eine innerhalb der Reichsgrenzen sich haltende Bestrebung der polnischen Nationalität unmöglich zu machen, gebe es zwischen diesen Extremen, die er beide perhorreszire, keinen Mittelweg, keinen Boden, auf welchem man sich verständigen könne, auf welchem man die Polen der Rolle enthebe, von der Bundes regierung als lustige Komödianten angesehen zu werden? Die Polen hätten das Bedürsniß, mit dem Hause als ernste praktische Männer sich an praktischen Aufgaben zu betheiligen. Aber durch Rede und Gegenrede, wie sie jetzt geführt werde, käme man nicht zu diesem Ziel. Die Polen hätten auch das Be⸗ dürfniß, nicht durch Redensarten sich gegen den Vorwurf der Reichsfeindschaft zu vertheidigen. Gebe man den Polen Ge⸗ legenheit dazu, indem man den Polen das Minimum dessen bewillige, was sie verlangen könnten, so erfülle man somit die Wünsche, welche in den Kreisen der polnischen Bevölkerung von Tage zu Tage lebhaster würden.
Die Diskussion wurde geschlossen.
Im Schlußwort wandte sich der Abg. Dr. von Jazdzewski gegen die Behauptung des Abg. von Unruhe⸗Bomst, daß die Germanisirung in den polnischen Landestheilen nicht gewalt— sam betrieben werde. Der Autorität des Abg. von Unruhe sei in dieser Frage die Autorität des Fürsten Bismarck gegen⸗ überzustellen, der schon vor mehreren Jahren erklärt habe, die polnischen Anträge auf Zulassung der polnischen Sprache bei den Gerichtsverhandlungen würden von der Re⸗ gierung mit Anträgen erwidert werden, dieselbe zu unterdrücken. Auch die Thatsachen, die in der Pro— vinz Posen vorlägen, müßten die Ueberzeugung verstärken, daß die Behauptung des Abg. von Unruhe nicht richtig sei. Diese Thatsachen träten auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens wie auf dem der Schule den Polen entgegen. Die Behauptung, daß die Landräthe die respektabelsten Beamten in der Provinz Posen seien, habe der Abg. von Unruhe als eine Schmeichelei aufgefaßt. Er habe aber hier nicht Schmei— cheleien zu sagen, sondern die Wahrheit zu vertreten; wenn der Abg. von Unruhe seine Bemerkung als eine Schmeichelei aufgefaßt habe, so wolle er dieselbe gern zurückziehen. Des Abg. von Cuny Kritik seiner Auffassung der den Polen durch die Wiener Kongreßakte völkerrechtlich garantirten Rechte sei schon vom Abg. Windthorst richtig gestellt worden. Der Abg. Staury, der den Polen Mangel an Logik vorgeworfen habe, weil sie die Vergünstigung, die sie für sich erbeten hätten, nicht auch auf die anderen fremden Nationalitäten in Deutsch— land ausgedehnt hätten, könne er auf die im Eingang seiner ersten Rede abgegebene Erklärung verweisen, daß seine Partei jedem derartigen Antrage, der von anderer Seite komme, zustimmen werde. Der Abg. Liebknecht habe behauptet, die Polen hätten sich das Wohlwollen anderer Parteien hier im Hause verscherzt durch ihr Eintreten für feudale Forde⸗ rungen und für die Erweiterung der polizeilichen Befugnisse durch die Gewerbeordnungs-Novelle. Der gleiche Vorwurf sei gegen seine Partei früher bereits vom Abg. Richter erhoben worden, und er könne das Haus auf Das verweisen, was gegen diese Behauptung erklärt worden sei. Sehr bedauert habe er, daß noch, ehe die Kommission sich mit der Prüfung dieser schwierigen Frage befaßt habe, vom Vertreter des Reichs-Justizamts die Erklärung abgegeben sei, die Reichs⸗ regierung weise den vorliegenden Antrag einfach zurück. Es hätte seiner Partei wenigstens in einer anderen Tonart und in einer anderen Form geantwortet werden können, wenn die Polen forderten, was ihr Recht sei.
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts, Dr. von Schelling das Wort:
Ich begreife nicht, wie der Herr Vorredner dazu gelangt, die Tonart, in der ich hier vor dem hohen Hause ju sprechen die Ehre hatte, der Kritik zu unterwerfen. Ich habe Stellung genommen zu den Anträgen, wie sie hier vorliegen, und ich glaube, wenn die ver— bündeten Regierungen schon bei der ersten Berathung ihrer Auffassung Ausdruck geben, so haben die Antragsteller nicht einen Grund, sich über Unhöflichkeit zu beschweren, sondern eher den Regierungen dank— bar zu sein. Was mich betrifft, so konnte ich doch die Stellung nur in einer Weise nehmen, welche den Ansichten der verbündeten Regie—⸗ rungen entspricht; ich kann doch nicht Aussichten eröffnen, während nach meiner Meinung der Antrag aussichstlos ist. Ich habe weiter nichts gesagt, als daß die verbündeten Regierungen nicht dazu gelan— ,, . in eine Aenderung des bestehenden Rechtszustandess zu willigen.
Der Antrag wurde hierauf an eine Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen.
Es folgte die Berathung des Antrages der Abgg. Lieb⸗ knecht, von Vollmar wegen strafrechtlicher Verfolgung der Polizeibeamten, welche am 2. und 3. April pr. die Ver⸗ haftung der Abgg. von Vollmar und Frohme bewirkt hatten.
Der Antrag lautet:
Der Reichstag wolle beschließen:
Den Herrn Reichskanzler aufzufordern, zu veranlassen, daß gegen die Polizeibeamten, welche am 2. und 3. April v. J. die Abgg. von Vollmar und Frohme in Kiel entgegen dem Art. 31 der Reichsverfassung verhafteten und sie so gewaltsam verhinderten, an den Berathungen und Beschlußfassungen des Reichstages Theil zu nehmen, das Strafverfahren wegen Verletzung der einschlagenden Bestimmungen des Reichs. Strafgesetzbuches eingeleitet werde. Von dem Resultat des Verfahrens ist dem Reichstage schleunigst Mittheilung zu machen.
