1885 / 26 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Jan 1885 18:00:01 GMT) scan diff

gegangen und eine übermenschliche Aufgabe sei es nicht gewesen, das ganze Blatt von seinem Erscheinen an in ein Paar Stunden durchzulesen. Hätte der §. 10 einen ästhetischen Gerichtshof eingesetzt, so würde ihn eine Unterdrückung des Blattes durch diesen vielleicht gefreut haben, aber der Diktatur⸗ paragraph habe doch ganz andere Voraussetzungen. Eine Ge⸗ sahr für die öffentliche Sicherheit habe er in diesem Blatte nicht gefunden; der Grund für das Verbot müsse also wohl zwischen den Zeilen des 5. 19 zu lesen sein, wo er ihn nicht habe finden können. Eins aber gehe aus dieser Handhabung des §. 10 mit absoluter Sicherheit hervor: es schwebe wie ein Damoklesschwert über der gesammten elsaß⸗ lothringischen Presse; jede Zeitung in Elsaß⸗-Lothringen stehe täglich unter dem Schicksal, ohne Angabe von Gründen unter⸗ drückt zu werden. Anständige Preßzustände würden sich unter solcher Herrschaft nicht entwickeln können. Und wirklich merke man jeder dort erscheinenden unabhängigen Zeitung die innere Unruhe in jeder Zeile an, daß das Schwert eines schönen Morgens niederfallen könne. Im deutschen Interesse sei die Beendigung dieses Provisoriums dringend wünschenswerth; sie sei aber nur möglich, wenn man die Gesetze revidire, welche die verfassungsmäßige Stellung des Landes geordnet haben, und dabei würde es auch erreichbar sein, diesen §. 10 zu beseitigen. Durch den Antrag, den 8. 10 zum Gegenstande einer gesonderten Abstimmung hier im Reichstage zu machen, werde aber in der Sache nicht das Geringste erreicht; wie man auch stimme, 8 10 bleibe vorerst bestehen. Eine bloße Demonstration aber sollte man nur unter ganz dringenden Voraussetzungen machen. Auch dem Landesausschuß komme hier in gewisser Richtung eine Initiative zu; dort könnten die Verhältnisse mit aller Sachkenntniß und Klarheit erörtert werden, und wenn im Landesausschuß die Wünsche der Bevölkerung mit den nöthigen Gründen substantiirt und durch einen Beschluß manifestirt wären, dann werde der Reichstag einer solchen 'n . gegenüber ein Nein nicht mehr aufrechterhalten önnen!

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, die Centrumspartei habe zu allen Zeiten sich dafür erklärt, daß dieser Ausnahme⸗ paragraph wegfallen müsse. Die Ausführungen für das Fort⸗ bestehen desselben hätten auf ihn wenig Eindruck gemacht. Es bleibe nur das Eine übrig, daß der Paragraph auf die Presse Anwendung finden müsse. Daß die Stimmung im Lande das Gesetz nicht entbehren lasse, sei kein Grund. Stimmungen fasse man nicht in Gesetze. Die Briefe von Antoine und Dollfus beklage er, aber daraus sei nicht zu folgern, daß man die Befugniß haben müsse, jeden Augenblick alles Mögliche ohne Ver⸗ antwortlichkeit thun zu dürfen. Mache aber die Presse eine so exorbitante Befugniß nöthig, warum gebe man dann nicht ein ordentliches, besonderes Preß⸗ gesetz? Die Elsässer für immer mundtodt oder von der Gnade der Regierung abhängig zu machen, sei absolut unzulässig und müsse eine Bevölkerung erbittern, die gewohnt sei in Freiheit zu leben. Bei diesem Verhalten könne die richtige Stimmung im Lande nicht zur Geltung kommen; und der offiziöbsen Presse glaube ja in Deutschland und auch im Elsaß kein Mensch mehr. Wolle man neue Landestheile inner⸗ lich einigen, so müsse man sie vor Allem merken lassen, daß sie vollbürtige Brüder geworden seien und wenn selbst jetzt im Elsaß die vollste Gerechtigkeit geübt werde, so werde sie doch als solche nicht empfunden, so lange sie nicht auf Gesetz, sondern auf Willkür gegründet sei. Die drei Blätter seien, wie man sage, unter dem Beifall vieler Elsässer und auch Franzosen unterdrückt worden. Das französische Lob sei ihm von vorn herein verdächtig gewesen; jetzt erfahre er, daß es deswegen so lebhaft gewesen sei, weil klerikale Blätter unter⸗ drückt worden seien. Das werde in Paris immer angenehm sein. In diesen Blättern solle konfessioneller Haß geschürt worden sein. Warum habe man denn die Stellen nicht an⸗ geführt? Er fürchte, wenn man diese Blätter mit denen im übrigen Deutschland vergleiche, werde der Vergleich sehr zu Gunsten der elsässischen ausfallen: und alle Blätter in Berlin und anderswo müßten unterdrückt werden, wenn man denselben Maßstab aanlege. Er nenne diese nicht direkt, weil er keinen seiner Freunde in Cöln und Magdeburg stören möchte. Der Staatssekretär habe dann als etwas Besonderes hervorgehoben, daß diese Blätter behauptet hätten, in der Politik sei der Katechismus maß—⸗ gebend, und wenn man denselben nicht verstehe, so solle man sich ihn beim Pfarrer auslegen lassen. Das Rezept acceptire er gern und bedauere, es nicht selbst geschrieben zu haben. Er möchte auch der Regierung in Straßburg empfehlen, den Katechismus gründlich zu studiren und nach Maßgabe desselben zu regieren. In Deutschland habe man freilich die Po⸗ litik von der Religion und Moral getrennt. Man werde aber hier nicht eher gesunden, bis die ganze Politik nach außen und nach innen wieder nach den zehn Geboten Gottes eingerichtet sei. Der Nutzen der heutigen Debatte, die ja keinen direkten Erfolg haben werde, werde doch jedenfalls der sein, daß die Beschwerden der Elsässer künftig würden beachtet und besprochen werden. Die Elsaß⸗-Lothringer müßten sich in die neuen Verhältnisse schicken; Deutschland aber, sollte ihnen bald eine feste Rechtsbasis für ihre Existenz geben. Nach seiner Empfindung könnten die Elsaß⸗Lothringer keinen besseren Statthalter haben, als sie haben. Aber auch der beste Statt⸗ halter werde bei diesem Gesetzeszustand immer dem Verdacht ausgesetzt sein, Willkür zu üben, und das werde keine Tisch⸗ rede wegbringen.

