n G n mn.
London, Glasgow mehr Opfer. — Die Zahl der Sterbefälle an Darm⸗ Katarrben der Kinder war in München, Wien und St. Petersburg ansehnlich gesteigert Aus Danzig, Breslau Hamburg wurden je 2, aus Frankfurt a. M. und Weimar je 1 Todesfall an epidemischer Genickstarre gemeldet. — Einzelne Pockentodes fälle kamen aus Thorn, Prag, Birmingham, Venedig, Alexandria. Paris, Liverpool, Man- chefter, Warschau, St. Petersburg., Rom, Turin zur Mittheilung. In Odessa, Wien, London traten Pocken in größerer Verbreitung auf. — Ende Februar und Anfang März nahm in den indischen Städten Kalkutta, Bombay, Madras die Zahl der Todes fälle an Cholera zu.
Gewerbe und Handel.
Die Generalversammlung der Versicherungsgesellschaft Deutscher Phönix zu Frankfurt a. M. genehmigte, daß für 1884 von dem 729 698 A (1883 563 278 M) betragenden Ueber⸗ schusse 627 000 S zur Vertheilung der Dividende benutzt werden, so daß auf die Aktie Litt. A. 114 M (11883 102 SS, issz 118 4A) und auf die Aktie Litt. B. 57 M entfallen. Die Dividenden“ Ergänzungsreserve erhält den Rest mit 102 698 M (1883 2278 S). Aus dem Rechnungsabschlusse erwähnen wir Folgendes: Die Prämieneinnahme betrug 3555 255 M (1883 3 527 505 4 An Entschädigungen waren zu zahlen 1225142 4Æ (1883 1267115 9), für Rückversicherungen 953 340 M (1883 947944 6), Agenturkosten und Provisionen 321 146 ½ (1883 319 14216), Spesen 368 941 S (1883 344283 M). Die Schädenreserve, die mit 182 869 AM vorgetragen war, konnte auf 112 652 M reduzirt werden; die mit 2 159 368 M übernommene Prämien ⸗ und Gewinnreserve geht ins nue Jahr mit 2170613 S über, abgesehen von 670 392 M voraus empfangener Prämien. .
— Nach dem Bericht der Direktion der Vaterländischen Lebens versicherungs ⸗Aktiengesellschaft zu Elberfeld waren im Jahre 1884 insgesammt 1092 Anträge über 6175 400 41 Karital und 2583,20 S jährliche Rente zu erledigen. Hiervon fanden 821 Anträge über 4 659 300 S Kapital und 2683,20 M jährliche Rente Annahme. Unter Berücksichtigung der Abgänge ergiebt sich ein reiner Zuwachs von 415 Versicherungen mit 2917 400 M Kapital, wodurch sich der Versicherungsbestand Ende 1384 auf 6330 Ver⸗ sicherungen über 30 230 231 M Kapital und 19 238,90 M jährliche Rente hob. Die gesammten Einnahmen an Prämien, Zinsen ꝛc. be⸗ trugen 1270 412 M (4 145 350 1A). Die Prämienreserve hob sich um 583 511 S auf 3 360 009 M Die gesammte Prämienreserve deckt 1220/9 der inkgesammt mit eigener Reserveansammlung versicherten Kapitale. Die sämmtlichen Aktira der Gesellschaft stellen sich am 31. Dezember 1884 auf 12 553 687 S und nach Absetzung der nur vorübergehend reservirten Beträge ergiebt sich als Vermögen der Ge- sellschaft die Summe von 12413 841 AM, d. i. gegen das Vorjahr eine Vermögenszunahme um 590 223 M Für Sterbefälle gelangten pro 1884 zur Auszahlung inel. der Schadenreserve 251 650 A Da—⸗ neben wurden gezahlt als Rückvergütungen bei Lebzeiten der Ver— sicherten, für durch Ablauf fällige Kapitalien und für fällige Renten beträge zusammen 119475 ƽ Nach Bestreitung sämmtlicher Aus gaben ließen die Einnahmen einen Ueberschuß von 60 123 A6; hier⸗ von erhalten die Aktionäre als Dividende 48 000 M und die Kapital⸗ reserve steigt um 6712 M auf 53 831
— Dem Geschäftsbericht der Aktiengesellschaft für Bau⸗ Ausführungen für 1884 entnehmen wir Folgendes: Im ver— flossenen Geschäftsjahre war die Gesellschaft reichlicher heschäftigt als im Vorjahre, und stellen sich daher die Erträgnisse entsprechend günstiger. Auf der Ziegelei in Schmergow wurden 4750 000 Steine sabricirt, gegen 2 8990 000 Steine im Vorjahre. Der Reingewinn stellt sich auf 135 134,63 S6, so daß nach Dotirung des Reserve—⸗ sonds und nach Absetzung der Tantiome für den Aussichtsrath eine Dividende von 40 vertheilt werden kann und ein Saldovortrag von 4982 M verbleibt.
