Friedrich der Große nach Catt's „Memoiren“.
(Fortsetzung.)
Der König weiß alle seine Generale vortrefflich nach ihrem Werste abzuwägen: „Mein tapfrer Zieten ist kernig und kühn; Erfolge können ihn ebenso wenig stolz machen, wie Unglücksfälle enimuthigen: er ist zufrieden, wenn es zum Schlagen kommt. Aber er bat eine merkwürdige Eigenheit: unfähig, eine nur einigermaßen erträgliche Die position zu treffen, beror er das Terrain gesehen hat, trifft er, sobald er es gesehen, die ausgezeichneteste, und das mit einer Schnelligkeit, mit einer Klarheit, mit einer Sicherheit, welche in Erssaunen setzen! Er braucht nur einen Augenblick, um zu sehen und sich zu entscheiden. ;
„In Seydlitz sah ich, als er noch Fäbnrich war, den großen General und den Marschall, wie ich den General in dem Landmann Czettritz (Dragoner · Chef) gesehen habe Seydlitz hat Kennmnisse, welche nie versagen, eine lebhafte Aktion; er versteht es, wie kein Anderer, überall Rath zu schaffen, die gestörte Ordnung wiederherzu⸗ stellen, feine Vortheile auszunutzen, und ich habe noch Niemanden ge⸗ seben, der von seiner Kavallerie einen so vollkommenen Gebrauch zu machen verstanden hätte, wie er! Schade für iha und für den Staat, daß er dem Vergnügen und den Frauen zu sehr ergeben ist! — Czettritz hat nicht so glänzende Eigenschaften; was ihn auszeichnet, ist seine Zuverlässigkeit und sein gesunder Verstand, der sicher das Ziel trifft — aber er ist langsam.“
Schwerin ist „ebenso tapfer wie klug, aber zu lebhaft“, sonst nach des Königs Urtheil einer der größten Generale aller Zeiten.
Vom Prinzen Heinrich sagt der König: „ein Prinz von großer Liebenswürdigleit, überreich an Talenten und an Tapferkeit, edel wie ein König“, und später (November 1759): „Mein Bruder hat seine Barke meisterhaft geführt; das ist ein Pilot!
Auch die Urtheile des Königs über die feindlichen Generäle, über die Kaiserin⸗ Königin und Kaunitz sind Belege für seine Gerechtigkeit.
Daun, so oft er ihn auch mit seinem Spotte beizt, war doch
nach unbefangener Würdigung z thätig, von äußerster Bravour, ein geschworener Feind der Russen, die er unterjochen wollte; konnte die feindlichen Kavallerieposten nicht leiden und verjagte sie, wo er sie fand; er war wohlthätig und gut, weinte über die Generäle, die er verlor. —— In Rücksicht auf seine negative Taktik, welche die Schlacht prinzipiell vermeidet, vergleicht er ihn gern mit dem römischen Fa⸗ bius eunetater. Aber auch hierin will er ihm ein Paroli bieten; er sagt m März 1759): „Die Herren Oesterreicher, welche denken, ich könnte nichts anderes thun, als nur immer vom Leder ziehen, werden sich diesmal irren, und ich werde ihnen in dieser Campagne zeigen, daß, wenn der große Fabius Ein Pfund Blei im Leibe hat, ich auf jeder Seite zwei habe.“ Von Loudon heißt es: „‚Ebenso brav wie intelligent, soll er sich im Gefecht über alles Maß fortreißen lassen“, — aber anläßlich der Plünderung von Landshut sagt der König: „‚Loudon und Konsorten haben sich aufgeführt wie Barbaren.“
Maria Theresia und Kaunitz beschäftigen den König begreif— licherweise sehr oft. Einmal entwirft er ein Gemälde von „den Talenten der Kaiserin, von ihrem Muth, ihrer Wohlthätigkeit, ihrem Edelsinn und ihrer unantastbaren Tugend: Es ist wahr, sie ist meine Feindin und, hat mir viel Böses zuge— fügt; aber ich muß ihr die Gerechtigkeit widerfahren lassen, welche sie verdient; man sieht selten Fürstinnen wie sie!“ — Ein andermal urtheilt er über die Kaiserin und , Ich muß gestehen, daß
ie höchste Achtung verdient:
ꝛ nicht versagen, eben so daß er einen guten Kopf hat und ein sehr großer Staats— mann ist: keiner von unseren jetzt lebenden Staats männern kommt ihm nahe. Wer diesen Kaunitz bei seiner Toilette sähe, würde sich nicht träumen lassen, daß er so gewandt ist, und so außerordentlich gewandt!“
Ueber das Verhältniß zwischen Vater und Sohn giebt eine Reihe von Aeußerungen des Königs näheren Aufschluß, die den Memoiren?“ eigenthümlich sind. Mit welcher Vorsicht derartige Berichte und Urtheile in der Regel aufzunehmen sind, hat Ranke an den Memoiren der Markgräfin von Baireuth, die ja eben auch den Vater betreffen, gezeigt.) Gewähr mann ist freilich nach Catt auch für diese Berichte der König selbst.