Die Diskussion wurde geschlossen.

Der Abg. Dr. von Jazdzewski konstatirte, daß den polni⸗ schen Abgeordneten durch den Schluß der Debatte das Wort entzogen sei. Seine Partei werde für den Antrag Kablé stimmen.

Dasselbe versicherte der Abg. Heine Namens der Sozial⸗ demokraten.

Der Abg. Winterer erklärte im Schlußwort, wenn der Diktaturparagraph alles das zulasse, was auf Grund desselben geschehen sei, so frage er, wo in aller Welt es ein Gesetz gebe, das eine ähnliche Auslegung und Ausdehnung zu—⸗ lasse? Solche Zustände, wie in Elsaß-Lothringen, habe man nirgends auf der ganzen Welt, auch in Rußland, dem Lande des Nihilismus nicht. Er bitte das Haus, Elsaß-Lothringen aus seiner Unsicherheit herauszuhelfen. Gerade diese Unsicher⸗ heit, diese Unbestimmtheit sei es, die am meisten fühlbar sei. Die Elsässer seien keine Empörer, sie hätten noch die 10 Gebote, danach wünschten sie behandelt zu werden. Nach den Erklä⸗ rungen des Abg. von Stauffenberg bezüglich der organischen Reyision der * Gesetzgebung für Elsaß⸗Lothringen habe er zum Schluß Namens seiner Freunde zu erklären, daß sie ihren Antrag zurückziehen würden.

Eine Abstimmung über den Antrag fand nunmehr nicht

Der Nachtragsetat betr. das Botschaftsgebäude in Rom wurde auch in dritter Lesung bewilligt.

Der Präsident theilte zum Schluß noch mit, daß die Abgg. Woermann und Meier aus der Kommission für die Dampfer⸗ subvention ausgeschieden seien.

Das Haus vertagte sich um 5 Uhr auf Freitag 1 Uhr.

Im weiteren Verlauf der gestrigen (11.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten beantragte bei fortgesetzter zweiter Berathung des Entwurfs des Staatshaus⸗ halts zum Etat der Staatsschuldenverwaltung, Kap. 37, der Berichterstatter der Kommission, der Abg. Stengel, dieses Kapitel zwar zu bewilligen, wünschte aber, daß von der Regierung die zur gesetzlich festgestellten Amortisation von 3/ Proz. der Eisenbahn⸗Kapitalsschuld erforderlichen Summen als regel⸗ mäßige Ausgaben in den Etat der Staatsschulden verwaltung und dafür eine gleiche Summe als Anleihe in den Einnahme⸗ Etat der allgemeinen Finanzverwaltung eingestellt würden. Die Budgetkommission habe diese Frage einer Er⸗ örterung unterzogen und diese anderweitige Gestaltung in Vorschlag gebracht Es erscheine dies im Sinne des Gesetzes über die Verwendung der Ueberschüsse der Staats⸗Eisenbahn⸗ verwaltung begründet. Dadurch werde erreicht, daß klarer hervorginge, welche Bedürfnisse der Staat in Bezug auf die Eisenbahn⸗Kapitalschuld hätte. Es werde dadurch eine allzu

statt

sanguinische Auffassung über den Etat vermieden werden. 3 Königliche Staatsregierung möge dazu weitere Vorschläge machen.

Hierauf ergriff der Finanz-Minister von Scholz das t:

Wort: Obwohl ein förmlicher Antrag in der Richtung, wie der Herr Abgeordnete ausgeführt hat, nicht vorliegt, möchte ich doch nicht ver— säumen, auch schon der bloßen Anregung gegenüber mich so entschieden wie möglich auszusprechen.

Der angeregte Gedanke geht also dahin, daß wir in unsere Aus—⸗ gaben zur Tilgung der Eisenbahnkapitalschuld regelmäßig eine große Summe aufnehmen. Sie wird nach unserm ganzen procedere bei den Eisenbahnen wachsen, sie würde jetzt ungefähr, wie der Herr Vor— redner bemerkte, 26 Millionen Mark betragen, aber sie würde bald 30 Millionen überschreiten. Auf der andern Seite wäre dieser Aus⸗ ern n eine Einnahme im Wege der Anleihe im Etat ein— zustellen.

Ich muß, meine Herren, widersprechen, daß das irgend dem Sinne des Gesetzes vom 27. März 1882 entsprechen würde. Wenn dies das Gesetz damals gewollt hätte, so würde es das gewiß auch ausgedrückt haben. Es ist auch unrichtig, die Beantwortung der Frage aus dem 5§. 1 des Gesetzes herleiten zu wollen, wie es der Herr Abgeordnete eben gethan hat. Der entscheidende Parapraph ist der 5. 4, der besagt, wie die Tilgung, die das Gesetz vorschreibt, bewirkt werden soll und unter den Modalitäten, wie die Tilgung bewirkt werden soll, ist auch die aufgeführt, daß die Eisenbahnüberschüsse in tanto, wenn es nöthig ist, zur Deckung der übrigen Staatsausgaben ver⸗ wendet werden sollen, die sonst durch Anleihen gedeckt werden müßten. Der Gesetzgeber hat sich auch nicht dagegen verschließen können, daß wir nicht in der Lage wären, aus den übrigen Theilen des Etats das zu ersetzen, was uns die Eisenbahnetats an Ueberschuß für die Staats⸗ ausgaben bisher geliefert haben.

Also daß die angeregte Sache dem Sinne des Gesetzes ent⸗ sprechen würde, bestreite ich durchauät. Eine solche Neuerung würde zwar keines Gesetzes bedürfen, wir würden sie mit dem Etat machen können, sie würde aber, wie ich noch ausführen werde, ihre über⸗ aus bedenkliche und widerräthliche Seite haben.

