1885 / 77 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 31 Mar 1885 18:00:01 GMT) scan diff

Ersparnisse (in Fl) 13 337 18 884 30 416 33 650 54 647 71817

114734

Spa rende Schüler 2621 3010 3682 2 865 7333 14 984 16273

Jahr Orte Schulen

1876 13 15 1877 17 20 1878 30 36 1879 35 50 1880 96 141 1881 178 240 1882 256 365 1883 314 438 21 992 131 580

1884 317 458 24 085 1951 461

In Oesterreich beabsichtigt man, die Postsparkasse in den Schulen einzuführen, und zwar in den Volksschulen, Gymnasien, Realschulen und Gewerbeschulen, und die Lehrer mit dem Einsammeln der Sparpfennige, scwie mit der Rechnung und dem Aufbewahren der Sparbücher zu betrauen.

Die Verschuldung des Privatgrundbesitzes im europäischen Rußland. Von den 333 068 499 Deßjätinen Flächenraum, welche die Gouvernements und Gebiete des euro— päischen Rußland insgesammt umfassen, befinden sich in Privatbesi 92 521 gö3 Deßjätinen (1 Deßjätine 109,25 a). Am stärksten ist der Privatgrundbesitz in den sieben littauischen und weißrussischen Gouvernements Gredno, Witebsk, Minsk, Mohilew, Wilna, Kowno und Smolensk wo von dem Gesammtflächenraum 53,2 Oo sich im Privatbesitze befinden. Sodann folgen die drei südwestlichen Gouvernements Podolien, Kiew und Wolhynien mit 47,3 ½ Privat⸗ land, die drei kleinrussischen Gouvernements Charkow, Poltawa und Tschernigoff mit 42,9 oo, die sieben Gouvernements des Moskauer Industriebezirks Nischegorod, Moskau, Twer, Kostroma, Jaroßlaw, Wladimir und Kaluga mit 36,70 /9 und die sieben centralen Acker bau— Gouvernements Pensa, Tambow, Tula. Woronesch, Kursk, Orel und Rjäsan mit 364 69 vom Gesammtflächenraum. Viel geringer ist der Privotgrundbesitz in den übrigen Gouvernements. Von den 92521 953 Deßjätinen Privatland waren im Jahre 1884 bei den russischen Agrarbanken verpfändet 28 446 524 Deßjätinen oder 0,75 o/. Die Gesammisumme der auf diesem verpfändeten Grund befitz noch lastenden Darlebensschuld betrug 489 063 036 Rbl. Im Durchschnitt stellte sich pro Deßjätine der Taxwerth auf 39. 38, die Dar⸗ lehnssumme auf 22,71 und die noch zu tilgende Darlehnsschuld auf 17,19 Rbl. Am verschuldetsten ist der Grundbesitz in den drei südwestlichen Gouvernements, wo 44,2 00 des im Priratbesitz befindlichen Landes mit 635 Mill Rbl. verpfändet sind. In den sieben Wolga⸗Gourernements sind 39, ½ mit 643 Mill. Rbl., in den acht südlichen Steppengouvernements und Gebieten 37.7 0,0 mit paß Mill. Rbl., in den sieben centralen Ackerbau Gouvernements 3732 6,Ʒ mit 1447/1 Mill. Rbl., in den drei kleinrussischen Gouver— nements 56,7 9 mit 504 Mill. Rbl., in den sieben littauischen und weißrussischen Gouvernements 28,9 c mit 376 Mill Rbl., in den sieben nördlichen Gouvernements 19,9 ½ mit 147, Mill. Rbl. ver—⸗ pfändet, und endlich sind in den sieben Gouvernements des Moskauer Industriebezirkes 14,8 0,½ des Privatlandes verpfändet mit 193 Mill. Rbl.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Reichsgesetze. Text mit Anmerkungen. Kortkampfsche Ausgabe. Titel Till. Gemeinsame Gesetzgebung über Strafrecht rc. Heft 4. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom J15. Mai 1871“ und 26. Februar 1876. Mit dem Gesetz, be⸗ treffend den Wucher vom 24. Mai 1880, sowie den sonstigen Abänderungen. Unter besonderer Berücksichtigung des Militär . Straf⸗ gesetzbuchs, sowie der preußischen Gesetze über Forstdiebstahl und Forst und Felkpolizei für den praftischen Gebrauch bearbeitet von Solms, Ober⸗ und Corps⸗Auditeur, Lehrer an der Kriegs⸗Akademie. 21. Gesammt⸗Auflage. Berlin, Fr. Kortkampf. Die in dem vorliegenden Bändchen der Kortkampfschen Sammlung Reichs - Gesetze. Text mit Anmerkungen? enthaltene 21. Auflage des „Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 15. Mai i871 und 26 Februar 1876 sowie die späteren Abänderungen ist der 2. Auflage des gleichzeitig im Kortkampfschen Verlage erschienenen größeren Werke desselben Bearbeiters: Strafrecht und Strafprozeß für Heer und Marine des Deuischen Reichs! entnommen. Diese, zurächst für untersuchungführende Offiziere bestimmte Bearbeitung ist durch vorstehende Ausgabe namentlich denjenigen bürgerlichen Kreisen zugänglich gemacht, welche berufen sind, im Dienste des Staats als Schöffen und Geschworene an der Handhabung der Rechtspflege mit— zuwirken. Es giebt nun zwar allerdings schon eine große Zahl von Textaufgaben des Steafgesetzbuchs mit bezw. ohne Anmerkungen; allein erstgedachte Ausgaben sind vornehmlich für den Gebrauch von Juristen berechnet und für das Bedürfniß anderer Kreise unzureichend; eine einfache Textausgabe des Gesetzes dient wohl dazu, um den Laien im Allgemeinen mit dessen Inhalt bekannt zu machen, aber reicht nicht aus, sobald es sich um Anwendung einer bestimmten Vorschrift in einem gegebenen Falle handelt; daher sind dem Gesetz kurze, allgemein verstaͤndliche Erläuterungen beigefügt. Daß in den Anmerkungen den Bezugnahmen auf das Militär ⸗Strafgesetzbuch ein breiterer Raum gegeben, findet seine Begründung in dem ursprünglichen Zweck dieser Bearbeitung. Die fernere besondere Berücksichtigung der beiden preußischen Gesetze über den Forstdiebstahl vom 18. April 1878 und über Forst— und 1 vom 1. April 1880 stützt sich auf deren unmittelbaren Zusammenhang mit dem Reichs ⸗Strafgesetzbuch.

