1885 / 24 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Jan 1885 18:00:01 GMT) scan diff

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Der Abg. Fürst von Hatzfeldt⸗Trachenberg erklãrte, er habe sich gefreut, 4 ein Antrag wie der des Abg. Buhl, dem er durchaus sympathisch gegenüberstehe, dem Hause aus, Süd deutschland entgegengebracht werde. Seine Partei habe bereits den Antrag auf eine Enquete gestellt gehabt, der indessen nicht zur Verhandlung gekommen sei. Man habe damals gesagt, daß derselbe nur ein Wahlmanöver gewesen sei, aber dazu würden seine Freunde sich niemals verstanden haben. Der Antrag fei hervorgegangen aus der Erkenntniß, daß man aus der Finanzklemme nicht herauskommen würde, so lange man nicht die Hand bessernd an die Branntweinsteuer gelegt habe und aus der Annahme, daß bei einer sckärferen Heranziehung des Branntweines zur Steuer die höhere Biersteuer dem Hause von selbst in den Schooß fallen würde. Der Staatssekretär von Burchard habe, wenn er den⸗ selben richtig verstanden habe, gesagt, daß die verbündeten Regierungen mit einer schärferen Heranziehung des Brannt⸗ weins einverstanden seien, sie wüßten nur noch nicht, wie das zu machen sei. Bei dieser Erklärung könne er sich beruhigen; benn er sei überzeugt, wenn die Regierungen nur eifrig suchen wollten, so würden sie auch den geeigneten Weg finden, auf dem sich eine Schädigung der einschlägigen Interessen ver⸗ meiden lasse. Eine Vertheuerung des Branntweins halte er auch aus ethischem Interesse für geboten. Schon Luther habe gesagt, daß jedes Volk einen Teufel besitze, der Teufel des Deutschen aber sei der Sausteufel. Nun wolle er Niemand einen Schnaps zur rechten Zeit verargen. Er sei kein Temperenzler. Aber wenn er sehe, wie im Osten namentlich der Branntweingenuß zunehme, so sage er, und wohl alle Parteien mit ihm, daß die Bevölkerung Deutsch⸗ lands zu Grunde gehen müsse, wenn nicht auf dem Wege der Gesetzgebung gegen die Trunkfsucht eingeschritten werde. Aus seiner eigenen Praxis könne er bestätigen, daß von Arbeitern der beiden Zuckerfabriken seines Heimathsortes oft schon früh am Morgen ein Theil trunken zu sehen sei, die während der Nachtarbeit die Branntweinschänken aufgesucht hätten. Und als Amtsvorsteher habe er die Erfahrung gemacht, daß Schul⸗ kinder im Alter von 9 bis 10 Jahren sich gegenseitig mit Brannt⸗ wein trunken gemacht hätten, um sich, wie sie gesagt hätten, ein Vergnügen zu machen. Es habe nichts geholfen, daß die Genehmigung zur Errichtung von Schnapsschänken von der Bedürfnißfrage abhängig gemacht sei. In einem kleinen Dörfchen der Lausitz komme auf 55 Einwohner eine Schngps⸗ schänke. Bei einer Schanklizenzsteuer ohne gleichzeitige Ver⸗ theuerung des Branntweins liege die Gefahr nahe, daß der⸗ selbe zum Haustrunk werde für Männer, Frauen und un⸗ mündige Kinder. Den Werth der Branntweinbrennereien wisse er zu schätzen, und nichts liege ihm ferner, als dieses Gewerbe in Frage zu stellen. Das Wohl und Wehe der Landwirthschaft gerade im östlichen Theile des Reiches hänge von diesem Betriebe ab. Der Antrag des Abg. Uhden habe keine Bedeutung oder doch nur für die großen Brennerei⸗ betriebe, denn die meisten Brennereien bezahlten ihre Steuern monatlich. Die kleinen Brennereien, auf deren Erhaltung der Abg. Buhl befonderes Gewicht lege, wünsche auch er nicht zu schädi⸗ gen; er glaube aber, daß der Abg. Buhl die Beheutung der größeren Betriebe für die Landwirthschaft unterschätze. Durch dieselben werde zahlreichen kleineren Landwirthen Gelegenheit gegeben, ihre Kartoffeln loszuwerden. Daß es an sich zu wünschen sei, aus dem Branntwein höhere Erträge zu ge— winnen, sei ja klar. In Deutschland betrage die Branntwein⸗ steuer pro Kopf nur G98 S; in Norwegen 1,60; in Frank⸗ reich 2, 20; in Schweden 3,34; in Belgien 3,60; in Däne⸗ mark 3,4; in Rußland 8, 12; in England 90; in den Niederlanden 9,18 6 Wenn die Resolution Buhl mit großer Mehrheit angenommen werde, so werde sich ja jedenfalls die er ms eingehend mit der darin angeregten Frage be⸗

äftigen.