Daß hier überhaupt eine Summe von 157 959 erscheint, hat, wie der Herr Vorredner angeführt hat, seine Geschichte in den vor— jährigen Verhandlungen, bei welchen der Hr. Abg. Hammacher sich wesentlich dafür interessirte, daß nicht durch die Kün— digung solcher Obligationen, welche jetzt amortisirt werden müssen, und durch die Umwandlung derselben in Konsols der Etat scheinbar verbessert würde, daß nicht durch die wegfallende Amorti- sationsrate unser Verhältniß scheinbar ein günstigeres würde, während es doch in Wahrheit nur eine entsprechende Einstellung der Schulden⸗ tilgung wäre, die uns in eine bessere Lage brächte. Ich habe unter Anerkennung, daß das Gesetz von 1882 uns nicht dazu zwingt, bereit willigst das zugesagt, weil es auch mir nicht wuͤnschenswerth er scheint, daß wir unsere Verhältnisse durch Verminderung der Amortisationsraten besser erscheinen lassen, als sie wirklich sind. Es ist deshalb an dieser Stelle des Etats Bedacht darauf genommen worden, die Amortisationsraten, welche durch Umwandlung von Obligationen in Consols erspart werden, in gleich hoher Summe zur Schuldentilgung wieder auszubringen, um dadurch das zu erreichen, daß der Etat wieder auf denselben Status herabgeht, daß also mit anderen Worten unsere effektive Amortisa⸗ tion nicht gekürzt wird. Aber weiter bin ich doch nicht gegangen und weiter würde ich nicht gehen. Meine Zustimmung dazu ju er⸗ klären, das Aeußere des Etats künstlich zu verschlechtern, zu thun, als ob wir plötzlich in eine Kalamität gekommen wären, der man nicht anders als mit neuen Anleihen abhelfen könnte, wäre das Bedenklichste. Dann dürften Sie hierbei auch garnicht still⸗ stehen, Sie müßten zurückgehen zum Consolidationsgesetz von 1869, Sie müßten die damalige Aufhebung der Amortisation aufheben und Sie müßten seit der Zeit nachweisen, wie wir das Defizit, welches in ungenügender Schuldentilgung liegt, im Etat fortwährend gehabt haben. Ich meine, diese statistisch erhebliche und interessante Thatsache, diese für unsere innere Erwägung maßgebende Thatsache, die ja auch jeder, der sich mit dem Etat nur oberflächlich beschäftigt hat, nie ignoriren kann, die verbietet uns doch auch, das Dekorum in solcher Weise an die Wand zu malen; nicht für uns allein machen wir den Etat, der dann mit einem künstlichen Defizit abschließt, wir stellen uns vor der ganzen Welt als ein Staatswesen hin, das überhaupt nur mit De⸗ fizits abschießt, und das glaubt dann die Mehrzahl der Außenstehenden, denen unsere Verhältnisse nicht so bekannt sind, während wir in der That ein viel gesünderes Finanzwesen haben, welches nicht mit solchen Defizits abzuschließen braucht. Ich kann mich also nur auf das Aller— bestimmteste, wie ich wiederholen will, gegen diesen zur Erwägung ge— stellten Vorschlag der Budgetkommission aussprechen.

Der Abg. Büchtemann erklärte, sich den Ansichten des Abg. Stengel nicht anschließen zu können. Die Etats⸗Ver⸗ hältnisse konnten durch die Vorschläge der Kommission nicht gebessert werden. Wolle man überhaupt eine regelmäßige Amortisation der Staatsschuld oder nur eine Tilgung soweit Ueberschüsse vorhanden seien? Das sei die Frage. Man habe jetzt keine regelmäße Amortisation und halte an dem bis⸗ herigen Verfahren fest.

Der Abg. Stengel wendete sich gegen die Aeußerung des Abg. Büchtemann, daß, wenn man das Verfahren durchführe und die Eisenbahn⸗Kapitalschuld ermäßige, Interessenten kom⸗ men und verlangen könnten, daß Neubauten ꝛc. ausgeführt . ö wies nach, daß die fragliche Befürchtung

infällig sei. Das Kapitel 57 und der Rest des Etats wurden ohne weitere Debatte bewilligt.

Vom Ordinaxium des Etats des Finanz⸗Ministeriums war Kap. 583 „Ober⸗Präsidenten und Regierungen“ von der Budget⸗Kommisfton vorberathen worden. Es erscheinen in diesem Kapitel zum ersten Male die Forderungen für die 6 neu in

am 1. Juli 1885 an Stelle der bisherigen Landdrosteien treten sollen; der Mehrbetrag gegen den laufenden Etat erreicht die Summe von 107 000 S6] Die beiden Regierungen von Og—= nabrück und Aurich sollen nach dem Vorbilde derjenigen von Stralsund gebildet werden (Regierungs⸗Präsident 93009 6 während dieselben sonst 11 40 6 beziehen). Die Kommission empfahl die Bewilligung.

Der Abg. Bödiker beklagte, daß man hier das Prinzip der Gleichheit der Besoldung durchbreche und Regierungs⸗ Präsidenten zweiter Klasse schaffe, das Interesse der betheilig⸗ ten Landestheile werde dadurch nicht gesördert.

Das Kapitel wurde bewilligt, ebenso Kap. 62 „Warte⸗ gelder, Pensionen und Unterstützungen“, welches ebenfalls der Kommission überwiesen war.

Das Extraordinarium der Berg-, Hütten⸗ und Sa— linenverwaltung wurde ohne Debatte bewilligt, ebenso die Spezial⸗Etats der allgemeinen Finanzverwaltung, 26 Herrenhauses und des Hauses der Abgeord neten.

Es folgte der Etat des Ministeriums des Innern.

Die Einnahmen wurden ohne Debatte genehmigt, ebenso von den dauernden Ausgaben Kap. 83, Ministerium.

