre haben sich 49 solcher Sommer-Postanstalten in Wirksamkeit befunden. Ihr Gesammtverkehr bezifferte sich während einer Betriebsdauer von insgesammt 5680 Tagen auf 1586 940 Sendungen, und zwar 1539006 Postgegenstände und 47 934 Telegramme. An diesem Verkehr waren die 10 Ver⸗ kehrsanstalten auf Bergspitzen und berühmten Aussichtspunkten mit 169 099 Sendungen, die 8 Verkehrsanstalten auf Militär⸗Schieß—⸗ plätzen mit 395 715 Stück, die 5 Verkehrsanstalten bei Ausstellungen und Versammlungen ꝛc. mit 2464 Stück und die 26 Verkehrs anstalten am Seestrande und in klimatischen Kurorten mit 1019 662 Sendun gen betheiligt. Die Postanstalt auf der Schneekoppe hat 41281 Sendungen, darunter 1600 Telegramme, diejenige auf dem Brocken 39 183. auf der Wartburg 29 901 Sendungen, darunter 1626 und 1368 Telegramme, diejenige des Barackenlagers auf der Lockstädter Haide 94 564 Sendungen, darunter 1056 Telegramme zu behandeln gehabt. Die Einnahmen der Som mer-⸗Postanstalten haben in diesem Jahre 108 868 „A, die Ausgaben 46 064 M betragen, so daß sich für die Reichskasse ein Ueberschuß von 68 804 M ergeben hat.
Bremen, 18. Dezember. W. T. B) Der Dampfer des Nord deutschen Lloyd „Rhein“, welcher am 14. d. M. von hier ausgelaufen und am 16. d. M. von Southampton weitergefahren ist, stjeß am 17. d. M., Morgens 2 Uhr, in der Höhe von Kap Lizard mit einem englischen Dampfer, wahrscheinlich dem Dampfer „York., welcher zuerst denselben Kurs hielt, wie der Rhein“, jpaͤter aber den Kurs des Letzteren zu kreuzen versuchte, zus àmmen' Der „Rhein“ kehrte nach Southampton zurück und wird nach Aus⸗ besserung einer leichten Beschädigung heute nach New⸗York weiter⸗ gehen. Der englische Dampfer ist in Falmouth eingelaufen. Menschen sind bei dem Unfall nicht verletzt worden.
Hamburg, 18. Dezember. (W. T. B.) Der Postdampfer Bohemia“ der Hamburg ⸗ Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft hat, von New. Jork kommend, heute früh 6 Uhr Lizard passirt.
New. York, 17. Dejember, (B. T. B.) Der Dampfer Spain? von der National ⸗Dampfschiffs⸗ Gom⸗ pagnie (C. Messingsche Linie) ist hier eingetroffen.
Berlin, 18. Dezember 1884.
Ihre Majestät die Kaiserin und Königin hat dem Comité zur Errichtung eines Geibel-Denkmals in Lübeck einen Beitrag von 200 MS überwiesen.
Däe deutschen Schulen im Auslande. Seit langer Zeit haben die Deutschen im Auslande deutsche Bildung und deutsches Wesen durch Kirche und Schule gepflegt. Welche Erfolge diese stille Arbeit gezeitigt hat, ergiebt namentlich die Ausbreitung des deutschen Schulwesent, worüber uns sorgfältige neue Mittheilungen vorliegen.) Bald ist die Absicht, ihren Kindern die Muttersprache erhalten zu wollen, bald die Werthschätzung der deutschen Unterrichtsmethode für die Gründung der deutschen Schulen im Auslande maßgebend gewesen. Den wesentlichsten Antheil an diesen Unternehmungen haben die pro-
Die deutschen Schulen im Auslande, ihre Geschichte und Sta tistif. Unter Mitwirkung zahlreicher Schrlmänner zusammengestellt
testantischen Kirchengemeinden gebabt; andere Anstalten sind Privatunter⸗ nehmungen von Schulvorstehern oder Gründungen einer kleineren Anzakl von Familienvätern. Da finden sich Kindergärten, einklassige und weiter entwickelte Elementarschulen, vollberechtigte Gymnafien und selbst Seminare und Universitäten bunt nebeneinander. Nur wenige dieser Schulen erbalten einen Zuschuß vom deutschen Mutterlande sKonstantinopel, Bukarest, Kairo) oder von den Regierungen der fremden Staaten (wie in Rußland, Rumänien und Chile); die meisten sind auf sich selbst angewiesen, und haben in Folge dessen mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie stehen groͤßtentheils unter der Leitung besonderer Schulkommissionen, und werden meist von Kindern aller Bekenntnisse und Nationalitäten besucht.
Abgesehen von Oesterreich, der Schweiz und Luxemburg, Ländern, in denen nur deutsch oder doch überwiegend deutsch gesprochen wird, und die sich deshalb eines höchst geregelten deutschen Schulwesens erfreuen, kommen in Europa nur Ungarn und Siebenbürgen sowie die Ostseeprovinzen Rußlands als Gebiete in Betracht, in denen die Deutschen einen großen Bruchtheil der Bevölkerung aus— machen. Die Zahl der deutschen Volksschulen in Ungarn, welche 1869 noch 574, im Jahre 1880 noch 597 betrug, belief sich im Jahre 1883 nur noch auf gegen 400; in Siebenbürgen gab es 253 deutsche Volksschulen, darunter nur 43 einklassige. Deutsche schulpflichtige Kinder waren iss3 in Ungarn und Siebenbürgen 323 447 vorhanden, von denen 263 068 oder 81,3 / die Schule be—⸗ suchten. Deutsche Gymnasien giebt es nicht mehr in Ungarn, obwobl von 1867 bis 1877 durchschnittlich 13.8 σ, aller Gymnasial⸗ schüler Deutsche gewesen sind. In Siebenbürgen bestehen 5. achtklafssige vollständige Gymnasten, ein vierklassiges Untergymnasium und ein Unter ⸗Realgymnasium; mit den erstgenannten stehen die 5. Lehrer—⸗ seminare in Verbindung, in denen die lateinische Sprache neben der deutschen und magyarischen obligatorisch ist. Außerdem find noch eine deutscke Ober ⸗Realschule (in Hermannstadt), 3 deutsche Bürger⸗ schulen, 9 Gewerbeschulen (die genau unseren elementaren bezw. höheren Fortbildungsschulen entsprechen und 1882/83 von 1115 Lehr⸗ lingen besucht wurden), 3 landwirthschaftliche Lehranstalten und eine
andelsschule vorhanden, dagegen keine deutsche Universität. Früher bestand in Hermannstadt eine juristische Fakultät mit deutscher Unterrichtssprache; dieselbe wurde nach 1867 magyarisirt und soll demnächst gänzlich aufgelöst werden.
