Hüttenwerke beruft eine Generalversammlung ein, auf deren Tagesordnung die Frage der Liquidation des Unternehmens steht.
Submissionen im Auslande.
IL Dänem ark.
265. Februar, Mittags, Direktion der Seeländischen Staats—⸗ babnen. Lieferung von 66 800 Stück Schwellen. Bedingungen für die Lieferung und Beschreibung für das Imprägnirungsverfahren können im Komtoir des Ober⸗Ingenieurs auf dem Bahnhofe zu Kopenhagen in Empfang genommen werden.
II. Italien.
I) 16. Februar. Schiffsbau ⸗Direktion des II. Seedepartements zu Neapel. Lieferung von Blei in Scheiben, Klumpen, Röhren. Vor⸗ anschlag 40 200 Lire. Kaution 4000 Lire.
2) 18. Februar, 3 Uhr. Artillerie ˖ Direktion der Gießerei zu Genua. 40090 m Segeltuch (je 1300 m zu 805 und 760 mm und 1000 m zu 690 mum Breite). Voranschlag 12 600 Lire. Kaution 1300 Lire.
3) 19. Februar. Rem. Generaldirektion der Eisenbahnen. Arbeiten und Lieferungen für Bau der Strecke Viareggio⸗Quiesa, auch der Eisenbabn Lucca — Viareggio. Bahnlänge 8428,84z m. Vor- anschlag 1 630 000 Lire. Kaution prov. 66 000, defin. 132 000 Lire.
) 19. Februar, 10 Uhr. Artillerie- und Torpedo⸗Direktion des I. See⸗Departements zu Spezia. Papier und Kanzleigegenstände. Voranschlag 24 899,60 Lire. Kaution: 2500 Lire.
Die näheren Bedingungen an Ort und Stelle.
III. Oesterreich.
23. 6. Mittags. Wien. General ⸗Direktion der österr. Staatsbahnen in Wien. Für den Bau der Linie Stryi — Beskid und die Station Strozi Lieferung von 6225 t Schienen, 428 t Winkellaschen, 58 t Laschenschrauben, 291 t Unterlagsplatten, 193 t Hakennägeln. Die näheren Bedingungen bei der Fachabtheilung für Bau⸗ und Bahnerhaltung der General⸗Direktion.
IV. Spanien.
24. April. Cadiz. Sociedad eooperativa Gaditana. de Fabri- cacion de Gas. Aufstellung der Pläne für eine Gasfabrik, welche etwa 12000 Flammen speisen kann, deren jede täglich etwa 6001 Gas verbraucht, sowie die nöthigen Röhrenleitungen. Die näheren Bedingungen in der Expedition des ‚Deutschen Reichs⸗Anzeigers“.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 9. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Llovd „Fulda!“ ist gestern früh in New ⸗Jork, und der Dampfer „Amerika“ von derselben Gesellschaft gestern in Baltimore eingetroffen.
Hamburg, 19. Februar. (W. T. B.). Der Postdampfer „Suevia“ der Hamburg ⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft hat, von New⸗York kommend, gestern Nach mittag 6 Uhr Lizard passirt.
New Jork, 9. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer Helvetia von der National⸗Dampfschiffs ⸗ Compagnie (G. Messingsche Linie) ist hier angekommen.
Berlin, 10. Februar 1885.
Das Reich s⸗Postamt hat gestattet, daß Sendungen an die in Reih und Glied stehenden Soldaten bis zum Feldwebel oder Wachtmeister einschließlich aufwärts, soweit diese Sendungen auf Porto⸗ vergünstigungen Anspruch haben, vom Absender mit kleinen Zetteln von weißem oder gelbem Papier beklebt werden dürfen, auf welchen die Bezeichnung: ‚„Soldatenbrief. Eigene Angelegenheit des Em pfängers.“ in schwarzem Drucke hergestellt ist.
Die Zettel können für alle derartigen an Soldaten ꝛc. gerichteten Sendungen Verwendung fiaden; bei Postanweisungen und Begleit⸗ adressen zu Packeten müssen dieselben in den für die Aufschrift be⸗ stimmten Raum geklebt werden.
Die Briefmarken⸗Handlung von H. J. Dauth in Frankfurt a. M., Vilbelerstraße 29, hat die Massenanfertigung dieser Soldaten briefmarken übernommen.
für Austern, Hummern und Schildkröten (bisher 24 46) 100 S, für Honig (bisher 3 M) 20 S pro 100 kg, für Pferde (bisher 10 4) 30 M, für Stiere und Kühe 9 M6, für Ochsen 30 S, für Jungvieh 6 M, für Schafe 2 M, für Lämmer 1 , für Kälber 3 S, für Schweine 6 „S, für Spanferkel 1 10 pro Stück, für Butter (auch Kunstbutter) 30 6 und für Käse 20 4M Zoll pro 100 kg zu fordern. — Endlich wurde noch beschlossen: für rohen Flachs einen Zoll von 2 „, für gebechelten Flachs 5 M, für Schaf ⸗ wolle a. im Schmutz 15 6, b. Rückenwäsche 30 MÆ, . Fabrikwäsche 45 M pro 100 kg zu fordern. — Sodann wurde die Sitzung auf heut vertagt. , ;
In der heutigen fünften und letzten Sitzung veranlaßten die Holzzölle eine lange, lebhafte Debatte.
