Verkehrs⸗Anstalten.
Auf den Linien der Großen Berliner und der Großen Internationalen Pferde Eisenbahn⸗Aktien ⸗ Gesell⸗ schaft sind im Monat Januar 1885 5 848 550 Personen be- fördert und dafür J109 825,85 S oder durchschnittlich pro Tag 22 897.61 1 von beiden Gesellschaften eingenommen worden. Die Ein⸗ nahme im Januar 1884 betrug 661 163,73 M oder durchschnittlich vro Tag 21 327,86 6
Dresden, 7 Februor. (W. T. B.) Die Eisdecke der Elbe in Böhmen ist heute früh aufgebrochen; in Bodenbach ift seit heute Vormittag 9 Uhr das Eis in vollem Gange.
Bremen, 8. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Oder ist heute früh 1 Uhr in New ·˖ Jork eingetroffen.
New ⸗ Jork, 7. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer Noordland“ der Red Star Line ist hier angekommen.
Berlin, 9. Februar 18865.
In der am Sonnabend abgehaltenen Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde begrüßte der Voersitzende Dr. Reiß den Afrika⸗ reisenden Dr. Fischer und den von schwerer Krankheit genesenen Hrn. Robert Flegel. Seit dem letzten Zusammensein hat die geographische Wissenschaft durch den Tod berühmter Vertreter Verlufte erlitten. Es starb der österreichische General⸗Major von Sonklar, einer der bedeutendsten Naturforscher und Geographen Oesterreichs, Verfasser verschiedener Werke und Erzieher des Erzherzogs Ludwig Victor; sodann der Kommandant Roudaire, der Urheber des einst viel besprochenen Pro jekts, in der Sahara ein Binnenmeer zu schaffen. Hieran knüpfte der Voisitzende die gelegentliche Mittheilung, daß dieses Projekt keineswegs aufgegeben, sondern daß alle Hoffnung vorhanden sei, es, wenn auch in kleinerem Umfange, in nicht zu langer Zeit verwirklicht zu sehen. Am 17. Januar fiel in der Schlacht am Brunnen von Abu⸗ Klea der englische Oberst Burnaby, durch seinen Ritt nach Chiwa berühmt geworden, den er in einem Buche beschrieben; es starb ferner der englische Zoologe Jeffreys, durch seine Forschungsexpeditionen im Atlantischen Ozean bekannt, und endlich Br. Oskar Stroebelt, ein junger deutscher Gelehrter ous Düsseldorf, der sich im Auftrage der Internationalen Kongogesellschaft in Brüssel nach Afrika begeben hatte. Die Gesellschaft selbst verlor durch den Tod Hrn. Hanse— mann und den Buchhändler Georg Reimer. — Der Vorsitzende machte alsdann höchst interessante Mittheilungen über den bevorstehenden Geographentag in Hamburg; an der Spitze des Ausschusses steht dort der Bürgermeister Kirchenpauer und der Direktor der Reichs⸗Seewarte, Geheime Admiralitäts⸗Rath Dr. Neumayer. Sehr wichtige Verhandlungen stehen in Aussicht, so vor Allem die Frage über antarktische Forschungen, eine Besprechung über die neuen Auf— gaben der Afrikaforschung und die Frage über den Panamakanal im Weltverkehr. Eine ganze Reihe von Ausstellungen werden veran⸗ staltet: eine von Seekarten, von wissenschaftlichen Unternehmungen in Afrika, von Handelsunternehmungen in Centralamerika, sodann eine geologische, eine botanische Ausstellung ꝛe. Ferner soll der vom Freiherrn von Richthofen angeregte Gedanke der Be⸗ gründung eines geographischen Repertoriums zur Dis⸗ sussion gestellt werden. Man gedenkt dann auch eine neue Auflage des bekannten wissenschaftlichen Handbuchs für Reisende zu veranstalten. — Von den deutschen Afrikareisenden konnte der Vorsitzende der Gesellschaft zu seinem Bedauern nichts mittheilen; dagegen gab er seiner Genugthuung Ausdruck, daß der Reichstag 156 000 υ zur weiteren Erforschung Afrikas bewilligt habe. Aus der langen Reihe von Mittheilungen über die Reisenden fremder Nationen in allen Erdtheilen sei angeführt, doß Nordenskjöld eine neue Expedition nach Asien plant. In Begleitung der politischen Mission, welche England nach Afghanistan gesandt hat, befinden sich auch einige Gelehrte, welche Beobachtungen und Messungen anstellen sollen; da die Russen in gleicher Weise vom Norden her wissenschaftlich vorgehen, so ist aus diesem Indiehändearbeiten reicher Erfolg für die Wissenschaft zu erhoffen. Nordamerika rüstet eine neue Expedition nach dem Euphrat und Tigris. Serpa Pinto hat die Ostküste Afrikas verlassen, um sich zunächst nach dem Tanganikasee zu begeben und dann weiter westwärts vorzudringen; obgleich diese Expedition glänzend ausgerüstet ist, so kann man sie bis jetzt doch nicht als eine glückliche bezeichnen, da sich der Mangel an Trägern sehr fühlbar macht. Die Franzosen rüften zwei Expeditionen, um vielleicht noch etwas über die Genossen des unglücklichen Flatters zu erfahren. Die Amerikaner wollen Florida an seinem Nordende durchstechen, um einen schnelleren Verkehr mit dem mexikanischen Meerbusen herzustellen. Das schreck— liche Erdbeben in Spanien hat Veranlassung zur genaueren Beob— achtung einer Reihe von Erscheinungen gegeben, welche von Spaniern und Franzosen angestellt sind. — Unter den eingegangenen literarischen Neuigkeiten erregte das hochwichtige Segelbuch für den Atlantischen Ozean besonderes Interesse. — Den ersten Vortrag des Abends hielt der Geheime Admiralitäts⸗Rath Dr. Neumayer aus Hamburg über die geogrophischen Probleme innerhalb der Polarzonen im Lichte der neuesten Forschungen. — Als zweiter Redner beabsichtigte der Kaiserlich japanische Ministerial⸗ Rath Tsu⸗ nashiro Wada über die Arbeiten der Geologischen Landesanstalt in Japan zu sprechen. Wie der Vorsitzende sagte, spreche der Or. Mi— nisterial⸗Rath fertig deutsch, trage aber dennoch Bedenken, vor einer 0 zablreichen Gesellschaft öffentlich zu sprechen; es werde dethalb der Schriftführer der Gesellschaft, Or. Paul Güßfeldt, darüber berichten.
