Das Gespenst der Defraudation schwebt nur den Zollbehörden jeder⸗ zeit vor; im wirklichen Verkehr ists wahrscheinlich sehr selten. — Meine Herren, das sind sehr optimistische Ansichten, unter denen die Gesetzgebung unserer letzten Jahrzebnte am meisten gelitten hat, daß man die Menschen nicht nimmt, wie sie sind, daß man sich immer Ideale vorstellt. Es ist ja sehr beifallswürdig und erntet großen Beifall, wenn sich Jemand bier hinstellt und mit solcher Achtung von allen 45 Millionen Deutschen spricht, jeder fühlt sich dabei gelitzelt. Aber die Wahrheit ist es nicht, meine Herren, und wir müssen mit der Wahrheit rechnen. Ich will nur in dieser Be ziehung z. B. anführen, daß Schmalzfässer hereingekommen sind, wo die Schinken und die Würste, die verboten sind einzuführen, um⸗ gossen waren mit Schmalz und daß diese Fässer über die Schweizer Grenze eingeführt wurden, damit sie als recht unverdächtiges Schmalz bereinkommen — und wenn lange, nachdem diese Manipulation in Uebung gekommen war, solche Wuürste und Schinken zum Vorschein kommen, dann sagen Sie, das ist ein Gespenst, aher es war doch von sehr großer. Leibhaftigkeit. Oder wenn man unter der Firma „undichte baumwollene Geweben große Stücke baum⸗ wollene Gewebe wunderbarer Art einführt, bis endlich Jemand entdeckt, daß durch diese großen Stücke undichte baumwollene Gewebe ein einzelner Faden geht, den man nur zu zerschneiden braucht und es löst sich dann alles auf in baum wollene Spitzen, so sind das doch Dinge, wo die Zollverwaltung ihre Augen schließlich auch gebrauchen muß. Oder wenn, wie in den letzten Tagen mir erist wieder angezeigt worden, in einer mittelgroßen Stadt die bedeutendsten Firmen sich ohne Weiteres zu einer verhält⸗ nißmäßig kolossalen Strafzahlung bereit gefunden haben, weil sie seit überverjährter Zeit hinaus in doppelten Schiffswänden Taback und andere Dinge unverzollt bekommen haben und man ihnen das jetzt nachweist. Mir ist das ganze Material augenblicklich nicht zur Hand, ich wäre sonst in der Lage, ihnen Hunderte solcher Beispiele vorzu⸗ führen — und da soll hier blos mit edlen Menschen par excellence gerechnet werden!
Meine Herren, es liegt der Regierung nichts ferner, als irgend⸗ wie einen Stand und insbesondere den Handel sstand nur mit arg⸗ wöhnischen Augen anzusehen, Ich behaupte nicht, daß dieser Stand in irgend einem Punkte weniger ehrenvoll, weniger achtungswerth für uns sei, als irgend ein anderer, aber ich möchte Sie nur bitten, nicht das Gegentheil anzunehmen, daß der menschliche Egoismus in diesem Stande gerade weniger zu Haufe wäre, als in irgend einem anderen und daß man den Standpunkt der Vorsicht, den die Gesetzgebung überall sich zur Richtschnur macht, gerade auf diesem Gebiete nicht gelten lassen solle.
Ich möchte zum Schluß noch Folgendes sagen: Der Hr. Abg.
Dr. Meyer (Halle) nicht blos, sondern auch seine Freunde, glaube ich, haben ein viel richtigeres, ihatsächlich zutreffenderes Urtheil über diese Regierung, als daß sie sich täuschen könnten über den möglichen Erfolg ihres Antrages. Ich glaube, ich müßte die Herren als dem Irrthum in einem Grade verfallen ansehen, den mir die Achtung vor ihrer Urtheilskraft nicht erlaubt, wenn ich annehmen wollte, daß sie wirklich glaubten, die dermalige Regierung könnte auf einen solchen Antrag eingehen, sie könnten uns für so schwach, für in unserem Sinne so pflichtvergessen halten, daß wir an dieser einen Stelle plötzlich eine solche Verschiebung des Verhältnisses zwischen den Gewalten des Staates zulassen wollten, zwischen der richterlichen und der administrativen Gewalt, sie könnten glauben, daß uns diese Zolltarifverbesserung eine Verbesserung, die wir nicht um unsertwlllen, sondern um des Landes willen erstreben, an sich und gerade jetzt so viel werth wäre, daß wir darum die Rechtsordnung des Staates auf den Kopf stellen lassen würden und wäre es auch nur auf des Richterz Kopf. Nein! meine Hrerren, das ist nicht Ihre Meinung von uns. Ich bin fest überzeugt, ie, Ihnen nicht zweifelhaft ist, daß ein solcher Antrag auf Eröffnung des Rechtsweges in dieser Verwaltungsmaterie dem unbedingtesten Widerspruch entgegensieht. Was in aller Welt kann also der Zweck des Antrages nur sein? Doch nur der eine, ein Bein zu . diefer Gesetzgebung, — darüber bitte ich die Freunde dieser Gesetzgebung, der Zolltarifnovelle, sich keinen Augenblick der Täaschung hinzugeben. Ich behaupte nicht — und das sage ich nochmals recht deutlich, damit mir nichts nachher insinuirt wird — ich behaupte nicht, Ihre Motive damit zu bezeichnen, ich behaupte nur, den thatsächlichen Erfolg der Sache zu kennzeichnen, wenn ich sage: er kann objektiv kein anderer sein, als der Zolltarifnovelle, als den verhaßten Getreide- zöllen hier ein recht kräftiges Bein zu stellen und sich nun umzusehen, ob man nicht auf diesem populären Gebiete durch Erweiterung des Rechts⸗ weges, Entwicklung des Rechtsstaats, Verhinderung der Beunruhigung von Handel und Wandel u, s. w. vielleicht Freunde genug findet, die mei—⸗ nen, sie würden die Getreidezölle und was sonst dem Volke noth thut, doch noch retten, aber auf der andern Seite diese schönen Sachen mit Hülfe der Herren dort (links) mit in den Kauf nehmen können. Nein, meine Herren, entweder, oder: entweder bewirken Sie, daß dieses Bein nicht gestellt wird, oder machen Sie sich gefaßt dar⸗ auf, daß aus der Sache selbst nichts wird.