ᷓ Welch' schrecklicher Mann!“ so läßt Catt den König über seinen Vater urtheilen; ‚aber auch, welch' gerechter, kluger und für die Ge— schäfte geborener Mann! Sie bkaben keine Vorstellung von der großen Ordnung, welche er in alle Zweige der Regierung gebracht hat; niemals ist ein Fürst fähiger gewesen als er, auf die kleinsten Details einzugehen, und er that dies nur, wie er sagte, dem Staat in allen seinen Theilen den höchsten Grad der Vollkommenheit zu eben; auch danke ich es seiner Sorge, seiner unermüdlichen Thätig⸗ eit, seiner Politik, welche, beständig mit der heimlichsten Gerechtigkeit Hand in Hand ging, seiner großen und wunderbaren Sparsamkeit und der strengen Disziplin, welche er unter seinem Militär, seiner eigensten Schöpfung, handhabte, daß ich im Stande gewesen bin, alles das zu leisten, was ich bis jetzt geleistet habe. Er war erftaunlich rauh in seinen Sitten, aber auch von einer fast un— erhörten Härte gegen die Sitten anderer; mit ihm war nicht zu spaßen: sein Rohr und seine Fußtritte verfolgten nur zu schnell Die⸗ jenigen, welche das Unglück hatten, in gewissen Augenblicken übler Laune ihm unter die Augen zu treten. — Es bleibt ewig Schade, daß mein Vater, bei seinem seltenen Verstande und den red⸗ lichsten Absichten, sich durch alle die Vorurtheile, die man ihm einzuflößen wußte, bestimmen ließ, und daß er einen so entschiedenen Widerwillen gegen Alles zeigte, was Philosophie und Literatur heißt: diese Dinge waren ihm geradezu antipathisch. Ich habe niemals begreifen können, wie mein Vater bei so viel Perstand und Einsicht kein Gefühl dafür hatte, wie sehr einem Fürsten daran gelegen sein müsse, Unterthanen zu haben, welche durch die Wissenschaften und eine gute Philosophie aufgeklärt sind, und daß es ein fer. Ungluͤck für einen König nicht geben könne, als über un⸗— wissende und eben deshalb gewöhnlich abergläubische Unterthanen zu herrschen!! — „Glauben Sie nicht, daß mein Vater ung böse Beispiele gegeben habe! nur gute hat er uns gegeben, und die Fehler, welche seine Kinder begehen konnten, waren ihre eigenen Fehler; mein Vater war daran nicht Schuld. Er war gewiß in jeder Hinsicht ein braver Mann, und er war buchstäblich ein philosophischer König in des Wortes eigentlichster Bedeutung: vielleicht ist er darin zu weit gegangen, daß er zu viel von der menschlichen Natur verlangte, indem er wollte, daß seine Unterthanen, und seine ganze Umgebung ebenso strenge Sitten haben sollten, wie er sie hatte. — „Trotz aller An lässe zur Beschwerde habe ich nicht aufgehört, meinen Vater zu ver⸗ ehren, und ich habe seinen guten Eigenschaften die Gerechtigkeit wider⸗ fahren lassen, welche sie verdienten, Er hatte manchmal Augenblicke einer erstaunlichen Güte. Sie würden gesagt haben, das sei die ge⸗ fühlvollste Seele. Hören Sie einen Zug, welcher Sie überraschen wird. Mein Vater hatte Grund zur Klage über einen seiner Adjutanten und zürnte ihn schon während einer Woche. Eines Tages ließ er seinen Rath Eichel rufen und befahl ihm, sich in ein Zimmer zu be⸗ geben, in welches auch der Adjutant eintreten mußte. Der König kommt und geht auf den Adjutanten zu. — Sie haben gefehlt, sagte er zu ihm; ich habe gerechte Ursache, über Sie Klage zu führen, rechtfertigen Sie sich nicht! Es ist schon eine ganze Woche her, daß ich Sie meinen Unwillen fühlen lasse; ich kann nun nicht mehr weiter, ich verzeihe Ihnen, machen Sie es ein andermal besser! — und er gab ihm einen Schlag auf die Schulter, wandte sich dann zu seinem Rath und sagte: Ich habe Sie hieher befohlen, um Zeuge meines Verhaltens zu sein. — Der Adjutant weinte sehr und gestand ein, daß er gefehlt habe: von diesem Augenblicke an hat er nie wieder Veranlassung zur Klage gegeben. — Eines Tages stieß mein Vater auf seinem Spaziergange ein junges Mädchen; es
) „Zur Kritik preußischer Memoiren“, 18548. S. 15 ff, besonders
Zuerst wollte er lachen; dann aber sagte er, ärgerlich auf sich felbst, zu einem von seiner Begleitung: Ich habe zur Unzeit gelacht; dieses Mäbchen hat sich vielleicht Schaden gethan: man gebe ihm 390 Thaler!“ — „Oft gestand er sein Unrecht ein; das begegnete ihm bei einer auherordentlichen Gelegenheit. Mein Vater ließ seinen Sekretären und Räthen Eichel und Schumacher anbefehlen, unverzüglich auf das Schloß ju kommen. — Ich habe Guch wegen einer wichtigen Angelegenheit rufen lassen«, sagte er, welche das tiefste Geheimniß fordert; nehmt Euch wobl in Acht! Wenn die Sache bekannt wird, so muß einer von uns dreien darüber gesprochen baben, und der Teufel soll ihn holen. —= Und er entließ sie. Drei Tage später kommt Eichel auf das Schloß und hört, wie zwei Grenadiere von der bewußten Sache sprechen. Sein Schmerz und seine Ueberraschung waren groß! Er erzählt den Vorfall Schumacher; dieser, ebenso in Angst wie Eichel, entschlieht sich, dem Könige zu berichten. — Wie Teufel ist es möglich, daß die Geschichte ruchbar geworden!“ antwortete der König in einem Tone, der die armen Räthe in Schrecken setzte — Wir wissen es nicht, Majestät, aber es ist die Frage: erinnern Sich Ew. Majestät nicht, über diese Sache noch sonst gesprochen zu haben? Wir versichern bei Allem, was uns heilig ist, und bei dem Eide, den wir ge— schworen haben, daß nichts von Allem, was geschieht, durch uns lautbar werden kann. — Der König geht in sich, denkt eine Weile über den Vorfell nach und ruft aus: Meine Freunde, seid ruhig! Ich bin der Thor und der Schwätzer! Ich habe darüber zu. Grumbkow gesprochen, ohne zu bemerken, daß diese Grenadiere mich hörten. Hole der Teufel meine Schwachheit! So etwas soll mir nicht wieder vorkommen! Ihr habt gewiß recht Angst gehabt? Gesteht es nur!! — Anderes möge man auf S. 34, 35, 36, 75, 96 nachlesen. — Wir erfahren beiläufig, daß der Prinz Heinrich allein von der Strenge des Vaters verschont wurde, ja sich fortdauernd seiner besonderen Liebe erfreute,
Merkwürdig in vielem Betracht ist das Verhältniß des Königs zu Voltaire, Es würde zu weit führen, hier auf das, was Catt darüber beibringt, näher einzugehen, aber er bietet eine wahre Fund— grube des Neuen und Interessanten: Der König, welcher die Perfidie Voltaire's fürchtet, sich seiner dennoch nicht entschlagen kann, weil Voltaire der einzige Mensch ist, der seinem geistigen Bedürfniß genügt, läßt sich zu Vertraulichkeiten verleiten, obwohl er fast voraus⸗ sieht, daß sie dieser Mensch (ee drole) preisgeben werde.