Der Abg. Liebknecht befürwortete seinen Antrag: in den Tagen vom 25. März bis 1. April v. J. habe in Kopenhagen ein Kongreß der Sozialdemokraten stattgefunden, von dessen Sitzungen die deutsche Polizei erst nach seiner Beendigung Nachricht erhalten habe. So aufmerksam geworden, habe man auf der Rückreise die Abgg. Frohme und von Vollmar verhaftet und den Abg. Dietz sistirt. Nachdem die Sache im Reichstage zur Sprache gekommen sei, sei die Verhaftung resp. Sistirung sofort aufgehoben und sei derselbe Antrag, der heute vorliege, am 2. Mai 1883 zur Verhandlung gelangt. Die Kommis— sion, welcher der Antrag überwiesen sei, sei der Meinung ge⸗ wesen, daß §. 131 der Verfassung, welcher von der Immuni⸗ tät der Reichstagsabgeordneten handele, verletzt sei. Der Reichstag sei zur Zeit der Verhaftung bereits zusammenberufen gewesen und die Abgeordneten seien nicht auf frischer That oder einen Tag nach derselben verhaftet, wie es §. 131 für den Fall einer Verhaftung vorschreibe. Von „srischer That“ habe nicht die Rede sein können, da die Polizei so gut wie gar nichts vom Kopenhagener Kongreß gewußt habe. Der Antrag sei wegen des Schlusses der Session hier im Hause damals nicht zur Abstimmung gekommen und in der letzten Session gar nicht einmal zur Berathung. Deshalb wiederhole er den Antrag, weil er glaube, daß es nothwendig sei, daß der Reichstag diesen Eingriff in seine Rechte energisch zurück— weisen müsse. Denke man nicht daran, daß es sich hier um Sozial⸗ demokraten handele, sondern um Abgeordnete. Was den So⸗
feindlich gewesen oder könnten sie es nicht werden? Hier habe der Reichstag einmal Gelegenheit, sich Respekt zu verschaffen, thue derselbe das nicht, so zeige derselbe damit, daß er eine solche Behandlung verdiene.
Der Bundeskommissar, Geheime Ober⸗Regierungs⸗-Rath Weymann entgegnete: Der vorliegende Antrag sage, daß gegen die Abgg. Frohme und von Vollmar, die bei der Rückkehr vom sozialdemokratischen Parteitage von Kopenhagen in Kiel gewissen polizeilichen Maßnahmen unterworfen seien, der Ar⸗ tikel 31 der Verfassung verletzt sei, und zwar nicht blos objektiv, sondern so, daß die Polizeibeamten sich strafsbar ge⸗ macht hätten. Wäre diese Unterstellung richtia, so würde die Bestrafung jener Beamten längst erfolgt sein; denn die Re— gierung, weit entfernt, die verfassungsmäßigen Rechte des Hauses verletzen zu wollen, wolle dieselben vielmehr ohne Unterschied der Parteien vor jeder Einschränkung geschützt sehen. Aber die Regierung würde keinen Staatsanwalt und keine Gerichte gefunden haben, um die Verurtheilung jener Beamten zu erreichen. Es mangele durchaus an dem Nachweise des strafrechtlichen Dolus. Das rechtswidrige Bewußtsein, der Vorsatz der Beamten, ihre Amtsgewalt zu mißbrauchen und zwar zu dem Zwecke, um die Abgg. Frohme und von Vollmar zu hindern, an der am folgenden Tage stattfindenden Reichstagssitzung theilzunehmen; dieser Vorsatz lasse sich durch nichts erweisen, es sehle wirklich an jedem Schimmer eines thatsächlichen Anhalts dafür. Die Beamten hätten den Verdacht gehabt, daß die Herren im Besitz von Beweismaterial für sozialistische Umsturzpläne wären, lediglich deshalb hätten sie die Verhaftung vorgenommen. Was die Beamten für ein Interesse daran haben sollten, die beiden Abgeordneten von der Theilnahme an der Reichstagssitzung zurückzuhalten, sei für ihn nicht erfindlich. Es wäre doch wohl für eine Anwendbarkeit der Strafgesetze auch erforderlich, daß beide Abgeordnete den Willen gehabt hätten an der Reichstags⸗ sitzung theilzunehmen; das Letztere hätten dieselben doch bisher noch nicht behauptet, sie pflegten ja auch sonst nicht so regelmäßig im Reichstage anwesend zu sein. Er verstehe überhaupt nicht, weshalb die Abgeordneten sich an den Reichskanzler gewendet hätten. Sie hätten ja nur nöthig gehabt, wenn sie meinten, daß eine strafbare Handlung vorliege, sich an den zuständigen Staats— anwalt zu wenden und bei der Erfolglosigkeit der Denunzia— tion den gesetzlichen Beschwerdeweg an den Ober-Staatsanwalt und an das Ober-Landesgericht zu gehen. Ein anderer Weg stehe selbst dem Reichskanzler nicht offen. Gott sei Dank lägen die Dinge in Deutschland noch so, daß jeder deutsche Staatsanwalt und jedes Gericht die bei ihm eingehenden An— träge mit derselben Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit prüfe, möchten sie herkommen, von wem sie wollten. Er halte also den vorliegenden Antrag für gegenstandslos und bezweifle nicht, daß das Haus sich dieser Meinung anschließen werde.
