teln, welche aus dem Jahre 1882 übernommen waren, während die Futterernte des Jahres 1883 selbst sehr gering war.
Bei so ungünstigen Ernteerträgen war es um so empfindlicher, daß die Getreidepreise im Laufe des ganzen Jahres durchaus gering blieben und keine Ausgleichung boten; sie stellten sich erheblich niedriger als im Jahre 1881, und bis auf die letzten Monate selbst roch niedriger als im Jabre 1882 Besser und günstiger als im Jahre 1881 gestaltete sich das Gesammtergebniß der Viebwirthschaft; die Viebpreise waren im Allgemeinen befriedigend, wenngleich für Mastvieh und für alle Produkte der Schweinejucht gegen Ende des Jahres eine beträchtliche Preisminderung eintrat Die Produkte der Milchwirthschaft fanden gute Verwerthung. Wenn aber in dem übrigens so ungünstigen Jahre 1881 die e sheristi der wichtigsten landwirthschaftlichen Nebengewerbe hervorgehoben werden konnte, so stand auf diesem Gebiete das Jahr 1883 leider erheblich nach. Die Spiritus⸗ und Stärkeindustrien litten unter der mangelhaften Kar⸗ toffelernte des Jahres 1882, sehr geringen Preisen und ungünstigen Absatzverhältnissen, während die Rübenzuckerindustrie zwar für die Campagne 1882/83 sehr günstig abschloß. mit der neuen Campagne aber durch übermäßiges Angebet und dadurch bedingte niedrige Preise in eine bedrohliche Lage kam.
Im Rückblick auf das Jahr 1883 bieten sich für die preußische Landwirthschast wenig Lichtpunkte, weniger als in einem der Vor⸗ jahre, aber überall war die alte Energie erkennbar, welche der Un ⸗= gunst der Verhältnisse das Möglichste abzuringen sucht und durch alle Zweige der Landwirthschaft ging ein frischer rüstiger Fortschritt.
Was die Ernte des Jahres 1883 spejtell anbetrifft, so zeigte es denselben ungünstigen Charakter wie die vorigen Jahre. Auf einen ungewöhnlich milden Winter folgte ein lange anhaltender harter Nach ⸗ winter, welcher die Frühjabrsbestellung der Felder in unliebsamer Weise verzögerte In der Hauptvegetationsperiode unserer Feldfrüchte, im Früblinge, fehlte es durchweg an auskeichenden Niederschlägen, in manchen Gegenden herrschte vollständige Dürre und in den Ernte⸗ monaten Juli und August trat fast überall ein andauerndes Regen⸗ wetter ein, unter dessen Einfluß die Einbringung der Ernte erschwert und deren Qualität in nachtheiligster Weise beeinträchtigt wurde. Zahlreiche Flußthäler wurden ron Üeberschwemmungen betroffen und zum Theil sehr erheblich beschädigt. Von dieser Ungunst der Witte⸗ rung wurden fast alle Landestheile heimgesucht, am stärksten die öst⸗ lichen Provinzen, und am wenigsten die Provinzen Hannover und Schleswig ⸗Holstein.
Das Gesammtergebniß der Ernte war in Quantität und Qua- lität unbefriedigend und blieb fast noch hinter demjenigen des Jahres 1881 zurück. Von den Hauptfrüchten gaben nur die Kartoffeln eine befriedigente Ernte, während Hafer und Gerste besonders gering aus⸗ sielen. Es wurden im Jahre 1883 geerntet: Roggen Winter⸗ roggen 388 399 033 Doppelcentner Körner (71 165 572 Doppelcenter Stroh). Sommerroggen 587 140 Doppelcentner Körner (1135 809 Doppelcentner Stroh), durchschnittlich pro Hektar Winterroggen S909 kg Körner (1649 kg Strob), Sommerroggen 512 kg Körner (978 kg Stroh); Hafer: 21 254 352 Doppelcentner Körner (29 204642 Doppelcentner Stroh) durchschnittlich pro Hektar 65 kg Körner (1187 kg Stroh); Kartoffeln: 142 8632 0s Doppelcentner; Weizen: Winterweizen 11 623 097 Doppelcentner Körner (18974 581 Doppel⸗ centner Stroh), Sommerweizen 954 074 Doppelcentner Körner (1 420 185 Doppelcentner Stroh), durchschnittlich pro Hektar 1147 kg Körner (1873 kg Stroh); Ger ste: Wintergerste 451 108 Doppel- centner Körner (463 968 Doppelcentner Stroh), Sommergerste 8 649 251 Doppelcentner Körner (11714 881 Doppelcentner Stroh), durchschnittlich pro Heltar Wintergerste 1450 kg Körner (1491 kg Stroh), Sommergerste 1063 kg Körner (1289 kg Stroh).
Die Durchschnittspreise im Jahre 1883 betrugen für 1000 kg: für Welzen 185 6, für Roggen 147 M, für Gerste 146 „S½, für Pafer 137 6. Der Zuschuß der Einfuhr, abzüglich der Ausfuhr, betrug im Jahre 18835: Weizen 5611 526 Deppelcentner, Roggen 7649118 Doppelcentner, Gerste 2386 831 Doppelcentner, Hafer 21825537 Doppelcentner.
Die Thierzucht anlangend, so lieferte, wie der Bericht ausführt, das Jahr 1883 im Gegensatz zu dem Vorjahre eine spärliche Futter ernte. Der erste Klee⸗ und Heuschnitt ö. hinter den durchschnitt⸗ lichen Erträgen zurück Der zweite Schnitt wurde durch die an⸗— dauernde Regenzeit vielfach verdorben, und das Stroh hatte aus der⸗ selben Ursache an Futterwerth, verloren. Auch die Futterrübenernte befriedigte nicht, und die Weiden gewährten in den meisten Landes- theilen eine unzureichende Ernährung. Glücklicherweise hatte jedoch das Jahr 1883 aus dem Vorjahre beträchtliche Vorräthe an Futtermitteln übernommen, und im Spätherbste konnte die ausgiebige Kartoffelernte aushelfen. Die vermehrte Sorgfalt, welche auf die Züchtung und Haltung der landwirtschaftlich nutzbaren Thierstämme verwendet wurde, war auch im Jahre 1883 überall erkennbar. Namentlich ist die Ernährung der Nutz und Gespannthiere eine kräftigere und reichlichere geworden und auch die kleinen Besitzer verwendeten darauf eine größere Umsicht. Aus allen Landestheilen wurde eine bedeutende Zunahme in der Vrwendung von Kraftfuttermitteln gemeldet. Anderer- seits hatte natürlich der ungewöhnlich nasse Sommer des Jahres 1883 einen ungünstlgen Einfluß auf die Viehhaltung. Die Thiere litten körper⸗ lich unter dem Einfluß des unaufhörlichen Regens und der kalten Witterung, die Widen in den Niederungen wurden vielfach durchgetreren und trotz der besseren Witterung im Herbste komen die Heerden xielfach in keinem günstigen Futterzustande auf den Stall zurück. Die Preise hielten sich bis zum Sommer hoch. Im Herbst wurde alles Mastvieh von einer Preisminderung betroffen; die Preise für magere und fette Schweine sanken rapide. Der Gesundheits« zustand der Nutzthiere war im Allgemeinen nicht ganz so befriedigend, als in den Vorjahren; aus vielen Landestheilen wurde eine ungewöhn⸗ liche Verbreitung des Rothlaufs unter den Schweinen gemeldet.