Schließlich wurde ein Antrag angenommen, nach welchem Bau- und Nutzholz 1) roh oder bearbeitet, eichene Faßdauben, ungeschälte Korb⸗ weiden und Reifenstäbe 30 pro 160 kg oder 1 Æ 860 3 pro 1 fm, 2) mit der Axt bewaldrechtet 40 3 pro 190 kg oder 2 40 * pro 1 fm, 3) in der Richtung der Längsachse beschlagen, ge⸗ sägt ꝛc. 1 ½ pro 40 kg oder 6 S pro fm, 4) nicht gehobelte Bretter, beschlagene oder gesägte Kanthöljer und ähnliche Säge⸗ und Schnittwaaren 2 1½ pro 100 kg verzollt werden soll. ;
Im Weiteren gelangte der Antrag des Geh. Raths Prosessors Dr. Stöckhardt und ferner folgender Antrag des Präsidiums: „Der deutsche Landwirthschaftsrath spricht den verbündeten deutschen Re⸗ gierungen für die Tarifvorlage besten Dank aus“ zur Annahme. — Ein Antrag auf Einführung einer Brodtaxe wurde zurückgezogen. z e. war die Diskussion über die landwirthschaftlichen Zölle
eendet.
Den folgenden Gegenstand der Tagesordnung bildete die Frage der Zuckersteuer Der diesbezügliche Referent, Graf von Lerchenfeld (Häfering) befür⸗ wortete Namens der Kommission die Annahme folgender Resolution: ;
Der Deutsche Landwirthschaftsrath wolle beschließen:
1) Wenn sich auch zur Zeit das Vorgehen der gesetzgebenden Organe darauf wird beschränken müssen, die Verlängerung des Noth⸗ gesetzes vom 7. Juli 1884 für böchstens 2 Jahre herbeizuführen, so stegt doch eine weitere dilatorische Behandlung der Zuckerbesteuerungs⸗ frage nicht im landwirthschaftlichen Interesse.
2) Jedes Gesetz, durch welches die Zuckersteuer wesentliche Aen⸗ derungen erfährt, ist mindestens 19 Jahr vor der Inkrafttretung zu erlassen.
3) Jede zu wählende Steuerform muß dag Ziel verfolgen, den
einheimischen Konsum zu steigern, well nur durch stetige Vermehrung des inländischen Verbrauchs eine dauernde Prosperität der landwirth⸗ schaftlichen Zuckerindustrie zu erwarten ist. H Die im Jahre 1884 gewählte Zuckersteuerkommission besteht in ihrer jetzigen Jusammensetzung fort, um bei der bevorstehenden Aenderung der Zuckersteuer die landwirtbschaftlichen Interessen bei den gesetzgebenden Faktoren zu vertreten.
s) Der Landwirthschaftarath überweist den Antrag Knauer dieser Kommission als Material für ihre weitere Berathung und eventuelle Beschlußfafsung.⸗
Diese Resolution wurde fast einstimmig angenommen. — Die Tagesordnung war damit erschöpft, und der Vorsitzende von Wedell⸗ Malchow schloß hierauf mit einem dreifachen Hoch auf Se. Ma jestät den Kaiser, die deutschen Bundesfürsten und die freien deutschen Reichsstädte die dreizehnte Sitzungsperiode des deutschen Landwirthschaftsraths.
Die am Sonntag., den 22., in Berlin (im Architektenhause) stattfindende zweite ordentliche Generalversammlung des Deutschen Kolonialvereins hat durch rerschiedene Punkte der Tagesordnung won der wir durch die. Deutsche Kolonialjeitung' Kenntniß erhalten) für seinen über ganz Deutschland verbreiteten Mitgliederkreis ein hohes Interesfe, ja eine große Tragweite in Bezug auf seine dem. nächstige Thätigkeit. Besonders aus Nord und Mitteldeutschland ist daher eine ansehnliche Betheiligung zu erwarten, wie auch sämmtliche Zweigvereine und Sektionen (ungefaͤhr 33) durch Delegirte vertreten sein werden. Das außerordentlich schnelle Wachsthum des Vereins — in zweijährigem Besteben auf ca. 9500 Mitglieder — wie die Bildung der vielen Zweigvereine machen eine Neugestaltung der Satzungen nothwendig; bierbei wird aber auch von verschiedenen Seiten beantragt, den Sitz des Deutschen Kolonialvereins von Frank furt a. M. nach Berlin zu verlegen. Die Motive, die hierfür von dem Zweigverein Chemnitz angeführt werden, betonen, daß die Thätigkeit des Vereins die praktische Lösung der Kolonialfrage in nächster Zeit in Angriff nehmen müsse, daß diese Aufgaben aber angesichts der Ent ⸗ wickelung der deutschen Kolonialpolitik den Kolonialverein, als den bedeutendsten Träger dieser Bewegung, dazauf hinweisen, in der Reichs⸗ Hauptstadt selbst seine Bestrebungen zu centralisiren, wo die einfluß⸗ reichen Strömungen sich vereinigen. Von anderer Seite (es ist der Mittelbadische Zweigverein) wird die Uebersiedelung nach Berlin noth— wendig erachtet, um die Auswanderungsfrage — als die zunächst dringlichste — unter fortwährender Fühlung mit den leitenden Faktoren des Reiches lösen zu können. Von ganz besonderem Interesse wird aber die sich an den Antrag des Professor Dr, Fischer Marburg knüpfende Diskussion werden, welcher die Thätigkeit und die Aufgabe des Vereins nach der praktischen Seite hin erweitern will, insbesondere durch „Errichtung einer aus erprobten sich ausschließlich dieser Thätig⸗ keit widmenden Kräften gebildeten Kanzlei als einer allgemeinen, ohne Entgelt Jedermann zugänglichen Vorbereitungs⸗ und Auskunfts—⸗ stelle für private überseeische Unternehmungen Deutscher“. Wenn nun dieser Antrag schon bei seinem ersten Bekanntwerden auf der Eisenacher Versammlung großen Sympathien begegnete, so wird er es jetzt um so mehr, als derselbe nunmehr eine Erweiterung dahin erfahren hat, daß diese zu bildende Kanzlei als eine Centralstelle für im ganzen Reich zu errichtende Auskunftsstellen zu organisiren sei, welch' letztere besonders der Einwirkung der Auswanderer⸗Agenten entgegen zu arbeiten berufen sein sollen. Endlich wird die Generalversammlung des Deutschen Kolonialvereins aber noch die für den überseeischen deutschen Handel so überaus wichtige Währungsfrage zur Be⸗ sprechung bringen. Wie wir hören, hat Hr. Ober⸗Bürgermeister Dr. Miquel Frankfurt (Vize⸗Präsident des Kolonialvereins) das Referat hierüber übernommen.