Der Abg. von Wedell⸗Malchow bemerkte, durch die Er⸗ klärungen des Ministers sei die Angelegenheit doch in ein wesentlich anderes Licht gestellt, als sie vorgestern nach der Rede des Abg. Dr. Meyer erschienen sei. Zunächst beantrage er in Namen seiner Freunde die Verweisung sämmtlicher An⸗ träge an eine Kommifffn, da über so verwickelte Fragen im Plenum wohl nicht richtig entschieben werden könne. Ihm sei es jetzt klar geworden, daß das . besser gethan hätte, auch das Sperrgesetz an eine Kommission zu verweisen, die ja dann möglichst schnell hätte arbeiten und ein mehr zufriedenstellen⸗ des Resultat hätte erreichen können, als dem Hause jetzt vor⸗ liege. Wie liege denn nun die Sache eigentlich In das Sperrgesetz sei durch die Windthorstsche Klausel die Bestimmung hineingekommen, daß für Waaren, die „nach⸗ weislich“ durch Vertrag vor dem 15. Januar erworben seien, der geringere . atz bezahlt werden solle, und es sei ihm sofort klar gewesen und sei ihm leider jetzt noch klarer geworden, daß dieses „nachweislich“ jedenfalls zu den ver⸗ schiedensten Auslegungen und Mißdeutungen führen werde. Also abgesehen von der Frage, ob es überhaupt recht gewesen sei, das Sperrgesetz in der Weise zu erlassen, was er nicht mehr erörtern könne, da es eben perfektes Gesetz geworden sei, müsse nun doch auch auf dasselbe Rücksicht genommen und in kommissarischer Berathung mit der Regierung festgestellt wer⸗ den, was unter dem Ausdruck „nachweislich“ zu verstehen sei. Er glaube, wie auch der Minister anerkannt habe, daß zu den zulässigen Nachweisen im Sinne des Sperrgesetzes Schlußscheine vereideter Makler gehörten; ferner (vorbehalt⸗ lich der Erörterungen der Kommission) die Handels⸗ bücher inländischer Firmen, Originalcorrespondenzen und Telegramme, sofern erhebliche Bedenken dagegen nicht vorwalteten. Er glaube, daß die Schwierigkeiten und Miß⸗ helligkeiten in Folge der Verfügung des Bundesrgths, wenn auch nicht allseitig, so doch zur Befrie digung der Mehrheit des Dauses recht wohl gelöst werden konnten. Was die Details der Anträge betreffe, so gäben seiner Partei die verschiedenen Termine, namentlich der in dem Antrag der Nationalliberalen verlangte (1. Februar), zu den allergrößten Bedenken Anlaß, weil sie den Zeitpunkt der betr. Verträge noch weiter hinaus⸗ schieben wollten. Ferner erscheine ihm der neue Antrag Scipio geradezu undurchführbar und für die Regierung un⸗ annehmbar. Der Antrag verlange, daß auch in ausländischen
äfen ausgeladenen Waaren der Vortheil der Klausel im
perrgesetz zu Gute kommen solle. Wie solle das ohne Nach⸗
habe sich der Abg. Meyer in der feuilletonistischen Weise ge⸗ äußert, mit der derselbe dergleichen sehr ernste Sachen zu behandeln pflege, so daß man zwischen Ernst und Scherz nicht mehr unterscheiden und nicht erkennen könne, wo der Scherz aufhöre und der Ernst anfange. Der Antrag sei aussichtslos, weil man bei Gelegenheit einer Novelle zum Zolltarif doch unmöglich das ganze deutsche und preußische Verwaltungs⸗ recht auf den Kopf stellen könne. Man hebe damit positiv den 5§. 12 des Zollvereinsgesetzes von 1869 auf, nach welchem das Waarenverzeichniß maßgebend sein solle für die Besteuerung der autz⸗ und eingeführten Waaren, und man trage alle die technischen Fragen, die mit diesem Verzeichniß verknüpst seien, vor ein Richterkollegium, das die größte Anzahl der auf⸗ geführten Waaren kaum jemals gesehen habe oder kenne. Man müßte also eine solche Unmasse von Sachverständigen Seitens der betreffenden Kreise und der Steuerbehörde vernehmen, daß die Prozesse sich ins Unendliche ausdehnen würden. Und wenn in den Gründen zu dem angeführten Reichsgerichts⸗ erkenntniß und vom Abg. Meyer behauptet werde, es sei nun die Frucht dafür reif, daß die Entscheidung über Steuer⸗ und namentlich Zollfragen in die Kompetenz der Gerichte fiele, so sage er offen heraus, daß die Juristen und der Abgeordnete vom grünen Tisch aus gesprochen und die Sache nicht gekannt hätten. Es sei das eben unausführbar. Solle die Kommission im Sinne jener Anträge etwas erreichen, so müßten sich ihre Mitglieder klar machen, daß es sich absolut nicht darum han⸗ dele, den betreffenden Geschäftsleuten einen Vortheil zuzu⸗ wenden, sondern nur einen Schaden von ihnen abzuwenden; sie müßten sich daher die verschiedenen Fälle klar machen, die sehr leicht vorkommen könnten, z. B., daß beim Abschluß des Vertrages der Ausländer sich bereit erklärt habe, den Zoll zu tragen, oder, wenn den Zoll auch der Inländer trage, derselbe sich jedenfalls durch den höheren Preis, den er für die Waare im Inland bekomme, dafür schadlos halte. Ohne die größte Vorsicht würde sich nur wiederholen, was 1879 beim Taback geschehen sei, daß eine Unmasse Taback zum Vortheil gewisser Großindustriellen, aber zum Nachtheil der kleineren Kaufleute und der Konsumenten eingeführt sei. Die Kommission habe diese letzteren, nicht blos den Reichsfiskus vor großem Schaden zu bewahren.