Gewerbe und Handel.
Am Abend des 21. Januar d. J. ist zu 1a Gloire Dieu, Arrondissement Bar sur Seine, Departement Aube, in Frankreich, ein dreifacher Mord verübt, und sind von den Verbrechern eine Anzahl Werthpapiere, welche einem der Ermordeten, Namens Delahache, ge—⸗ hörten, geraubt worden. Die gestohlenen Papiere bestanden aus vier englischen Konsols über je tausend Pfund Sterling mit folgenden Nummern: E 20671, E 21 889, E 21 890, E 21 891, und aus elf russischen Rententiteln der Anleihe von 1870, welche nach dem gegenwärtigen Kurse einen Kapitalwerth von zusammen 42 500 Fr. haben. 2142 Fr. Rente ergeben und folgende Nummern tragen:
Nr. 77510, 80 434, 95 44, 9g6 102, 96 108 und 105 105 über je 63 Fr. Rente,
Nr. 4772, 29 236, 43 025 und 73 605 über je 126 Fr. Rente und
Nr. 631 über 1260 Fr. Rente.
Für den Fall, daß diese Papiere in Deutschland in den Verkehr gebracht werden sollten, empfiehlt es sich, der nächsten Polizeibehörde Mittheilung zu machen.
Nürnberg. 14. Februar. (Hopfenmarkthericht von Leopold Held.) In den letzten drei Tagen dieser Woche wurden bei einer Zufuhr von cg. 500 Ballen gegen 800 Säcke zu gedrückten Prei sen verkauft. Eigner sind sehr nachgiebig und fügen fich willig den Angeboten der Käufer. Ganz schöne Hopfen werden schon Mitte der siebzig abgegeben, wirkliche Ausstichwaare kostet dagegen wegen ibrer Seltenheit immer noch 95 —= 100 66 Der Export kaufte in letzter Zeit größere Posten, meistens Markthopfen, zu 50 —– 57 4
palter, gute Qualität sind in den letzten Tagen gefragt gewesen; für schwere Lagen wurde bis 165 M, für Stadt gesfern 186 M be⸗ zahlt. Leichte Lagen werden billig ausgeboten. Die Stimmung ist trotz der sehr beträchtlichen Verkaufsziffern in Folge des großen Lager⸗
bestandes fortgesetzt matt.
EGssen, 16. Februar. (W. T. B.) Rheinisch-⸗west⸗ fälischer Met allmarkt. Eisenerze sind um 10— 0 3 per Tonne gesunken. Spiegeleisen ist 1 vom Auslande gefragt, Dreise verhältnißmäßtg fest. Puddeleisen ist wenig gefragt. Stab⸗ eisen ohne Aenderung. Grobbleche noch immer gedruckt. Feinbleche
etwas lebhafter gefragt, Preise trotzdem noch weichend. Waljdraht
wenig gefragt. Waaggonfabriken haben durch die letzten Submissionen wieder einige Beschäftigung.
Dresden, 15 Februar. (W. T. B.) Der Verwaltungs rath der Sächlischen Bank —— in seiner heutigen Sitzung. der auf den 23. März einzuberufenden Generalversammlung für 1884 eine
Dividende von 58 o/ vorzuschlagen. geen ( Die gestern beendete
London, 14. Februar. W. T. B.) Wollauktion schloß zu Eröffnungspreisen.
Glasgow, 14 Februar. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 583 500 Tong, gegen 592 700 Tons im vorigen Jahre. 2 der im Betrieb befindlichen Hochöfen 92, gegen 90 im vorigen Jahre.
New⸗Jork, 14. Februar. (W. T. B.) Der Werth der Waarenein fuhr in der vergangenen Woche betrug 6 344 000 Dol lars, davon 2187 009 Dollars für Neuheiten und Leinenwaaren.
Verkehrs⸗Anstalten.
Die Handelskammer zu Frankfurt a. M. hatte an den Minister der öffentlichen Arbeiten eine ausführliche Den kschrift, be⸗ züglich der Verhandlungen zwischen den preußischen Staatsbahnen mit der hessischen Ludwigsbahn gerichtet, in welcher sie verschiedene Anträge und Bitten in Bezug auf Verkebrserleichterungen vortrug. Auf diese Eingabe hat die Handelskammer folgende Ver⸗ fügung erhalten:
Berlin, den 4. Februar 1885. Der von der Handelskammer in der Denkschrift vom 4. Dezember v. J. gestellte Antrag, es möge diesseits auch weiterhin dafür gewirkt werden, daß die Gewährung geheimer Frachtrabatte in den inneren und auswärtigen Verkehren gänzlich aufhöre, steht in so rölligem Einklange mit den Grund sätzen der preußischen Staatseisenbahnverwaltung, daß es der Zusicherung, es werde hiernach auch in Zukunft verfahren werden, nicht bedürfen wird. Nicht minder wolle die Handelskammer ver⸗ trauen, daß den Interessen des Frankfurter Handels diesseits auch ferner jede thunliche Förderung werde zugewandt werden; insbesondere bildet die vermehrte Berücksichtigung der Frankfurter Interessen einen wesentlichen Gegenstand der gegenwärtig schwebenden Ver⸗ handlungen mit der Verwaltung der Hessischen Ludwigsbahn, wobei die Staaisbahnverwaltung gern darauf Bedacht nehmen wird, jede Schädigung, welche aus einer Aufbebung oder Erhöhung direkter Frachtsätze entstehen könnte, so viel an ihr liegt, von dem Frank— furter Handel fernzuhalten. Ob es angezeigt sein wird, der ge nannten Privatbahn die Einrichtung einer Vertretung ihrer Ver⸗ waltung in Frankfurt, wie diese dortseits bezeichnet ist, aufzugeben, unterliegt noch der Erwägung.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten. Maybach.