Pxreußische Gesetze. Text mit Anmerkungen. Kort— kampfsche Ausgabe. Heft 19. Forstdiebstahls ⸗Gesetz vom 15. April 1878 und Forst und Feldpolizei⸗Gesetz vom 1. April 1880. Nebst Ausfübrungs-⸗Verordnungen. Für den prakrischen Ge— brauch bearbeitet von Solms, Ober⸗ und Corps⸗Auditeur u. s. w. Berlin, Fr. Kortkampf. Die vorliegende Bearbeitung des Forst⸗ diebstahls⸗ und des Forst- und Feldpolizei Gesetzes ist zum Theil entnommen dem größeren Werke desselben Verfassers: „Strafrecht und Strasyrozeß für Heer und Marine des Deutschen Reiches, 2. Auflage“. Die Eigenart der Bearbeitung, namentlich die Berücksichtigung derjenigen Ansprüche, welche von den zur Handhabung von Gesetzen berufenen Nichtjuristen an eine mit Erläuterungen versebene Darstellung von Gesetzen erhoben werden, ließ es angemessen erscheinen, sie durch Veranstaltung einer besonderen Ausgabe weiteren Kreisen zugänglich zu rnachen. Der Verfafser unterzog deshalb die ursprüngliche, nur für das Bedürfniß der Militär⸗Rechtspflege bearbeitete Darstellung einer eingehenden Ueberarbeitung, wodurch die den einzelnen Para—⸗ graphen beigegebenen Anmerkungen eine sehr wesentliche Erweiterung erfuhren. Auch die Ausführunge-Verordnungen sowie die Formulare wurden neu hinzugefügt. Die kurze und knappe, dabei aber doch all⸗— gemein verständliche Fassung der Erläuterungen, namentlich die Er— flärung vieler juristischen Begriffe, dürfte diese Bearbeitung besonders für ben praktischen Gebrauch empfehlen und sie geeignet machen, die Handhabung und Anwendung der einzelnen Bestimmungen im Sinne des Gesetzgebers zu sichern. Das beigegebene ausführliche Sachregister wird dazu beitragen, den Gebrauch zu erleichtern.

Grundzüge der deutschen Literaturgeschichte “). Ein Hülfsbuch für Sckulen und zum Privatgebrauch von Dr. Gottlob Egelhaaf, Peofessor am oberen Gymnasium zu Heilbronn. Mit Zeittafel und Register. Heilbronn. Verlag von Geür Henninger. 1884. Gr. 89. S. VIII. und 1090. Preis 2 Der Verfasser dieser seit dem Jahre 1881 in dritter Auflage erscheinenden Grund- züge der deutschen Literaturgeschichte geht von dem Grundsatze aus, zwischen der Aufgabe eines gelehrten Repertoriums und der eines Buches für den Schulgebrauch wie für Priratleklüre scharf zu unter— scheiden. Er will im , zu der früheren üblichen Lehrmethode dies Buch nicht mit einem Ballast von Namen, Schriften und Titeln beschweren, das Neben sächliche bei Seite lassen, aber die Haupt⸗ erscheinungen der Literatur eingehend besprechen. Unter Festhalten der Gesammtübersicht veisteht Dr. Egelhaaf als gründlicher, einfichts⸗ voller Kenner der deutschen Literatur und mit sicherem Griff die bedeutenderen Erscheinungen von den minder erheblichen Leistungen zu scheiden. Er setzt nach Gervinus schöpferischen Vorgange die

Poesie in Zusammenbang mit der ganzen Kulturentwickelung; er erfaßt Lie einzelnen Dichter in ihrer Wechselwirkung auf einander und schildert den Einfluß, welchen sie auf ihre Zeit, ihre Zeit auf sie ausgeübt haben. Jede . wird in ihrem inneren Kein erfaßt, sie an die ibr gebührende Stelle gesetzt und dann ein Gesammtbild des Wirkens gegeben. Inneren Gründen folgend, theilt der Verfasser den Stoff nach folgenden sieben Perioden, welche sich mit den Einschnitten der politischen Geschichte berühren: Althoch⸗ deutsche Periode: 1) Von den Anfängen der Literatur bis zu den Kreuzjügen, heidnische und christliche Literatur. Mittelhochdeutsche Periode: 2) Die erste Blütheperiode im Zeitalter der Hoben⸗ staufen und der Kreuzzüge, 150 1250. 3) Periode des Zerfalls, das Bürgerthum, vorwiegend Träger der Literatur, 1250 - 1500. Neuhochdeutsche Periode: 4) Die Literatur im Zeitalter der Re⸗ formation, 1500-1624 5) Die Literatur in den Händen der Gelehrten und in Abhängigkeit vom Auslande, 1624 1748. 6) Die zweite Blütheperiode von Klorstocks Auftreten bis zu Goethe's Tode, 1548—1832. 7) Die Literatur seit 1832. Der Verfasser beherrscht den Gegenstand vollständig. Die Urtheile stützen sich auf eigene gründliche wie umfassende Studien, namentlich auch der älteren germanischen Philologie. Die Darstellung ist klar und ge— drängt, gefällig und anziehend. Die allgemeinen Charakteristiken und Uebersichten der inzelnen Literaturperioden, welche den Zusammenhang der Literatur mit der politischen und ulturentwickelung vermitteln, sind als wirklich gelungen zu bezeichnen. Die genauen Angaben des Inbalts der Werke Wolframs ron Eschenbach, des Nibelungen⸗ und Kudrunliedes werden Icherlich zur eigenen wünschenswerthen Kenntnißnahme der Dichtungen anregen, weil des ersteren sittlicher Ernst, die Lauterkeit seiner religiösen Gesinnung, die Tiefe seiner Gedanken, der Reichthum und die Wucht seiner Sprache mit Recht geltend gemacht wird und das Nibelungen— lied in mannigfachem Betracht würdig an die Seite Homers treten darf. Aus der neubochdeutschen Periode sei hingewiesen auf die ein—⸗ gehenden Charakteristiken von Klopstock, „welcher der Poesie durch seinen christlichen und deutschen Ernst einen würdigen Inhalt verliehen hat“, von Wieland, welcher durch die ganz besonders eigene Anmuth und Eleganz der Form die höheren Stände Deutschlands, die seither blos für die französische Literatur Sinn gehabt hatten, für die deutsche zu interessiren und einzunehmen wußte, zu Klopstock einen Gegensatz bildet, der für das Ganze unserer Literatur sicherlich nicht unwillkommen ist“, und von Lessing, „ein Mensch von seltenem Adel der Seele, seltener Schärfe des Verstandes, seltener Wahrhaftig- keit, welcher der von Klopstock praktisch geschaffenen prakitischen Dichtung durch seine kritischen Untersuchungen die wissenschaftliche Unterlage gegeben hat, insbesondere das neue Drama gegründet, endlich auf den verschiedensten Gebieten geistigen Lebens sich um unsere Nation bleibend verdient gemacht hat‘. Des Letzteren Werke sind nach dem bleibenden Werthe gewürdigt. Herders Bedeutung für unser Kulturleben kann nicht leicht hoch genug angeschlagen werden; überall ist er anregend und pfadfin dend aufgetreten als „der Atlas, der eine neue Welt menschlichen Denkens und Dichtens auf den Schultern tlägt“. Von Goethe rühmt der Verfasser, daß er nicht einer unserer Dichter war. daß er unser Dichter schlechthin ist, wie Homer der Dichter der Hellenen und Shafespeare der der Britten ist. Dieser Liebling des Glückz ist wie Schiller gleich verehrungswürdig durch die sittliche Kraft seiner Natur wie durch seine für Freiheit und Wahrheit begeisterte Musen, nach den Schöpfungen als Lyriker, Epiker und Dramatiker scharf und zutreffend dargestellt. Von den neueren Dichtern ist Geibel nach Inhalt und Form als der erste Lyriker be— zeichnet, welcher sich Ehre, Freiheit und Einheit des deutschen Volks nicht denken kann ohne den frommen Glauben der Väter. Unter den