Die Ostsee-Provinzen Rußlands haben ein wohlgeord— netes, vorttefflich verwaltetes und weitverzweigtes Schulwesen. 1882 gab es außer der Universität Dorpat 26 Gymnasien (darunter auch für Töchter), 4 Realschulen, 86 Kreisschulen mit dem Kursus der unteren Gymnasialklassen, 7 Lehrerseminare und 287 Elementar und Kirchenschulen, zusammen 410 deutsche Schulen aller Art, die von ungefähr 33 000 Kindern besucht wurden. In den Landschulen wird der Unterricht meist in estnischer und lettischer Sprache ertheilt. Im übrigen Rußland waren noch 26 deutsche Schulen vorhanden, da—⸗ von 6 in St. Petersburg, 4 in Moskau und 5 in Warschau. Ein— zelne der St. Petersburger und Moskauer Schulen stammen schon aus dem vorigen Jahrhundert. Die meisten anderen deutschen Schulen mit mehr als 1500 Kindern befanden sich in den 8 württem— bergischen Kolonien Transkaukasiens.
In den übrigen Ländern Europas sind im Ganzen noch 45 deutsche Schulen vorhanden; davon befinden sich 11 in England, 7 in Italien, 5 in der Türkei, je 4 in Dänemark und Rumänien, 3 in Frankreich, je 2 in Belgien, Holland, Portugal und Spanien, je 1 in Griechen“ land, Schweden und Serbien. Einzelne dieser Schulen wirken schon seit Jahrhunderten, z. B. die St. Petri⸗Knabenkirchenschule in Kopen— hagen und die deutsche Schule zu Stockbolm, andere stammen aus dem vorigen Jahrhundert, wie mehrere Schulen in London, St. Petersburg und Moskau; die meisten sind erst in neuerer Zeit er⸗ richtet. Die mehr als 5300 Kinder dieser Anstalten werden in 130 größtentheils gemischten Klassen von über 240 Lehrkräften in deutscher Bildung, Gesittung und Vaterlandsliebe erzogen.
Leipzig, 17. Dezember. (W. T. B.) Hochverraths⸗— Prozeß wider Reinsdorf und Genofsen. In der Nach— mittagssitzung wurde Reinsdorf vernommen. Derselbe erklärte, am Niederwaldattentat nicht ganz unbetheiligt gewesen zu sein, sondern seine Hand im Spiele gehabt zu haben. Ueber seine Motive befragt, wies Reinsdorf mit heftigen Worten — so daß ihn der Präsident und der Ober ⸗Reichssanwalt mehrfach unterbrachen — auf die Lage des Arbeiterstandes hin. Das Werk der Befreiung aus dieser Lage müsse das Werk der Arbeiter selbst sein; der von sozialdemokratischer Seite beliebte Stimmzettelkampf sei Unsinn und Blasphemie. Die von anarchistischer Seite vorgeschlagene Propaganda der That allein könne helfen; der Zweck beillge das Mittel; man dürfe nicht sentimental sein. Der Angeklagte schloß: „Ich habe meine Pflicht als Anarchist erfüllt. Hierauf räumt derselbe ein, Rupsch und Küchler zu dem Attentat überredet, sie wegen der Moda— litäten der Ausführung instruirt, ihnen auch das erforderliche Dynamit gegeben zu haben. Wenn er nicht krank gewesen wäre, würde er wahrscheinlich selbst das Attentat ausgeführt haben. Vom Präsidenten schließlich befragt, ob er sich des in der Anklage ihm zur Last gelegten Verbrechens schuldig bekenne, antwortete Reins. dorf: »Ich erwarte Ihre Entschließungen; das ist einfach eine Macht⸗ frage; geben Sie uns einige Armee ⸗Corpä, und der Stand der Sache wird sich umdrehen. — Im Laufe des heutigen Nachmittags wurde alsdann noch eine große Anzahl Zeugen vernommen. Der Unter— suchungsrichter Schäfer aus Elberfeld erklärte: die Darstellung des Rupsch habe auf ihn den Eindruck der Wahrheit gemacht.