Fernando Po.
(Nach dem in den Annalen der Hydrographie“ veröffentlichten Bericht S. M. Kr. ‚Möwe“, Kommandant Korv.⸗Kapt. Hoffmann.)
Die Seekarten Tit. VI 138 (Br. A. K. 1357) Kap Formoso to Fernando Po und Tit. VI 155 (Br. A. K. 623) Anchorages in Fernando Po Island geben Aufschluß über die Lage der Insel zu den umliegenden Küsten der Bucht von Biafra und über die⸗ jenigen Punkte der Insel selbst, welche bei einer Bericht erstattung vom nautischen Gesichtspunkte in Frage kommen.
Die Festlandküste der Biafra⸗Bucht ist im Allgemeinen niedrig ohne hervorragende Objekte, nach denen man sich orientiren kann, und zum größten Theil mit vorliegenden Bänken und seichten Flußmündungen umkränzt, welche nicht vollständig genau in den Karten niedergelegt sind. Nur die Küste des Kamerun Berges und die Insel Fernando Po bieten Ausnahmen, und Fernando Po allein ist ringsum von tiefem Wasser umgehen. Die Bucht von Biafra ist gegen die beständigen 8W⸗Winde offen und namentlich in der Jahreszeit April —ktober von schwerer 8SW'Dünung heim gesucht, welche auf flachem Wasser stark zunimmt und oft den Cha— rakter von Rollern annimmt. Die einzige Küste, welche vollkomme— nen Schutz hiergegen gewährt, ist die Nordküste von Fernando Po. Gerade dieser Theil der Injel ist frei von Untiefen und ausgestaitet mit guten Ankerplätzen, welche auch gegen die von Osten kommenden Tornados geschützt liegen, so daß keine Rhede an der Küste sich auch nur annähernd mit denen von Fernando Po an Sicherheit und Be⸗ K . m.
er beste unter diesen Ankerplätzen ist die Santa Isabel⸗Bai (Port Clarence). Santa Isabel ist zugleich Sitz der ö Ko⸗ lonialregierung und die einzige Stadt auf der Insel. Die Bucht ist nahezu vollkommen geschützt, tief im Innern wie im Eingang, für jede Schiffsgröße zum Ankern geeignet Jlman bleibt immer in Tiefen von 2023 m Wasser) und auch geräumig genug, um etwa fünf großen Schiffen, vor einem Anker liegend, Raum zu gewähren. Ein großer Vorzug des Hafens ist seine absolute Zugänglichkeit für Dampfschiffe bei Tage und bei Nacht. S. M. Kr. Möwe“ lief beide Male Nachts ein, das erste Mal bei Mondschein, das zweite Mal bei dickem Regenwetter, in welchem ca. 1 Sm. von Land nur
das weiße Leuchtfeuer, aber nicht das hohe Land sichtbar war. Beide Male boten sich keinerlei Schwierigkeiten für die Einfahrt. Das auf 3 . verzeichnete grüne Hafenftuer existirt nicht und ist auch ent ⸗ ehrlich.
Die unmittelbar weftlich an die Isabel ⸗Bai sich anschließende Venus⸗Bai und Gravina ⸗Bai sind ebenfals sehr gute Ankenplätze für Schlffe jeden Tiefgangs. Dbgleich etwas offener gegen NNW, von welcher Richtung indessen Stürme nicht zu erwarten sind, sollen ö. 3 in der heißen Zeit wegen frischer Seebriese be—⸗ iebt sein.
Auch die östlich von Isabel gelegene Nervion⸗Bai bietet guten Ankergrund, entbehrt aber des Schutzes gegen Osten und wird daher nicht benutzt.
An dem ganzen Küstensaum dieser Ankerplätze kann man ohne Schwierigkeit mit Schiffsbooten landen. was kaum jemals an einem Punkt der Festlandküste möglich ist. In der Isabel Bucht befindet sich eine bequeme eiserne Landungsbrücke, allerdings in sehr baufälli⸗ gem Zustande. Weitere solche Landungsbrücken würden sich ohne Weiteres herstellen lassen. ;
Ein Nachtheil des Hafens ist, daß er überall von hohen Ufern umgeben ist, vor denen sich nur im mittleren Theil ein schmaler Strand befindet, welcher von den Lagerplätzen einiger Kaufleute fast gänzlich in Beschlag genommen ist. Ein hervorragender Fleck dieses Strandes ist als spanisches Marine⸗Etablissement reservirt, jedoch be⸗ findet sich nur ein kleiner Schuppen dort, in welchem ein Boot reparirt wurde. Vor diesem Platz hat man das Wrack eines eisernen Schiffes auf den Grund festgelegt, und im Schutz desselben ist Ge⸗ legenheit, zu landen und einige Boote aufzuschleppen.
Außer den Ankerplätzen der Nordseite der Insel wird noch die Carlos⸗Bai an der Westküste in den Segelanweisungen lobend hervor⸗ gehoben. Dieselbe ist aber, wie der Augenschein ergab, weniger ge⸗ schützt gegen die Dünung, und das Landen ist äußerst beschwerlich. Ihr Hauptvorzug scheint in der leichten Zugänglichkeit für Segel schiffe zu bestehen. Außerdem würde noch fuͤr die Carlos⸗Bai hervorzuheben sein, daß hier Berglehnen bis zum Wasser herabgehen und die ganze Bucht offener und luftiger ist als die von Isabel.