Der Abg. Br. Windthorst erklärte, mit Rücksicht darauf, daß man jetzt Neuwahlen gehabt habe und viele neue Mit— glieder im Hause seien, schlage er vor, nicht den früheren Kommissionsbericht den Berathungen zu Grunde zu legen, son— dern den Antrag Liebknecht von Neuem zur Vorprüfung an die Geschäftsordnungskommission zu überweisen. Allerdings habe man alle Ursache, darüber zu wachen, daß die Privilegien des Reichstages in jeder Richtung gewahrt blieben. Es fei ganz gleichgültig dabei, welcher Partei die Herren angehörten, in deren Person die Nechte des Reichstages verletzt worden seien; man müsse auch sozial demokratischen Abgeordneten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er glaube, es sei undenkbar, daß irgend ein Mitglied im Hause hierüber anders denke. Die Diskussion wurde geschlossen.
Der Abg. von Vollmar erklärte im Schlußwort, was den Nachweis der Thatsache betreffe, daß Frohme und er der Sitzung des Reichstages, an der theilzunehmen sie durch die Verhaftung verhindert seien, hätten beiwohnen wollen, so könne er wenigstens versichern, daß er diese Absicht gehabt habe. Für die Sitzung habe eine wichtige Abstimmung über den Holzzoll vorgelegen, der bekanntlich später mit nur einer Stimme Mehrheit abgelehnt sei, wo also das Fehlen eines einzigen Mitgliedes bei der Abstimmung von ausschlaggebender Bedeutung hätte werden können. Dar— über, daß eine Verfassungsverletzung objektiv vorliege, sei man ja einig. Daß aber die Beamten, die die Abgeordneten ver— haftet hätten, insbesondere der eigens zu diesem Zwecke vom Berliner Polizei⸗Präsidium nach Kiel gesandte Kommissar, recht wohl gewußt hätten, daß sie das Recht verletzten, dürfte doch auch anzunehmen sein. Man würde die Polizei ja be— leidigen, wenn man das Gegentheil annähme und damit eine in der That sehr geringe Rechtskenntniß bei ihr voraussetzte. Bei Mißbrauch der Amtsgewalt durch rechtskundige Beamte sollte man überhaupt immer strafbaren Dolus aunehmen, um so mehr, als ja kein Staatsbürger, auch nicht der Un— gebildete, gegen die Folgen seiner Rechtsunkenntniß geschützt sei. Es sei ihnen gesagt, sie hätten die Sache hier nicht zur Sprache bringen, sondern sich direkt an einen Staatsanwalt wenden sollen. Die Sozialdemokraten hätten aber so schlechte Erfahrungen mit den Staatsanwälten gemacht; der Be— griff des „öffentlichen Interesses““ auf Grund dessen der Staatsanwalt über die Anklageerhebung befinde, sei sehr dehnbar; es herrschten darüber unter den Staatsanwälten fo verschiedene Auffassungen, daß es nur ganz natürlich gewesen sei, wenn sie nicht erst aussichtslose Schritte beim Staats—⸗ anwalt hätten thun wollen. Sie hätten sich an das Haus ge⸗— wendet, weil sie sich nicht als Personen, sondern als Abge— ordnete verletzt fühlten, weil eine Verletzung der Rechte des Hauses vorliege, deren Sühne dies beanspruchen müsse, wenn es nicht auch seiner jetzigen wenigen Rechte verlustig gehen wolle.
Der Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath Weymann behielt sich vor, allen Ausführungen des Abg. von Vollmar in der Kommissions— berathung entgegenzutreten; nur die Bemerkung, daß derselbe zu den Staatsanwälten kein Vertrauen habe, beantworte er schon jetzt mit dem Hinweise, daß in solchem Falle eine Beschwerde an das Ober⸗Landesgericht freistehe.
Der Antrag wurde darauf mit großer Majorität der Ge⸗ schäftsordnungskommission überwiesen.
Es folgte die dritte Berathung des von den Abgg. Aus⸗ feld und Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Art. 32 der Verfassung des Deutschen Reichs auf Grund des in zweiter Berathung unverändert angenom⸗ menen Antrages. (Diäten⸗Antrag.) Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, das Centrum werde in dritter Lesung stimmen, wie es in zweiter Lesung gestimmt habe. Die Ansicht, daß etwa in Bezug auf das Wahlrecht vielleicht dieses oder jenes zu ändern sein möchte, theile er
zialdemokraten passirt sei, könne den Mitgliedern jeder Partei passiren. Seien denn nicht alle Parteien schon einmal reichs⸗
nicht; seine Partei werde unter allen Umständen an dem all— gemeinen, direkten, geheimen Wahlrecht festhalten!
Der Abg. Richter are bemerkte, seine Partei hab von vornherein das Festhalten an dem allgemeinen, gleich direkten und geheimen Wahlrecht als etwas Seibstwerftanm liches angesehen. z
Der Abg. von Helldorf erklärte, auf der rechten Seit werde die vom Bundesrathstische wiederholt vertretene Au fassung getheilt, daß die Diätenlosigkeit in einem inneren historischen Zusammenhange zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht stehe.
