1885 / 37 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Feb 1885 18:00:01 GMT) scan diff

waren 636 und 1230. Die außeramtlichen Benutzungen setzten sich zusammen aus 440 persönlichen Benutzungen in den Archivlokalen und 895 Benutzungen, welche auf schriftlichem Wege durch Uebersendung von Akten und Bescheiden ihre Er⸗ ledigung fanden. Im Ganzen haben 1176 Privatbenutzer an 5945 Tagen in den Archiven gearbeitet, im Vorjahre 1121 Private an 5706 Tagen.

Die auf Veranlassung und mit Unterstützung der Archiv⸗ verwaltung herausgegebenen, im Verlage von S. Hirzel in Leipzig erscheinenden „Publikationen aus den Preußischen Staatsarchiven“ sind in diesem Jahre um 5 Bände weiter ge⸗ fördert worden. Es erschienen nämlich

Bd. XIX. A. Wyß. Hessisches Urkundenbuch; 1. Abth.: Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei Hessen. 2. Band (von 1300 1359).

Bd. XX. A. Köcher. Geschichte von Hannover und Braunschweig 1648 1714. Erster Theil. 1648 1668.

Bd. XXI. G. Schmidt. Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe. 2. Theil. 1236 —1303.

Bd. XXII. R. Koser. Unterhaltungen mit Friedrich 3 446 Memoiren und Tagebücher von Heinrich e Catt.

Bd. XXIII. Ritter von Poschinger. Preußen im Bundes⸗ tag 1851— 1859. Dokumente der Königlich preußischen Bundestags⸗Gesandtschast. 4. Theil. (1851 - 1858).

Ebenso ist das durch Heinrich von Sybel in Berlin und Theodor Ritter von Sickel in Wien herausgegebene Werk „Kaiserurkunden in Abbildungen“ durch die siebente Lieferung, welche 30 Urkunden umfaßt, fortgesetzt worden.

Ferner haben Archivbeamte die Redaktion verschiedener historischer Zeitschriften geleitet, beziehungsweise sich an deren Leitung betheiligt, Beiträge zu der „Allgemeinen Deutschen Biographie“ und anderen Zeitschriften geliefert, endlich folgende theils größere, theils kleinere Arbeiten veröffentlicht:

Ausfeld. „Biographien der Direktoren C. Salzmann und Wilhelm Ausfeld“ in der Festschrift zur Feier des 100, jährigen Bestehens der Erziehungsanstalt Schnepfenthal. Leipzig 1884.

Baer. „Zur Geschichte der deutschen Handwerksämter“ in den Forschungen zur deutschen Geschichte. Bd. 24.

von Bülow. „Zigeuner in Pommern“ in den Balti⸗ schen Studien.

Doebner. „Nachträge zu Leibnizens Briefwechsel mit dem Minister von Bernstorff“ in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen. Ferner „Ein Geschichtsschreiber des Ordens der büßenden Schwestern der h. Maria Magda⸗ lena“ in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alter⸗ thum Schlesiens, 1883.

Ehrenberg. „Ein Hexenprozeß in Polen im Jahre 1638“ in der Zeitschrift für Geschichte und Landeskunde der Provinz Posen. III. Ferner „Ueber die Inventarisation und Erhaltung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler“ in den Grenzboten.

Endrulat. „Die Rheinischen und Westfälischen Prak—⸗ tikanten des Reichskammergerichts in Wetzlar“ in der Zeit⸗ schrift des Bergischen Geschichtsvereins, Bd. XX.

Goecke. „Die Napoleonischen Plebiscite von 1802 und 1804 in den Rheinlanden“ in den Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, Hest 42. Ferner „Drei Wiedertäuferurkunden“ und „Zusammenstellung gedruckter Rheinischer Chroniken bis zum J. 1500“ in der Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, Bd. XX.

Grünhagen. „Schlesien am Ausgange des Mittel⸗ alters“, „Abraham Hosemann, der schlesische Lügenschmidt“ in der Zeitschrift des Vereins für schlesische Geschichte, Bd. XVIII. „Schlesische Geschichte: Bd. J. bis zum Ausgange des Mittel⸗ alters“. Gotha. F. A. Perthes.

Herquet. „Das Archivdiaconat von Friesland, Münster⸗ scher Diözese“ in dem Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alterthümer, Bd. VI.

Janicke. „Zunfturkunden der Stadt Uelzen 1415 bis 1568“ in der Zeitschrift des historischen Vereins für Nieder⸗ sachsen, 1884.

Joachim. „Des Stadtpfarrers Anton Weber zu Idstein Synovdalchronik der Diözese Idstein 1577 15965“ in den Annalen des Vereins für Nassauische Geschichte, Bd. XVIII.

Keller. „Johann Staupitz und das Waldenserthum“ im historischen Taschenbuch, 1885.

Koser. „Zur Textkritik der Histoire de mon temps Friedrichs des Großen“ in der historischen Zeitschrift.

Krusch. „Gregorii Tuaronensis opera“ Pars II. in den Monumenta Germaniae historica script. rer. Merov. J. 2; ferner „Chronologisches aus Handschristen“ im Neuen Archiv X. und „Verzeichniß merowingischer Heiligenleben“ in Wattenbachs Geschichtsquellen.

Lehmann. „Ein angeblicher Brief des Freiherrn von Stein“ und „Scharnhorsts Kampf für die stehenden Heere“ in der historischen Zeitschrift.

Meinardus. „Formelsammlungen und Handbücher aus den Bureaux der päpstlichen Verwaltung des 15. Jahrhun⸗ derts“ im Neuen Archiv X.; ferner „Ueber die Zeit, wann die Hameler Schenkungsurkunde Karls des Großen für Fulda gesälscht ist“ in der Zeitschrift des Vereins für Niedersachsen.

