die in der Industrie bezüglich der Melassebesteuerung eingetreten sei. Dieselbe sei jetzt ungefähr bis zur Hälfte der sämmtlichen Rübenzuckerfabriken Deutschlands gestiegen. An und für sich gehe diese Befürchtung nicht weiter, als daß durch diese Agitation für die Melassebesteuerung der Weg zur * brikatsteuer geebnet werden möchte, gegen die er persönlich sich ganz entschieden erklären müsse. Die Frage der Melasse⸗ besteuerung sei außerordentlich schwierig, aber nicht unlösbar. Noch sei sie nicht durchgearbeitet und von der Regierung steuer⸗ technisch noch nicht in Angriff genommen worden. Aber er halte die Möglichkeit einer Lösung durchaus nicht für ausgeschlossen durch ein Abkommen auf dem Boden der Rübenbesteuerung und warne davor, sie, weil sie schwierig sei, für unlösbar zu halten und nach Art mancher In⸗ teressenten, die bisher auf dem Boden der Rüben⸗ steuer gestanden hätten, die Flinte ins Korn zu wersen und sein Heil in der Fabrikatsteuer zu suchen. Ein anderer ver—⸗ hängnißvoller Irrkhum sei die Ansicht, daß, wenn einmal, wie allerseits verlangt und von der ganzen Industrie zuge⸗ geben werde, die Exportbonifikation keine Prämie mehr ent⸗ halten solle, dann jür die Industrie und den Landbau durch⸗ aus keine Veranlassung mehr sei, bei der Rübensteuer zu bleiben, und daß dann für sie der Uebergang zur Fabrikat— steuer gleichgültig oder gar nützlich sei. Er warne ganz ent— schieden vor diesem Irrthum. Einmal bleibe, auch wenn die Vergütung herabgesetzt und die Frage der Melassebesteuerung in irgend einer Weise gelöst sei, der bisherige Anreiz, der in dem jetzigen Besteuerungssystem zur Vervollkommnung des Rübenbaues und der Fabrikation liege, derselbe: Rübenbauer wie Fabrikant würden sich in den Genuß einer Prämie setzen, und erst seit 9 Jahren bestehe diese Kontroverse. Vorher habe keine Exportprämie bestanden, und die Ausfuhr sei so gering gewesen, daß sie keine finanzielle Bedeutung gehabt habe. Man könne aber durchaus nicht sagen, daß das jetzige Besteuerungssystem erst in den letzten 9 Jahren auf die Entwickelung des Rüben⸗ baues eingewirkt habe. Dieser günstige Einfluß sei vom ersten Augenblick an dagewesen und werde auch bei Herabsetzung der Exportbonifikation fortdauern. Ferner sei vor dem voreiligen Verlassen der jetzigen Besteuerungsgrundsätze zu warnen, weil dadurch eine unßgemeine, in ihren Folgen nicht berechenbare Verschiebung in den landwirthschaftlichen und Fabrikations⸗ verhältnissen der jetzigen Zuckerdistrikte entstehen würde. Das ganze jetzige System dränge darauf hin, eine möglichst zuckerreiche Rübe zu bauen, und die Zucker— industrie habe sich daher naturgemäß der Gegenden bemäch⸗ tigt, wo Boden und Kultur das ermöglichen. Mit dein Uebergang zur Fabrikatsteuer werde dieser Vorzug in nicht zu übersehender Weise verschoben. Im Anhaltischen sei der Preis des Bodens auf eine enorme Höhe geschraubt, man zahle Pachtbeträge von 120, ja 1650 ½ι pro Hektar, einzig auf den Ertrag des Rübenbaues. Bei der Fabrikatsteuer würden die Preisverhältnisse der zuckerreichen Rüben vollständig an⸗ dere, und eine enorme Umwälzung in den bisherigen Ver⸗ hältnissen werde unvermeidlich. Die Rückwirkung auf die Finanzen liege zu Tage. Ein schroffer Uebergang zur Fabrikat—⸗ steuer würde unmöglich dem Staat bedeutende Mehreinnahmen schaffen; man müßte sie mit Rücksicht auf die betreffende In— dustrie und die Landwirthschaft außerordentlich niedrig bemessen, höchstens auf die Hälfte der jetzigen, auf 41s9 S6. Jedenfalls müßten die Freunde der Fabrikat— steuer eine Periode schaffen, unter deren Herrschast sich der Uebergang der Preis- und Pachtverhältnisse ruhig vollziehen, und, was noch wichtiger sei, der inländische Konsum stärker entwickeln könne. Die Entwickelung dieses Konsums sei bei der Fahrikatsteuer nothwendig, weil der bisherige besondere Anreiz der Exportprämie, die andere Länder gewähren, mit ihrer Einführung zum größten Theil abgeschnitten werde. Der Export Deutschlands an Roh⸗ und raffinirtem Zucker werde unbedingt leiden und man würde nur in einer bedeutenden Steuerermäßigung, die den inneren Konsum erheblich ver— mehre, einen Ersatz für den Ausfall finden, den die deutsche Rüben- und Zuckerindustrie und der Export erleide. Wolle man diese Branche nicht an der Wurzel tödten, so müsse die Fabrikatsteuer so niedrig gegriffen werden, daß von vornherein auf jede Steigerung der Einnahmen zu nerzichten sei. Was die Vermehrung des Konsums betreffe, so habe er persönlich die Meinung, daß der Zucker im Ver⸗ hältniß zu allen Steuern, die Salzsteuer natürlich aus— genommen, entschieden viel zu hoch besteuert sei, und daß das englische System, den Branntwein allmählich zur ergiebigsten Einnahmeguelle zu machen, dagegen den Zucker frei zu lassen, auch für Deutschland als die wünschenewertheste Direktion er⸗ scheine, wenn auch bei der augenblicklichen finanziellen Lage noch keine Rede davon sein könne. In England habe die Steuer von Rohzucker durchschnittlich 54 Schilling betragen, von 1864 — 1874 sei sie in 5 Abstufungen immer mehr herab⸗ gesetzt bis zur vollständigen Zollsfreiheit. In den 10 Jahren der allmählichen Herabsetzung hätten die jährlichen Konsumsteuern 15 9, und von 1874 ab bis 1882, wo der Zucker also gar nicht mehr besteuert gewesen sei, 3519 betragen, seien also beinahe auf das Doppelte ge⸗ stiegen. Ein ähnliches Ergebniß habe sich in Frankreich herausgestellt: von 1870 an habe es seine finanziellen Erträge in Bezug auf die Zuckersteuer bis auf die enorme Höhe von S4 Fr. sür 100 kg erhöht, von 1879 an sei diese Steuer plötzlich ungefähr um 40 Proz. herabgesetzt. In Folge dessen hätte die Zunahme des Konsums in den Jahren 1870—79 bis auf noch nicht 0 kg jährlich gestockt, sei dann aber von 1879 — 82, dem letzten Jahre, von dem ihm die Statistik vor⸗ liege, um 39 Proz. gestiegen. Der Konsum von 10 kg jähr⸗ lich sei ungefähr auf 1 kg gestiegen. Er schließe mit dem Ausdruck großer Befriedigung durch die letzten Worte des Ministers Lucius, daß bei der künftigen Regelung dieser Frage in erster Linie die Interessen der Landwirthschast und Industrie, gleichzeitig und voll, jedoch in zweiter Linie die des Reiches wahrgenommen werden sollten und müßten
Demnächst nahm der Staatssekretär des Reichs⸗Schatz—⸗ amts von Burchard das Wort:
Meine Herren! Nach den eingehenden Ausführungen, die von meinem Herrn Nachbar hier über den Gegenstand bereits gemacht sind, darf ich mie gestatten, mich auf wenige Punkte zu beschränken; namentlich beabsichtige ich nicht, auf das Meritorische der definitiven Regelung der Zuckersteuer einzugehen, ich glaube, dieser Gegenstand würde kaum hierher gehören, es wird ja wohl einer Erörterung bis dabin vorzubehalten sein, daß über die Frage, wie die Zuckersteuer definitiv geregelt wird, hier Beschluß zu fässen ist.