Die klimatischen und Gesundheitsverhältnisse von Fernando Po sind analog denjenigen der benachbarten Küstenstriche. Eine Tabelle über die beobachteten Mitteltemperaturen der einzelnen Monate findet sich im „South Atlantie Directory von Findlay, 1883, S. 681. Die Angaben des angeführten Werkes, speziell über Clarence, S. 683 — 686, haben sich als durchaus zuverlässig er⸗ wiesen. Spanische Berichte geben diese Tabelle ebenfalls mit dem Zusatz, daß mehrjährige neuere Beobachtungen dieselbe bestätigt hätten. Es scheinen daher keine besseren Daten vorhanden zu sein. S. M. Kr. „Möwe“ befand sich gerade in der kühlsten Jahreszeit hier, und das Klima war ein sehr angenehmes. Regen fiel reichlich, aber an— scheinend weniger, als am Kamerun-Gebirge; der Pik von Fernando Po war Anfang September fast täglich gegen Abend frei von Wolken, während der Kamerun -Berg nahezu beständig von Wolken umlagert ist. Dies ist Juch für die Ansegelung der Insel von besonderem Werth Fieber scheint nicht seltener zu sein als an anderen Theilen der westafrikanischen Küste. Das hier stationirte spanische Kanonen— boot ‚Ligera“ mit 80 bis 100 Mann Besatzung (nach zwei rerschie⸗ denen Angaben), seit vier Monaten in Dienst, hatte in dieser Zeit 40 bis 50 Fieberfälle, davon zur Zeit acht in Behandlung. An Bord der Möwe“ kam hier kein neuer Erkrankungsfall vor. Die spanische Besatzung verkehrte viel an Land, während diesseits Be⸗ urlaubungen nicht stattfanden. ;
Nach den eingezogenen Erkundigungen sind die Gesundheitsver⸗ hältnisse auf der ganzen Insel nicht besser und nicht schlechter, als in Westafrika überhaupt, d. h. kein Europäer bleibt dauernd vom Fieber verschont, aber die Mehrzahl überwindet es leicht. Auch die englischen Missionäre auf einer 460 m hoch gelegenen Station gaben an, dort Fieber zu haben, jedoch läßt sich kein Schluß ziehen, ob das Fieber in jenen höheren Bergregionen selbst wirklich acquirirt ist.
Wasser ist in der Isabel⸗Bat selbst in vorzüglicher Qualität und sehr leicht zu haben. In der südwestlichen Ecke der Bai hat das hohe Land einen Einschnitt, dort sprudelt reichlich Wasser hervor, so daß man in einiger Höhe einen Schlauch einlegen und das Wasser in die Boote leiten konnte, während der Platz weiter unten zum Waschen benutzt wurde. Auch bei den anderen Ankerplätzen sind reichlich Wasserläufe zur Verfügung, welche in der trockenen Jahreszeit nicht versiegen sollen. An frischem Proviant ist die Zufuhr zwar gering, aber immer noch reichlicher wie in Kamerun und den übrigen von der „Möwe“ besuchten Küstenpunkten. Fleisch für die Schiffe— verpflegung war nicht zu erlangen, in der Carlos-Bai waren zwar reichlich Ziegen vorhanden, aber der nach hiesigen Be⸗ griffen billige Preis überstieg doch namhaft den nach dem Schiffs⸗ verpflegungs Reglement gestatteten Maximalsatz. Jams sind gut und reichlich zu billigen Preisen zu haben und werden von hier nach den benachbarten Orten des Festlandes exportirt. Früchte erhält man auf den Plantagen reichlich, weniger in Isabel selbst. Es wurde leicht die Erlaubniß erwirkt, von einer westlich von der Gravina⸗ Bucht gelegenen Plantage ein Boot voll Früchte für die Mannschaft zu holen. In der Carlos⸗-Bai sind ebenfalls reichlich Früchte zu er⸗ halten. Dies erscheint als bemerkenswerthe Annehmlichkeit für die Schiffsbesatzung, denn an Küstenpunkten des Festlandes ist eine solche Ausnahmeverpflegung nicht leicht zu beschaffen.
Außer dem Gouverneur, zwei Aerzten und den Offisteren und weißen Mannschaften der Hulk „Trinidad.“, zusammen ca. 14 Spa—⸗ niern, befinden sich an Europäern nur Mssionäre und Angestellte einer englischen Faktorei auf der Insel. Der englischen Firma John Holt & Co. ist die Aufsicht über das englische Kohlenlager Übertragen, ebenso die Agentur der vereinigten englischen Dampfer, Gesellschaften. Das englische Kohlendepot besteht aus einem eisernen Schuppen, welcher an der Gravina-Bai unfern Pilon Point nahe dem Strande steht und auf einem sehr soliden eisernen, auf Granitquadern ver— bolzten Unterbau errichtet ist (nach einer Inschrift durch eine Arbeits- abtheilung von Bord der „Danae 1865). Daneben befindet sich noch ein Quantum screi lagernder Kohlen und ein offener Schuppen für einen Kohlenprahm, während zwei kleinere Prähme vor dem Strande verankert sind. Landungsbrücke oder sonstige Ladeeinrich⸗ tungen sind nicht vorhanden. Ein Depot von sonstigen Schiffs— bedürfnissen für die englische Marine besteht nicht.
Es ergiebt sich sonach, daß Fernando Po in vieler Beziehung mehr bietet als irgend ein anderer Ort. an der westafrikanischen Küste. Man findet hier einen sicheren leicht zugänglichen Hafen, gutes Wasser und gelegentlich Gemüse (Yams) und Früchte für die Mann⸗ schaft. Dagegen ist der Ort zweifellos nicht absolut gesund, frisches Fleisch ist vicht in hinreichenden Quantitäten zu haben, der Ort eignet sich nicht zu Beurlaubungen für die Mannschaft so, wie die Verhältnisse jetzt sind. . .
Wenn man andere Punkte der Küste hiermit in Vergleich stellt, so ist zunächst Cloby zu nennen. Dort sind die Gesundheits- und klimatischen Verhältnisse besonders günstig. Die kleine, für sich ab— geschlossene Insel, auf welcher nur einige deutsche Faktoreien stehen, bietet Raum, Vorräthe jeder Art zu lagern, der sandige Strand, ringsum der ausgedehnte Raum ruhigen Wassers der Corigcobucht, Alles ist vorzüglich geeignet für Exerzitien, Arbeiten und Erho lungen der Besatzung eines Kriegsschiffes. Gelegentlich ist hier auch die Be— schaffung von frischem Fleisch und von Fischen möglich. Dagegen hat Cloby den Nachtheil, daß es nur bei klarem Wetter und bequem nur für Kanonenboote und Kreuzer zugänglich ist und gänzlichen Mangel an frischem Wasser leidet. Beachtenswerth ist noch, daß die Regen zeit in Kamerun und Fernando Po mit der trockenen und zugleich auffallend kühlen Jahreszeit in Eloby zusammenfällt.
(A. Woldts Wiss. Corr.) Die Preceedings der Londoner Geo⸗ graphischen Gesellschaftlbringen einen Brief von dem Kapt. W. Glazin U. S., wonach die Quelle des Mississippi nicht in Lake Itasca, son⸗ dern in dem unter 47 13 252 N. und 1578 Fuß über dem Meere ge⸗ legenen Lake Glazin zu suchen seien. Ein Karte erläutert die be⸗ treffende Notiz.