Meyer. „Die Cultur⸗ und Bevölkerungsverhältnisse der Provinz Posen seit deren Anfall an Preußen“, „Briefe des Abgeordneten zum Frankfurter Parlament S. G. Kerst aus Meseritz“, „Die katholische Kirche in der Provinz Posen seit deren Anfall an Preußen II.“ „Aus den Memoiren des Generals von Brandt“ II. „Die Deutsche katholische Ge— meinde zu Posen“ in der Zeitschrift für Geschichte und Landes⸗ kunde der Provinz Posen III.

von Mülverstedt. „Kegesta archiepiscopatus Magde- hurgensis.“ 3. Bd. Bogen 11— 27. „Codex diplomaticus Alvenslebianus.“ Dritter Band. Schlußheft. Magdeburg bei Bänsch. „Regesten des Hauses Stolberg vom Jahre 1200 bis 1511“, bis jetzt 3; Bogen. „Wem und welcher Zeit ge— hört das Siegel des Henricus sacerdos de Kalant an?“ im Deutschen Herold.

Panzer. „Papstwahl und Laieninvestitur zur Zeit Papst Nicolaus II.“ im historischen Taschenbuch, IV.

Philippi. „Zur Geschichte der Reichskanzlei unter den 5 Staufern.“ Münster, Coppenrathsche Buchhandlung,

Sauer. „Ueber eine Handschrift des Pantheon des Gott⸗ fried von Viterbo“ im Neuen Archiv, X. „Archivalische Mit⸗ theilungen besonders zur Geschichte und Genealogie des Hauses Nassau im 13. Jahrhundert“ in den Annalen des Vereins für Nassauische Geschichte, XVIII.

Sello. „Brandenburger Stadtrechtsquellen“ꝰ in den Märkischen Forschungen, TVI. „Das Dorf Golm bei

Potsdam und die Familie von Schönow“ in der Vierteljahrs⸗ schrist für Heraldik, 1884. . .

Veltman. „ill. Nachtrag zum Verzeichnisse der Bibliothek und handschriftlichen Sammlungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück.“ Osnabrück bei Kisling.

Wachter. „Namelau im Ersten Schlesischen Kriege. Eigenhändige Aufzeichnungen eines Zeitgenossen“ in der Zeit⸗ schrift des Vereins für schiesische Geschichte, XVIII.