Bremen, 14. Februar (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Ems! ist heute früh in Nem⸗Jork ein⸗
getroffen.
— 16. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer des Nord⸗ deutschen Lloyd „Salier ist gestern Vormittag 9 Uhr in New York angekommen.
Hamburg, 14. Februar. (W. T. B.) Der Postdampfer Rhenania“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute in St. Thomas eingetroffen.
— 15. Februar. (W. T. B.) Der Postdampfer Thuringia“ der pen,, na,, e, fn mn nn fat. schaft hat, von Westindien kommend, heute Lizard passirt.
Sanitätswesen und Quarantänewesen.
Griechenland.
Laut telegraphischer Meldung aus Athen werden nunmehr auch die Provenienzen aus Italien, Frankreich und Algerien zum freien Verkehr wieder zugelassen. Somit sind sämmtliche für Griechenland an Zeit ergangenen Quarantänemaßregeln außer Kraft gesetzt worden.
Berlin, 16. Februar 1885.
Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 11. Februar 1885. Hr. Steffens vom Kaiserlichen Statiftischen Amt hatte dem Verein zwei Silbermünzen übersandt, welche zu einem größeren bei Schollehne in der Nähe von Rathenow ausgegrabenen Funde gehören; dieselben wurden von dem Schul- vorsteher Budczies entziffert und als Denare erkannt, der eine von Otto dem Bayern, der andere von einem luxemburgischen Markgrafen geprägt. — Graf zur Lippe machte auf die seltene Korrektheit auf⸗ merksam, mit welcher die von Friedrich Wilhelm IV. veranlaßte Aus— gabe der Qenvres des großen Königs gedruckt ist; der Sorgfalt des Herausgebers Preuß und des Hofbuchdruckers R. v. Decker, der selbst die Korrektur gelesen, verdankt man es, daß in den sämmt— lichen Bänden bisher nur zwei Druckfehler gefunden worden sind. — Hr. Dr. Krauske verfolgte die Anfänge diplomatischer Vertretung des brandenburgisch⸗preußischen Staates bei auswärtigen Mächten. Wäh⸗ rend regelmäßige Gesandtschaften der italienischen Regierungen schon im 15. Jahrhundert nachweisbar sind, hatte man bisher angenommen, daß Brandeaburg seine Geschäfte im Auslande his tief in das 17 Jahrhundert nur durch gelegentlich Beauftragte habe wahrnehmen lassen. Im Gegensatze dazu bewies der Vortragende aus den Akten des Geheimen Staatzarchivs, daß Brandenburg⸗-Preußen eine ständige Vertretung durch Ambassadeurs oder Residenten gehabt hat in Warschau seit 1594 in Wien seit 1609, bei den Generalstaaten seit 1618, in Schweden seit 1631, in Frankreich seit 1646, in Danzig seit dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts, in Brüssel seit 1634, in der Türkei seit 1761, in Madrid seit 1774, in Turin seit 1778, mit einigen Unterbrechun⸗ gen in England seit 1625 und in Rußland seit 1857. Aus den ge . naueren Nachweisungen geht hervor, daß der große Kurfürst in der Regel Residenten und nur ausnahmweise Ambassadeurs an den frem⸗ den Höfen beglaubigte und daß er diese Stellungen auffallend vielen Bürgerlichen anvertraute. — Professor Schottmüller fügte diesem Vortrage eine Reihe von Mittheilungen aus den Flägschriften des 17. Jahrhunderts hinzu. — Major Schnackenburg las ein als Flug—⸗ blatt gedrucktes Gedicht vor, in welchem ein Lieutenant von S. des Dragoner⸗Regiments von Normann Friedrich den Großen um Ersatz seiner Egquipirung bittet, die er, bei Lowositz verwundet und gefangen, eingebüßt hat. — Profeßsor Koser nahm daraus Veranlassung, auf die wirthschaftlichen Verhältnisse der preußischen Offiziere während der drei schlesischen Kriege näher einzugehen.
Der Verein zur Förderung der Moorkultur im Deu tschen Reiche trat heute hierselbst im großen Saale des Hotel de Rome unter Vorsitz des Rittergutsbesitzers Pogge⸗Blankenhof zur diesjährigen Generalversammlung zusammen. Dem vom Geschäfts— führer, Dozenten Dr. Grahl vorgelegten Jahresbericht war zu ent— nehmen, daß der Verein, getragen von der eifrigen Thätigkeit sowie dem steigenden Interesse der Mitglieder und gehoben durch das Wohlwollen und die werkthätige Antheilnahme der Be—⸗— hörden, auch im abgelaufenen zweiten Jahre des Bestehens im Innern und nach Außen hin erfreuliche Fortschritte gemacht hat. Der Verein konstituirte sich am 17. Februar 1883 mit 82 Mit gliedern, zählte am Schluß desselben Jahres 150, am Schluß von 1884 352 Mitglieder und umfaßt deren heute 351. Davon gehören an: der Provinz Brandenburg 115, Ostpreußen 53, Povommern 45, Sachsen 35. Posen 22, Mecklenburg 19, Hannover 19. Aus dem Aus— lande sind 3 Mitglieder dem Verein beigetreten. Demselben gehören ferner als Mitglieder an: sechs preußische Regierungen, ebenfobiel preußische Provinzialverbände, das badische Ministerium des Innern, die. Königliche Centralstelle für Württemberg, das Mecklenburgische Ministerium des Innern und das Kreis⸗Comits des landwirthschaft⸗ lichen Vereing für Cberbayern. In Bezug auf die Ursachen, welche zur weiteren Verbreitung des Vereins und seiner Thätigkeit wirkten,
ist zunächst der regen und fördernden Thätigkeit der Moor-
station zu gedenken; wesentlich agitatorisch trugen auch enn. führten Kulturarbesten und deren günstige Refultate 3 Die mit der vorigen Generalversammlung verbundene Aut. stellung von Feldeisenbahnen bat. entschieden vielseitig gute Foj gebabt, nicht nur durch eine weitere Verbreitung diefes wig n den Hülfsmittels der landwirthschaftlichen Produktion, sondern ine be s ene. auch dadurch, daß die Fabrikanten die Anregung zu Verbesserun erbielten. Der Sommer führte den Verein in Ostpreußen zusammen. 9 hier gebotene persöͤnliche Einsicht in die Erfolge führte der Moorkulsut besondert viele neue Freunde zu. Der gemeinsame Bezug von Kainit hat be⸗ deutende Dimensionen angenommen. Der große Absatz hat die Kaini
zu einer im Interesse der gesammten Landwirthschaft erwüänschten Cä= mäßigung des Preises veranlaßt, — Der vom Dr. von Canstein vor gelegte Kassenbericht wies, einschließlich 1099 6 Bestand, 4831.70 4 Einnahme und 383242 „ Ausgabe auf. 2628 M kostete allein daz Vereinsblatt. Der Bestand hat sich in Folge dessen auf 999 M reduzirt. — Die sonstigen Punkte der Tagegordnung betrafen die Berathung über eine für das Jahr 1886 geplante Moorkultur. Ausstellung un Vorträge über Hopfenanlage und Kultur mit besonderer Berũch· sichtigung des Moorbodens sowie über Anlage und Unterhaltung von Wiesen auf Moorboden. Von Seiten des preußischen Ministerium⸗ für Landwirthschaft war der Geheime Rath Thiel, von Seiten der mechlenburgischen Regierung der Geheime Rath Dr. Schmidt zur Theilnahme an den Verhandlungen deputirt worden.