Köln, 13. April. (W. T. B.). Die Generalversammlung des Schagaffhausenschen Bankvereins hat die Bilanz und die Vertheilung einer vierprozentigen Dividende genehmigt.
Köln, 14. April. (W. T. B.) Die Lebensversicherungs⸗ gesellschaft Concordia zahlt 1650/0 Dividende.
Elberfeld, 13. April. (W. T. B.) Die Dividende der Vaterländischen Lebensversicherungsgesellschaft ist auf 230 gleich 16 M pro Aktie festgesetzt.
Glasgow, 13. April. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 9900 gegen 13 000 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres. Bradford, 13. April. (W. T. B.) Wolle ruhig, Preise stetig, Garne ruhiger, Preise unverändert, Stoffe unverändert.
Verkehr s⸗Anstalten.
Stettin, 13. April. (W. T. B.) Der Stettiner Lloyd—⸗ dampfer „Kätie“ ist, von New⸗Jork kommend, wohlbehalten in
Kopenhagen angekommen. Bremen, 13. April. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd . Werra“ ist gestern Nachmittag 2 Uhr
in Southampton eingetroffen.
Berlin, 14. April 1885.
Die Burg und die Burggrafen zu Nürnberg. Von Christian Mever.
(Schluß.)
Die vielfachen Streitigkeiten, die aus dem Kondominateverhältniß mit der Stadt erwuchsen, mögen den Burggrafen den Aufenthalt auf ihrer Burg zu Nürnberg frühzeitig verleidet haben. Wir sehen die⸗ selben denn auch schon seit der Mitte des 13. Jahrhunderts in anderen Schlössern Residenz halten: so namentlich zu Abenberg, Plassenburg, ganz besonders aber zu Kadolzburg. Nur bei dem Aufenthalt des Reichsoberhaupts zu Nürnberg, sowie zu der Zeit der Messen scheinen die Burggrafen des 14. Jahrhunderts noch regelmäßig ihre Nürn— berger Burg bezogen zu haben. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts erscheint dieselbe von ihren Besitzern schon stark vernachlässigt. Im Städtekrieg gelang es daher den Nürnbergern leicht, die burggräfliche Veste zu übermannen. Während des Krieges des Burggrafen Friedrichs VI. mit Herzog Ludwig von Bayern⸗Ingolstadt (1420) wurde (s von einem bayerischen Kriegshauptmann, Christof Layniger, eingenommen und ausgebrannt. Schon vorher hatte Friedrich VI. bei einem gelegentlichen Aufenthalt in Nürnberg sein Suartier in der offenen Herberge des Konrad Volland genommen.