Bei Kap. 84 Statistisches Bureau“ machte der Abg. Schmidt (Stettin) darauf aufmerksam, daß schon im letzten Etat die Ausgabe für das Statistische Seminar nicht mehr gefordert, und dasselbe auch in diesem Etat beseitigt worden sei. Dasselbe habe über 20 Jahre be— standen und sei für die Ausbildung von Gerichts- und Ver— waltungs⸗Assessoren bestimmt gewesen, um solche in die wissenschaftlichen und praktischen Zwecke der Statistik einzu⸗ führen. Der Besuch dieser Assessoren scheine jedoch zuletzt sehr abgenommen zu haben, und sei dadurch die Bestimmung des Seminars mehrseitig als verfehlt angesehen. Ob die Absicht sei, die Assessoren in anderer Weise im Statistischen Büreau zu beschäftigen, bedürfe einer Aufklärung. Es falle auf, daß für die am 1. Dezember dieses Jahres beabsichtigte Volkszählung nicht im Etat wie sonst eine Aus— gabesumme vorgesehen sei. Ob die letztere durch Verrechnung oder auf andere Weise sichergestellt werden solle, sei nicht ersichtlich. Eine Aufklärung erscheine erwünscht. Ein. Antrag des Abg. Thilenius und Genossen auf Errichtung eines hydrographischen Instituts für das Binnenland und für die Reorganisation des bisherigen meteorologischen Instituts zu einer Centralanstalt in organischer Verbindung mit ersterem sei nicht ausgeführt, sondern weiterer Erwägung vorbehalten; die Finanzlage empfehle nicht die Ausführung der empfohlenen Anträge. Die Errichtung eines Lehrstuhles für Meteorologie an der Berliner Universität stehe mit der Reorganisation in Verbin— dung. Werde die Professur bewilligt, dann wäre die Ab— zweigung des meteorologischen Instituts vom Ministerium des Innern und seine Verbindung mit dem Unterrichts-Ministerium geboten. Es sei Abstand genommen, einen neuen Antrag für Reform des meteorologischen Instituts einzubringen. Er— wünscht wäre es, wenn die Beobachter für die meteorologischen Stationen gleichmäßig honorirt würden.

Die Regierungskommissarien Geh. Regierungs-Räthe DDr. von Bitter und Althoff gaben die gewünschten Aufklärungen. Die Wiedereinrichtung statistischer Vorlesungen zur Ausbildung der Verwaltungsbeamten unterliege noch der Erwägung; die Ausgaben für die diesjährige Volkszählung würden eventuell als außeretatsmäßig zur Verrechnung gelangen, da bis jetzt der Bundesrath über die Ausdehnung der Volkszählung sich noch nicht schlüssig gemacht habe, und das Bedürfniß für, Preußen sonach noch nicht zu übersehen sei. Mit der Bewil⸗ ligung der Professur für Meteorologie würde sich die ganze Wetterfrage im günstigsten Sinne erledigen.

Das Kapitel wurde bewilligt.

Bei Kap. 90 „Landräthliche Behörden“ führte der Abg. Frhr. von Huene Klage über das aggressive, den guten Ton verletzende Verhalten einiger Kreisblätter, welchen der Charak— ter von Privatorganen der öffentlichen Meinung dadurch ge— nommen sei, daß sie ausdrücklich im Verlage des Landraths⸗ amts erschienen. Redner eitirte einige Nummern des „Münsterberger Anzeigeblattes“, welches unter Anderem aus Anlaß des Reichstagsbeschlusses vom 15. Dezember dem Abg. Windthorst und den Mitgliedern des Centrums im Reichstage vorgeworfen habe, daß diese „durch ihr schmutziges, niedriges Benehmen den Reichskanzler zu ärgern“ beabsichtigt hätten, er rufe den Schutz des Ministers an, der solchen Ausschreitungen seine Mißbilligung nicht vorenthalten werde.

] Hierauf entgegnete der Staats-Minister von Putt⸗ amer:

Meine Herren! Ich glaube konstatiren zu dürfen, daß der Herr Abgeordnete, welcher soeben die Tribüne verlassen hat, den all- gemeinen politischen Charakter derjenigen periodisch erscheinenden Zeitungen, welche er Kreisblätter nennt, doch einigermaßen verkannt hat. Er hat zwar im Eingang seiner Ausführungen die, wie mir scheint, richtige Distinktion gemacht, daß ein großer Theil dieser Blätter rein private Ünternehmungen sind und die Rüge, welche er über einen in einem bestimmten Kreis⸗ blatt enthaltenen Artikel aussprechen wollte, nur die spezielle Unter- lage jenes einzelnen Blattes hat. Ich will die Gelegenheit nicht unbenutzt vorübergehen lassen, um zunächst einiges anzuknüpfen an den Eingang seiner Ausführungen. Ich glaube, daß ein großer Theil der Klagen, zu deren Organ sich Hr. von Huene soeben gemacht hat, fortfallen würde, wenn man im Publikum sich genau vergegenwärtigen möchte, welchen Charakter eigentlich die große Mehrzahl solcher Blätter hat. Ich gebe zu, es ist in diefer Beziehung in dem weiten Umfang der Monarchie eine durchaus verschieden gestaltete Praxis; aber von vornherein wird man niemals behaupten können, daß das Kreisblatt in nothwendigem organischem Zusammenhang mit der Staatsverwaltung steht. Davon ist keine Rede; ich bin selbst eine große Reihe von Jahren Landrath gewesen und mit dem Blatte, welches auf Grund speziellen Uebereinkommens gewonnen war, Inserate und Bekanntmachungen aufzunehmen, habe ich in keinerlei offizieller Verbindung gestanden, das war ein reines Privatunternehmen, welches eine dreimal wöchent⸗ lich erscheinende Zeitung darstellte und in welchem nach der politischen Richtung des Redacteurs auch Artikel standen, die er bezog, wo immer er seine Quelle wählen wollte. ;

Es ist richtig, wenn Hr. von Huene sagt, 94 er sich ein Kreis- blatt denken könne, wo auch gegen die politische Richtung polemisirt wird, welcher der Mann angehört, der im Augenblick dem Kreise vorsteht, und daß der Landrath in die unangenehme Lage kommen könne, einmal, im Kreisblatt einen Standpunkt ver treten zu sehen, der dem seinigen durchaus nicht entspricht. Aber, meine Herren, aus diesen Vordersätzen ziehe ich für die politische Stellung, die ich als Minister des Innern zu vertreten habe, auf den Spezialfall werde ich ja nachher zurückkommen die Konsequenz, daß ich für die Haltung der Blätter, die man Kreisblätter zu nennen pflegt, in keiner Weise verantwortlich gemacht werden kann. Sie könnten mit demselben Recht eine große

der Provinz Hannover zu errichtenden Regierungen, welche

Anzahl von Provinzialorganen, in denen auch mal offizielle Bekannt.