Ich möchte zunächst ankaüpfen an das, was der Herr Referent gesagt hat, und kann nur bestätigen, daß er im Wesentlichen das richtig wiedergegeben hat, was von meiner Seite und von Seiten der Regierungskommissacien in der Budgetkommission erklärt ist.
Was zunächst die Frage der Höhe des Giats betrifft, so, glaube
ich, hat der Herr Referent allerdings meine Aeußerung ein bischen zu af wiedergegeben. Ich habe in der Budgetkommission dasselbe ge⸗ agt, wenigstens sagen wollen, wag ich hier bei der ersten Berathung des Etats ausgesprochen habe, daß nämlich der Ansatz wahrscheinlich zu hoch gegriffen sei, aber ich habe durchaus nicht behauptet und konnte es auch nicht behaupten, daß er jedenfalls zu hoch ge⸗ griffen sefs, denn es kommen dabei so weitgehende Voraus—⸗ r. in Betracht, daß jetzt kein Mensch sagen kann, in welchem aße er sich erfüllen wird, in welchem niht; aber ich muß aner kennen, daß er vielleicht oder wahrscheinlich zu hoch gegriffen ist Was nun meine Erklärung Über die zukünftige Gestaltung der Zuckersteuergesetzgekung betrifft, so möchte ich Folgendes wieder⸗ holen: man muß unterscheiden zwischen der definitiven Gestaltung der Zuckersteuergesetzgebung und zwischen der provisorischen. Die provisorische Gestaltung ist jetzt deshalb nothwendig. weil wir ein Gesetz haben, welches nur bis zum 1. August gilt; wenn es nicht verlängert wird, so würde der alte Satz von 9,40 4 pro Centner Rohzucker platzgreifen. Ich möchte aber annehmen, daß es nicht in der Absicht der verbündeten Regierungen liegt, diesen Satz am 1. August wieder eintreten zu lassen. Wenn man eine defi⸗ nitive Regelung der Zuckersteuer jetzt vornehmen wollte, so würde man damit ja zugleich auch diesem Gesichtspunkte Rechnung tragen, also dafür sorgen, daß die frühere Ausfuhrvergütung nicht wieder hergestellt wird; wenn man das aber nicht kann und nicht will, dann wird es nöthig sein, nach meiner Auffassung wenig⸗ stens, dahin Vorsorge zu treffen, daß für das nächste Betriebsjahr der Zustand genau so erhalten bleibt, wie er jetzt ist, das heißt, daß die Ausfuhrvergütung bezahlt wird in der jetzigen Höhe von 9 M
Was die verbündeten Regierungen uber die definitive Gestaltung der Zuckersteuer ⸗Gesetzgebung in der Zukunft gedacht haben, das liegt Ihnen klar vor. Die verbündeten Regierungen haben in der vorigen Session nach sehr eingehenden Erwägungen und auf Grund des Bericht; der Zuckerenquete⸗ Kommission ihre Vorschläge gestaltet, und sich dabei im Wesentlichen an das an— geschlossen, was die Zuckerenquete⸗Kommission gesagt hat. ja sie sind zum Theil noch über deren Vorschläge hinausßgegangen, indem sie einen höheren Steuersatz vorgeschlagen haben, als die Enguetekom— mission befürwortet hat. Meine Herren, daß sind die Ansichten ge⸗ wesen, die die, verbündeten Regierungen über die Art und Weise, wie die Zuckersteuerfrage zu regeln sei, gehabt haben und ich habe keinen Grund anzunehmen, daß sie zur Zeit anderer Auf— fassung sind, es ist das aber auch nicht ausgeschlossen, ich bin voll⸗ ständig außer Stande, hierüber etwas zu erklären. Aber ich möchte nur dem entgegentreten, als ob diese Frage ‚verschoben wäre, als ob die Regierungen ‚rathlos dieser Frage gegenüber gestanden hätten? — ich weiß nicht, welche Worte und Ausdrücke gebraucht worden sind. Das ist einfach nicht der Fall, und wenn der Hr. Abg. Oechelhäuser darauf hingewiesen hat, daß sich schon vor 25 Jahren Seitens des hochrerehrten Hrn. von Bennigsen in sehr ausführlicher und utreffender Weise üher die Frage hier geäußert hat und daß die ver— bündeten Regierungen doch nichts gethan hatten, so trifft auch das nicht zu. Sie waren schon damals mit Erwägungen beschäftigt, wie die Zuckersteuer-Frage neu zu ordnen sel, und im unmittelbaren An— schluß daran sind sie auch mit Vorschlägen an das Haus getreten, zunächst mit Vorschlägen auf provisorische Regelung durch Herab— setzung der Ausfuhrvergütung Aber gleichzeitig ist die Ein— setzung einer Enquetekommission beschlossen worden; diese hat mit Hingebung gearbeitet und auf Grund der Anträge der⸗ selben sind die Vorschläge der verbündeten Regierungen agus— gearbeitet worden und würden wohl längst Gesetzeskraft erlangt haben, wenn nicht die Krisis eingetreten wäre, die allerdings zu einer erneuten Erwägung der Sache auffordert.