Historikern der Neuzeit hätte auch Heinrich Leo (1799 1878) auf—

geführt sein müssen (Geschichte des Mittelalters der italienischen Stagten, Universalgeschichte). Eine Zeittafel und ein spezielles Register beschließen das Werk, dessen auf praktischer, pädagonischer Erfahrung erprobter Werth wesentlich durch die erfrischende Reich— haltigkeit wie geschickte Beschränkung auf das Haupt ssächlichste begründet wird. Die von der Verlagsbandlung nach löblichem Herkommen durch dem Auge wohlthuenden Druck, wie weißes Papier vortheilhaft aus— gestattete Schrift darf nicht blos für den beahsichtigten Zweck, den Schülern und zum Privatgebrauch, sondern auch älteren, einsichts vollen Freunden der deutschen Literaturgeschichte angelegentlichst empfohlen werden, welche noch eine gründliche Befestigung ihrer Ansichten er⸗ werben wollen oder eine geistreiche Anregung für neue Gesichtspunkte zu erwerben wänschen.

Heinrich Hofmanns Festgesang für Chor und Orchester Dichtung von E. von Wildenbruch), welcher am Geburtstage Sr. Majestät des Kaisers und Königs in der Akademie der Künste erstmalig aufgeführt wurde, erscheint demrächst im Verlage von Breitkopf und Härtel in Leipzig.

Brockhaus' Conversations- Lexikon. In seine gegenwärtigen dreizehnten Auflage ist dieses Nachschlagewerk unbe— zweifelt das neueste und zuverlässigste; Text wie Illustrationen folgen den Fortschritten in Wissenschaft, Kunst und Gewerbe, den Wand—⸗ lungen im politischen und Kulturleben, den statistischen Ergebnisen und biographischen Daten bis auf die jüngsten Tage herab. Da aber die Herstellung eines so umfassenden Werkes sich über den Zeitraum von mehreren Jahren eistreckt, die ersten Bände daher bei Erscheinen des letzten schon wieder Lücken aufweisen müssen, so hat sich die Verlagshändlung entschlossen, einen Supplementband nach Vollendung des großen Werkes zu veröffentlichen, der die während der letzten Jahre eingetretenen Veränderungen sämmtlich berücksichtigen, unter anderem auch schon die Resultate der im nächsten Dezember stattfindenden Volkszählung enthalten wird.

Gewerbe und Handel.

. Der Cours für die jetzt hier zahlbaren Oesterreichischen Silber ⸗Coupons ist auf 164,50 MS für 100 Fl. Oesterr. Silber

herabgesetzt worden.

Wien, 30. März. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Aktionäre der österreichischen Kreditanstalt genehmigte einstimmig den Geschäftsbericht, ertheilte ebenso Decharge und, beschloß, von dem, abzüglich der Zinsen für das Aktienkapital 2517125 Fl. betragenden Gewinn 4983523 Fl. dem Reservefonds zu überweisen, 199409 Fl. zu Tantionen zu verwenden und 1756000) Fl. oder 7 Fl. pro Aktie als Restdividende zu vertheilen, Der am 1. Mai e. fällige Coupon ist demnach mit 15 Fl. einzulösen, die Auszahlung geschieht bereits vom 1. April ab. Die restlichen 69 192 Fl. sollen auf neue Rechnung vorgetragen werden. Von den erledigten zwei Verwaltungsrathsstellen ist nur eine mit dem Oberbergrath Baeuler wiederbesetzt worden, die Verwaltungs räthe Gomperʒ und Wiener wurden wiedergewählt.

London, 27. März. (W. T. B.) Wollauktisn. Tendenz stetig, Preise unverändert,

Glasgow, 30. März. (W. T. B.). Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 10 860 gegen 10 90) Tontz in derselben Woche des vorigen Jahres.

Bradford, 30. März. (W. T. S.) Wolle ruhiger, fen 36 , . ö ,, ,.

Petersburg, 31. März. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach hat das Moskauer J gestattet, 2. delswechsel von 17 Monaten unter Beachtung gewisser Formalitäten zu diskontiren und ebenso Darlehen gegen Unterpfand von Antheil⸗ scheinen und Aktien gewisser Industrie⸗ und Handelsgesellschaften zu verabfolgen.

Nach dem in der gestrigen Versammlung der Gläubiger des Hauses Scaramanga vorgelegten Status betragen die Passtva des Hauses in St. Petersburg, London, Taganrog und Rostoff zusammen 285 000 Pfd. Sterl., die Aktiva 162 000 Pfd. Sterl. Die Filiale des genannten Hauses in Marseille ist intakt geblieben.

Mos kau, 30. März. Das Haus S. M. Malkiel hat seine Zahlungen eingestellt. Die Passiva werden auf ca. 2 0006060 geschätzt. Das Haus beantragt die Einsetzung einer Verwaltung.

Berlin, 31. März 1885.