Wien, 8. Februar. [WB, T. B) Die General versammlung der Stadt · Theater- Gesellschaft bat die Liguidation be schloffen und den Direktionsrath als Liquidationscomité gewählt.
Am nächsten Mittwoch Abend findet im Evangeli ö bause, in der Dranienstraße, die n, m,. . . 93 ent hr 8 statt. Derselben gebt um r eine erbauliche Ansprache des Propstes D. der Goltz vorher. 91 Fꝛbrn. vm
Die Mitalieder der in Berlin und Charlottenburg bestehenden Stolze'schen Stenographen Vereinen sowie die in Berlin befindlichen Anhänger der Stolze'schen Stenographie überhaupt wer— den sich am Fastnachts⸗-Dienstag, den 17. Februar, Abends 8 Uhr, in den sämmtlichen Räumen der Berliner Ressource, Kommandanten— straße 57, zu einem Tanz- und Masken fest vereinigen, welchez gleichzeitig der Feier des 40 jährigen Bestehens des Stenographischen Vereins . Stolen (des ältesten stenographischen Vereins der Welt) und des 10 jährigen Bestehens des Verbandes Stolze'scher Steno— graphen ⸗Vereine gilt. Der Bedeutung des Tages entsprechend sollen die beiden jubilirenden Vereinigungen in einem besonders gedichteten Festspiel die Begrüßung von den Vertretern und Vertreterinnen der übrigen Verbände und Vereine der Stolze'schen Schule entgegennehmen. Die Zahl derselben ist jetzt bereits auf 291 Vereine mit 6421 Mitgliedern angewachsen, welche sich sich nicht allein auf Deutschland und die Schweiz sondern auch auf die russischen Ostsee⸗ Provinzen. Ungarn und die Vereinigten Staaten von Amerifa vertheilen. Außerdem sollen vertreten sein Handel und Wissenschaft, Litergtur und Presse, die studentischen und Schüler— kreise 2c. In der Kaffeepause wird ein stenographisches Lustspiel „Die Bekehrte! zur Aufführung gelangen. Abendkasse findet nicht statt. Eiatrittskarten zu 1 4 sind nur durch die Vorstände der sämmtlichen Vereinigungen sowie durch die auf den Einladungen bezeichneten Comité-Mitglieder zu beziehen. Von den Letzteren nennen wir: Pr. Stolze, Halleschestr. 4; Rechtsanwalt hr. Stadthagen, Mauerstr. 86; Rechtsanwalt Dr. Sauer, Mohrenstr. 363 Beyer, Kaufmann, Waldemarstr. 43, und Cohnen, Schriftsteller, Kesselstr. 18.
Ihm Wallner ⸗Theater hat das dreiaktige Lustspiel Die Sorglosen“, von Adolf L' Arronge, am Sonnabend eine bei Weitem freundlichere Aufnahme gefunden, als dem Stück aus märts, namentlich in Hamburg, beschieden gewesen ist. Die ganz vortreffliche Darstellung hat zu dem hiesigen Erfolge wohl am meisten beigetragen, denn nur diese konnte über manche bedenkliche Längen hinweghelfen. Der knappe Stoff: — die Sorglosigkeit, mit der zwei Ehepaare oder vielmehr je eine Hälfte von diesen in den Tag hineinleben und dem drohenden, materiellen und moralischen Ruin ihr Auge verschließen, bit diese ihnen endlich von unbequemen, aber wohlwollenden Personen geöffnet werden — reicht für die drei Akte kaum aus, zumal der Autor auf pointirten Dialog und erkünstelte Finessen auch hier prinzipiell verzichtet hat, vielmehr seine Personen natürlich und mit ehr— licher Derbheit sich ausdrücken und moralisiren läßt. Gleichwohl ist das. Stück im Ganjen amüsant und dürfte, durch die nöthigen Striche noch an Anziehung gewinnen. Ein eigenthümlich pikantes Interesse erhält es durch die Figur eines Abenteurers, der als egyptischer Oberst mit seiner galanten Frau in den Frieden der erwähnten Familien eindringt und von Hrn. Guthery ganz ausgezeichnet dargestellt wurde. Die Gestalt dieses unaufhörlich türkisch radebrechenden, auch in der Maske frappant geschilderten Schwindlers ist ohne Zweifel die gelungenste und charakteristischste, die wir von dem vortrefflichen Komiker gesehen haben. Hr. Thomas war als sächselnder Strumpffabrikant selbstverständlich von erschütternder Komik, aber nicht minder auch Fr. Carlsen, als seine Frau. Die letztgenannte Künstlerin scheint damit den entsagenden Schritt in das Fach der komischen Alten thun zu wollen; nun, man kann ihr zu diesem Vebut, so gern man sie bisher als noble Salondame gesehen hat und noch weiter sehen möchte, aufrichtig Glück wünschen: es gelang vorzüglich und trug ihr den reichsten, verdienten Beifali ein. Frl. Odllon, die Naive der Bühne, entwickeit sich immer gefälliger und scheint zu einem Liebling des Publikums werden zu wollen; sie würde (als Paula Hoffmann) auch ohne die gewählten extravaganten Toiletten die gebührende Anerkennung gefunden haben. Frl. Moller (als Estrella, Frau des erwähnten falschen egyptischen Obersten) debütirte in äußerlicher Repräsention glücklicher, als durch ihre Art zu sprechen. Der immer liebenswürdige und elegante Hr. Alexander (Regierungs— Assessor von Eichmann), Hr. Blencke (in der undankbaren Rolle eines pflichtoergessenen und dann ertappten jungen Ehemanns, des Bankiers Paul Röder), Frl. Mever (als dessen Frau) Hr. Kurz Rechtf anwalt Hoff mann) und Fr. Schmidt (Fr. Hoffmann) vervollständigten das freffliche Ensemble. Das Publikam war sehr nachsichtig gestimmt und freigebig mit seinem Beifall. Der Autor wurde nach dem 2 und 3. Akt wiederholt gerusen.
Im Belle⸗Alliance-Theater hat der von Mosersche Schwank „Der Salontiroler“ bei seinen Aufführungen am Sonnabend und Sonntag eine überaus beifällige Aufnahme gefunden.
