deshalb beantragen, daß die Position, die hier in Frage stehe, an die Budgetkommission überwiesen werde, mit dem Wunsche, daß sie daselbst schleunigst berathen werde. Er wisse zwar, daß dies nach den Bemerkungen des Reichskanzlers nicht gern gesehen werde, aber er sei alt genug, um solchen Dingen gegenüber sich nicht durch augenblickliche Begeisterung fortreißen zu lassen. Er müsse wissen, wenn er einen Schritt tbue, daß er ihn auch mit Erfolg thun könne. Darin werde das Land, so begeistert es auch sein möchte, nicht irgend ein Dementiren seiner Begeisterung finden können, sondern nur die Sorgfalt eines Mannes, der beherzige: „was du auch thust, das thue weise und bedenke das Ende“. Er habe nicht einen Augen⸗ blick gezweifelt, daß der Reichstag große Einsicht in diese Dinge habe und wenn er im Zweifel darüber gewesen wäre, so würden die Aktenstücke, die dem Hause mitgetheilt worden seien, ihn belehrt haben, daß der Kanzler von diesen Dingen etwas ver⸗ stehe, aber so sehr er bemüht sei, dies anzuerkennen, so entbinde ihn das doch nicht, die Sache zu prüfen, und er glaube auch, daß der Reichstag von dieser Pflicht nicht entbunden werden könne. Er neige dahin, das zu bewilligen, was hier verlangt werde, aber da es mit der Kolonialpolitik zusammenhänge und der erste ernste Schritt auf diesem Gebiete sei, so möchte er die Position nicht im Sturmlauf genommen sehen. Er sage das, wiewohl er wisse, daß auch seine heutige Erklärung falsch ausgelegt werden würde. Jeder im Hause sei erfreut, wenn der Reichskanzler die Güte habe, selbst die Debatte zu leiten und die Mittheilungen zu machen, keiner könne das vollstän⸗ diger als der Kanzler. Aber mit dieser Neigung, ihn zu hören und seinen Gedanken zu folgen, sei nicht zu verwech⸗ seln, daß man nun auch unbedingt das thun müsse, was der Kanzler fordere und wünsche, da müßte man ja seine eigenen Gedanken ohne Weiteres aufgeben. Es müsse doch dem Reichs— kanzler angenehmer sein, seine Forderung selbst prüfenden Männern gegenüber durchzusetzen als Leuten gegenüber, die ihm blind folgten.
Demnächst nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:
Der Herr Vorredner hat als Hauptbasis seiner Entwickelungen den Satz genommen, daß die Bewilligung dieser Position ein außer⸗ ordentlich wichtiger Schritt sei, wichtiger als die Summe, die da⸗ hinter steht. Meine Herren, ich gebe das vollkommen zu; aber sehr wichtig nach beiden Seiten. Sowohl die Annahme wie die Ableh⸗— nung, wie die Verzögerung wird Konsequenzen nach sich ziehen.
Die Annahme wird vor der Hand, soweit ich sie übersehen kann, die Konscquenz nach sich ziehen, daß wir überhaupt bei der Absicht, Kolonialpolitik in dem bisher übersichtlichen Umfange zu betreiben, stehen bleiben, daß wir zu diesem Zweck Ihnen in kürzefter Zeit einen Nachtragsetat nicht zu 1884, wie er heute diskutirt wird, son⸗ dern zu 1885 einbringen, der die Kosten für den Gouverneur, für seinen Kanzler und für ein paar andere Beamten, die Kosten für ein Gebäude für diesen Gouverneur von Stein oder von Holz — ich weiß es nicht — enthält. Das wird Ihnen in kurzem vorgelegt werden — es wäre Ihnen schon vorgelegt, wenn wir rechtzeitig die Informationen über das Minimum, für welches diese Erfordernisse herzustellen sein würden, hätten beschaffen können, aber die Entfernungen sind weit, und wir sind eben auf das sachkundige Urtheil (die Regierung näm⸗ lich hat Vertrauen auf Sachkundige), auf das sachkundige Urtheil des Syndikats in Hamhurg angewiesen, daß seinerseits an Ort und Stelle über manche Dinge noch Rückfragen hält. Es hat lange ge⸗ dauert, aber ich habe doch im Konzept für den Bundesrath die Forderung für den Gouverneur und das, was daran hängt, schon ge⸗
eichnet.
* Das also sind die Konsequenzen, die die Bewilligung vorläufig nach sich zieht. Der Herr Vorredner hat sie sehr viel weiter aus⸗ gesponnen, als sie in der natürlichen Entwickelung der Dinge be— gründet sind. Er hat dazu eine Situation zu Grunde gelegt, die gar nicht vorhanden ist, und hat sie mit den Worten geschildert: wir sind von Feinden umgeben. Meine Herren, das waren wir viel⸗ leicht im Anfang der 70 er Jahre, von Feinden oder von unsicheren Freunden, aber mit der jetzigen Situation ist diese Behauptung des Herrn Vorredners doch kaum verträglich, und bei der politischen Intelligenz, die ihm beiwohnt, kann ich mir wirklich kaum denken, daß das etwas anderes als eine rhetorische Figur von ihm gewesen ist, die ihm entschlüpft ist, so wie eine andere Aeußerung, bei der er auch nicht gleich wünschte, festgenagelt zu sein — ich weiß nicht mehr, welche. ⸗
Wo sind denn die Feinde, von denen wir umgeben sind? Ich sehe rundum nur befreundete Regierungen, mit denen wir in den engsten vertrauensvollen Beziehungen stehen. Vielleicht können Sie mir eine nennen, die Sie besonders fürchten? Ich würde für diese Belehrung in meinem Fache und auf diesem Gebiet sehr dankbar sein. Vielleicht ist mir irgend eine Ecke der europäischen Politik, aus der ein Ungewitter über uns losbrechen könnte, vollständig ent⸗ angen?
— 2 wir mit den heiden östlichen Mächten, den beiden Kaiser⸗ reichen in intimen und sicheren Verhältnissen leben, dürfte auch von dem Herrn Vorredner nicht in Zweifel gezogen werden, und diese Verbindung an sich bildet ein starkes Dach und eine starke Wölbung, von der gestützt, jedes von den drei Kaiserreichen schon manches aus- halten kann, was ihm von anderer Seite kommen könnte.