Der Abg. Struckmann beantragte die Verweisung sämmt⸗ licher Anträge an eine besondere Kommission von 14 Mit⸗ gliedern. Es seien so viel allgemein juristische Fragen zu prüfen, daß eine Belastung der Zollkommissionen damit nicht rathsam sei. Die dem Geist des Sperrgesetzes nicht ent⸗ sprechende Interpretation, welche die Windthorstsche Klausel durch den Bundesrath erfahren habe, habe Niemand voraus⸗ sehen können. Er sei nun genöthigt, weitere Detail⸗ bestimmungen zu beantragen, obwohl er eigentlich Gegner so vieler Spezialvorschristen zu einem Gesetze sei. Der Beschluß des Bundesrathes sei umsomehr zu bedauern, als derselbe wahrscheinlich bewirken werde, daß künftig der Reichstag bei seinen Berathungen viel ängst⸗ licher sein, viel mehr überall nach Kautelen suchen werde, als es im Interesse der Gesetzgebung erwünscht wäre. Wenn man so häufig Klagen über zu viel Kautelen in der Strafprozeß⸗ ordnung höre, welchem Umstande habe man das vorzugsweise zu verdanken? Nur dem, daß man in Preußen zur Kon⸗ fliktszeit allerlei üble Erfahrungen gemacht habe, deren Wieder⸗ holung man durch die Kautelen habe vorbengen wollen. Aus ähnlichen, nicht sachlichen, sondern aus politischen Rücksichten sei auch nicht Berlin, sondern Leipzig zum Sitz des Reichs⸗ gerichts gemacht worden. Es räche sich stets, wenn der eine gesetzgebende Faktor nicht in dem Sinne des anderen die Ge⸗ setze ausführe. Daß der Finanz⸗Minister in dem vom Abg. Meyer angeführten Falle Abhülfe habe eintreten lassen, spreche nur für die Ansichten seiner Partei. Die letzte Ent⸗ scheidung des Ministers in diesem Spezialfall stimme nicht mit dem Wortlaute des Bundezrathsbeschlusses überein, nach welchem allein die ausführenden Organe sich zu richten hätten. Was dann die Anträge im Einzelnen betreffe, so halte er den Unterantrag Scipio für unzweck⸗ mäßig, das, was der Antrag wolle, werde durch den Haupt⸗ antrag ebenso gut und ohne Beschränkung auf einige be⸗ stimmte Hafenplätze erreicht. Daß durch seinen Antrag den Scheingeschäften Thür und Thor geöffnet werde, bestreite er entschieden; Jedermann aus dem Handelsstande werde im Interesse des geschäftlichen Renommes sich hüten, gefälschte Beweismittel vorzulegen. Die Bestimmungen des Antrags Ausfeld über die Zulässigkeit des Rechtswegs halte er zwar für inopportun; doch möge die Kommission das näher prüfen. Der Abg. von Reinbaben erklärte, gegen die Ausführung des Sperrgesetzes seien schwerwiegende Bedenken vorgetragen worden. Man werde ihm aber zugestehen müssen, daß die Stellung der Reichsregierung, welche die volle Verantwortlich— keit sür die richtige Anwendung jenes Gesetzes zu tragen habe, eine unendlich schwierigere sei, als die eines nicht verantwort⸗ lichen oppositionellen Abgeordneten, welcher sich darauf be⸗ schränken könne, demselben zugegangene Beschwerden vorzutra⸗ gen. Er wisse, daß Treue und Glauben im Handelswverkehr vorhanden sein müßten und vorhanden seien. Aber, wenn es. sich um so große Summen handele, wie hier, wenn so wichtige Interessen auf dem Spiel ständen, könne man es einer ihrer Verantwortlichkeit sich bewußten Regierung nicht verdenken, wenn sie auf Mittel sinne, um den Schutz der Landwirthschaft und der Industrie, welchen das Zollgesetz bezwecke, nicht vereiteln zu lassen, und er möchte derselben nochmals zurufen: videant Gonsules. Aus diesem Grunde erkläre sich die Forderung eines Nachweises, welcher die Rechtsgültigkeit eines Vertrages un⸗ zweifelhaft begründe und der an sich schon dem Steuerbeamten Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Ire. gebe, ob der⸗ selbe mit einem rechtsgültig , . ertrage zu thun habe. Wenn in dieser Beziehung die Reichsregierung zu weit gegangen sei, so werde sich in der Kommission Gelegenheit finden, zu prüfen, ob nicht eine mildere Form des Nachweises zulässig und ob es nicht möglich sei, auch andere Urkunden, Schlußscheine u. s. w. als Nachweis eines rechtsgültig abge⸗ schlossenen Vertrages zuzulassen. Immerhin werde aber die Schwierigkeit bestehen bleiben, daß untergeordneten Verwal⸗ tungsbehörden die Entscheidung über rechtliche Fragen über⸗ lassen werden müsse. Der Antrag Ausßfeld wolle indessen noch weiter gehen. Derselbe wolle dem Richter die Entschei⸗ dung darüber einräumen, ob der alte oder der neue Tarif in An⸗ wendung kommen solle, sowie darüber, ob ein Gegenstand unter diese oder jene Nummer des Tarifs falle, das heiße das Kind mit dem Bade ausschütten. Der Richterstand werde der Linken auch schwerlich für diese Forderung dankbar sein. Es zeuge von einem geringen Gefühl für die Hoheit und Würde des Richterstandes, wenn man diesen auch mit solchen untergeord⸗
theil für den Fiskus geschehen? Ueber den Antrag Ausfeld!
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Sonnabend aus einem Erkenntniß den Nachweis zu führen gesucht, daß, was der Antrag wolle, bereits suhbsidiärez Reichsrecht sei. Aber dieses subsidiäre Reichsrecht greife in fo seltenen Fällen Platz, daß von dessen Existenz im Großen und Ganzen nicht die Rede sein könne. Er weise diese Bestim— mung des Antrages a limine ab; im Uebrigen sei auch er mit der kommissarischen Berathung der Anträge Ausfeld und Struckmann einverstanden.
Der Abg. Dr. Roßhirt erklärte es für billig, daß für die Bei⸗ bringung des Nachweises über einen abgeschlossenen Vertrag ein weiter Spielraum gewährt werde; er sei deshalb mit Alinea 2 des Ausfeldschen Antrags einverstanden. Dagegen sei die Forderung zu verwerfen, daß der Richter zu entscheiden habe, ob auf einen Gegenstand der alte oder neue Tarif An⸗ wendung finden sollte. Das würde nichts anderes bedeuten, giedi Einführung napoleonischen Rechts in das deutsche
echt.
Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der Minister habe es getadelt, daß nach kaum 14 Tagen schon eine Abänderung des Gesetzes vorgenommen werden solle. Das komme daher, daß man in dem traurigen Optimismus, um einen Ausdruck des Ministers zu gebrauchen, bei Erlaß des Gesetzes befangen gewesen sei, daß eine einfache Fassung der Bestimmungen ge— nüge, um eine Auslegung auszuschließen, die nur als eine Ironie auf die Absicht des Gesetzgebers erscheinen könne. Er könne sich die Instruktion nur so erklären, daß man entweder absichtlich dem Sinne des Gesetzes zuwiderhandeln gewollt habe, wie er nicht annehmen könne, oder es sehr eilig gehabt habe, oder ohne jede Sachkenntniß des Verfahrens in kauf⸗ männischen Kreisen gewesen sei. Es habe gar nicht anders kommen können, als daß die Instruktion mit dem Gesetz in Widerspruch gerathen würde, wenn sie schon an demselben Tage, wo das Gesetz zur Verhandlung gestanden habe, vor⸗ bereitet und erlassen sei. Der Abg. Reinbaben habe die Einschränkung der Befugnisse des Bundesraths mit der all⸗ gemeinen Klausel abzuwehren gesucht: videant consules 2c. Derselbe habe sich damit ministerieller als die Minister selbst gezeigt, die sich nicht mit ihrer Verantwortlichkeit zu decken gesucht hätten. Die Klausel pflege immer dann angewandt zu werden, wenn man einen Staatsstreich vorhabe. Sollte der Abg. Reinbaben es für eine kleine Abschlagszahlung auf einen Staatsstreich halten, daß jetzt ein Gesetz gegen den Willen des Reichstages vom Bundesrath ausgelegt werde? Betreffs des Staatsstreiches schienen in der freikonservativen Partei besondere Anschauungen zu herrschen, er erinnere nur an den Abg. von Wöllwarth. Es komme hier nicht mehr auf eine Zweckmäßigkeitsfrage bei dem Gesetze an, sondern darauf, daß dem Sinne des Gesetzes nicht zuwidergehandelt werde. Der Abg. von Reinbaben habe mit einem gewissen Behagen von der unverantwortlichen Stellung oppositioneller Abgeord⸗ neten gesprochen, er wisse nur nicht, warum oppositionelle Abgeordnete weniger verantwortlich seien, als gouvernementale, oder denke der Abg. von Reinbaben an die Verantworlichkeit des gouvernementalen Abgeordneten gegenüber seinem Vorgesetzten in außerparlamentarischer Stellung? Man habe ja ein ähnliches Beispiel neulich bei der kirchenpolitischen Gesetzgebung gehabt. Die Abgeord⸗ neten seien alle verantwortlich der öffentlichen Meinung und ihren Wählern, und diese Verantwortlichkeit werde wenigstens alle 3 Jahre einmal praktisch, während man einen Minister in Wirklichkeit jetzt nicht zur Verantwortung ziehen könne, wenn derselbe durch Gesetzesverletzung dem Lande Schaden zufüge. Es sei hier noch besonders mißlich mit der Verant⸗ wortlichkeit, weil der Reichstag sich dem Bundesrathskollegium gegenüber befinde, das nach Instruktionen aus den Einzel⸗ staaten entscheide. Der Minister von Scholz habe erklärt, man habe nur einen Damm gegen eine betrügerische Zurückdatirung und gegen eine Einfuhr in fraudem legis aufrichten wollen. Dann müßte jeder Kausmann und Importeur als Betrüger gelten, der nicht durch öffentliches Zeugniß das Gegentheil be⸗ weise. Das heiße doch den Satz: Quilibet praesumitur bonus, donec probetur contrarium geradezu auf den Kopf stellen. Der Finanz⸗Minister habe ja in einem einzelnen Falle, den der Abg. Meyer angeführt habe, die Rehabilitirung ausge⸗ sprochen. Solche Fälle würden doch aber sicher nicht ver⸗ einzelt dastehen. Aus der Erklärung des Ministers habe er nun nicht entnehmen können, welche generellen Anschauungen denselben bei diesem einzelnen Falle geleitet hätten; es habe in demselben ein durch einen mit öffentlicher Beglaubigung versehenen Makler ausgestellter Schlußschein genügt, um die Waaren zu dem alten niedrigeren Zolle hereinzubringen. Er nehme an, daß der Finanz⸗Minister alle Schlußscheine, die in dieser Weise ausgestellt seien, als ausreichend anerkennen wolle. Dadurch trete doch aber eine erhebliche Aenderung in der Praxis der Zollbehörden ein; die Unterscheidung, die hier getroffen werde, sei bisher an keiner Grenze gemacht worden. Der Minister habe sich einmal in einer Rede gegen eine Bevorzugung des Großkapitals, des Großhandels verwahrt; in jenem Grundsatz liege aber gerade eine Bevorzugung des Großhandels und der großen Plätze, denn diese gerade seien in der Lage, sich solcher beglaubigten Makler bedienen zu können, während man den übrigen Händ⸗ lern überlasse, zu sehen, wie sie fertig würden. Der Minister sollte sich also vor solchen Unterscheidungen hüten. Wenn der Antrag der kommissarischen Berathung unterzogen werden solle, dann sei schleunigste Thätigkeit der Kommission dringend wünschenswerth, da man im Lande darüber aufgeklärt sein wolle, wie sich die Mehrheit des Reichstages zu den vorliegen⸗ den Anträgen stelle. Die heutigen Debatten hätten es klar be⸗ wiesen, wie nothwendig die rechtliche Abgrenzung der Sache sei, Nur die Einführung des Rechtsweges werde dauernd das Mittel gewähren können, Zollstreitigkeiten nach einheitlichem Ver⸗ sahren zu regeln. Die ministerielle Erklärung, daß die Ein⸗ führung des Rechtsweges den entschiedenen Widerspruch der Regierung finden würde, sei vielleicht nicht allzu ernst zu nehmen. Die Regierung habe sich auch zur Annahme der Franckensteinschen Klausel bequemt, wiewohl dieselbe ebenso wenig in die Zollgesetze an sich hineingehöre, wie die Windt⸗ horstsche Klausel in die jetzige Novelle. Die differentielle Be⸗ handlung des Roggens an der Grenze, worüber jetzt schon von allen Seiten Klagen eingelaufen seien und welche die geographischen Verhältnisse in Bezug auf die Mühlenindustrie vollständig auf den Kopf gestellt hätten, müßten dem Hause doch die Erwägung nahe legen, ob es die Getreidezölle in dritter Lesung genehmigen wolle. Am 20. Februar sei hier ungarisches Mehl eingetroffen; am 23. Morgens früh s Uhr sei das Sperrgesetz erst in Kraft getreten; die De⸗ klaration des Mehls sei längst erfolgt gewesen; der Mann habe seinen Zoll am 253. bezahlt, die Hälfte des
neten Fragen befassen wolle. Der Abg. Meyer habe am
Mehls sei schon abgetragen gewesen, da habe der Mann die