Im Saale der Sing-Akademie fand am Sonnabend eine zweite mustikalische Aufführung der Neuen Akademie der Ton— kunst, welche unter der Leitung des Prof. Franz Kullak steht, statt. Das Philharmonische Orchester war zur Mitwirkung herangezogen worden und verlieh dem Dargebotenen einen besonderen Reiz. Die. Proben von der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Klassen des In⸗ stituts gaben im Großen und Ganzen ein recht erfreuliches Bild von der Wirksamkeit desselben. Den Anfang machte eine . Ouverture zu Dornrößchen“' von Ad. König, welche von einer entschiedenen, wenn auch vorläufig mehr formalen Begabung des. Komponisten zeugte, unter dessen Leitung das Tonstück exakt und gefällig ausgeführt wurde. Das dann folgende Klavierconcert A-moll von Rob. Schumann 1. Saß wurde in glatter, sauberer Weise von Frl. Boers vorgetragen, welche den Anforderungen, die man an eine werdende Künstlerin stellen darf, recht wohl entsprach. Schon bei weitem höheren Ansprüchen genügte die Wiedergabe des Mendelssohnschen Klapierconcerts in G moll durch Frl. Ida Beckinann. Hier trat eigenes Empfinden und Denken‘ kraftvoller hervor und versieh dem Portrag etwas harmonisch Abgerundetes. Eine ebenfalls trefflich⸗ Leistung bot Hr. Paul Tidden, welcher den schwierigen ersten Satz von Beethovens Es dur - Concert mit kräftigem Anschlag und glatter Technik zu Gehör brachte. Die Violinklasse bot u. A. ein Largo und Allegro aus dem J. S. Bachschen Concert in D-moll für zwei Violinen; der Vortrag dieser Nummer erfreute durch die tadel⸗ lose, wenn auch nech nicht vollendete Bogenführung und verdiente den reichen Beifall, welchen das Publikum zollte. Von den gesang⸗· lichen Vortraͤgen bot das, was uns zu Gehör kam, recht Treffliches, wenn auch noch die Cinzelvorträge Curie aus „Ciias', Im Herbst von Rob. Franz, ‚Nun rauscht im Morgenwinde“ von Rich. Wuerst) mehr oder minder unter dem Drucke der Befangenheit litten oder durch das Hervortreten des Schülerhaften störten. Außerdem wurden von vierstimmigen Frauenckören a capella die beiden Uhlandschen Lieder Die Kapelle“ und „Frühlingaglaube“ frisch und mit . voller ddärme vorgetragen. Die Aufführung fand lebhaften Beifallf welcher ihr auch bis zum Schluß, den wir bei der überreichen Za der Vorträge leider nicht abwarten konnten, treu geblieben sein durfte.
——
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Els ner. Fünf Beilagen leinschließlich Börsen Beilage).
Berlin:
(188)
Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
1885.
W 34.
Berlin, Montag, den 9. Februar
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, A Februar. Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen C644.) Sitzung des geichstagez wurde die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betr. einen Zusatz zu 12 des Tabacksteuergesetzes, von der Tagesordnung abge⸗ schl da nach der Mittheilung des Präsidenten aus Anlaß neuerlichen Petitionen dem Bundesrath Aenderungen
n = ; ö 9. Wortlauts erwünscht erschienen, für welche eine kurze
Frist zu gewähren sei. ; zehn . die zweite Berathung der Rechnung der Kasse der Sber⸗Rechnungs kammer für das Etatsjahr 1882/83 bezüglich desjenigen Theils, welcher sich auf die Reich averwal⸗ tung bezieht, auf Grund mündlichen Berichts der Rechnungs⸗ kommission. — ; . -
Die allgemeine Rechnung über den Reichshaushalt für
980 war der Rechnungskommission überwiesen worden, da 1879/8
der ersten Lesung sich ernste Bedenken erhoben hatten hei d . , . ö wegen der Justifikation der Militärausgaben durch Allerhöchste Kabinetsordres und wegen der Einholung der Genehmigung des Reichstages zu einem zwischen der Kaiserlich deutschen Reichs⸗ Telegraphen verwaltung einerseits und dem Direktor der vereinigten deutschen Telegraphengesellschaft Dr. Lasard an⸗ dererseits über ein Telegraphenkabel nach Norwegen geschlosse⸗ nen Vertrage.
Die Kommission beantragte heute:
L nachträglich zu genehmigen:
I) daß aus dem Fonds Kap. 24 der fortdauernden Ausgaben des Etats der preußischen Militärverwaltung für 1879.80 für April 1550 für Offiziere des Beurlaubtenstandes 56 M Uebungsdiäten ver⸗ ausgabt sind; .
Y daß aus den Fonds Kap. 27 Tit. 11 und 13 des Etats der preußlschen Militärverwaltung zusammen ca. 10 928 4 und bezw. 1950 M zur Unterhaltung der Gärten bezw. der Umwährung der— selben bei den Dienstgebäuden der kommandirenden Generäle zu Berlin, Königsberg, Stettin, Breslau, Coblenz, Altona, Cassel, Karlsrube und Straßburg verausgabt sind;
3 daß gegen die Bestimmungen des Etats pro 1879/89 bei
einem Landwehr⸗Bezirkskommando des XII. (Königlich Sächsischen) Armee Corps 16,20 MSW Remunerationen für Hülfsarbeiter veraus— abt sind; ; 9 daß aus dem Fonds Kap. 6 Tit. 49 der einmaligen Aus gaben des Etats für das preußiscke Militärkontingent 17 900 zur Bestreitung der Kosten für den Bau eines Gebäudes mit einer Brotstube, einer Dienstwobnung für den Backmeister und einem Jimmer für die Militärbäcker der Garnisonbäckerei in Saarlouis verwendet sind;
5) daß bei der Eisenbahnverwaltung aus dem Fonds Tit. 4 der Betriebsausgaben der Zuschuß von 375 ½ nicht, wie im Etat vorgesehen, nur 19, sondern 20 Stellen von Werkstättenvorstehern und Wertmeistern gewährt ist;
6) daß in der allgemeinen Rechnung Kapitel 2a der ordent⸗ lichen Einnahmen von der Bruttoeinnahme der statistischen Gebühr an Zurückzahlungen nicht 114 „S6, wie in der Uebersicht der außer— etatsmäßtgen Ausgaben geschehen, sondern 183,30 ½ als außer⸗ etatsmäßige Ausgabe abgesetzt sind;
II. sich damit einverstanden zu erklären, daß in Fällen diszi⸗ plinärer oder administrativer Verurtheilung von Beamten oder Unterbeamten der Postverwaltung zu Ersatzleistung wegen Fahr— lässigkeit in geeignet scheinenden Fällen wie bisher von der Berech— nung und Erhebung von Verzugszinsen von der Schadenssumme Abstand genommen wird;
IIl. die bei Entlastung der allgemeinen Rechnung für die Rech⸗ nungsperiode vom 1. Januar 1876 bis 31. Mäcz 1877 ausgesproche⸗ nen Vorbehalte für erledigt zu erklären;
IV. die Entlastung des Reichskanzlers in Bezug auf die all—⸗ gemeine Rechnung über den Reichshaushalt für das Etatsjahr 187980 auszusprechen;
V. den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, den Entwurf eines Gesetzes über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs dem Reichstage demnächst vorzulegen.