Wir leben mit Italien in intimer und guter Freundschaft, in sicheren Verhältnissen; das gleiche ist mit Spanien der Fall. Wir haben mit Frankreich seit vielen Jahren — ich kann wohl sagen seit der Zeit vor 1866 — nicht in so guten Beziehungen gestanden, wie beute. Es ist das das Ergebniß einer weisen und gemäßigten Re gierung in Frankreich, die die Wohlthaten des Friedens ihrerseits ebenso hoch zu schaͤtzen weiß wie wir: beide Regierungen wissen, daß es auf dem Kontinent kaum eine größere Kalamität giebt, als einen deutsch⸗ französischen Krieg. Wir haben das einmal gegenseitig durchgemacht, und für den Sieger und Besiegten ist es ein schweres Unglück, nach beiden Seiten hin; selbst ein siegreicher Krieg von diesen Dimensio— nen ist ein Unglück für das Land, das genöthigt wird, ihn zu führen, und ich glaube, daß auf keiner von beiden Seiten eine Versuchung dazu besteht. Minoritäten, die rerum noyarum enpidae sind, und die die jetzige Regierung um jeden Preis stürzen wollen, auch um den, ihr Vaterland in auswärtige Kriege zu stürzen — ja, meine Herren. die finden Sie in jedem Lande. Sie sind nicht in jedem gleich groß
— vorhanden sind sie wohl überall, denke ich mir. (Bravo! rechts. Zuruf links) Ich weiß nicht, ob sich Eine dort meldet von den Minoritäten, ich hörte eine unverständliche Stimme, habe aber kein Bedürfniß, sie kennen zu lernen.
Mit England leben wir in gutem Einvernehmen. Daß England in dem Bewußtsein „Britannia rules the waves“ etwas verwunder - lich aufsieht, wenn die Landratte von Vetter — als die wir ihm er⸗ scheinen — plötzlich auch zur See fährt, ist nicht zu verwundern; die Verwunderung wird indeß von den höchsten und leltenden Kreisen in England in keiner Weise getheilt. Die haben nun eine gewisse Schwierigkeit, den Ausdruck des Befremdens bei allen ihren Unter thanen rechtzeitig zu mäßigen; aber wir stehen mit England in althergebrachten befreundeten Beziehungen, und beide Länder thun wohl daran, diese befreundeten Beziehungen zu erhalten. Wir wür⸗ den, wenn die englische Regierung sich die Beurtheilung mancher ihrer Unterthanen in Betreff unserer Kolonialpolitik vollständig aneignen
sollte, in anderen Fragen, die England nahe interessiren, kaum im Stande sein, ohne Mißbilligung von Seiten der deutschen Bevölke⸗ rung die englische Politik zu unterstützen. Wir würden vielleicht ge⸗ nöthigt sein, diejenigen, die, ohne es zu wollen, Gegner von England sind, zu unterstützen, und irgend ein 0 ut des herzustellen, aber ich
brauchte, um die Folgen der Bewilligung recht schrecklich darzustellen, den Satz, daß wir von Feinden umaeben sind, vollständig unanwendbar machen auf diese augenblickliche Situation.
Wir sind von Freunden umgeben in Eurcpa — 8. b, *Tesbalb will ich den Spruch meines verebrten Freundes, des Grafen Moltke, nicht invalidiren und nicht bekämpfen. Wir sind von Regierungen umgeben, die mit uns das gleiche Interesse haben, den Frieden zu er—⸗ halten, es giebt keine einzige Regierung, die einen Krieg besser ver tragen könnte, wie die deutsche ihn vertragen kann, und wenn eine andere glaubte, ohne Schädigung ibrer sonstigen Interessen den Frieden Europas brechen zu können, so würde Deutschland immer sagen: Wir können das noch eher, wir sind nur gewissenhafter und nehmen mehr Rücksicht!
Also bin ich es der öffentlichen Beruhigung schuldig, zu erklären, daß der Hr. Abg. Windthorst im Irrthum ist, wenn er meinte, wir wären von Feinden umgeben. Wichtig bleibt der Schritt deshalb doch, denn er zieht immer die weitere Bewilligung eines Gouverneurs nach sich. Die ganze Forderung ist begründet auf der Voraussetzung, daß Sie den Gouverneur bewilligen werden, denn ohne Gouverneur ist keine Barkasse nothwendig; ich wüßte sonst Niemand, der sonst darauf fahren sollte. Hr. Woermann hat seine eigene.
Der Herr Vorredner hat es nun so dargestellt, daß er uns nur die Wahl stellte, entweder auf unsere Kolonialpolitik zu verzichten, oder unsere Seemacht auf eine Höhe zu erheben, daß wir überhaupt zur See Niemand zu Fürchten haben, — ich will also einmal sagen: auf die Höhe der Seemacht von England; dann hätten wir immer noch ein Bündniß von England und Frankreich zu fürchten. Die sind immer noch stärker als eine einzelne Macht jemals in Europa sein kann und sein wird. Dies ist daher ein Ziel, das ja nie erstrebt werden kann. Ich gebe zu, daß das Fahren zur See immer eine ge—⸗ fährliche Sache für Kaufleute, aber noch mehr für Kriegsschiffe ist. Es ist von allerlei Gefahren und von allerlei Kosten umgeben, aber wie machen es denn andere Mächte? Frankreich also ist zur See vielleicht weniger stark als England, und es fürchtet sich doch nicht, seine Kolonien, die so weit entlegen sind, daß der Seeweg ihm an verschiedenen Stellen unterbunden werden kann, ruhig im Vertrauen auf sein Geschick, seine Tapferkeit und sein Anstehen, sowie auf die Gerechtigkeit und Friedensliebe anderer Staaten durch⸗ zuführen. Ich will indeß bei Frankreich gar nicht stehen bleiben; auch eine Seemacht wie die französische halte ich gar nicht für Deutschland indizirt. Aber sollte es wirklich für uns unmöglich sein, uns auf die Höbe von Portugal aufzuschwingen, von Holland, von Spanien, von Nordamerika, ja selbst von Rußland? Sollte Deutsch⸗ land wirklich außer Stande sein, eine Seemacht zu halten, die allen übrigen Mächten. außer England und Frankreich, gegenüber die See halten kann, letzteren gegenüber sie auch