machungen stehen, mit in diese Kategorie rechnen und das würde denn doch ju weit führen. Andererseits gebe ich zu: anders steht es mit den Blättern, welche ausdrücklich unter dem Verlage des Landraths erscheinen, übrigens ein in meinen Augen unerwünschter Zustand, ich ziehe bei weitem die Form der amtlichen Publikation vor in Blättern, welche sich als Unternehmen rein privater Art dar⸗ stellen. Aber wenn und Hr. von Huene wird zugeben, daß das die sehr große Ausnahme bildet ein Landrath ein Landraths⸗ amt giebt es nicht sich bewogen findet, ein besonderes Blatt zu verlegen, selbstverständlich um eine feste Basis für seine amtlichen Bekanntmachungen zu haben, dann nebme ich für ihn allerdings auch das Recht in Anspruch, wo es sich nicht um ein reines Anzeigeblatt handelt und deren giebt es auch auch politische Artikel aufzu- nehmen, und auch das Recht, diesen Artikeln eine bestimmte poli- tische Richtung zu geben. Selbstverständlich nehme ich an, daß er sich in dem Rahmen bewegen werde, welcher der Gesammt⸗ anschauung, der Königlichen Staatsregierung entspricht. Es freut mich, daß ich in dieser Beziehung keinen Widerspruch böre, es ist mir wichtig das zu konstatiren. Aber ich erkenne auch die Verpflichtung an, daß der Ton der politischen Artikel ein solcher sein muß, welcher das nöthige Maß in der Polemik innehält, und wenn der Hr. Abg. von Huene die Güte haben will, mir die eben von ihm verlesenen Nummern des betreffenden Blattes zu übergeben, so werde ich prüfen, ob ich in der Lage bin aus der Verlesung einzelner Sätze würde ich das nicht ohne Weiteres herleiten können die Gesammthaltung dieses offiziellen Kreisblattes einer Kritik zu unterziehen. Ich bürge ihm dafür, daß, wenn dies geschieht, ich dafür sorgen werde, daß eine maßlose Polemik und eine maßlose Bekämpfung anderer Parteien nicht stattfindet. Besonders werde ich dafür sorgen, daß ein Ton in denjenigen Blättern, um die es sich handelt, fortfährt, resp6, wo es nicht sein sollte, eingeführt wird, welche den Formen der guten Gesellschaft nicht entgegentritt. Aber ich muß bitten, mir zunächst das Material zur Verfügung zu stellen.

Im Uebrigen bleibe ich dabei, daß es eine durchaus nicht aus dem Rahmen der Rechte der landräthlichen Behörden herausfallende Dperation ist, Artikel politischen Inhalts in denjenigen Blättern, welche sie ihrerseits verlegen, zu bringen.

Schließlich kann ich nur wiederholen, daß mir dieses Blatt bisher gänzlich unbekannt war. Ich habe es niemals weder in meinen Händen gehabt, noch ist mir irgend ein Artikel aus demselben bekannt geworden, und ich muß mir denn doch den Vor behalt machen, daß, wenn auch ein einzelner Artikel vielleicht zu An⸗ ständen Veranlassung giebt, die Gesammthaltung des Blattes immer noch eine solche sein kann, welche nicht über diejenigen Grenzen hinaus⸗ geht, die ich eben zu bezeichnen mir die Ehre gegeben habe.

Der Abg. Frhr. von Huene entgegnete, der Minister werde aus den überreichten drei Nummern ersehen, daß er (Redner) im Citiren noch sehr bescheiden gewesen sei.

Der Abg. Dirichlet erklärte, Verwahrung dagegen ein— legen zu müssen, daß, wenn eine Aeußerung vom Regierungs—⸗ tische nicht durch Zwischenrufe im Hause unterbrochen werde, darin eine Uebereinstimmung aller Mitglieder mit der betreffen— den Aeußerung konstatirt werden solle. Man könne uber Zwischenrufe denken, wie man wolle,« er mache sich ihrer selbst wegen einer gewissen Lebhaftigkeit seines Temperaments zumeilen schuldig, aber sie als parlamentarische Institution zu deklariren, als Aeußerung der Parteien, das sei bisher nicht parlamentarische Sitte gewesen. Er protestire also ausdrück— lich dagegen, daß die Ausführungen über das Recht der Land⸗ räthe, ihren mit der Regierung übereinstimmenden Standpunkt auch polemisch in den Kreisblättern zur Geltung zu bringen, vom Hause als berechtigt zu⸗ gestanden würden. Den Begriff des Kreisblatts habe der Minister doch etwas eng gezogen. Nicht nur die im landräthlichen Verlage erscheinenden seien Kreisblätter, auch die angeblich ganz unabhängigen Privatunternehmungen würden theils auf Kosten der Gemeinde, theils auf Kosten der Kreise zwangsweise den Gemeinden vom Landrathe als Organ zugesandt, in welchem er ihnen seine Bekanntmachungen mittheile. Praktisch stelle fich die Sache so, daß in der That Leute der verschiedensten Parteien in dem ihnen amtlich mit dem Stempel des Landraths zugehenden Blatte Schmähungen

ihrer eigenen Gesinnungsgenossen fänden. Der Minister könne also nicht jede Verantwortlichkeit ablehnen. 13

Da sich Niemand zum Worte meldete, so wurde die Dis⸗ kussion geschlossen. .

Persönlich bemerkte der Abg. Dirichlet, er konstatire nnr, daß der Minister gegen seine Ausführungen nichts eingewendet habe, daß er also nach seiner Deduktion mit ihm in allen Punkten übereinstimme. 2

Tit. 1 wurde darauf bewilligt.