9 Bemnächst nahm der Staats⸗-Minister Dr. Lucius das ort:

Meine Herren! Meines Erachtens hat die Spiritusindustrie für diejenigen Provinzen und Landschaften mit leichteren sandigen Boden klaffen genau dieselbe Bedeutung wie die Rübenzuckerindustrie für die Gegenden, die mit schwerem Boden ausgestattet sind. Beide In⸗ duffrien haben sich nicht zufällig entwickelt, sondern sie hahen sich entwickeln müssen nach den natürlichen Bedingungen, die ihr Betrieb voraussetzt. Für beide wird man unbedingt zugestehen müssen, daß das Rohsteuersystem von größter Bedeutung für ihre Entwickelung gewesen ist. In beiden gilt das System der Rohbesteuerung. In diesem System liegt nicht an sich das Prinzip, eine Exportprämie gewähren zu wollen, sondern es liegt nur die Möglichkeit dafür vor. Die Tendenz ist, daß die Exvortbonifikation in beiden Fällen im richtigen Verhältniß gewährt wird zu der gezahlten Steuer. Wenn nun das Rohmateriak wie es bei der Rübe ebensowohl wie aller⸗ dings im geringeren Grad bei der Kartoffel der Fall ist, wenn dieses Rohmaterial je nach der Verschiedenheit des vorwaltenden Wetters der Jahre, je nachdem es naß oder trocken war zur Ernte zeit oder wenn diefes Rohmaterial Verschiedenheiten erleidet, die die Ausbeute um Prozente beeinflussen können, während der Gewinn oft fich auf K und 3 Yo berechnet, so ist es doch ganz klar, daß es eine sehr schwierige Aufgabe ist, die Exporibonifikation allgemein genau im richtigen Verhältniß zur gezahlten Steuer zu normtren. Es wird also die Exportbonifikation immer nur so normirt werden, wie es dem Durchschnitt mehrerer Jahre und dem Durchschnitt von vielen Brennereien entspricht. Nun spielt aber bei der Spiritusindustrie die Exportbontfikation allerdings nicht die große Rolle, wie es in der Zuckerindustrie der Fall ist. Das liegt aber meines Erachtens nicht daran, daß die Exportbonifikation bei dem Zucker seit Jahren schon eine reichlichere gewesen ist, sondern es liegt wesentlich darin, daß der Export des deutschen Spiritus in den meisten Ländern des Auslandes durch die dortige Zoll- und Steuergesetzgebung verschlofsen oder wenigstens erschwert gewesen ist. In . Punkte liegt meines Erachtens die Hauptsache und die Hauptschwierigkeit für den Spiritusexport. In allen anderen Ländern, in allen anderen Kulturftaaten ist der Spiritus ein wesentliches Steuerobjekt, und die angewandten Steuersysteme sind überall von demselben bestimmenden Einflusse gewesen für den Gang der Entwicklung des Brennerei⸗ gewerbes, wie es sich auch bei uns erweist. In England exkl. Wales hat sich die ganze Spiritusindustrie konzentrirt in wenigen, meines Wissens in etwa 14 großen Brennereibetrieben, in festungsartig abge⸗ schlossenen Gehöften, bewacht durch Beamte, kontrolirt durch eine große Anzahl von verschiedenen automatisch fungirenden Registrirapparaten, die die Kontrole übernehmen. Dort stebt die Brennerei kaum noch in einer Beziehung zur Landwirthschaft. Bei uns hat das Steuersystem ja grade den günstigen Erfolg gehabt, daß diese Abschließung, diese Ab—⸗ trennung der Spiritusindustrie von der Landwirthschaft nicht statt⸗ gefunden hat, und darin liegt auch wiederum meines Erachtens das 3 und gewichtige Moment, die landwirthschaftliche Seite der

piritusindustrie gebührend zu berücksichtigen und ganz genau, wie bei der Zuckerindustrie auch geschehen ist, die landwirthschaftlichen Rücksichten bei der ganzen Behandlung der Sache mit in Lie erste Line zu stellen. Dag ist meines Erachtens etwas wirthschaftlich voll kommen gebotenes.

Wenn nun wieder heute hingewiesen wird auf die Fabrikatsteuer als eine mögliche, so möchte ich doch darauf erwidern, daß erst vor

wenlgen Fahren in Bayern das preußische Steuerfystem adoptirt wor einzuschränken versucht.

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den ist, und meines Wissens mit günsligem Erfolg sowohl für die Steuerkasse wie für die bayerische Landwirthschaft.

Eine Seite ist bier noch nicht betont worden die bei früheren Diskussionen über den Werth dieser verschiedenen Steuersysteme eine größere Rolle gespielt hat und auf die ich glaube doch auch hier noch besonders hinweisen zu müssen. Bei der Einführung der Fabrikatsteuer ist die Wirkung garnicht zu überseben, die sie auf die Verschiebung der Produktionsverhältnisse in der Richtung haben würde, daß möglicher weise, nachdem die Fabrikatsteuer eingeführt würde, sich Brennereien von Rübenspiritus im großen Umfange entwickeln würden; es würde dadurch also nicht etwa den mit ungünstigen Bodenklassen ausgestat⸗ teten Landschaften ein Dienst eiwiesen, sondern möglicherweise im Gegentheil, es würde diesen Gegenden eine sehr große Gefahr er⸗ wachsen. daß ebenso moie die Zuckerindustrie in schweren Böden unter günstigen klimatischen Verhältnissen sich entwickelt hat, künftig auch den leichteren Böden im Osten der Monarchie Konkurrenz ge—⸗ macht würde durch die neue Spiritusindustrie, die aus Rüben ihr Fabrikat darstellen würde. Das ist eine sehr wahrscheinliche Wirkung, die die Einführung der Fabrikatsteuer haben würde. Ich glaube also, daß auch nach dieser Richtung hin man nicht so kurzer Hand über diese Dinge absprechen darf.

Es liegt mir eine Denkschrift des Vereins der Spititus— industriellen vor, die meines Erachtens sehr beachtenswerthe Daten enthält. Sie bestätigt zunächst die Anführungen, die der Hr. Fürst von Hatzfeldt bereits gemacht hat, daß nämlich der Preis für 1691 absoluten Alkohol jetzt auf 42 S gesunken ist, auf einen Preis, der unter dem Durchschnittspreis der letzten 25 Jahre von 55 S um 13 6 zurücksteht. Es wird ferner hier nachgewiesen, daß die Ver werthung der Kartoffel dabei auch in vollkommen eingerichteten und gut geleiteten Brennereien sich nur noch auf 65 3 pro Centner stellt. Das sind Preissätze, bei denen kaum noch landwirthschaftlich existirt werden kann, und der Hinweis, daß, wenn diese Produkte nicht höher als Brennmaterial verwendet werden können, daß man sie dann doch so verfüttern möchte, ist ein sebr leichter und billiger, aber ist eben nicht ausführbar. Die großen Mengen von Kartoffeln, die in Wirth⸗ schaften gebaut werden, die auf den Großbetrieb von Brennereien ein⸗ gerichtet sind, können gar nicht in dieser Masse und in der leichtver⸗ daulichen Form dem Vieh gegeben werden, als eben in der Form, wie sie die Schlempe vermittelt; also ist das ein Rathschlag, der praktisch durchaus nicht zu befolgen ist.

Dann ist weiter hier in dieser Denkschrift ausgeführt, und ich vermuthe, daß die Zahlen wohl auch die Prüfung vertragen werden, daß alle Nachbarstaaten sehr erhebliche Exportprämien geradezu be zahlen, während bei uns die Exportbonifikation kaum den Ausgleich bietet für die Fabrikate, welche unter günstigen Verhältnissen und bei sorgfältigstem Betrieb in Brennereien hergestellt sind. Diese Exportprämien werden berechnet für hundert Liter absoluten Alkohrls für England auf 6 bis 13 6. für Belgien auf 7,20 6, für Desterreich⸗Ungarn auf 5,66 S, für Rußland auf 13 bis 17,50 Meine Herren! Wenn diese Zahlen richtig sind und ich habe keinen Grund, ihre Richtigkeit zu bezweifeln so ist es wohl klar, daß gegenüber der Gewährung solcher Exportprämien die deutsche ö in einer äußerst mißlichen und beschränkten Lage ein wird.