In dem großen Gemälde von Julius von Payer, das den erschütternden Abschluß der Franklinschen Nordpolerpedition, den Untergang der Letzten ihrer Theilnebmer in der Bai des Todes“ schildert, führt die Ausstellung des Berliner Künstler⸗ vereins dem Publikum ein Werk vor, das innerhalb der zeitgenös⸗ sischen Kunst dem Gegenstand nach ebenso einzig dasteht wie die Ent wickelung seines Autors, der zuerst als unerschrockener Torschungs⸗ reisender die Blicke auf sich lenkt, dann in der Schilderung seiner Erlebnisse sich als trefflicher Schriftsteller bekundet und schließlich zu Pinsel und Palette greift, um nach kurzer Studienzeit durch ein mit Konzentrirung aller Kraft ge- schaffenes kolossales Gemälde zu überraschen, das die in ihm lebendige, nur von Wenigen je gesehene Welt sammt dem in ihr sich abspielenden tragischen Menschenschicksal in plastischer An schaulichkeit verkörpert und mit dem ersten Heraustreten in die Oeffent lichkeit eine in immer weiteren Kreisen nachklingende Bewunderung erweckt. Beides, der Vorwurf des Bildes sowohl wie die Persönlich—= keit seines Malers, scheint ganz dazu angethan, dem modernen, nach sensationeller Erregung dürstenden Verlangen Befriedigung und Nahrung zu gewähren, und so ist denn auch Payers eigenartige Schöpfung der reklamenhaften Behandlung so wenig entgangen wie irgend eine andere, nach dieser oder jener Seite hin von den gewohnten Pfaden abweichende Erscheinung unserer heutigen künstlerischen Produktion. Der Rückschlag aber gegen die einseirige Anvreisung stellt sich nunmehr nach gewohnter Weise in einer kühl zurückhaltenden und einschränkenden Kritik dar, die es deutlich verräth, daß ihr die, wenn überhaupt vorhandene, freudige Empfänglichkeit für das wirklich Gebotene durch das voraufgeschickte überschwängliche Programm bereits ertödtet ist. Unbeeinflußt von der einen wie von der anderen Seite wird eine unbefangene Betrachtung des Gemäldes in demselben sicher nicht blos den Beweis eines unbestreitbaren Talents, sondern zugleich eine positive Leistung erkennen, die, von dem Interesse an den Gegenstand völlig abgeseben, in rein künstlerischer Hinsicht auf durchaus nicht gewöhnlicher Höhe steht und dadurch, daß fie hier und da wohl einen Einwand gestattet, an hervorragend er Bedeutung kaum verliert. Ueber den Inhalt der Darstellung sowie über die gesammten Details des Bildes und die ihm zu Grunde lie— genden eingehenden künstlerischen Studien haben die an dieser Stelle (Rr. 33 d. Bl.) abgedruckten Mittheilungen bereits so ausführlich berichtet, daß es einer Wiederholung nicht mehr bedarf. Nur kurz sei daher auf diejenigen Züge der Komposition und Ausfüh— rung hingewiesen, die für die künstlerische Wirkung bedingend erscheinen. Imponirt das Bild dem ersten Blick bereits durch die unmittelbar ergreifende, zwingende Wahrheit des Ausdrucks, die der Künstler der lebendigen eigenen Anschauung der von ihm geschilderten Natur und einer im hohen Grade energischen, durch die selbstzewonnenen Erfahrungen angeregten Phantasie ver⸗ dankt, so giebt es sich bei eingehenderer Betrachtung zugleich als eine nach jeder Seite hin klar und zielbewußt durchdachte Schöpfung zu erkennen, die durch eine seltene innere Reife und Sicherheit des Malers fesselt. Mit meisterbaftem Geschick ist das Ver⸗ hältniß zwischen den lebensgroßen Figuren des Bildes und der sie umgebenden landschaftlichen Scenerie erwogen, in einem knappen Ausschnitt der weiten Schneefelder, über die eine dämmernde, von mattem Sternenglanz durchflimmerte blaugraue Luft sich breitet, und der zu Eis erstarrenden Wasserfläche, deren ferner Saum im Wiederschein des kalten Mondlichts erglänzt, der Charakter dieser in todtes Schweigen versunkenen Natur voller herber Größe zu unvergleichlich prägnantem Ausdruck gebracht und damit der er— greifendsste Gegensatz einer erbarmungslos vernichtenden elementaren Gewalt und der vergeblich mit ihr ringenden Menschenkraft dem Beschauer vor Augen gestellt, durch dag grandiose Natur bild aber nicht im mindesten die kompositionelle Bedeutung der von diesem Hintergrund sich abhebenden Gruppe der ihrem Verhängniß verfallenen Opfer menschlichen Wissensdurstes beeinträchtigt. Auch aus ihr spricht derselbe strenge Respekt vor der unbedingten Wahrheit der Erscheinung, derselbe eindringende Ernst des Studiums, der in der Schilderung der umrahmenden Landschaft sich offenbart. So weit das hier Vorgeführte dem gewohnten An— schauungskreise entlegen ist, so sehr wirkt es von innen heraus moti⸗ virt und unwiderstehlich überzeugend, vor allem in den Figuren der beiden Männer, die, gegen das zusammengeraffte Segel des Boots gelehnt, ihren Tod gefunden haben, und in jener anderen, nicht minder packenden Gestalt, die unweit von ihnen in den Schnee gesunken ist. Dem ganzen Aufbau der Gruppe in klar und einfach sich gliedernden Formen und Linien ist dabei jedes gekünstelte Arrangement fern⸗ gehalten, in der durch Licht und Luft bedingten ernsten und ruhigen Tonstimmung des Bildes eine meisterlich geschlossene, trotz des vor— herrschenden Grau keineswegs einförmige, sondern energisch belebte malerische Wirkung erreicht und die Modellirung der Figuren sowie die Behandlung der Nebendinge, die nirgends in dekorative Flüchtigkeit verfällt, in der Breite des Vortrags durchgeführt, die dem Charakter des Gegenstandes entspricht. Seine erste Künstlerschaft aber bekundet der Maler dieses Bildes nicht minder entschleden in der den gegebenen Stoff wirkunsvoll belebenden Auf— fassung desselben. Es ist der kalte und starre Tod in einer seiner entsetzlichsten Formen, den er in den krampfhaft verzogenen, von Hunger und Kälte erschöpft dahin gesunkenen Gestalten des Bildes mit kaum geringerer realistischer Wahrheit schildert als seinerzeit Wereschagin in seinen Darstellungen der russisch-türkischen Schlacht felder und Lazarethe; von dem Anblick der bewegungslosen, grausigen Todesruhe aber wird die Phantasie des Beschauers durch das fest— gefahrene, vom Eise umklammerte Boot auf die vorangegangenen Momente eines gegen den Untergang ankämpfenden. Ringens zurückgeleitet, so daß mit der Anschauung des Gewordenen sich die Vorstellung des Werdenden verknüpft, während nach der an⸗ deren Selte hin die Figur des einzig noch Ueberlebenden, in welcher die Komposition des Bildes gipfelt, eine weitere Perspektive eröffnet, das Interefse auf eine eben eist einsetzende neue Entwickelung hin⸗ lenkt. Wie die Gestalt des Lieutenants Crozier, mit der Rechten die Büchse fafsend, sich in der hochaufragenden Spitze des Boots empor richtet, um den Kampf mit den durch die Witterung der Leichen her⸗ belgelockten Eisbären aufzunehmen und im Fall des Sieges für sich selber Rettung vom Hungertode zu finden, führt sie in das Bild des starren Todes ein gleichsam befreiend wirkendes Moment drama-⸗ lischer Spannung ein, das mit glücklichstem Griff erfunden ist. Noch wirksamer freilich würde das an sich so geschickte Motiv seinem Zweck entsprochen haben, wenn der Maler sich mit den beiden etwas weiter zurück über das Schneefeld daherkommenden Bestien begnügt und den dicht neben dem Boot eben über einer Eisscholle auftauchenden dritten Bären geopfert hätte. Die Häufung gleicher Mittel zur Erzielung einer Wirkung, die mit geringerem Aufwand zu erreichen war. schwächt dadurch, daß sie die Gedankenreihe, die in dem Beschauer angeregt wird, unnöthiger Weise komplizirt, auch im vor— liegenden Fall die Kraft des Ausdrucks ab, und überdies erweckt das Gegenüber des beutegierigen Raubthieres und des im Todeskampf über den Bord des Bootes zurückgesunkenen, mit angsrvoll zusammen⸗ gekrampften Fingern daliegenden Matrosen unwillkürlich eine störende Nebenvorstellung, die durch den Fortfall des an sich trefflich gemalten Thleres vermieden worden wäre. Ein derartiger Einwand im Ein⸗ zelnen vermindert indeß kaum die hohe Werthschätzung, die dem Payer⸗ schen Werk nach Erfindung und Ausfübrung gebührt. am wenigsten das über die malerische Leistung noch hinausgehende Verdienst mit kühnem Griff in eine völlig neue Stoffwelt, deren künstlerische Behandlung hier zum ersten Mal gewagt erscheint, aus einem Motiv unseres

„glänzen lassen konnte.

modernen Kulturlebens ein Bild von echt hiftorischer Größe des Aus drucks geschaffen zu haben. Aus seiner Zeit heraus geboren und in Anschauungen und Gedanken wurzelnd, die es in uns Allen mehr oder minder lebendig wiederklingen läßt, bedarf das Werk nicht erst den erläuternden Programms, um seinem ganzen Inhalt nach begriffen und verstanden zu werden. Mit diesem Verständniß aber ergiebt sich angesichts dieser erschütternden Darstellung des Unterliegens im Kampfe gegen die Uebermacht der Natur zugleich das versoͤhnende Element, das die Schilderung des an sich Grausigen zu einer tragisch erhabenen Wirkung steigert. (Schluß folgt.)