. Die Welt hat kein schöneres Genie hervorgebracht, als Vol— taire, aber er unterliegt meiner tiessten Verachtung, weil er nicht rechtschaffen ist. Wäre er es gewesen: wie sehr würde er Alles über⸗ ragen, was existirt!“
Der König legte großen Werth darauf, daß Voltaire seine Verse und sonstigen Produktionen gut fand. (vergl. S. 27): „Der Patriarch der Literatur hat mir oft gesagt, was ich thun müsse, um gut zu schreiben, in Versen wie in Prosa; wie ich die strengste Kritik an meinen Arbeiten üben müsse. Er ließ mir nichts durchgehen: ich versichere Sie, wenn ich ihm eine Sache schickte, so setzte er darunter: „Pfui (hauf), das taugt den Teufel zu nichts und muß ganz und gar vernichtet werden!“! — „Das kann passiren — Das ist erträglich — . Diese Verse sind gut“ — und ich mußte oft zwanzig Mal ein Thema umarbeiten, so lange bis es gut war. Dann schrieb er noch: „Wie ist es nur möglich, daß Ihnen diese vier Verse so wunderbar gelungen sind und daß der Rest so gar nichts taugt! Machen Sie sich doch ein Reimlexikon!“ — Ich habe seinen Rath befolgt und mein Lexikon vor der Schlacht bei Lowositz angefangen; ich setze es in den Augenblicken fort, welche mir im Tumult der Geschäfte übrig bleiben.“
Es ist bekannt, daß Voltaire durch Erschleichung des Impri⸗ matur für seine gegen Maupertuis gerichtete Schmähschrift ‚Akakia“ vergl. S. 18) sich des Königlichen Vertrauens, unwürdig gemacht hatte und durch sein weiteres Gebahren den König so verletzte, daß der darauf erfolgte Bruch unheilbar schien (1753). Der König nannte ihn damals in seinen Privatbriefen „le plus grand scélsrat du monde.“ Aber Voltaire wußte wieder anzuknüpfen. Mit dem Jahre 17657 entspann sich von Neuem ein brieflicher Verkehr, welcher fortdauerte. — Im Generalquartier zu Grüßau (21. März bis 19. April 1758) erhielt der König einen Brief von Voltaire, der ihn so entzückte, daß er beschloß, ihm seine beiden neuesten Oden: „Aux Frangais? und „Aux Germains' zu übersenden. Catt warnt wegen der in diesen Oden enthaltenen Aus fälle gegen die Franzosen und ihren König: Voltaire könnte Miß— brauch treiben. Der König ist ungläubig, korrigirt seine Oden und bleibt bei seinem Entschluß. Später verspricht er, auf Catts erneute Vorstellungen, von seinem Vorsatze abzustehen. Aber er hielt nicht Wort: Voltaire empfing trotzdem die Ode An die Franzosen. — Anfangs April 1759 schrieb er ihm: „Ich verzeihe Ihnen, Ihrem Genie zu Liebe, allen Verdruß, den Sie mir, in Berlin gemacht haben, alle Schmähschriften von Leipzig aus und alle Dinge, welche Sie gegen mich gesprochen oder drucken haben lassen, so überaus hart und zahlreich sie sind, ohne sie Ihnen im geringsten nachzutragen. Und doch machte ihm die Ode „An die Franzosen! Unruhe! Er liest Catt diesen Brief vor, kann sich aber dabei nicht enthalten, die Befürchtung auszusprechen, Voltaire werde am Ende doch die verwünschten Verse, die er ihm geschickt — er meint die Ode „An die Franzosen“ — drucken lassen. Er fügt darum dem Brief noch die Nachschrist hinzu; „Wenn die Verse, welche ich Ihnen geschickt habe, an das Tageslicht kommen, so sind Sie der Schuldige.)
Im Winterquartier zu Freiberg (Ende Januar 1760) legte Catt dem Könige einen ihm anonym zugegangenen Nachdruck der Poesie des Philosophen von Sanssouci“ vor, als dessen Veranstalter Voltaire gilt. — So groß die Aufregung des Königs war, gegen Voltaire verfing auch dieser Vorfall nicht (S. 295 u. 296),
Im, Winterquartier zu Breslau (Januar bis März 1759) erhält der König durch Voltaire eine Flugschrift, in welcher behauptet wird, die Histoire de Brandebourg“ sei nicht vom Könige, sondern von Voltaire verfaßt, der König habe Voltaire nur die archivalischen Materialien dazu geliefert. Voltgire protestirt in seinem die Flug⸗ chrift begleitenden Briefe energisch gegen diese Frechheit und ver chert noch, energischer, daß er es den ihm wohlbe⸗ kannten Urhebern dieser Unverschämtheit gehörig eingetränkt habe: „ich habe diese Lüge von mir gewiesen und werde sie ewig von mir weisen!! — „Sie sehen ', sagte, der König zu Catt, „was Voltaire mir mittheilt, wie er seine Entrüstung über das Bulletin bezeugt und, seine Sorge, die Verleumdung zum Schweigen zu bringen. Gelt! mein Lieber, nehmen sie das Alles für baare Münze 2 Sie irren sehr! Seien Sie überzeugt, dieser Mensch (role) hat das Bulletin, welches er mir schickt, selbst ge⸗ macht! Kein Anderer war im Stande, eine solche Infamie zu be— haupten! Sie kennen nicht die ganze Bosheit seines Charakters: er spielt den Dienstfertigen, will, daß ich alle Klagen gegen ihn ver gesse, und, erfindet zu diesem Zweck eine Geschichte, um mir anzukündigen, daß er sie widerlegen werde, besorgt, wie Niemand in der Welt, um das, was er meinen literarischen Ruhm nennt! Schließlich rechnet er auf meinen Dank und eine Er— kenntlichkeit ohne Ende .. . Aber ich lasse ihn von meinem Ver—⸗ dacht nichts merken, ich begnüge mich damit, ihm zu sagen, daß ich . in een, fe, Alles bin, ug . in Frankreich und aller
rten von mir sprechen mag ... o kommt er um den T , ,, ü 1
enn der König Voltaire wegen seines Genies so ho ãtzte, 6 ,, e r, den . . 1757 . . ön gesprochen hatte, als weiter nichts, als ein Pedant, ein Igno⸗ rant, der nur die Grammatik versteht.“ 9 3.