Das ist die Situation, und ich glaube, daß irgendwie ein Vor— wurf, gegen die verbündeten Regierungen nicht erhoben werden kann. Es ist von mehreren Seiten auch schon früher wiederholt gesagt worden: Die Prämien sind zu hoch, wir haben schon längere Zeit darauf aufmertsam gemacht, daß zu hohe Prämien gezahlt werden. Ja, meine Herren, wenn man einem solchen Auf— merksammachen immer gleich in der Weise Folge geben wollte, daß man sofort zu einer Aenderung der Gesetzgebung übergehen wollte, dann möchte ich wissen, mohin wir gekommen wären. Ich erinnere nur daran, daß schon im Jahre 1872 und dann alle Jahte auf das Scärfste betont und behauptet wurde; „bei der Ausfuhr von Spiritus wird eine kolossale Prämie gegeben, darin liegt ein Unfug, der muß abgestellt werden“. Jetzt ist man in dieser Beziehung schon ganz still geworden, ich habe in letzter Zeit nicht mehr gehört, daß Jemand das noch behauptet hat. Es hat sich herausgestellt, daß die Behauptung vollständig unrichtig ist — es werden keine Prämien gezablt, es ist sogar fraglich, ob die volle Steuer rückgezahlt wird, das geht schon ganz klar aus den Brannt— weinsteuer · Einnahmen hervor. Sie sehen. wie schwer es ist, über solche Fragen zu urtheilen und wie sehr es sich empfiehlt, in Bezug auf solche Urtheile vorsichtig zu sein. Jedenfalls werden die verbündeten Regierungen, ehe sie sich einer solchen Behauptung an—2— schließen und darauf ihre steuerpolitische Pläne gründen, dieselbe einer gehörigen gründlichen Prüfung zu unterwerfen haben.
Es entspricht auch der Natur einer jeden Material⸗ oder Raum
besteuerung, daß die Steuer nicht immer im genauen Verhältniß zur Ausfuhrvergütung stehen kann. Die Steuer wird erhoben von einem andern Objekt, als die Vergütung gewährt wird. Es wird immer nur auf eine durchschnittliche Vergütung herauskommen können; die Vergütung wird vielleicht für den Einen immer zu klein, für den Andern häufig zu hoch sein, sie wird nach den einzelnen Jahren relativ schwanken. Es kann nur darauf ankommen, einen Durch— schnitts satz anzunehmen, und die Auffassung, daß dieser Durchschnitts— satz auf die Dauer und erheblich ein unangemessener der Steyer gegen— über ist, diese Frage bedarf immer einer sehr sorgfältigen Erwägung.
Meine Herren, ich kann nicht sagen, was die verbündeten Regie⸗ rungen demnächst vorzuschlagen beabsichtigen, sie haben sich noch nicht definitiv geeinigt. Ich glaube, daß zur Zeit nichts weiter erübrigt würde, als eine Verlängerung des jetzt geltenden Gesetzes über die Ausfuhtvergütung eintreten zu lassen. Die Regierungen werden aber diese Frage fortdauernd einer Prüfung unterwerfen, und ich glaube, daß sie in nicht zu ferner Zeit, wenn sie der Meinung sind, daß die Lage der Zuckerindustrie es verträgt, daß ohne wesentliche Schädigung derselben eine definitive Lösung der Frage stattfinden kann, nicht verabsäumen werden, eine solche Ihnen vorzuschlagen, wie sie es bereits gethan haben. Ob das nun in derselben Weise oder in anderer Weise geschieht, darüber kann ich keine Auskunft geben.
Ich möchte dann auf einige spezielle Punkte übergehen, an— knüpfend an das, was der Hr. Abg Graf Hacke und zwar erstens über die Wünsche und Anträge geäußert hat, welche beim Bundesrath gestellt worden sind, und zweitens über den vorliegenden Matrag unter Nr. 112 der Drucksachen. Es sind beim Herrn Reichfkanzler und beim Bundesrath Anträge gestellk worden, zunächst auf Bewilligung von Privatlägern zur Aufnahme des Zuckers, der zur Ausfuhr be— stimmt ist. Es ist schon früher vom Bandesrath in dieser Beziehung eine Erleichterung zugestanden worden, und trotz der großen Schwierigkeiten, mit denen eine solche Gestattung z. B. in Fabriken für die Steuererhebung verbunden ist, ist doch Seitens aller Regierungen bereitwilligst darauf eingegangen worden, wo es verlangt wird, derartige Privatläger zu⸗ zugestehen. Allerdings kann ich hinzufügen, daß das Verlangen noch nicht in sehr großem Maße gestellt worden ist. Aber, wo es gestellt ist, ist demselben entsprochen worden.
Eß ist dann ferner beim Bundesrath beantragt worden, daß der Zucker bei der Entnahme aus den privaten oder öffentlichen Niederlagen nicht den Zoll, sondern nur die Steuer⸗ vergütung zu zahlen habe, wenn er wieder ins Ineland zurückgeführt werden soll. Der Bundesrath hat diese Anträge einer eingehenden Prüfung unterworfen und sie abgelehnt. Die Gründe für seine Entscheidung theilt ja der Bundesrath in der Regel nicht mit; ich nehme aber keinen Anstand, hier kurz anzudeu⸗ ten, welche Gründe ihn dabei geleitet haben.
Der nächste Grund ist der gewesen, daß der Bundesrath Be⸗
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denken trug, einem solchen Antrage eigenmächtig zu entsprechen, ohne gesetzliche Regelung. Nach dem 1 — ist die Steuerver⸗ gütung zu zahlen bei der Ausfuhr, und der Ausfubr ist gleichgestellt die Aufnahme in die Niederlagen, beziehungsweise in eine Privatniederlage. Der Gesichtspunkt ist also der, daf der
ucker ausgefübrt oder quasi ausgeführt werden muß, wenn ihm die Vergütung gezahlt werden soll. Und wenn er ausgeführt ist, dann kommt er, wenn er wieder ins Inland kommt, eben vom Auslande herein, und die ausländische Waare unterliegt dem Zoll, der im Ge⸗ setze bestimmt ist, während die Ausfuhrvergütung nur für denjenigen Zucker bestimmt ist, der ausgeführt wird. Also würde es nach dem bestehenden Gesetz sehr bedenklich sein, für solchen Zucker, der aus⸗ geführt ist, wenn er wieder hereinkommt, die Ausfuhrvergütung zuzu⸗ lassen, nur die Ausfuhrvergütung zahlen zu lassen und nicht den Zoll. Eine Aenderung hierin würde nach Auffassung des Bundesraths schwerlich ohne Aenderung des Gesetzes möglich sein. Das ist der erste Grund gewesen.