Der Oberlin⸗Verein für die Stadt Berlin hielt gestern Abend unter Vorsitz des Landgerichts Präsidenten a. D. Krüger im Saale des Evangelischen Vereinshauses seine Generalversammlung ab die mit Gesang und einer erbaulichen Ansprache des Probstes D. Frhr' von der Goltz eröffnet wurde. Dem alsdann vorgelegten Jahresbericht entnehmen wir, daß der Verein z. 3. 5 Stationen und zwar in den Gemeinden St. Petri. Zion, Marcus, Andreas und Zwölf⸗A postel unterhält, an denen 18 Schwestern arbeiten; vier von diesen sind erst seit dem 1. Oktober angeftellt. Die 5 Stationen, welche ca. 50h Kindern leibliche und sittliche Pflege gewähren, erforderten insgesammt 9326 S Zuschuß, die Verwaltung erforderte 4143 A6, und die Ge⸗ sammtausgabe belief sich auf 16202 . ÄäDie effektive Ginnahme be— trug dagegen nur 12623 M Ihre Majestät die Kaiserin sowie Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm unterstützten die Bestrebungen des Vereins durch außerordentliche Geschenke; die Mit⸗ gliederbeiträge brachten 66 15 1; an einmaligen Geschenken u. dgl. gingen insgesammt 4042 4A ein und aus Veranstaltungen zum Besten dez

Vereins ergab sich eine Einnahme von 693 4 Das Vermögen des

Vereins beläuft sich z. 3. auf 15715 6 Die Generalversamm—⸗ lung nahm einige formale Statutenänderungen vor, welche nöthig geworden sind, um die Korporationsrechte zu erlangen. Mit Gesang und Gebet wurde dann die Versammlung geschlossen.

Frankfurt a. M., 11. Februar. Nachmittags, (W. T. B) In Bezug auf ein in der hiesigen Stadt verbreitetes Gerücht, wonach in der letzten Nacht gegen die Hauptwache auf dem Schiller— platz ein gefährlicher Dynamit ⸗Sprengversuch gemacht worden wäre, wird von authentischer Seite mitgetheilt, daß nach dem vorläu—⸗ sigen Ergebniß der Untersuchung eine ernstliche, auf die Zerstörung des Gebäudes gerichtete Absicht kaum angenommen werden könne. So viel bis jetzt ermittelt ist, ist heute früh an der den Schillerplatz begrenzenden Rücseite des Gebäudes der Haupt⸗ wache eine längliche, dünne, mit Pulver gefüllte Hülãse und, an deren Rückseite befestigt, eine angebrannte Zündschnur vorgefunden worden; die Explosion der Hülse würde mit Rücksicht auf die Ge— ringfůgilakeit der Sprengmasse keinen irgend erheblichen Schaden ver⸗ anlaßt haben. Die Untersuchung ist eingeleitet.

St. Petersburg, 12. Februar. (W. T. B.) . Gestern Abend brach in dem Gebäude des Städtischen Kreditvereins ein Feuer aus, welches erst heute Morgen bewältigt wurde. Die obere Etage ist völlig zerstört, die zweite beschädigt. Die Kasse und das Archiv find als gesichert und gerettet anzusehen. Bei den Lösch—⸗ arbeiten ist ein Feuerwehrmann umgekommen und zwei verletzt wor den. Der Kaiser wor auf der Brandstätte und verblieb so lange, bis die Lokalisirung des Feuers gesichert erschien. Auf dem Platze war auch der Justiz⸗Minister erschienen und ordnete die sofortige Untersuchung an. Es verlautet, daß eine Brandstiftung vorliege, und ein dieses

Verbrechens verdächtiger Gasarbeiter verhaftet sei. Im Alexandra⸗

Theater, welcheß dem Gebäude des Kreditvereins gegenüberliezt, fand zur Zeit des Ausbruchs des Brandes Vorstellung statt; ein Theil des Publikums blieb ruhig im Theater bis zum Schluß der Vorstellung, ein anderer verließ dasselbe.

Mit dem gestrigen Tage haben die Vorstellungen der im Herbft v. J. bei den hiesigen Garde⸗Infanterie⸗Regimentern eingestellten Rekruten ihren Änfang genommen. Durch die resp. Vorgesetzten wurden gestern Vormittag die Rekruten des 2. Bataillons Garde⸗ Füsllier⸗ Regiments und heute Vormittag diejenigen des 3, Bataillons desselben Regiments, und des Füsilter⸗Bataillons Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗ Regiments Nr. 2 in den Grerzierhäusern der betreffenden Regimenter besichtigt. In gleicher. Weise finden morgen Vor mittag die Vorstellungen der Rekruten des ir, ,, , 2. Garde⸗Regiments z. F., des J. Bataillons Garde⸗ und des 1. Bataillons Kaiser Franz Garde ⸗Grenadier⸗Regiments Rr. 2 und Übermorgen die der Mannschaften des 1. Batalllons 2. Garde Regiments z. F. und des 2. Bataillons Kaiser Franz Garde⸗ Grenadler⸗ Regiments Nr. 2 statt. Beim Kaiser Alexander Garde⸗ Grenadier⸗Regiment Nr. 1 werden die Besichtigungen der Rekruten in der Zeit vom 17.—19.8 Mes. und beim vom 19. 21. d. Mts. erfolgen.

Victoria Theater. Wie bigher bei allen Ausstattungs⸗

stuͤcken, so treten auch bei . Sulfurina“ nach der 50. Vorstellung er⸗ mäßigte Preise ein. Es kostet demgemäß das Parquet von morgen, Freitag, an nur 3 „, und die Preise der übrigen Plätze sind dem—

entsprechend ebenfalls herabgesetzt.