Der Abg. Sabor bemerkte, vor wenigen Tagen, als hier über den zweiten Direktor im Auswärtigen Amt verhandel sei, seien von der Rechten des Hauses einige Worte gefallen als ob der Reichstag bei Gelegenheit der Diäten berathung sehe rasch gewesen sei, um etwa zu seinem Vortheil, seinem Nut einen Beschluß zu fassen. Dieser Vorwurf sei bisher ug genügend zurückgewiesen worden. Wenn die Mehrheit de Reichstages in diesem Sinne votirt habe, so se es nicht um ihres eigenen Vortheils willen ge⸗ schehen, sondern in der Erkenntniß, daß es dem Wohle des Landes förderlich sei, wenn Jedermann ohne Rück sicht auf seine Vermögenslage Gelegenheit erhalte, hier, wenn derselbe gewählt werde, als Vertreter des Volkes zu erscheinen (Lachen rechts.) Wenn die Nechte lache, so gestehe er derselben nicht das Recht zu, über die Motive, welche das Haus geleitet hätten, so abzuurtheilen, wie die Rechte es durch ihr Lachen andeute. Er fahre in seinem Gegenstande fort, ohne zu unter— suchen, was das bedeute, und ohne auf einen Ton einzugehen der seinen Gewohnheiten widerspreche. Das allgemeine Wahlrecht ohne die Möglichkeit, daß jeder Gewahlte hier erscheinen könne, sei nur ein formelles Recht, dat nicht verwirklicht werden könne. Das sei aber zugleih der tiefe Gegensatz in der Gesellschaft, der zu der „sozialen Frage“ Veranlassung gegeben habe, der Widerstrei zwischen den abstrakten ideellen Rechten und der Möglichkeit resp. Unmöglichkeit, sie zu verwirklichen. Wer ernsthaft sozial⸗ Reformen wolle, müsse auch die Bewilligung von Diäten wollen. Er spreche nicht im Interesse seiner Partei, denn si habe so viel opferwillige Elemente unter sich, daß seine Parte auch drei Dutzend stark im Reichstage erscheinen könnte. Ez sei das Letztere ja auch der Wunsch des Reichskanzlers, und die Herren von der Rechten theilten ihn doch gewiß, denn etz sei doch der Wunsch des Reichskanzlers. Der Reichskanzler sei gegen Diäten, weil derselbe die Verfassung nicht so schnel geändert wissen wolle; in derselben Rede aber erkläre derfelbe sich bereit, Diäten zu bewilligen, wenn dafür das allgemeine Wahlrecht beseitigt würde. Der Reichskanzler wolle aiso daz Wahlrecht in seinem jetzigen Umfange nicht. Das lasse tief blicken, das lasse einen Einblick thun in die geistige Werkstatt derjenigen, die heute die soziale Reformpolitik ver— träten; sie würden und müßten scheitern, wenn sie soziale Reformen herbeiführen wollten im Widerspruch mit der die neuere Zeit beherrschenden geistigen Strömung. Ein der Rechten nahestehender Mann, Graf Alexis de Tocqueville, ein sehr gemäßigter Mann, habe es ausgesprochen: Die ent— schiedene demokratische Richtung, das sei der Weg, auf den die Neuzeit angewiesen sei; die Vorsehung selber leite diese
Wege! In diesem Sinne bitte er, den Antrag anzunehmen. Der Gesetzentwurf wurde darauf in dritter Lesung definitio
genehmigt. Hierauf vertagte
Donnerstag 11 Uhr.
sich das Haus um 4 / Uhr auf
Angra Pegueñ a. (Aus der dem Reichstag vorgelegten Denkschrift.) (Fortsetzung und Schluß.)
Nr. 41. Berlin, den 19. Auaust 1884.
Im Anschluß an mein Telegramm vom 17. d. M. ersuche ich Euer Hochwohlgeboren, Lord Granville baldigst Folgendes münd⸗ lich mitzutheilen:
Nördlich von dem Territorium, welches Herr Lüderitz im vorigen Jahre durch Vertrag mit dem Häuptling von Bethanien er— warb, hätten andere Angehörige des Reichs in den beiden letzten Jahren durch Verträge mit unabhängigen Häuptlingen bezw. durch Zessionsverträge mit früheren Erwerbern Eigenthums⸗ und Nutzungd⸗ rechte in Gebieten von Namaqua und Damara erlangt; zu diesen Erwerbungen gehöre auch die, bis dahin anerkanntermaßen nicht unter englischer Hoheit stehende, Umgebung des englischen Territoriums der Walfisch⸗Bai.
Nachdem besagte deutsche Unterthanen für diese Erwerbungen den Kaiserlichen Schutz reklamirt hätten, sei ihnen derselbe von der Reichk⸗ regierung zugesagt worden. Wir gewährten diesen Schutz, sobald der selbe nachgesucht würde, überall, wo deutsche Niederlassungen auf einem, bisher von einer anderen Macht nicht okkupirten Gebiete be— gründet würden und den deutschen Erwerbungen gültige, die Rechte Dritter nicht verletzender Verträge zur Seite ständen.
Dies sei auch hier der Fall; die Verträge seien in aller Form Rechtens abgefaßt und habe also kein Grund vorgelegen, den Antrag⸗ stellern den nachgesuchten Schutz zu versagen. Gerade deshalb aber setze, we Ew. Hochwohlgeboren schon mitgetheilt, der von der Kap— Regierung bei Einverleibung des englischen Walfisch⸗Bai⸗Territoriums in die Kap⸗Kolonie jüngst erhobene Anspruch auf die außerhalb der britischen Herrschaft gelegenen benachbarten Gebiete die Reichsregie= rung in Verlegenheit; denn dieselbe sei außer Stande, diesen An— spruch mit dem den deutschen Unterthanen schuldigen Schutze in Ein klang zu bringen. .
Nachdem der Oranjefluß im Jahre 1880 als die mit einziger Ausnahme der Walfisch⸗Bai und eines kleinen umliegenden Gebietes festzuhaltende Nordwestgrenze der englischen Jurisdiktion in Nordwest afrika bezeichnet worden sei, hätten wir nicht erwarten können, daß die im vorigen Jahre von uns an die englische Regierung ge⸗ richtete vertrauensvolle Anfrage, welche Rechte ö. in den Gebieten nördlich vom Oranjefluß jetzt etwa besitze, zum Ergebniß den Versuch hvben würde, die Grenzen der britischen Hoheit über die in den früheren amtlichen Erklärungen der englischen Regierung bezeichneten Grenzen hinaus gerade jetzt, und zwar in Konkurrenz mit den deut— schen Bestrebungen, abzuaͤndern und zu erweitern.“
1 Graf von Hatzfeldt. n
den Kaiserlichen Geschäftsträger, Herrn Freiherrn von Plessen, Hochwohlgeberen. London.
Nr. 42. ; Berlin, den 22. August 1884.
