gerissen und ein deutscher Angestellter Namens Pantenius ge⸗ fangen fortgeführt sei.
Wie sich späterhin ergab, wurde der gefangene Deutsche am Nachmittage von einem Häuptling Elami Yoß, dessen Bruder von „Olga“ Leuten erschossen worden war, ermordet.
Kapitän⸗Lieutenant Riedel brach auf die ihm zugegangene Nachricht hin sofort nach dem jenseitigen Ufer auf, den Ueber⸗ bringer der Nachricht ersuchend, dem Kapitän zur See Karcher hiervon Meldung zu machen. Die Dampfpinaß der „Bis⸗ marck“ nahm Kapitän⸗Lieutenant Riedel mit.
Um 1 Uhr landete die, Olga“⸗Abtheilung unter heftigem Feuer der Joß⸗Leute an der neuen Schmidtschen Faktorei, wobei in der Barkaß die Matrosen Kuhnert, Krüger und Hirsch (leichter Streifschuß) und gleich nach dem Landen der Unter⸗Lieutenant zur See von Ernsthausen verwundet wurden. Die Kuttermannschaften hatten hinter der Quaimauer Auf— stellung genommen und deckten die Landung der Barkaß. Als deren Mannschasten aber zu ihnen gestoßen und somit der 2. Zug formirt war, stürmte er unter Führung des Seconde⸗ Lieutenants von Etzel mit „Marsch, Marsch, Hurrah!“ auf das circa 30 m hohe Plateau von Bell⸗town hinauf, erst vor der Schlucht Halt machend, welche Belltown von Yoß⸗ town trennt. Am Fuße des Abhanges waren die Matrosen Bugge und Gludan schwer verwundet worden. Ersterer starb noch im Laufe der Nacht.
Der 1. Zug unter Lieutenant zur See Höpner war dem zweiten sofort gefolgt und sicherte nun, mit zwei Sektionen ausgeschwärmt, die linke Flanke des 2. Zuges, den Rest als Soutien in gedeckter Stellung haltend.
Von einem weiteren Vordringen sah Kapitän-Lientenant Riedel bis zum Eintreffen von Verstärkungen ab, vornehmlich deshalb, weil er seine Boote nicht ungedeckt lassen durfte. Aber er unterhielt jetzt 1 Stunden lang ein stehendes Gefecht gegen den ihn halbkreisförmig umfassenden, etwa 500 Mann starken Feind, wobei er schließlich das ganze Soutien mit in die Schützenlinie hineinnehmen mußte. Wenn während dieser ganzen Zeit nur noch zwei Matrosen (Meier und Lewerenz) leicht verwundet wurden, so ist das auf das schlechte — zu hohe — Schießen der Neger und die sachgemäße Terrainausnutzung Seitens unserer Ma—⸗ trosen zurückzuführen, wie überhaupt das Verhalten der jungen Mannschaft bei dieser Gelegenheit alles Lob verdient. Nament— lich gilt dies auch hinsichtlich der Feuerdisziplin. Wurde diesseits doch im letzten Theil des Gefechtes nur von den einzeln bezeichneten Leuten geschossen, während die ganze Linie sich im heftigen feindlichen Feuer befand.
Es ist noch zu erwähnen, daß während des Sturmes auf die Höhe von Bell⸗town die „Olga“-Barkaß und die „Bis⸗ marck“⸗Dampfpinaß — Unter Lieutenant zur See Mießner — ein wirksames Boolsgeschütz⸗ resp. Revolverkanonenfeuer gegen den Feind unterhielten. Die „Bismarck“ Dampspinaß wurde mehrfach von Kugeln getroffen und der Maschinisten— maat Pfeiffer durch einen Schuß ins Auge schwer verwundet. Die Dampfpinaß fuhr dann nach dem anderen Ufer hinüber, um dem Kapitän zur See Karcher Meldung zu erstatten.
Nicht ohne von den sich wieder heranwagenden Negern beschossen zu werden, schiffte sich Kapitän zur See Karcher auf die erhaltene Meldung hin sofort mit der „Bismarck“ Abtheilung nach Bell⸗town ein und landete dort um 3 Uhr 5 Minuten p. m., nachdem aber schon das Feuern in der Schützenlinie der „Olga“ Abtheilung ganz aufgehört hatte. Kapitän Karcher ließ den zuerst gelandeten Theil der „Bismarck“Mannschaften in die „Olga“ Schützenlinie ein—⸗ rücken und gab, den übrigen Theil der „Bismarck“ Compagnie als Soutien mitnehmend, den Befehl zum weiteren Vorrücken gegen Joß⸗tonn und Tokodo⸗town. Die Neger hielten jetzt nicht mehr Stand, sondern flohen in den Busch hinter Tokodo, einen Verlust von mehreren Todten und Ver— wundeten erleidend.
Da ein Nachdringen in den Busch zwecklos schien, so gab Kapitän Karcher den Befehl zum Rückmarsch nach dem Landungsplatze und zur Niederbrennung der Stadt.