Frl. Paula Bauchs, welche sich schon in anderen Concerten als begabte Pianistin bekannt gemacht hat, bezeugte dies auch in ihrem eigenen Coneert, welches sie vorgestera in der Sing Akademie veranstaltete. In den Variationen von Haydn, Präludien und Etüden von Chopin, ungarischen Tänzen von Brahm, Men⸗ delsfohns Capriccio und der Fis-dur-Rhapsodie von Liszt bewies sie nicht nur eine virtuose technische Ausbildung. sondern 1 Geschmack im Vortrage. Wenn nicht Alles gleichmäßig gelang u . B. die Novellette von Schumann klarer und durchgeistigter hätte zu Gehör gebracht werden können, so darf man doch auch von einer

fo jugendlichen Künstlerin nicht gleich diejenige Reife und Vollkem⸗

menheit verlangen, welche erst spätere Jahre zu bringen pflegen. Für den Esprit der' neueren französischen Musik fand sie übrigen . Vortrage eines Menuetts aus der, Arlssienne' von Georges Viet un eines Air de danfe“ von Leo Delibes den richtigen graziösen a, . Schön kann man diese Kompositionen freilich nicht nennen, a ö immerhin originell; sind sie doch in dem prickelnden Styl der . französischen musikalischen Schule gehalten, welche es an, 31 lee. und Hautgout in Rythmus und bizarren Harmonienkombinationen . Gesinnungsgenossen aus der modernen Pariser Malerschule gleichtut . sucht. Mit den Herren Franz Ondricek und Heinrich Grünfeld spie ; die Concerfgeberin ein Trio (G-moll) von Anten Rubinstein, l. interessante Komposition, in der sich, wie in anderen. . dieses Komponisten, geistvolle harmonische Erfindung mit nicht . geradezu trivialen melodischen Themen in wundersamer ö. beifammen findet. Daß das Trio nicht nach den ai schen Mustern der älteren formalen Kammermusik gestaltet . sondern mehr eine symphonische Vorstudie modernen Styls tellt, ist bei dem / . Hr. Ondricek erfreute die Besucher auch noch durch zwei n. stücke, von denen namentlich eine von ihm selbst nach Wehle für ö. Geige bearbeitete und hinreißend gespielte Tarantelle so vielen hee. fall fand, daß der liebenswürdige Künstler noch die Cavatine ö. Raff zugab,. in der er besondert seinen prachtvollen gesangreichen w.

Die mitwirkende Sãngerin Fil. . Darialli, konnte leider weder durch die Wahl ihrer ge sangh ti noch durch die Art ihres Vortrages erwärmen, indessen fehlte es a ihr nicht an Beifall.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Grpedition (-choly. Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen (einschließlich Börsen · Beilage).

Berlin:

er

des 2. Bataillons 2. Garde⸗Regiments z. 5.

üsilier · Regiments

3. Garde Regiment z. 5.

genannten Komponisten fetter ad it.

i .

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

E885.

M 3X.

Berlin, Donnerstag, den 12. Fehruar

Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 12. Februar. Im weiteren Ver⸗ lauf der gestrigen (46 Sitzung des Reichstages wurde die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Zolltarifs vom 15. Juli 1879,

esetzt. hurt gn Abg. Bebel erklärte, keine der Erwartungen von 1879, es werde eine Erhöhung der Arbeitslöhne und Ver— mehrung des nationalen Einkommens eintreten, sei einge⸗ troffen. Fürst Bismarck habe damals auf die Prosperität des schußröllnerischen Frankreich, Oesterreich und Rußland hinge⸗ wiesen, aber auch diese Schutzzollländer befänden sich in einer bedeutenden Krisis, die sich über die gesammte Kulturwelt er⸗ streckke. Der Schutzzoll sei also kein Heilmittel gegen solche wirthschaftlichen Uebelstände, derselbe könne nur bedingungs⸗ weise und kurze Zeit helfen. Die geschützten In dustrien hätten unächst von dem Schutzzoll Vortheil, aber um so mehr werfe ich das Großkapital auf sie bis zur, Ueberproduktion, wie die Lage der Juteindustrie und der Bericht der Chemnitzer Handelskammer beweise. Außerdem hemme der Schutzzoll den Export, bringe dadurch die geschützten Industrien wieder in Foth, und man komme aus dem cirenlus vitiosus nicht her⸗ aus. Der Kleinbetrieb erliene dem großen, das kleine Kapital könne sich vor dem großen nicht halten. Die jetzige Vorlage der Dampfersubvention und Kolonialpolitik stehe mit der Schutzzollpolitik in schroffem Widerspruch: jene sollten neue Exportgebiete schaffen, aber mit dem Export wachse auch die Verpflichtung, andere Produkte mehr als bisher einzulassen, auch australisches Getreide, Fleisch und Wolle, welche die sub⸗ ventionirten Dampfer bringen würden, daher man auch in agrarischen Kreisen bereits damit umgehe, sich einen Zoll von 55 M per Doppelcentner der bisher zollfreien Wolle zu erbitten. Wozu denn da Dampferlinien subventioniren. Die Kosten dieses Kampfes zahle natürlich immer der Arbeiter und der kleine Mann. Besonders treffe den Arbeiter der Holzzoll hart: Tischlerei? und Baugewerbe, die Spielwaarenindustrie in Sachsen, die Schnitzerei und Holzschachtelindustrie in Thü⸗ ringen, die schon jetzt in Folge der steigenden Holzpreise mehr und mehr zurückgegangen seien, alles Erwerbszweige des kleinen Mannes. Dabei könnten die Forsten recht wohl auch ohne Zoll, durch intensivere Bewirthschaftung ertragreicher gemacht werden. Warum liefere denn z. B. die sächsische Forstwirth⸗ schaft ungleich höhere Einkünfte als die preußische? Es könnte ferner mehr Waldland in Ackerland verwandelt werden, welches viermal mehr Rente abwerfe; es könnte der große Wildstand, der Wald und Fluren schädige und auch erhebliche Bewachungskosten verurfache, vermindert werden. Nur die großen Waldbesitzer würden vom Holzzoll Vortheil haben; kein kleiner Waldbesitzer, keine forstbesitzende Kommune habe um den Holzzoll petitionirt. Noch viel mehr aber schä⸗ dige der höhere Kornzoll die kleinen Leute. Ein verschwin—⸗ dender Bruchtheil der Bevölkerung verkaufe Korn; die meisten kleinen Landbesitzer müßten vielmehr noch solches für ihren Bedarf einkaufen. Das ergebe die landwirthschaftliche Sta⸗ tistik. Im Reiche würden danach 8s 909 000 Familien direkten Schaden vom Kornzoll oder doch kein Interesse daran haben, während nur 658 000 Familien etwas durch den Zoll ge⸗ winnen würden. Also nur der größere Landbesitz habe vom Kornzoll Vortheil, und die ganz großen Grundbesitzer sogar einen kolossalen. Wie sei denn dieser große Grundbesitz ver⸗ theilt? Im Besitz von nur 17 fürstlichen und gräflichen Familien in Deufschland befänden sich nicht weniger als 404 Quadrat⸗ meilen Grund und Boden. Diese Familien würden jährlich Hunderttausende durch den Kornzoll gewinnen, ohne auch nur einen Pfennig mehr für Löhne 2c. auszugeben. Dieser ungeheure Gewinn werde zu neuen Kapitalbildungen und zur Vergröße— rung der Latifundien verwandt werden. Der Großgrundbesitz habe ja die natürliche Tendenz, den kleinen aufzukaufen. In Sachsen z. B. kauften die Grafen von Schoenburg in der Gegend, wo sie zu Hause seien, jedes kleine Gütchen auf, das nur irgendwie käuflich sei. Der Kornzoll sei zugleich eine Progressivsteuer auf die Armuth der arbeitenden Bevölkerung, ebenso wie der von Petroleum, von Fleisch und das Verbot des amerikanischen Schweinefleisches und Schmalzes. Keine Maßregel sei dem sozialen Frieden schädlicher und reize den Klassenhaß mehr auf, als gerade diese Vorlage. Wäre sie vor den Wahlen gekommen, dann würden sie ganz anders ausgefallen sein. Die Herren von der Rechten, soweit sie aus rein bäuerlichen Bezirken stammten, wären vielleicht wieder⸗ gewählt, sie hätten ja den Landarbeitern die schönsten Ge⸗— mälde vorgemalt, und die Masse, welche diese Dinge nicht be⸗ urtheilen könne, habe ihnen geglaubt. Aber wenn die Er⸗ füllung der schönen Versprechungen dauernd ausbleibe, so würden die Herren von der Rechten den Schaden schon spüren. Im Jahre 1879 habe der Abg. von Kleist-Retzow geschildert, wie durch die Getreidezölle eine Vermehrung der Arbeits—⸗ gelegenheit stattfinden und trotz der geringen Vertheuerung des Brotss der Brotkonsum steigen, die Wangen der arbei⸗ tenden Bevölkerung röther werden würden. Was sei aus dem schönen Gemälde geworden? Hätten sich in den Berliner Läden die Zahl der Käufer vermehrt, seien irgendwo die Wangen röther worden? Die Getreideeinfuhr aus den Hauptproduktions— ländern werde sich freilich nicht vermindern, im Gegentheil, in Folge der stets sich bessernden Transportmittel und der Aufschließung neuer weiterer Gebiete zunehmen. Die Rechte komme mit ihrer ganzen Rechnung in die Brüche. Je mehr dieselbe dem Arbeiker die nöthigsten Lebensmittel vertheuere und den Betrieb der Kleinindustrie und des kleinen Land⸗ manns durch den Großbetrieb aufsaugen lasse, um so dringen⸗ er würden in weiten Kreisen die Forderungen nach einer Umwandlung des gesammten ländlichen Betriebes werden.