N). Preuß, „Friedrich der Große“, II. S. 134, bemerkt: Voltaire habe die Ode, wie er sagte, aus Angst, sein Unglück zu machen, dem Herzoge von Choiseul übergeben, der durch Palissot in einer Ode antworten ließ. Voltaire schrieb dann an den König, Madame Denis
S. 27 und 28. Vergl. auch D 234 ĩ San lt. Eh hn, T gr fire der breutishen
(seine Nichte) habe die Ode verbrannt, aus Sorge, sie möge Voltaire zugeschrieben werden!
ö Ein Freund des Königs im wabren Sinne des Wortes ist der
englische Gesandte am preußischen Hofe, Andrew Mitchell. Er folgte dem Könige ins Feld. Gleich nach Catt's Ankunft im General⸗ quartier zu Breslau sagte der König zu ibm: „Wenn der Chevalier Mitchell wieder zu ung kommt, besuchen Sie ihn so oft wie möglich; er ist mir aufrichtig ergeben. Dieser Mann hat gründliche und sehr ausgebreitete Kenntnisse, sein Herj ist die Rechtschaffenheit selbst: mitunter ist er eiwas lebhaft und aufbrausend, das ist wahr; aber er beruhigt sich wieder leicht. — Bei dieser Gelegenheit führte er einen Zug von Mitchell an, welcher nicht wenig dazu beige: tragen hat, die Achtung des Königs gegen ihn zu erhöhen Bei einem Diner, welches der König in Breslau gab, ergingen sich die Generale in Lobeserhebungen über den soeben beendigten Feldzug von 1757. — Welche ruhmvolle Campagne!‘ sagte der Cine; „nichts in den Annalen der Welt kommt ihr gleich!“ meinte Andere; „wie viel Bände könnte man wohl über die Regierung Ew. Majestät schreiben ! rief ein Dritter. Der Cbevalier Mitchell, welchem dies Gerede und diese ins Gesicht gesagten Schmeicheleien langweilten, sagte: Ich sollte meinen, meine Herren, die beste Lobschrift auf die Regierung eines Fürsten wäre diejenige, welche nur einige Zeilen umfaßte!“ — Die Generale sahen einander an und schienen zu denken: „Wie kann man so vermessen reden. — „Herr Mitchell, Sie haben Recht!“ sagte der König... und ich möchte hinzufügen, daß nach meiner Meinung der Fürst der größte ist, welcher die Wahrheit liebt und sie sucht; an seine Seite stelle ich den achtungswerthen Unterthan, der es wagt, sie ihm zu sagen!! — Ein andermal äußert der König: „Er ist ein vortrefflicher Mensch, dieser Mitchell. Von allen Eng⸗ sändern, die ich bisher gesehen, hat er mich am meisten angezogen. Er besitzt große Kenntniffe in der Literatur und Geschichte
ihm fehlt nur Eins; die Biegsamkeit und die Anmuth, welche, wie er selbst erzählt, Milord Chesterfield unaufhörlich seinem Sohn Stanhope predigte, ihm, der von allen Wesen, die mir zu Gesicht gekommen sind, gerade am wenigsten das besaß, was sein theurer Papa verlangte. — Vor der Schlacht bei Leuthen bot mir Mitchell Subsidien von seinem Hofe an: — Ich brauche keine“, gab ich zur Antwort, denn ich weiß nicht, was aus mir werden wird!‘ — Nehmen Sie nur, sagte er mit Herzensgüte, nehmen Sie nur immer, Sie werden schon etwas werden. ich bin es, der es Ihnen prophezeit! — Indem er so sprach, standen ihm die Thränen in den Augen. Ich war gerührt. — Bei der Tafel unterhielt sich der König vorwiegend mit Mitchell; der Verkehr mit ihm war zin intimer, wie die während des Kriegs an Mitchell gerichtete Epistel
bezeugt. (Schluß folgt.)
.Der Christliche Verein junger Männer feierte gestern in der Dreifaltigkeitskirche sein zweites Jahresfest. Die Feslpredigt knüpfte Hofprediger D. Frommel an Phil. 4, 4-13. Was die Thätigkeit des Vereins betrifft, so ist diese eine höchst ausgebreitete und gesegnete gewesen. Das Vereins haus ist in der That eine Heimath für viele junge Männer gewesen, die sonst in der Großstadt ohne. Halt geblieben. wären, Das Lese⸗ zimmer enthält einige 60 Zeitungen und bietet zu Gesellschafts⸗ und Brettspielen Gelegenheit. Die 700 Bände um fassende Bibliothek ist fleißig benutzt worden. Unterricht wurde in englischer und französi⸗ scher Sprache, in Stenographie und in kaufmännischer Buchführung dargeboten. Im Turnsaal wurde unter Leitung eines geprüften Turnlehrers wöchentlich 4 Mal geturnt. Für Soldaten wurde jeden Sonntag eine besondere, der Unterhaltung gewidmete Versammlung veranstaltet. Die Knaben ⸗Abtheilung. die z. 3. aus 20 Knaben besteht, welche keine Sonntagsschule besuchen, trat jeden Donnerstag zusammen. Um weiter auch für das Haus und die Fa⸗ milie der Kinder zu sorgen, ist ein Lesezirkel christlicher Jugendschriften eingerichtet. Die Gesangs⸗Abtheilung batte wiederholt Gelegenheit, die Feste des Vereins zu verschönen. Die Zahl der Sonntagsschulen ist auf 4 angewachsen, denen 26 bis 30 Helfer zur Seite stehen. Für Sonntagsschulhelfer ist ein besonderer Lehrkursus eingerichtet. Die geselligen und reli giösen Versammlungen erfreuten sich stets eines regen Besuches. Der „Monatliche Anzeiger, das Organ des Vereins, wird bereits in vielen Tausend Exemplaren vertheilt. Um den Verein nach Kräften zu unterstützen, ist auch ein Damencomits thätig. — Die gesellige Feier des Jahresfestes wird heute Abend stattfinden.
Das Journal für Buchdruckerkunst“ bringt folgende inter⸗ essante postalische Entscheidung. Die Hinstorffsche Buchdruckerei in Wismar wollte einen Korrekturbogen und Manuskript zu ermäßigtem Porto versenden und hatte auf. den Abzug die Be⸗ merkung gemacht: „Rücksendung erbitte möglichst noch heute Abend, damit der Druck noch Donnerstag erfolgen kann. Das Postamt in Wismar wies diese Sendung zurück, weil eine solche Bemerkung zu den schriftlichen Mittheilungen zu rechnen sei, für welches ein höheres Porto gezahlt werden müsse. Die Ober -⸗Postdirektion in Schwerin entschied jedoch, daß eine solche Bemerkung, als zum Druck gehörig, erlaubt und die Sendung gegen ermäßigtes Porto zu befördern sei.