Die Verluste der Neger in den Gefechten auf dem linken Flußufer sollen 20 Todte — darunter 2 Häuptlinge — und
Eintheil ung der Landungstruppen des Geschwaders. A. Divisionsstab. Commandeur: Kapitän zur See Karcher. Adjutant: Unter⸗Lieutenant zur See Bachem. Ordonnanz ⸗ Kadett: Seekadett Gotzheim. J 2 Signalgäste, 1 Hornist. Außerdem zur Disposition des Commandeurgs: Lieutenant zur See von Holtzendorff, Flagg-Lieutenant.
B. Infanterie.
1. Abtheilung „Bismarck“. Abtheilungs⸗Commandeur: Lieutenant zur See Graf von Moltke.
I. Compagnie.
1. Zug: Unter-Lieutenant zur See Kölle 2. Zug: Unter⸗Lieutenant zur See Scheer 3. Zug: Lieutenant zur See Meyer II.
8 Unteroffiziere,
120 Mann,
2 Spielleute,
2 Signalgãäste. 136.
C. Artillerie.
Unter⸗-Lieutenant zur See Meier III., 2 Unteroffiziere, 4 Mann. 27.
D. Pioniere.
2 Unteroffiziere, 6 Mann. 8.
E. Sanitätspersonal: a. bei der Truppe: Stabsarzt Dr. Fischer („Olga“, LLazarethgehülfe, 8S Krankenträger (4, Olga“, 4 „Bismarck“), b. auf dem Verbandplatz: Assistenzarzt Dr. Dammann („Bismarck “/, 2 Lazarethgehülfen Bis ö 1 Krankenträger Bismarck“. 17 Boots- und Landungsabtheilung „Bismarck“. Matrosen⸗Compagnie 136 Köpfe 1 . I . Ea n tt ütgherfonaa 11, 75837544 ed Sa. 218 Köpfe. Außerdem J. Gig... 5 . Brandungsboot 10 Krooneger. 233.
1 2. Zug: Seconde⸗Lieutenant von Etzel
40 Verwundete betragen. Diesseits haben nach dem Eintreffen der Bismarck“⸗Abtheilung keine Verluste mehr stattge unden. Die Landungs⸗Division bezog am Abend Quartiere in einer deutschen Faktorei und auf einer Hulk. Kapitän Karcher schickte eine Meldung über die Ereignisse des Tages an den Admiral auf Bismard“, worin er gleichzeitig bat, womöglich S. M. S. „Olga“ den Fluß herauskommen zu lassen.
Die Ereignisse am 21. Dezember.
Noch am Abend des 20. hatte Kapitän Karcher sich King Aqua kommen lassen und die Auslieferung seines rebellischen Bruders Manga Aqua verlangt. Auf eine sehr energische Wiederholung dieser Forderung am Morgen des 21. wurde ihr denn auch Folge geleistet und Manga Aqua gefangen ein— gebracht.
Hingegen blieb der Versuch, durch eine Umstellung von NYoß⸗ und Tokodo: town die möglicherweise dorthin zurück— gekehrten Yoß Häuptlinge zu fangen, erfolglos, und beschränkte sich die Thätigkeit der Landungs⸗-Division darauf, die noch vom Feuer verschont gebliebenen Häuser anzustecken.
Am Nachmittage waren Theile der Landungs⸗Division mit der Untersuchung einiger Missionsgebäude nach geflüchteten Häuptlingen beschäftigt.
Um 9 Uhr 45 Minuten a. m. war inzwischen S. M. S. „Olga“, auf der sich Kontre-Admiral Knorr eingeschifft hatte, bis in die Nähe von Joß-town gelangt, kam aber hier auf der Bank fest und mußte erst wieder die Fluth abwarten, um bis zu ihrem Bestimmungsort vor Aqua-town zu gelangen, wie dies ihr denn auch gegen Abend glückte.
Die Ereignisse am 22. Dezember.
Die Hickory⸗Stadt war am 20. nur zur Hälfte nieder— gebrannt worden. Die völlige Zerstörung derselben fand nun am 22. morgens statt, indem zunächst S. M. S. „Olga“ mit Granaten gegen sie feuerte, theils um die etwa. wieder zurückgekehrten Neger zu vertreiben, haupt— sächlich aber des Eindruckes halber, den das Schießen aus schweren Geschützen und das Krepiren der Granaten auf die Negerbevölkerung ausübt.
Bei der darauf durch die Landungs-Division vorgenomme— nen Durchsuchung der Stadt wurde dann auch kein feindlicher Neger mehr bemerkt. Nach in Brandsetzen der noch stehen , Häuser kehrten die Mannschasten auf ihre Schiffe zurück.
Der seiner Wunde erlegene Matrose Bugge S. M. S. „Olga“ wurde am 21. Dezember auf der Sualawa-Spitze mit allen militärischen Ehren beerdigt.
Der Zustand der Verwundeten, sowie der Gesundheits— zustand auf den Schiffen überhaupt war nach den bis zum 30. Dezember reichenden Nachrichten ein guter.