18. Dezember, (W. T. B) In der heutigen Sitzung wurde zunächst der Zeuge Palm wegen des Niederwald-⸗Attentats ver— nommen. Derselbe erklärt, daß der Angeklagte Küchler ihm erzählt babe: er und Rupsch seien nach dem Riederwalde gereist, um den Festzug zu stören; sie hätten in eine Drainage Dynamit gelegt; durch Regenwetter sei aber die Zündschnur naß geworden und die Erplosion unterblieben. Zeuge giebt zu, den Betrag von 40 M. sich leihweise beschafft und ihn Küchler zu einer Reise nach London behufs Herbeischaffung von Schriften gegeben zu haben. — Der An⸗ geklagte Reinsdorf will wissen, von wem der Zeuge Palm den Geld— betrag geliehen habe; er glaubt, daß er ihn von der Polizei erhalten habe. — Der Zeuge verweigert jede Auskunft, da er im anderen Falle befürchte, selbst in die Angelegenheit verwickelt zu werden. Er ,, es als richtig, daß Küchler zu ihm gesagt habe: er sei mit nach dem Niederwald gegangen, um das Attentat zu vereiteln. — Der Zeuge , . Kaufmann aus Barmen, will über einen an ihn gelangten Brief, unterzeichnet Aus⸗ schuß der sozial⸗revolutionären Partei in New York“ nicht das Ge⸗ ringste wissen. — An den Zeugen Polizeikommissar Gottschalk richtet Reinsdorf die Frage, ob er wisse, daß die ÄArbeiter in Elberfeld und Barmen viel Dynamit im Besitz hätten. — Gott⸗ schalk erklärte: es seien mehrere Steinbrüche vorhanden, und die Steinbrecher benutzten Dynamit; auch würde bei An— legung von Hausbrunnen Dynamit angewendet. — Der Zeuge Bürgermeister Alberti aus Rüdesheim gab eingehende Mittheilungen über die Wirkungen der Explosion in der Festhalle, desgleichen der Wirth und der Küfer in der Halle. — Die Zeugen Porsberger und Lauter sowie der Sachoerständige Major Pagenstecher aus Mainz er⸗ klärten, daß ein über den Wasserdurchlaß fahrender Wagen und die darin befindlichen Personen auf das Höchste durch die Explofion ge— fährdet waren. In der Büchse, die in der Drainage lag, haben sich nach Meinung der Sachverständigen 15 bis 27 Pfund Dynamit befunden.
Am Sonntag, den 14. Dezember, Nachmittags 6 Uhr, ver— anstaltete die städtische Blindenschule und Fortbildungs⸗ schule für Blinde im Versammlungssaal des Waisenhauses, Alte Jacobstraße Nr. 33, eine muskalische Aufführung. Ein sehr zahl⸗ reiches Publikum war erschienen, dessen Interesse durch das mannig— faltige und gewählte Programm bis zum letzten Augenblick gefeffelt
mit musterhafter Auffassung und nobler Technik.
den übrigen Klavierpiecen verdienen Schuberts Marche cara. téristique (ju vier Händen) und in Sonderheit Beethovens Septen (zu acht Händen) unsere volle Anerkennung. Besonderen Beifal errang eine neue Komposition türkischer Marsch⸗ von A. Wel welche auf Verlangen wiederholt werden mußte. Weniger originell wenn auch nicht ganz wirkungelos, erklang eine weitere Kom pofftio von unbekannter Hand: ein Scherzo für Violinen und Braischen. Die Piecen für Streichinstrumente wurden sicher und rein gespieli, wenngleitz bierbei die tiefe und gesunde Vortragsweise zu vermissen war, welch wir gerade bei den Klavierspielern lobend zu erwähnen haben. Der Gesang der Schülerinnen der Fortbildungsschule befriedigte; nur hatten wir Volkslieder und einfache Komposition lieber gehört als die Aus fi hne einer Loõweschen Ballade (das Erkennen) und Curschmanng. Blumengruß ⸗ — Die kleine Weihnachts. Ausstellung, welche dem musikalischen Thell⸗ folgte, bewies, daß das Blinden⸗Institut auch auf dem Gebiete der 4 3 nicht erfolglos bestrebt gewesen ist, sein Möglichste zu thun.
Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.
Preußisches Verwaltungs⸗Blatt. Nr. 11. — Inhalt: Die Größenverhältnifse der preuß. Kommunaleinheiten. — Zeitschrift des Königlichen preuß. Statistischen Bureaus. — Polizeiliches Gin= schreiten betr. Räumung eines Grabens. — Baukonsens und An⸗ siedelungskonsens. Bau mit Baukonsens aber ohne An siedelungt⸗ lonsens,. Polizeiliches Einschreiten in diesem Falle. Versagung der Ansiedelungsgenehmigung in diesem Falle. — Polizeiliches Einschreiten gegen die Benutzung eines bisher zu anderen Zwecken benutzten Bau⸗ werks (einer früheren Wächterbude) zu Wohnzwecken auf Grund ded in Anlehnung an 8 12 Straßen ⸗ und Baufluchtengesetzes vom 2. Jul 1875 emanirten örtlichen Rechts. Das Vorhandenfein ort baupolhzei⸗ licher Bestimmungen über den Begriff fertig hergestellter Straßen alt Voraussetzung der Anwendbarkeit einer ortsstatutarischen Vorschrift nach welcher Wohngebäude, die einen Ausgang nach noch nicht fertig hergestellten Straßen haben, nicht errichtet werden dürfen. — Rein; gung und Beleuchtung der Verkehrsmittel (Wege und Straßen, Chausseen und Rampen ꝛc. im örtlichen Vrrkehrsinteresse als Maß⸗ nahmen bezw. Veranstaltungen der örtlichen Polizeiverwaltung; die Kosten derselben fallen der Kommune zur Last. Verpflichtung der Adiazenten zur Straßenreinigung. — Genehmigungepflichtige gewerb, liche Anlagen. Dampfkesselanlagen als solche, nicht Zuckerfabriken. Anwendbarkeit der Bestimmung des §. 256 R. Gw. OJ Einwirkung der R. Gw. O. insbesondere des §. S6 derselben auf frühere Landes? Gewerbegesetze. — Schlachtzwangseinführung und Entschädigung⸗ anspruch der Privatschlachtstättenbesitzer. — Kirchenbaulast. Bedürf niß in Folge Verschuldens der kirchlichen Organe. — Dienstentlassung eines Beamten in Folge der Thatsache, daß derselbe in dem Geschaͤfte seiner Ehefrau dem Verbote der vorgesetzten Behörde zuwider (alt Gehülfe) thätig gewesen. — Okrigkeit und obrigkeitliche Anordnungen im Sinne des 8. 119 des R. Str. G. B. Strafbarer Ungehorsam gegen Polizei Exekutivbeamte und deren konkrete Amtshandlungen. — Hochzeit ⸗Tanzlustbarkeit als öffentliche Tanzlustbarkeit. — Bie⸗ tung bezw. Einhaltung der Polizeistunde, 8. 365 R. Str. G. B., in Anwendung auf geschlossene Gesellschaften.