Die festliche Einweihung eines neu erbauten Konzertsaales des Hof⸗Instrumentenmachers Duysen fand am Sonnabend, in Gegen— wart einer großen Zahl hiesiger Künstler, der Kapellmeister Dorn und, Radecke, der Professoren. Jähns, Commer, Alsleben und Pfeiffer, Mitglieder der Königlichen Kapelle, Lehrer der Hochschule und anderer Institute, der Direktoren verschiedener Gesangvereine, sowie der Vertreter der Presse statt. Der Saal, den Hr. Duysen für kleinere Aufführungen den Künstlern zur freien Verfügung stellen will, ist vom Baumeister Osten ausgeführt, bildet ein großes Ob⸗ . ö Et gegen . 6 r ee , . Herren
auer und Scharwenka, ahwechselnd mit gesanglichen Leistungen, zeigten die günstige Akustik des Saales. 5 ö
Die Maul- und Klauenseuche bei den Kühen des Mol⸗ kereibesitzers Pleesch hier, Schönhauser Allee Nr. 44, ist erloschen.
Das Neue Friedrich⸗Wilhel m staäͤdtis che Theater ver⸗ anstaltet am nächsten Sonnabend, den 31, eine Wohlthätigkeit s . zum Besten der Opfer des Erdbebens in
ani en.
Im Vigtoria-Theater debütirte gestern in der Titelrolle des Ausstattungsstücks Sulfuring“ von dem Direktor Gustav Scheren⸗ berg die anmuthige Tochter desselben, Frl. Gustl Scherenberg, mit gutem Erfolge. Ihr natürliches und gewandtes Spiel, der Wohl klang ihrer Stimme und die deutliche Aussprache stellten es bald außer Zweifel, daß das Victoria⸗Theater in der jugendlichen Künstlerin eine vorzügliche Kraft und vollen Ersatz für die bie⸗ herige Trägerin der Titelrolle, Frl. Hermine Meyerhoff gefunden hat, sodaß dem Stück noch eine lange Reihe von Wiederholungen in sichere Ausicht gestellt werden kann. Die Debütantin, welche die übrigen Mitspielenden in wirksamster Weise unterstützten, wurde durch reichen, allgemeinen Beifall des gut besetzten Hauses und durch Hervor⸗ rufe bei offener Scene geehrt.
Redacteur: Riedel.
Berlag der Expedition (Scholz. Druck: W. El sner. Sechs Beilagen
Berlin:
(einschließlich Börsen Beilage). (119
M 22.
Er st e Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Montag, den 26. Januar
— —
——
1885.
Aichtamtliches.
26. Januar. Reichstages, welcher mehrere ath und Kommissarien des⸗ zweite Berathung des Reichs⸗ er Diskussion über
Berlin, der vor⸗
Preußen. gestrigen (33.) Sitzung des Bevollmächtigte zum Bundesr selben beiwohnten, wurde die halts-Etats pro 1886/86 mit d Verbrauchssteuern und Aversen fortgesetzt. ie Budgetkommission beantragte durch ihren Referenten
Abg. von Wedell⸗Malchow die unveränderte Annahme des
Der Abg. Dr. Moeller bemerkte, er möchte sich die Frage erlauben, ob die verbündeten Regierungen in der That, wie es in der Presse verlaute, beabsichtigten, die Versteuerung des daß die Fässer werden sollten. en allerlei merkwürdige Zollwesens erlebt. Doch daß die verbündeten Re⸗
in der Weise künftig als Bbttcherwaare verzollt
habe nun zwar in den letzten Jahr Interpretationen auf dem Gebiete des glaube er nicht annehmen zu dürfen, gierungen eine Veränderung, wie die angedeutete, Wege einer bloßen Verordnun behörden einführen würden,
Petroleums zu verändern,
g oder Anweisung an die 3 und zwar weil 8. 26 des Zoll⸗ tarifgesetzes ausdrücklich bestimme, daß bei einem Zollsatze von nicht mehr als 6 M pro 100 kg — wie es für Petroleum bestehe — die Verzollung nach dem Bruttogewicht stattfinden Aber auch wenn auf dem Wege der Gesetzgebung die euerung geplant würde, müsse er Belastung der Konsumenten, son⸗ seren Handel und namentlich für Das Gewicht O kg, wovon Bei der bis⸗
Einführung einer solchen N sie nicht nur als eine neue dern auch als eine für un ᷣ die Schiffahrt höchst nachtheilige bezeichnen. eines Fasses Petroleum betrage in der Regel 18 O kg auf das leere Faß kämen.
ungefähr 3 ; wicht trage also das Faß
herigen Verzollung nach Bruttoge Petroleum 10,8 S Zoll, Böttcherwaare aber werde mit 10 6 versteuert. Der Zoll würde also künftig 12 „6 betragen, d. h. um 1,20 M für das Faß und um 8 oder 1 pro Kilo sich
eingehende wenigstens
Cisternenwagen amerikanischen, Konkurrenz, wahrscheinlich noch steigern,
Petroleum
da einerseits die russischen Eisen⸗ bahnen noch weitere Tarifbergünstigungen in Aussicht gestellt hätten, andererseits auf den Grenzstationen Eydtkuhnen und und zweckmäßige Verfrachtung des Petroleums Unter solchen
Soldau sehr großartige Vorkehrungen getroffen seien, um die weitere auf deutschen Cistern Umständen würde Petroleums die Wirkung haben, hörte lohnend zu Handel der Seestädte, Der größte Theil des ame r f deutschen Segelschiffen eingeführt, die dann als Rückfracht theils leere Faͤsser, theils altes Eisen, Lumpen und andere geringwerthige Gegenstände mitnähmen. dieses Geschäft vernichtet, so wären damit erstens jenen gering⸗ werthigen Waaren, welche die theurere Dampferfracht nicht die Möglichkeit der Ausfuhr genommen, Segelschiffen wieder eine neue Schmälerung Es sei aber bekannt, daß gerade die Segeischiffahrt ohnehin in sehr bedrängter Lage sich e hervorgehoben werden, daß sie das tüchtigste die deutsche Marine liefere, so daß jede weitere Nachtheil für Es sei aber nicht daran
enwaggons zu erleichtern. eine Vertheuerung des amerikanischen daß die Einfuhr desselben auf⸗ würde sowohl den als auch die Seeschiffahrt erheblich rikanischen Petroleums
und das
Würde nun
tragen könnten, andererseits den ihrer Thätigkeit zugefügt.