Der Verein Frauenheiwm“, dessen Zweck es ist, alleinstehe Frauen eine ihrer gesellschaftlichen Stellung entsprechende . mit allen zur Wahrung der Sittlichkeit und des häuslichen Behageng wünschenswerthen Einrichtungen mietbweise zu gewähren, hielt am gestrigen Sonntag unter Vorsitz des Justiz⸗Raths Frentzel seine 10. Jahres versammlung ab. Dem hier erstatteten Bericht nach war das verflossene Jahr für den Verein ein solches friedlichen und rubigen Weiterbestehens. Die Zabl der Mitglieder hat eine wesentliche Aenderung nicht erfahren: es standen dem Verein im letzten Jahre 115 Mitglieder, darunter 42 ständige, zur Seite; die Beiträge derselben beliefen sich auf lo25 6 Daß in Groß. Lichterfelde, in der Lankwitzstraße belegene Anstaltsgebäude, welches 14 Wohnungen enthalt. war daz ganje Jahr hindurch voll besetzt und brachte 1458,50 4 Miethsertrãgniß. Zur gemeinsamen Benutzung der in der Anstalt wohnenden Damen stehen ein Speisesaal, die mit Zeltschriften aller Art ausgestattete Bibliothek und ein mit Lauben verfehener Garten. Die Gesammi— organisation des Hauses hat sich auch im verflossenen Jahre gut be⸗ währt. Die Einnahme des Vereins belief sich insgesammt, einschließ—⸗ lich 4456 M6 Saldovortrag und 1000 S eingezahlter Leibrente, auf S182 , die Ausgabe auf 2948 M, so daß ein Bestand von h2354 M verblieb. Das Vermögen des Vereins hat eine Höhe von 20 516
New--Hork, 15. Februar. (W. T. B) Durch eine Schnee⸗ lawine sollen drei Viertel der Stadt Utah zerstört worden und 16 Personen ums Leben gekommen sein.
Im Königlichen Opernhause wurde am Sonnabend „Die Fpochzeit des Figaro“ mit Neubesetzung der Rollen der „Su sonne! und des Cherubin' in mustergültiger Weise aufgeführt. Die liehens würdige Musik zum „Figaro“ bewährt stets von Neuem ihre zau⸗ berische Kraft über die Seelen und jenen Reiz der Frische und Ursprüng⸗ lichkeit, der nur jüngeren Werken eigen zu sein pflegt. Die Hörer stan= den wieder sichtlich unter dem Banne der gefühlt warmen und herzbewegenden Melodien. Fast jede größere Num ⸗ mer brachte den wirkenden Künstlern warmen und wiederholten Beifall., Die Partie der „ Susanne“, welche durch Frl. Lessinger neu kreirt wurde, reihte sich würdig den Leistungen der altbewährten Darsteller an. Wenn die Lebhaftigkeit und Schalkhaftigkeit der Susanne vorgestern oft nur äußerlich zu Tage trat, so wird die talentvolle Künftlerin unfehlbar bei mehrfachen Wiederholungen Väter die frische Laune und den Uebermuth vollständig und als ein Stück des eigenen Wesens zum Ausdruck bringen. Der Vortrag war gefällig und korrekt und, abgesehen von einer zuweilen hervortretenden Schärfe der Stimme beim Hervorbringen kräftiger hoher Töne, von sympathischem, vollen Klang. Das Briefduett, (mit Fr. Sachfe⸗ Hofmeister) war von durchschlagender Wirkung und mußte wiederholt werden; ebenso zündend wirkte die Arie im letzten Akt: O saͤume länger nicht, geliebte Seele!! Als „Cherubin“ trat Frl. Hofmann zum ersten Male auf; sie führte statt der noch mangelnden Noutine des Spiels ihre jugendliche Frische und ihre weiche volle Stimme ins Feld, sodaß eine anmuthige Wirkung nicht ausblieb. Bei größerer geistiger Durchdringung, des Tores und Beseelung des Vor—⸗ trags hätte die Leistung allerdings kräftigere Anregungen bieten können. Daß Fr. Sachse⸗Hofmeister eine klassische „Gräfin war, braucht bei der allgemeinen Anerkennung ihres hohen Talents nicht besonders hervorgehoben werden. Ebenso rühmlich bekannt sind die vorzüglichen deistungen der Hrn. Betz (Graf) und Krolop (Figaro). Auch Hr. Liban erntete in der Rolle des, Basilio“ durch den lebendigen Vortrag der Arie: „In den Jahren, wo die Stimme der Vernunft vergebens spricht' reichen Beifall; diesem Künstler kommt bei seiner hellen und klaren Stimme die sehr deutliche Aussprache und das ge— wandte Spiel so zu Statten, daß er die angestrebte Wirkung nicht leicht verfehlen wird.