Der Abg. Dr. Meyer (Halle) beantragte in Bezug auf diese Ausgaben den Vorbehalt auszusprechen, 1) daß der Reichskanzler nachträglich die Verantwortlichkeit für die be— treffenden Kaiserlichen Erlasse übernehme; 2) daß in Bezug uf den Kabelvertrag die nachträgliche Genehmigung des Reichstages einzuholen sei.
Inzwischen hatten die Abgg. Richter und Dr. Meyer (Halle) einen Antrag eingebracht, durch welchen Nr. 1 des Antrages Meyer (Halle) folgendermaßen modifizirt wurde: nachträglich zu genehmigen, daß bei der preußischen Militärverwaltung eine Doppelzahlung im Betrage von 193 S6 75 3 und eberhebungen von Invalidenpensionen im Gesammtbetrage ron 2735 h 44 3 und 231 S stattgesunden haben, event. Eventualantrag im Falle der Ablehnung des obigen An⸗ trags: Die Entlastung des Reichskanzlers auszusprechen, unter Vorbehalt der oben erwähnten Beträge.
. Der Abg. Dr. Meyer (Halle) erklärte, in dieser Frage, die das Haus schon wiederholt beschästigt habe, habe er seinen ursprünglichen Ant ag ad 1 zurückgezogen, um das Streitfeld möglichst einzugrenzen und dadurch die Einigung aller Par⸗ keien zu erzielen. Materiell seien die Beträge, um die es sich handele, geringfügig; er wolle die Ausgaben ja auch geneh— migen; indessen muͤsse er doch die Rechte des Hauses in Bezug auf die nachträgliche Dechargirung von Rechnungen wahren. Sonst würde das ganze Budgetrecht schließlich eine Klinge ohne Hest werden. Die Sanirung der vorliegenden Mängel erfolge in vollem Umfange, wenn das Haus jetz ausspreche, aß es diejenigen Posten, welche der Ober⸗Rechnungshef monirt abe, nachträglich genehmige. Er hitte deshalb, seinem An⸗ rage zuzustimmen.
Der Abg. Frhr. von Maltzahn-Gültz erwiderte, dem Vor⸗ redner seien wohl selbst Bedenken gegen dessen ursprünglichen lntrag gekommen; sonst würde derselbe den Antrag nicht zu⸗ rückgezogen haben. Dieser Antrag verlange etwas von der eichsregierung, was sie zu thun verfassungsmäßig nicht in er Lage gewesen wäre. Auch den jetzigen Antrag Meyer bitte er abzulehnen; der Reichstag habe keinen Grund, eine Ge— nehmigung auszusprechen, die nicht nachgesucht sei. Die strei⸗ tigen Rechtsfragen würden in dem hoffentlich bald wieder vor⸗ kulegenden Gesetz über die Verwaltung der Einnahmen und lusgaben des Reichs zu erledigen sein.
Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, gegen die Resolution habe feine Partei nichts einzuwenden, aber dieselbe habe nur
den Werth eines frommen Wunsches, der niemals die geringste Beachtung Seitens der Regierung gefunden habe, obwohl der Antrag im Reichstage und im Landtage schon ein Dutzend Mal ausgesprochen worden sei. Man möge den Antrag wiederholen, solle aber außerdem thun, was man für Recht halte. So lange eine Materie nicht durch das Gesetz geregelt sei, ergebe sich das Recht aus der Uebung, der Praxis und der Geltendmachung der Betheiligten. Nun mache die Regie⸗ rung ihr Recht in schroffstem Umfange geltend, mehr als bis⸗ her. Sich da auf den Wunsch beschränken, daß die Regierung ein Gesetz vorlegen möchte, wäre eine Schwäche und hieße in der That das Recht des Reichstages zurückstellen. Das Haus habe das Recht der Etatsvperweigerung und an der Hand dieses Rechtes müsse es sich so verhalten, wie es seiner Rechtsauf— fassung angemessen sei. Die im Augenblick sekundäre Frage, ob der Kaiser oder König von Preußen gegenzeichnen solle, trete für das Haus heute gegen eine wichtigere zurück: er he⸗ streite nämlich überhaupt das Recht sowohl des Kaisers wie des Königs, eine indebite geleistete Zahlung durch Gegenzeichnung zu einer gültigen zu erheben. Indem die Regierung also heute die nachträgliche Genehmigung beantrage, erkläre sie, daß sie zu einer rechtsgültigen Zahlung unerläßlich sei. In Preußen sei dasselbe der Fall, obwohl es an Versuchen, diese Genehmigung zu umgehen, nicht gefehlt habe. Die Instruktion der Ober⸗ Rechnungskammer von 1824 bestimme im §. 30 nur: „bei Rechnungsdefekten könne der Verwaltungschef einen von der Ober⸗Rechnungskammer festgestellten Rechnungsdefekt nieder⸗ schlagen oder dessen Einziehung verzögern.“ Nun wolle die Ober⸗Rechnungskammer den Rechnungsdefekt hier offenbar nicht niederschlagen; ob blos aus dem sormellen Grunde, daß die Gegenzeichnung des Kanzlers nicht erfolgt sei, sondern nur die des Kriegs⸗Ministers, oder aus einem andern Grunde, das sei bei der knappen Sprache der Bemerkungen des Rechnungshofes nicht ersichtlich. Die Sache könne also nur durch Genehmigung des Hauses sanirt werden, wie es schon bei Etatsüberschreitungen geschehen müsse, ge⸗ schweige denn hier, wo keine Verwendung im öffent— lichen Interesse, sondern eine überhaupt nicht gerecht— fertigte Zahlung stattg-⸗funden habe, hinsichtlich deren eine Privatperson ersatzpflichtig sei. Der Kriegs⸗Minister habe sich nur auf das Begnadigungsrecht der Krone zu beziehen vermocht, von dem es in der preußischen Verfassung ganz einfach heiße: „Der König habe das Recht zu begnadigen und die Strafe zu mildern.