Zugleich müss Material für Einschränkung derselben die deutsche Kriegsflotte sein würde. daß die deutschen Segelschiffe etwa einen Ersatz für kanische Petroleum durch Abholen des russischen aus dem Schwarzen Meere finden könnten. Denn erstens sei man dort nicht auf die Ausfuhr in Fässern eingerichtet, deren Her⸗ stellung ihre Schwierigkeiten habe, zweitens würde es an Wolle man aber behaupten, daß die Bedeutung der geplanten Aenderung nicht sowohl eine finanzielle, als vielmehr ein dem Böttchergewerhe gewährter Schutz sein solle, so sei dagegen einzuwenden, Theil der leeren Fässer ohnehin wieder zurückgehe, um dort neu gefüllt zu werden. Die im Lande zurück⸗ bleibenden Fässer aber hätten der einheimischen Böttcherwaare wenig Konkurrenz gemacht, denn sie seien nur zu wenigen Zwecken verwendbar, weil ihr Holz von Petroleum durchdrungen sei. In Ostpreußen benutze man sie z. B herausgenommen, . ] Grabenbrücken, weil sie in der Nässe gut hielten. Fässer würde man doch da man also au würden ihre
auch ein
zu denken, das ameri
Rückfracht nach dort fehlen.
daß der größere nach Amerika
„ nachdem man die Böden Drummen oder Durchlässen unter zu sicher nicht verwenden. Maßregel ansehen möge, immer Nachtheile überwiegend groß gegen die sehr zweifelhaften Vortheile erscheinen. Der Bevollmächtigte zum des Reichs⸗Schatzamts von völlig außer Stande, rungen eher etwas zu sagen, barer Weise geäußert sei. Anfrage, wie sie gestellt sei, verbündeten Regierungen nicht abgeben. Petroleumzoll zu erhöhen, rath als solche des Petroleumzolles würde erfolgen können auch dieser Sa eine Erhöhung . daß der Gesetzgebungsweg beschritten sei. Vorredners beziehe sich anscheinen Bundesrath zugegangen sei und einer näheren Erörterung unterzogen sei, ob die Gebinde, in denen das Petroleum eingehe, b g unterworfen werden sollte oder nicht. chtung hin der Bundes⸗ ffen werde. Er glaube aber, die dner hinsichtlich der Befugnisse seien nicht zutreffend.
ch eine solche
Staatssekretär entgegnete, Absicht der verbündeten Regie⸗ als bis diese Absicht in erkenn⸗ r könne deshalb auch über die hier eine Erklärung Namens der Die Absicht, den könne, wie er meine, dem Bundes⸗ het werden. Denn eine Erhöhung nur im Wege der Gesetzgebung ch der Bundesrath
Bundesrath,
m nicht zugemut
„ und er nehme an, daß si r ; chlage durchaus erinnere und seinerseit des Petroleumszolles beschließen werde, ohne Die Anfrage des d auf eine Vorlage, in der die bezeichnete Frage die Frage nämlich,
sonderen Verzollun e Er könne nicht sagen, nach welcher Ri rath seine Entscheidungen tre Bedenken, welche der Vorre des Bundesrathes geäußert habe,
dort, die Gewichtszölle würden von dem Bruttogewicht in einigen Fällen und von dem Nettogewicht in anderen Fällen erhoben. Es sei also nur der Gegensatz gemacht, in welchen Fällen die Umschließungen mit dem Waarenzoll ge⸗ troffen würden. Er glaube aber, über die Frage, wie die Tara als folche zu behandeln sei, und ob in gewissen Fällen die Tara eene besondere Verzollung zu bilden habe, bestimme das Zolltarifgesetz nichts. Es sei bisher unbeanstandet von Seiten des Bundesraths die Befugniß ausgeübt, daß derselbe in ein⸗ zelnen Fällen, wenn die Umschließung einen besonderen Werth gehabt habe, auch diese nach ihrer Beschaffenheit zur besonderen Verzollung herangezogen habe. Er beschränke sich auf diese Bemerkung und glaube, daß im jetzigen Stadium der Sache nicht übersehen werden könne, in welcher Weise diese Entschei⸗ dung des Bundesraths ausfallen werde. .
Der Abg. Grad erklärte, die erfreuliche Mehreinnahme von 3370 005 S aus den Zöllen, eine Wirkung der Tarif⸗ reform von 1879, erscheine bednoht, wenn den Crefeldern die
Die franzbsische Maßregel vom September 1883, welche gewisse
schen Spinnereien würden still stehen müssen, und der dichten
bleiben. Wenn die Crefelder Industrie sich nach dem großen Aufschwung seit 1879 jetzt in einer gewissen Krisis befinde,
habe.
messen gesondert zu behandeln, sei ihm unerfindlich.
Was die Ausführung
bringen.
Tarifs zu untersuchen. Mit besonderer B
Der Vorredner fasse den 5. 2 des Zolltarifgesetzes Weise auf, wie er nicht aufgefaßt werden dürfe.
zollfreie Einfuhr von Baumwollgarnen gewährt werden solle.