Von der Kommission für den Bau des Kestner⸗Museums in Hannover werden die im Deutschen Reich ansässigen Architekten durch ein eben veröffentlichtes Preisausschreiben zur Betheili⸗ gung an einer öffentlichen Konkurrenz eingeladen, zu welcher die Ent— würfe bis zum 1. Juni d. J. an den Magistrat der Stadt Hannover einzureichen sind. Das zu errichtende Gebäude, das dazu bestimmt ist, die von dem Hrn. H. Kestner der Stadt überwiesenen Kunst— sammlungen aufzunehmen, soll seinen Platz in den Anlagen am Friedrichswall erhalten, nach den Bestimmungen des Stif— ters in echtem Material unter Verzicht auf jede nicht nothwendig erforderliche Dekoration durch Ornamentik. Malerei oder Plastik im Renaissancestyh! ausgeführt werden und in drei Geschossen eine in dem Programm nach Bestimmung und Umfang eingehend spezialisirte Reihe von Sammlungs, Biblio theks- und Diensträumen umfassen. Die Baukosten dürfen den Betrag von 236 000 M nicht überschreiten, wobei jedoch die Kosten für die innere Einrichtung zur Unterbringung der Sammlungsgegen⸗ stände und diejenigen für die Anlage der geforderten Centralheizung ausgeschlossen bleiben. Außer Situationsplan, Erläuterungshericht und Kostenanschlag werden an Zeichnungen die Grundrisse sämmtlicher Geschosse, die äußeren Ansichten des Gebäudeg und die zur Erläute—⸗ rung des Projekts erforderlichen Durchschnitte in vorgeschriebenen Maßstäben gefordert, während eine perspektivische Ansicht vom Friedrichswall aus als erwünscht bezeichnet wird. Für den relativ besten Entwurf ist ein Pceis von 2000 , für den zweitbesten ein Preis von 1000 S ausgesetzt und der Ankauf weiterer Entwürfe zu je 500 s vorbehalten. Nach erfolgter Entscheidung durch die aus dem Geheimen Regierungs⸗Rath Hase, dem Ober⸗Baurath Mithoff, den Malern Kestner und Lavetz, dem Rechtsanwalt Fischer und dem Stadt ⸗Baurath Bokelberg in Hannover sowie dem Baurath Professor Ende in Berlin bestehenden Jury werden sämmtliche Entwürfe im Rathhaus zu Hannover öffentlich ausgestellt werden. Ausführliche Programme werden auf Verlangen von dem Stadt ⸗Baurath Bokel⸗ berg übersandt. .
Der Lokalausschuß des Vereins zur Besserungentlassener Strafgefangener tagte gestern unter Vorsitz des Geheimen Ober⸗ Justiz⸗Raths Starke im Präsidialsaal des Landgerichts in der Jüden⸗ straße. Die Versammlung erörterte namentlich die Frage, wie man sich zu der evangelischen Vereinigung zu ftellen habe, die sich behufs Pflege der Entlassenen gebildet hat. Die Nothwendigkeit einer größeren seelsorgerischen Thätigkeit, namentlich den jugendlichen Straf⸗ entlassenen gegenüber wurde allseitig anerkannt, zugleich aber besondert von Pastor Torfstecher betont, daß die Geistlichen selbst, bei der Ueberhäufung mit Arbeit, der sie in Berlin ausgesetzt seien, wohl kaum sich noch diesem Zweige der Thätigkeit widmen könnten. Die neue evangelische Vereinigung, die, wie Ober ⸗JInspektor Homuth mittheilte, für jede Parochie einen Pfleger bestellen will, könne somit in der That eine große und segenzreiche Wirksamkelt entfalten, wenn sie Hand in Hand mit dem Verein gehe; eine Zersplitterung der Kräfte müsse jedoch im Interesse der Sache unter allen Umständen vermieden werden. Gerade dem Ver— brecherthum gegenüber sei, wie der Vorsitzende hervorhob, eine einheitliche Operation nöthig, um einer Ausbeutung der Wohlthätigkeit vorzubeugen. Es gelte vor Allem, die von den verschiedenen Organen gesammelten Mittel einheitlich zu verwenden, und es empfehle sich das auch aus dem Grunde, weil die armen Gemeinden gerade die meisten, die reichen die wenigsten Strafentlassenen in sich schlössen, die Strafentlassenen im Allgemeinen auch einen stark fluktuirenden Bevölkerungstheil bildeten. Ober ⸗Inspektor Homuth theilte hierauf mit, daß die evangelische Vereinigung in der That beabsichtige, aus den von den Kirchengemein den aufgebrachten Mitteln den Verein zu subventioniren, und daß die Pfleger streng angewiesen werden sollen, außer in Fällen aller—⸗ dringendster Noth keine Unterstützungen zu bewilligen, ohne sich vor⸗ her mit dem Verein in Verbindung gesetzt zu haben. Diese Mit- iheilung wurde mit größter Befriedigung aufgenommen und der Hoff nung Ausdruck gegeben, daß das gemein same Wirken von immer ge⸗ segneterem Erfolg begleitet sein möge. Lehrer Brosche regte dann noch an, auch die Waisenräthe für die Beaufsichtigung der Jugend⸗ lichen zu gewinnen. — Was die Thätigkeit des Vereins betrifft, so ist namentlich das Arbeits ⸗Nachweise⸗Bureau wieder sehr in Anspruch
2 rr / 1 r a. ur.