Es erübrigt nur noch einen Auszug aus dem Bericht zu geben, in welchem Kapitän! zur See Karcher dem Geschwader— Chef sein Urtheil über das Verhalten der ihm unterstellten Mannschaften S. M. Schiffe „Bismarck“ und „Olga“ austz⸗ spricht.
Es heißt darin: .
Das Verhalten der Mannschaften während der 3 Tage war ein musterhaftes. Nicht allein, daß sie mit Unerschrocken⸗ heit und Ruhe im feindlichen Feuer vorgingen und Stand hielten, sondern sie führten auch im Uehrigen die Befehle ruhig und verständnißvoll aus, was mit Bezug darauf, daß bis jetzt erst einmal Gelegenheit gewesen ist, die Compagnie am Lande zusammen zu exerzieren, besondere Anerkennung verdienen dürfte. Desgleichen ertrugen sie die Strapazen der zeitweise bei dem unwegsamen, schwierigen Terrain in der glühenden Hitze sehr anstrengenden langen Märsche, des Boots⸗ ruderns ꝛc., trotzdem die Verpflegung während der ganzen Zeit nur aus Hartbrod und ungekochtem präservirten Fleisch bestand und die Unterbringung während der Nacht eine mangelhafte war, mit großer Ausdauer und Freudigkeit, und ist kein einziger Fall vorgekommen, daß ein Mann wegen Schwäche 2c. hätte zeitweise zurückgelassen werden müssen. Auch sonst ist nicht die geringste Unordnung vorgekommen.
. 2. Abtheilung „Olga“. Abtheilungs⸗Commandeur: Kapitän⸗-Lieutenant Riedel.
IH. Compagnie. Lieutenant zur See Hoepner , .
51 P Q — 1 Zug: Unter⸗Lieutenant zur See Hoffmann / 2 gr iin, 2 Signalgãäste. 81.
1 Unteroffizier, 12 Mann.
1 Unterofsizier, 4 Mann.
F. Bootswache. Commandeur: Lieutenant zur See Stiege. 1. Bootsabtheilung „Bismarck“: Unter⸗Lieutenant zur See Mießner mit 29 Mann, 2. Bootsabtheilung „Olga“: Unter⸗-Lieutenant zur See von Ernsthausen mit 9 Mann. 41.
Boots- und Landungsabtheilung „g an. Matrosen⸗ Compagnie. S1 Köpfe Artillerie . J k 5 Sanitätspersonal ... 6 Go,, 19 ö 1
Sa. 116 Köpfe.
Bei der Landung 21 2 16 turm auf Joß wurde . zur See von Ernsthausen („Ol ü. . . auf Daumen und Mittelfinger der * ö 2 , if fer ( Bismarck“), Schußwunde Sen n latrn s. . 1 * 2 i. ᷓ ,,, Gludau („Olga“), Schußwunde li , ,, n,, ,,, Dr Brustseite; schwer. aan, Meier („Olga“), Streifschuß am Halse; un— Bac) 1 gttose Lewerentz („Olga“) Schuß in der rechten ö 2 e 2. o z ] ⸗ ; („Bismarck /), Bruch des rechten
Bekanntmachung.
„Es haben in letzter Zeit im Kaiserlich deutschen Schutz⸗ gebiet von Kamerun mehrfach anscheinend durch Fremde an⸗ gestiftete Ruhestörungen stattgefunden, welche schließlich die , , militärischer Gewalt zu meinem Bedauern erfordert zaben.
Da es der bestimmte Wille der Kaiserlichen Negierun ist, die erforderliche Ruhe und Ordnung in öde,, unter allen Umständen herbeizuführen und aufrecht zu er⸗ halten, so erkläre und mache ich hierdurch öffentlich und amt⸗ lich allen Einwohnern bekannt, daß von biesem Tage ab jeder Ruhestörer, gleichgültig von welcher Nationalität, die sofortige Ausweisung aus dem Kaiserlichen Schutzgebiet von Kamerun zu gewärtigen hat. Im Falle der erwiesenen mittelbaren oder unmittelbaren Theilnahme an den Operationen der feindlichen Negerstãmme werden dieselben als Feind behandelt werden. Bis auf Weiteres verbiete ich jeglichen Verkauf von Waffen und Munition.
King-Bell-town, den 21. Dezember 1884. . . . Knorr, Contre-Admiral und Chef des Westafrikanischen Geschwaders.
Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)
Bei der heute fortgesetzten Ziehung der 4. Klasse 171. Königlich preußischer Klafsenlotterie fielen: ;
13ewinn von 150 000 M auf Nr. 9675.
2 Gewinne von 30 000 MS auf Nr. 7859. 11098.
1 Gewinn von 15 000 S auf Nr. 23 617.
1L Gewinn von 6000 1 auf Nr. 5028.
37 Gewinne von 3000 MS auf Nr. 2219. 3180. 3244. 4541. 6516. 9980. 14 227. 14777. 22 072. 22 129. 23 787. 24007. 26 041. 35 802. 38 660. 42132. 46 487. 46949. 47377. 54271. 55 946. 58 169. 58 842. 60 495. 60 502. 61 689. 62 806. 63 829. 66 257. 66 853. 73 227. 77936. 78 491. 85 017. 87 090. 91 645. 94467.