Mit Bezug auf mein Telegramm vom 17. d. M., betreffend Angra Pegquena, ersuche ich Ew. Hochwohlgeboren ergebenst, die im Entwurf beiliegende Note an Lord Granville zu richten. . Bei Ihrer Besprechung der Angelegenheit wollen Sie sich det anliegenden Aide-mèémoire bedienen und ermächtige ich Sie, dasselbe
Lord Granville auf dessen Wunsch zurückzulaffen.
Graf von Hatzfeldt.
An den Kaiserlichen Geschäftsträger, Herrn Freiherrn von Plessen, Hochwohlgeboren. London.
Anlage 1 zu Nr. 42. London, den August 1884.
Entwurf
zu „„ Note des Kaiserlichen Geschäftsträgers ciner. London an Lord Granville. . K r Unterzeichnete ist beauftragt, der Königlich großbritannischen die folgende Mittheilung zu machen: n letzter Zeit gemeldeten Beschlüsse des Kap Parlaments,
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Roch am 13. Juli d. J. übersandte Lord Granville dem hrafen Münster die Abschrift einer an den bꝛritischen Botschafter n Berlin gerichteten Depesche, in welcher auf die von der groß. hritannischen Regierung öffentlich gegebenen Definitionen der Grenze der ap Kolonie ausdrücklich Bezug genommen wird. Diese Definitionen sonnen nur diejenigen sein, an welche die Note des Grafen Münster pom 31. Dezember v. J. erinnerte, und wonach die großbritannische Razierung erklärt batte, daß der Oranjefluß mit alleiniger Aus. nahme der Walfisch⸗Bai und eines kleinen umliegenden Territoriums die nordwestliche Grenze der Kap⸗Kolonie bilde, und daß sie keinem Ylane zur Aus dehnung der britischen Jurisdiktion über Groß Namaqua und Herero Folge geben werde. ö .
Die nach den jüngsten Beschlüssen des Kap⸗Parlaments beabsich- tigte Ausdehnung des englischen Kolonialbesitzes richtet sich im Effekt unf die Schädigung der deutschen Unternehmung. (
Der Unterzeichnete hat dem Vertrauen der Kaiserlichen Regierung Aufdruck zu geben, daß die Königlich großbritannische Regierung den steundschaftlichen Beziehungen beider Länder dadurch Rechnung tragen weide, daß sie den Anträgen der Kap-Kolonie die Genehmigung 1 Vertrauen auf diese bisher bestehenden Beziehungen hat die deutsche Regierung in offener und loyaler Weise im vorigen Jahre junächst vertraulich und zuletzt durch die amtliche Note vom 31. Desem. her v. T. an die englische Regierung Anfragen gerichtet zu dem Zwecke det amtlichen Feststellung der aus, den früheren Vorgängen sich von
selst ergebenden Thatsache, daß Ansprüche Englands auf irgend
he Gebiete nördlich des Oranjeflusses mit Ausnahme der Walfisch— Bai nicht bestehen. Es würde möglich gewesen sein, die Antwort hierauf in wenigen Tagen zu ertheilen, da es hierzu einer Korre— spondenz mit der Kap Regierung nicht bedurfte. Die deutsche Re— gerung hatte allerdings bei ihrer Anfrage nicht darauf gerechnet, daß die definitive Antwort sich mehr als sechs Monate verzögern und die Iwischenzeit benutzt werden könnte, um konkurrirende englische Besitz⸗ irgreifsungen vorzubereiten. . . Der von dem Kap ⸗Parlament angewandten Theorie von theoreti⸗ scen Besitzergreifungen ausgedehnter und unerforschter Küsten und Undstriche auf dem Wege des Dekrets aus der Entfernung kann eine rechtliche Wirkung nicht zugeschrieben werden; sie widerspcicht dem Völkerrecht und den Traditionen. . . Wenn die Kap⸗Regierung die von ihr gefaßten Beschlüsse zur Aufführung brächte, so würde die großbritannische Regierung die Ver⸗ mtnortlichkeit hierfür nicht ablehnen können, auch abgesehen von der Thatsache, daß der englische Kolonialminister die Zeit, während welcher nir auf die Beantwortung unserer Anfrage vom 31. Dezember v. J. rettrauensvoll warteten, benutzt hat, um durch seine in Kapstadt pübliirten Telegramme vom 3. Februar, 8. Mai, 17. Juni und t. Juli d. J. die Kap⸗Regierung zu diesen Beschlüssen, welche die Gntwickelung der deutschen Unternehmungen zu beeinträchtigen bezwecken, auädrücklich ermuntert hat.
Anlage 2 zu Nr. 42.
Aide mèémoire. .
Die Kaiserliche Regierung ist bei Behandlung der Angra Pequena—⸗ Angelegenheit davon ausgegangen, daß keine andere Macht auf die Gebiete nördlich vom Oranjefluß bis zur portugiesischen Grenze, mit liniger Ausnahme der Walfisch⸗Bai und eines kleinen umliegenden Territoriums, Anspruch erheben kann. .
„Was England anbelangt, so stützte sich diese Annahme auf ver— sciedene amtliche Dokumente, welche seinerzeit dem englischen Par⸗ lament vorgelegt und in der Kapstadt publizirt worden sind. In erster Linie kam hierbei eine Instruktion des damaligen bri⸗ lichen Staatssekretärs für die Kolonien, Lord Kimberley an den Honverneur der Kap-⸗Kolonie und Ober⸗Kommissar in Süd -Afrika vom V. Dezem ber 188) in Betracht, worin erklärt wurde, daß der Oranje- suß, mit Ausnahme der auf Wunsch der Kap-Kolonie für britisches Territorium erklärten Walfisch⸗Bai, als die nordwestliche Grenze der Kap Kolonie anzusehen sei und daß die großbritangische Regierung kinem Plane zur Ausdehnung der britischen Jurisdiktion über Groß⸗ nmaqua und Herero Folge geben werde. Der Kaiserlich deutschen Regierung gegenüber hafte die großbritannische Regierung, aus Anlaß bon Schutzanträgen der in den letzteren Gebieten seit 40 Jahren ttublirten deutschen Rheinischen Missionsgesellschaften, durch eine Note uad Granville's vom 30. November 1880 erklärt, die Kap. Regie= lung, werde deutschen Unterthanen gern den Schutz gewähren, den sie verleihen könne. Der Kolonialminister bitte aber, der deutschen Re⸗ gierung ausdrücklich zu sagen, daß die englische Regierung nicht ver- mtwortlich sein könne für das, was außerhalb des britischen Letritoriums vorgehe, welch' letzteres nur die Walfisch⸗ Bai mifs n sehr kleinen Theil des unmittelbar umliegenden Landes ieße.