enommen worden. Zumeist meldeten sich täglich über 109 Arbeit- 2 Neu wurden in die Listen des Bureaus 402 Per- sonen eingetragen; Arbeit konnte leider nur 206 nach= gewiesen werden. Eine neue Arbeitsstãtte hat sich dem Verein im Grunewald erschlossen; die Leute verdienen dort täglich iwas über 3 M Von mehreren Seiten sind dem Verein alte Kleldungsstücke überwiesen worden, die er für seine Pfleglinge gerade jetzt sehr aut verwerthen kann. In die Abtheilung der Jugendlichen wurden 3 Entlassene neu aufgenommen; alle drei waren vateclos und nur in Folge mangelnder Erziehung auf den Weg des Verbrechens geführt worden.
Der Berliner Kinderschutzverein hielt gestern Aben unter Vorsitz des Hrn. v. d. Wyngagardt im Bürgersaale des Rath. haufes feine diesjährige Generalversammlung ab. Der Verein hat, wie der Bericht konstatiren konnte, auch im vergangenen Jahre eine segengreiche Wirksamkeit entfalten können. Leider ist die Zahl der Mitglieder etwas zurückgegangen; 52 traten aus, nur 38 gewann der Verein neu, sodaß er jetzt nur 1042, gegen 1056 Mitglieder im Vor. jahr, zählt. Am Wedding sowie in der Rosenthaler und Schön—= haufer Vorstadt macht sich vor Allem der Mangel an Pflegedamen wie duch von Herren als recherchirenden Mitgliedern geltend. Die Einnahmen aus den Mitaliedsbeiträgen betrugen 5397 M6. An ein—⸗ maligen Beiträgen gingen von 324 Wohlthätern 487 M ein, an Ge—⸗ schenken wurden 246 M überwiesen. Die zum Besten des Vereing veranstaltete Matinée brachte 80, der Bazar 4461 „6. Erträge an Pflegegeldern wurden 7962 vereinnahmt, sodaß die Gesammteinnahme, einschließlich der 2538 „ Zinsen und einiger kleiner Posten, die Höhe von 23 502,70 M erreichte. Durch diese Mittel wurde der Verein in die Lage versetzt, 154 Kindern (4 mehr als im Vorjahr) seinen Schutz angedeihen zu lassen. Davon verstarben im Laufe des Jahres 34, ein höherer Prozentsatz wie sonst, trotzdem sich im Allgemeinen die Sterblichkeitsziffer in Berlin günstiger gestaltet hat; der überaus traurige Zustand, in dem die Kinder zumeist dem Verein übergeben werden, mag wohl die Ursache dieser Erscheinung sein. Aus der Pflege entlassen wurden 42, und zwar 6, weil die Verhältnisse der Mutter sich gebessert, eins, weil die Mutter Berlin verließ, 10, weil die Mütter heiratheten (und zwar in 3 Fällen den Vater des be⸗ treffenden Kindes), 3 wurden in ein Waisenhaus gebracht, und 13 Kinder wurden entlassen, weil sie das dritte Lebensjahr erreicht hatten; 6 davon verblieben bei ihren bisherigen Pflegeeltern. 4 Kinder konnten den Vätern zurückgegeben werden, nachdem diese sich wieder verheirathet hatten, und der Rest wurde ven den Angehörigen aus sonstigen Gründen, zurückgefordert. Es blieben somit am 1. Januar 78 Kinder in der Pflege des Vereins. Verausgabt wurden für die Kinder 15 840 M an Pfleggeldern, 715 1 an Arznei und Stärkungs⸗ mitteln, 428 M an Honorar für ärztliche Bemühungen und 261 . zum Ankauf von Kleidungsstücken; 3066 M erforderte die Verwaltung, 555 S die Veranstaltung des Bazars. Die Gesammtausgabe belief sich auf 22 532,50 M; es blieb somit ein Ueberschuß von 970 4 20 3; in Folge dessen wuchs das Vermögen des Vereins von 57 9352 S 60 auf 58 902 M 80 3; 53 500 M sind davon als eiserner Fonds reservirt. Die bisherigen Mitglieder des Vorstandes wurden wieder gewählt, eine noch vorhandene Lücke auszufüllen dem Vorstande jedoch selbst überlassen.