Der zweite Grund, der den Bundesrath geleitet hat, ist der gewesen, daß, soweit sich das übersehen läßt, eine sehr wesentliche Verschiebung der Steuereinnahme eintreten würde, wenn man dem Antrage ent⸗ spräche. Ganz bestimmtes läßt sich darüber nicht sagen; indessen ist Folgendes anzunehmen: Wenn es gestattet wird, daß der inländische Zucker in Niederlagen gebracht wird, und es der Fakultät des Rieder⸗ legers überlassen bleibt, ihn auszuführen oder gegen Erstattung der gezahlten Ausfuhrvergütung zurückzunehmen, dann würde wahrscheinlich in sehr großem Umfange der Zucker, der im Inlande zur Zeit disponibel ist, auf die Steuerläger gebracht werden, und es müßte dafür Seitens des Reiches die Ausfuhrvergütung gezahlt werden. Dagegen würde nur nach Maßgabe des dringendsten Konsumbedürfnisses der Zucker von den Lägern zurückgenommen werden gegen Rückzahlung der Ausfuhr vergütung. Nun ist aber anzunehmen, daß jetzt sich im freien Verkehr in der zweiten, dritten Hand eine ungewöhnlich große Menge Zucker befindet in Folge der niedrigen Preise, die jetzt gelten, daß also das Bedürfniß, wenn dem Antrag stattgegeben würde, auf Zurücknahme von Zucker aus den Niederlagen für die nächste Zeit überhaupt kaum entsteben würde, sondern erst nach Ablauf einer nicht unbeträchtlichen Zeit. Die Frage ist auch rechnerisch geprüft worden, und der Bundesrath ist zu der Auffassung gelangt, daß, wenn dem Antrage stattgegeben würde, die Steuereinnahme aus dem Zuaͤcker für das nächste Etatjahr sich voraussichtlich auf ein sehr geringes Maß reduciren würde, so daß wir einen ganz wesentlichen Ausfall an Zucker⸗ steuer für das nächste Jahr hätten. Für die spätere Zeit würde ja das Normale wieder eintreten, aber momentan würde die Maßregel mit einer sehr erheblichen Verkürzung unserer Steuereinnahme verbunden sein.
Auch noch andere Gründe sind in Betracht gezogen worden, auf die ich nicht näher eingehen will; der erste Grund mußte schon dahin führen, daß der Bundesrath dem Antrage nicht entsprechen konnte, weil er von der Ansicht ausging, daß die Angelegenheit gesetziich ge⸗ regelt werden muß. Aber dem würde nichts entgegenstehen, daß die Frage hier im Reichstage einer Erörterung unterzogen wird, und die verbündeten Regierungen sind sicher gewillt, in dieser Frage den Auf⸗ fassungen des Reichstages, soweit es irgendwie möglich ist, sich anzu⸗ bequemen.
Was nun die Resolution Nr. 112 betrifft, so geht sie dabin, den Bun⸗ des rath zu ersuchen, die Kreditfrist für die Entrichtung der Rübenzucker⸗ steuer von 6 auf 9 Monate zu verlängern, sie geht also davon aus, daß der Bundesrath befugt ist selbständig eine solche Verlängerung vor⸗ zunehmen. Das ist an sich auch zutreffend, denn nach der von den Bundesregierungen unter den Zollvereinsstaaten vereinbarten Ver⸗ ordnung hat der Bundesrath darüber zu bifinden, welche Kreditfrist zu gewähren ist. Ich glaube aber doch, daß bei der eigenthümlichen Art, wie die Sache jetzt liegt, der Bundesrath vielleicht Anstand nehmen und sich bedenken würde, ohne Beschreitung des gesetzlichen Weges eine solche Maßregel einzuführen. Ich sage, unter den gegen — wärtigen Umständen, denn würde die Kreditfrist allgemein auf 9 Monat verlängert, so würde ja das Naturgemäße sein, daß auch die Frist zur Zahlung der Ausfuhrvergütung in ent- sprechender Weise verlängert würde. Prinzipiell wird es nicht zulässig sein, für die Zahlung der Ausfuhrvergütung von vornherein eine wesentlich geringere Frist zu bestimmen, als für die Steuer entrichtung, denn es würde darauf hinauskommen, daß das Reich eber herauszahlt, als es die Steuer hat. Von dieser Auffassung ist der Bundesrath auch bei Bemessung der Fristen ausgegangen. Im vor- liegenden Fall sind nun aber bezüglich all der Ausfuhren, welche in der Zeit vom 1. September bis jetzt erfolgt sind, bereits die Ausfuhr⸗ verguͤtungs⸗Anerkenntnisse ausgegeben, sie befinden sich in freiem Ver⸗ kehr, sind auf 6 Monate ausgestellt und müssen naturlich nach Ablauf dieser Zeit bezahlt werden. Eine Verlängerung dieser Frist würde wohl ausgeschlossen sein, denn es würde das ein tiefer Eingriff in Privatrechte sein, und — ich brauche das nicht weiter auszuführen — davon wird wohl von vorneherein abzusehen sein. Die Situation wäre also die, daß durch Verlänge⸗ rung der Kreditfrist die Stegerzahlung allgemein hinausgeschoben würde, aber die Vergütung aus der Reichskasse wenigstens für alle Ausfuhren zu zahlen wäre, die bereits erfolgt sind, und das ist der bei weitem größere Betrag der diesjährigen Zuckerausfuhren. Des⸗ halb, glaube ich, würde der Bundesrath Anstand nehmen, seinerseits, ohne den Weg der Gesetzgebung zu beschreiten, einem solchen Antrage zuzustimmen.
Es ist aber noch ein anderer Grund, weshalb es durchaus noth⸗ wendig sein wird, diese Frage gesetzlich zu regeln. Der Grund liegt darin, daß, wenn dem Antrage entsprochen wird, ein erheblich gesteigertes Be⸗ dürfniß nach Verstärkung unseres Betriebsfonds damit verbunden ist. Das würde ja an sich nicht die Unmöglichkeit der Annahme des Antrags begründen, aber ich halte mich für verpflichtet, es hier auseinanderzu⸗ setzen. Wir haben für dieses Jahr eine Rübenverarbeitung von rund 200 Millionen Centner zu erwarten, welcher ungefähr 160 Millionen Steuern entsprechen. Die Rübenverarbeitung vollzieht sich meistens in etwa 6 Monaten, also vertheilt sich auch die Steuer⸗ zahlung bei 6monatlichem Kredit auf etwa 6 Monate, so daß durch eine Verschiebung der Kreditfrist um 3 Monate, wenn die Einzahlung regel mäßig erfolgen würde, ein gesteigertes Bedürf⸗ niß nach Betriebsfonds von ungefähr 80 Millionen Mark entstünde — auf drei Monate! Nun aber vertheilt sich die Rübenverarbeitung nicht gleichmäßig auf diese einzelnen sechs Monate, sondern sie schwankt erheblich in ihren einzelnen Beträgen für einzelne Monate, und aus diesem Grunde erhöht sich auch zeitweise das Bedürfniß einer Verstärkung der Betriebsfonds; in welchem Maße, läß! sich nicht ganz genau feststellen, aber jedenfalls doch auf 100 Millionen. Für einen solchen Betrag müßte Veckung der Reichskasse beschafft werden. Wenn das nun durch Schatzanweisungen geschähe, und man annimmt, daß dafür etwa 400 Jahreszinsen zu zahlen wären, so würde ein Zinsenaufwand von etwa 1 bis L/ Millioa sich ergeben. Das darf jedoch nicht abhalten, meine Herren, dieser rage näher zu treten; dies Opfer ist nicht so überaus eiheblich. Ich habe mir nur erlaubt, auf die Schwierigkeiten hinzuweisen; das Aeußerste, wenn man zu Schatz⸗ anweisungen überginge, wäre ein Zinsverlust von etwas über 1 Million.