halten wird nach dem Geiste, den ich in unseren Seeleuten kenne, entweder über der See oder unter der See? Also das ist ja eine außerordentliche Uebertreibung. Wenn der Herr Vorredner verlangt, um die Frage zu erörtern, ob der Marine⸗Minister, wie er den Herrn Chef der Ad⸗ miralität nannte, in einer Kommission — das ist das Lieblingsfeld des Herrn Vorredners — im Stande sein würde, auf seine Ueber zeugung hin die Versicherung abzugeben, daß Deutschland unter allen Umständen allen Gefahren gewachsen sein könne, die aus Kolonial— besitz überhaupt entsteben mögen, ohne Schwächung der Landarmee —, ja dann verlangt der Herr doch von dem Marine⸗-Minister eine ab⸗ solute Unmöglichkeit, wie er sie auch von mir auf einem kleineren Gebiete verlangt: ich soll in Kommi sionen erscheinen. Meine Herren, was soll ich da? Ich habe in der That schon mehr Geschäfte außer balb der Kommissionen, als ich überhaupt besorgen kann, und ich bin in der Hauptsache doch nicht im Dienste des Parlaments, noch weniger im Dienste der Kommissionen und des Hrn. Abg. Windthorst, ich bin in der Hauptsache im Dienste Sr. Majestät des Kaisers. Dessen Ge— schäfte habe ich zuerst zu besorgen, die rufen mich nicht in die Kom— mission. Wenn Sie mir hier oder den Organen der Regierung in der Kommission keinen Glauben schenken wollen, so daß ich blos ad audiendum verbum dort erscheinen soll, so sage ich Ihnen einfach: ich komme nicht. (Lebhaftes Bravo! rechts. Zischen und Heiterkeit links.) Meine Herren, erregt das Ihre Heiterkeit? Würden Sie anders handeln an meiner Stelle? — Ich bin ein großer Feind ano— nymer Kundgebungen. Wenn Einer mir in inartikulirken Tönen kundgiebt, daß ich etwas, seiner Meinung nach, Unhaltbares gesagt habe, so habe ich es gern, daß die Darstellung gezeichnet wird mit der Unterschrift, dann werden wir uns ja verständigen können.
Also wichtig ist der Schritt ja im höchsten Grade, aber nach zwei Seiten hin. Es ist aber auch wichtig, meine Herren, daß er schnell geschehe. Wenn Sie überhaupt keine Lust haben zu der Sache, wenn Sie entschlossen sind, durch Verschleppung der Sache in Kom— missionen die Entwickelung unserer Kolonieen zurückzuhalten und ab- zuwarten, interim fit aliquid. ob man die Regierung nicht aus diesem Geleise herausdrängen kann durch irgend eine andere Frage — wenn Sie das wollen, meine Herren, so möchte ich wirklich bitten, daß Sie Ihr ablehnendes Votum schärfer und klarer aussprechen, als es durch die thatsächliche Rückverweisung der Sache in eine Kommission der Fall ist, damit auf diese Weise die Sache nicht verschleppt werde.
Ich habe außer den Nachrichten, die ich Ihnen vorhin mittheilte, gerade an demselben Tage noch ein paar andere erhalten, von denen eine schon gedruckt ist, ein Telegramm aus Wellington:
Dle Regierung von Neuseeland hat den Antrag gestellt, die Samoainseln zu annektiren.
Während wir bisher mit der englischen Regierung das still— schweigende, unausgesprochene Abkommen haben, daß keine der beiden Regierungen eine Veränderung des status quo dort vornehmen soll ohne Zustimmung der anderen, und daß wir die Unabhängigkeit der Samoainseln erhalten wollen.
Ein Dampfer hält sich also in Neuseeland bereit abzugehen, sobald die Entscheidung Lord Derby's eingetroffen sein wird.
Eine andere Nachricht, die mir ebenfalls gestern zugegangen ist, und die in ihrem Lakonismus mir noch nicht vollständig verständlich ist, ist, daß die Eingeborenen in Neu⸗Guinena die dortigen deutschen Okkupationen hinausgeworfen haben. Das Telegramm hat nur fünf bis sechs Worte, ich kann mir das weiter noch nicht erklären. Es ist mir nur merkwürdig die Koinzidenz des Widerstandes der Eingeborenen gegen die deutsche Okkupatlon, die an den verschiedenen Küsten stattfindet. Auch in Samoa sind es die Eingeborenen, die diese Annexionen Seitens der englischen Kolonien beantragt haben. Kurz, wir sehen Andere überall beim thätigen Handeln; währenddessen berufen wir Kommissionen und eitiren den Reichskanzler dorthin. Das kommt mir doch etwas vor, wie der Hof⸗Kriegsrath in alten Zeiten in Wien. Ich würde mich, wenn ich Abgeordneter wäre, für verantwortlich halten nicht den Wählern, aber dem ganzen Lande gegenüber, wie es der Verfassung entspricht. Der Herr Vorredner hat gestern von den Aufträgen, die er von seinen Wählern erhalten a. gesprochen. Ich mache ihn darauf aufmerksam, daß das ver⸗
assungswidrig ist.
Alle die Herren sind Abgeordnete des ganzen Volkes und sind an Mandate Seitens einzelner Wähler oder Wählerkreise nicht gebunden.
Sie haben die Interessen des ganzen Landes hier sorgsam zu er— wägen und zu berathen. Der Herr Vorredner knüpfte daran die gewöhn⸗ liche Aeußerung: wozu sind wir denn überhaupt hier, wenn wir das nicht genau prüfen und verwerfen können? Ja, das können Sie jeder Sache gegenüber, bei jedem einzelnen kleinen Gegenstände. Wenn Sie da immer sagen, woju sind wir denn überhaupt hier, so muß ich daraus schließen, Sie sind überhaupt dazu hier, um Alles zu ver werfen, Alles aufzuhalten, Alle; zu hemmen, was geschehen lann. Indessen geht die Uhr der Welt vorwärts und Sie sitzen hier als Hof⸗Kriegsrath und ich als Feldmarschall Daun.
Unterdessen werde ich geschlagen, wenn ich mich dazu hergebe, Ihr Daun zu sein. Das werde ich aber nicht.
Kurz und gut, ich muß meinerseits die Mitwirkung an diesen weiteren Hof⸗Kriegs⸗Berathungen in den Kommissionen ablehnen. Ich will die Mitschuld daran nicht tragen.