Nachricht von der Zollbehörde erhalten, daß ihr eingefallen sei daß das am 29. Februar eingeführte Mehl doch noch unter das Sperrgesetz falle und behalte sie die andere Hälfte zuriüc, lasse sich noch Lagergeld bezahlen und nicht blos den zrhöhten Zoll für die zweite Hälfte, sondern auch für den be— reitz abgesahrenen Theil. Ein Importeur habe in Emmerich eugnisse produzirt, um die günstige Behandlung seines Noggens zu bekommen; der Zollinspektor habe darauf er⸗ widert, die Sache scheine richtig zu sein; der Mann habe sich also keine weiteren Atteste beschafft; nachträglich sei aber der Inspektor zur anderen Ansicht ekommen und habe die SLchiffe nicht ohne den erhöhten Zoll passiren lassen. Ein anderer Importeur habe sich an die Gesandtschast in Paris gewandt und um Auskunft, gebeten, wie der⸗ selbe sich zu verhalten habe. Die Gesandtschaft habe erklärt, sie könne keine Auskunft geben, es handle sich um die Enischeidung eines Prinzips, er möchte warten, bis das Prinzip enischieden sei. Unter diesen Verhältnissen solle Je⸗ mand in Deutschland soliden Handel treiben! Ja, wenn der Mann in Neu⸗Guineg ein Geschäft hätte! — Da rüste man für Hansemann und Bleichröder u. Co. ein ganzes australisches Geschwader aus für den Fall, daß sie dort Handel treiben sollten. So anständig werde man behandelt, wenn man in Neu⸗Guinea vielleicht eine Kopraspekulation habe. Neulich ber Roreg mit einem Meier habe das Haus zwei Konsuln be⸗ willigen sollen, es komme vielleicht noch ein Meier hinzu; hier handele es sich um tausend Meier, um einen ganz anderen Um⸗ sang des Handels. Eigenthümlich sei die Jehauptung des Abg. von Heinbaben, daß es sich für den Richter nicht schicke, Zoll streitigkeiten zu entscheiden. Aber wenn ein Richter nicht zu vornehm sein dürfe, um oft sehr gemeine Injurienprozesse, um Pferdehändel, wo Einer den Anderen zu betrügen suche, und Anderes der⸗ gleichen zu entscheiden, solle derselbe dann zu vornehm sein, um Jollstreitigkeiten zu entscheiden? Dann solle für den einfachen Amtsrichter etwas nicht würdig sein, was der Bundesrath, der doch größeres Ansehen verdiene, nach seinem Ermessen zu entscheiden habe. Die Fälle von Schmuggel, die der Minister angeführt habe, bewiesen höchstens, daß auch die Schmuggel⸗ prözefff dem ordentlichen Richter entzogen werden müßten, das werde auch das Haus nicht wollen. Warum solle der Richter, der über die Strafe entscheide, nicht eben so berechtigt sein, auch über den in Frage stehenden Zollsaz zu entscheiden? Das Gericht solle wegen Mangel an Sachkenntniß nicht in Zoll= fragen entscheiden dürfen, ihn interessire überhaupt nur, daß ein' von der Verwaltung unabhängiges Kollegium entscheide. Warum sollte übrigens das Gericht, das in allen Handels⸗ angelegenheiten entscheide, nicht auch hier entscheiden dürfen, es könne ja hier eben so gut Sachverständige heranziehen, wie es das auch bisher oft ihun müsse. Jetzt habe ja auch die Kommission für das Börsensteuergesetz den Rechtsweg in allen aus demfelben entstehenden Streitigkeiten zugelassen. Das Urtheil, das die Zulässigkeit des Rechtsweges anerkannt habe, sei nicht die Grundlage des Antrages Ausfeld; es beweise nur, daß man nicht pflichtvergessen sei, wenn man den Rechts⸗ weg' hier zulasse. Entscheidend sei, daß die Gesetzgebung nicht einseitig von einem gesetzgebenden Faktor ausgelegt werden dürfe, weil sonst die Bedeutung des anderen Faktors heruntergedrückt werde. Wenn die obersten Finanzbehörden und nicht die Gerichte entscheiden würden, so liege die Gefahr nahe, daß mehr im fiskalischen Sinne als im Sinne einer unbefangenen Auslegung des Gesetzes entschieden werde. Wenn nicht in Deutschland der Rechtsweg eröffnet werde, so entstehe eine Rechteunsicherheit, die dem Handel eine unsolide Basis geben und benselben zwingen würde, durch größeren Handels⸗ gewinn sich eine Prämie gegen dergleiche Auslegungen des Bundesraths zu sichern. Vom Standpunkte der Fraktions⸗ politik könne man dem ja sehr ruhig zusehen, denn je brüsker so in das unmittelbare Leben hineingegriffen werde, um so erregter werde auch die öffentliche Stimmung gegen den Zoll⸗ tarif und gegen Diejenigen, die demselben zustimmten, sein. Die Uebergangsverhältnisse müßten möglichst milde gestaltet werden, um nicht unnöthig die Nachtheile der Gesetze zu steigern. Wenn die schutzzöll nerische Mehrheit, aus deren Mitte der Antrag Windthorst hervorgegangen sei, nicht mit aller Energie nach der Verwirk⸗ lichung der Absichten des Antrages Windthorst strebe, dann hätte dieselbe den Antrag lieber gar nicht einbringen sollen, denn dann habe der Anirag mehr geschadet als genützt. Im Vertrauen auf diesen Antrag seien Geschäfte, die unter dem neuen Zolltarife nicht mehr gewinnbringend seien, nicht rück— gängig gemacht worden, was wohl Mancher sonst gethan hätte. Die richtige Ausführung der Gesetzesbestimmungen sei nicht nur eine Frage der Achtung vor dem Reichstage, son⸗ dern auch vor dem Gesetze überhaupt. Sonst verbreite sich die Auffassung, die er nicht wie der Finanz⸗Minister als traurig optimistische, sondern als traurig pessimistische bezeich⸗ nen müsse, daß es auf den Inhalt, den Wortlaut des. Gesetzes nicht ankomme, wenn man nur die Macht in Händen habe, auch eine Auslegung gegen die Absicht des Gesetzes durchzu⸗ bringen. Hierauf ergriff der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts won i n das Wort: J i erren! Der Hr. Abg. Richter hat, wie das wohl zu k das Bedürfniß gefühlt, die Frage, die uns hier augenblicklich beschäftigt, aufjubauschen zu einer Philippika gegen den Bundesrath, indem er die weitgehendsten Anschuldigungen und Vor⸗ würfe gegen den Bundezrath erhoben hat. Meine Herren, das Land weiß ja, was es von diesen Reden, die nicht zum ersten Male in diesem Haufe ertönen, zu halten hat. Ich weise die Anschuldigungen hiermit formell zurück. Meine Herren, wenn der Hr. Abg. Richter fagt, es wäre eine Abschlagszahlung auf den Staatsstreich und es wäre eine Fronie auf die Absichten des Gesetzes, so ist das in der That eine Autdrucksweife, die ich hier nicht richtig zu kennzeichnen vermag. 2 Abg. Richter hat auch Bezug genommen auf die Vor⸗ en. R? . . 1856 und 1881 feiner Zeit von dem Hrn. Abg. Bamberger hier angeführt wurden, welche man damals mil dem Autdruck Zollkuriosa bezeichnete. Es ist damals wiederholt hervorgehoben worden: der Bundesrath ist gar nicht , . für einzelne Ausschreitungen untergeord⸗ neter Zollbehörden, die kommen überall vor, in Deutschland, in Frank reich, Aberall; der Bundesrath ist nur dafür verantwortlich, daß er im einzelnen Falle, wenn die Sache an ihn kommt, Remedur ein⸗ treten läßt, sofern dazu Anlaß vorliegt, und das hat er ere n Im ÜUcbrigen? hat fich die Ueberzeuguug herausgestellt, daß die Zeitungs nachrichten, die damals hier kolportirt wurden, wie sie auch heute wieder von dem Hrn. 1 Richter kolportirt worden sind, zum Theil anz falsch, tendenziöse Erfindung waren, zum Theil auf Mißver⸗ ständniffen beruhten, daß es besser gewesen wäre, wenn sich das hohe Haus mit diesen Sachen nicht eschaͤstigt hätte. Ebenso liegt es mit den Behauptungen, die heute der Hr. Abg. Richter bezüglich der Schwierigkeiten vorgebracht hat, die entstanden sein sollten. uch da hieß es: ich habe beute morgen das gehört, eine
ist doch schließlich nicht Sache des Reichstages, sich mit solchen Nach= richten zu beschäftigen, die irgend Jemand an irgend einer Stelle ausspricht. Ich denke, das sollte doch besser unterbleiben; man würde die Sachen beffer fördern, wenn man ruhig und sachlich in die Debatte eingträte, als solche zerstreuten Nachrichten vorzubringen.