“ Daraus sei doch aber unmöglich das Recht zu folgern, Ersatzforderungen niederzuschlagen in Folge unrechtmäßig erhobener Gelder, wie der Kriegs— Minister behaupte, wenn er sage, daß der Kaiser, der einen zum Tode verurtheilten Offizier begnadigen dürfe, dem⸗ selben doch auch nachlassen könne, gewisse Zahlungen zu leisten. In diesem Fall spreche das Haus die Geneh⸗ migung aus materiellen Gründen aus, ohne die es das Recht hätte, sie zu verweigern. Die betreffenden Per— sonen seien in ärmlichen Verhältnissen, verzogen, ausge— wandert u. s. w., kurz: es sei billig. von der Einziehung des Geldes abzustehen. Der Abg. von Maltzahn frage, wie das Haus dazu komme, eine Genehmigung zu ertheilen, die nicht nachgesucht worden sei? Aber man verzichte zur leichteren Er— ledigung der Geschäfte nicht selten auf eine förmliche Vorlage und bringe dafür seine Rechtsauffassung, um deren Heraus— bildung im Reichstage es sich handele, unmittelbar zum Aus⸗ druck, ebenso wie das Haus bei dem Anleihegesetz „Indemni— tät“ ertheilt habe, obwohl die Regierung nur nachträgliche Genehmigung nachgesucht habe. Daß sie bona fide ge⸗ handelt habe, bestreite er nicht. Die Regierung habe schon oft so gehandelt, ohne auf Beanstandung zu stoßen. Aber das sei bei vielen Rechtsver⸗ hältnissen der Fall. Ein Reichstag könne nicht immer eine Rechnung in allen ihren Theilen prüfen, Origi⸗ nalrechnungen bekomme man überhaupt nicht, sondern das Haus sei nur auf die Noten des Rechnungshofes angewiesen, die in diesem Falle lauteten: „Nur vom Kriegs⸗Minister gegen⸗ gezeichnet.“ Erst im Laufe der Verhandlung und durch die geradezu provozirende, vom Kriegs-Minister angerufene Ana— logie mit dem Rechte des Kaisers, einen zum Tode verur— theilten Offizier zu begnadigen, sei die Bedeutung der Frage in ihrem ganzen Umfange klar geworden, und wenn das Haus jeöt die nachträgliche Genehmigung des Postens ausspreche, so thue es, was billig sei, und wahre zugleich das Recht des Hauses.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, General⸗Major von Hänisch entgegnete, die Auffassung des Abg. Richter vom Begnadigungsrecht der Krone müsse er zurückweisen. Historisch sei die Krone Inhaberin aller Gnadenrechte. Sie übe die⸗ selben auf den verschiedensten Gebieten aus, und weder durch die Verfassung noch durch eine andere Rechtsnorm sei hieran irgend etwas geändert worden. Als im Jahre 1879 der Gesetzentwurf über die Verwaltung der Einnahmen und Aus⸗ gaben hier verhandelt sei, habe auch der Referent Abg. Lasker ausdrücklich gesagt: „er nehme keinen Anstand, zu erklären, daß das materielle Gnadenrecht der Krone in diesem Gesetz nicht behandelt sei oder irgend eine Aenderung dadurch er⸗ fahre.“ Uebereinstimmend habe der damalige Finanz-Minister Camphausen erklärt, daß die materiellen Prärogative der Krone durch jenes Gesetz nicht berührt werden sollten. Die Regierung halte deshalb gegenüber den Aeußerungen der Abgg. Meyer und Richter vollständig an ihrer früheren Auf⸗ fassung der Rechtslage fest.
Der Bundeskommissar, Geheime Ober⸗-Regierungs⸗Rath Schultz erwiderte, er könne sich im Allgemeinen den Aus⸗ führungen des Abg. Frhrn. von Maltzahn anschließen. Ordres im Militärwesen habe stets der Königlich preußische Kriegs⸗ Minister allein gegengezeichnet. Die Reicht verfassung sage in der Schlußbestimmung des Abschnittes XI: „die in diesem Abschnitt enthaltenen Vorschriften kommen in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870, in Württemberg nach näherer Bestimmung der Militär⸗ konvention voni 21.565. November 1879 zur Anwendung,“ Danach seien also die einzelnen Militärkontingente, und also auch das von Preußen, vollkommen selbständige Verwaltungen, und es sei ein bestimmter Grundsatz, daß, wenn eine Verwal⸗
tung selbständig Forderungen erheben könne, sie auch das Recht habe, darauf zu verzichten. Er bitte, die Anträge abzulehnen.
Der Abg. Dr. Meyer (Halle) erklärte, nicht weil er seinen früheren Antrag für bedenklich halte, wie der Abg. von . meine, sondern lediglich aus den von ihm und dem Abg. Richter bereits dargelegten Gründen habe er jenen An⸗ trag zurückgezogen. In die bestimmt fixirten Gnadenrechte der Krone wolle er nicht eingreifen; ein allgemeines Gnadenrecht in dem Sinne, wie der General Major von Hänisch es aus⸗ geführt habe, sei aber juristisch unkonstruirbar; namentlich gebe es kein Gnadenrecht der Krone, durch welches das Recht eines Dritten beeinträchtigt werden dürfe. Der Dritte sei aber hier der Reichstag, dessen bestimmte Finanzrechte nicht beeinträchtigt werden dürften. Wenn der Rechnungshof, diese sachkundige und unabhängige Behörde, selbst das Haus daran erinnere, seine konstitutionellen Rechte zu wahren, so dürfe das Haus das keinesfalls ignoriren.
Der Abg. Dr. Windthorst glaubte, daß es besser gewesen wäre, wenn man es hier, ohne die Prinzipienfrage hervor⸗ zukehren, einfach bei dem Beschlusse der Kommission hätte be⸗ wenden lassen. Aber nachdem ersteres trotzdem vom Abg. von Maltzahn in einer so scharfen Weise geschehen sei, habe der Reichstag die Pflicht zu konstatiren, daß über die Ein⸗ nahmen und Ausgaben des Reichs nur der Reichstag zu entscheiden habe.
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Direktor im Reichs⸗Schatzamt, Aschenborn, das Wort:
Meine Herren! Der Antrag der Herren Abgg. Dr. Meyer und Richter empfiehlt Ihnen, abzuweichen von einer konstanten und, soweit man in unserem jungen Staatswesen den Ausdruck gebrauchen kann, langjährigen Praxis des Reichstages.