Es wäre auch nicht ausgeschlossen, daß man einen anderen Weg gehen könnte: daß man eine unverzinsliche Verstärkung des Kredits in Aussicht näbme; aber es scheint aus diesen Ausführungen hervor— zugehen, daß es sich vielleicht empfehlen wird, diesen Antrag nicht hier zur Erledigung zu bringen, sondern entweder einen besonderen Gesetzesantrag zu stellen oter diesen Antrag in der Kommission zu berathen und zu prüfen, wie er zu gestalten sein würde.
Meine Herren, ich möchte auch meinerseits mit dem Anerkennt⸗ niß schließen, daß für die Frage, wie die Zuckersteuer zu ordnen sei, in erster Linie das Interesse der Industrie maßgebend ist, und daß das finanzielle Bedürfniß, so wichtig und bedeutungsvoll es sein mag. zurückstehen muß hinter den wichtigen landwirihschaftlichen und wirth2 schaftlichen Interessen, die bei dieser Frage in Betracht kommen.
Der Abg. Dirichlet bedauerte, daß die Regierung die so überaus weisen Lehren, die man heute von ihr höre, nicht im Jahre 1879 befolgt habe, wo sie wegen der schlechten Verhäl
nisse eines einzigen Jahres das ganze Prinzip der Zollgesetz⸗ gebung über den Haufen geworfen habe, und daß die Regie⸗ rung diese weisen Lehren auch jetzt wieder nicht befolgen wolle, sondern mit neuen Zollerhöhungen vor das Haus trete. Be⸗ züglich des Antrags von Hacke sei auch er der Meinung, daß es nicht zweckmäßig sei, eine so eminent bedeutsame Maß⸗ regel, die wieder einmal einen einzelnen Industriezweig auf Kosten der übrigen Steuerzahler unterstützen solle, hier als bloße Kleinigkeit zu behandeln. Eine gründliche kommissarische Berathung werde jedenfalls nöthig sein. Der Schluß der Rede des Staatssekretärs, daß in erster Linie nicht die finanziellen, sondern die Industrie⸗Interessen kämen, stimme ganz mit der gesammten jetzigen Wirthschaftspolitik der Regie⸗ rung überein, bei welcher ja immer in erster Linie die Inter⸗ essen der Interessen ten, erst in zweiter Linie die Interessen der Gesammtheit gekommen seien. Das heiße eben einfach die Defizitwirthschaft auf Kosten der Gesammtheit zu Gunsten einzelner Interessenten verewigen, eine Defizitwirihschast, in die man jetzt so hoffnungsvoll eingetreten sei, trotz aller großen Verheißungen von Ueberschüssen, Steuererlassen ꝛ2c., die dem Hause vom Regierungetisch gegeben seien. Eine Verlängerung der Kredite halte er übrigens nur insoweit eventuell für zu⸗ lässig, als die betreffenden Industriellen kreditwürdig seien. Der Antrag von Hacke sei um so bedenklicher, als derselbe in seiner jetzigen Allgemeinheit zu erheblichen Ausfällen für den Steuersäckel führen könne. Indem er sich prinzipiell gegen den An⸗ trag erkläre, bitte er, denselben an die Budgetkommission zu überweisen. Dem Grafen Stolberg gegenüber bestreite er, daß eine allgemeine Kalamität der Landwirthschaft vorliege, daß sie namentlich vorgelegen habe, als der Rübenbau so große Dimensionen angenommen habe. Nicht die cxorbitante Nothlage der Landwirthschaft habe den Antrieb zum Rühen⸗ bau gegeben, sondern die blendenden Prospekte der Zucker⸗ fabriken, die ungeheuere Rentabilität derselben, die wieder größtentheils ein Produkt der nicht mehr richtigen Besteuerung gewesen sei, hätten die Ueberproduktion der Zuckerindustrie herbeigeführt. Eine Steigerung des Zuckerkonsums in Deutsch⸗ land wünsche auch er; aber diesen Konsum werde man nie— mals steigern können, wenn man die Getreide⸗ und Viehzölle erhöhe, wenn man diejenigen Nahrungsmittel vertheuere, die noch viel nothwendiger seien, als der Zucker. Durch das jetzige Wirthschaftssystem mache man die Steigerung des Zucker⸗ konfums in Deutschland einfach unmöglich. Er bestreite sodann dem Minister Lucius, daß seine Partei einer für die Land— wirthschaft wichtigen Entwickelung Hemmnisse bereiten wolle. Er wolle nur nicht eine einseitige Richtung künstlich fördern; und von einer allgemeinen Kalamität der Landwirthschaft könne man nicht sprechen, ohne übers Ziel hinauszuschießen. Die französische Enquete beweise für Deutschland gar nichts. Wenn die Franzosen mit staatlicher Bevorzugung eines ein— zelnen Industriezweiges diesen zur Ueberproduktion bringen wollen, so mögen sie Deutschland das nachmachen; das sei ihre Sache. Der Abg. DOechelhäuser hahe einmal ein Manifest erlassen, man möchte vor der Hochfluth der agraxi— schen Bestrebungen auf der Hut sein. Die bisherige Thätig⸗ keit der politischen Freunde des Abg. Oechelhäuser habe diesem Manifest aber wahrlich nicht entsprochen. Die agrarischen Bestrebungen verderblich nennen, das helfe nichts; man müsse sie wirksam durch die That bekämpfen. Er bitte zum Schluß nochmals, den in seiner Tragweite noch nicht zu übersehenden. durchaus nicht unschuldigen Antrag Hacke der Budgetkommission zu überweisen.