Beiheft zum Maxrineverordnungsblatt. Nr. 56. — Inhalt: Ueber Hospitalschiffe, von Dr. Bugge. — Literarisches.
Deutsche Landwirthschaftliche Presse. Nr. 161. — In⸗ halt: Zum Rückgang der Getreidepreise. — Bezahlt die Viehzucht ihre Kosten? Von Frhrn. von Stein-Kochberg (Schluß). — Feuille⸗ ton. Die Ausstellung der Dairy Farmers Association (Schluß). — Die vorläufigen Ernte-Ergebnisse des Jahres 1884 in Preußen. — eue Kartoffellege⸗Maschine. — Correspondenzen: Berlin. ECöln. — Sprechsaal. — Deutscher Reichstag. — Literatur. — Personalien. — Handel und Verkehr.
Die Sparkasse. Nr. 68. — Inhalt: Einladung zum Bel= tritt in den Deutschen Sparkassen Verband event. zum Abonnement. — Die konstituirende Versammlung des Deutschen Sparkaffen—⸗ Verbandes. — DOesterreichische Postsparkassen im November. — Be⸗ schluß des Bundesraths über das Postsparkassen Gesetz. — Unter— schlagungen in Verden. — Böhmische Boden -Credit-⸗Gefellschaft. — Erster Brandenburgischer Sparkassentag. — Postsparkassen⸗Gesetz in Württemberg. — Sparkasse Sondershausen. — Poesie über Post⸗ parkassen. — Zahlung preußischer Staatspapiere. — Zahlung von Versicherungsgeldern. — Reichs. Versicherungsgesetz. — Lebengversiche⸗ rung bei der Gothaer, Germania, Reichspost. — Hypothekenbank Gesetz. — Drucksachen⸗Porto. — Kombinirte RundreifeBillets. — Juristisches. — Literafur: Dr. Walcker, Handbuch der Natzonal—⸗ ökonomie. Stöppel, soziale Reform. — Briefkasten für Verbands mitglieder.
Forstwissenschaftliches Centralblatt. Heft 12. — DOriginal⸗-Artikel-: Der Ecksche Numerirhammer. Von Prof. Dr. Heß in Gießen. — Der Matthessche Höbenmesser. Vom Gr. Sächs. Ober⸗ förster Brock in Dermbach. — Mittheilungen: Die V. Wanderver⸗ sammlung oberbayerischer Forstwirthe zu Landsberg am 30. Juni und J. Juli 1884 — Mittheilungen aus der Forstverwaltung des Groß⸗ herzogthums Hessen. Von Schnittspahn, Großh. Oberförster. — Literarische Berichte. — Notizen. . Blätter für höheres Schul wesen. Nr. 12. — Jnhalt An die Herren Dirigenten und Lehrer an höheren Unterrichtsanstalten. — Schlegel (Berlin), Die Organisation unserer höheren Schulen. — Prof. Vogrinz (LeitmeritzR, Die Irrwege der Gymnasiallehrmethode in Oesterreich (Schluß). — Dr. Thimm (Tilsit), Statistische Tabellen, betr. die Anstellungsverhältnisse — Dr. Knape (Ratibor). Zur Besoldungsfrage. — Prof. Dr. Hachtmann ( Dessau), Von der XXXVII. Versammlung deutscher Philologen und Schul männer. — 12. Generalversammlung des Provinzialvereins Pommern. — Kleine Mittheilungen. Bücherschau. — Personalia (vom 11. Oktober bis 15. November). . . Mittheilungen der Großherzoglich hessischen Cen⸗ tralstelle für die Landesstatistik. Nr. 324. — Ignhalt: Octroi⸗Rechnungen 1883— 84. — Vergleichung der Tage mit voll— ständiger Schneedecke. — Meteorologische Beobachtungen zu Darm⸗ stadt Oktober 1884. — Meteorologische Beobachtungen zu Schweink⸗ berg Oktober 1884. — Volksschulen, Fortbildungsschulen und Privat⸗ unterrichtsanstalten Frühjahr 1883. — Anzeige.
Die gefiederte Welt. Zeitschrift für Vogelliebhaber, Züchter und Händler. Nr. 51. — Inhalt: Zum Vogelschutz: Sollen die Möven geschützt werden? — Das Schwarzkehlchen. — Aus meiner Weber-Vogelstube. — Aus Haus, Hof. Feld und Wald. — Biiefliche Mittheilungen. — Nus den Vereinen: Berlin („Ornis*); Berlin; Copenhagen; Cöln; Dresden; Meerane; Ausstellungen. — Anfragen und Auskunft. — Büͤcher⸗ und Schriftenschau. — Brief— wechsel. — Anzeigen.