Neber die Vorfeier des siebenzigsten Geburtstages des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck liegen ferner Berichte vor aus Glogau, Dramburg, Wittenberg, Halle a. S., Hannover, Schleswig, Altenburg, Ohlau und Hagen. Von letzterem Orte wurde folgendes Adresse abgesandt:

„Mehr als 2099 Hagener Bürger zur Feier des 70 jährigen Ge— burtstages und 50 jährigen Amte jubiläums Euer Durchlaucht nach glänzendem Fackelzuge zum Festkommers versammelt, bringen in be⸗ geisterter Dankbarkeit und Verehrung dem Schöpfer und Mehrer der Einheit und Größe des theuren deutschen Vaterlandes, dem treuesten Diener und Ratbgeber seines Kaisers, dem deutschesten Mann aus tiefem Herzen die heißesten Glück und Segenswünsche dar.“

Die Glückwunschadresse der Stadt Leipzig, deren Ehrenbürger der Reichskanzler ist, bat folgenden Wortlaut:

Durchlauchtigster Fürst! 1 Hochzuverehrender Herr Reichskanzler! An dem Tage, an welchem Eure Durchlaucht das siebzigste

Lebensjahr erfüllen, vereinigt sich das deutsche Volk in Millionen

seiner Glieder, um von Neuem den Dank auszusprechen, den das Vaterland Ihnen schuldet. Diesem Danke schließen sich zablreiche Bewohner Leipzigs an, einer Stadt, welche alle Zeit mit Begeiste⸗ rung auf Euer Durchlaucht Führung des Deutschen Reiches geblickt bat. Wenn neben diesen Kundgebungen wir, die Vertreter dieser Stadt, Euer Durchlaucht unsern besonderen Glückwunsch darzubringen uns gestatten, so bitten wir Dies damit rechtfertigen zu dürfen, daß wir Sie mit Stolz unsern Ehrenbürger nennen.

Selten ist in dem Leben eines Volkes Großes und Ersehntes in so plötzlicher Wandlung erreicht worden, und selten ist darin die starke Hand Eines Mannes so erkennbar gewesen, wie bei der Neu— errichtung des Deutschen Reiches. Und diese starke Hand, sie ist durch Gottes gnädigen Beistand uns erhalten geblieben und nimmer ermüdet. Sie hat uns den Frieden gewährt gegen mächtige Feinde, sie hat, geleitet von tiefer Erkenntniß und warmem Gefühle für die Bedürfnisse des Volkes, die Lösung der wichtigsten und schwierigsten Aufgaben unserer Staatskunst unternommen und schon zu einem guten Theile vollendet, und sie dient dem weltumspannenden Blicke, um überall des deutschen Volkes Ehre und Rechte hochzuhalten. Das Bewußtsein hier von erfüllt durch alle Gauen das deutsche Volk mit Verehrung und innigstem Danke für seinen Reichskanzler, und in der ganzen Wärme solcher Empfindung rufen wir Euer Durchlaucht zu:

„Gott wolle Ihnen Kraft und Gesundheit verleihen, noch lange Ihres hohen Amtes zum Segen des deutschen Volkes und der Menschheit zu walten!“

In größter Verehrung verharren wir Euer Durchlaucht ganz gehorsamste Der Rath und die Stadtverordneten der Stadt Leipzig. Leipzig, den 1. April 1885.

ö Die deutsche Kolonie in Konstantinopel übersandte dem Reichskanzler einen Türkensäbel mit Damatcenerklinge in kostbarer Scheide als Ehrengabe mit folgender Adresse:

„Durchlaucht! Wenn Deutschland heute dem geistigen Begründer seiner Macht in dankbarer Bewunderung Heil und frohe Tage wünscht, so wollen diejenigen nicht zurückstehen, die des Glückes, in der Heimath zu leben, entbehren, die aber in der Fremde unter deutscher Obhut erst recht erkennen gelernt haben, wie viel ihnen die Größe Deutsch⸗ lands, wie viel der deutschen Größe die Person des Reichskanzlers be⸗ deutet. Ew. Durchlaucht sind der Grund! und Eckstein des Gebäudes, das uns deckt, des Vaterhauses, das wir lieben, und dafür wollen wir unseren Dank aussprechen. Wir Deutschen und deutsche Schutz⸗ genossen von Konstantinopel bringen Ihnen einmüthig in tiefer auf⸗— richtiger Verehrung unsern von Herjen kommenden Glückwunsch dar, und wir bitten Ew. Durchlaucht als kleines Zeichen unserer dauernden erkenntlichen Gesinnung eine Damakcenerklinge, ein Erzeugniß morgenländischen Kunstfleißes, von uns anzunehmen. Und das sei die Deutung der Gabe: Ein Schwert dem Manne, der den Schwert— arm Deutschlands gelenkt; der federnde Stahl dem Kämpfer, der edel biegsam und fest aus allen Anfechtungen ungebrochen hervorging, der Säbel in alterthümlicher Pflugscharform dem vorausblickenden Denker, in dessen Händen die deutsche Wehr zur Pflugschar wird, die frucht— bare Furchen zieht an den fernsten Küsten der Erde. Gott gebe, daß dem Deutschen Reich sein erster Kanzler noch lange erhalten bleibe, stark, überschauend und unbeirrt! Der Kern des Volkes erkennt heute Ew. Durchlaucht mit freudigem Zuruf als seinen Führer an; möge seine Stimme wachsend und schwellend den Hader innerer Parteiung immer mehr übertönen; wir, die Draußenstebenden, wollen hiermit kund thun, daß wir eines Sinnes, ohne Parteiunterschied, Ew. Durchlaucht unseren Dank und unser Vertrauen entgegenbringen. Wir verharren Ew. Durchlaucht ganz ergebenste:“

(Folgen die Unterschriften.)

; Neu einstudirt gelangte gestern im Königlichen Schau— spielhause ein älteres Theaterstück, das Hackländersche Lustspiel „Magnetische Kuren“ zur Aufführung und erfreute sich einer durchaus beifälligen Aufnabme. Wenngleich dassel be etwas veraltet und der in ihm behandelte Stoff uns fremd geworden ist, so darf der Versuch, das anmuthige Werkchen der Vergessenheit zu entreißen, als ein durchaus gelungener bezeichnet werden. Der heutige Geschmack verlangt freilich eine kunstvoller geschlungene, tiefer motivirte Hand⸗ lung, feinere Intriguen und eine geistvollere Unterhaltung, als sie uns in den Magnetischen Kuren“ geboten werden. Vielleicht ist es aber gerade die Einfachheit der Komposition, die Naivität der handelnden Personen, welche die verwöhnten Besucher des heuti⸗ gen Theaters in so großer Zahl anzog, wie es gestern der Fall war, und sie die sonst so hoch geschraubten Anforderungen, die man an ein modernes Bühnenstück zu stellen gewohnt ist, auf das allerbeschei⸗ denste Maß herabmindern ließ. Mehr jedoch als der Dichter und sein Werk war es die ausgezeichnete Darstellung, welche den Erfolg des gestrigen Abends sicherte; das tüchtige Spiel ließ über die Schwächen der Handlung hinwegsehen und alles wahrscheinlicher und anmuthiger erscheinen, es erwarb dem Künstlerpersonal allgemeine Anerkennung. Dieselbe gebührt zunächst den Darstellern des gräflichen Ehepaars von Schönmark, Hrn. Berndal und Fr. Kahle⸗ Keßler. Richtiges Maßhalten in beiden, zur Uebertreibung verlockenden Rollen und liebenswürdiger Humor zeichnete ihr Spiel aus und trug ibm unbestrittenen Beifall ein. Derselbe gebührte in gleicher Weise Hrn. Deh— nicke, der den pedantischen Baron Steinbach vortrefflich gab, sowie Frl. Mariot als Baronin. Der unbeholfene, guimürhige Neffe des Grafen, Eugen von Felsen, fand in Hrn. Müller einen tüchtigen Darsteller. Der angebliche Magnetiseur endlich, Hr. Keßler, spielte seine drollige Rolle mit viel Humor und Geschick. Die kleine Partie der Gräfin Anna kot Frl. von Hausen leider wenig Gelegenheit, ihre Fähigkeiten in vollem Maße zu zeigen; gefällige Erscheinung und grazißses Spiel zeichnen die junge Dame aus. Das gut gefüllte Haus folgte der Vorstellung von Anfang bis zum Schluß mit sichtbarem Vergnügen.

Rebacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. El g ner. Acht Beilagen (einschließlich Börsen · Beilage)

Berlin:

M 77.

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1885.

Berlin, Dienstag, den 31. März

)

Yam me,

———

Die dritte internationale Vereinskonferenz des Rothen Kreuzes zu Genf

vom 1. bis 6. September 1884.

Vortrag, auf Allerböchsten Befehl Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, gehalten in der 19. Generalversammlung des Vaterländischen Frauen⸗ vereins vom Geheimen Legations⸗Rath Dr. Hepke.

Am 1. September 1884 trat in Genf die dritte internationale Vereinskonferenz des Rothen Kreuzes zusammen; an der Stätte, von welcher der Gedanke desselben seinen Ausgang genommen und wo er, durch die Uebereinkunft vom 20. August 1864, die völkerrechtliche Sanktion erhalten. Es waren 15 Jahre vergangen, seitdem die zweite internationale Vereinskonferenz im April 1869 zu Berlin ge— agt hatte. mn In diesem Zeitraum hatten zwei gewaltige europäische Feldzüge, zahlreiche Kriege in anderen Welttheilen und tiefgreifende politische Umwälzungen die Welt bewegt. Die in Berlin beschlossene zwei⸗ jährige Wiederkehr der Konferenzen, um die Solidarität des Rothen Kreuzes unter den verschiedenen Nationen lebendig zu erhalten und in allem Nothwendigen Uebereinstimmung zu erzielen, hatte nicht ver wirklicht werden können.

Nach einer so langen Unterbrechung war es natürlich, daß in der neuen hochansehnlichen Versammlung der Kreis der Veteranen des Rothen Kreuzes, welche an den früheren Konferenzen betheil igt gewasen, nicht alliju zahlreich war und daß im Laufe der Ver⸗ handlungen sich bisweilen der Mangel an Tradition etwas bemerkbar machte.

Der französische Regierungsbevollmächtigte, Graf Sérurier, ehrte das Gedächtniß der hochverdienten Heimgegangenen; und der Erste, den er nannte, war der frühere Präsident des preußischen und deutschen Central⸗Comitss Herr von Sydow. Wir wollen ihm den Generalarzt Dr. Löffler, den Grafen zu Stollberg, den Geheimen Re⸗ glerungs⸗Rath Esse, den Pfarrer Dr. Hahn und den Wirklichen Geheimen Dber⸗Regierungs⸗Rath Br. Housselle anschlicßen, Männer, welche unserer erhabenen Protektorin schon bei ihrem Wirken für die Gründung des Rothen Kreuzes und der Genfer Konvention treu zur Seite gestanden aben.

; Die Konferenz zählte 86 Delegirte, darunter 26 Regierungs— bevollmächtigte. Von allen Nationen war Deutschland am zahlreichsten vertreten; es zählte 20 Mitglieder. Nächst ihm Frankreich mit 17 Mitgliedern; darunter 3 Damen aus den Centralcomitss der französischen Frauenvereine. Sodann die Schweiz und Italien. In gleichem Verhältniß waren die Deutschen auch unter den Veteranen vertreten, von welchen nur 17 anwesend waren: Appia, Baroffio, v. Cazenove, Furley, Gurlt, Haß, Heple, v. Holleben, v. Kriegern, v. Langenbeck, Longmore, Metzel, Moynier, v. Mundy, Niese, Ssrurier und Staff. Darunter die bedeutendsten fachmännischen Notabilitäten. Esmarch aus Kiel und de Landa aus Pampelona, welche am Erscheinen verhindert worden, hatten doch die übernommenen Arbeiten eingesandt.

Auch die jüngere Generation hatte zahlreiche Kapazitäten auf— zuweisen, insbesondere unter den Regierungsbevollmächtigten. Aus Deutschland waren als solche Delegirte der Kriegsminister von Preußen und Sachsen erschienen, die Generalärzte v. Coler und Roth, und zwar der Erstere zugleich als Bevollmächtigter der Kaiserl. Deutfchen Regierung. Wogegen Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und Mecklenburg keine Regierungsvertreter gesandt hatten. Den genannten beiden Generalärzten war übrigens nach ihrer In⸗ struktion die Theilnahme an den Diskussionen versagt. Aus Frank⸗ reich waren drei Regierungsdelegirte anwesend, darunter je einer aus dem Kriegs⸗ und Marine⸗Ministerium. Die Frage über die Neu⸗ tralität der Hospitalschiffe und der Betheiligung des Rothen Kreuzes am Marine⸗Sanitätswesen kam aber nicht zur Erörterung in der Konferenz. Von den 33 Staaten, welche (die römische Kurie mit ein geschlossen) gegenwärtig der Genfer Konvention angehören, waren nur die Türkei, Montenegro, Rumänien, Persien, Bolivien, Chile und S. Salvador gar nicht in der Konferenz vertreten. ö

Von Japan, das der Konvention noch nicht beigetreten ist, nahm ein hoher Medizinalbeamter an der Konferenz theil, und die Gesell⸗ schast Hakacaisha, die auf den Grundlagen des Rothen Kreuzes be— ruht und deren Statut der Genfer Konvention entspricht, hatte eines ihrer Mitglieder entsandt. .

Das wichtigste Ereigniß für die Konferenz war das Erscheinen der Delegirten der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Sie kamen im Auftrage der Unionsregierung, um diese selbst und das neuerstandene amerikanische Rothe Kreuz zu vertreten. Achtzehn Jahre lang hatte sich die große Republik, welche an der Berathung und Beschlußnahme der Genfer Uebereinkunft betheiligt gewesen, von der⸗ selben zurückgehalten, bis sie am 1. März 1882 mit der Konvention zugleich die Additionalartikel dazu ratifizirte.