Durch diese Zollpolitik wachse der Reichthum einiger großen

esitzer, alle Uebrigen würden verarmen. Wenn man aber erst einsehe, daß die Privatwirthschaft nicht mehr im Stande ei, die Bevölkerung des eigenen Landes zu ernähren, so werde man auch die Nothwendigkeit einer anderen Produktionsweise erkennen und nothwendig zum sozialistischen Betrieb der derbaugenossenschaft übergehen. Diese Vorlage fördere in Wahrheit nicht ben Vortheil der Rechten, sondern rege nur

den Haß der Massen fördere die sozialistischen Ideen. Denry George, welches guf Grund der Ent— wickelung der amerikanischen Grund⸗ und Bodenverhält⸗ nisse als ein Bedürfniß der ganzen Nation die Expropriirung des gesammten Grund und Bodens aus dem Privatbesitz und die Umwandlung in Nationalland fordere, habe in Amerika 30, in England 10 Auflagen erlebt. In dem Maße, wie die Agrarpolitik die Lebenslage der großen Massen verschlechtere, würden auch in Deutschland solche Kreise, welche bisher allem Sozialismus feindlich gewesen seien, für denselben gewonnen werden. Die Rechte sei also die beste Vorarbeiterin der Sozial⸗ demokratie und ihr eigener Todtengräber.