Isis. Zeitschrift für alle naturwissenschaftlichen Liebhaberelen. Nr. 51. — Inhalt: Zoologie: Seltsames Gebiß eines Nagerg .= Nochmals über die Ueberwinterung des Himberspinners. — Beitrag zu der Uebersicht der Tödtungsmittel für Schmetterlinge (Fortsetzung). — Botanik: Farbenveränderungen beim Trocknen der Herbarium— pflanzen. — Einheimische und fremdländische Wasserpflanzen: II. Die schwimmenden Pflanzen. III. Die unter dem Wasserspiegel wachsen· den Pflanzen. — Rarichten aus den Naturanstalten: Berlin. Jagd und Fischerei. — Mancherlei. — Aus Haus, Hof, Feld und Wald. — Bücher⸗ und Schriftenschau.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Schol;). Druck: W. Elsner, Fünf Beilagen
Berlin:
von Joh. Paul Müller, Br. phil., Direktor der Allgemeinen deutschen Schule zu Antwerpen. Breslau 1885.
wurde, Als Einleitung spielte Frl. M. Pagel Bachs Gis- dur Präludium und Fuge“ (aus dem „Wohltemperirten Klavier))
(einschließlich Börsen⸗Beilage).
zum Deutschen Reichs⸗An
Erste Beilage
Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember
eiger und Königlich Preußischen Stuats⸗Anzeiger.
1884.
x 2883. k Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 18. Dezember. Im weiteren Ver⸗ der gestrigen (17. Sitzung des Reichstages wurde erste Berathung des von den Abgg. Dr. von Jazdzewski . Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom Y. Januar 1877 fortgesetzt. Ver Antrag hat solgenden Wortlaut: Der Reichstag wolle beschließenmn: kö dem nachstehenden Gesetzentwurfe die verfassungsmäßige Zu slimmung zu ertheilen: .
ö ie Abänderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 6 3 Januar 1877. . (Reichs ⸗ Gesetzblatt Seite 74.) l Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König on Preußen ꝛc. . . '. . . . kö r n Zustimmung des es zes Reichstages, was folgt: . 1e Dem 5. 186 des Gerichts vPerfassungsgesetzes vom 27. Januar 1577 (Reichs · Gesetzblatt Seite 74) ist bin zuzufügen., . In den der Krone Preußen seit dem Jahre 1! 72 zugefallenen polnischen ,, ist die polnische Sprache neben der eutsch eichberechtigt. JJ Im §. 187.1. e. ist an Stelle des ersten Absatzes zu setzen: Wo sonst im Reichsgebiete unter Parteien verhandelt wird, die der deuischen Sprache nicht mãchtig sind. ist ein Dolmetscher juzuziehen und ist in diesem Falle ein Nebenprotokoll in der Sprache der Parteien aufzunehmen. . Nachdem der Antragsteller Abg. Dr. von Jazdzewski seinen Antrag begründet hatte, ergriff J der Bevollmächtigte zum Fundesrath, Sta ntssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. von Schelling das Wort: ö ö. Meine Herren! Die Frage der Gerichtssprache der vormaligen polnischen Landestheile hat schon zu wiederholten Malen den Gegen⸗ stand einer gesetzgeberischen Entscheidung gebildet: Zuerst im preußi⸗ sben Sprachengesetz von 1576 und dann im, deutschen . perfassungsgesetz von 1877. Bei beiden Gelegenheiten sind in der Be⸗ tathung der gesetzgebenden Körperschaften alle politischen, staatsrecht⸗ sichen und praktisch⸗juristischen Gesichts punkte der Frage ausgiebig zu ihtem Rechte gelangt. Die verbündeten Regierungen sind nicht ge⸗ neigt, sich an der Erneuerung des Streites zu betheiligen, welcher durch jene gesetzgeberischen Akte geschlichtet worden ist, und sie werden ihrerseits nicht dazu mitwirken, die übereinstimmende Lösung, welche die Angelegenheit damals gefunden hat, wieder in Frage zu stellen. Der Abg. Frhr. von Unruhe⸗Bomst erklärte, ehe er näher auf den Antrag eingehe, wolle er ein Paar allgemeine Bemer⸗ kungen zu den Ausführungen des Abg. von Jazdzewali vor⸗ ausschicken. Er müsse zugestehen, daß der Abg. von Jazdzewski die Frage diesmal objektiver als bei früheren Gelegenheiten behandelt habe. Derselhe habe auch die Freundlichkeit gehabt, ihm persönlich und den Landräthen überhaupt eine Schmeich lei zu sagen, derselbe habe aber nicht unterlassen, den Landräthen dagegen eine Stellung zu vindiziren, gegen die er im Namen sener Kollegen denn doch Protest einlegen müsse. Er wiederhole, was er früher schon ausgesprochen habe: er sei seit einer langen Reihe von Jahren Landrath eines Kreises, der zur Hälfte aus phlnischer Bevölkerung bestehe. Man könne ihm keinen Jall anführen, in dem dort eine Benachtheiligung der polnischen Bevölkerung oder das Bestreben der Germanisirung statt⸗ gefunden häbe. Die Tendenz der preußischen Regierung sei also nicht eine derartige, wie sie der Abg. von Jazdzewski ge⸗ schildert habe, denn sonst hätte die Regierung ihn nicht bei ciner ihr widersprechenden Praxis so lange im Amte belassen. Wenn in den Schulen dort die deutsche Sprache bevorzugt werde, so geschehe dies nicht, damit die Kinder nicht polnisch lern⸗ ten, sondern damit sie deutsch nicht verlernen sollten. Wenn übrigens gesagt worden sei, daß die Unkenntniß der deutschen Sprache viele bei Gericht ihr Recht suchende veranlasse, sich der Volksanwälte zu bedienen, so sei dies bei den jetzigen theuren Rechtsanwaltsspesen gar nicht so zu beklagen, wenn es eben nur ein guter Volksanwalt sei. Wenn dem Antrag stattgegeben werde, so