Nach alledem würde ich mich dahin resümiren: ich meine, die verbündeten Regierungen haben allen Anlaß, diejenigen Anregungen, die darauf gerichtet sind, diese Frage sachgemäß zu prüfen, und diese beiden Rücksichten zu vereinigen, einmal diese wichtige heimische In⸗ dustrie zu schonen und zu beguͤnstigen und andererseits dem Fiskus erheblich höhere Steuererträge zuzuführen und womöglich außerdem noch die Konsumtion des zum Trinken benutzten Branntweins zu reduziren, daß die alle im höchsten Maße beachtenswerth sind.

Wenn der Hr. Abg. Dirichlet heute wieder, wie gestern, hervor⸗ gehoben hat, daß er nicht begriffe, wie man die Interessen der Spiritusindustrie für identisch mit denen der gesammten Landwirth⸗ schaft halten köane, oder wie man das für die Zuckerindustrie gelten lassen könnte, die doch nur einen kleinen Theil der Landwirthe be schäftige, so muß ich ihm darauf erwidern, daß in allen wirthschaft⸗ lichen Fragen nicht ein einzelnes Moment das allein entscheidende und ausschlaggebende ist, daß in allen wirthschaftlichen Zuständen man es mit Komplexen von konkurrirenden Wirkungen zu thun hat, mit einer Summe von Ginwirkungen, und daß in jedem Falle gerade diese beiden Industrien für sehr ausgedehnte Landestheile die wesentlichsten Ressoureen in der Landwirthschaft bieten, und daß somit alle diejenigen Maßregeln, die geeignet sind, diese Industrien zu stützen und zu beben, auch der Landwirthschaft im Großen und Ganzen unbedingt zu Statten kommen.

Der Abg. Kopfer bemerkte, von den badischen, württem⸗ bergischen und hayerischen Fabrikanten werde es als ein großer Uebelstand empfunden, daß von Lack, Firniß, Glasuren und Parfümerien, wenn diese Fabrikate mit Spiritus versetzt seien, bei ihrem Uebergang über die Steuergrenze die Branntweinausgleichs abgabe erhoben werde. Dieselbe hätten sich wiederholt darüber beschwert und darauf verwiesen, daß nach dem Gesetze vom 5. Juli 18759 Spiritus zu industriellen Zwecken von der Steuer freibleiben solle. Schließlich hätten mehrere Handelskammern, z. B. die von Mannheim und Stuttgart, eine bezügliche Beschwerde an den Bundesrath ge⸗ richtet, bisher aber keine Antwort erhalten.

Der Bundeskommissar, Geheime Ober⸗Regierungs-Rath Boccius entgegnete, die Petition, von der der Vorredner gesprochen habe, sei der Regierung zugegangen; derselben werde die ein⸗ gehendste Erörterung zu Theil werden.

Der Abg. von Schalscha erklärte, zunächst müsse er dem Minister Lucius seinen Dank dafür aussprechen, daß der⸗ selbe wiederum Veranlassung genommen hahe zu erklären, daß der Minister die landwirthschaftlichen Interessen den fiskalischen vorziehen werde. Der Abg. Dirichlet habe an dieser Erklärung Anstoß genommen, indem derselbe sie dahin ausgelegt habe, daß die Gesammtinteressen den landwirthschaftlichen nachgesetzt werden sollten. Das heiße doch dem Sinne der Worte Ge⸗ walt anthun. Die fiskalischen Interessen seien die des Fiskus, den Alle als ein nothwendiges Uebel ansehen müßten, denn der⸗ selbe ziehe die Steuern ein, die Niemand gern zahle; das Gesammt⸗ interesse aber sei etwas, das Jeder gern gefördert sehen möchte. Den Antrag Buhl halte er für sehr beherzigenswerth. Am meisten lege er darauf Werth, daß die kleinen Brennereien berücksich⸗ tigt werden sollten. Was die Erhöhung der Einnahmen aus der Branntweinsteuer betreffe, so sei er der Ansicht, daß die⸗ selbe eintreten sollte, je nachdem eine Brennerei mehr oder weniger Maischraum habe, weil die Generalkosten im All⸗

gemeinen stets dieselben seien und weil, wenn man in gleicher

Weise die Maischsteuer ohne Rücksicht auf die Räume erhöhe, man zu dem Resultat kommen würde, daß die Brennerei kein landwirthschaftlicher Betrieb mehr sei, sondern ein Fabrika⸗ tionsbetrieb in den Händen des Kapitalismus. Das würde eine Schädigung der Landwirthschaft von unberechen barem Grade sein. Je größer die Brennereien gebaut werden müßten, um die Steuer herauszuarbeiten und die Generalkosten nicht zu sehr dominiren zu lassen, desto mehr werde die Zahl der Brennereien sich beschränken müssen. Eine erhebliche Steigerung der Maischraumsteuer sei nun nicht möglich; anders stehe es mit der Konsumtionssteuer. Der Abg. Buhl habe diese Steuer mit der Trunksucht in Zusammenhang gebracht. Das Haus habe durch die Novelle zur Gewerbe⸗ ordnung vom Jahre 1883, welche der Zügellosigkeit des Schankgewerhes gewisse Schranken gesetzt habe, die Trunksucht Aber was nützten alle gesetzlichen

Vorsichtsmaßregeln, wenn sie thatsächlich nicht angewendet würden? Der Gesetzentwurf gegen die Trunksucht, der im vorigen Jahre hier eingebracht worden sei, sei schlafen ge⸗ gangen. Der Bundesrath habe dem Hause auch ein Mittel gegen die Trunksucht beschränkt, dasjenige, das seine Partei in ihrem geistlichen Orden gehabt habe; was die⸗ selben in dieser Richtung geleistet hätten, sei ja be⸗ kannt. Den Einwendungen, die der Abg. Dirichlet gegen den Antrag Buhl gemacht habe, stimme er nicht bei. Daß andere Leute Grund⸗ und Gebäudesteuer zu zahlen hätten, sei doch damit gar nicht zusammenzuhalten, daß die Spiritusbrenner die hohe Maischsteuer bezahlen müßten. Ein Moratorium von drei Monaten sollte das Haus den Brennern schon darum geben, damit die Waare nicht so massenhaft auf den Markt zu kommen brauche. Wenn der Abg. Dirichlet dann ausgerechnet habe, ein wie geringer Prozentsatz der Landwirthe überhaupt Spiritusbrenner sei, dann wisse er nicht, wann man überhaupt von einem allgemeinen Interesse reden könne. Rede man von den Zuckerfabrikanten, so heiße es: das sei nur ein geringer Bruchtheil; rede man von Spiritus brennern oder Kornproduzenten, so erhalte man die⸗ selbe Antwort. Aber alle diese Bruchtheile würden nicht für sich stehen, sondern in einander übergreifen. ann Schlusse bitte er, den Antrag Uhden an eine Kommission zu ver— weisen.