Nach diesen Erklärungen der großbritannischen Regierung würde än sich nicht erforderlich gewesen fein, aus Anlaß des Schutzantrages kä'berrn Lüderitz für die von ihm auf notorisch unabhängigem biet begründete Niederlaffung nochmals an die großhbritannische tzierung eine Anfrage zu richten. .
„Wenn die Kasserlich deutfche Regierung dies dennoch gethan, so kesbah es, weil fie früher sich an die großbritannische Regierung ge, nandtt hatte, um eine Gefälligkeit, in Anspruch zu nehmen, jeßzt ker eine amtliche Aeußerung über die bestehenden Rechte der englischen
thierung auf die fraalschen Gebiete zu besitzen wünschte. Im Ver— hanen auf Englands Freundschaft hoffte sie zugleich, für die zu be hüundende deutsche Niederlaffung in der Nachbarschaft einer britischen aii. auf das Wohlwollen der großbritannischen Regierung zählen
nnen.
; Die Note Lord Granville's an den deutschen Botschafter vom igdiobemßer v. J. entsprach nicht dieser letzteren Hoffnung; sie ztitigte indeß in der Hauptsache die Annahme, daß England inzwischen Mn der fraglichen Küste keine neuen Rechte erworben habe. Zugleich her erhob fie einen Anspruch auf Ausschließung der Juriödittion Der anderen Macht lediglich aus dem Titel der Nachbarschaft. Diesen uundsatz konnte die deut sche Regierung nicht gelten lassen und stellte des⸗
habe, um den Schutz, welchen das Reich seinen Anhörigen schulde, entbehrlich zu machen.
Während die Beantwortung dieser Note seitens der groß⸗ britannischen Regierung vier Monate auf sich warten ließ, ging der Kaiserlichen Reglerung aus Kapstadt die Nachricht zu, daß die Kap⸗ Regierung zu zweifeln schiene, ob die Landerwerbungen und Geschäfte des Herrn im,! nördlich vom Oranjefluß auf den Schutz des Deutschen Reichs Anspruch hätten. Der Kaiserliche Konsul in Kapstadt ward deshalb unter dem 24 April telegraphisch angewiesen, diesen Zweifel durch eine amtliche Erklärung zu beseitigen, und der Kaiserliche Botschafter in London ward zugleich beauftragt, der groß⸗ britannischen Regierung hiervon Kenntniß zu geben.
Bei den an die letztere Mittheilung sich knüpfenden Unter⸗ redungen hat der britische Herr Staatssekretär der Auswärtigen Angelegenheiten die Nichtbeantwortung der Note vom 31. Dezember v. J. auf ein Mißverstehen der letzteren und auf eine in Folge dessen stattaehabte Korrespondenz zwischen dem englischen Kolonialamt und der Kap⸗Regierung zurückgeführt.
Die Blaubücher der Kap⸗Regierung enthalten jedoch eine Anzahl von Depeschen, welche ergeben, daß die Neigung der Kap⸗Regierung zur Erweiterung ihres Gebietes durch die Telegramme Lord Derby's erst allmälig geweckt und bis in die jüngste Zeit gesteigert worden ist. Die Kaiserliche Regierung erhielt zuerst Kenntniß von diesen Vorgängen durch ein Telegramm des deutschen Konsuls in Kapstadt aus den ersten Tagen des Monats Juni, wonach in Folge eines Telegramms Lord Derby's vom 8. Mai sich die Kap⸗Regierung bereit erklärt habe, die Kosten für die Uebernahme der Küste bis zur Walfisch⸗Bai, einschließlich Angra Pequena, zu tragen. Der hierdurch veranlaßte Meinungsaustausch zwischen der deutschen und englischen Regierung führte zu der von Lord Derby unter dem 17. Juni ertheilten telegraphischen Weisung an die Kap⸗Regierung, vorlaufig den Beschluß über diese Frage auszusetzen. .
Der Kaiserlich deutsche Botschafter ward hiervon durch Lord Granville amtlich in Kenntniß gesetzt. Die Kaiserliche Regierung hielt es nach den damaligen Aeußerungen Lord Granville's für definitiv abgemacht, daß von jetzt an der naturgemäßen Entwickelung der deutschen Unternehmung keinerlei Erschwernisse von englischer Seite würden bereitet werden. In dieser Annahme konnte sie durch den Hinweis auf die von England öffentlich gegebenen Definitionen der Grenzen der Kap⸗Kolonie, welcher sich in der am 13. Juli dem Kaiserlichen Botschafter mitgetheilten Depesche an Lord Ampthill findet, nur bestärkt werden.
Sie war daher auch nicht geneigt, dem ihr um die Mitte Juli mitgetheilten Prirattelegramm des Herrn Lüderitz Glauben zu schenken, wonach sich am 15. Juli, in Folge eines Telegramms Lord Der by's vom 14. desselben Monats, das Kap⸗Parlament zur Ueber⸗ nahme der Kosten für die Annexion der ganzen Küste bis zur und über die portugiesische Grenze hinaus bereit erklärt habe.