Der Delegirte des amerikanischen Centralcomités Mr. Sheldon deutete in seiner Rede darauf bin, daß diese Zurückhaltung nicht blos auf Gründe der hohen Politik zurückzuführen sei. Die eventuellen Kriegsleistungen, welche das Rothe Kreuz vorwiegend ins Auge fasse, wären dem amerikanischen Volke nicht sympathisch gewesen. Erst seit⸗ dem die Friedensthätigkeit des Rothen Kreuzes mit in den Vorder⸗ grund getreten, beginne dasselbe in Amerika populär zu werden, Daß aber Unionsdelegirte zur dritten internationalen Konferenz nach Europa gekommen, sei der Berliner Resolution vom April 1868 zuzuschreiben, welche in so sympathischer Weise den Wunsch nach der Theilnahme des amerikanifchen Volkes am Rothen Kreuz ausgesprochen, habe. Jene Resolution war von einem in Genf anwesenden Mitglied des preußischen Centralcomitss beantragt worden, dem Sheldon besonderen Dank aussprach. ö

An der Spitze der Unionedelegirten stand Miß Clara Barton, die Präsidentin des amerikanischen Rothen Kreuzes, mit dessen Or⸗ ganifation sie von der Regierung betraut ist. Bis zum Aushruch des Sezessionskrieges hatte sie ein Unionsamt in Washington hekleidet, dann aber in hervorragender Weise sich der freiwilligen Krankenpflege gewidmet. Im Anschkuß an die Regierungsorgane leitete sie dieselbe auf zahlreichen Schlachtfeldern, zur Rettung von Freund und Feind, ganz nach den Grundsätzen der Genfer Konvention, zu deren Annahme durch die Union sie später erfolgreich mitwickte. Die Genfer Kon ferenz hat Miß Bartons außerordentliche Verdienste durch eine be— sondere Resolution anerkannt.

Eröffnet wurden die Vereinskonferenzen durch Präsident Moynier, welcher seit Gründung des Rothen Kreuzes an der Spitze des Genfer Comité steht, mit einem Rückblick auf dessen Thätigkeit seit 1869.

Das Genfer Comité war in der Berliner Vereinskonferenz vom April 1865 als gemeinsames internationales Organ des Rothen Kreuzes anerkannt und in seinen bisherigen Funktionen bestätigt worden. Diese bestanden: in der Anregung der Vereinsbildung; in der Aufnahsne der Landesvereine aus den Staaten der Genfer Konvention in die große Gemeinschaft des Rothen Kreuzes, sofern ihre Statuten

) Zur Erinnerung hieran soll, nach dem Beschlusse der Konferenz vom 6. September 1884, von den Landegvereinen aller Nationen, welche dem Rothen Kreuz angehören, ein Denkmal in Genf errichtet werden.

*

Schiedsgericht in der Alabama⸗Frage war ihr Ideal.

den Grundsätzen der Konvention entsprachen; in der Vermittelung des Wechfelverkehrs der Centralcomitss der verschiedenen Nationen und in der Befürwortung der Interessen des großen Werkes bei den Regierungen. ; .

Es war nicht in Frage gekommen, die Stellung des inter nationalen Genfer Comlfés und seine Kompetenz etwa durch ein Statut zu regeln. Doch ermächtigte die Berliner Konferenz dasselbe für Kriegsfälle zur Einsetzung von Agenturen in der Nähe der Kriegs schauplätze, um die internationalen Hilfsleistungen zu übermitteln; so wie zur Herausgabe eines „Bulletin international“, welches das Gesammtinteresse des Rothen Kreuzes vertreten und durch die Mit- arbeit der Landes vereine das gemeinsame Band lebendig erhalten sollte. Beide Einrichtungen sind ins Leben getreten und haben in den verflossenen 15 Jahren mit Erfolg gewirkt, obwohl. die Theil nahme der Landes vereine an dem Bulletin den gehegten Erwartungen nicht entsprach. ö . ĩ

Das Genfer Comits hat sich sowohl in diefen Aufgaben als auch bei der Verbreitung des Vereinswesens, der Förderung der inter⸗ nationalen Unterstützungen, der Vertretung der völkerrechtlichen Grund⸗ sätze der Konventlon vom 22. August 1864, für deren Verbesserung es wiederholt in die Schranken trat, in bewundernswerther Weise als internationales Vereingzorgan bewährt. Zumal wenn man erwägt, daß es nur eine moralische Grundlage war, welche seinem Wirken Kraft verlieh. ö

In dem Rechenschaftsbericht, der den Delegirten gedruckt vor— lag, waren die Arbeiten des Comités und ihre Ergebnisse in sehr bescheidener Weise dargelegt.

Es erschien durchaus gerechtfertigt, daß der erste Akt der dritten internationalen Vereingkonferenz eine Resolution war, welche dem Genfer Comits die vollste Anerkennung aussprach und ihm für seine künftige Thätigkeit bereitwillige Unterstützung zusicherte. Die Resolution forderte in letzter Beziehung zugleich das Comité auf, seine Wünsche der Konferenz mitzutheilen. Sie ging von deutscher Seite aus und wurde einstimmig votirt. Unverkennbar lag ihr die Absicht zu Grunde, die Stellung des internationalen Organs zu befestigen und die Hebel seiner Wirksamkeit zu stärken. Zu dem Ende sollten sich im Laufe der Verhandlungen weitere Anträge an die Resolution anschließen.

Diese Absicht wurde durch einen Vorschlag vereitelt, welchen das russische Centralcomits, nachdem er auf der Berliner inter⸗ nationalen Konferenz vertagt worden, in das Programm der Genfer Konferenz wieder hatte aufnehmen lassen und der in seiner neuen Gestalt die Stellung des Genfer Comitss in seiner Grundlage zu erschüttern drohte.

Das Konferenz⸗Programm enthielt überhaupt fast ausschließlich Aufgaben, deren Lösung in früheren Verhandlungen bereits angeregt oder in Angriff genommen worden war. Einige derselben hatten allerdings durch die Entwickelung des Rothen Kreuzes erhöhte Be⸗ deutung erlangt und wurden in eingehenderer Weise behandelt. Das Ergebniß führte meist nur zur Wiederholung oder weiteren Aus— führung der Berliner Beschlüsse.

Die Frage der Reviston der Genfer Convention, mit der sich die erste internationale Vereins ⸗Konferenz in Paris 1867 ganz vorwiegend beschäftigte, von der sich aber die Berliner Konferenz von 1869 ab⸗ gewandt hatte, war von dem Programm der Genfer Konferenz von 1884 ausdrücklich ausgeschlossen. Es zeigte sich jedoch sogleich bei dem russischen Antrage und in den späteren Verhandlungen wiederholt nur zu deutlich, daß ein Fortschritt in manchen der wichtigsten Aufgaben des Rothen Kreuzes, ohne eine Revision der Genfer Uebereinkunft vom 20. August 1864 nicht möglich sein werde.