Im Verlage der Optischen Industrie⸗Anstalt von Schulze und Bartels in Rathenow erschien eine Schrift, welche von einer neuen interessanten Erfindung handelt, nämlich einem Apparat zum Unhörbar⸗ machen von Tönen und Geräuschen. Der Erfinder, M. Pleßner, hat demselben den Namen ‚Antiphon“ gegeben. Der Erfinder, zugleich Verfasser der Schrift, führt in derselben aus, daß sich bei der stetigen Zunahme geräuschvollen Verkehrs in allen größeren Verkehrscentren und der dadurch verursachten Ueberreizung der Gehörnerven das Bedürfniß nach einer Vorrichtung immer dringender fühlbar mache, mittelst deren man in den Stand gesetzt werden könne, inmitten dieser Geräusche Stille um sich her zu schaffen. Es müsse daher als eine dringende Aufgabe der Gegen— wart bezeichnet werden, Abhülfe zu schaffen gegen eine Vollkommen⸗ heit des akustischen Sinnes, welche sich allmählich als unbequem zu erweisen beginne. Ein solcher, allen berechtigten Ansprüchen genügender Nothbehelf sei nun nach Angabe des Verfassers gefunden worden in Gestalt dieses kleinen, den äußeren Gehörgang luftdicht abschließenden Apparats,
welcher in Art eines Wellenbrechers die Brandung heftiger Luftoscillationen bricht, ehe sie das Trommelfell erreichen.
Das Instrument, welches mit Leichtigkeit in der Ohr— muschel selbst befestigt und wieder daraus entfernt werden kann, und ähnliche Dienste für den Gehördienst zu verrichten bestimmt ist, wie sie die Augenlider dem optischen Sinne leisten, schwäche die Schallwellen, ohne sie absolut unhörbar zu machen, doch in so beträchtlichem Maße ab, daß Töne und Geräusche von mäßiger Intensität thatsächlich unhörbar gemacht werden könnten. Jedes direkte Erschüttern des Trommelfells werde durch eine am unteren Ende des Antiphons befindliche, den äußeren Gehörgang luftdicht abschließende hohle Kugel verhindert, während das obere Ende des Instruments in der elgentlichen Ohrmuschel Aufnahme findet, und, von der Gegenleiste der Aurikel umfaßt, in einer solchen Lage erhalten wird, daß ein jedes Berühren des Trommelfells ausgeschlossen ist. Was die Form des Antiphon betrifft, so ergab sich als praktisches Resultat einer größeren Anzahl von Konstruktionsversuchen ein Apparat von ankerartiger Gestalt, nur daß an Stelle der Ankerarme eine Kugel, und an Stelle des Ankerstockes eine halbmondförmige Scheibe an dem diefe Theile verbindenden Schafte befestigt sind. Die Sehne der halb⸗ mondförmigen Scheibe mußte dabei an beiden Enden nach oben zu etwas ausgebaucht werden zu dem Zweck, um Raum zu bieten für das vordere Ende der bei vielen Personen in eine scharfe Spitze aus⸗ laufenden Ohrenkrempe; ein in der Scheibe befindliches Loch dient zum Aufhängen des Apparats an einem kleinen Karabinerhaken, sodaß man denselben zu stetem Gebrauch bereit halten kann. Die An⸗ fertigung und der Engrosvertrieb der Antiphone ist von dem Erfinder der optischen Industrie⸗Anstalt von Schulze u. Bartels in Rathenow anvertraut worden. Die Antiphon ⸗ Erfindung ist durch deutsches Reichspatent geschützt.
Im Circus Renz üben die „lustigen Heidelberger immer noch die gleiche Anziehungskraft. Die Galavorstellung am Sonn- abend war wieder besonders glänzend ausgestattet. Das hippologische Potpourri, die staunenswerthen Tremplinsprünge, die Schulpferde und die eleganten Reiterproduktionen waren im Stande, das zahl- reich versammelte Publikum über drei Stunden zu unterhalten.
Der diesjährige Fastnachtsball im Krollschen Eta blissement, am Dienstag, den 17. Februar, wird sich durch eine besonders anziehende Neuerung auszeichnen. Es werden nämlich eine Reihe lebender Bilder nach Meisterwerken von Rubens, Thorwaldsen, Canova und Makart zur Vorführung gelangen und von der für diesen einen Abend engagirten Vamengesellschaft. Excelsior aus Wien, unter Lei⸗ fung deß Hrn. Foseph Maizenovig gestellt werden. Makarts „Jagd⸗ zug der Diana und die allegorische ‚Blumenfontaine“ dürften ein hervorragendes Interesse erregen.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Els ner.
Sieben Beilagen (einschließlich Börsen · Beilage).
Berlin:
—
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 35.
Berlin, Dienstag, den 10. Fehruar
1883.
—
Deuntsches Reich.
Nachweisung der in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Januar 1885 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Zoll—
und Steuervergütung abgefertigten Zuckermengen. )
d d ,
—
Menge des abgefertigten Zuckers.