Der Abg. Heine bemerkte, er möchte die Frage, ob es überhaupt noch kleine Brennereien gebe? entschieden verneinen. In seiner Jugend habe es noch eine Anzahl kleiner Brennereien gegeben, welche einen guten Kornschnaps gebrannt hätten, seit Einführung der Maischsteuem seien sie aber nicht mehr kon— kurrenzfähig gewesen. Man sage, der Kartoffelbranntwein sei ebenso gut wie der Kornbranntwein; das glaube aber kein Mensch. Wenn durch Einführung der Fabrikatsteuer die kleinen Brennereien wieder. möglich gemacht werden sollten, so könne das nur auf Kosten der Konsumenten geschehen. Die Konsumenten aber seien das arbeitende Volk und die untersten Stufen der arbeitenden Bevölkerung. Wo die große Masse in Armuth sei, da werde auch am meisten Schnaps getrunken; er verweise hierfür auf die östlichen Provinzen. Namentlich seien die ländlichen Arbeiter dem Trunke ergeben, denn seit einem Menschenalter habe sich die Lage dieser Leute wenigstens in seiner Gegend wesentlich verschlech— tert. Wo früher ein kräftiger und gesunder Volksschlag ge⸗ wesen sei, da sei jetzt Schwindsucht und Skropheln. Daran sei die Separation der Fluren, die Strenge der Wald⸗ und Feldgesetze 2c. schuld. Auch die hohen Ackerpreise hätten Schuld. Der Großgrundbesitzer pachte jedes kleine Stück, um das Land von sich abhängig zu machen. Durch höhere Steuern werde man den übermäßigen Genuß des Schnapses nicht ein engen, auch nicht durch geistliche Orden und dergleichen Mittel, sondern nur durch Hebung der Lage des Volkes im Allge— meinen. Wo das Volk sich behäbig und wohl fühle, werde auch der Schnapsgenuß mehr und mehr, wenn nicht verschwin⸗ den, so doch auf das natürliche Maß herabgehen. Er erkläre sich gegen die gewünschte Kreditgewährung. Der kleine Mann müsse seine Gewerbesteuer bezahlen, und wenn er sie nicht bezahle, dann komme der Exekutor und pfände ihn aus. Warum sollte man hier Rücksicht walten lassen?

Der Abg. Dirichlet erwiderte dem Abg. von Schalscha, mit welchem Recht derselbe einen kleinen Bruchtheil der Be⸗ völkerung fördern wolle, indem derselbe die Gesammtheit der Steuerzahler belaste? Könne der Abg. von Schalscha den⸗ selben fördern ohne diese Belastung, so werde er sich freuen. Es sei ein Widerspruch in sich selbst, auf der einen Seite zu sagen: man müsse der Landwirthschast helfen, weil sie die große Mehrzahl des Volkes bilde, und dann wieder: man müffe der kleinen Minderheit helfen, weil sie die Minorität sei. Dem Minister Lucius entgegne er, der Begriff der Land⸗ wirthschast zahle keine Steuer, sondern die betreffenden Land⸗ wirthe, und daher müsse er nach wie vor behaupten, daß etwas nur in dem Maß der Landwirthschaft zu Gute kommen werde, als es der Masse der Landwirthschafttreibenden zu Gute komme. Sodann sei es gefährlich, die Interessen der Branntweinbrenner mit denen der Landwirthschaft zu identifiziren. In der Etablirung einer großen Brennerei liege für den kleinen Grund— besitzer der Anreiz, den Kartoffelbau Üüber das natürliche Maß auszudehnen und durch zu große Ausnutzung des Bodens den⸗ selben zu entkrasten.

Der Abg. von Kardorff bemerkte, der Abg. Dirichlet habe keineswegs die Existenz einer Branntweinexportprämie nach⸗ weisen können. Der innere Konsum bewege sich stets auf ziemlich gleichem Niveau; nur der Export sei gewachsen; und wenn sich gleichwohl kein Ausfall in den Steuererträgen er⸗ geben habe, so beweise das, daß eben keine Prämie gezahlt wird. Eine blühende Zucker⸗ und Brennerei⸗Industrie sei für den Bestand der Landwirthschast absolut nothwendig; der Brennereibetrieb namentlich auch für die ärmeren Gegenden und zwar nicht nur mit Rücksicht auf den Kartoffelbau, sondern vornehmlich wegen der damit verbundenen Ver⸗ wendung von Arbeitskräften. Es handele sich hier um die Lebensinteressen für große, breite Volksschichten. Die Herren, welche der deutschen Landwirthschaft einen extensiven

Betrieb angerathen haben, welche die Landwirthe auf die ö Weide⸗ und Viehwirthschaft verweisen, sollten doch bedenken,

daß eine Beschränkung der Landwirthschaft auf diese Betriebe zu einer Reduktion der ländlichen Bevölkerung auf ein Viertel ihres jetzigen Bestandes führen müsse. Damit seien erheb⸗ liche wirthschaftliche und politische Gefahren verbunden. Wo würde der Ersatz für unsere Armee bleiben, wenn man dafür nicht mehr die kräftigen Burschen vom Lande zur Verfügung hätte, die durch harte Arbeit von Jugend auf für den Kriegs⸗ dienst gestählt seien; und wenn man lediglich auf die zum großen Theil schiesbeinige und krüpplige städtische Bevölke⸗ rung angewiesen wäre? Wolle man also die Einnahmen aus

dem Branntwein erhöhen, so müßte das jedenfalls in der . Weise geschehen, daß die Landwirthschaft nicht noch weiteren

Schaden erleide.

Die Diskussion wurde geschlossen.