Vor Allem beschäftigten die Genfer Konferenz, wie die Berliner, Organisationsfragen. Zu einer der tiefgreifendsten gestaltete sich der russische Antrag, welcher, im Falle der Unzulänglichkeit des Militär- Sanitätswesens, die Fürsorge für Verwundete und Kranke von den Kriegführenden dem internationalen Comits und seinen Agenten über— tragen wissen wollte.

Professor v. Martens, Mitglied des Ministeriums des Aus— wärtigen in St. Petersburg und Staatsrath von Oom, Kabinets⸗ sekretaͤr der Kaiserin von Rußland, befürworteten die völkerrechtliche Anerkennung des internationalen Comités, also die Gründung eines neuen internationalen Instituts, für welches die Genfer Konvention keinen Boden hat. Denn diese anerkennt und schützt die freiwillige Krankenpflege des Rothen Kreuzes und ihre Organe nur, wenn sie dem Militär⸗Sanitätswesen der Kriegführenden angeschlossen ist.

Das internationale Comits selbst hatte, im Gegensatz zu dem russischen Antrage, der Konferenz Vorschläge zur Genehmigung vor⸗ gelegt, welche lediglich diejenige Stellung betrafen, zu der das Comits durch seine eigene Entwickelung und durch die ihm von den früheren Konferenzen ertheilten Autorisationen gelangt ist. Die Grundlage dieser Stellung ist nur eine moralische, keine völkerrechtliche. Und gerade diese moralische Grundlage hat das internationale Comits, wie das Rothe Kreuz überhaupt, zu einer Macht heranwachsen lassen, deren Wirkungskreis sich der allgemeinsten Anerkennung erfreut.

ö ö. einer Alterirung solcher Verhältnisse ist die größte Vorsicht geboten.

Ob die Erhebung des internationalen Comitss zu einem völker rechtlichen Institut möglich? Ob sie für das Gedeihen des großen Werkes des Rothen Kreuzes erforderlich sei? Diese Fragen sind schwer zu beantworten. Die Erweiterung der völkerrechtlichen Grund lage der Genfer Konvention muß jedenfalls den Entschlüssen der Re— gierungen vorbehalten bleiben. ;

Diese Gesichtspunkte wurden insbesondere von deutscher Seite, wo man der Auffassung und den Wünschen des internationalen Comitèéz gern entgegenkam, entschieden zur Geltung gebracht. Auch von französischer Seite geschah das Gleiche. Indessen fand doch die geistvolle Art, in welcher die russischen Delegirten für eine Grweite⸗ rung des Völkerrechts eintraten, sympathischen Anklang in der Ver— sammlung. Hatte doch Rußland sich in den letzten Jahrzehnten durch seine Bemühungen auf diesem Gebiet besonders ausgezeichnet und nam⸗ hafte Erfolge errungen. Wir erinnern an die von sämmtlichen Groß— mächten anerkannte St. Petersburger Deklaration vom 16. No⸗ vember 1868, welche als einziges gesetzliches Ziel im Kriege die Schwächung der militärischen Kräfte des Feindes bezeichnet und die Anwendung gewisser Sprenggeschosse untersagt. Ferner an den Jominischen Entwurf zu einer Revision des Kriegsvölkerrechts, über welchen im Juli und August 1874 der diplomatische Kongreß zu Brüssel berieth; so wie an das dargus hervorgegangene und von Rußland im Feldzug von 187778 zur Anwendung gebrachte Reglement für die Behandlung der Kriegsgefangenen. Die russischen Delegirten waren bei ihren Ausführungen auch von der Erinnerung an die selbständige Stellung getragen, welche das russische Rothe Kreuz im letzten Drientkriege bei seiner großartigen Wirksamkeit ein- genommen. Kaiser Alexander IJ. hatte dieselbe durch Gewährung einer monatlichen Unterstützung von fast einer Million Rubel selbst anerkannt.

Bei den amerikanischen Delegirten zeigte sich eine entschsedene Vorliebe für neue völkerrechtliche Institutionen; das internationale Die Konferenz beschloß, den russischen Antrag, in Verbindung mit den Vorschlägen des internationalen Comitss, zunächst zur Vorberathung an die Landes⸗ vereine zu verwelsen. Ueber das Ergebniß derselben wird sodann der nächsten internationalen Vereinskonferenz, welche für das Jahr 1886 oder 1887 (zu Karlsruhe) in Aussicht genommen ist, eine Vorlage ge⸗ macht werden.

Mit diesem Beschlusse wurden leider zugleich die praktischen Wünsche des Genfer Comités, deren Berücksichtigung die erste Resolution der Konferenz zugesagt hatte, ebenfalls vertaat.

Dieselben betrafen die Hebung des „Bulletin international“ durch regelmäßige Theilnahme der Gesammtheit der Landesvereine an der Redaktion; die Einführung periodischer Konferenzen der Central⸗ Comitès der verschiedenen Nationen zur Erörterung allgemeiner Fragen und Herstellung der solidarischen Hülfsleistung im Kriege; die Er⸗ haltung der gegenwärtigen Kompetenz des internationalen Comitsés in Betreff der Aufnahme neuer Landesvereine und der Einrichtung von Agenturen im Kriegsfalle.

In dem Konferenzbeschlusse ist diese Kompetenz und die bisherige Stellung des internationalen Comitss ausdrücklich aufs Neue bestätigt worden.

Unter den organisatorischen Fragen des Konferenzprogramms war die zweitwichtigste diejenige, auf deren noch ausstebhende Lösung in Deutschland das Allerhöchste Handschreiben Ibrer Majestät der Kaiserin und Königin an das Centralcomitè des deutschen Rothen Kreuzes vom 6. Januar 1885 hindeutet die Frage über die Stellung der Landesvereine zu den Regierungsorganen. .

Nachdem in dem Allerhöchsten Schreiben die Bedeutung der jüngsten Genfer Konferenzbeschlüsse für die weitere Gestaltung der Wirksamkeit des deutschen Centralcomités hervorgehoben worden, wird darin die Schwierigkeit der Aufgabe anerkannt, ein frei⸗ williges Hülfsvereinswesen in den feststehendem Organismus des Staates, insbesondere der Armee, so einzufügen, daß die Grenzen sich bestimmen, innerhalb deren sich dasselbe lebensfähig bewegen kann. ö

An der Ueberwindung dieser Schwierigkeit hat Ihre Majeftäͤt die Kaiserin und Königin zu wiederholten Malen bei der Einführung und bei der Revision der Kriegs⸗Sanitätsordnung in angelegentlicher Weise theilgenommen. Wir dürfen hoffen, daß auch in dem gegen wärtigen Zeitpunkt, wo, dank der wohlwollenden Initiative der kom⸗ petenten Staatsbehörde, die Frage einer günstigen Entwickelung ent⸗ gegengeht, der Beistand unserer Allerhöchsten Protektorin uns nicht fehlen wird. . .