Wenn aber der Hr. Abg. Richter sich gedacht hat, daß die Durch- führung der differentiellen Zollbehandlung des Roggens und Die Durchführung des Sperrgesetzes überhaupt sehr einfach wäre, so hat er wobl allein mit dieser Meinung gestanden. Das ist eine außer ordentlich schwierige Aufgabe, viel schwieriger als das Kritisiren. Ich möchte in der That bitten, wenn der Hr. Abg. Richter positive Vor⸗ schläge zu machen hätte, wie dies auszuführen ist, sie auszusprechen; sich aber nur kritisirend auszusprechen, das ist doch nicht der richtige Weg, um zur Klarheit zu gelangen.
Ich will mich bemühen, rubig und sachlich auf den Gegen stand einzugehen. Ich hafte gehofft, daß nach den Mit- theilungen des Herrn Finanz Ministers hier im Hause doch eine größere Beruhigung eingetreten wäre darüber, daß es dem Bundes rath vollständig fern gelegen hat, das Gesetz so anzuwenden, daß es in der That nur geringe oder gar keine Wirkung hätte. Als der Initiativantrag an den Bundesrath mit der clausula Windthorst — ich darf mir wohl auch erlauben, die Klausel so zu nennen — ge— langte, konnte er es sich nicht verhehlen, daß es sehr schwer sein würde, dieses Gesetz auszuführen, ohne dabei sehr große Benach⸗ theiligungen und Schwierigkeiten herbeizuführen. Er befand sich dabei in vollständigem Einklang mit verschiedenen Aeußerungen, die hier beim Entstehen des Gesetzes gefallen waren. Auch hier war von verschiedenen Seiten, und iwar Seiten, die dem Antrage günstig gegenüberstanden, darauf hingewiesen worden, daß es außerordentlich schwierig sein würde, Unredlichkeiten und Malversationen vorzubeugen. Es war ausdrücklich von einer Seite, die unzweifelhaft dem Antrag⸗ steller sehr nahe fteht, darauf hingewiesen worden, daß man zum Bundesrath das Vertrauen haben müsse, daß er die Beibringung des Beweises so regeln werde, daß Unredlichkeiten nicht oder nicht leicht vor kommen könnten. Das ist hier ausdrücklich ausgesprochen worden, und es ist von keiner Seite, soviel ich weiß, ein Widerspruch dagegen erhoben worden; der Bundesrath durfte also in der That der Ansicht sich zunelgen, daß er bei dem Erforderniß des Beweises mit, einiger Strenge zu verfahren habe. In diesem Sinne sind die Ausführungs⸗ bestimmungen getroffen. Man muß ja auch zugeben, daß die Frage: wie ist ein Beweis zu führen? ganz rerschieden beantwortet werden kann. Wenn man einen ganz leichten Beweis zulassen will, so wird man sich begnügen können mit Briefen, Correspondenzen und Handels⸗ büchern. Wenn man aber nicht die leichteste Form zulassen will, so wird man schwerwiegendere Beweise erfordern müssen, vereidete Zeu⸗ gen oder öffentliche Urkunden. Das an den Bundetrath gerichtete Vertrauen, er möge beim Erfordern des Beweises mit Strenge ver. fahren, bedeutet doch nicht, daß er ganz ailgemein jedes Beweismittel zulassen sollte, sondern daß er scharfe Bewelsmittel fordern sollte. Nun hat der Herr Finanz ⸗Minister den Sinn der Instruktion des Bundegraths bereits dahin bezeichnet, daß es sich nur um Tie allgemeine Anweisung an die Zoll. Direktivbehörden gehandelt hat. Wenn es möglich gewesen wäre, daß der Bundetrath oder eine Ab⸗ theilung des Bundesraths in allen diesen Fällen selbst zu Gericht hätten sitzen können, selbst die Entscheidung hätte treffen können, so wäre es nicht nöthig gewesen, eine allgemeine Instruktion zu erlassen. Das war aber ausgeschlossen. Der Bundesrath mußte diese Ange⸗ segenheit in die Hände einzelner Behörden legen, und er hat das ger than, indem er die Zoll-⸗Direktivbehörden im Allgemeinen damit beauftragt hat. Er mußte nun der großen Zahl der Behörden die Fälle bezeichnen, in denen unbedenklich der niedrige Zoll zugestanden werden dürfte. Es ist dabei ausdrücklich gesagt worden in der Regel“; es war also nicht ausgeschlossen, daß auch über dieses Maß hinaus in einzelnen Fällen, wo besondere Gründe dafür sprechen, auch sonst der Bewels als erbracht angesehen werden kann, und zwar von Seiten der oberen Finanzbehörde und des Bundesraths. Bas ist die Bedeutung dieser Instruktion und ich glaube, daß damit auch insoweit den Anforderungen des Gesetzes ge⸗ nügt ift, als bei einer verständigen Handhabung; die dafür sorgen muß, daß Schaden abgewendet wird, daß keine Unredlichkeiten vor⸗ kommen, gegangen werden kann.