Bei Tit. 10 desselben Kapitels bemerkte der Abg. von Meyer (Arnswalde), daß die den neuen Landräthen der Provinz Hannover zugebilligten Dienstaufwands ⸗Ent⸗ schädigungen erheblich höher bemessen seien, als diejenigen der altländischen, obwohl erstere zum Theil nur Duodezkreise von noch nicht 10 Quadratmeilen zu verwalten hätten. Es möchte vielleicht an der Zeit sein, jetzt auch der Landräthe der alten Provinzen zu gedenken und ihnen für ihre sächlichen Unkosten höhere Entschädigungen zu geben. Vielleicht übernehme auch der Staat unter entsprechender Kürzung der Kreisdotationen die Büreaukosten der Kreisausschüsse.

Hierauf bemerkte der Staats⸗Minister von Puttkamer:

Meine Herren! Das jenige, was der Herr Vorredner aus führte, klingt ja in vielen Beziehungen sympathisch bei mir wieder, ich hätte nur gewünscht, daß er seine dies bezüglichen Monita nicht angeknüpft hätte an eine Vergleichung der materiellen Stellung der altländischen Landräthe mit der Stellung der Landräthe in Hannover. Es ist ja richtig, daß die Landräthe in Hannover durchschnittlich kleinere Kreise zu verwalten haben, und daß aus diesem Umstande, wenn auch nicht in dem Umfange, wie der Hr. Abg. von Meyer fagt, folgt, daß ihre amtlichen Aufwands bezüge etwas geringer in einzelnen Fällen gehalten werden können, nament— lich, da sie vielleicht nicht alle sich Equipagen halten können, was ich übrigens sehr beklagen würde, denn ich halte, offen gestanden, eine ersprießliche Verwaltung des Landrathsamtes ohne Benutzung eines Fuhkwerks für überaus schwierig, wenn der Landrath nicht gerade in einer großen Stadt wohnt, oder sonst besonders günstige Verkehrsver⸗ hältnisse vorhanden sind. Aber ich glaube, der Herr Abgeordnete hat eines übersehen, nämlich die Thatsache, daß die Landräthe in Hannover gleichzeitig die Ortspolizeiverwaltung zu führen haben und daß aus diesem, den Landräthen in den übrigen Provinzen nicht obliegenden Zweige der Verwaltung sich Anlaß und Nöthigung zu umfangreichem Schreibwerke und zu häufigen Dienstreisen ergiebt.

Im Uebrigen bin auch ich der Meinung, daß, je weiter wir in der administrativen Entwickelung vorgeschritten sind, um so mehr das Bedürfniß erwachsen wird, zu erwägen, ob nicht ganz abgesehen von dem Gehalte, das nur im allgemeinen Rahmen der Dienstaufbesserung einer Erhöhung würde unterzogen werden können ob nicht die Dienstaufwandentschädigung der Landräthe eine Aufbesserung wird erfahren müssen. .

Daß in den letzten Dezennien in dieser Beziehung ein überaus großer Fortschritt zu Gunsten der betreffenden Beamten stattgehabt hat, das wird wohl von Niemandem, namentlich aber von Denjenigen nicht geleugnet werden, die, wie der Hr. Abg. von Meyer, lange Zeit ein Landrathsamt bekleidet haben. Meine Herren, ich kann aus meinen per⸗ sönlichen Erfahrungen sprechen. Als ich Landrath wurde vor nunmehr 24 Jahren, stand ich so, daß ich meine Dienstauswandtentschädigung und mein Gehalt verwenden mußte, um den Dienstaufwand zu bekleiden, daß mir also für mich und meine Familie nichts übrig blieb. In dieser Beziehung hat sich allerdings eine große Besserung vollzogen. Aber ich will durchaus nicht in Abrede stellen, daß im Großen und Ganzen jetzt der Moment eingetreten ist, wo man sagen kann, der Dienstaufwand reicht dem wirklichen Beduͤrf— nisse gegenüber nicht mehr aus. Eine Latitüde ist aller— dings durch den Etat gelassen, nämlich die, daß der Minister ausgleichen kann. Er wird denjenigen Landräthen, welche ganz kleine Kreise verwalten und deshalb nur wenig Geschäfte haben, weniger auszahlen lassen wie den Durchschnitt, und er wird dagegen denen mit großem Aufwande belasteten Landräthen etwas mehr geben als den Durchschnitt. Aber ich will nicht verkennen, daß es, wie die Verhältnisse jetzt vorliegen, wohl erwünscht sein könnte, eine durch greifende Verbesserung eintreten zu lassen. Im Uebrigen möchte ich doch noch auf einen Punkt kommen, den der Herr Abgeordnete be⸗ rührte. Er meinte, da, wo nicht etwa durch die Kreisausschußverwaltung

den Landräthen eine Zulage thatsächlich erwachse, würde das Bedürfniß ein besonders dringendes sein. Meine Herren, das erkenne ich in keiner Weise an. Ich muß von dem Grundsatz ausgehen, daß den Landräthen eine materielle Verbesserung ihrer Lage durch die Kreisausschußverwaltung in keiner Weise zusteht und auch von ihnen nicht begehrt wird. Die Kreit ordnung hat ihre ganz bestimmte Grenze gezogen, innerhalb der die Selbstverwaltung sich abspielt. allerdings unter dem Vorsitz des Landraths, aber ich würde es für unerwünscht halten, wenn irgend ein Zustand bestände, der vermittelst einer thatsächlichen Verquickung der beider seitigen Budgets dazu führt, daß die Landräthe einen Vortheil ziehen. Ich glaube, man wird vergebens da nach einem solchen Beispiel suchen. Im Uebrigen möchte ich nur sagen, daß, wenn der Herr Abge⸗ ordnete von hypochondrischen Stunden spricht, die ihn manchmal bei der Betrachtung seiner amtlichen Thätigkeit beschleichen, so babe ich die Ueberzeugung und weiß, daß die sehr selten gewesen sind. Ich habe zu dem Herrn Abgeordneten ein sehr viel besseres Vertrauen, wie er es sich nach seinen Worten zuschreibt. Ich weiß, daß er, so lange der be⸗ treffende Kreis das Glück gehabt hat, ihn an seiner Spitze zu sehen, diese hypochondrischen Stunden jedenfalls nur sehr vereinzelt vorge⸗ kommen sind und niemals zum Nachtheil seiner Kreiseingesessenen ausgeschlagen haben. Ich bin ihm sehr dankbar, daß er die Sache angeregt hat. Allerdings kann ich selbstverständlich nicht den Schatten einer Hoffnung auf Besserung aussprechen ohne die Zustimmung meines Kollegen, des Hrn. Finanz⸗Ministers, und ich muß sagen, daß ich bis jetzt keine Veranlassung gehabt habe, dieserhalb in offizieller Beziehung in Verbindung mit ihm zu treten. Ich will aber die Sache mir ad notam nehmen und will sehen, ob bei Verbesserung der finanziellen Verhältnisse im Allgemeinen auch dies hier angeregte Bedürfniß eine Befriedigung finden kann. Im Großen und Ganzen erkenne ich das Bedürfniß als thatsächlich bestehend an.