Der Abg. Nobbe erklärte, die Reichspartei stehe der Reso⸗ lulion des Grafen Hacke sympathisch gegenüber; mit Recht habe der Letztere schon auf den Nothstand der Landwirthschaft hingewiesen. Reich und Staat könnten hier nur wenig thun, man müsse die Krisis eben ihrer Entwickelung überlassen. Er glaube nicht, daß sie von langer Dauer sein werde; sie sei thatsächlich eine Folge der gesteigerten Produktion. Während diese 1872/73 nur 3 700 000 Centner betragen habe, belaufe sie sich in diesem Jahre auf 22 Millionen. Aehnlich stehe es auf dem gesammten Weltproduktionsgebiete. Die Landwirth⸗ schaft werde den Rübenbau einschränken müssen, und ein be⸗ züglicher Beschluß, eine Reduktion des Anbaues von 20 Proz. eintreten zu lassen, sei ja bereits zu Stande gekom— men. Manche Fabrikanten hätten sich noch gesträubt, dem Beschlusse beizutreten; thatsächlich aber werde eine Beschränkung erfolgen, weil die niedrigen Preise den Rübenbau absolut nicht mehr rentabel erscheinen ließen. Der Abg. Witte habe früher gesagt, daß bei einem Zuckerpreise von 19 S nach dessen Sachkenntniß der Rübenbau noch lohnend sei; nach seiner Sachkenntniß sei es für die Fabri⸗ kanten nach dem jetzigen Stande der Zuckerpreise nicht möglich, die Rüben angemessen zu bezahlen, und also, der Bau von Rüben selbst nicht mehr vortheilhaft. Die Krisis sei eine sehr schwere, und die Rückwirkung auf einen großen Theil der Landwirthschaft eine ungeheure, man müsse deshalb mit allen Kräften dahin wirken, die Krisis abzuschwächen. Die Aus⸗ führung des Zuckers aus steuerfreien Lägern würde allerdings bedeutende Schwierigkeiten machen, und man solle die Sache nicht einer Verordnung des Bundesraths überlassen, sondern auf legislativem Wege regeln. Die finanziellen Wirkungen des Antrages vsn Hacke seien für das Reich so große, daß das Haus über denselben nicht durch eine einfache Resolution sich schlüssig machen sollte. Er beantrage vielmehr, den⸗ selben an eine Kommission von 14 Mitgliedern zu über⸗ weisen. — Die Summe, die als Ertrag der Rübensteuer im Etat eingesetzt sei, werde nicht erreicht werden, sondern sie werde wesentlich hinter dem Anschlage zurückbleiben, denn man sei doch schon in der Lage zu sehen, daß die Steuer selbst bei großer Konsumsteigerung mehr als 30 Millionen nicht betragen werde. Woher komme nun die Verminderung der Erträge, werde sie bleiben, und welche gesetzgeberischen Maßregeln würden nothwendig sein, um der Verminderung zu steuern? Es müsse doch in der Zuckersteuer etwas nicht in Ordnung sein, wenn, obgleich der Konsum steige, die Steuer trotzdem herabgehe. Die Erscheinung habe ihren Grund offenbar darin, daß die Basis des Gesetzes von 1869 eine falsche geworden sei, so daß die Exporthonifikation höher sei als die auf dem Produkt ruhende Steuer. Es existire dadurch also eine Pramie für den Export. Im Jahre 1877/78 habe die Prämie pro Centner 74 33 betragen, 1878775 nur 40 *, 1879 / 80 gar nichts, 1880/81 30 3, 1881/82 97 3, 1882/83 30 8, im vorigen Jahre und in diesem 40 5. Die Basis sei dadurch ver⸗ schoben worden, daß aus der Melasse noch eine Masse Zucker gewonnen werde. Man sage, man müsse die Prämien ab⸗ schaffen; hierbei aber stoße man auf sehr große Schwierig⸗ keiten. Wie das unter der Herrschaft des jetzigen Steuer⸗ systems geschehen solle, das Problem sei bis jetzt noch nicht gelöst und die Industrie halte mit großer Anhänglichkeit an
vor, diesen Weg zu beschreiten.
diesem System fest, durch welches sie groß geworden sei. Das hier perhorreszirie System der Prämien werde von den Kulturstaaten keineswegs so perhorreszirt und habe nicht in Deutschland allein Geltung. Auf dem Gebiet des Spiritus seien die Prämien ganz enorm, ganz England stehe gerade da an der Spitze; Frankreich, Nordamerika, Desterreich, Rußland partizipirten an dem Prämiensystem, und was speziell die Zuckerfabrikation betreffe, so gehe gerade gegenwärtig Frankreich auf dieses System der Prämien zurück. Die Prämien seien ja auch in Deutsch⸗ land nicht zum Prinzip erklärt worden, sondern sie seien entstanden aus der Entwickelung der Dinge. Einen steuer⸗ lichen Vortheil zu gewinnen, darin liege der stetige Anreiz zur Züchtung guter Rüben. Das habe auch die deutsche Industrie auf ihren Standpunkt erhoben; keinem Lande sei es wie Deutschland gelungen, ein zur Zuckerindustrie so vor⸗ züglich geeignetes Material zu gewinnen. Das Maß der Schuld der Regierung, das man ihr darin beimesse, daß sie durch allzu großes Wohlwollen gegen diese Industrie die Aenderung der Steuer verzögert habe, sei ein nominales. Die heutige Krisis würde eingetreten sein, auch wenn die Prämie, die im Durchschnitt 50. J betragen habe, fort⸗ gefallen wäre. Schuld an der Krisis sei die in der ganzen Welt gesteigerte Produktion und zugleich der Umstand, daß die Preise des Weltmarktes nicht auf die Produktions— preise reagirt hätten. Der Centner Zucker werde im Durch⸗ schnitt zu 24 S produzirt; bis zum Januar vorigen Jahres habe aber der Marktpreis 30 „6 betragen, das repräsentire einen Gewinn von 6 S pro Ctr., während die Steuerprämie 50 betrage. Die Aussicht auf den Gewinn dieser Prämie würde also auf die Zuckerindustrie nicht eingewirlt haben, sich zu vergrößern und übermäßig zu erweitern, der Gewinn von 6 S pro Centner sei das Wesentlichste gewesen. Das sei ein durchschlagender Gesichtspunkt. Die Exrregtheit und Erbitte⸗ rung, die man hier und da gegen die Regierung hege, als ob fie die Krisis verschuldet häte, sei, wie er als Zuckerfabri⸗ kant erklären könne, in den Kreisen der landwirthschaftlichen Industriellen durchaus nicht anzutreffen; dieselben haben vielmehr anerkannt, daß die Regierung bei der Verzöge⸗ rung der Steueränderung die beste Absicht, gehabt habe. Es sei ja auch die Landwirthschast selbst gewesen, welche die Regierung dazu aufgefordert habe, und die Landwirthschaft habe sich durch den Umstand ver— locken lassen, daß die Preise des Weltmarktes gegen die Steige⸗ rung der Produktion anscheinend garnicht zu reagiren hätte, und weik sie glaube, daß der Weltmarkt in der Lage sei, jede Steigerung auf sich zu nehmen. Was nun zur Abhülfe ge⸗ schehen solle, darüber seien die Industriellen nach keiner Rich⸗ tung einig. Er sei auch nicht gewillt, dem Hause positive Vorschläge zu machen, weil er sich nicht festnageln wolle, ob⸗ gleich er eine ziemlich krystallisirte Ansicht habe. Aber es sei praktisch, gewisse springende