Meine Herren, dann ist noch ein Angriff von dem Abg. Struck mann auf die Ausführungsbestimmungen gemacht. Ich glaube, dieser Angriff beruht auf einem Mlßverständniß. Es betrifft das die Frage der unmittelbaren Einfuhr. Diese Frage ist früher wiederholt in
Zeitungen erörtert worden, aber in der letzten Zeit nicht mehr, und
ĩ laube, daß nach den Ausführungen der „Freihandels correspon⸗ ö die Frage bereits so erledigt ist, wie es Hr. Abg. Struckmann, verstanden habe, will. Meine Herren, in der Ausführungs⸗ bestimmung keißt es, daß durch einen vor dem 15. Januar ab⸗ geschlossenen Vertrag die unmittelbare Lieferung der Waare nach dem Zollinland bedungen sein soll. Es ist hier das Wort unmittel⸗ bar“ eingesetzt worden — ein Ausdruck, der mit dem Inhalt des Gesetzes übereinstimt — um gewisse Zweifel autzu⸗ schließen, die sich in der Beziehung ergeben haben, ob es nothwendig sei, daß die Einfuhr nach dem Zollgebiet bedungen fein müffe, oder ob auch die Cinfuhr in andere Häfen bedungen sein könne. Der Sinn des Gesetzes ist doch der: es soll der niedrige Zoll zugestanden werden, wenn die Einfuhr erfolgt ist. In einem Zoll⸗ . kann die Einfuhr nur bedeuten die Einfuhr in das Zollgebiet und nicht die Einfuhr nach Rotterdam oder auch, nach Hamburg, denn das Gesetz ist nicht für Hamburg gemacht. Die Einfuhr muß ferner eine Folge sein eines Vertrages, der vor dem 15. Januar ab⸗ geschlossen ist, also es muß der Vertrag darauf gerichtet gewesen sein, daß aus dem Zollauslande — oh nun von Hamburg oder Bremen oder Rotterdam, ist in diesem Falle ganz gleich — daß aus dem Zollauslande die Waare in das Zollinland übergeht, das muß der Zweck des Vertrages gewesen sein. Es ist völlig gleichgültig, ob die Waare in Hamburg oder Rotterdam gelagert hat, es kommt blos darauf an, daß der vor dem 15. Janugr abgeschlossene Vertrag die Ueberführung der Waare aus dem Zollausland in das ollinland bedingt. Dies klarzustellen und den Zollbehörden vor Augen zu halten, ift die Absicht der Instruktion gewesen, die der Bundesrath erlaffen hat; daß dieselbe irgend etwas zum Gesetz hinzuthun oder den Sinn desselben verandern sollte, hat dem Bundesrath vollständig
fern gelegen. Ich glaube deshalb auch,
denz soweit ich
daß der Antrag des Hrn. Abg. Seipio auf Nr. 241 der Drucksachen nicht gegenstandslos ist, sondern ganz was Befonderes bedeutet. Wenn Sie den Antrag Scipio annehmen würden, würde sich die ag so stellen: wenn am 31. Dezember d 6 ertrag zwischen einem Hause in Antwerpen und einem inländischen Hause geschlossen wird, wodurch Getreide verkauft wird, so soll es dem alten Satz unterliegen, wenn das Antwerpener Haus glaubhaft nachweist, daß das Getreide von Antwerpen aus vor dem 1, Februar bestellt und zur Einfuhr in das Zollinland bestimmt ist. So ist die Auslegung, bie der Abg. Scipio dem Antrage giebt, Das würde ja wirklich zu ganz ungeheuerlichen Konsequenzen führen. Dann würde ja alles Hetreide, watz in Rotterdam liegt. zum geringeren Zollsatz nach Deutschland geschickt werden, denn jeder, der in Rotterdam Getreide hat, denkt, 6. es auch nach Deutschland eingeführt werden kann, jeder Händler bezieht dort Quantitäten, um sie eventuell nach Deutsch⸗ Rotterdam ist, bei uns zu dem ermäßigten Sat eingehen, Meine . den Anträgen sowohl der als duch vielleicht den jetzt vorliegenden Anträgen, das will ich annehmen, x üben, die Härten des Gesetzes abzumindern. thatfächlich wird gerade das Gegentheil erreicht:
gewendet auf Kosten der
land einzuführen, und so würde alles derartige Getreide, was in
indthorstschen Klausel st Billi 2
i Grunde, thunlichst gkeit zu n,, han meine Herren, * n treidehändlern ein immenser Vortheil zu⸗
n,, vgn ne: e; es wird die wirthschaftliche inausgeschoben, und, worauf ich
Vortheil zugewendet auf Kosten gerade des kleinen und Mittelbetriebes; — ich werde mir das noch näher auszuführen erlauben Wie groß die Vorrathseinfuhren gewesen sind an den Gegenstãnden, welche durch die Zolltarifnovelle betroffen sind, ist noch nicht ganz klarjustellen; aber wenn man die Statistik zur . nimmt, so findet man, daß schon im November Is84 eine sehr erhebliche Vorrathseinfuhr stattgefunden hat. An Welzen betrug die Einfuhr im November 1884 739 0900 Doppel- zentner gegen 302 000 Doppelzentner im November 1883; das ist also nahezu das 23 fache. Meine Herren, ich glaube, es kann gar keinen schlagenderen Beweis als diese Zahlen dafür geben, daß man schon im November an der Börse ganz genau wußte, es handele sich um Zollerböhungen für Getreide. Diese Vorrathseinfuhr wäre gar nicht zu erklären, wenn man nicht gedacht hätte, daß die Zölle erhöht werden sollten. ; Im Dezember setzten sich diese Vorrathseinfuhren fort. Bei Weizen betrug die Einfuhr im Dezember 1884 808 546 Doppelzentner gegen 305 000 Doppelzentner im Dezember 1883. also das 23 fache. Bei Roggen war eine Einfuhr von 1056000 Doppelzentner gegen S57 000 Doppelzentner im Vorjahre; also circa 00/0 mehr. Bei Gerste betrug die Einfubr im Dezember 1884 853 000 Doppelzentner gegen 380 0600 Doppelzentner im Jahre 1883; also mehr als das Doppelte. Bei Mehl betrug im Dezember 1884 die Einfuhr 61 (000 Doppelcentner gegen 36 000 Doppelcentner im Vorjahr; also mehr als 60 0 / o, : . ⸗
Ich möchte mir nun noch erlauben, die entsprechenden Zahlen pro Januar zu geben. An Weizen hat im Januar eine Einfuhr stattgefunden von 2 211000 Doppelcentner gegen 1303 000 Doppel- centner im Vorjahr, also annähernd das Doppelte. Und in Cham⸗ pagner ist im Januar 1885 mehr als das Dreifache eingeführt worden von dem, was im Januar des vorigen Jahres eingeführt war. Es kommen nun noch hinzu die Einfuhren pro Februar — bis zum 271. Februar, an welchem Tage das Sperrgesetz in Kraft trat. Ich bin überzeugt, daß diese noch unbekannten orratbseinfuhren mindestens ebenso stark waren als die angeführten, wenn nicht erheb⸗ lich stärker. . . Nach einer oberflächlichen Berechnung komme ich dahin, daß die Benachtheiligzurg durch die Vorrathseinfuhren, allein für Getreide, für die Monate November, Dezember und Januar sich auf 5) Millionen Mark beziffert. Meine Herren. wem ist dieser Vortheil zuge⸗ fallen? Jedenfalls nur den Großhändlern, den großen Spe— kulanten, keinenfalls den kleinen, auch nicht dem ge— wöhnlichen Müller, der einzelne Bezüze aus dem Ausland macht, aber nicht im Stande ist, Vorrathseinfuhren zu machen. Der wird aufs Wesentlichste benacbtheiligt. ö Meine Herren, es bewegt ja diese Frage tief die ganze Industrie, den ganzen Handel und namentlich tief die Müllerei und die kleineren Händler. Ich halte es nicht für unnöthig, Mittheilung zu machen von zwei Eingaben, die der Regierung zugegangen sind. Die erste rührt ber von einem Getreidehaus in Königsberg, einem durchaus nicht kleinen Haus, welches eine Filiale in einer anderen Hafenstadt hat, also Schiffsverkehr mit Getreide unterhält, und nach den mir zugegangenen Nachrichten sich eines durchaus guten Renommees er⸗ freut; — ich bin . . . die Namen nachher zu nennen. Dieses Getreidehaus schreibt Folgendes: .