Der Abg. Bödiker hielt dem Abg. von Meyer auch seiner⸗ seits entgegen, daß die hannöverischen Landräthe die Orts⸗ Polizeiverwaltung wahrzunehmen hätten und also eigentlich noch höher besoldet werden müßten; die Landräthe im Osten seien viel besser daran, sie seien meistens im Kreise ange⸗ sessene Grundbesitzer.

Der Abg. Br. Wehr bemerkte, wenn man Landrath und Grundbesitzer in einer Person sei, dann setze man doppelt zu, im Amt und in der Wirthschafst. Die Ausführungen des Vorredners seien also durchaus unzutreffend.

Hierauf erwiderte der Abg. Dirichlet, es wäre durchaus nicht in der Ordnung, wenn die Landräthe exceptionell besser ge⸗ stellt würden vor der längst in Aussicht genommenen allge⸗ meinen Erhöhung der Beamtenbesoldungen. Die Fälle, daß ein Landrath, der zugleich Grundbesitzer sei, doppelten Schaden habe, seien doch ganz individuelle, manchem Grundbesitzer komme doch seine Eigenschaft als Landrath sehr zu Statten. Uebrigens sei die Zahl der ansässigen Landräthe wie Butter an der Sonne im Schwinden begriffen; die Zahl Derer, die durch das Landrathsamt gingen, um Karriere zu machen, wachse immer mehr, sei es, daß die par⸗ lamentarische oder sonst eine amtliche oder außeramtliche Thätigkeit dabei helfe. Die Vereinigung des Landraths⸗ bureaus mit dem des Kreisausschusses denn eine solche Konsequenz würde die Anregung des Abg. von Meyer doch wohl haben könne er nicht billigen; so lange die gegen⸗ wärtige Kreisordnung in Kraft sei, müsse die Trennung auch bestehen bleiben.

Der Abg. von Meyer erklärte, es sei sehr einfach, weshalb die Landräthe noch nicht öffentlich für eine Verbesserung ihrer Bezüge aufgetreten seien, sie hätten es bis jetzt für unan⸗ ständig gehalten. Der Abg. Wehr und er hätten die Frage zum ersten Mal angeregt, weil sie beide Landräthe gewesen seien.

Das Kapitel wurde hierauf bewilligt, ebenso Kap. 91 und 92 „Polizeiverwaltung in Berlin und Polizeiverwaltung in den Provinzen“.

Um 31“ Uhr wurde die Fortsetzung der Etatsberathung auf Freitag 11 Uhr vertagt.

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(64953 Steckbrief.

Gegen den unten beschriebenen Kellner Stanis— laus Stachomski, am 3. Mai 18595 in Posen ge— boren, welcher flüchtig ist, ist die Untersuchungshaft wegen schweren Diebstahls in den Akten 84 G. 152 865. J. IV. c. 34. Sö6 verhängt.

Es wird ersucht, , zu verhaften und in das Untersuchungs⸗Gefängniß zu Berlin, Alt⸗Moabit Nr. 1112, abzuliefern. =

Berlin, den 29. Januar 1885.

Königliches Amtsgericht J. Abtheilung 84. . Wissing.

Beschreibung: Alter 25 Jahre, Größe 1 m 68 em, Statur untersetzt, Haare schwarz, schwarzer Schnurrbart, Nase gewöhnlich, Gesicht länglich, Gesichtsfarbe gesund. Kleidung: dunkler Gehrock und schwarzer Filzhut.

(64950 Steckbrief.

Auf Grund richterlichen Haftbefehls ergeht gegen den ledigen Bäckergesellen Earl Mathias Goettle von Rottweil, wegen Betrugs jum Rachtheil des Bauunternehmers Wirth von Muͤhlheim.

3 . . ö. 28. Januar 1858, von untersetzter atur, ha warze Haare, frechen 3 . schwarze H frech

ie Einlieferung hat zu geschehen in das Amts- gerichtsgefängniß zu Rottweil.

Rottweil, den 27. Januar 1885.

K. Staatsanwaltschaft. Gröber, H. St. .

16495! Bekanntmachung.

Der diesseits unterm 22. November 1884 erlassene Steckbrief hinter den Ackerbürger und Gutsbesitzer Friedrich Reinhold Werner, geboren zu Burxdorf, und dessen Ehefrau Agnes 93 Werner, geb. Hirschfeld, geboren zu Fllehne, ist erledigt.

Greifswald, den 27. Januar 1885.

Der Erste Staatsanwalt.

.

In Cassel wurden gestohlen:

I) Zinsedupon Nr. 265 der Kaiserin⸗Elisabeth⸗Bahn Über 8 „, fällig gewesen am 1. Oktober 1884,

2) Zinscoupon Nr. 1536 der Deutschen Hypotheken⸗ bank in Meiningen über 6 „, fällig gewesen am 1. Januar 18865,

3) Zinscoupon Nr. 02724 der Preuß. Boden Credit⸗Aktien Bank, fällig gewesen am 1. Ja⸗ nuar 1885,

4) eine 100 Dollar⸗Note.

Ich ersuche die Polizeibehörden, von diesem Dieb— stahl den Bankiers ihres Bezirks Kenntniß zu geben und dieselben zu ersuchen, mit sofortiger Benach⸗ richtigung der Polizei den Vorzeiger der erwähnten Noten anzuhalten.