komme man wieder ju der alten Praxis zurück, wonach es im Belieben der Par⸗ teien gelegen habe, für ihren speziellen Fall die Gerichtssprache zu bestimmen, was ja zu noch viel schlimmeren Unzuträglich—⸗ kiten führe, wie s. 3. bei Berathung des Gerichtsverfassungs⸗ gesetzts besonders der Abg. Lasker hervorgehoben habe. Dann müßten nicht blos polnische Richter, sondern auch polnische Gerichtsschreiber, polnische Rechts- und Staatsanwälte da sein, und sämmtliche Behörden müßten des Polnischen ebenso mächtig sein, wie des Deutschen. Diese Beamten habe man aber nicht. Bezüglich des g. 187 des Gerichtsverfassungsgesetzes hahe er stets gewünscht, daß es möglich wäre, den Wünschen der Antragsteller rgendwie entgegenzukommen. In der vorjährigen Kommission aber, deren Vorfitzender er gewesen sei, habe man sich ver— gebens bemüht, eine genügende Formulirung zu finden; immer ehr seien die Schwierigkeiten gewachsen, besonders, der Begriff des „Nebenprotokolls“ fei gar nicht zufrieden⸗ kellnd zu fixiren, und die Kommission habe. ihre Verathungen geschlossen, ohne zu einem bestimmten Resultat Rlangt zu sein. Was die geschäftliche Behandlung des An⸗ trags dies mal anlange, so glaube er nicht, daß man zu einem anderen Ergebniß wie is76 gelangen werde. Man könnte vielleicht dem geltenden 8. 186 hinzufügen: „Angrkenntnisse, erzichte, Vergleiche müssen auf Verlangen der Parteien in allen Sprachen aufgenommen werden“, aber auch einem silcen Passus ständen erhebliche Bedenken entgegen; denn ann könnte auch jeder beliebige Japanese, Chinese oder jede andere wilde Völkerschaft verlangen, daß ihre Dolmetscher zu⸗ geäogen würden. Da die Kommission des letzten Reichstags aber ihre Arbeiten nicht vollendet habe, so könnte wenigstens nochmals versucht werden, ob sich in erneuter lommisfer i en erhandlung ein Ausweg finden lasse. Ergebe sich 2 daß abselnt eine andere Fassung der 85. 186 und 18 1 die heutige unmöglich sei, dann' würde dem Hause die ; weisung des wiederholt eingebrachten Antrages durch den Hin⸗
neis auf dieses beslimmte Jefultat erleichtert. Er beantrage ene Jommission von 14 Mitgliedern.
Zustände hätten auch die Teutschen gehabt, die nur Zeit genug gehabt hätten, sich aufzuraffen und aus diesen Zuständen zu befreien. Die Deutschen hätten auch nicht von allen Seiten Nachbarn, die ihre Verlegenheit ausnutzten. Die Polen hätten Anspruch auf die Dankbarkeit der Deutschen: Johann So— bieski habe einst Deutschland vor der Barbarei bewahrt, Er bitte, die Polen so zu behandeln, wie die Deutschen selbst als Unterdrückte verlangen würden, behandelt zu werden. Der Abg. Staudy bemerkte, seine politischen Freunde würden jetzt denselben Standpunkt gegenüber dem vorliegen⸗ den Antrage einnehmen, wie schon früher, und diesen Antrag wiederum ablehnen. Seine Partei könne den staatsrechtlichen Deduktionen des Abg. von Jazdzewski nicht so ohne Weiteres folgen, und er vermisse auch in dessen Ausführungen die rechte Logik. Es sei politisch bedenklich, so wie in dem An⸗ trage hier geschehen sei, einzelne Landestheile herauszugreifen, und für diese besondere Bellimmungen zu treffen. Der §. 186 gelte jetzt allgemein und müsse auch unbestreitbares Recht bleiben. Die vom Antragsteller vorgetragenen Akten seien nicht beweisend für die seit 1772 preußisch gewordenen Landestheile, denn dieselben bezögen sich fast ausschließlich auf eine einzige Provinz, auf die Provinz Posen, nicht auf alle polnisch sprechen⸗ den Landestheile, die einstmals zum polnischen Reiche gehört hätten. Aus dem Inhalte der Akten gehe das deutlich hervor, und ein Allerhöchster Erlaß sei direkt an die Bewoh⸗ ner der Provinz Posen gerichtet. Es lasse sich daher die Frage auch gar nicht abweisen, warum der Antragsteller sich so. be⸗ schränkt habe, warum derselbe nicht auch das Gleiche für West⸗ preußen und Oberschlesien beantragt habe. Schon früher sei ost genug über den vorliegenden Gegenstand gesprochen worden, und er wolle die Verhandlungen nicht reproduziren. In einer Weise lasse sich indessen eine den Polen erwünschte Auskunft treffen. Schon in der vorjährigen Kommission habe einer seiner politischen Freunde einen Antrag gestellt, der den Polen wesentliche Erleichterung verschafft haben würde, die sich auch sehr leicht hätte durchführen lassen. Aber diese Dinge ließen sich hier vor dem gesammten hohen Hause nicht eingehen) be⸗ rathen; ihre Berathung geschehe besser in der Kommission, wo eine eingehende Prüfung stattfinden könne. Er schlage daher vor, den Antrag zur Vorberathung an eine Kommission zu überweisen. . . . Abg. Liebknecht erklärte, seine politischen Freunde und er würden für den Antrag stimmen. Schon vor 1848 habe er die Stellung der Polen als eine unwürdige empfunden. Damals habe das Schicksal der Polen Aller Herzen bewegt, denn sie hätten den Deutschen noch ein trauriges Bild ihrer eigenen Zerrissenheit geboten. Er könne sich nicht enthalten, es auszusprechen, er halte die Wieder⸗ herstellung Polens für einen Aft der Gerechtigkeit und für eine politische Nothwendigkeit. Allerdings