Der Herr Vorredner hat so mannigfaltige Fragen berührt, daß
wir am 15. Dezember die Direktorstelle im Auswärtigen Amte nur wegen der Kolonial verhältnisse gefordert. Ja, das ist ein vollstãndiger Irrthum. Da hat der Herr nicht die Güte gehabt, meinen Reden mit derselben Aufmerksamkeit zu folgen, die ich den seinigen zu widmen pflege, wenn ich sie überhaupt verstehen kann von der Stelle wo er zu steben Eflegt. Auch wenn Ihr Verdikt so ausfällt, daß wir die Kolonialpolitik ganz aufgeben müssen und daß wir darüber. Schwamm drüber sagen müssen, so ist es doch unmöglich, ohne eine neue Direktor⸗ stelle im Auswärtigen Amte auszukommen, ohne einen Beamten mehr, der von der prima plana ist und der unter Umständen in mei— ner Vertretung unterzeichnen und mir die Gewißheit geben kann, daß ich neben seine Paraphe die meinige setzen kann. Den müssen win doch haben. und wenn Sie mir den ablehnen, so bin ich genöthigt, zwei höhere Beamte aus dem Auswärtigen Dienste einzuberufen, und das kostet dann leicht dreimal so viel, als wenn Sie diese Stelle be— willigen. Der Dienst kann darunter nicht leiden. Er geht schon jetzt schlechter. Seit wir darüber diskutirt haben, ist der Graf Hatzfeldt vollständig erkrankt und für Wochen aus dem Dienste vollständig ausgeschieden. Er kann die Arbeit, die ihm zugemuthet ist, nicht mehr leisten, und ich habe jetzt schon einen Gesandten heranziehen müssen. Sie müssen doch bedenken, daß ich nicht mehr wie in alten Zeiten meine 12 big 16 Stunden des Tages arbeiten kann. Ich habe 3— 5 Stunden Arbeitszeit am Tage, und mit so wenig Leistungsfähbigkeit würde ich ja im Dienste nicht bleiben, wenn nicht zwingende Gründe für mich da wären. Ich habe meinerseits das Gefühl gehabt, daß ich damit nicht tanti bin, aber wenn ich einmal darin bin, so verlangen Sie, daß ich von diesen wenigen Siunden noch einige in Ihren Kommifsionen verbringen soll. Auch wenn ich das ablehne, so kann ich doch den Arbeiten nicht die Spitze bieten, die da sind. Ich muß — und selbst, wenn ich dem Lande Kosten mache, die ich bedaure, — Hülfe dazu heranziehen, oder die Geschäfte gehen so schlecht und so langsam, daß ich die Verant⸗— wortung überhaupt nicht dafür tragen kann: 5600) Nummern im Jahre kann ein einziger Beamter nicht bewältigen.
Der Herr Abgeordnete hat in Aussicht gestellt, daß wir irgend eine Garnison in Afrika haben müßten und hat sich darauf berufen, daß ich früher gesagt habe — oder wenigstens darauf angespielt —, daß eine solche nicht erforderlich sein würde. Ja, meine Herren, dabei bleibe ich auch noch. Haben denn die anderen Nationen dort Gar— nisonen? Sie sehen, daß die Mannschaft, die die Engländer, die Franzosen dort auf ihren einzelnen Kolonialpunkten haben, — Leute, die viel strengere Begriffe von dem Kolonialregiment haben, wie wir — aus einem Konsul und ein paar Leuten von der Kategorie besteht, tie man im Oriente Kawassen nennt, und die dort anders heißen: Trooneger oder Haussa oder Zanzibarsoldaten, die sie um sich haben. Sie sehen, daß einzelne Engländer unter Umständen gefangen genommen, in Verlegenheit gerathen, und daß keine englische Streitmacht sofort zur Hand ist, um dem abzuhelfen. An vielen Stationen — wenn Sie die Blaubuchmittheilungen aufmerksam gelesen haben, so werden Sie das darin gefunden baben — haben unsere Bevollmächtigten beispielsweise einen französischen Zollsoldaten gefunden oder Douanier — unter der Rubrik ist er be—⸗ zeichnet — er ist natürlich respettirt worden, er ist eine Autorität, das heißt, er ist nicht etwa ein Franzose und ein Mann von höherer Bildung, sondern ein Neger mit einem gewissen Anzuge und einem gewissen Gürtel, der eine französische Legitimation hat, und der steht an Stelle der französischen Flagge da und wird respektirt. Und des⸗ halb zeugt dieser Gedanke, den der Herr Vorredner in Ihnen anzu⸗ regen suchte, als wenn wir dort große Garnisonen anlegen müßten, davon, wie wenig die Herren die Verhältnisse dort kennen; Sie können Sie auch nicht kennen; aber wenn ich die Verhältnisse nicht kennte, dann würde ich in solchen Dingen, wie Guinea und die afri— kanische Küste, doch immer noch eher geneigt sein, Hrn. Woermann zu folgen als Hrn. Windthorst.
Ich glaube, daß Hr. Woermann die Sachen genauer kennt als Hr. Windthorst, während Hr. Windthorst gewiß sonst uns Allen an mannichfachen Kenntnissen überlegen ist, aber in Bezug auf Afrika habe ich keinen Glauben an ihn. Die Regierung hat Autoritäten wie denen der Herren Woermann, von Jantzen und Thormählen dieser Hamburger Firmen, dieser angesehenen fürstlichen Kaufhãäuser, die mit ihren eigenen Interessen, mit ihrem ganzen Vermögen für den Erfolg der Unternehmungen engagirt sind, denen hat sie volles Vertrauen geschenkt, sie ist denen in fidem nachgegangen, — sie kann ja darin irren, aber es ist nicht wahrscheinlich. Wenn die kauf— männische Aristokratie eines großen Handelgemporiums, des ersten in Deutschland, des ersten auf dem Kontinent, diese Wege aus freier Wahl eingeschlagen hat, nicht etwa genöthigt durch irgend eine Re— gierungsinitiative, und sie steht nachher dafür ein, setzt ihr Vermögen dazu ein: hat denn Deutschland zu dem kaufmännischen Geschick seiner ersten Handelsstadt nicht so viel Zutrauen, daß es ihr da mit 50 900 M oder einer Baarkasse zu folgen im Stande ist? Sind die Hamburger so einfältig, daß sie nicht wissen, was ihnen frommt? Haben wir gegen Hamburg, den eigentlichen Führer unseres deutschen Exportes nach überfeeischen Ländern, ein solches Mißtrauen, daß wir glauben, die Leute werden die deutschen Interessen entweder kaufmännisch nicht verstehen oder aus egosstischen Interessen falsch behandeln? Ja, meine Herren, dann verzichten wir auf die Aktion, dann kriechen wir auf unsere thüringer Berge zusammen und sehen . Meer mit dem Rücken an. Das ist das Beste, was wir thun
nnen.