Der Abg. Dr. Buhl erklärte in seinem Schlußwort, die englischen Spirituzverhältnisse seien durchaus nicht anwendbar auf die deutschen landwirthschaftlichen Verhältnisse! Von allen Rednern sei anerkannt worden, daß eine Reform der Spiritus⸗ steuer geboten sei. Wenn der Abg. Dirichlet gesagt habe, man könne seiner (des Redners) Resolution nicht zustimmen, weil man sich durch dieselbe bis zu einem gewissen Grade binden würde,

so meine er, daß eine Vinkulirung durchaus nicht bei einer

Resolution stattfinden könne, die nichts weiter bezwecke, als aus dem Spiritus höhere Steuererträge zu ziehen, ohne daß da⸗ durch die Landwirthschaft im Allgemeinen und besonders der kleine ländliche Besitzer geschädigt würden. Ueber die Art,

wie seinem Antrage praktisch in Gesetzreform Ausdruck zu geben sei, hier zu debattiren, halte er für nicht angebracht, glaube vielmehr, daß dies Sache der Kommission sein müsse. Rus dem Gange der Diskussion habe er die Hoffnung ge⸗ wonnen, daß sein Antrag die Zustimmung der Mehrheit des Hauses finden und daß es die Regierung sich angelegen sein lassen werde, nach der in demselben bezeichneten Nichtung gesetzgeberisch vorzugehen. .

Der Abg. Uhden bemerkte, den Branntweingenuß durch Biergenuß zu ersetzen, heiße Beelzebub durch den Teufel aus⸗ treiben. Es sei ganz gleich, ob man sich in Bier betrinke oder in Branntwein! Das einzige Mittel, um allen Uebeln zu begegnen, sei die Einführung eines Branntwein⸗Monopols, das er der Regierung warm ans Herz legen möchte.

Der Titel wurde bewilligt.

Ueber den Antrag Buhl, welcher nicht direkt mit dem Titel zusammenhängt, wird erst in dritter Lesung abgestimmt werden.

Der Antrag Uhden wurde an die Budgetkommission ver— wiesen.

eitel 6 Brausteuer und die Aversen wurden ohne De⸗ batte angenommen.

Damit war der Etat der Zölle und Verbrauchssteuern in zweiter Lesung erledigt.

Auch der Titel 6 (Brausteuer und Uebecgangsabgabe von Bier) wird bewilligt; ebenso die Aversen.

Es folgten Berichte der Wahlprüfungskommission über Wahlprüfungen.

Die Wahlen der Abgg. Dr. von Bernuth, von Saldern (Ahlimb), Lerche, Bock (inden), Ulrich, Niebour, Dr. Scheffer, Graf von Bismarck, Oechelhäuser, Horwitz, Buderus und von Carlowitz wurden ohne Diskussion den Kommissionsanträgen gemäß für gültig erklärt; bezüglich der Wahl des Abg. Gott⸗ burgsen sollen zunächst amtliche Erhebungen veranlaßt werden, bevor das Haus sich über die Gültigkeit schlüssig machen wird.

Der Abg. Ackermann referirte im Auftrage der Geschäfts—⸗ ordnungskommission über die Frage der Fortdauer des Man⸗ dats des zum außerordentlichen Professor ernannten bisherigen Privatdozenten Abg. Dr. Delbrück. Die Kommission bean— tragte, daß das Mandat durch die Ernennung nicht erloschen sei; das Haus beschloß demgemäß.

Hierauf vertagte sich das Haus um 4/ Uhr auf Mittwoch 1 Uhr.

In der gestrigen (9.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, erklärte bei der zweiten Berathung des Etats der Bergwerkverwaltung der Abg. Dr. Natorp, der Spezialetat der Bergverwaltung enthalte diesmal eine Menge von Pofitionen, die eine nähere Prüfung erforderten, auch werde eine zutreffende Kritik des Voranschlags dadurch er— schwert, daß dem Hause der Bericht über die Verwaltungs⸗ ergebnisse der fiskalischen Bergwerke, Hütten und Salinen noch nicht zugegangen sei. Im Allgemeinen sei der Etat, wie man anerkennen müsse, auch diesmal mit Umsicht und Vorsicht auf⸗ gestellt. Der Nettoertrag der gesammten Verwaltung werde auf 17 404 000 S veranschlagt, 626 000 6 mehr als im Vor⸗ jahre; von diesem Mehrüberschuß entfalle der Hauptantheil auf die Bergwerke, obwohl hier auf eine Preissteigerung nicht gerechnet werde. Daß man aus einer vermehrten Produktion nicht ohne Weiteres auf eine vermehrte Einnahme rechnen dürfe, gehe aus den Ergebnissen der Verwaltung seit 1869 unwiderleglich hervor, und bei den Steinkohlen stelle sich die Rechnung noch etwas ungünstiger. Der Etat nehme eine Steigerung der Steinkohlenförderung um 8 Pro⸗ zent in Aussicht, aber es frage sich doch sehr, ob dieses Quantum (11 12 Millionen Centner) auch Absatz finden werde. Leistungsfähig seien ja die fiskalischen Stein⸗ kohlenwerke gewiß, zumal im Saarbrücker Revier; aber nach den Erfahrungen im westfälischen Kohlenrevier sei der allge— meine Konsum 1884 erheblich zurückgegangen, und auch die Produktion habe in demselben Jahre nur um 1,9 Proz. zuge⸗ nommen. Wenn man den Ausbau des Sekundärbahnnetzes und die Zunahme des Exports dieser geringen Produktions— zunahme gegenüberstelle, so müsse man mit Nothwendigkeit auf eine gewisse Stagnation des Erwerbslebeng schließen, und von diesem Gefichtspunkte sei der Anschlag einer Produktionserhögung von 8 Proz. entschieden zu hoch. Die Preise auf den fiskalischen Werken würden außerdem sich wohl kaum auf der jetzigen Höhe halten, sondern ebenfalls von dem enormen Preis⸗ rückgange etwas affizirt werden, der die Prxivat-Kohlenberg⸗ werke in den letzten Jahren so stark getroffen habe, daß in einzelnen Distrikten der Selbstkostenpreis nicht einmal mehr erreicht werde. Erfreulicherweise sei übrigens der Lohn der Arbeiter nicht herabgesetzt worden; die Rentabilität der Berg⸗ werke sei aber eine wahrhaft klägliche. Er wolle kein Klage⸗ lied über die Lage der Berg⸗ und Hüttenbesitzer anstimmen, aber der extremen Nothlage gegenüber, in der sich die Land⸗ wirthschaft befinden solle, behaupte er, daß die Lage der ersteren eine weit ungünstigere sei, die Bergwerks⸗-Aktien⸗ gesellschaften bezifferten nach einer vor Kurzem stattgehabten Aufnahme ihre Durchschnittsdividende während zehn Jahren nur auf etwas über 2 Proz. Diese Statistik umfasse 115 Gesellschaften, und nur 2 davon hätten in den zehn Jahren eine Durchschnittsdividende von etwas über 6 Proz. abge⸗ worfen, während 3 überhaupt keine Dividende gezahlt hätten. Eine wirklich schwere Kalamität drohe überdies in den rheinisch westfälischen Bergwerken dadurch auszubrechen, daß neuerdings auf Grund reichsgerichtlicher Erkenntnisse das Recht den Bergwerken abgesprochen worden sei, ihre Wässer in die Privatflüsse und Bäche abzuleiten. Das könne in der Konsequenz zur Einstellung des ganzen Bergbaues führen, in schlimmerer Lage aber befänden sich die Fabriken, die Kommunen, denen dieses Recht gleichfalls abgesprochen worden sei. Einstweilen hätten 13 der bethei— ligten Bergwerke mit einem der hier in Frage kommenden Privatgrundbesitzer einen dreijährigen Waffen fil tand abge⸗ schlossen; aber was sollte später geschehen? Er halte die bal—⸗ dige Vorlegung einer Novelle zum Berggesetz in dieser Be⸗ ziehung durchaus für nöthig. Größere Exaktheit in der Ab— fuhr der Massengüter sei jetzt eingetreten; im vorigen Herbst sei den Bahnverwaltungen in Folge des ungünstigen Wasser⸗ standes eine Masse von Transporten zugefallen, welche sie in wenigen Wochen bewältigt hätten.