hätten die Polen die Unterstützung seiner Partei nicht verdient, denn sie selbst hätten sich dazu hergegeben, einem großen Theile der Bevölkke— rung politische Fesseln anzulegen. Sie hätten selbst dazu mit— gewirkt, Deutsche zu knechten, denn nur durch die Polen sei in der letzten Legislaturperiode die Gewerbeordnunganovelle zu Stande gekommen. Wenn also auch die Sympathie für die Polen bei seiner Partei nur eine geringe und fast ganz geschwunden sei, so übe das doch auf die Abstimmung seiner Partei keinen Einfluß. Die Polen seien unterdrückt. und Unterdrückte würden stets auf die Sympathie seiner Partei und wenn es möglich sei, auch auf ihre Hülfe rechnen können. Der Aba. Dr. von Cuny bemerkte, er könne einer Wieder⸗ herstellung Polens auf Kosten seiner deutschen Landsleute nicht zustimmen. Die Gesühle des Abg. Junggreen verstehe er, er mache denselben aber darauf aufmerksam, daß der An⸗ trag kein nationaler sei, es sei ein historischer, der auf politisch unnationalem Boden stehe, und nicht zu ersüllen sei, ohne die Rechte anderer Nationalitäten zu beschränken. Man wolle ein Privilegium nicht nur für die polnischen Landes⸗ theile, sondern für einen weit darüber hinausgehenden Be— reich. Man wolle Oberschlesien ausschließen, Westpreußen und die Netzedistrikte mit hineinziehen. Die Städte Danzig, Marienwerder, Marienburg seien doch durchaus deutsche und der Netzedistrikt werde fast ausschließlich von Deutschen be⸗ wohnt. Das deutsche Nationalgefühl stehe in diesem Falle dem patriotischen Sinne der Polen entgegen. Westpreußen sei durch die Deutschen der Kultur gewonnen worden, vorübergehend in polnischen Händen gewesen und dann zurückerobert worden. Die Schlußakte des Wiener Ver⸗ trages gebe nur den vertragschließenden Mächten ewisse Rechte. Die Polen aber seien kein vertragschließender Theil gewesen, sie hätten sich mit den Beschlüssen der anderen Mächte begnü⸗ gen müssen. Zur Ausführung einer solchen Bestimmung habe man nicht die nöthigen Beamten, die der polnischen Sprache mächtig seien, es bestehe thatsächlich keine Gleichheit zwischen der dentschen und polnischen Sprache, weil jeder gebildete Pole Deutsch lerne. Es sei viel seltener, daß ein Deutscher das Polnische erlerne. In allen jenen Provinzen müßten also im Wesentlichen nur polnische Richter angestellt werden. Auf diese Weise würde wieder unter dem Schein der Gleichberech⸗ tigung die größte Ungerechtigkeit gegen die Deutschen ent⸗ stehen. Der Antrag sei also unausführbar, wenigstens der Artikel 1 desselben. Etwas sympathischer stehe er dem Artikel 2 desselben gegenüber, und schließe er sich der Meinung an, daß sein Inhalt in einer Kommission von 14 Mitgliedern eingehender erörtert werde. Gerade die Frage des Neben⸗ protokolls sei bei Einführung des Sprachengesetzes vielfach er⸗ hrtert worden und er habe nichts dagegen, wenn diese ganze Erörterung wiederholt werde. Gerade dadurch wünsche er den Antragstellern zu zeigen, daß seine Partei auf wirklich natio— nale Wünsche und Forderungen einzugehen gern erbötig sei. Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, wer die heutigen Ver⸗ handlungen gehört habe, könnte meinen, es handle sich um die Frage, ob Polen wiederhergestellt werden solle oder nicht. Der Antrag beschäftige sich aber wesentlich mit der Frage der Gerichtsverhandlung. Das habe mit der Frage der Herstellung Polens gar nichts zu thun, und Alles, was die Herren in dieser
S ber glei lechte Er könne nicht verstehen, warum die Gleichstellung a nn enn, , ea,, der deutschen und polnischen Sprache bei Gerichtsverhand⸗
lungen in polnischen Landestheilen antinational sein solle? Wer das Recht Anderer nicht achte, sei des seinigen verlustig. Er wisse aber auch gar nicht, was für eine Gefahr für Deutsch⸗ land darin liegen sollte, wenn bei den Gerichtsverhandlungen beide Sprachen gleichberechtigt seien; sei es doch früher schon einmal der Fall gewesen. Er gebe nun zu, daß die Durch⸗ führung des Art. J im Augenblick nicht möglich sei, weil es an den geeigneten Personen mangele. Aber fange man einmal an, den Wünschen der Polen nachzugeben, und man werde sehen, wie die Sache sich reguliren werde. Habe man nur ein⸗ mal den Muth dazu. Für die polnisch redenden Deutschen sei es freilich nicht ermuthigend, sich der Jurisprudenz zu wid⸗ men, wenn sie sähen, daß man sie mit Vorliebe möglichst weit nach dem Westen schicke; es sei dies im Uebrigen nichts als Quälerei. Dazu komme, daß die Polen der Mehrzahl nach katholisch seien und Katholiken würden in Preußen nur mangelhaft be⸗
fördert; in der Masse würden sie freilich besördert, aber an bevorzugten Stellen wolle man von ihnen keinen Gebrauch
machen. Es sei Zeit, daß man dem Hause zu Gemüthe führe, wie es komme, daß, während bei dem protestantischen und jüdischen