Die Parade ⸗Gala⸗Vorstellung, welche am Sonnabend zum Benefiz für die Familie Hager im Ciręus Renz statigefunden hat, nahm einen glänzenden, erfolgreichen Verlauf und trug dem be⸗ rühmten Schulreiter und seinem, ihres Erzeugers würdigen, für den edlen Reitsport nicht minder begabten Nachwuchs vielen und reichlich verdienten Beifall ein. Hr. Hager, Vater, exeellirte namentlich mit der erst maligen Vorführung eines praͤchtigen ostpreußischen Fuchshengstes, der den für die Schwierigkeit seiner Schulung bezeichnenden Namen „Galgen⸗ strick! erhalten hat Der Benefiziat ritt das schöne Thier mit der gewohnten Elegarz in allen Gangarten der hohen Schule und fand bei allen Kennern der Pferdedressur die höchste Bewunderung und lauteste Anerkennung. Auch die von ihm mit den Schulpferden Ingomar? und Johanniter, zwei prachtvollen Rappen, erittene Fahrschule brachte ihm vielen Applaus ein. Hr.
tto Hager, Sohn, debütirte sehr glücklich mit der Vorführung eines von ihm dressirten, neuen edlen arabischen Schimmelhengstes ‚De⸗ metrius“, während die anmuthige Tochter des Benefiziaten, Frl. Clotilde Hager, hintereinander zwei, ebenfalls neue Pferde in die Arena brachte, nämlich die Vollblutfuchshengfte Beautiful! und „Blauer Ritter“. Die kleine zierliche Dame entwickelte wieder, trotz ihrer zarten Jugend, so viel Kraft, Eleganz und Grazie, na— mentlich bei den Langaden und später auf dem Vollblut⸗Springpferde Cobham“ im Nehmen der höchsten Hindernisse und eines weiten künstlichen Grabens, daß man der jetzt schon allgemein be— liebten Schulreiterin noch eine glänzende Zukunft prophezeihen darf. Alle drei Glieder der Familie wurden mit Kranz⸗ und Blumen spenden xeichlich belohnt, öfter hervorgeklatscht und von dem gedrängt vollen Hause mit Beifall überschüttet. — Auch im ÜUebrigen war daß Programm ein sehr mannigfaltiges und unterhaltendes. Wir nennen nur die glänzende, von 16 Damen gerittene Quadrille am Anfang, die Produktionen der Damen Loyal und Re⸗ gina, des Hrn. Wells, der musikalischen Clowns, Gebrüder Dianta. der anmuthigen Miß Mazella mit ihren Tauben und endli die unverwüstliche Pantomime „Die luftigen Heidelberger“, welche noch allabendlich die größte Heiterkeit erregt.
Redacteur: Riedel. Berlin:
Berlag der Crpedition Scholl Druck;: W. Cls ner. Sechs Beilagen
(einschließlich Börsen · Beilage). (2259)
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Montag, den 16. Februar
E885.
M 40.
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 16. Februar. In der vor⸗ eßrigen (49.) Sitzung des Reichstages begann das Sinn die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ibänderung des Zolltarifgesetzes vom 15. Juli 1879, und zwar mit §. 2 Nr. 5 der Vorlage (Kornzölle).
Der Abg. Richter (Hagen) beantragte, zunächst über die Punkte à und b (Weizen und Roggen) die Diskussion zu er⸗ öffnen, die in den eingegangenen Anträgen enthaltenen Be⸗ nerlungen aber gesondert zu diskutiren.
Das Haus schloß sich diesem Antrage an.
Weizen und Roggen, Zoll bisher 116 pro Doppelcentner, nach der Vorlage für Weizen 3 e, für Roggen 2 AE, nach den Anträgen der freien wirthschaftlichen Vereinigung, von Pr. Frhr. von Schorlemer⸗Alst und Genossen für beide Ge⸗
idesorten 3 6 n g. Abg. Dr. Delbrück beantragte, im Fall der Ablehnung des Roggenzolles von 3 6 eine Erhöhung des Weizenzolles
(b.
ö sind zwei Anmerkungen zu Nr. 9 xresp. 5b der Rr. 5 eingegangen, über die selbständig nach der Beschluß⸗ sassung über die Getreidezölle verhandelt werden soll: 1) von hem Abg. Broemel; bei 5b (Roggen, Hafer c) einzufügen:
Anmerkung: Die Erhöhung des Roggenzolls tritt nach Ablauf des deutsch spanischen Handelsvertrages vom 9. August 1883 in
raft. . = I) von dem Abg. Racke: der Nr. 9 folgende Anmerkung hinzuzufügen: . ;
Der Bundesrath ist befugt, die sub a —f (alle Getreidesorten, Raps und Rübsaat, Mais und Malz umfassend) aufgeführten Zoll satze im Falle einer Theuerung entsprechend zu ermäßigen, eventuell vollständig außer Kraft zu setzen.