Seit dem Bestehen des Norddeutschen Bundes hat die Militärverwaltung das Recht geübt, Allerhöchste Niederschlagungs⸗ ordres unter Gegenzeichnung des Herrn Kriegs ⸗Ministers zu extrahi⸗ ren. Das Recht ist geübt worden öffentlich unter voller Kenntniß des Reichstages. Die Bemerkungen des Rechnungshofes zu den Rech—⸗ nungen, die seit dem Jahre 1869 vorgelegt worden sind, enthalten ausnahmslos Hinweise darauf, daß Niederschlagungen durch Aller höchfte Ordres stattgesunden haben. Einzelne von diesen Bemerkun⸗ gen, auch in den früheren Jahren, weisen ausdrücklich darauf hin, daß die Niederschlagung erfolgt ist durch eine nur von dem Königlich preußischen Kriegs⸗Minister gegengezeichnete Ordre. Der Reichstag ist an diesen Akten bis dahin vorbeigegangen in voller Kenntniß derselben und wohl überlegt. Man hat sich ge⸗ sagt, daß es nicht opportun sei, vor Erlaß des Komptabilitätsgesetzes, das den Anlaß bieten wird, die Frage funditus in einer für alle Theile und für alle Zeit bindenden Weise zu regeln, eine so heikle Materie gelegentlich herauszugreifen und vorab zum Austrag zu bringen. Meine Herren, ich glaube, der Reichstag hat in dieser Beziehung eine durchaus weise Zurückhaltung geübt, und es empfiehlt sich, dem Vorschlage der Kommission, die wieder in gleicher Weise vorgehen will, auch dies Mal beizutreten.
Nun sagt der Hr. Abg. Richter: ja, mit dem Komptabilitäts⸗ gesetze kommen wir nicht zu Stande, der Reichstag hat ein Dutzend Mal wohl schon die Forderung gestellt, von den Regierungen wird es aber nicht gebracht. In dieser Aeußerung liegt meines Erachtens eine starke Unbilligkeit. Von Seiten der verbündeten Regierungen ist das Komptabilitätsgesetz in den Jahren bis 1877 wiederholt vorgelegt worden; es blieben eine Reihe von Meinungsverschiedenheiten und zuletzt — im Frühjahr 1877 — fanden noch, da man im Reichstage selbst an (iner Verständigung zweifelte, vertrauliche Be⸗— sprechungen zwischen Delegirten der Parteien und Regierungs⸗ vertretern statt.; um Fühlung zu nebmen, wie weit eine An⸗ näherung zu erreichen wäre. Die Theilnehmer an den Be⸗ sprechungen sind zum Theil noch heute auf ihrem Platze, namentlich Hr. von Wedell⸗Malchow, He. von Benda und Hr. Richter selbst. Man überzeugte sich, daß keine Aussicht bestand, über die vier großen Streitpunkte, die noch bleiben, zu einer Einigung zu kommen. Ich will sie hier kurz berühren, weil das zugleich von Interesse ist für die Stellungnahme zu der von der Kommission vorgeschlagenen Resolu— tion, durch welche der Herr Reichskanzler von Neuem um Vorlegung des Gesetzentwurfs wegen Verwaltung der Reichs-Einnahmen und Ausgaben ersucht wird. Es war einmal die Frage, wie weit die Rechte des Reichstages bei der Genehmigung von Etats⸗ überschreitungen bei den Einnahmen eine Erweiterung finden sollen, namentlich in der Richtung, daß die Eisenbahn⸗ und Posttarife, so⸗ weit letztere nicht gesetzlich feststehen, der Mitbestimmung des Reichs—⸗ tages unterliegen; zweitens die Frage der Mitwirkung bei Regelung des Zoll‘ und Steuerkreditwesens; drittens die Abgrenzung des Rechts zur Niederschlagung von Defekten im Gnadenwege; und viertens der Umfang der Verfügungsbefugniß der Verwaltung bei Gehaltsersparnissen.
Obwohl nun pflichtmäßig die Entwickelung dieser Fragen mit Aufmerksamkeit verfolgend, habe ich bisher nicht wahrgenommen, daß auf irgend einer Seite eine Neigung zu weiteren Konzessionen auf diesem Gebiete vorhanden wäre. Wenn dem aber so ist, so ist es, glaube ich, vollständig korrekt, mit dem Gesetz entwurfe nicht wieder vor das Haus zu treten, man würde sonst vermuthlich dem Vorwurf der Rücksichtslosigkeit begegnen, insofern der Reichstag mit bereits abgelehnten und aussichtslosen Vorlagen von Neuem behelligt werde.
Auch nach dieser Richtung hin läßt sich zur Beschwerde nicht anerkennen, und ich rathen, daß Sie die altbewährte Praxis nicht Anderenfalls entstände doch die Frage, was sich denn, nachdem der Reichstag durch eine Reihe von Jahren — seit 1869 und insbesondere seit 1375 — über ganz ähnliche Fälle schweigend hinweggegangen ist, nunmehr geändert hat, daß Sie gegenwärtig zu einer anderen Haltung kommen? Müßte das nicht den Eindruck erregen, als wunsche man die Gegensätze, die auf diesem ohnehin schwierigen Gebiete bestehen, noch zu schärfen?
Der Abg. Dr. Hänel erklärte, die erste Rechnung der Militärverwaltung, welche dem Reichstage vorgelegt sei, stamme aus dem Jahre 1876; die heutige sei erst die vierte. Das Schweigen des Hauses dürfe nicht als das Zugeständniß von Grundsätzen aufgefaßt werden; erst allmählich habe man die Schwierigkeiten erkannt, die hier vorlägen. Würde das Schweigen anders gedeutet werden können, so würde es das Beste sein, jede Rechnung an eine Kommission von 28 Mitgliedern zu verweisen, der die Befugniß zustehen müsse, Sachwverstän⸗ dige zu verhören, damit ja nicht ein Punkt übersehen würde. Aber das sei nicht die Art, das Verhältniß zwischen Regierung und Volksvertretung festzustellen in Bezug auf eine so um⸗ fassende Vorlage, wie es der Etat sei. Der Regierungs⸗ kommissar sage, daß auf eine Schärfung der Gegensätze hin⸗ gearbeit werden solle. Aber nicht dies Haus, sondern der Rech⸗ nungshof, dessen Bemerkungen das Haus pflichtgemäß zu be⸗
also ein Grund kann nur verlassen.
obachten hahe, habe diese Frage angeregt, und wenn der