; Es kann dies Gesetz nicht nur das solide Geschäft nicht be⸗ günstigen, sondern es leistet geradezu der Unsoliditãt Vorschub, ab⸗ gefehen davon, daß es in Folge der kolossalen plötzlicken Massen⸗ getreideeinfuhr, die es veranlaßt, auch auf anderen Gebieten die ungesundesten Verhältnisse hervorruft. Unser Getreidehandel mit Rußland liegt ausschließlich in den Händen von naturalisirten und nicht naturalirten Russen, die in Rußland ihre Kommanditen haben, oder russischer Handlungshäuser, die hier ihre Kommanditen haben. Diese werden sich nun durch Austausch von antidatirten und fin; girten Kontrakten mit Leichtigkeit große persönliche Vortheile auf Kosten der übrigen Reichsangehörigen verschaffen können und zweifellos au verschaffen. Die soliden Getreidegeschäfte gewinnen nichts; ich führe das Faktum an, das ja in Berliner Fachkreisen bekannt sein wird, daß fast sämmtliche Berliner Importeure von ruffischen Firmen enorme Massen Getreide, „nach Eröffnung der Schiffahrt versteuert in Deutschland zu liefern“, gekauft haben,
— Das heißt: der Ausländer trägt den Zoll — und bin der Meinung, daß jeder solide Kaufmann seinem Kauf⸗ fontrakte die Worte „versteuert zu liefern? eingeschrieben hat. Wäre das Gesetz nicht, k hätten eben die russischen Käufer den Zoll zu tragen; jetzt genießt aber der deutsche Importeur nicht nur Feinen Vortheil aus dem Gesetze, im Gegentheil, es kommen alle Nachtheile aus der rückwirkenden Kraft des Sperrgesetzes nur dem Auslande zu gut, für das wir nicht zu sorgen haben. Die weitere Folge des Gesetzes wäre, daß der legitime Handel für lange Zeit lahm gelegt wurde, denn er ist, so lange die großen Vorrälhe reichen, welche zum alten Zoll eingeführt wurden und werden, nicht in der Lage, mit dem 2 S6 höheren Zoll zu konkurriren. = ; ; Dieser Eingabe möchte ich noch anfügen eine Eingabe von mehreren Müllern aus Hannover. Dieselbe besagt Folgendes: In erster Linie ist es nicht wahr, daß die großen Herren aus anderen Gründen als jenen der großen Spekulation die großen Käufe abgeschlossen; es ist. unwahr daß man in der . die erhöhten Getreidezölle nicht früher als am 1J5. Januar beachtet hat. Bereits im Oktober und November vorigen Ighres tauchten diese Zölle gespenstisch auf; im No⸗ vember, glaube ich, konstituirte sich die Freie wirthschaftliche Ver- einigung und warf die erste Aufmerksamkeit auf höhere Getreide zölle. Seit jener 43 datiren die großen Verschleiße auf besonders russischen Roggen u. s. w. .
lien, e. diese großen reichen Herren solche Vorzüge genießen sollen, was soll denn aus den kleineren Mühlen und Kaufleuten werden, wenn diese auf lange, lange Zeit von der großen Kon⸗ kurrenz an die Wand gedrückt werden; haben wir denn kein Recht auf Existenz? Wir können keine Abschlüsse auf Jahre vorher machen, wie die großen Mühlen; was sollen wir denn thun und wovon) leben, fo lange die Großen billiges Fabrikat in Folge der Zollvergünstigung verkaufen? Wir sind doch geradezu unmöglich gemacht. Es kann doch unmöglich im Sinne der Gesetzgebung liegen, dem großen Mann besondere Vorzüge zu gewähren und demfeiben einen Ersatz zu bieten, wo nicht einmal Schaden voraus⸗
w z — gan , ne, welche so viel russischen Roggen ge⸗
Ich kenne eine Mühle, ͤ lben d ühere Zoll belassen wird, sie bis , Wo egen die kleineren Müh⸗
nächstes Jahr billigen Roggen hat. eine
a ö. 86 solche Konkurrenz aushalten und die jetzt schon, in Folge der Reichstagsverbandlungen, so fühlbar, ruinirend bemerk⸗ bar wird. Es giebt auch Mühlen, welche Ausländer als Komman ; ditäre haben; wie leicht ist es, der Regierung Schlußscheine vor zulegen, welche ursprünglich nur pro forma ausgefertigt sind.
Meine Herren, ich will Sie verschonen mit der weiteren Ver lesung. Der Inhalt des Schriftstücks ist der: der kleine Müller. nicht blos der kleinste, sondern auch der mittlere, der keine Vorraths⸗˖ bezüge aus dem Auslande macht, ist darauf angewiesen, sich von dem großen Getreidehändler und Spekulanten des Inlandes die Bezüge zu kaufen; der schenkt ihm natürlich nichts, er streicht den Zollvortheil, den er hat, ruhig in die Tasche, und soweit Mühlen. die felber aus dem Auslande beziehen, Vorrathsbestände haben, haben fie ganz den gleichen Vortheil der Zollermäßigung, sie können also mit den eigenen Fabrikaten, welche sie aus billigerem Rohmaterial hergestellt 2 natürlich unter günstigeren Verhältnissen konkurriren als diejenigen Mühlen, welche hoch besteuertes Getreide gekauft haben. Das liegt so auf der Hand, daß ich glaube, es wird eines weiteren Beweises nicht bedürfen. Ich behaupte also und bleibe dabei, daß der Vortheil, der aus dieser Benachteiligung der Zelleinnahmen er= wächst, wie ich ihn vorher auf 5 Millionen Mark bezifferte, aus- schließlich den großen Spekulanten . den großen Händlern, und daß er erzielt ist auf Kosten der Konkurrenz der mittleren und kleinen
Wirkung des Gesetzes auf Monate
Zeilung bringt das, eine andere Zeitung das. Ja, meine Herren, es
das größte Gewicht legen möchte, es wird diesen großen Häusern ein
Müller.