40 Gewinne von 1500 M6 auf Nr. 3281. 6147. 6312. 6497. 7831. 8300. 8764. 10118. 15 929. 18376. 21 449. 27 925. 28 147. 31 980. 32 873. 33 366. 37000. 41961. 45 357. 48 640. 55 788. 56 153. 56 668. 59 985. 60915. 61 095. 62915. 64425. 69 240. 71 996. 72043. 73 540. 9. . 77105. 79 768. 84 762. 85 890. 89 556. 91 497.
71 Gewinne von 550 MS auf Nr. 1861. 4430. 5328. 5962 6002. 7562. 8304. 9023. 9631. 10 054. 10 389. 11 738. 12915. 13 882. 15030. 15536. 16158. 179385. 21 062. 22 589. 23 770. 25 171. 25 507. 27 297. 27 437. 29 630. 30 094. 30 222. 30 862. 31 220. 32 712. 32 965. 34 399. 36 332. 36 423. 37 320. 38 633. 40 359. 41 542. 41 576. 42442. 42535. 46103. 49923. 50618. 51 311. 56 865. 57 201. 60 860. 62 849. 64 398. 66 985. 67 826. 69 342. 69 575. 69 926. 74 246. 74 284. 78 141. 82255. 83 656. 84 222. 87169. 87 660. 88 663. 89 413. 90776. 93 572. 93 725. 93 740, 93 753.
Der bekannte Lyriker Karl Gerok, der namentli a religiöser Dichter in allen Kreisen das höchste Ansehen , ö. nach dem heispielßweise Prof. Dr. C. Beyers ‚Deutsche Poetik“ eine deutsche Strophenferm benennt, feiert am 30. Januar seinen 70. Ge⸗ burtstag. Zur Auszeichnung dieses Tages hat die Verlagshandlung von Greiner K Pfeiffer in Stuttgart, bei welcher Geroks bedeutendste Werke erschienen (G. B. seine in 50 Auflagen gedruckten, in alle . K ein wohlgelungenes Licht ruckbi! es Jubilars herstellen lassen, das durch jede? un Kunsthandlung zu beziehenist ⸗ w
Deutsches Theater. Fr. Niemann ist durch Unwohlsein ver— bindert., morgen zu spielen. Es wird deshalb, statt der angekündigten Vorstellung, „Der Richter von Zalameag‘ in der Neubesetzung des Don Alvaro mit Hrn. Kainz gegeben. Am Sonnabend jedoch spielt ,, ne,, Mal vor ihrem Urlaube in Die große Glocke.“ — Die erste Aufführung des ‚„Fiesko“ fin
am Montag, den 2. Februar, statt. ö hn
Der auf Sonnabend angesetzten Wohlthätigkeits⸗Vor— stel lung im Neuen r re del e n br mn sta r 1st Theater, deren Erträgniß den Opfern der Erdbeben in Spanien zuge⸗ wandt werden soll, bringt man von allen Seiten das regste Interesse entgegen. Zur Aufführung kommt die beliebte Repertoire⸗Dperette Gasparone !). Aus den höchsten und besten Gesellschaftskressen der Residenz sind bereits an die Direktion Vorausbestellungen ergangen, so daß man schon heute einen günstigen, materiellen Erfolg prognofticiren kann. Für den künstlerischen Erfolg bürgen die aus- gezeichneten Kräfte, denen, wie bei der ersten Aufführung, die Dar⸗ stellung der Hauptrollen auch an diesem Abend anvertraut ist
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Scholj). Druck: W. Els ner. Vier Beilagen
Berlin:
(einschließlich Börsen Beilage).
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zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 255.
.
ne
Erste Beilage
Berlin, Donnerstag, den 29. Januar
11885.
—
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 29. Januar. In der gestrigen (36. Sitzung des Reichstages begann das Haus mit der ersten Berathung des von dem Abg. Junggreen eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Verwaltungs- und Ge⸗ richts sprache in den zum Reiche gehörenden Landestheilen, in denen eine nichtdeutsche Sprache die Volkssprache ist.
Der vom Abg. Junggreen beantragte Gesetzentwurf hat folgenden Wortlaut:
Der Reichstag wolle beschließen: . 2
dem nachstehenden Gesetzentwurfe die verfassungs mäßige Zu⸗ stimmung zu ertheilen: Gesetz
betreffend die Verwaltungs und Gerichtssprache in den zum Deut schen Reiche gehörenden Landestheilen, in denen eine nichtdeutsche Sprache die Volkssprache ist. . ;
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König
von Preußen ꝛc. ; verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des i w, wie folgt:
In denjenigen Theilen des Deutschen Reichs, wo eine nicht deutsche Sprache die Volkssprache ist, verhandeln die Behörden mit der Bevölkerung und deren Organen in der Volkssprache, in welcher auch alle Verordnungen und Erlasse, die speziell diese Theile des Reichs angehen, zu e , , .