Auf die Frage des Kaiserlichen Botschafters, ob seit dem 17. Juni Weisungen nach der Kapstadt ergangen seien, erhielt derselbe von Lord Granville nur die Antwort, daß am 14. Juli eine ent ⸗ sprechende telegraphische Weisung dorthin ergangen sei. Es konnte dies von der Kaiserlichen Regierung nur so verstanden werden, daß diese Weisung dem Inhalt der dem Grafen Mün ster am 13. Juli mitgetheilten Depesche entsprochen habe. Nach den in diesen Tagen aus Kapstadt eingelaufenen Berichten und Zeitungen ist jedoch nicht mehr zu bezweifeln, daß der Inhalt der Weisung vom 14. Juli jenem Privattelegramm entsprochen batte.
In der That hat danach Lord Derby erklärt, die großbritannische Regierung sei bereit, den ganzen Küstenstrich, mit Ausnahme der Lüderitzschen Erwerbung bei Angra Pequena, unter britischen Schutz zu stellen, wenn das Kap⸗Parlament die Kosten für diese Annexion übernehmen wolle. Das Kap⸗Parlament beschloß demgemäß am 165. Juli und verlangte zugleich, daß die Küstenlander zwischen dem Oranjefluß bis zur portugtesischen Grenze für britisches Territorium erklärt werden möchten. .
Der Unterstaatssekretär im britischen Kolonialamt, Mr. Ashley, erwähnte diesen Beschluß in der . des Unterhauses vom 29. v. M. in der Form: es sei in Vorschlag gebracht worden, daß die Küste zwischen dem Oranjefluß und der füdlichen portugiesischen Grenze einschließlich der britischen Niederlassung von Walfisch⸗Bai unter die Aufsicht der Kap⸗Regierung gebracht, und daß diese Aufsicht nur in dem Gebiet von Angra Pequena, welches unter deutschem Schutz stehe, nicht ausgeübt werden, solle.
Zu Folge der Zeitungsberichte über die Verhandlungen im Kap⸗ Parlament, welche diesen Beschlüssen vorausginge, steht fest, daß es sich bei den letzteren um eine beabsichtigte Schädigung der deutschen Unternebmung handelt.
Diese Beschlüsse und die dabei geäußerten Gesinnungen sind für die Kaiserliche Regierung um so befremdlicher, als aus den von der Kap— Regierung vorgelegten Blaubüchern erhellt, daß die sich dort folgenden Ministerien ursprünglich finanzielle Bedenken gegen jede Ausdehnung der Grenzen der Kap-Kolonie gehegt und der englischen Regierung gegenüber geäußert hatten.
Nr. 453. London, den 18. August 1884.
Die Hohe telegraphische Weisung vom 17. d. M. betreffend die Beschlußfassung der Kap-⸗Regierung, habe ich zu erhalten die Ehre ge—⸗ habt und dem Unterstaatssekretär Sir Julian Pauncefote die ent⸗ sprechende Mittheilung gemacht.
Der Herr Unterstagtssekretär erwiderte mir, daß es sich, soweit ihm bekannt, bei der Beschlußfassung der Kap-Regierung um Küsten⸗ strecken handele, von denen die deutscherseits beanspruchten Territorien ausdrücklich ausgeschlossen worden seien. Auch sei der von der Kap— Regierung gefaßte Beschluß seines Wissens noch nicht zur Ausführung gelangt, während meiner früheren Mittheilung zufolge das Territorium vom Dranjefluß bis zum 26. Grad südlicher Breite bereits faktisch unter den Schutz Sr. Majestät des Kaisers gestellt worden sei. Natürlich habe Deutschland das Recht, von Länderstrecken, die res nullius seien, Besitz zu ergreifen.
Sir Julian Pauncefote äußerte schließlich die Zuversicht, daß diese Frage keine weiteren Schwierigkeiten bereiten werde, und stellte mir eine Antwort der hiesigen Regierung auf meine bezüglichen Mit⸗ theilungen in baldige Aussicht.
von Plessen.
Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Bismarck.
Nr. 44.
London, den 26. Auaust 1884. In Gemäßheit der Hohen Weisung vom 22. d. M., betreffend Angra Pequena, habe ich die vorgeschriebene Note heute an Lord Granville gerichtet, und mit dem Unterstaatssekretär Mr. Currie, der Lord Granville gegenwärtig vertritt und dem ich die Note persönlich übergab, nach Maßgabe des dem Erlaß beigefügt gewesenen Aide-mémoire über die Angelegenheit gesprochen. Mr. Currie nahm meine Eröffnungen entgegen, ohne seinerseits etwas Wesentliches darauf zu erwidern. In Folge der mir ertheilten Ermächtigung habe ich demselben
auf seinen Wunsch das Aide-mèémoire in Abschrift zugestellt. von Plessen.
Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Bismarck.
Nr. 45. . London, den 29. August 1884. Da ich, einer Einladung Lord Granville's folgend, heute in Walmer Castle war, suchte ich die Gelegenheit zu benutzen, um im Sinne der mir durch den Erlaß vom 22. d. M., betreffend Angra — ertheilten Hohen Weisung mit dem Herrn Minister über die Angelegenheit zu sprechen. Ich knüpfte daher an die Note an, die ich
Lord Granville erwiderte mir, daß ihm die Note zugegangen sei. Es herrsche ein Mißverständniß bei der Sache vor. „There is a misunderstanding altogether.,. Er werde mir eine Antwort zu⸗ kommen lassen, nachdem er mit Lord Derby Räücksprache genommen habe. Weiter ließ sich Lord Granville, der leidend ist, auf eine Erörterung der Angelegenheit nicht ein.
von Plessen. Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Bismarck.
Nr. 46.
Kapstadt, den 5. September 1884. Telegramm. An das Auswärtige Amt. Berlin.
Der Konsul berichtet, daß ihm eine schriftliche Mittheilung von dem Kommando S. M. Kanonenboot Wolf“ aus Angra Pequena zugegangen sei, wonach die Küste vom 26. Breitengrad bis Kap Frio, ausgenommen Walfisch ⸗Bai, unter deutschen Schutz gestellt sei. Lippert.
Nr. 47. Inhalt.) Berlin, den 7. September 1884. ; Telegramm.