Der Abg. Broemel berichtete über die betr. Petitionen. Der Petitionskommission sei es nicht möglich gewesen, die große Zahl von Eingaben für Erhöhung des Getreidezolls, die ihr gleich nach Eröffnung der Session zugegangen seien, nach den einzelnen Wünschen der Petenten zu scheiden. Während sie mit ihrer Prüfung beschäftigt gewesen sei, sei der vor⸗ liegende Gesetzentwurf an das Haus gekommen, und die Kom⸗ mission habe deshalb am 4. d. M. beschlossen, die Berathung über alle auf den Zolltarif bezüglichen Petitionen auszusetzen, his das Haus selbst entschieden habe, ob die weitere Berathung über die einzelnen Positionen der Vorlage im Plenum oder in einer Spezialkommission zu erfolgen habe. Inzwischen habe die erste Berathung im Plenum stattgefunden, die Hetreidezölle seien nicht an eine Kommission ver⸗ wiesen, und gestern ihre zweite Berathung auf die heutige Tagesordnung gesetzt. Die Petitionskommission sei in Folge dessen heute früh zusammengetreten und habe ihn beauftragt, sich mit einem kurzen Berichte über die bis gestern einge⸗ gangenen Petitionen für und gegen die Erhöhung der Getreide⸗ zölle zu äußern, der nur den Werth einer Skizze und eines Vorläufers für einen späteren umfassenden Bericht haben solle. Die Vorschläge der Petenten betreffs des Weizens erstreckten sich auf 3, 4, 5, 6 6, ein einzelner Vorschlag aus mehreren Ditschaften gehe auf 12 6 Die Vorschläge betreffs des Roggens lauteten auf 3 und 4 (6, die für Rübsaat auf 3, 4, 5 6, für Malz auf 4, 5, 6 S6 Daneben würden noch weitere Wuͤnsche laut in Bezug auf Produkte des Landbaues wie der Viehzucht, darunter auch auf Er⸗ zeugnisse, welche im Inland überhaupt nicht produzirt würden, wie Baumwolle und Jute. Im Ganzen seien bis gestern für Erhöhung der Getreidezölle 637 Petitionen eingegangen, davon 371 aus landwirthschaftlichen Kreisen, 286 von Gemeinde⸗ ausschüssen und Gemeindevorständen und 30 von größeren landwirthschaftlichen Centralvereinen; aus Städten sei, so weit die Uebersicht erkennen lasse, nicht eine Petition für Erhöhung der Zölle eingelaufen. Gegen die Erhöhung seien 124 Petitionen ein⸗ gegangen, davon 85 aus landwirthschastlichen Kreisen, 9 von städti⸗ schen Behörden und 30 von Handelskammern und Handelsvorstän⸗ den. Die Summe der Unterschriften für Erhöhung betrage 89715, gegen Erhöhung 60 192. Die Kommission schlage vor, sämmt⸗ liche bisher eingegangenen Petitionen durch die über die Vor⸗ lage zu fassenden Beschlüsse für erledigt zu erklären. —
Der Abg. Racke erklärte, mit statistischem Material wolle er dem Hause nicht kommen; Zahlen bewiesen Nichts oder bewiesen Alles, je nachdem die Voraussetzungen, auf die sie sich gründen, richtig oder falsch seien. Er sei weder ein enragirter Freihändler, noch ein enragirter Schutzzöllner; die persönlichen, materiellen Interessen würden und müßten stets auch in der Politik eine Rolle spielen; aber es komme darauf n, daß dies in der richtigen Grenze geschehe; und diese Grenzen seien durch die nothwendig zu wahrende Solidarität ler Interessen vorgezeichnet. Gegen dies letztere dauptprinzip schienen sich die beiden großen wirthschaftlichen Strömungen der jetzigen Zeit i zu versündigen; inebesondere geschehe das Seitens des liberalen Man⸗
tsterthums und der Sozialdemokratie, welche beide bon demselben Boden des Individualismus ausgegangen und nur in ihren Aeußerungen verschieden seien, da die Manchester— männer als beati possidentes die heutigen sozialen Zustände gchalten wollten, die Sozialdemokraten aber einen Kampf ller gegen Alle wünschten. Auch er sei bestens bestrebt, die vielfach traurigen sozialen und wirthschaftlichen Verhältnisse zu dessern; aber nur in der Weise, daß die Gegensätze nicht noch mehr verschärft würden. Bei diesen ernsten Fragen solle man in der That alle gehässigen Auseinandersetzungen ver⸗ meiden, damit nicht noch neuer Zündstoff in die Massen snausgetragen werde. Auch in den letzten Debatten ätte er gern alle scharfen Ausdrücke vermißt und beʒaure besonders, daß das Wort gefallen sei, Korn⸗ 9 sei Blutzoll. Wenn alle ehrlichen Bestrebungen nach esserung der sozialen Zustände bisher so wenig Erfolg
Eöhabt hätten, so liege dies namentlich an dem Mangel bene fa higer Drganisationen zur Vertretung der Solidarität
r Interessen gegenüber dem überall hervortretenden zer⸗
kbötenden Element des Egoismus; des Egoismus, an welchen nuch die letzten Debatten leider mehrfach Anklänge gezeigt hitlen. Man müßte nun nicht sagen: Schutzzoll⸗ oder Frei⸗
handels⸗Prinzip seien allein richtig; vielmehr werde man je nach der Verschiedenheit der Zeit bald dem einen, bald dem anderen Prinzip folgen müssen. Das Richtige sei: auf den verschiedenen Zweigen des wirthschaftlichen Lebens die Nation möglichst selbständig zu machen. Lediglich in dieser Richtung wünsche er auch, daß die Agrarpolitik in Deutschland getrieben werde. Die Ernte des Jahres 1884 sei reichlich, trotzdem sei der Bauer allerwärts in Noth; in Rußland und Amerika lagerten noch enorme Getreidemassen, die auf den Export warteten, die Ueber⸗ produktion nehme stetig zu. Da ergebe sich natürlich die Noth⸗ wendigkeit eines mäßigen, aber ausreichenden Schutzzolls für ländliche Produkte, wenn man nicht den historisch gewordenen Bauernstand zu Grunde gehen lassen wolle. Er betrachte die⸗ sen Schutzzoll nicht als Staatshülfe für den Bauern, sondern nur als Ausgleichsmittel, um die ländlichen Erwerbszweige ebenso günstig zu stellen, wie die übrigen. Niemand wünsche sich wohl weniger die Staatshülfe als der deutsche Bauer; Niemand habe mehr als der Bauer Selbstgefühl und das Streben, ohne fremde Hülfe selbständig zu bleiben. Deshalb rede die Linke doch nicht immer von Staatshülfe bei diesem Schutzzoll; die Linke habe dazu um so weniger ein Recht, als er (Redner) noch niemals