Des Diebstahls verdächtig ist der Buchbinder geselle Philipp Bruchmann (Brückmann) aus Barmen. Bruchmann ist 24 Jahre alt, ist mitt- lerer Größe, etwas gebückt, hat dunkelblondes Haar, bartlos, graue Augen, spitze Nase, Gesichtsform länglich, Farbe blaß, Finnen im Gesicht.

Bekleidet mit grauem Rock und Hose, Schlapp⸗ hut, Stiefeln.

Ich ersuche um Festnahme des Bruchmann mit Drahtnachricht hierher zu den Akten J. J. 175 / 865.

Cassel, den 29. Januar 1885.

Der Erste Staatsanwalt. J. A.: Dr. Appelius.

64954

Der Brguer Carl Lantzsch aus Obergruna, zu letzt in Wolmirstedt wohnhaft, ist durch rechts kräftiges Erkenntniß der vormaligen Königlichen Stadt und Kreisgerichts⸗Deputation hieselbst vom 10. Septemher 1877 wegen Brausteuer⸗Defraudation za einer Geldstrafe von 60 „6, welche durch Resolut vom 29. Oktober 1877 in 20 Tage Haft umgewan⸗ delt ist, verurtheilt worden. Sein Aufenthalt hat nicht ermittelt werden können. Es wird daher er— sucht, auf den ꝛc. Lantzsch zu fahnden, im Betretunge⸗ falle die erkannte Geldstrafe einzuziehen, event. die gedachte Haftstrafe an ihm zu vollstrecken und uns

hon der erfolgten Volsstre ckung sofort Nachricht zu

geben. Wolmirstedt, den 26. Januar 1885. Königliches Amtsgericht.

64774

Nachstehend verzeichnete Personen werden beschuldigt, als Wehrpflichtige in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubniß das Bundesgebiet verlassen oder nach erreichtem militärpflichtigen . ö außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten zu haben.

Vergehen gegen §. 140 Abs. 1 Nr. 1 St.⸗ G. -B.

Dieselben werden auf

Dienstag, den 24. März 1886, Vormittags 9 Uhr, vor die Strafkammer des Kaiserlichen Landgerichts zu Metz, Justiz⸗Palast 1. Etage, zur Hauptverhand⸗ lung geladen. .

Bei unentschuldigtem Ausbleiben werden dieselben auf Grund der nach §. 472 der Strafprozeßordnung von der Kaiserl. Kreisdirektion Diedenhofen am 19./12 84 über die der Anklage zu Grunde liegenden Thatsachen ausgestellten Erklärung verurtheilt wer⸗ den, nämlich:

I) Velten, Nicolaus, geboren am 17. Januar 1862 zu Büst und zuletzt daselbst wohnhaft.

2) Vinckel, Mathias, geboren am 1. Dezember 1862 zu Molwingen und zuletzt daselbst wohnhaft,

3) Brandebourger, Peter, geboren am 19. August 1862 zu Homeldingen und zuletzt daselbst wohnhaft,

4 Bour, Hubert, geboren am 22. September 1862 zu Lyon, zuletzt in Oetringen wohnhaft,

5) Krier, Franz Louit, gen. Duplan, geboren am 25. Dezember 1863 zu Oettingen, und zuletzt daselbst wohnhaft,

6) Schlesser, Karl Peter, geboren am 27. Sep- tember 1862 zu Oettingen und zuletzt daselbst wohn⸗

aft, —; 7) Landt, Michel, geboren den 3. Juni 1862 zu Puttlingen und zuletzt daselbst wohnhaft,

8) Andrés, Mathias, geboren am 22. November 1862 zu Sentzisch, zuletzt daselbst wohnhaft,

9) Zech, Nicolaus, geboren am 22. November 1862 zu Elsingen und zuletzt daselbst wohnhaft,

10) Zech, Adam Mathias, geboren am 22. No⸗ vember 1862 zu Elsingen und zuletzt daselbst wohn⸗

haft, 11) Vinckel, Johann, geboren am 12. September 1862 zu Königsmachern und zuletzt daselbst wohn⸗

haft, .

197) Hartenstein, Michel, geboren am 7. März 1862 zu Metzerwiese und zuletzt daselbst wohnhaft,

13) Cabus, Johann, geboren am 24. April 1862 zu St. Margaretha, Gde. Monnern, zuletzt daselbst wohnhaft, .

14 Cabus, Nicolaus Mathias, geboren am 23. Januar 1862 zu St. Margaretha, Gde. Mon⸗ nern, zuletzt daselbst wohnhaft,

15) Thibésard, Johann, geboren am 2. Dezem ber 1862 zu Apach, zuletzt daselbst wohnhaft,

16) Schoengen, Peter, geboren am 31. Juli 1862 zu Halsdorf, Gde. Grindorf, zuletzt daselbst wohn⸗

aft. d 17) Bettenfeld, Nicolaus, geboren am 3. Oktober 1862 zu Kerlingen, zuletzt daselbst wohnhaft.

18 Relinger, Peter, geboren am 10. Dezember 1862 zu Kerlingen, zuletzt daselbst wohnhaft,

19 Nigon, Johann, geboren am 11. Januar 1862 zu Kalemburg, Gde. Laumesfeld, zuletzt da—⸗ selbst wohnhaft.

2M Becker, Nicolaus, geboren am 28. Dezember 1862 zu Laumesdorf, zuletzt daselbst wohnhaft,

21) Hagen,. Johann, geboren am 28. November 1862 zu Mallingen, zuletzt daselbst wohnhaft,

22) Gravier, Johann, geboren am 18. April 1862 zu Mandern, zuletzt da 6 wohnhaft,

23) Leuck, Peter, geboren am 11. Januar 1862 zu Merschweiler, zuletzt daselbst wohnhaft,

24 Trapp, Peter, geboren am 15. Februar 1862 zu Montenach, zuletzt daselbst wohnhaft,

26) Kaiser, Johann Peter, geboren am 1. De⸗ zember 1862 zu Oberkontz, zuletzt daselbst wohnhaft,

9 Cnrique, Johann . einrich, geboren 14. Juli 1862 zu Sierck zuletzt daselbst wohnhaft, 27 Jean, Louis, m am 9. März 1862 zu Bollingen, zuletzt daselbst wohnhaft,