Element das Studium zunehme, dasselbe bei den Katholiken im Abnehmen sei; man grabe ihnen mit Bewußtsein die Möglichkeit dazu ab. — Dann sei von dem Abg. von Unruhe die Frage der Germanisirung der polnischen Landestheile zur Sprache gebracht worden. Die Beamten thäten dort ge⸗ wiß nichts, was gegen Gesetz und Recht sei; ihnen mache er deshalb auch keinen Vorwurf; aber daß die neuere Gesetz⸗ gebung in Bezug auf die Sprache die Tendenz der Germanisirung habe, könne kein Mensch leugnen. Das sei auch im preußischen Abgeordnetenhause klargestellt worden. Der alte ehrwürdige Hr. von Gerlach habe für das Sprachengesetz nicht stimmen können, weil derselbe es mit den Versprechungen für nicht vereinbar gehalten habe, die man den Polen gemacht habe. Er wünsche seines Theils, daß man alle die Landestheile germanisiren könnte, aber er wolle es nicht gegen die Versprechungen thun, die man ihnen völkerrechtlich und anderweitig gegeben habe. Der Abg. von Cuny habe dem Antrag Inkonseguenz vorgeworfen; derselbe gehe zu weit. Den Polen in Westpreußen sei das nicht ver⸗ sprochen, was denen in Posen versprochen sei, und man müßte dies andererseits auch den Oberschlesiern gewähren. Sei man doch nur konsequent, indem man zunächst den Posenern gegen⸗ über einmal Wort halte. Diesen sei das Versprechen in den Verträgen bei der Besitzergreifung von den preußischen Königen gegeben worden, und an diesen Worten sollte die Rechte am Wenigsten deuteln. Was von den Polen beansprucht werde, liege also für Posen in den Verträgen, für die andern polnischen Landestheilen sei es in der Natur der Dinge begründet. Denn es sei ein Gebot des Naturrechts, daß Jeder in der Sprache sein Recht erlangen könne, welche er verstehe und welche seine Mutterfprache sei. Die Nationalliberalen verleugneten aber jeden Liberalismus, wenn sie glaubten, etwas Nationales leisten zu können. In Oesterreich beständen solche Institutionen, und gerade die Polen in Galizien seien die treuesten Vertreter der österreichi⸗ schen Monarchie. Lese man doch die neuere Geschichte! Die Posener hätten nationale Institutionen, und sie seien von denen geschaffen, die die Verträge geschlossen hätten, die also am Besten gewußt hätten, welches die Intention derselben sei; aber man habe sie ihnen genommen. Nun verlangten ja aber die Polen gar nicht diese, nationalen Institute, son⸗ dern nur, was ihnen in Bezug auf die Sprache zukomme; und dagegen sollte man sich nicht sträuben. Deutschland sei ja so glücklich, daß es die Macht habe; es sei neulich vom Reichskanzler hier gesagt worden: „noblesse obliger; er rufe dies auch Anderen für andere Gebiete zu. Für ihn bestehe die Noblesse darin, daß er der Minderheit gewähre, was ihr versprochen sei und was das Naturrecht verlange. Er schließe sich dem Antrage auf Kom⸗ missionsberathung an und bedauere nur noch, daß der Ver⸗ treter der deutschen Justiz dem Hause von vornherein erklärt habe: die Reichsregierung beschäftige sich mit der Sache gar nicht und verweigere jede weitere Betheiligung an der Be⸗ rathung. Es sei dies ein neuer Beweis für die besondere Achtung, in welcher der Reichstag bei den Bundesregierungen
tehe. J J . ö. Der Abg. Fürst Radziwill betonte, er könne sich auf eine kurze Erklärung beschränken, um so mehr, als er nach dem Verlauf der Debatte die Hoffnung hege, daß der vorliegende Antrag nicht a limine dieses hohen Hauses abgewiesen, son⸗ dern in der Kommission einer leidenschaftlosen Prüfung unterzogen werden werde. Wenn er trotzdem sich zum Worte gemeldet habe, so sei das mit Rücksicht auf eine Aeuße⸗ rung des Abg. von Unruhe⸗Bomst geschehen, die ihn sehr leb⸗ haft und nicht angenehm an die Ausführungen erinnert habe, welche der Reichskanzler in der letzten Zeit bei verschiedenen Gelegenheiten gegen die polnische Nationalität gerichtet habe. Man habe nicht erwarten können, daß er die Unterschiebung von Tendenzen, welche fast an Hochverrath streiften, hier unbeant⸗ wortet lasse. Er könne nicht annehmen, daß, wenn der Reichskanzler bemüht gewesen sei, dem Hause den Stand der öffentlichen Meinung in den polnischen Landestheilen diesseits und jenseits der Grenze zu schildern, derselbe diesen Eindruck von seiner jüngsten Anwesenheit im russischen Polen mitge⸗ bracht habe. Wenn der Kanzler dem Hause ein Bild ent⸗ worfen habe, als ob sich Polen an der Schwelle des Aufruhrs befinde, so müsse er einer solchen Schilderung jede Berechti⸗ gung in diesem Augenblicke absprechen, wo der Reichskanzler selbst jenseits der Grenzen den vertrauensvollen Verkehr der polni⸗ schen Bevölkerung mit dem russischen Herscherpaar habe wahrneh⸗ men können, das zum ersten Male in Polen anwesend gewesen sei. Und sollte der Reichskanzler die preußischen Polen vielleicht gemeint haben, als ob sie jeden Augenblick zum bewaffneten Aufsstande bereit wären, so seien das Schreckbilder, und er müsse diese Auslassungen als solche bezeichnen, die, soweit seine Kenntniß und die der öffentlichen Meinung reiche, jeder sachlichen Grundlage entbehre. Er frage, gebe es zwischen
er Abg. Junggreen erklärte, man könne nicht leugnen, nuß den . Unrecht geschehen sei: Möchten sie
Hinsicht vorgebracht hätten falle von selbst hin. Gegen Art. 1 habe der Abg. Cuny angeführt, derselbe sei nicht national.
einer bewaffneten Auflehnung und zwischen dem System, auch