Der Regierungskommissar, Geheime Ober⸗Bergrath Freund erwiderte, daß der Etatsanschlag mit äußerster Vorsicht ver⸗ anschlagt, und auch die Zunghme der Kohlenförderung nicht zu hoch bemessen sei, zumal die Zunahme im laufenden Jahre den Voranschlag erheblich überschritten habe.

Der Abg. Schmieding sprach sich für eine Revision der Zölle auf alle Bergwerksprodukte aus, befürwortete eine

Reform der Bergwerkssteuer, die in ihrer gegenwärtigen Höhe von 2 Proz. des Brutto⸗Ertrages zu stark auf die Berg⸗ werksbesitzer drücke, beklagte den wiederholt eingetretenen Waggonmangel und sprach die Hoffnung aus, daß die Kanal⸗ vorlage baldigst wieder dem Landtage vorgelegt werden möge,

Der Abg' Gärtner besprach das unbefriedigende Ecgebniß der Hüttenverwaltung, dessen Ursache die Regierung in dem Rückgang der Bleipreise suche. Wäre dem so, so müßte doch die Produktion der fiskalischen Bleibergwerke wenigstens nicht erhöht werden, was aber gleichwohl im nächsten Etat in Aus⸗ sicht genommen sei. Gerade diese Ueberproduktion habe den Rückgang der Bleipreise verschuldet. .

Der Regierungskommissar, Geheime Ober ⸗Bergrath Freund erklärte auch diesen Vorwurf gegen die Verwaltung als ungerechtfertigt. Namentlich im Oberharze müsse die Blei⸗ produktion der fiskalischen Bleierzbergwerke fortgesetzt werden, wolle man nicht die dortigen zahlreichen Arbeiter geradezu um Lohn und Brod bringen.

Der Abg. Büchtemann fragte, aus welchen Gründen die Bergverwaltung die Silbererzproduktion namentlich in den Harzbergwerken so enorm erhöht hahe, und oh dies auf die Dauer durchführbar sei? Ueber diese Frage würde ihm Aus⸗ kunft in der Kommission sehr erwünscht sein. Mit den Vor— rednern stimme er darin überein, daß die gesammte wirth⸗ schaftliche Produktion nicht im Aufschwung, sondern eher im Rückgang begriffen sei. Der erhöhte Konsum der Vorjahr habe anderen Gründen seine Entstehung verdankt als den erhöhten Zöllen, und daß eine weitere Erhöhung der Zölle den ersehnten Produktionsauf⸗— schwung bringen werde, bestreite seine Partei auf das Ent⸗ schiedenste. Die Throntede gehe von ganz unrichtigen Vor— aussetzungen aus, wenn sie die Landwirthschaft im Gegensatz zur Industrie als besonders leidend darstelle. Namentlich in der Eisenindustrie sei die Nothlage nicht geringer; diese In⸗ dustrle habe sich auf den höheren Schutzzoll von 1879 jetzt eingerichtet und finde nunmehr nicht den genügenden Absatz für ihre enorm gesteigerte Produktion. Es habe sich bei ihr dieselbe Erscheinung herausgestellt wie in der Zucker⸗ branche; er könne also vor Erhöhung der Schutzzölle nicht ge⸗ nug warnen. Der für die Bergwerksbesitzer angerufene Schutz des Staates durch Kohlenzölle, durch billigere Tarife, durch den Ausbau des Kanalnetzes gehe denn doch in einseitiger Richtung zu weit; die Regierung könne diesen Wünschen nicht entsprechen, ihr Schweigen in dieser Beziehung sei heute in der That ein beredtes gewesen. Er halte von seinem Standpunkte aus ein Kanalsystem für viel richtiger als Verstaatlichung der Eisenbahnen; aber der Ausbau des Kanalnetzes würde der Eilenbahn⸗ verwaltung so große Einnahmeeinbußen auf lange Jahre hinaus zufügen und so große Opfer erfordern, daß man un⸗ bedingt wieder zu neuen Zöllen und neuen Steuern greifen müßte. Die Unterstützung einer Branche durch den Staat ziehe immer mehr die Inanspruchnahme des Staates Seitens anderer Branchen nach sich, und gegen dieses System müsse man immer und immer wieder protestiren.

Hierauf ergriff das Wort der Minister der öffentlichen Arbeiten, Maybach:

Meine Herren! Ich möchte Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen und will deshalb aus den Reden, die vorhin gehalten worden sind, nur einzelne Punkte herausgreifen, die mir einer besonderen Beleuchtung bedürftig erscheinen.

Pie ersten Herren Redner haben geklagt über den augenblicklich trüben Zustand unserer Eisen⸗ und Kohlenindustrie; ich bin leider genöthigt, diese Klagen in gewisser Beschränkung zu unterschreiben. Indessen, meine Herren, wir dürfen nicht vergessen, daß diese Klagen fast augenblicklich in allen Ländern ertönen, daß wir in dieser Be—⸗ ziehung keine Ausnahme machen.

Und, meine Herren, ich glaube auch, andeuten zu dürfen, daß vielleicht diese Klagen zum Theil darin ihre Begründung finden, daß auf diesem Gebiete nicht überall Maß gehalten ist.