bei ihr ein Sträuben gefunden habe, wenn z. B. eine Aktiengesellschaft unter Staatsgarantie gestellt werden solle. Die Sozialdemokraten, die ein Arbeiterschutz⸗ gesetz eingebracht hätten und immer die Interessen des Arbeiter⸗ standes vertreten wollten, müßten in erster Linie für diese Zölle stimmen, durch welche die Lage Tausender von länd⸗ lichen Arbeitern erträglicher gemacht werden solle. Mit welcher Vorsicht er in dieser Frage zu Werke gehe, wie sehr er wünsche, daß dieser Zoll nicht ein bloßer Finanzzoll sei, sehe man aus seinem Vorschlag, den er nachher anzunehmen bitte und wo⸗ nach im Falle von Theuerungen die Regierungen befugt sein sollten, Ermäßigung oder Aufhebung der Getreidezölle ein⸗ treten zu lassen. Auch wünsche er nicht, daß über dieser Zollpolitik andere Gebiete, die noch wichtiger für die heimischen Gewerbe und besonders für die Landwirthschaft seien, vernachlässigt würden. Dahin rechne er namentlich die Anbahnung einer gesunden Tarif⸗ potitik; die energische Fortsetzung der Flußkorrekturen, den Ausbau des Kanalnetzes. Bei der Abstimmung würde er für den Regierungsvorschlag eintreten, weil darin der von Natur zwischen Weizen und Roggen vorhandene Unterschied Ausdruck gefunden habe, und weil er sich auf das Minimum bezüglich der Höhe des Zolles beschränken wolle. , Der Abg. Flügge bemerkte, er erkenne noch heute seine Auslassungen vom Jahre 1879 als vollkommen richtig an. Er stehe in der rein volkswirthschaftlichen Auffassung der Frage allerdings noch auf demselben Standpunkt. Die Frage selbst stehe aber nicht mehr auf demselben Standpunkt und müsse deshalb unter einem anderen Gesichtswinkel betrachtet werden. Es gebe Zeiten, wo das wirthschaftliche Leben sich auf dem Boden der freien menschlichen Gesellschaft entwickele. Da sei die Frage einfach, auf welchem Wege werde das Wohlbefinden der einzelnen Menschen gefördert, und ebenso einfach sei die Antwort: durch den freien wirthschaftlichen Ver— kehr. Wenn aber hohe politische Ereignisse stattgefunden hätten, wenn nur staatliche Gebilde entstanden seien, dann trete an die Stelle des einzelnen wirthschaftlichen Individuums die kollektive Einheit des Staates. Es frage sich dann, welches seien die produktiven Kräfte dieser Einheit und wie könnten sie gestärkt werden? Daß bei einer solchen Umwälzung, wie der Reichskanzler gesagt habe, Spähne fielen, daß für eine nicht unerhebliche Zahl von Existenzen Schaden entstehe, könne er am wenigsten leugnen. Ein solcher Umschwung trete mit elementarer Gewalt auf und sei unaufhaltsam, sie sei namentlich mächtig, wenn sie von einem solchen Manne, wie der Reichskanzler sei, gestützt werde. Durch Argumente werde eine solche Richtung, unter der alle civilisirten Staaten ständen, ebenso wenig zurückgedrängt, wie die Argumente der Friede nsliga den Krieg aus der Welt schafften. Am wenigsten werde man glauben können, den Reichskanzler, einen Mann von so schöpferischer, starker Natur, durch Argumente zu bekehren. Dagegen habe der Reichskanzler ein offenes und sehr feines Ohr für die Sprache der Thatsachen, und wenn es sich zeigen sollte, daß der Schutzzoll schädlich wirke, dann werde der Kanzler mit derselben kurzen Ent— schloffenheit auch wieder die Pforten des freien wirthschast⸗ lichen Verkehrs sich öffnen lassen. Wenn ihn sein Ohr nicht täusche, höre er auch schon die Pendelschwingungen der schutzzöllnerischen Bewegung sich etwas verlangsamen. die Vorlage betreffe, so hätten die Motive das fiskalische Gesicht ganz abgelegt und lediglich die schutzzöllnerische Seite herausgekehrt. Das gefalle ihm. Er bedauere aber, daß die Courage der Motive nicht auch in den Tarif übergegangen sei. Der Tarif sei für einen wirksamen Schutzzoll viel zu schwach. Im Jahre 1879 habe er bemerkt, daß die Land⸗ wirthschaft bei dem Schutzzoll zu kurz gekommen sei. Die Zölle seien so niedrig bemessen gewesen, daß sie nur dazu ge⸗ dient hätten, nicht blos den Handel, sondern auch die Pro⸗ duktion zu benachtheiligen und hätten ihren Zweck nicht er— füllt, der deutschen Produktion den deutschen Markt zu sichern. Was man im Norden und Osten überproduzire, sollte im Westen und Süden gegessen werden, aber das Getreide komme aus Amerika billiger dahin als Deutschland es liefern könne. Es bleibe also für Deutschland nur das Mittel, diese Differenz durch den Schutzzoll auszugleichen. An den Nothstand der Landwirthschaft glaube der Abg. Rickert freilich nicht, derselbe wolle, daß der Landwirth aus seinen Büchern den Beweis liefere, daß er mit Schaden wirthschafte. Er (Redner) sei nun seinerseits bereit, buchmäßig nachzuweisen, daß eine stetige Progression in dem Mißverhältniß zwischen den Brutto- und Nettoeinnahmen durch fortwährende Steigerung der Löhne und Betriebskosten und durch das Sinken der Preise statt⸗ gefunden habe. Welche weitere Wellen ein Ruin der Land⸗ wirthschaft ziehen und lchlagen würde, davon könne man sich gar keinen Begriff machen. Er wolle die Ziffer der Millionen nicht aussprechen, die in der Landwirthschaft stecktn und es wäre eine Staatskalamität ersten Ranges, wenn die Pfandbriefe zu sinken anfingen. Der Abg. Rickert wolle keine Ausnahme⸗ stellung für die Landwirthschaft. Sie sei aber gewesen und
Was