Meine Herren, ich habe für meine Kräfte heute genug geredet, obwohl mein Herz von dieser Sache voll genug ist: aber ich fürchte, ich möchte schließlich in Unmuth übergehen, nachdem ich auch heute den⸗ selben Kommissionsturm wieder wie gestern gehört habe.
Also ich kann Ihnen nur empfehlen, nehmen Sie diese Vorlage an und entscheiden Sie sich damit für Beibehaltung und Befolgung der Kolonialpolitik in dem Sinne, wie sie von den hanseatischen Pionieren unseres Handels begonnen und von der Regierung unter ihren Schutz genommen ist! Wenn Sie die heutige kleine Position ablehnen, so nehme ich an, Sie haben „‚nein‘ gesagt, und dann fallen die Folgen auf Ihre Verantwortung, aber nicht auf meine.
(Schluß in der Zweiten Beilage)
ich nicht weiß, ob ich sie alle beantwortet habe. Eine fällt mir noch
glaube, daß wir auch mit der englischen Regierung in Beziehungen leben und leben werden, die den Satz des Herrn Vorredners, den er
ein. Er stellte am Eingang seiner Rede die Meinung auf, als hätten
Zweite Beilage
2 Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
Berlin, Montag, den 12. Januar
1885.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Der Abg. Richter (Hagen) betonte, daß die Aeußerung der Heiterkeit, welche der Reichskanzler auf seiner, des Redners Seite so mißfällig bemerkt habe, sich nicht auf eine Aus füh⸗ rung von ihm, sondern auf die Beifallssalven, mit welchen die Rechte seine an sich minder wichtige Erklärung begleitet habe, bezogen habe, daß der Kanzler nicht in die Kommission gehen würde. Uebrigens könne er dem Reichskanzler versichern, daß seine Partei des Kanzlers Erklärungen über das friedliche Ver— hältniß mit den Nachbarstaaten mit großer Freude entgegen— genommen habe und auch nicht zweifle, daß sie im Lande die— selbe Aufnahme finden würden. Nun seien der ersten heutigen Rede des Reichskanzlers nur zwei Reden von des Redners Partei vorausgegangen; wer aber die erste Rede lese, könnte glauben, es seien das zwei durchaus polemische Reden ge— wesen. In Wahrheit aber habe der Abg. von Bunsen für seine Person an die Entwickelungsfähigkeit Afrikas so hohe Hoffnungen geknüpft, wie sie vielleicht schwerlich von allen Seiten getheilt würden; und die im Namen der Partei abgegebene Erklärung des Abg. von Stauffenberg be— schränke sich darauf, daß dieselbe auf dem Standpunkt des Reichskanzlers vom 26. Juni v. J. stehen geblieben sei, daß sie also die Kolonialpolitik in der damaligen engen und knappen Begrenzung im Gegensatz zu dem sogen. französischen Kolonialsystem im Allgemeinen zu unterstützen wohl im Stande sei, und daß sie ihre damals markirten Bedenken ge— gen eine weitergehende Kolonialpolitik ebenso auch heute fest— halte. In letzterer Beziehung stimmten viele Ausführungen des Abg. Windthorst mit den Anschauungen seiner Parlei überein, und die seitherigen Erscheinungen seien sogar ge— eignet, diese Bedenken zu verstärken. Indeß habe der Reichs— kanzler jüngst mit Recht darauf hingewiesen, wie man in der Politik lernen müsse, und so müßten denn auch auf diesem ganz neuen Gebiete erst Erfahrungen gemacht werden in dem Maße, wie die praktische Bedeutung der Frage zunehme, werde das Urtheil des Hauses immer fester und sicherer begründet werden. Er sei der Meinung, daß das Haus heute nicht über ein Kolonialsystem und über irgend eine in ihren Grenzen nicht erkennbare Kolonialpolitik entscheiden könne, auch nicht über die Entwickelung der Marine; diese Fragen würden vielleicht bei späteren Gelegenheiten an das Haus herantreten. Vor⸗ läufig halte er sich an das, was der Reichskanzler am 26. Juni über den letzteren Punkt gesagt habe, daß nämlich das fran— zösische System die dentsche Marine zu sehr in Anspruch neh— men würde. Es sei ja möglich, daß eine Kolonialpolitik sich vollziehe, die über den vom Kanzler damals gezogenen Rah— men hinausgehe; so weit man aber übersehen könne, scheine die Bewilligung dieses Schiffes für eine solche weitergehende Politik nicht zu engagiren. Nun habe der Reichskanzler heute hervorgehoben, daß er demnächst mit der Forderung eines Gouverneurs für Kamerun kommen würde sowie mit dem Verlangen eines gewissen Personals zu dessen Unterstützung. Nach dieser Richtung werde nun allerdings ein gewisses Engagement eingegangen, denn was solle die Barkasse ohne den Gouverneur? Aber für die rechtliche Stellung die ses Gouverneurs übernehme das Haus damit kein Engagement. In den dem Reichstag vorgelegte Blaubüchern heiße es, ein Gouverneur sei dort nöthig, weil die Eingeborenen nur unter diesem Titel ein gewisses Ver⸗ ständniß für eine amtliche Stellung hätten. Nach diesen Er— läuterungen gehe für uns auch die Anstellung des Gouver— neurs, die Beschaffung des Schiffes, selbst die seines Hauses und der für ihn zur Verfügung zu stellenden Mannschaft über jenen knappen Rahmen nicht hinaus. Die vom Reichs— kanzler angezogene Analogie mit den Konsuln sei ganz richtig; es sei in der That dasselbe, als wenn man einen Konsul in ein Land schicke, das noch keine geordneten Rechtsverhältnisse besitze, und ihn deshalb mit einer gewissen Gerichtsbarkeit aus— statte. Seine Partei habe den Beschluß, diesen Gouverneur zu bewilligen — er erwähne das, weil auch der Reichskanzler wieder auf den Reichstagsbeschluß vom 15. Dezember gekom— men sei — am 14. Dezember in derselben Fraktionssitzung Lfaßt, wo dieselbe sich für die Ablehnung der zweiten Direktorstelle im Auswärtigen Amte schlüssig gemacht habe. Damit entfalle der Mythus, als ob es sich bei seiner (des Redners) Partei um eine systematische persönliche, unsachliche Opposition ge— handelt habe, sie fei ebenso einstimmig zur Bewilligung der rsteren, wie zur Ablehnung der letzteren Position gekommen. No Maos 8 * ö 2 7 !