Garne unter bestimmten Bedingungen zollfrei lasse, habe gar keinen Einfluß auf die Crefelder Industrie gehabt, weil der Zoll, welchen die Garne dort bezahlen müßten, höher stehe als das Maximum, das der deutsche Tarif feststelle. Der deutsche Maximalsatz sei 36 S für einfache und 39 4 für doppelte Garne, der französische im Generaltarif 509 6½ für Rr. 56, resp. 60 M6. Die Maßregel, die Crefeld begehre, würde eine fehr bedenkliche Rückwirkung auf die elsässische Baumwollenindustrie haben, die meisten elsässischen und deut⸗
Bevölkerung würde nur das Mittel der Massenguswanderung
liege das nur daran, daß in anderen Staaten der Bedarf zum Theil durch eigene Fabrikation sich zu decken anfange. Die französische Maßregel sei übrigens nicht von erheblicher Wirkung. Paris und Lyon hätten von feinen Garnen aus dem Auslande nicht über 20600 kg jährlich bezogen, also fast nichts, weil wegen der komplizirten Formalitäten nach den Vorschriften der Verwaltung die Importeure auf die Einfuhr der Garne verzichtet hätten, müßten sie doch erklären, für welche Gewebe die Garne bestimmt seien und auf Kosten der Handelskammer, d. h. der Interessenten, sei ein Bureau ein⸗ gerichtet, wo Chemiker die Identität der Nummern und der Garne nach Mustern, die von den eingeführten Stücken genommen seien, festgestellt hätten. Er bitte um so mehr um eine Ant⸗ wort, da Elsaß⸗-Lothringen keinen Vertreter im Bundes rath
Der Abg. Dr. Möller bedauerte, daß der Staatssekretãr geglaubt habe, sich in strenges Amtsgeheimniß hüllen zu möüffen, und deshalb die Beantwortung seiner Anfrage um⸗ gangen habe. Er habe geglaubt, die Frage beute schon an⸗ regen zu müssen, weil natürlich den beim Petroleumhandel Betheiligten daran liege, baldmöglichst zu erfahren, was sie zu erwarten hätten. Er wolle hoffen, daß das Schweigen des Staatssekretärs nicht bedeute: Gui tacet consentit. Auf die Be⸗ stimmungen des Zolltarifgesetzes müsse er aber doch noch einmal zurückkommen. Der 8. 2b sage ganz deutlich, die Gewichtszölle würden nach dem Bruttogewicht bei Waaren erhoben, für welche der Zoll 6 M von 109 kg nicht übersteige. Und weiter, bei der Ermittelung des Nettogewichts von Fluͤssigkeiten werde das Gewicht der unmittelbaren Umschließungen (Fässer u. s. w. nicht in Abzug gebracht. Wie gegenüber diesem klaren Wortlaute des Gesetzes der Staatssekretär dem Bundes⸗ rath die Befugniß vindiziren wolle, die Tara nach dessen Er⸗
Der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts, von Burchard entgegnete, er möchte zunächst, was die Anfrage des Abg. Grad' betreffe, erklären, daß, soweit er augenblicklich wisse, Anträge in dieser Beziehung dem Bundesrath nicht vorlägen, nämlich in Bezug auf die admission temporaire, daß er daher auch aus diesem Grunde völlig außer Stande sei, zu den Aus⸗ führungen des Abg. Grad Stellung zu nehmen. Wenn der⸗ selbe sage, Elsaß habe keine Vertretung im Bundesrath, so sei das doch nur von, einem Gesichtspunkte aus zu⸗ treffend, es habe nämlich keine Stimme im Bundes⸗ rath, wohl aber eine Vertretung durch Kommissarien, und er könne versichern, daß zu jeder Zeit und bei jeder Frage diesen Kommissarien ausgiebig die Möglichkeit gewährt werde, ihre Auffassung zur Sache auszusprechen, und daß diese Auslassungen auch stets die gehörige Beachtung gefunden hätten. Er brauche nicht hinzuzufügen, daß der Reichskanzler selbst es gewiß als eine wichtige Aufgabe für sich anerkennen werbe, den elsässischen Bedürfnissen, soweit es irgendwie mit den allgemeinen Interessen vereinbar sei, Rechnung zu tragen, des Abg. Dr. Moeller betreffe, so sei über die Frage, ob eine Waarenumschließung — er wieder⸗ hole das — der Verzollung zu unterliegen habe, im Zoll⸗ tarifgesetz nichts ausdrückliches bestimmt; aber es folge aus der Natur der Sache, daß nicht unter allen Umständen jede ÜUmschließung deswegen frei eingehen könne, weil sie die Um⸗ schließung fuͤr eine Flüssigkeit bilde. Es würde zu den gröb⸗ sten Mißständen führen, wenn man jede Umschließung des⸗ wegen mit dem geringeren Zollsatze der Flüssigkeit belegen wolle, weil sie mit der Flüssigkeit eingehe, auch dann, wenn sie einen selbständigen Gebrauchsgegenstand bilde. Der Grund⸗ satz des Tarifs sei, jede Waare unterliege dem Zollsatz nach Maßgabe ihrer Beschaffenheit; und aus diesem Grunde sei der Bundesrath verpflichtet, in Fällen, wo derselbe es für nöthig erachte, auch die Umschließung zur selbständigen Verzollung zu
Der Abg. Broemel bemerkte, er lege großen Werth darauf, in Anknüpfung an den vorliegenden Etat die finanziellen Er⸗ gebnisse des bestehenden Systems und die a,, des
efriedigung dürfe man auf die finanziellen Resultate des Tarifs nicht sehen. Allerdings sei die Einnahme aus den Zöllen für 1885/86 um 3 370 006 S6 höher veranschlagt worden als für 1884/8665, aber
würde sich also, abgesehen von diesem Tabackhzoll, für Die Gesammtheit des Tarises eine Mindereinnahme von ca. 184 Millionen Mark ergeben. In ähnlicher Weise sei in den vorhergehenden beiden Etats die veranschlagte Mehreinnahme ausschließlich auf die Steigerung des Tabackzolles zurückzu⸗ führen. Das sei sicherlich nicht das Resultat, welches bei Einführung des neuen Tarifes erwartet worden sei. Nach dem vorliegenden Etat könne man allerdings diese Frage nicht in vollem Umfange beurtheilen. Die Reichsregierung werde dem Hause deshalb in Zukunft eine genaue Uebersicht wenigstens über die Solleinnahme aus den einzelnen Zöllen während des Etats⸗ jahres geben müssen. Man würde dadurch auch Einblick in die Wirkung des ganzen Systems der Verbrauchsbesteuerung gewinnen. Aus den jetzigen Vorgängen müsse man die Lehre schöpfen, daß die Gesammtheit der Verbrauchssteuern eine Steuerbelastung des Volkes