sei noch jetzt vorhanden. Im Jahre 1879 sei die Landwirth⸗ schaft sogar noch belastet worden; die Eisenvertheuerung allein mache 7 bis 8 Proz. der Grundsteuer aus. Die Landwirth⸗ schaft verlange also jetzt nur Gleichstelung; sie wolle nur dem herrschenden System eingereiht werden. Sei nun der vorgeschlagene Schutzzoll ein geeignetes Mittel, dem Noth⸗ stande abzuhelfen? Die Wirkungen eines Schutzzolles seien nicht sicher vorherzusehen. Auf den gesammten Vermögens⸗ stand einer Nation habe der Schutzzoll ja nie einen Einfluß, sondern nur auf eine andere Vertheilung des Vermögens, und in dieser Beziehung werde derselbe im Allgemeinen den Zweck erreichen, indem er eine Preiserhöhung bewirken werde. Unter Umständen und gerade bei gedrückten Preisen in Folge von ausländischer Ueberproduktion nehme das Ausland den Zoll auf sich, dann sei der Zoll freilich nur ein Finanz⸗ zoll für den Staat. Indessen müsse und könne ein Versuch gemacht werden, schon weil die Ziffer der Interessenten eine so ungeheuere sei. In einer Petition werde dieselbe, gewiß zu niedrig, auf 70 000 Betriebsstellen, die von dem Zolle Vortheil hätten, angegeben. Er halte diese Zahl für zu ge⸗ ring, aber wenn sie auch der Wahrheit entspräche, so hingen doch an jeder durchschnittlich 100 Köpfe, welche direkt Vortheil von ihr hätten, denn die ländlichen Arbeiter seien mit dem Besitzer in sozialistischer Art verbunden und könnten ihre Ueberschüsse von Getreide versilbern; sie hätten auch ihren Vortheil netto ohne Abzug von Betriebskosten. Er wolle hier nicht streiten, ob der Preis des Brotes dem des Getreides folge; er meine, daß das in beschränktem Maße der Fall sei. Schlage man aber wirklich den Zoll auf das Brot, so bleibe es bei dem jetzigen Preise immer noch unter dem Durchschnittspreise. Er verstehe nicht, wie die Petitionen über Vertheuerung des Brotes Lärm schlagen könnten. Von Vertheuerung könne man auch bei dem niedrigsten Preise sprechen. Bedeutung gewinne die Sache erst, wenn man die erste Silbe weglasse, wenn eine Theuerung eintrete. Darin unterscheide er sich von den Verfechtern des Schutzzolls, daß er denselben für ein Mittel ad hoe betrachte. Die Kehrseiten des Schutzzolls seien aber Ueberproduktion und Krisen. Die Gefahr der Ueber⸗ produktion sei bei der Landwirtschaft freilich nicht vorhanden, aber eine andere sei viel schlimmer. Der Schutzzoll wirke dauernd als Subvention und hahe zur Folge Steigerung der Rente, des Preises und der Belastungsfähigkeit. Dadurch werde der herrschenden Kapitalnoth wohl abgeholfen, dann steige aber der Bodenpreis von Neuem, und die Sache stehe auf dem alten Fleck, vielleicht auf einem noch schlimmeren. Ein dauernder Schutzzoll würde der Land⸗ wirthschaft nur dann nicht schädlich, sondern von bleibendem Vortheil sein, wenn gleichzeitig eine Grenze der Verschuldbar⸗ keit konstituirt würde. Eine Zeit lang habe ihm eine glei⸗ tende Skala empfehlenswerth geschienen, er sei aber davon wieder abgekommen, weil sie doch ihre großen Schwierigkeiten habe. Nach Dr. Barth seien Schutzzölle für wirthschaftliche Schmerzen, was Morphium für den kranken Körper sei, sie linderten für den Moment, aber die Schmerzen kehrten nach einiger Zeit verstärkt zurück. Die Aerzte sähen doch aber diese Linderung als den ersten Schritt zur Heilung an; freilich müßten dann andere Heilmittel dazu kommen. So betrachte er auch diesen Schutzzoll als eine nothwendige Morphiumgabe; er bitte aber zugleich zu bedenken, daß eine zu geringe Dosis
stets nur aufrege.
(Während dieser Rede war der Reichskanzler in den Saal getreten.) .
Der Abg. Rohland erklärte, als er 1879 die Rede des Abg. Flügge gelesen habe, habe er sich gesagt, das sei die beste Rede, die gegen den Kornzoll gehalten worden sei und alle seine Freunde hätten dasselbe gesagt. Mit der heutigen Er⸗ klärung sei der Abg. Flügge, trotz einiger Anklänge an jene Zeit, vollständig in das jenseitige Lager übergegangen, wenn auch nicht auf eigenen, sondern auf den Füßen des Reichs⸗ kanzlers. Sympathisch in gewissem Sinne sei ihm heute nur dessen Aeußerung, wenn schon einmal Zölle sein sollten, je dann auch gleich so hoch wie möglich zu machen, damit sie so bald als möglich wieder beseitigt werden könnten. Der Abg. Racke habe behauptet, daß seine Partei geneigter sei, Aktiengesell⸗ schaften zu subventioniren, als die Landwirthschaft. Das sei nicht richtig. Die einzige hier in Betracht kommende Samoagesellschaft sei von seiner Partei nicht unterstützt worden. Denke der Abg. Racke etwa an die Gründungen von 1870 bis 1853, so werde derselbe Betheiligte höchstens bei den Nationalliberalen und auch auf der rechten Seite finden. Der Abg. von Puttkamer habe behauptet, auf der linken Seite des Hauses gebe es nur einen einzigen praktischen Landwirth, aber diese Behauptung sei ganz falsch. In seiner Partei seien nicht blos 17 oder 18 Grundbesitzer, sondern es befänden sich darunter auch ungefähr 14 praltische Landwirthe, die von der Pike auf gedient hätten. Der Abg. Frege begründe seine Be⸗ hauptung über den Rückgang der Landwirthschaft damit, daß Deutschland, früher ein Getreide exportirendes Land, jetzt ein Getreide importirendes Land geworden sei. Dieser Schluß treffe nicht zu. Seit 30-40 Jahren habe die Bevölkerung Deutschlands fich jährlich um fast eine halbe Million Seelen vermehrt, daher sei Deutschland auch bei vervollkommneter Kultur nicht im Stande, eine sich ver⸗ mehrende Menschenmenge zu erhalten. Trotzdem habe der Abg. Frege behauptet, die deutsche Landwirthschaft, könne zweimal so viel Korn produziren, als die ganze Bevölkerung von Deutschland gebrauche. Als Landwirth müsse er aber bestreiten, daß das überhaupt möglich sei. In dem größten Theile Deutschlands, besonders in den Provinzen Sachsen und Hannover, werde die Bodenkultur nicht mehr intensiver betrieben werden können als das jetzt' geschehe. Der Abg. Frege habe seiner Partei weiter vorgeworfen, es sei ein Widerspruch, zu behaupten, die Großgrund⸗ besitzer hätten den Nutzen von der Erhöhung der Zölle, da doch der Großgrundbesitz zum größten Theil in den Händen von Pächtern sei. Allerdings werde auf den Pächter, so lange die gegenwärtige Pachtzeit dauere, ein Theil des erhöhten Zinses fallen. Aber es ver⸗ stehe sich von selbst, daß der Pachtzins steigen werde, sobald
die jetzige Pachtzeit abgelaufen sei. Der Abg. Frege habe