Gesichtspunkte hervorzuheben, an die sich die Diskussion im Lande anknüpfen könne. Wenn eine wesentliche Herabminderung der Exportprämien eintreten solle, so würde das Interesse, welches ein großer Theil der landwirthschaftlichen Interessenten an der jetzigen Steuer⸗ reform habe, sehr herabgedrückt werden. Sollten die Exportprämien so niedrig bemessen werden, daß sie der erhobenen Steuer entsprächen, so würde der Anreiz, einen steuerlichen Gewinn zu erzielen, fortfallen, welcher bis⸗ her so günstig für die Züchtung gut zu verarbeitender Rüben gewirkt habe. Wolle man eine Konsumsteuer, so müsse die⸗ selbe so gering bemessen sein, daß keine Konsumbeschränkung eintreten würde. Die Vorschläge der Enquete hätten die volle Billigung der Regierung nicht gesunden, er warne gleichfalls da—⸗ Die Rübensteuer als solche sei eine sehr schwerfällige, und mit einer prozentualen Er— höhung der Rübensteuer erhöhe man nur ihre Fehler. Man müsse die Steuer so eintichten, daß sie eine legitime Steige— rung des Konsums zulasse. Wenn die Verschiebung der Ver⸗ hältnisse, die dem Gesetz von 1869 zu Grunde gelegt worden seien, die Schuld trage, warum greife man denn die Reform nicht da an? Sei es nicht möglich, das jetzige System beizubehalten und dazu die Melasse zu be⸗ steuern? Die landwirthschaftlichen Interessen hätten nun auch bis vor Kurzem auf diesem Standpunkte gestanden. Nachdem aber der Beweis geliesert worden sei, daß die Einführung einer Melassezusatzsteuer technisch schwer durchführbar sei, hätten sie auch von dieser Modalität des Ausgleichs absehen zu müssen geglaubt. Wenn die Frage vorliege, ob Aenderung des bisherigen Steuersystems oder Beibehaltung desselben und Melassesteuer, so wisse er nicht, ob die Melassefabrikanten nicht die zweite Eventualität trotz ihrer Schwierigkeiten vor— ziehen würden. Für die Leute, die früher für die Melasse⸗ zusatzsteuer gewesen seien, hätten sich aus den Schwierigkeiten derselben nun die Konsequenz ergeben, ob es nicht angezeigt sei, eine niedrige Konsumsteuer zu erheben; und er halte es für seine Aufgabe, diese Bewegung hier zu signalisiren. Wenn man die Exportbonifikation ebenso hoch wie die Steuer bemessen wolle, so würde doch diese Höhe, nur festgestellt werden können ohne Rücksicht auf die Melasse, und die Melasse-Entzuckerer würden also nach wie vor einen steuerlichen Gewinn haben. Gerade ihnen gegenüber müsse es deutlich ausgesprochen werden, daß ein Interesse an der jetzigen Steuermodalität nicht vorhanden sei, wenn es un⸗ möglich gemacht werde, eine Prämie zu gewinnen. Er wünsche übrigens, daß eine etwaige Aenderung nicht blos ein Jahr früher beschlossen werde, sondern man müsse z. B. für die Campagne, die 1887 beginne, schon am 1. August 1886 wissen, woran man sei. Eine längere Hinausschiebung der Regelung dieser Frage sei nicht in der Ordnung. Die Regierung dürjse bei aller Vorsicht, die sie auf diesem Gebiet walten lasse, nicht warten, bis die gesammten Interessen einig seien, sie würden wahrhaftig nicht einig werden. Der oberste Grundsatz aber müsse sein: Schonung der landwirthschaftlichen und industriellen Interessen, und, wenn es nöthig sein werde, zur Konsumsteuer uͤberzugehen, Wahl einer Steuer, die es möglich mache, daß der Konsum im Inlande nicht herabgehe, sondern steige. Steigerung des Konsums im Inlande, darin liege die Zukunft!
Der Abg. Rohland erklärte, die Berechnung, welche der Vorredner aufgestellt habe, sei, wenn auch im Resultat richtig, so doch im Anfatz falsch. In den 50er Jahren habe der Steuerertrag über 50 Millionen Mark betragen, nach einer vorübergehenden, nicht erheblichen Steigerung sei ein Rück⸗ gang eingetreten, und es habe der Steuerertrag im Vorjahre nur noch 28 Millionen Mark betragen, und im laufenden Jahre dürfte ein weiterer Rückgang auf 25 Millionen Mark erfolgen. Er glaube auch, abweichend von dem Vorredner, daß die Krisis eine langandauerndesseinl werde. Er habe bereits
im Jahre 1882.83, als von Seiten der Regierung noch be⸗
hauptet sei, ein Rückgang im Ertrage dieser Steuer sei nicht vorhanden, gebeten, die Zuckerrübensteuer neu zu gegeln, ebenso Hr. von Bennigsen im folgenden Jahre. Die Re⸗ gierung sei seinen Wünschen aber nicht nachgekommen. Auch der von ihm seiner Zeit gemachte Vorschlag einer mäßigen Kontrolstreuer sei nicht realisirt worden; der Regierung habe alfo nichts daran gelegen, klares ziffermäßiges Material zu haben. Die veranstaltete Enquete leide aber an dem großen Fehler, daß keiner der dabei vernommenen Zeugen die Wahr⸗ heit gesagt habe. Es möchte ja richtig sein, daß das jetzige Steuersyftem die deutsche Juckerindustrie ur Blüthe gebracht habe; aber was zu einer Zeit richtig gewesen sei, sei nicht für alle Zeit richtig. Seit 1875 sei die Zuckerrüben industrie eine wesentlich exportirende geworden; sie bedürfe des Spornz nicht mehr, welchen die Besteuerung des Rohmaterials für sie ab⸗ gegeben habe. Da sei es wohl zu überlegen, ob man nicht ein anderes Steuersystem einführen solle. Eine andere Phrase sei die, daß die französische Zuckerindustrie an der Fabrikat⸗ steuer zu Grunde gegangen sei. Aber Frankreich habe eine Fabrikatsteuer gar nicht gehabt, sondern ein Mittel ding zwischen dieser und der Besteuerung des Rohmaterials, die Saftsteuer, welche die Fabrikation in lästiger Weise gehemmt habe. Er glaube deshalb, daß es Zeit sei, in eine neue Gesetzgebung einzutreten und eine Berechnung, die er sich aufgemacht habe, erweise, das es durchaus nichts Schreckliches sei, wenn man zur Fabrikatsteuer übergehen wolle, die noch den Vortheil habe, auf eine Steigerung des Konsums einzuwirken. Sollte die Regierung einem solchen Vorschlage nicht zustimmen können, so würde der Ueberproduktion noch durch eine Herahsetzung der Rüben⸗ steuer auf 40 J und der Erportprämien auf 4416 pro Centner gesteuert werden, so daß thatsächlich die Exportbonifikationen in Fortfall kommen würden. Das sei der Weg, welchen, wie er hoffe, die Regierung betreten werde. Inzwischen könne in der von ihm angedeuteten Art das Zahlenmaterial über das Aus⸗ beutungsverhältniß gesammelt werden. Wenn man sage, daß die gegenwärtige Gesetzgebung eine angenehme Atmosphäre für die Zuckerindustrie sei, in der sie sich gedeiblich entwickeln könne, so komme ihm das vor, wie die Annonce eines Luft— kurorts, in der es heiße: in dieser ausgezeichneten Luft könne man in kurzer Zeit ein hohes Alter erreichen.