Ebenso sind in den genanaten Landes heilen die Rechtsverhand⸗ lungen, wenn der Angeklagte es verlangt, in der Sprache des Volkes zu führen.
§. 3. ; Alle diesem Gesetze entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen sind hierdurch aufgehoben.
Der Abg. Junggreen vertheidigte seinen Antrag. Er
berufe sich für den Änspruch der Dänischredenden in Nord⸗ schleswig, daß Gesetze und Gerichtsverhandlungen in ihrer Sprache erlassen resp. geführt würden, auf die Verträge, welche die Entscheidung über die Zugehörigkeit zu Dänemark oder Preußen der Bevölkerung überlassen hätten und sehr zu Unrecht nicht zur Ausführung gelangt seien. Bei den Land⸗ und Amtsgerichten werde außer den Fragen, die der Dolmetscher vermittele, nur deutsch verhandelt, so daß ein Angeklagter unter Umständen kein Wort von den Verhandlungen verstehe, die über sein Schicksal entscheiden. Er selbst sei Zeuge eines solchen Falles gewesen. Da man außerdem noch häufig Assessoren als Hülfsrichter verwende, die kein Wort dänisch verstehen, so ruhe Alles in den Händen der Dolmetscher. Dem Einwand, daß nicht dänisch redende Richter in genügender Zahl zu finden seien, würde damit begegnet werden, daß die betreffenden Richter dänisch lernen müßten, wie es die Theologen gethan haben, die in Nordschleswig angestellt seien.
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. von Schelling das Wort: ;
Meine Herren! Unter der Vorgussetzung, daß dem Reichstage erwünscht sei, eine Aeußerung vom Bundesrathstische zu vernehmen, gestatte ich mir einige Bemerkungen. ;
Ich vermisse in dem Entwurfe eine praktisch anwendbare Norm. Derselbe legt als maßgebender Faktor die Volkssprache zu Grunde. Vun läßt sich aber die Grenze der deutschen Sprache, namentlich nach Osten und Norden hin nicht mit voller Sicherheit feststellen. Es bleibt, wie Ihnen allen bekannt ist, eine Reihe von Gemeinden übrig, in denen eine deutschredende Bevölkerung neben einer fremdsprachlichen wohnt, wo also zwei Volkssprachen exlstiren. Wenn ich nun auch dem Antrag unterstelle, daß in einem solchen Falle die überwiegende Sprache entscheiden soll, so kann doch dieses Verhältniß auch sehr zweifelhaft sein und sich im Laufe der Jahre verändern. Es fehlt nun an jeder Bestimmung darüber, in welcher Weise solche Streitig ⸗ keiten und Zweifelsfälle entschieden werden sollen. Ich für meinen Theil halte diesen formellen Mangel für so hervorstechend, das ich auf die Sache selbst nur mit wenigen Bemerkungen eingehen zu können glaube.
Ich will mich dabei beschränken auf die Gerichtssprache; denn soweit der Entwurf im §. 1 die Verwaltungssprache, insbesondere die Sprache regelt, in welcher Erlasse und Verordnungen bekannt zu machen sind, berührt er — und das scheint der Herr Antragsteller selbst anzuerkennen — eine reine Landesangelegenheit, für welche mir die Zuständigkeit der Reichsgesetzgebung nicht begründet zu sein scheint.
Was nun die Gerichtssprache anlangt, so will ich auch die Be— denken, welche vom Standpunkt der praktischen Ausführbarkeit den Vorschlägen des Herrn Antragstellers entgegenstehen, nicht eingehen, da der Herr Antragsteller f diefe Bedenken bereits vollständig an⸗ erkannt hat. Ich möchte nur eine Konsequenz, zu welcher der Antrag führt, betonen. .
Der Entwurf enthält allerdings keine ausdrückliche Bestimmung darüber, wie es mit der Gerichtssprache in den Angelegenheiten der Civilgerichtsbarkeit und der nicht streitigen Gerichtsbarkeit gehal⸗ ten werden soll. Da aber 5.2 nur von Angeklagten“ spricht, nehme ich an, daß derselbe nur für Strafsachen Anwendung finden soll, also die Gerichtssprache in den übrigen Justizangelegenheiten nach §. 1 sich richten soll. Danach würde ein deutscher Kläger oder ein deut⸗ scher Verklagter sich unter Umständen einer fremden Sprache bedienen müssen; und wenn ich mich in jenem Verständniß des §. Lirrte, so würde doch jedenfalls nach §. 2 ein deutscher Privatkläger in Straf— sachen sich einer fremden Sprache bedienen müssen, um vor einem deutschen Gerichte zu seinem Rechte zu gelangen. Meine Herren, das ist eine Konsequenz, welcher — wie ich glaube — die verbündeten Regierungen niemals ihre Zustimmung ertheilen würden.