Es wird das, glaube ich, von den Interessenten selbst anerkannt, wenigstens ist mir von vielen Seiten versichert worden, wenn man nicht zur Üeberproduktion übergegangen wäre, die nicht darnach sich umgesehen hat, ob auch der nöthige lohnende Absatz zu finden sei, man sich in besseren Verhältnissen augenblicklich noch befände. Die Preise sind eben schlecht, wenn auch Absatz vorhanden; und was könne man dazu thun, um die Preife zu heben? Man hat, wie ich mich erinnere, versucht, im Wege der freien Vereinigung auf diesem Gebiete eine Remedur durch Be⸗ schränkung der Produktion eintreten zu lassen, aber wie ich gehört habe, ist dies nicht überall von Erfölg gewesen. Ich will auf diesen Punkt nicht weiter eingehen; ich glaube, die Betheiligten wissen selbst, wo sie der Schuh drückt, und wie sie am besten dem Uebel abhelfen können.

Meine Herren, daß es in der Montan⸗Industrie nicht rosig aus⸗ sieht, und daß es der Landwirthschaft übel ergeht, das ist. eben eine Folge der Entwickelung von Verhältnissen, für die, wie ich glaube, die Reglerung nicht aufkommen kann. Ich möchte aber nun fragen, wie es wohl aussehen würde in unserer Eisenindustrie, wenn nicht die 6 eingetreten wäre, die wir seit einigen Jahren zefolgen!

Dann, meine Herren, ist des Bergwerks - Besteuerungsmodus gedacht worden. Derselbe ist schon vor einigen Jahren hier Gegen⸗ stand der Unterhaltung gewesen. Schon damals habe ich gesagt, und ich kann es heute nur wiederholen. daß das Objekt selbst vielleicht nicht von so großer Bedeutung sei für Diejenigen, die mit der Steuer belastet sind. Man muß ja auch in Betracht ziehen, meine Herren, daß der Staat durch die Freigebung des Bergbaues ein Regal ohne Ent⸗ gelt überlassen hat an Diejenigen, welche dieses Regal ausbeuten wollen. Die Steuer, welche jetzt von den Interessenten gezahlt werden muß, ist doch an sich nur ein gerinzfügiges Aequivalent für ein fo werthvolles Sbjekt. Das erkenne ich an, daß theoretisch wenigstens der gegenwärtige Yesteuerungsmodus sehr anfechtbar ist; die Steuer besteht in einer Abgabe von der Bruttoeinnahme; das sollte im Grunde eigentlich nicht sein. Indessen, wir haben bis dahin vergeblich gefucht, einen anderen gerechteren Steuermodus zu erfin · den. Er würde nur, glaube ich, dadurch zu gewinnen sein, daß man einen tiefen Einblick in die wirthschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Gruben und Etabliffements thäte, einen Einblick, der den Interessenten vielleicht doch übermäßig lästig fein würde. Es ist dies aber immerhin ein Gegenstand, der das weitere Studium lohnt, und wir werden uns diesem Studium nicht entziehen. .

Wester ist erwähnt worden der Nothwendigkeit, event. im Wege der Gesetz gebung einzuschreiten wegen der Beschaffung der Vorfluth in dem Emscher, wie in dem ganzen Ruhrkohlengebiet. Diese Nothwendigkeit glaube ich anerkennen zu müssen. nicht allein im Interesse des Bergbaues. sondern auch im Interesse der Landwirthschaft und der Kommunen. Die 6 ist aber unendlich schwierig; es ist nicht blos das meinige,

ondern es sind auch andere Ressorts dabei betheiligt, und wir sind damit befaßt, Mittel und Wege zu finden, wie wir dieser Kalamität ich darf sie so bezeichnen, wenigstens ist sie in den westlichen Landestheilen so aufge⸗ treten werden gerecht werden können. Es handelt sich um Ein⸗ griffe in das Cigenthum, um Abwehr von Schäden, um Entschädi⸗ ungen von vielleicht großer Tragweite. Wir haben also die Sache i sorgfältig anzufassen. ö g

Endlich ist auch noch der Kanäle gedacht warden. Meine m Ich habe im vorigen Jahre gefagt, daß ich in Bezug auf den Ausbau Unferez Kanalfyftemß guf demselben Standpunkt stehe, den ich ein⸗

genommen habe, als ich mit meinem Herrn Kollegen vereint die Vor⸗ lage wegen Ausbaues des Kanals von Heinrichenburg nach den Em häfen einbrachte. Ich habe im vorigen Jahre bemerkt, wie es mir nothwendig erschelne, diese Angelegenheit auf eine etwas brei⸗ tere Bafts zum stellßen. Ich meine, daß wir nicht blos für den Westen sorgen müssen, sondern auch für die Provinz Schlesien. Auf biesem Standpunkt siehe ich auch noch heute. Ich glaube, Daß, wenn wir dazu übergehen wollten, den einen Landestheil gegenüber dem anderen zu bevorzugen, wir eine Verschiebung der Verhälmnisse herbeisübren 'wärden. die von den allernachtheilignen Folgen sein würde. Ich habe den lebhaften Wunsch, daß uns die Verbältnisse 6 soviel als möglich eine dementsprechende Vorlage einzu⸗ ringen.

geringe darf ich nicht verschweigen, daß die augenblickliche Finanzlage dazu nicht auffordert, derartige Vorlagen zu machen, von benen wir ung agen müffen, daß ste einen direkten Nutzen für die Staatskasse nicht gewähren. Aber wir haben, wie ich meine, bei allen Vorlagen, die auf die Melioration des Landes abzielen, nicht allein von diesem Gesichtspunkt uns leiten lassen, sondern insbesondere uns die Frage vorzulegen: wird der Wohlstand des Landes im Gan⸗ zen dadurch entsprechend gefördert? und wenn wir zu der Ueber zeugung kommen, daß der Effert in einem überwiegend günstigen Verhältnisse steht zu der Ausgabe, die der Staatskasse erwächst, dann, glaube ic, werden wir auch zu einer Vorlage kommen, welche die Melioration der östlichen und westlichen Landestheile in gleicher Weise fördert.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode stellte den Ausfüh⸗ rungen des Abg. Büchtemann die Behauptung gegenüber, daß die gesammte Industrie durch die Schutzzölle gestärkt in die Krisis eingetreten sei und ihr somit kräftiger gegenüberstehe, als es ohne diesen Schut“ sein würde. Aus dem Anschlage des Bergwerksetais Argumente gegen die Erhöhung der Schutzzölle herzuleiten, sei ein völlig aussichtsoses Beginnen. Die Ueberproduktion sei gewiß an den Kalamitäten der Gegenwart schuld, aber sie schreibe sich noch aus der Gründer- und Schwindelperiode her. Von einem Kohlenzoll sei das Heil für die Bergwerke nicht zu finden. Das eigentliche Fundament der Klagen bleibe die Roihlage der Landwirtschaft; die mißliche Lage in der Montan⸗ industrie sei damit nicht ohne Weiteres vergleichbar.