Der Reichskanzler habe übrigens Recht, wenn er hervorgehoben habe, daß der zweite Direktor mit dem Kolonialsystem nichts zu thun habe; aber derselbe dürfe es nicht übel nehmen, wenn im Lande vielfach diese Meinung verbreitet sei. Habe doch ein Aufruf für eine Ehrengabe an den Reichskanzler zu kolonial⸗ politischen Zwecken, unterzeichnet von den Herren Marquard—⸗ in, Buhl und anderen pfälzischen Abgeordneten des Reichs— tages diese Aufforderung geradezu damit motivirt, daß der geichstag dem Kanzler die Mittel zur wirksamen Führung der Jeschäfte des Reichs, namentlich für seine kolonialpolitischen Zwecke vorenthalte. So werde von nationalliberalen Abgeord—⸗ neten, die doch aus dem stenographischen Bericht wissen müß— len, daß der Unter⸗-Staatssekretär Dr. Busch hier das Gegentheil gesagt habe, ein solcher Irrthum im Lande derbreitet, und dann dürfe man sich nicht wundern, wenn auch hier im Hause diese falsche Vorstellung zuweilen auf— lauche, und er sei dem Reichskanzler besonders dankbar dafür, daß derselbe diesen Irrthum seinerseits zerstört habe. Der Abg. Woermann habe ihn gewissermaßen darüber beruhigt, daß weitere Belastungen für das Kamerungebiet, soweit er das ühersehe, nicht stattfinden würden, und er stelle auch in Aussicht, daß die Interessenten dort jetzt oder später die Kosten ür den Gouverneur und wohl auch für die Schiffsbesatzung übernehmen würden. Diese wichtige Geldfrage dränge sich ihm nämlich sofort auf: Was zahlen diejenigen Herren, die den nächsten, den größten Vortheil von der Sache haben? iese Frage werde sehr bald praktisch werden, und umsomehr beruhige ihn die amtliche Erklärung des Reichskanzlers in den Aktenstücken, daß außer dem Kriegs⸗ und ZJustizdeparte⸗ ment alle sonstigen Ausgaben dieser Gebiete als Angelegen⸗ heiten der Interessenten der Kaufleute, der Faktoreien betrachtet werden würden, und mit Genuglhuung sehe er die Herren zur
Deckung dieser Ausgaben sich auf eine eigene Steuer, die Erhebung eines eigenen Ausfuhrzolls in diesen Gebieten ge⸗ faßt machen. Nach den Informationen aus den Blaubüchern halte also der Reichskanzler auch Kamerun gegenüber an der ursprünglichen, am 26. Juni dargelegten Politik fest. Im Uebrigen nehme er die Jeußerungen des Abg. Woermann mit der Reserve auf, wie man die Aeußerungen des Nächst⸗ interessirten aufnehmen müsse. An seine Bemerkungen krititsche Erwägungen zu knüpfen, scheine ihm, im gegen⸗ wärtigen Augenblicke und nach den Mittheilungen, die er heute über Vorfälle in diesen Gebieten erhalken' habe, nicht angemessen. Denn es bleibe bestehen: wenn irgendwo die deutsche Flagge engagirt sei, müßten alle, Parlament und Parteien, für diese Flagge und für die Folgen mit einstehen, und dazu rechne er auch die größere Reserve, die das Hau sich heute auferlegen sollte. Eine Kom⸗ missionsberathung habe seine, des Redners Partei, am 14. De⸗ zember nicht für nöthig gehalten, weil es sich um eine relativ vereinzelte Frage handele, und sie die Tragweite, daß hier die ganze Kolonialpolitik in unfaßbarer, verschwommener Gestalt engagirt werde, nicht erkennen könne. Seitdem seien mehrere Wochen verflossen; die Frage liege außerdem ganz anders wie gestern. Die Gelder für die Afrikanische Gesellschast würden ja erst zum 1. April und danach verlangt, die gestrige Kom— missionsüberweisung habe für die Erforschung Afrikas keine Verzögerung zur Folge. Heute liege dem Hause ein Nachtrag zum laufenden Etat vor, damit das Schiff bis zum Sommer gebaut werden könne, um noch in der guten Jahreszeit nach Kamerun befördert zu werden. Die Vorlage sei am 20. No⸗ vember an das Haus gelangt, auch nicht durch ein Verschulden verzögert worden, sondern durch die in der Thronrede erfolgte Ankündigung jener diplomatischen Aktenstücke, deren Publika⸗ tion inzwischen erfolgt sei. Solle aber die Forderung den ge⸗ wollten Zweck erfüllen, so könne man selbst bei sachlichen Be— denken einer beschleunigten Berathung zustimmen. Und da seine Partei bereits vor Wochen beschlossen habe, wenn es die parlamentarischen Verhältnisse mit sich brächten, auch sofort in zweiter Lesung für den Posten zu stimmen, so sei dieselbe dem entsprechend auch heute bereit, für die Bewilligung ein— zutreten.
Darauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:
Es ist mir nicht erinnerlich, in meiner ersten Aeußerung heute etwas gesagt zu haben, was so ausgelegt werden könnte oder von mir so gemeint worden wäre, als hätte ich auf polemische Vorreden aus der Fraktion des Hrn. Abg. Richter antworten wollen. Es hat das nicht in meiner Absicht gelegen; ich habe nur den Schluß der Rede des Frhrn. von Stauffenberg gehört, ohne über die Tragweite der ganzen Rede ein Urtheil zu gewinnen, und habe die ganze Rede des Drn. von Bunsen gehört, die mich in ihrer Gesammtrichtung nur ympathisch angesprochen hat. Wenn ich irgend etwas richtig gestellt habe von dem, was mir über den Inhalt früherer Aeußerungen zu⸗ gekommen ist, so hat kein polemisches, sondern' nur ein sachliches Bedürfniß mich dazu verankaßt, wie ich das z. B. auch gegenüber der Aeußerung des Hrn. Abg. Richter in An— spruch nehme, welcher sagte, ich wäre zurückgekommen auf die Ab⸗ stimmung vom 15. Dezember. Ich würde das nicht gethan haben, wenn nicht der Hr. Abg. Windthorst darauf zurückgegriffen hätte, indem er sagte, die damalige Forderung sei durch die Kolonialbedürf— nisse motivirt — die nämlich einer dritten Abtheilung im Auswärti— gen Amt. — Es war für mich nothwendig, das zu berichtigen; ich würde sonst nach Lage der ganzen Dinge meinerseits der Abstimmung vom 15. Dezember nicht erwähnt haben.
Im Uebrigen kann ich mich nur freuen, daß ich ausnahmsweise einmal das Vergnügen habe, mich mit dem Hrn. Abg. Richter in Uebereinstimmung zu bewegen.
Der Abg. Frhr. von Hammerstein bemerkte, es habe sich heute im Vergleich zu der Debatte über die Dampfersubvention ein sehr erfreulicher Umschwung vollzogen. Er hätte nur ge⸗ wünscht, daß auch die damaligen Redner, namentlich der Abg. Bamberger, gesagt hätten, ob sie noch dieselben Gegner des Kolonialsystems seien. Sie hätten vom Lande einen sehr deutlichen Ton gehört. Das Land habe die kleinliche, spieß— bürgerliche Auffassung des Abg. Bamberger verurtheilt. Es stehe in nationaler Begeisterung hinter feinem Reichskanzler. Jetzt handele es sich um eine prompte Antwort, nachdem die bedauerlichen Ereignisse in Kamerun stattgefunden hätten. Das Haus habe nicht nur die Pflicht, Deutschlands braver Marine seine volle öffentliche Anerkennung auszusprechen, son— dern auch keinen Zweifel aufkommen zu lassen, daß es den Boden, den Deutschland mit dem Blut seiner Landsleute er— worhen habe, nicht wieder aufgeben wolle, darum wolle seine Partei diese Frage so rasch wie möglich ohne Kommissions— berathung erledigen. Es sei nicht eine finanzielle, sondern eine hochpolitische Frage, über die sich jeder hier im Hause klar sein müsse.
Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, trotzdem er ruhig und sachlich diskutirt habe, habe der Reichskanzler es für noth⸗ wendig gefunden, seine Erwiderung persönlich zuzuspitzen. Daß der Kanzler diese Dinge sehr genau kenne, sei ihm nicht zweifelhaft. Darum habe er aber nicht das Recht, so zu thun, als ob alle anderen Menschen gar nichts von der Sache wüßten, und als ob es vermessen sei, daß Andere sich über— haupt darin mischten. Ein einfacher Abgeordneter habe nicht die Mittel, welche dem Reichskanzler zur Seite gestanden hätten, auch könne er auf dem Gebiete auswärtiger Po— litik nicht handeln wie der Reichskanzler, der 3 Mil⸗ lionen Soldaten hinter sich habe. Auswärtige Politik auf diesem Boden zu treiben, sei kein 'übermäßi⸗ ges Kunststück. (Widerspruch und Lachen rechts.) Daß man rechts) diese Behauptung sonderbar finden werde, sei ihm klar gewesen; aber er habe dieselbe absichtlich gethan. Wenn er Unrecht hätte, so wäre es bedauerlich; denn man würde alsdann nach dem Fürsten Bismarck in schwere Be— drängniß kommen. Er glaube aber, daß sich auch da noch Männer zur Führung der auswärtigen Politik finden würden. Wenn der Reichskanzler zu persönlichen Angriffen geschritten sei, so sei das wohl geschehen, weil es an materiellen Gründen gebrochen habe. Der Kanzler habe ihm vorgeworfen, er habe gesagt, daß Deutschland sei ringsum von Feinden umgeben. Er habe sich auf eine Autorität bezogen, die hoffentlich hier nicht des⸗
avouirt werden würde, den Grafen Moltke, dessen Wort sei
nicht widerlegt worden (Rufe: auch nicht bestritten), auch nicht bestritten, nur heute durch den Reichskanzler, der erklärt habe, Deutschland hätte ringsum nur Freunde. Das Haus werde, denke er, Veranlassung nehmen, einige Armee Corps zu streichen. Dies sei die nothwendige Konsequenz. Uebrigens glaube er, daß Deutsch⸗ land ohne seine feste Rüstung die Freunde nicht hätte. Dann habe es der Reichskanzler für nothwendig befunden, auf den Beschluß vom 15. Dezember mit allerlei Scitenbemerkungen ein— zugehen. Er (Redner) folge ihm auf dieses Gebiet heute nicht, zu einer anderen Zeit werde er ihm gründlich darauf antworten. Im weiteren Fortgange der deutschen Kolonialpolitik würde sich eine Verstärkung unferer Marine unabweislich herausstellen. Er werde den Marine-Minister bitten, sich demnächst hierüber zu äußern. Sehe man doch auf England! Was in Bezug auf Samoa mitgetheilt worden, beweise, daß die Erregung keine kleine sei, und er meine aller⸗ dings, daß es Fälle geben könne, wo Deutschland sich auch England gegenüber in Waffen zeigen müsse. Es könne ja sein, daß er sich irre, wenn Deutschland einmal auf diesem Gebiete anfange, so sei kein Ende abzusehen. Der Abg. Woer⸗ mann sei allerdings auch für ihn eine große Autorität. Die großen aristokratischen Kaufleute seien aber nur deswegen so vertraut damit, weil sie ihr Interesse sehr genau kennten. Daraus mache er ihnen keinen Vorwurf. Der Abg. Woer⸗ mann habe auch gewiß nichts gethan, um sein persönliches Interesse zu befördern, aber wenn man sich einmal in der Atmosphäre dieses Interesses befände, so könne man sich nicht ganz davon losmachen. Es sei nun wunderbar, daß mit einem Mal alle diese großen „Könige“ in Ham⸗ burg aus der Erde hervorzuwachsen schienen. Er sei nicht dagegen, daß man diese Herren in ihren Interessen mög⸗ lichst unterstütze; denn diese Interessen seien zugleich die der Nation. Er habe den Eindruck, daß die Erregung, welche sich jetzt der Nation bemächtige, dazu benutzt werde, um das Haus zu einem schnellen Votum zu veranlassen. Er wolle auf der Kommisionsberathung nicht bestehen, erkläre aber, daß er bei seinem Votum für die Position sich für die Kolonialpolitik des Reichskanzlers nicht engagire. Es werde vielleicht einst der Tag kommen, wo man sagen werde, er, der Redner, habe ruhig warten wollen, ehe er das Land in eine Verwickelung hinein— geführt habe. .