Der Abg. Lenzmann erklärte sich gegen den Antrag, er begreife nicht, wie ein solcher Gesetzentwurf dem Hause vor— gelegt werden könne, der die Kompetenz der Reichsgesetzgebung bei Weitem überschreite, die Vorlage sei deswegen einfach undiskutirbar. Er schließe sich deshalb auch ganz dem Be⸗ denken des Staatssekretärs an, daß die Volksspraͤche eine absolut undefinirbare Norm sei. Die Bewohner des Spree⸗ waldes könnten eben so gut verlangen, daß ihre Gerichtsver⸗ handlungen in wendischer Sprache geführt würden. Der Antragsteller habe ja gewiß andere Gegenden im Auge gehabt, Posen, Elsaß und Schleswig. Ihm sei es in amtlicher Eigen⸗ schast im Elsaß passirt, daß die Leute eine deutsche Sprache geredet hätten, die er nicht habe verstehen können. Als er ver⸗ langt habe, sie sollten französisch sprechen, hätten sie erklärt, sie verständen kein Welsch. Dies Beispiel zeige, wie schwer es sei, die Sprachgrenze zu finden. Was die Publikation von Gesetzen anlange, so verständen die Leute in Bezirken ge—
mischter Bevölkerung, die überhaupt dergleichen lesen, gewiß deutsch. Dänisch redende Richter würden sich in der nöthigen Zahl nicht finden lassen; man müßte schließlich in jener Pro— vinz das Richterpersonal aus einer ganz eng begrenzten Klasse nehmen. Dadurch würde die Rechtspflege leicht eine politische Parteirichtung annehmen. Er für seinen Theil würde jedenfalls dafür danken, in einem politischen Prozesse von Richtern abge⸗ urtheilt zu werden, die sich ausschließlich aus jenen Landestheilen rekrutirt hätten. Viel ,, sei es doch, der dänischen Be— völkerung zu sagen, sie sollten Deutsch lernen, als die ein⸗ zelnen Beamten zu zwingen, die dänische Sprache zu lernen. Im Uebrigen bestehe ja in allen diesen gemischten Gebieten neben der fremden Sprache auch die deutsche Sprache. Er finde in diesem Antrage eine Feindseligkeit gegen das Deutsche Reich, möchte auch der Antragsteller sich noch so sehr bemühen, das Politische daran zurüctreten zu lassen. Derselbe sei ge⸗ richtet gegen die deutsche Einheit, und man könne in Deutsch— land keine solche Sonderbündelei vertragen. Der Antrag müsse deshalb in schneidiger Form zurückgewiesen werden. Deshalb beantrage er die Ablehnung a limine und nicht die Verweisung in eine Kommission.
Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, der Antrag möge schlecht formulirt sein, aber vielleicht werde eine Kommission eine bessere Fassung finden. Er beantrage deshalb dessen Ueberweisung an die Kommission, der der polnische Sprachen⸗ antrag überwiesen sei. Der Antrag enthalte unbestreitbar einen berechtigten Kern. Gerade wenn man den Wünschen der schleswigschen Bevölkerung in Bezug auf, die Sprache ent— gegenkomme, würde man sich um so eher ihre Sympathie er⸗ werben und den Assimilationsprozeß beschleunigen. Diese Sym— pathie erwerbe man sich aber ganz gewiß nicht, wenn man so chauvinistisch auftrete, wie der Abg. Lenzmann. Im Uebrigen sei er überzeugt, daß in nicht zu ferner Zeit in den ehemals dänischen Landestheilen Nordschleswigs die deutsche Sprache die vorherrschende sein werde.
Der Abg. Dr. Hartmann erklärte, der Antrag Junggreen gehe sehr viel weiter, als der polnische Sprachantrag. Sei aber der Art. 1 jenes Antrages unannehmbar gewesen, so sei es dieser 5. 1 erst recht. Man würde auf dem Wege dazu kommen, die Einheit der deutschen Gerichtssprache aufzugeben. Der Antrag sei auch völlig undurchführbar; es würde sich ja die nöthige Anzahl dänisch redender Richter nicht finden lassen. Der Antrag verlange überdies nicht nur dänisch redende Richter, sondern daß auch solche Gerichtsschreiber, Geschworene, Schöffen u. s. w. beschafft werden sollten und zwar bei den Amts⸗, Land⸗, Ober⸗Landesgerichten und dem Reichsgericht. Für alle diese Stellen die Leute aufzutreiben, sei doch rein unmöglich. Der Antrag habe überhaupt nur einen agitato⸗ rischen Zweck, derselbe sei sachlich und formell nicht berechtigt, und er werde daher auch gegen die Ueberweisung des Antrags an eine Kommission stimmen.
Der Abg. Gottburgsen führte aus, es sei nicht richtig, daß der größte Theil der nordschleswigschen Bevölkerung nicht deutsch verstehe. Im Gegentheil, die Mehrzahl sei der deutschen Sprache sehr wohl mächtig. Die Richter sodann verständen zum überwiegenden Theil dänisch; das treffe z B. in Haders⸗ leben auf 2 der dortigen 3 Richter zu. erner seien sämmt⸗ liche Gerichtsschreiber des Dänischen mächtig. Der Angeklagte, von dem der Abg. Junggreen mittheile, daß derselbe außer wenigen an ihn gerichteten Fragen nichts von der in deutscher Sprache geführten Verhandlung verstanden habe, sei ja frei⸗ gesprochen worden; es sei ihm also jedenfalls kein Unrecht geschehen.