Kandiszucker und Zucker in weißen vollen harten Broden, (Nr. 697; des statistischen Waarenverzeichnisses)
Staaten,
Aller übrige harte Zucker, sowie alle weißen trockenen Zucker in Krystall⸗, Krümel⸗ und Mehlform von mindestens 98 oso Polarisation
Rohzucker von mindestens dd o M Polarisation (Nr. 9699 des statistischen Waarenverzeichnisses)
bezw. (Nr. 698 des statistischen Verwaltungs Waarenverzeichnisses) Beöztrke. ö 5 in in in in . der Zeit der Zeit der Zeit der Zeit der Zeit der Zeit vom vom vom vom . vom vom ö . J. Jan. bis 16. biz zusammen 1. Jan. bis 16. bis zusammen 1. Jan. bis 16. bis *usammen 15. Jan. 31. Jan. 15. Jan. 31. Jan. 165. Jan. 31. Jan. *. 1 ö 1 2 1. 1 1 4 Preußen. Provinz Ostpreußen k — — — — — — . 83 , . ö. . — — c — 1 6m zz ð 85s gin 10817236 J — — — 3 k 2 K ö J 1 J 316 389 188 3. 504 628 10000 10 000. 20 000 2 966 582 2148096 5 114 678 ⸗ 1 — — * — k — — WM — — 5 , K ö. K — 1634 so 1634 800 Sachsen einschließlich der ( . ) Schwarzb. Unterherrschaften 1007036 1185 376 2192412 464 841 341 687 S806 528 3 446 212 1549 182 4 995 394 ö Schleswig⸗Holstein. 330 421 317 258 647 679 15535 41090 470175 2005585 18145 124 6448243 24593 367 ö ö 552 3249 3 801 625 942 538 755 1164 697 8 668 707 10038 673 18707 385 ö 4735 157 55355 — — — — — — HᷣHessen · Nassau 6. — 26 36 . . e ö ö ö Rheinproviiß ... 723 363 437 257 1160620 — 64 425 64 425 569 735 1109591 1679 326
Sa. Preußen
J 293 005 334 958 627 963 Sachsen.. J — 6 16s 6 465 Württemberg . ; 9919 9711 19630 i — 69 931 69 931 1 — —
1 O 68683 Thüringen, einschließl. d. Großh. sächsischen Aemter Allstedt und ; 112
Oldenburg . Braunschweig
1 . Elsaß Lothringen. . Luxemburg. — — —
419 831 747789
—
2 382 500 2135 . 4518 496
Ts Gs TT dr T s d ss S ssd o r i iss
19 120 697
Ueberhaupt im deutschen Zollgebiet 3 015 382 2976 892
— r 3D In demselb. Zeitraum d. Vorjahres 2063 914 2838 444 4902 358
— — d — 120 498 . ö . 2 e, . — — — — 149 883 149 883 k K . . . . 2 . ö 6 . . —— 173 33 184963 35658 336 422 104 379995 S0ꝛ 099 — — — 155 156 200 200, 3h59 J66 . — . ö . J. D m n , n n, , , , ,
1266 682 1473 088 2739 7701 21 305 0224 879 554 46184 576
) Die Nachweisung bezieht sich auf diejenigen Zuckermengen, welche zum Export oder zu einer öffentlichen Niederlage abgefertigt und dadurch dem inländischen Markte entzogen worden sind, nicht alfo auf die wirklich zur Ausfuhr über die Zollgrenze gelangten Mengen.
Kaiserliches Statistisches Amt.
Berlin, den 7. Februar 1885.
Be
cker.
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 10. Februar. Im weiteren Ver⸗ lauf der gestrigen (16) Sitzung des Hau ses der Ab⸗ geordneten bemerkte bei fortgesetzter Berathung des Kap. 29 des Etats des Ministeriums für Handel und Gewerbe der Abg. Dr. Enneccerus, die Zusammen⸗ fassung des gesammten technischen Unterrichtswesens in einer Hand sei gewiß von Bedeutung. Aber für die gewerblichen Schulen mittleren Grades und die Fortbildungsschulen ent⸗ schieden doch die technischen, praktischen Gesichtspunkte, wie sie in der Denkschrift dargelegt seien. Mit allen den Dingen, die bei denselben am meisten ins Gewicht fielen, wisse der Handels—⸗ Minister am besten Bescheid. Am schwersten werde ihm (dem Redner) die Uebertragung der Fortbildungsschulen. Denn er lönne den idealen Gesichtspunkt nur theilen, daß dieselben eine Fortsetzung der allgemeinen Bildung gewähren sollten. Gegen⸗ wärtig fungirten sie aber thatsächlich zum großen Theil als Fachschulen, und gerade deswegen scheine die Uebertragung angezeigt. Lebhafte und tiefgehende Interessen sprächen aber gegen eine Trennung der technischen Hochschule von dem Kultus⸗Ministerium, und er begrüße es mit Freuden, daß von Seiten des Handels⸗Ministeriums diesem Vorschlage widersprochen worden sei. Die technischen Hochschulen sollten an ihre Aufgabe von dem höchsten wissenschastlichen und künst⸗ lerischen Standpunkt herantreten, und deshalb müsse der Zusammenhang mit demjenigen Ministerium aufrecht erhalten werden, welches die Pflege der wissenschaftlichen und künst⸗ lerischen Interessen zur Aufgabe habe. Er fürchte, eine Verflachung des Gewerbebetriebes wäre sonst die Folge. Wer die Fülle seines künstlerischen Könnens in den Dienst der kleinen Handwerks⸗ arbeit stelle, werde kaum Abnehmer finden und auch mit seinem Geiste das nicht erreichen, was ihm sonst für die Kunst selbst und das Kunsthandwerk zu leisten ermöglicht ei. Einer Zurückdrängung des klassischen Tllterthums aus den
ymnasien widerspreche er ganz entschieden. Das Gewerbe⸗ museum habe nicht die Aufgabe, Muster aufzustellen, welche unmittelbar nachgebildet werden könnten, sondern Vorbilder zu sammeln, wobei in erstem Maße bie künstlerischen und 6 die praktischen Gesichtspunkte maßgebend seien. Daß araus, daß der künstlerische Geschmack gehoben werde, auch werbliche Vortheile erwüchsen, sei ja richtig. Aus diesen ründen befürworte seine Partei das Festhalten an der erhndung des Kunstgewerbe⸗Museums mit der Kunst und emjenigen Ministerium, dem die Pflege der Kunst obliege.