Der Abg. Üdo Graf zu Stolberg⸗Wernigerode bemerkte, es sei ausgeführt worden, daß, als alle anderen Branchen der Landwirthschaft sich nicht rentirt hätten, vor etwa zwei bis drei Jahren sich die ganze Landwirthschaft, wo sie irgend ge⸗ konnt habe, auf den Bau von Zuckerrüben geworfen habe. In der Beschränkung könne er das nicht zugeben. Er be— haupte nicht nur: vor 2 oder 3 Jahren, sondern schon seit 10, ja 15 Jahren habe sich die Landwirthschaft in einer Nothlage befunden. Mit theoretischen Erörterungen komme man aber in dieser Frage nicht weiter. Er behaupte, diese Nothlage sei einmal durch die Steigerung der landwirthschaftlichen Pro⸗ duktionskosten, dann durch den Umstand herbeigeführt, daß die Preise der Produkte mit jenen nicht gleichen Schritt ge⸗ halten hätten. Er müsse wieder auf eine schon häufig erwähnte, aber fortwährend wieder übersehene Thatsache hinweisen, daß nämlich in Preußen bei den Neuverpachtungen der Domänen nur solche, die Zuckerfabriken hätten, eine Steigerung der Pachten aufgewiesen hätten, und daß die kleinen, unmittel⸗ bar bei großen Städten liegenden Domänen parzellenweise verpachtet werden müßten. Bei allen anderen Domänen sei im Großen und Ganzen nicht eine Steigerung, sondern ein Niedergang eingetreten, besonders bei allen denen, welche auf Körnerertrag angewiesen seien. Das scheine ihm ein ganz unwiderleglicher Beweis dafür zu sein, daß sich die Landwirth⸗ schaft in einer Nothlage befinde.
Der Abg. Dr. Witte führte aus, daß das Defizit der Zuckerrübensteuer seinen Grund in der vermehrten Verwerthung der Zuckermelasse habe. Seit der Zeit, wo in letzterer Beziehung die technischen Hülfsmittel verbessert worden seien, datire auch das rapide Anwachsen der ganzen Industrie. Zur Gesundung der Verhältnisse müsse mit einer Melasse⸗Entzuckerungssteuer vor⸗ gegangen werden, weil eben die mit den Jahren immer mehr sich steigernde Verwerthung der Melasse der Grund der gegen⸗ wärtigen Miseère sei. So lange das bisherige Steuersystem bestehe, werde der Zuckerindustrie nie geholfen werden können; nur durch eine Fabrikats- und Konsumsteuer werde man zu einem guten Resultate kommen.
Der Staats⸗Minister Dr. Lucius entgegnete, der Vor⸗ redner sei, so viel er wisse, immer ein taeoretischer Anhänger der Fabrikatsteuer gewesen. Das sei ja ein Standpunkt, den man wissenschaftlich und theoretisch sehr wohl einnehmen und vertheidigen könne, diese Stellung könne aber unmöalich einer Staatsregierung zugemuthet werden, die einer lang— jäöhrigen günstigen Entwickelung gegenüberstehe. Die Vorzüge des jetzigen Steuersystems lägen darin, daß die Kontrole mit dem Abwiegen des Rohfabrikats erledigt sei, daß also die ganze übrige Fabrikation vollständig frei, durch keine Kontrolmaßregeln beschränkt sei. Nun habe dieses System zur hohen Entwickelung der Zuckerindustrie und zur Hebung der Landwirthschaft beigetragen und das fiskalische Inte resse durchaus nicht geschädigt, sondern bis vor kurzer Zeit be⸗ friedigt. Er erinnere an die Vorlage vom 14. Juni 1884, in derselben seien die Nettoerträle angegeben und dennoch ser der höchste Ertrag der Steuer im Jahre 1875.76 mit 56 321 466 MSV erreicht worden, man werde ihm also zugeben ! müssen, daß bis zu diesem Zeitpunkte auch dem fiskalischen Interesse genügt worden sei. Seitdem hätten die Erträge ge⸗ schwankt bis zu 47 Millionen Mark, dann sich, wieder ge⸗ steigert und im Jahre 1859,80 auf 51 Millionen Mark und 1881/82 seien sie wieder auf 40 millionen Mark ge⸗ sunken und dann 1882,83 auf 49 Millionen Mark wieder gestiegen. Diesen Nettoerträgen gegenüber könne man doch unmöglich von einem langjährigen Verfall dieser Steuererträge sprechen und in diesen Resultaten allein habe kein Grund sür die verbündeten Regierungen gelegen, schon früher mit steuerlichen Maßregeln vorzugehen. Also seien auch die Prophezeihungen, welche hier seit Jahren von dem Verfall der Steuer gemacht worden seien, nicht gerecht⸗ fertigt. Erst seit zwei Jahren sei eine Aenderung eingetreten und dann sei auch sofort von den Regierungen der Weg zu einer Enquete beschritten worden, um zu untersuchen, wie eine Steuer zu normiren wäre. Die Regierungen hätten also keine Zeit rersäumt.
Die Diskussion wurde hiernach geschlossen, und der Titel genehmigt; die Resolution des Abg. Grafen Hacke wurde der Budgetkommission überwiesen.
Der Titel 4 „Salzsteuer“ wurde ohne Debatte genehmigt.
Hierauf vertagte sich das Haus um 4 Uhr auf
Dienstag 1 Uhr.
nn,
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