Der Abg. Francke bestritt, daß der dänischen Bevölkerung in Bezug auf die Sprache ein Unrecht geschehen sei, es würden in Nordschleswig eigentlich fünf Sprachen gesprochen: hoch— deutsch, plattdeutsch, hochdänisch, plattdänisch und friesisch. Erst in diesem Jahrhundert sei zur dänischen Zeit das Dänische als Gerichtssprache eingeführt worden; früher sei deutsch die dortige Gerichtssprache gewesen und nachdem Nord⸗ schleswig an Deutschland gefallen sei, müsse natürlich wiederum deutsch die Sprache der Behörden sein. Die Einführung des Dänischen ais Geschästssprache der Behörden würde ohne wesentliche Benachtheili⸗ gung wichtiger Volksinteressen gar nicht durchführbar sein. Er könne das Alles aus seiner eigenen Praxis be⸗ zeugen; die dortige Bevölkerung empfinde es als Wohlthat, wenn ihre Kinder deutsch lernten. Erst durch künstliche Agitation dänischerseits sei hierin theilweise eine Aenderung eingetreten. Es liege aber im Interesse der Nordschleswiger selbst, wenn dem Antrage Junggreen nicht stattgegeben werde.
Der Abg. Dr. Simonis bat, dem Antrag Junggreen wohl⸗ wollend entgegenzukommen. Wenn ein Land annektirt worden sei, solle es darum nicht rechtlos dastehen; im Gegentheil, dort müsse mehr als irgend wo anders auf strikte Gerechtigkeit ge⸗ halten werden; so erfordere es eine weise Politik. Dies könne aber nur geschehen, wenn die Gerichte und Behörden in der Volks⸗ sprache verhandeln könnten, das Dolmetscherwesen führe zu erheblichen Mißständen, auch in Elsaß-Lothringen habe man ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Zum Mindesten dürfe man den Antrag Junggreen nicht einfach zurückweisen; es seien keine minimalen Interessen, wenn es gelte, daß einem Angehörigen des Deutschen Reichs vor Gericht sein Recht zu Theil werde.
Der Abg. Klemm wünschte, daß der Antrag Junggreen a liminé abgelehnt werde.
Der Abg. Liebknecht erklärte, der Gedanke, der dem An⸗ trag Junggreen zu Grunde liege, sei berechtigt; natürlich dürfe auch nicht das deutsche Element in Nordschleswig durch das dänische unterdrückt werden. Jedenfalls müsse mit größter Vorsicht darauf gehalten werden, daß den Mitgliedern fremder Nationalitäten, soweit sie zu Deutschland gehörten, nach allen Richtungen ihr Recht werde. Er sei für Verweisung des An⸗ trags an eine Kommission. -
Nach einem Schlußwort des Antragstellers wurde die Verweisung des Antrages an eine gan u rffflle abgelehnt. Die zweite Berathung wird also im Plenum stattsinden. .
Es folgte die dritte Berathung des vom Abg. Dr. Windt⸗ horst eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung
des Gesetzes über die Behinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern vom 4 Mai 1874. ;
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, nach den eingehenden Diskussionen, die wiederholt über seinen Antrag stattgefunden hätten, hoffe er, daß derselbe ohne Weiteres Annahme Seitens der großen Mehrheit des Hauses finden werde. Für den Fall einer erneuten Debatte behalte natürlich auch er sich weitere Erklärungen vor.
Der Antrag wurde ohne weitere Debatte angenommen.
Das Haus begann darauf die erste Berathung des von den Abgg. Kablé, Germain und Genossen eingebrachten Gesetz⸗ entwurfs wegen Abänderung des §. 2 des Gesetzes, betreffend die Versassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens, vom 4. Juli 1879.
Der Antrag lautet:
Gesetz
wegen Abänderung des §. 2 des Gesetzes, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß⸗Lothringens, vom 4. Juli 1879 (Reichs⸗
Gesetzblatt Seite 165). Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König
von Preußen rc.
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstages, was folgt:
Der §. 2 des Gesetzes vom 4. Juli 1879, betreffend die Ver⸗ fassung und die Verwaltung Elsaß ⸗Lothringens, wird in nach⸗ stehender Weise abgeändert:
Auf den Statthalter gehen zugleich die durch Gesetze und Verordnungen dem Reichskanzler in elsaß-⸗lothringischen Landes⸗ angelegenheiten überwiesenen Befugnisse und Obliegenheiten über.