Die Verhandlungen der Genfer Konferenz über die Militari- sation“ des Rothen Kreuzes, wie der französische Regierungs- bevollmächtigte Graf Sérurier die Anschlußfrage bezeichnete, gehörten zu der am lebhaftesten geführten. Die Delegirten des italienischen Centralcomitss, welche den Bericht darüber erstattet hatten, betonten den Anschluß auf das entschiedenste. Ihre Resolution lautete: unbedingte Unterordnung des Rothen Kreuzes unter die Militär- behörde im Kriege, und sympathisches, den Forderungen derselben nachkommendes Verhalten im Frieden. Wogegen der Staat dem Rothen Kreuz, als einer Staatseinrichtung, gesetzlichen Schutz zusichert ‘.

In der That ist in Italien durch Gesetz von 1882 das Rothe Kreuz als eine gemeinnützige Gesellschaft anerkannt und unter die unmittelbare Leitung des Kriegs⸗Ministers gestellt. Im Kriege hat es, wie die Organe der Milltärverwaltung, das Recht, Post, Telegraphie und Eisenbahnen zu benutzen. ;

Auch in Frankreich erhielt das Rothe Kreuz durch das Dekret vom 2. März 1878 einen offiziellen Charakter. Das Dekret vom 3. Juli 1884 brachte seine Organisation in noch engeren Anschluß an die Militärverwaltung und stellte die Art seiner Dienstleistungen fest. Es ist danach die freiwillige Krankenpflege in Frankreich ein Annex der Armee; schon im Frieden nach den Militär⸗Arrondissements gegliedert, im Kriege in erster Linie zur Verwendung in der Reserve bestimmt. Die Delegirten des Rothen Kreuzes sind den Truppen⸗ Commandeuren zugeordnet. .

Das Sanitätspersonal und Material wird nach dem militärischen Bedürfniß vorbereitet und über dessen Thätigkeit und, Leistungs fähigkeit von dem Centralcomits alljährlich dem Kriegs- Minister un- mittelbar Bericht erstattet. Eine Zwischeninstanz ist nicht vor⸗ handen, auch werden nur Vereine, die sich dem Rothen Kreu; an- e fen haben, zu freiwilligen Leistungen im Sanitätsdienst zu⸗ gelassen. .

Eine ähnliche Organisation besteht in Oesterreich, wo zugleich die Ritterorden, gemeinschaftlich mit dem Rothen Kreuz, ihre vom Kriegs- Ministerium überwachten Sanitätsleistunger schon im Frieden den Militär⸗Einrichtungen anpassen. Von deutscher Seite wurde in den Genfer Verhandlungen hervorgehoben, daß das Verhältniß des deutschen Rothen Kreuzes zur Militär Autorität durch die Kriegs⸗Sanitätsordnung vom 10. Januar 1878 gesetzlich geregelt sei. Eine Einordnung in die Misttär⸗Organisation schon im Frieden hat bisher nicht statt- gefunden. Das Rothe Kreuz ist außerdem kein vom Staate ausschließlich anerkannter Hülfsverein für die Militär-⸗Sanitätspflege. Der Kaiserliche Militär⸗Inspecteur der freiwilligen Krankenpflege ist vielmehr er- mächtigt, für dieselbe, welche er beim Kriegs⸗Minister vertritt, auch . anderen Vereine neben den Ritterorden beliebig in Anspruch zu nehmen.

Das englische, wie das russische Rothe Kreuz, haben eine selbst— ständige, von den Staatsorganen fast unabhängige Stellung. Im vollen Gegensatz dazu geht das amerikanische Rothe Kreuz ganz im Staatsorganismus auf. ö.

In den Konferenzverhandlungen kam überhaupt die größte Mannigfaltigkeit in diesen Verhältnissen bei den verschtedenen Rationen zum Vorschein. Auch fand die „Militarisation“ der frei⸗ willigen Krankenpflege manche entschiedene Gegner.

Die Konferenz erklärte dieselbe schließlich als eine offene Frage und sprach sich überhaupt in Betreff der Organisation der Landesvereine in einer besonderen Resolution dahin aus, daß für dieselbe die Aufstellung einer internationalen Norm unmöglich sei. In der Resolution bezeichnete sie zugleich: ;

die Erwerbung des Korporationsrechts Seitens der Landesvereine für wünschenswerth; und

die Theilnahme der Frauen am Werke des Rothen Kreuzes für unentbehrlich.

Diese Theilnahme hat in Deurschland ihre großartigste Ver⸗ wirklichung gefunden. In der Organisation der Frauenvereine aber tritt die Eigenthümlichkeit der verschiedenen Nationalitäten ganz be⸗ sonders hervor. Während über tausend deutsche Frauenvereine in selbständiger Wirksamkeit für sich dastehen, kennt das amerikanische Rothe Kreuz keine getrennten Frauen. und Männervereine. In Frankreich wiederum, wo in den geistlichen Orden die Frauenwelt in Hingebung und Opfermuth mit allen Nationen wetteifert, bietet die Gründung von Frauenvereinen des Rothen Kreuzes oder von weltlichen Verbindungen, die auf den gleichen Bestrebungen beruhen, ganz be⸗ sondere Schwierigkeiten. Es ist eine außerordentliche Umsicht bei den Anforderungen zu entwickeln, welche man an die Leistungen der französischen Frauen stellt. Und nach den höchst interessanten Dar⸗ legungen des Pariser Delegirten Professor Dr. Duchaussoy hängt er⸗ fahrungsmäßig der Erfolg bei Gründung und Erbaltung der französischen Frauenvereine wesentlich von der aeschickten Wahl und Leitung einer dem National⸗Charakter entsprechenden Vereinsthätigkeit ab. Die Krankenpflege im Frieden gehört in der Regel nicht dazu.

Von allen Organisationen des Rothen Kreuzes verdient die ame rikanische, an deren Spitze im Executiveomits gegenwärtig eine Frau steht, und die auf der breitesten, hierin alle anderen Vereins⸗ wesen überbietenden Grundlage einer eigenthümlichen Entwickelung entgegengeht, die aufmerksamste Beachtung. Mr. Sheldon, vom amerikanischen Centraleomits. hat im Namen der Präsidentin Miß Clara Barton der Konferenz diese Organisation in großen Zügen

——

.

——