(Während dieser Rede war der Reichskanzler in den Saal getreten.) . Der Abg. Leemann führte aus, zu dem landwirthschaft⸗ lichen Theile der Vorlage, ihrem Kernpunkt, müßten gerade die süddeutschen Vertreter ihre Stellung kennzeichnen, weil dort der mittlere und kleine Bauernstand den weitaus größten Theil der Landwirthschaft treibenden Beyvöl— kerung ausmache, als dessen Anwälte die Gegner der Vor⸗ lage hier erschienen seien, welcher Anwaltschaft sich übrigens eben jene kleinen und mittleren Landwirthe mit allen Kräften erwehrten, wie ihre Petitionen und die letzte Wahlbewegung bewiesen hätten. Er hoffe daher, daß seine süddeutschen Kollegen ihre frühere ablehnende Haltung den Getreidezöllen gegenüber nicht beibehalten würden. Sie könnten das auch mit guter Ueberzeugung thun. Denn die Gründe gegen die Getreidezölle seien auch noch so sorgfältig erwogen, fast aus⸗ nahmslos theoretische Folgerungen, die mit den Erfahrungen des praktischen Lebens nicht im Einklang gestanden hätten. Es sei keine erfundene Theorie, daß das Ausland im Wesent— lichen die Zölle bezahlen müsse, sondern Thatsache. Der Abg. Holzmann, mit dem er leider auf diesem Gebiet nicht zu— sammengehen könne, habe gestern den werthvollen Satz ausge— sprochen, daß das Ausland den Zoll immer dann tragen werde, wenn das Angebot dort größer sei, als die Nachfrage hier. Das sei es ja eben, das Angebot sei heute schon größer als die Nachfrage und werde noch von Jahr zu Jahr größer, müsse sich also die Preisreduktion im Betrage des Zollsatzes gefallen lassen. Das Ausland vermindere deshalb nicht seine Getreideproduktion, denn die Verwendung des Grund und Bodens als Weideland würde noch weniger rentiren, und der dortige Getreidebau arbeite um mehr als 3 6 pro Doppel⸗ centner billiger als der deutsche. Das das Ausland den Zoll bezahle, beweise das Sinken der Preise seit Bestehen des Zolles, das um so erheblicher sei, wenn man bedenke, daß gleichzeitig der Geldwerth weiche, namentlich im Vergleich mit früheren Jahren, den gestern der Reichskanzler in vorzüglichster Weise ausgeführt habe. Dieses stetige Sinken der Preise erkläre sich ohne Zwang aus der wachsenden Produktion des Aus⸗ landes, nicht etwa aus einigen glücklichen Ernten. Denn seit der Zoll bestehe, habe Süddeutschland wenigstens nie mehr als eine Mittelernte gehabt, 1882 qualitativ sogar eine totale Mißernte, und doch sei der Preis des Getreides stets zurück— gegangen. Das sei ja eben die Hauptursache der Bedrängnisse der Landwirthschaft, daß überhaupt die Ernte in Deutschland nicht mehr den Preis bestimme, daß nicht mehr wie früher geringere Ernten sich durch höhere Preise ausgleichen ließen. Nun sage man wohl, daß ohne den Zoll das Getreide noch billiger gewesen sei. Das lasse sich behaupten aber nicht be⸗ gründen, und wer es glaube, der müsse erst recht von der Noth⸗ wendigkeit der Getreidezölle überzeugt sein; denn ein weiteres Zurückgehen der Getreidepreise könne nur die Nothwendigkeit herbeiführen, den Pflug auszuspannen und weite Gefilde des deutschen Vaterlandes dem natürlichen Graswuchs zu über— lafsen. Es würde Vieh zur Weide gehen, wo jetzt eine zahl⸗ reiche fleißige ackerbautreibende Bevölkerung lebe, der dann nichts übrig bleiben würde als auszuwandern und die Kon⸗ kurrenz des Auslandes zu verstärken; die eigenen Brüder in Deutschland würden in noch höherem Maße wirthschaftliche Feinde, als es die ausgewanderten schon jetzt seien. Und selbst aus einer geringen vorübergehenden Steigerung des Getreidepreises würde noch lange nicht folgen, daß mit ihr eine Vertheuerung des Brotes Hand in Hand gehen würde. Die Erfahrungen, die er (Redner) in Heilbronn, wo er wohne, gemacht habe, bewiesen ihm das Gegentheil, wie er ziffermäßig ausführen könne. Könne man da von einer progressiven Besteuerung der Arbeiterbevölkerung durch den Getreidezoll sprechen? Könne man da sagen, daß der Ge⸗ treidezoll ein Agitationsmittel sei und zu einer schweren so⸗ zialen Krisis führen könne? Wenn man freilich an die Spitze eines öffentlichen Aufrufs die Worte setze: „das Brot sei abermals von einer künstlichen Vertheuerung bedroht“, wenn man in öffentlichen Versammlungen in Berlin ausspreche, es handle sich um künstliche Herbeiführung einer Hungersnoth, dann werde die Vorlage schon als Agitationsmittel benutzt, um das Zustandekommen des Gesetzes durch ein solches Schreck= bild zu verhindern. Aber, frage man, wenn der Zoll nicht vertheuernd wirke, wie könne derselbe dann der Landwirth⸗ schaft nützen? Nun, das Mittel, die Schmerzen der Land⸗ wirthschaft auf einmal zu beseitigen, sei er nicht, dazu seien vor Allem größere Anstrengungen der Landwirthe selbst nothwen⸗ dig; eine Reform des Steuerwesens, speziell der Grundsteuer, des Kreditwesens, des Genossenschaftsgesetzes u. a. m. Zölle seien nur ein Glied in der Kette dieser Maßregeln, aber allerdings das dringendste und nothwendigste. Er hoffe von der Ein— führung des vermehrten Zolles, daß ein weiterer Preisrück⸗ gang des Getreides verhindert werde, was ihm angesichts der steigenden Produktion fremder Länder und der Vermehrung der Verkehrsmittel ganz unvermeidlich zu sein scheine. Er hoffe von dem Zoll eine Zügelung jener Spefulationen, welche große Mengen von Getreide auf den europäischen Markt wür⸗ sen, während das Getreide der deutschen Bauern auf dem Boden liegen bleibe, und kaum nach dem Werth desselben gefragt werde. Er hoffe, daß durch den Zoll eine grbßere Verkäufiichkeit des Getreides bewirkt, werde, eine vermehrte Einnahme für das Reich und in Folge dessen für das Volk eine Verminderung der Matrikularbeiträge. Wer an der Sorge der Feststellung des Budgets in den dl ?

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Staaten mitbetheiligt sei, wisse sehr wohl, wie schwer diese Matrikularbeiträge die südstaatlichen Budgets drückten. Die süddeutschen Bauern meinten, der Zoll würde schon genug Nutzen haben, wenn sie in Folge deffelben würden erreichen können, daß man überhaupt nach ihren Waaren frage. Die Ansicht eines Vorredners, daß nur einige Großgrundbesitzer von dem Zoll Vortheil haben würden, sei nicht stichhaltig. Die meisten der kleinen Leute, die der Vorredner erwähnt habe, hätten einen Nebenerwerb aus der Landwirthschaft, der ihnen aber entgehen würde, wenn die Landwirthschaft nicht prosperire. Nur 25 Proz. sämmtlicher Wirthschaften kätten über 190 ha, und bei diesen kämen wieder zum größten Theil die Pächter in Betracht. Andererseits verkauften auch schon die Wirthschaften von unter 2 ha ihr Getreide. Wenn man dies Maß festhalte, so würden in Württemberg allein 22 Proz. aller Wirthschaften Nutzen von den Zöllen haben. Auch die kleinsten Wirthschaften verkauften ihr Getreide und kauften dafür Brod. Die Meinungen der kleinen Wirthschasten seien in dieser Beziehug mehr werth; denn sie kämen mit der Landwirthschaft in viel nähere Berührung, als die großen. Daraus, daß Gewerbekammern ihr Votum für die Getreide⸗ zölle abgegeben hätten, gehe hervor, daß auch der Handel, das Handwerk und somit der Arbeiter Interesse an denselben habe. Wenn man von einer sozialen Gefahr spreche, so sei seiner Mei⸗ nung die größte soziale Gefahr der Ruin des Bauernstandes