Die durch 5§. 10 des Gesetzes, betreffend die Einrichtung der Verwaltung, vom 30. Dezember 1871 dem Ober ⸗Peäsidenten über- tragenen außerordentlichen Gewalten sind aufgehoben.“
Der Abg. Kablé klagte, daß die Ausnahmegesetzgebung in einem Lande aufrechterhalten werde, in dem nach dem Aus⸗ spruche der Behörden selbst die Ruhe noch niemals gestört worden sei. Die weitere Aufrechthaltung des Diktatur⸗ paragraphen sei eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, und hier im Hause könne nicht genug daran erinnert werden, welche Verantwortlichkeit jeder Einzelne der Abgeordneten auf sich lade, der zur weiteren Verlängerung der außer⸗ ordentlichen Gewalten, welche der Regierung in Elsaß ver⸗ liehen seien, seine Zustimmung gebe. In der That fei die Macht des Statthalters in Elsaß⸗Lothringen größer, als die eines Souveräns. Das Gesetz vom 4. Juli 1879, gegen das die Abgeordneten von Elsaß-⸗Lothringen immer gestimmt hätten und vor dessen üblen Folgen sie auch in der Zeit gewarnt hätten, als es berathen sei, habe dazu beigetragen, diese Macht noch zu vergrößern. Zwar sei den Elsässern gegen die Entscheidung des Stalthalters der Rekurs gewährt, aber das zuständige Gericht, an das sie sich in einem solchen Falle zu wenden hätten, fehle noch. Da sei es begreiflich, wenn das Gefühl des Rechtsbewußtseins immer mehr und mehr im Volke schwinde, und diese bedauerliche Thatsache müsse noch verstärkt werden durch die großen Gewaltmaßregeln, zu welchen sich die Regierung in Elsaß⸗Lothringen habe bewegen lassen. Als die erste derselben müsse das Verbot der Versicherungs— gesellschaften bezeichnet werden. Schon gleich nach dem Kriege sei in den Interessentenkreisen agitirt, daß die französischen Versicherungsgesellschaften ausgewiesen würden. Man habe darauf aufmerksam gemacht, daß die Agenten ihren Einfluß in deutschfeindlichem Sinne verwenden könnten, aber der Mann, der damals an der Spitze der Verwal⸗ tung von Elsaß⸗Lothringen gestanden habe, der Ober-Präsident von Moeller, habe sich nicht irre machen lassen; derselbe habe die Elsässer auf den Frankfurter Friedensvertrag hingewiesen, der auch die ausländischen Handelsgesellschaften unter den Schutz des gemeinen Rechts gestellt habe. Erst als der jetzige Statthalter nach Elsaß⸗Lothringen gekommen sei, und als die Interessenten auch da wieder ihre Agitation in gleicher Weise geltend ge—
macht hätten, sei der Beschluß vom 11. März 1881 zu Stande
gekommen, durch den die ausländischen Versicherungsgesellschaften aus Elsaß⸗Lothringen ausgewiesen seien. Nach dem napoleoni⸗ schen Preßgesetz sei bei Gründung einer Zeitung nur die Anmeldung nur die Stellung einer Kaution erforderlich ge⸗ wesen. Nach Erfüllung dieser Bedingungen habe Niemandem ein Recht zugestanden, das Inslebentreten der Zeitung zu hindern. Jetzt bringe der Staithalter nach eigenem Ermessen eine Korrektur an und verbiete, wenn es ihm gut scheine, politische Zeitungen ohne Weiteres auf Grund der demselben durch das fragliche Gesetz übertragenen Vollmachten! Am schwersten habe freilich der Diktaturparagraph den Herausgeber der Zeitung „Metz“ und seinen Kollegen Antoine betroffen. Derselbe habe bei der Begründung seines Blattes durchaus allen gesetzlichen Anforderungen genügt, aber es sei ihm sogleich bedeutet, daß seine Zeitung verboten werden würde, und als Motiv sei die Persönlichkeit und die bisherige Thätigkeit des Hrn. Antoine angeführt. Hand in Hand mit diesem Gewaltakt sei zugleich das Anklagever⸗ fahren gegen Hrn. Antoine wegen versuchten Hochverraths ge⸗ gangen. Derselbe sei zu wiederholten Malen gefänglich ein⸗ gezogen und verhört worden und das Resultat sei ge⸗ wesen, daß vom Reichsgericht auf Niederschlagung die⸗ ser ganzen Anklage erkannt sei. Hr. Antoine habe wegen des Verbots der Zeitung in einem Schreiben an den Statthalter auf das Lebhafteste protestirt, Es berge in der That dieses Vorgehen Gefahren für die persönliche Sicher⸗ heit jedes einzelnen Elsaß⸗Lothringers in sich. Allen diesen Maßregeln habe sich nun das am 22. November vorigen Jahres erlassene Verbot der „Union“, des „St. Odilien⸗ blattes“ und des „Echo“ angeschlossen. Selbst die national⸗ liberale „Straßburger Post“ habe anerkannt, daß die Maßregel nur die Verbitterung steigern werde. Alle drei Blätter seien nicht regierungsfeindlich gewesen, auch nicht protestlerisch. Man könne ihre Unterdrückung sich nur aus dem Ergebniß erklären, das die Wahlen in Elsaß⸗Lothringen uns geliefert haben. Es solle die Aufregung durch diese Blätter ge⸗ schürt sein. Aber nirgends hätten bei den Wahlen Störungen sich ereignet, Metz allein vielleicht ausgenommen. Man habe diese Behauptung auch nicht durch Thatsachen erhärten kön⸗