Der Abg. Dr. Wagner (Osthavelland) bemerkte, an dem Sturz des Silbers vom Thron und an seiner fortschreitenden Entwerthung von 2 Millionen pro Jahr in Preußen sei lediglich die neue deutsche Reichswährung und die neue Wäh⸗ rungepolitik schuld.

Der Abg. Rickert sprach seine Befriedigung aus, durch einzelne Ausführungen des Abg. von Minnigerode sympathisch berührt zu sein. Das seien Anklänge an seine freihändlerische Vergangenheit gewesen. Seine (des Abg. von Minnigerode) Grande gegen einen Schutzzoll auf Kohlen seien durchaus zutreffend. Er fürchte Repressivmaßregeln von Oesterreich. Dieselben Gründe bestimmten seine Partei aber auch, gegen andere Schutz⸗ zölle einzutreten. Sehe man nicht die Bewegung in Rußland und Desterreich in Erwartung der neuen Zollvorlage? Deutschland sei in die Reihe der Industriestaaten getreten, sei auf den Export angewiesen und müsse sich um so mehr hüten, Gegenmaßregeln der anderen Staaten durch sein Vorgehen hervorzurufen. Seine Partei sei mit dem Minister und dem Abg. von Min⸗ nigerode der Meinung, daß die Ueberproduktion Schuld an dem Niedergange mancher großer Erwerbszweige sei. Dagegen könne aber unmöglich ein Schutzzoll ein Heil⸗ mittek sein; im Gegentheil, er reize künstlich zu ver⸗ mehrter Produktion an. Der Landwirthschast werde man auch nicht durch Schutzzölle aufhelfen können. Es sei nicht richtig, daß die Kaufkraft der Landwirthschaft im Ganzen durch dieselbe steige, denn ein großer Theil der Landwirth⸗ schaft werde doppelt geschädigt, einmal durch die Industriezölle und dann noch direkt durch die Getreidezölle. Die zu starke Steigerung des Grundbesitzes und des Verbrauchs sei eine wesentliche Ursache der jetzigen Kalamität. Ob in Frankreich die Bestrebungen der Agtarier von Erfolg begleitet sein würden, stehe doch noch sehr dahin.

Der Abg. Bödiker bat die Regierung um die thunlichste Beschleunigung der Kanalvorlage.

Die Diskussion wurde geschlossen, und die Einnahme ge⸗ nehmigt, desgleichen von den Ausgaben die Betriebskosten der Berg⸗ und Hüttenwerke ohne Debatte.

Beim Kapitel „Salzwerke“ machte der Abg. Büchtemann auf den Widerspruch aufmerksam, der darin liege, daß die Re⸗ gierung einerseits den Konventionen beitrete, welche den Preis der Kalisalze zu erhöhen bezweckten, und andererseits bauliche Neuanlagen in Aussicht nehme, welche die Förderung steigern und die Durchschnittspreise wieder herunterdrücken müßten.

Ein Regierungskommissar erwiderte, daß die beabsichtigte Neuanlage eines Förderschachtes mit einer Mehrförderung nicht in Zusammenhang stehe.

.Das Kapitel wurde genehmigt, desgleichen ohne Debatte die übrigen Positionen dieses Spezial-Etats, ebenso der Etat des Auswärtigen Ministeriums.

Es folgte der Etat des Finanz⸗Ministeriums.

Der Abg. Dr. Reichensperger (Cöln) vermißte mit großem Bedauern in dem diesmaligen Etat des Kultus-Ministeriums eine Pofition zur Weiterführung der Restauration der Marien⸗ burg. Den Fortfall dieser Position schreibe er dem Einfluß des Finanz-Ministers zu, den er bitten müsse, im nächstfolgen⸗ den Etat eine desto höhere Summe zur Verwendung für diesen großartigsten Profanbau des deutschen Nordens anzuweisen. Ebenfo empfehle er, die Fonds sür die Konservirung der Kunstdenkmäler in Preußen zu verstärken; die verschiedenen Kunstgebiete seien bisher vom Finanz⸗Minister noch nicht gleichmäßig berücksichtigt worden.

Hierauf entgegnete der Finanz⸗Minister von Scholz:

Es wäre vielleicht nicht unbillig von mir, den Wunsch auszu⸗ sprechen, daß der Herr Abgeordnete die Güte hätte haben * mich mit ein paar Worten vorher zu informiren, daß er bei diesem Titel die Absicht habe, die Themata zu verhandeln, die er verhandelt hat, denn ich bin, wie ich versichern kann, darauf nicht vorbereitet. Ich glaube aber, ich habe zu einem Vorwurf nach dieser Richtung deshalb keinen Grund, weil der Herr Abgeordnete nicht sowohl die Absicht hatte, von mir heute gewisse verbindliche Erklärungen zu fordern, als mir eine Vorlesung zu halten, die ich mir zu Herzen nehmen sollte, und da muß ich anerkennen, ist diefer Titel gewiß der allergeeignetste gewesen. ; ; .

Ich muß aber doch ein paar Worte ihm sachlich erwidern. Es freut mich, dabei mich viel mehr in Sympathie mit ihm zu befinden, als etwa in Gegnerschaft. Ich habe elwa vor 24 Jahren zuerst die Marienburg kennen gelernt und kann dem Herrn Vorredner darin nur beistimmen; ich halte sie auch für eins der schönsten, herrlichsten Denkmäler der alten Zeit, die wir besitzen, und mich erfüllt ganz derfelbe Wunsch wie ihn, die Restauration dieses Bauwerks so viel wie möglich zu fördern. Ich kann nun nicht bestreiten. daß der Etat in Bezug auf,. die Martenburg eine Lücke auf- weist, und ich kann auch nicht bestreiten, daß dem Finanz= Ministerium dabei eine gewisse Mitwirkung zuzuschrelben ist, obwohl ich im Allgemeinen sagen kann: die Ctatsvorlage st eine Vorlage der Staatsregierung und ist nicht in der Weise zu Stande gekommen,