Demnächst nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:
So ungern ich die Debatte verlängere, die ja nutzlos scheint, s bin ich doch durch die Bedeutsamkeit des Herrn Vorredners und durch die Stellung, die er als Redner in unseren parlamentarischen Kreisen sich erworben hat, genöthigt, auf das, was er in seiner jüngsten Aeußerung Neues gesagt hat, mit einigen Worten zu antworten, schon im Interesse meiner persönlichen Reputation als friedfertiger und verträglicher Mensch; denn der Herr Vorredner hat damit be— gonnen, daß er sein Bedauern darüber aussprach, daß die ruhigste und sachlichste Diskussion gar nicht stattfinden könnte, ohne daß von meiner Seite Persönlichkeiten hineingebracht würden. Nun rufe ich die ganze Versammlung zum Richter an, ob das heute von meiner Seite der Fall gewesen ist. Ich glaube ruhig und sachlich ge⸗ sprochen zu haben, und am allerwenigsten bin ich geneigt, dem Herrn Vorredner gegenüber Persönlichkeiten einzuflechten, mit dem ich auf keinem ganz gleichen Standpunkte stehe. Ich kann von mir sagen: von Zeit zu Zeit höre ich ihn gern und hüte mich, mit ihm zu brechen, aber ich finde da durchaus keine Gegenseitigkeit, er schont mich durchaus gar nicht, er ist ja gewiß in seinen hohen Jahren, bei seiner Stellung wahrheitsliebend mit der größten Genauigkeit, aber ich finde, daß er mir gegenüber einen kleinen Hang zur Ueber⸗ treibung hat,. — Jäger ist er nicht, aber der Hang zur Uebertreibung ist da. Er sagte im Beginn seiner Rede — und er hört so fein, wie wir Alle wissen, daß er mich kaum mißhört haben kann —, daß ich behauptet hätte, alle anderen Menschen wüßten gar nichts außer mir. Das hat mir doch sehr fern gelegen; ich habe blos behauptet, daß Hr. Woermann und Genossen in dieser Sache mehr wüßten, als Hr. Windthorst und ich zusammen. Das behaupte ich auch noch' Das ist doch aber durchaus verschieden von der Art von Ueberhebung, die der Herr Vorredner mir Schuld giebt — ich habe unter Umständen viel Selbstgefühl, aber ich halte mich im Ganzen für einen bescheidenen Menschen und möchte mich gegen dieses falsche Licht, das in der öffentlichen Meinung durch ein so ange⸗ sehenes Urtheil auf mich fällt, einigermaßen salviren. Und das kann ich nur wiederholen, daß ich wirklich ein gewisses Vertrauen auf die hanseatische Kaufmannschaft habe, und wenn der Herr Vorrdner sagt, diese — ich weiß nicht, ich verstand so, daß er sie Handels könige oder etwas ähnliches nannte, ich bin des Ausdrucks nicht ganz sicher, aber ein „König“ war dabei, — seien plötzlich aufgetaucht, wir hätten sie früher nicht gekannt und ohne sie sehr glücklich gelebt. Ja, das war in der Zeit, wie Deutschland überhaupt so zerrissen war, daß das Königreich Hannover, in dem der Herr Vorredner Minister war, von den Handelsinteressen Hamburgs, seines Nachbarstaates, sehr wenig oder gar nichts wußte, sonst würde der damalige hannoverische Minister doch auch diese Handelskönige, wie er sie, glaube ich, nannte, schon einigermaßen wahrgenommen haben. Daß die in Folge der Konsolidation des deutschen Volkes, in Folge der Errichtung des Deutschen Reichs größer geworden sind, daß sie angeschwollen — im besten und wünschenswerthesten Sinne — seitdem sind, das glaube ich gern; aber eine Ahnung sollte der frühere hannöversche Minister von dieser Zukunft Hamburgs doch immer damals schen gehabt haben. Ich kann das nicht als eine ganz ephemere und unerwartete Erschei⸗ nung betrachten, daß Hamburgs Handel seine Fühlfäden nach über— seeischen Ländern unter dem Schutze des deutschen Reichsadlers aus— streckt da, wo er früher mit dem Hute in der Hand bei Fremden bettelnd sich durchzuschlagen suchte, oder, wie Hr. Woermann die Sache aus seinen und seines Herrn Vaters Erfahrungen kennt, den Schutz fremder Mächte anrufen mußte, und daß jetzt der deutsche Schutz dafür eintritt. Natürlich, das hat Hamburg ein gewisses Selbstgefühl gegeben, aber das gönne ich ihm. . Der Herr Vorredner ist ferner in einen eigenthümlichen Wider— spruch mit seiner ersten Rede gerathen. Zuerst sprach er von Feinden ringsum“; wir waren kleine, ängstliche, unvermögende Leute, die fich zur See und zu Lande nicht in dem Maße wie Portugal wehren könnten und die jedem Ehrgeiz über See entsagen müßten, weil sie nicht stark genug wären, sich auf beiden Elementen zugleich zu ver⸗ theidigen; jetzt sagt er in seiner Rede: es ist gar keine Kunft, an der Spitze von zwei Millionen Soldaten europäische Politik mit Erfolg zu treiben. Nun, zwei Millionen — ich hoffe für die Zukunft, daß darin eine Vorbedeutung liegt für die Bewilligung von Seiten der Centrumspartei — so weit gehen unsere Praͤtenkionen noch nicht, aber andere haben eben auch Millionen von Soldaten. Ich bin ja weit davon entfernt, das Verdienst der auswärtigen Politik Sr. Majestãt des Kaisers in Vergleich mit dem viel größeren der militärischen Leistung in der preußisch⸗deutschen Politik irgendwie zu überschäͤtzen.
Ich habe mich meiner Leistung nie gerühmt, und ich bin überzeugt,