An den Kaiserlichen Geschäftsträger in London. Auftrag, unter Bezugnabme auf die früheren, auf Grund des Erlasses vom 19. August gemachten mündlichen Mittheilungen, ver⸗ traulich der englischen Regierung davon Kenntniß zu geben, daß die Küstenstrecken von dem 26. Breitengrad bis Kav Frio nördlich, aus⸗ genommen Walfisch⸗Bai, von S. M. S. „Wolf“ durch Flaggenhissen unter Reichsschutz gestellt seien; ferner, zur Regelung diefer An⸗— gelegenheit ebenfalls Verhandlung durch Kommissarien vertraulich anzubieten.
Busch.
Nr. 48.
Kapstadt, den 11. August 1884.
Ew. Durchlaucht beehre ich mich, in der Anlage einen Aueschnitt der amtlichen Zeitung zu behändigen, welcher Proklamation Nr. 184 enthält, betreffs Annektion von Walwich-Bai und der Westküste, sowie einer Landstrecke an der Südostküste.
Der Kaiserlich deutsche Konsul.
Lippert.
An den Herrn Reichskanzler Fürsten von Bismarck, Durchlaucht. Berlin.
Anlage zu Nr. 48. Procelamation
by His Excelleney the Rkight HNonourable sir Hercules George Robert Robinson.
A Member of Her Majesty's Most Hononrable Privy Council, Knight
Grand Cross of the Most Distingnisbed Order of Saint Michael
and Saint George, Governor and Commander-in-Chief of Her
Majesty's Colony of the Cape Good Hope in South Africa, and the
Territories and Dependencies thereof, and of Tembuland, Emigrant
Tambookieland, Bomvanaland and Galekaland, and Her Majesty's High Commissioner ete. ete. ete.
Whereas it is enacted by the Act No. 35 of 1884, intituled „An Act to provide for the annexation to the Colony of the Cape of Good Hope of the Port or Settlement of Walfish Bay on the West Coast of Africa and certain territory sourrounding the same, and of certain British Territories in the St John's River in South Africa“, that from and after such day as the Governor shall. pursuant to the powers in that behalf contained in Her Majesty's Letters Patent, bearing date at Westminster, the 14th day of December 1878, by Proclamation under his hand and the public seal of this Colony, fixed in that behalf, the Port or Settlement of Walfish Bay on the West Coast of Africa, and certain territory surrounding the same, the limits of which are defined in the Letters Patent aforesaid, shall become and be part of the Colony of the Cape of Good Hope, and subject to the laws in force therein, except as the application of the same to the said Port or Settlement of Walfish Bay and certain territory surrounding the same may be modified by any such proclamation: Now, therefore, I, the Governor aforesaid, under aud by virtue of the powers aforesaid, do hereby proclaim, declare, and make known, that I have fired the date hereéof, as the day from and after which the said Port or Settlement of Walfish Bay and certain territory surrounding the same, and included under the following limits, that is to say: — On the sonth by a line frome a point on the coast, fifteen miles south of Pelican Point, to Scheppmann's Dorp; on the east by a line from Schleppmann's Dorp to the Rooibank, including the plateau, and thence to ten miles inland from the month of the Swakop River; on the north by the last ten miles of the course of the Swakop river, and on the west by the Atlantic ocean, shall, under the name, designation, and title of Walfish Bay, become and be part of the Colony of the Cape of Good Hope, and subject to the laws in force therein.
2. J do further proclaim a Court of Resident Magistrate to be erected, constituted, and established for and within the said territory of Walfish Bay, and the said Court shall be holden by and before the Resident Magistrate for the territory aforesaid.
God Save the GQGueen. Given under my hand and the Publie Seal of the Colony of the Cape of Good Hope, this 7th day of August, 1884. Hercules Robinson, Governor By Command of His Excelleney de Governor in Couneil, Thomas Upington.
(Auszugsweise Uebersetzung.) Bekanntmachung
des Gouverneurs der Kap⸗Kolonie Sir Herkules George Robert Robigson
Durch die Akte Nr. 35 von 1884 ist verfügt, daß der Hafen oder die Niederlassung von Walfisch-Bai an der Westküste von Afrika und ein gewisses dieselben umschließendes Gebiet, deren Grenzen in Ihrer Majestät Letters patent, d. d. Westminster, den 14. Dezember 1878, sestgesetzt sind, von demjenigen Tage, den der Gouoerneur in Gemäß⸗ beit der in den Letters patent enthaltenen Vollmacht durch eine Be⸗ kanntmachung bestimmt, ein Bestandtheil der Kolonie des Kaps der guten Hoffnung werden und deren Gesetzen unterworfen sein sollen. — Der Gouverneur bestimmt den 7. August als denjenigen Tag, von welchem jenes Gebiet, in den nachstehenden Grenzen eingeschlossen, nämlich: Im Süden von einer Linie, die von einem Punkt an der Küste fünfzehn Meilen südlich von Pelikan ⸗ Point bis Scheppmanns Dorp geht; im Osten von einer Linie, die von Scheppmanns Dorp bis zu dem Rooibank führt, das Plateau einschließt und von da bis zehn Meilen landeinwärts von der Mündung des Swakop⸗ Flusses geht; im Norden von den letzten zehn Meilen des Laufes des Swakop-⸗ Flusses, und im Westen von dem Atlantischen Ocean — unter dem Namen Walfisch⸗Bai‘ Bestandtheil der Kap Kolonie sein soll.
2. Der Gouverneur ordnet ferner die Einsetzung eines Gerichts für die Walfisch⸗Bai an, welches durch den Resident Magistrat dieses Gebiets abgehalten werden soll.
alb durch die Jiote des Kaiserlichen Votschafters vom 31. Dezember die sitsste Frage, welche ö etwa England dort getroffen
in Gemäßheit dieses Erlasses am 26. d. M. richtet habe.
an denselben ge⸗