bilde, welche nicht willkürlich nach der einen Seite hin, z. B. betreffs der nothwendigsten Lebens⸗ bedürfnisse, erhöht werden könne, ohne daß auf anderer Stelle, z. B. bei Luxusartikeln, für breite Massen des Volkes sich der Er⸗ trag vermindere. Nun seien allerdings in dem deutschen Zolltarif durch die Verträge mit Italien und Spanien die Zölle auf Süd⸗ früchte erheblich herabgesetzt worden; in Folge dessen sei aber auch die Einfuhr dieser Artikel beträchilich gestiegen, so daß der Ausfall in den Einnahmen bei Weitem nicht so bedeutend sei, als man angenommen habe. Höhere Einnahmen aus dem Tarif wüden sich immer nur erzielen lassen, wenn man aus dem Taback vermehrte Mittel gewinne. Das Ergebniß aus der Verbrauchssteuer sollte die Erkenntniß geben, daß diese Art der Besteuerung nicht die richtige sei. Wenn der Abg. von Köller gestern Gymnasiasten als Zeugen für die Vortrefflichkeit der nationalen Wirthschaftspolitik aufgerufen habe, so sollte derselbe noch einen Schritt weiter thun, und die Kinder auffordern, sie möchten dieser Politik dadurch nützen, daß sie sich dem Genusse von Rosinen und Corinthen in noch erhöhterem Maße hingäben. — Die Zoll⸗ erhöhungen hätten tief schädigend auf die Geschäfte und den Handel gewirkt, weil sie, ebenso wie das Waarenverzeichniß uͤberhaupt, ohne Vorbereitung der Interessenten plötzlich ein⸗ geführt worden seien, ohne daß die Interessenten um Rath gefragt seien. In Bezug auf die Verzollung der Petroleum⸗ fässer scheine auch im Bundesrath keine Uebereinstimmung zu herrschen, sonst hätte derselbe doch schon einen Beschluß gefaßt. — Es sei vielleicht zu wenig bekannt, daß jähr⸗ lich etwa A/ Millionen Centner Roheisen in Deutschland eingeführt und in verarbeitetem Zustande wieder ausge⸗ führt würden. Auch sechs Millionen Centner ausländisches Getreide gingen jährlich als Mehl wieder ins Ausland. Ebenso sei es mit den Garnen, von denen Deutschland den größten Theil aus dem Auslande beziehe und sie hier ver⸗ arbeite. Die Beeinflussung, welche die Düsseldorfer Regie⸗ rnng auf die in ihrem Bezirke wohnenden Fabrikanten autzübe, ihre Arbeiter den staatlichen Versicherungakassen zuzu⸗ führen, halte er entschieden für verwerflich, es werde dadurch gleichsam die Reichsregierung verdächtigt, als steckte sie dahinter. Im Allgemeinen seien die Erträge der deutschen Zölle und Steuern zurückgegangen, nur die Tabacksteuer nicht. Er möchte auch wünschen, daß dem Hause über die Ergebnisse des Zolltarifes häufigere statistische Publikationen ge⸗ macht würden. Richtiger als der Veredlungsverkehr, bei welchem stets billig an das Ausland, aber theuer an das Inland verkauft werden solle, würde eine Herabsetzung der Garnzölle selbst sein. An die Frage der admission temporaire knüpfe sich nun noch ein auffälliges Reskript der Königlich preußischen Regierung in Düsseldorf, welches einige Fabrikanten, die nur freien Krankenkassen bei⸗ getretene Arbeiter hätten beschäftigen wollen, offen mit der Ver⸗ sagung der Admission temporaire bedrohe; solches kurz⸗ sichtige Verhalten könne in der Garnzollfrage nur das Entgegenkommen der Reichsregierung hindern. Bisher habs man es immer für Aufgabe der Beamten ge⸗ halten, die Anträge deutscher Gewerbtreibender sachlich zu prüfen, und je nach dem Ausfall der Prüfung zu berücksichtigen oder abzulehnen. Es würde sehr bedauer⸗ lich sein, wenn eine solche pflichtmäßige Berücksichtigung künftig nur als ein Geschenk behördlichen Wohlwollens ge— währt werden solle. Möge die Düsseldorfer Regierung des- halb vom preußischen Ministerium zur Rechenschaft gezogen werden: die Reichsregierung könne doch die gegen sie aus⸗ gesprochene Verdächtigung nicht unwidersprochen lassen. Die Halbseiden⸗Industrie, um welche es sich handele, ernähre Hunderttausende; was gehe es alle diese an, ob einzelne Fa⸗ hrikanten in der Krankenkassenfrage nicht so gehandelt hätten, wie die Regierung wolle. Auch der Reichstag sei an der Austragung dieser Sache interessirt. Hätten doch die Gutachten der lokalen Behörden vielfach das Material zur Entscheidung der Reichsregierung und des Bundes⸗ rathes geliefert. Werde also in dieser Instanz, je nach per⸗ sönlichem Verhalten in anderen Dingen, Lob und Tadel ver⸗ theilt, so würden alle aus dieser Quelle fließenden Erwägun⸗ gen sehr an Gewicht verlieren. Freilich sei dieses Vorkommi⸗ niß nur ein Zeichen jenes Systems der Schädigung und Be⸗ günstigung, in welches Deutschland durch einen hoch ausgebil⸗ deten Zolltarif und seine Konsequenzen gergthen sei; es wäre deshald wenigstens zu wünschen, daß die Reichsregierung die in dem citirten Reskript liegende schwere Beleidigung mit der nöthigen Energie zurückwiese.
Hierauf nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs⸗-Schatzemts von Burchard das
Wort: Meine Herren, es kann nicht in meiner Absicht liegen, auf die finanzpolitischen und steuerpolitischen Gesichtspunkte hier näher einzu⸗ gehen, die rücksichtlich des Zolltarifs und der etwaigen Umgestaltung desselben Seitens des Herrn Vorredners geltend gemacht sind. Ich nehme an, vaß sich in nächster Zeit Gelegenheit bieten wird, über den . und Über seine Reformbedürftigkeit hier im Hause noch eingehender sich zu unterhalten, und möchte deshalb glauben, daß es dem Wunfche des Hauses entspricht, wenn ich es vermeide, auf diese allgemeinen Gesichtspunkte, welche der Herr Vorredner allerdings auch nur berührt hat, hier näher einzugehen.
Zunächst darf ich einer Behauptung entgegentreten, die der Herr
nach der beigefügten Berechnung solle allein der Zoll auf unver⸗ 2 Tabac 5 1600 000 S mehr einbringen. Thatsächlich
Vorredner jetzt aufgestellt hat und die auch schon bei der erstuꝛ
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