Der Titel wurde bewilligt.
n Bei Titel 1 der Ausgaben, Minister ohne Gehalt, be⸗ erkte der Abg. Büchtemann, er möchte die Aufmerksamkeit es Hauses auf die von der Regierung beabsichtigte Bildung
von Gewerbekammern lenken, welche, nachdem Reichstag und Landtag den Volkswirthschaftsrath abgelehnt, jetzt als Schatten des Volkswirthschaftsraths in jedem Regierungsbezirk wieder auftauchen sollten. Die Motive in den Vorlagen an die Provinzial⸗Landtage nähmen darauf Bezug, daß es sich darum handle, dem preußischen Volkswirthschastsrathe lokale Organi⸗ sationen zur Seite zu stellen. Die schon bestehenden derartigen Organisationen seien ihres einseitigen Gesichtspunktes wegen für diesen Zweck nicht geeignet, da es wesentlich auf einen Aus⸗ gleich unter den verschiedenen Interessengruppen ankomme. Ob die Organisation aber, so wie sie gedacht sei, mit Erfolg ins Leben treten könne, sei zweifelhaft. Eine dauernde Bestimmung über das Verhältniß der Vertretung derjenigen Branchen, welche zu einer Gewerbekammer zusammentreten sollten, also der Land⸗ wirthschaft, der Industrie, des Handels u. s. w., sei in dem Entwurfe nicht gegeben, diese Bestimmung vielmehr dem Sei⸗ tens des Ministers zu erlassenden Reglement vorbehalten. Es sollten die Mitglieder nicht aus dem Interessentenkreise selbst gewählt werden, sondern zur Wahl sei der Provinzial⸗Landtag berufen. Daß dieser die beste Instanz dasür sei, sei schon in den einzelnen Provinzial-Landtagen vielfach bestritten worden. Am eigenthümlichsten aber sei es, daß die Zusammensetzung der Gewerbekammern nach Regierungsbezirken erfolgen solle, obwohl sich doch diese mit denjenigen Distrikten, deren zweck⸗ mäßige Vertretung herbeigeführt werden solle, durchaus nicht deckten. Diese ganze Organisation mache auf seine Partei den Eindruck, daß hier lediglich wieder eine Institution auf andere bereits bestehende gepropft werden solle. Man habe aber deren schon genug. Gesetzlich beständen bereits die Handelskammern. Eine wirkliche Ausgleichung der Interessen finde aber doch nicht statt. Wenn solche Korporationen zusammenträten, wenn sie zur Ausgleichung aller Interessen eine für alle Branchen gemeinschaftliche Abstimmung vornehmen sollten, dann würden jedesmal von den vier vertretenen Branchen drei als Nicht⸗ sachverständige mitstimmen. Der sogenannte Ausgleich der Interessen werde also zum Theil auf Kosten der Wahrheit stattfinden. Die Wahrheit selbst könne nur durch , enqueten oder dadurch vermittelt werden, daß die einzelnen Zweige sich freiwillig organisirten. Nun habe man ja für die andwirthschaft den Landwirthschaftsrath, man habe die Handelskammern, die Innungen mit ihren Ausschüssen und Innungsverbänden, man habe die freiwilligen Ver⸗ bände vieler und bedeutender industrieller Branchen, wo⸗ her wolle man denn eine bessere Organisation als von diesen nehmen? Das von ihnen gelieferte Material sei ja das Material der Interessenten, das wisse man und solle man wissen, es sei nur bis . einer gewissen Grenze zuverlässig, aber die Grenze dieser Zuverlässigkeit werde durch . neue Art der Majoritäts⸗ bildungen verwischt. Die Majorität sei in diesem Falle nur ein formelles Mittel, um die Wahrheit festzustellen. Ein
innerer Zusammenhang dieser Kammern mit den Proyinzial⸗ verbänden bestehe auch nicht, werde vielmehr in den Motiven als wünschenswerth hingestellt, nur bezüglich der Wahl und der Aufbringung der Kosten werde dieser Zusammenhang konstruirt. In der That sei denn auch die neue Einrichtung eine rein staatliche, die den Provinzialbehörden nur zum Zweck der Kostentragung zugewiesen werde. Aber auch die Gesetz⸗ mäßigkeit dieses Verfahrens sei ihm zweifelhaft. Die Pro⸗ vinzial-Landtage seien gar nicht berechtigt, Beschlüsse über die Wahlen und uber die Uebernahme der Kosten auf die Pro⸗ vinzen zu fassen. In Bezug auf das Dotationsgesetz sei das völlig unzulässig, wie auch der Provinzial-Landtag von West⸗ preußen fast allseitig anerkannt habe, und auch die Provinzial⸗ ordnung enthalte durchaus nichts, was die Proyinzial⸗ verbände dazu berechtigte. Der nassauische und der Casseler Kommunal-Landtag dagegen hätten die Vor⸗ lage abgelehnt, die Landtage von Westpreußen, Pommern und Hannover hätten zugestimmt. Nach diesen divergirenden Ent⸗ scheidungen schwebten die neuen Kammern erst recht in der Luft. Der Staat habe offenbar eine Aufgabe, welche durch⸗ zusetzen im Reichs- und Landtage ihm nicht gelungen sei, den Provinzen zuschieben wollen, um auf diese Weise die Kosten aufbringen zu lassen. Diesen Standpunkt halte er dem preußischen Landtage gegenüber nicht für den richtigen, und bedauere, daß auf dem Wege trotz der zu befürchtenden Kollision weitergegangen sei. Es würden Behörden auf Behörden auf⸗ gebaut, ohne daß man den Zweck sehe. Sei denn die wirth⸗ schaftliche Regierungspolitik so schwach, daß sie solche Zu⸗ sammenkoppelungen brauche, um sich Zustimmung zu ver⸗ schaffen? Der richtige Weg wäre gewesen, dem Landtage eine umfassende Vorlage zu machen.