Eine Enquete bezüglich der Zölle würde wenig Zweck haben, da die kleinen Landwirthe geradeso wie die kleinen Handwerker wenig Bücher führten. Um dem Landwirth zu helfen, habe man eine ganze Menge guter Rathschläge gemacht, diese würden aber bei der herrschenden Ueber⸗ produktion wenig helfen. Die deutsche Landwirthschaft stehe und falle mit dem Getreidebau. Alle Vorschläge bezüglich an⸗ derer Bodenverwerthung seien bedeutungslos. Wenn die Einnahmen von Jahr zu Jahr geringer würden, erlahme auch schließlich die zähe Kraft des Bauern. Vorbehaltlich einer genauen Prüfung der einzelnen Tarispositionen, welche Sache der Kommission sein würden, halte er auch die übrigen Zollerhöhungen für geboten. In Bezug auf die Getreidezölle halte er eine kommissarische Berathung nicht mehr für nöthig. Das Verlangen nach derselben sei ein so allgemeines, daß das Haus dasselbe im Plenum erfüllen könne. Er bitte, die Frage vom nationalen Standpunkte und auch von dem der Partei behandeln zu wollen.

Der Abg. Dirichlet bemerkte, der Vorredner habe der Ge⸗ wohnheit der agrarischen Freunde entsprechend damit begonnen, der dürren Theorie, die hier auf der linken Seite vertreten sein solle, sein sachmännisches Urtheil entgegenzusetzen. Er (Redner) sei diesen Ausführungen aufmerksam gefolgt, habe aber den Ausführungen auch nicht eine einzige praktische Maß⸗ regel entnehmen können, auch kein Beispiel, das aus der Praxis geschöpft sei, es müßten denn seine Ausführungen über die Brotpreise in Heilbronn sein, aus denen der Vorredner versucht habe, den Nachweis zu führen, daß die Höhe des Brotpreises durch die Getreidezölle nicht beeinflußt worden sei. Ihm liege eine ganze Reihe anderer statistischer Untersuchungen über den Brotpreis vor, aus denen hervorgehe, daß allerdings der Preis des Brots parallel gehe mit dem Getreidepreise, und auch aus den antlichen Berichten über Getreidepreise und Brotpreise ergebe sich zwischen beiden eine so lächerliche Parallelität wie wohl in keiner anderen Branche. Gerade dafür sei der Preis des Rohmaterials bei dem Brote von großer Bedeutung, die Ver⸗ edelungskosten seien dagegen nur gering. Die Zahlen, die der Vorredner angeführt habe, hätten ihm (Redner) Be⸗ denken erregt, weil der Vorredner, der Mann der Praxis, hervorgehoben habe, daß die Getreidepreise konstant herunter⸗ gegangen seien. Er wisse nicht, woher der Abg. Leemann diese Angaben geschöpft habe, vielleicht habe derselbe sie aus dem entnommen, was derselbe selbst jahrlich für Hühner⸗ futter zu verausgaben gehabt habe. In Lindau habe der Preis für Roggen im Jahre 1879 165 6, 1880 211 , 1881 219 MS, 1882 192 S6, 1883 180 6 betragen. Der Preis sei also immer noch um 15 S höher als im Jahre 1879 gewesen und das nenne der Abg. Leemann ein kon⸗ stantes Herabgehen der Getreidepreise. Ein ähnliches Kunststück in Bezug auf die Behauptung, daß die Getreidepreise dauernd heruntergegangen seien, sei auch in den Motiven gemacht. Dort sei zuerst mit einer fünfjährigen Zeit gerechnet, dann folge eine zehnjährige Periode, dann sei ein Jahr, das Jahr 1871, über⸗ haupt ins Wasser gefallen, und im Jahre 1872 fange man mit sechsjährigen Perioden an. Es gehe über sein schwaches statistisches Verständniß, wenn hieraus ein Schluß auf die Wirkung der Getreidepreise gezogen werde. Wie erkläre sich nun diese Thatsache? Weil immer mehr Gewicht auf die individuelle Erfahrung gelegt werde. Dieser Individualismus, welcher darin bestehe, daß Jeder seine eigenen Verhältnisse und allenfalls noch die seiner nächsten Nachbarn als maß⸗ gebend hinstelle, habe auch solche Herren verführt, die 1879 noch auf einem anderen Standpunkte gestanden hätten. Der Abg. von Maltzahn gebe zu, eine sehr gute Ernte gemacht zu haben, aber derselbe habe trotzdem Grund zu klagen, folglich müsse die Londwirthschaft nothleidend sein. Er könne das noch verstärken, wenn er diesem individualistischen Zuge folgen wollte. Er, Redner, habe eine schlechte Ernte gehabt, aber er sei trotzdem weit ent⸗ fernt davon zu behaupten, daß es darum der Landwirthschaft dauernd schlecht gehen werde. Er leugne nicht, daß man augenblicklich sehr niedrige Weizenpreise habe. Aber damit sei auch Alles abgethan. Im Uebrigen halte er es für die Pflicht jedes Abgeordneten, sich solchen individuellen Eindrücken zu entziehen. Das möchte wohl nicht vollkommen gelingen, aber seit 1879 wolle man das überhaupt nicht mehr. Wenn man die feststehenden Zahlen ins Auge fasse, so ergebe sich, daß von einer dauernden Nothlage der Mehrzahl der deutschen Landleute nicht gesprochen werden könne. Er habe ic ab⸗ weichend von den Motiven eine Zusammenstellung der Preise für die Jahre 1881, 1882 und 1883 und für die 4 Jahre bis zum Eintritt des Zolltarifs gemacht. Da ergebe sich, daß der Durchschnittapreis für Getreide Gerste ausgenommen, für die er die Ziffern nicht habe erhalten