Hierauf entgegnete der Staatssekretär Dr. von Möller: Die Regierung verhandele uber den vom Vorredner be⸗ rührten Gegenstand gegenwärtig nicht mit dem Landtage, sondern mit den Provinzial⸗Landtagen; die Verhand⸗ lungen seien noch nicht abgeschlossen, und er würde besorgen müssen, durch ein Eingehen auf die Ausführungen des Vorredners präjudizirend in die Entschließungen derjenigen Landtage einzugreifen, welche sich noch nicht schlüssig gemacht hätten. Solches wünsche er durchaus zu vermeiden, da die Beschlußfassung der Landtage eine durchaus freiwillige sei. Es werde ihnen keine Verpflichtung auferlegt oder angesonnen, sondern es hänge von ihrer freien Entschließung ab, ob sie dazu beitragen wollten, daß die Gewerbekammern ins Leben träten. Nur auf die juristischen Einwände gehe er etwas näher ein. Es sei keineswegs die Absicht, den Handels⸗ kammern den Boden ihrer Wirksamkeit zu entziehen; ihre Stellung werde sich vielleicht etwas modifiziren, sie würden in Zu⸗ kunft wieder mehr sein, was sie ursprünglich sein sollten: Spezial⸗ vertretungen der Handelsinteressen; einen wesentlichen Abbruch an ihren Befugnissen würden sie aber nicht erleiden. Die erste Anregung zu der Schaffung von Gewerbekammern sei gerade von einer Handelskammer ausgegangen, welche die Unzulänglichkeit der bisherigen Einrichtungen erkannt hätte. Auch bezüglich der Bestimmungen der Provinzialordnung sei die Rechtsauffassung des Vorredners irrig; sie enthalte nichts, was die Provinzial⸗Landtage hindern könnte, die vorgeschlagenen Beschlüsse zu fassen. Die Provinzialordnung spreche in ihren verschiedenen Paragraphen von Angelegenheiten, besonderen Einrichtungen und von Interessen des Provinzialverbandes, und zwar ganz allgemein; eine erschöpfende Definition sei nirgend gegeben, sie fehle und müsse fehlen, wenn man der Selbstverwaltung nicht ganz unmotivirte Schranken setzen wolle. Nur aus der Natur der Sache heraus könne also beurtheilt werden, was eine An⸗ gelegenheit des Provinzialverbandes sei und was nicht. Zwischen den Angelegenheiten rein lokaler und rein allgemei⸗ ner Natur liege ein weites Gebiet solcher Dinge, welche sich sowohl zur provinziellen als zur staatlichen Behandlung eigneten, und zu diesen zähle die Institution der Gewerbe⸗ kammern. Bei ihnen handele es sich keineswegs um Ange⸗ legenheiten allgemeiner Art — eine solche sei der Volkswirth⸗ schaftsrath gewesen —, sondern um die Schaffung von In⸗ stitutionen mit lokal begrenzter Wirksamkeit, um die wirth⸗ schasftlichen Interessen dieser beschränkten Gebiete zu vertreten und der Regierung gegenüber zur Geltung zu bringen. Es stehe z. B. auch in keiner Städteordnung etwas von der Befugniß der Städte, Gymnasien zu errichten; fände sich keine Stadtgemeinde, die die Kosten dafür tragen wollte, so würde das eine reine Staatsangelegenheit sein. Nun würden aber doch seit fünf Dezennien immerfort neue städtische Gymnasien errichtet. Man dürfe also ebenso wenig, wie es hinsichtlich der Städteordnungen geschehe, die Pro⸗ vinzialordnung zu eng interpretiren. Der Ober⸗ wie der Regierungs⸗Präsident brauchten einen sachverständigen Beirath in wirthschaftlichen Angelegenheiten, namentlich in solchen Be⸗ zirken, wo die verschiedenen Eiwerbagruppen mit einander in Konflikt träten; durch Spezialenqueten sei die Herbeiführung einer Ausgleichung der Interessen nicht möglich. Von der Wahl der Mitglieder durch die Interessenten selbst habe die Regierung Abstand nehmen müssen; welche Unsummen von direkten und indirekten Wahlen würden entstehen, wenn die sämmtlichen großen und kleinen Industriellen, sämmtliche Handwerker, sämmtliche Kaufleute, sämmt⸗ liche Landwirthe zu solchen Wahlen aufgeboten wür⸗ den? Zur Erlangung unabhängiger Wahlen hätten sich die Provinzial⸗LLandtage als das einfachste Mittel dargeboten; an der Möglichkeit, daß es diesen Vertretungen gelingen werde, die richtigen Persönlichkeiten auszusuchen, könne nicht mit Grund gezweifelt werden.
Der Abg. Dr. Wehr sprach sich dahin aus, wolle man die Provinzialordnung so eng interpretiren, wie der Abg. Büchtemann empfehle, dann würde man in den Provinzial⸗ Landtagen bei jedem zehnten Gegenstande sich nach der Berech⸗ tigung, sich mit ihm zu befassen, zu fragen haben. Er müsse sich wundern, daß gerade von der linken Seite, welche sich immer darüber beklage, daß das Maß der Selbstyerwaltung viel zu gering sei, jetzt der Vorwurf erhoben werde, daß man den Provinzialverbaͤnden zu viel Freiheit geben werde. Diese
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