Außer ihrer Burg auf der Felshöhe besaßen übrigens die Burg grafen im 13. und 14. Jahrhundert außerhalb der Stadtmauer einen Hof in der Nähe der Jakobskirche und des Spitalthors, der in späterer Zeit den Namen des Schlößleins führte. Von diefem Hofe ging der Jagdzug aus, der Friedrichs III. Söhnen das Leben raubte. Burggraf Conrad 1. hatte hier später seinen Wohnsitz, in dem er noch 1308 eine Urkunde ausstellte. 1304 vermachte derselbe den Hof der Komthurei Viernsberg, um nach seinem und seiner Gattin Tode zum Bau eines Münsters zu Viernsberg verwandt zu werden.
1427 ging die burggräfliche Burg mit den übrigen Resten der burggräflichen Rechte über die Stadt durch Kauf an letztere über.
Fragen wir nunmehr nach dem Verhältniß des Burggrafen zur Stadt Nürnberg, so wissen wir nicht, ob er für diese jemals gewesen, was der Burggraf zu Köln oder Magdeburg für diefe Städte war— Vielleicht lassen sich einige Gerechtsame, die die Urkunde von 1275 den Burggrafen in Beziehung auf die Stadt zueignet, als Ueberreste eines solchen ursprünglichen Verhältnißses betrachten. Sehr früh mußte jedenfalls sich dieses schon gelöst haben, denn in dem Kltesten Nürnberger Freiheitsbrief von 1219, in welchem Burggraf Conrad unter den Zeugen genannt wird, ist keine Spur von einer solchen obrigkeitlichen Gewalt des Burggrafen über die Stadt. In der
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führt: die Grafschaft (eomitia) mit der Jurisdiktion im Land- gericht Nürnberg, die burggräfliche Burg und die Hut des Stadt- tbors bei der Veste, Antheil an dem Stadtgericht zu Nürnberg mit Bestellung eines Beamten neben dem Schultheißen und Bezug von zwei Drifteln Brüche vom Gericht des Schultheißen. Schmiedezins aus der Stadt, Srundzins und Erntedienst aus der Neustadt jenseits der Pegnitz, der dritte Baum und das dritte Wild, das Abfallboli aus dem Wald. das Waldamt diesseits des Flusses, die Dörfer Wöhrd, Buch,. Schwand, das Schloß Creussen, die Vogtei des Klosters Steinach, 19 Pfund Pfenning von dem Drittel des Schultheißen amts und ebenso viel vom Zoll in Nürnberg. J ; ;
Diese in der Stadt vorbehaltenen Rechte weisen, wie bereits erwähnt, auf ältere Gerichts! und Grundherrschaft der Burggrafen jurück, und unvermeidlich war. daß aus der Berührung der gegen⸗ seitigen Gerechtsame und Ansprüche fortwährende Streitigkeiten zwischen den Burggrafen und den Bürgern entstanden.
So mußte es den Burggrafen um so erwünschter erscheinen, ein Recht nach, dem andern zu veräußern, um so mehr, als sich nach andern Seiten hin weit lohnendere Aussichten für sie eröffneten. Vor allem kaufte die Stadt im Jahre 1386 jene lästigste von allen Abgaben ab, welche noch auf alter Zins. und Frohnpflicht beruhte, nämlich den Zins von allen Schmiede- Essen in der Stadt sowie von den Häusern auf der Lorenzer Seite. Alles Uebrige überließ Burggraf Friedrich VI. 1427 dem Rathe der Stadt Nürnberg käuflich für 120 600 Goldgulden, also daß ihm von dem Burggräflichen Amt nur noch das Kaiserliche Landgericht und von den Nebenrechten nur das Geleit und der Wildbau im Reichswald übrig blieben — immer noch genug, um künftig Anlaß zum Streit zu geben und erneuerte Ansprüche auf Hoheitsrechte über die Stadt zu begründen. Schon früher (1396) batten die Bürger das Waldstromeramt von den Waldstromern, das Münzmeisteramt (1424) von Burggraf Friedrich VI., an den es zur Zeit verpfändet war, erworben, und etwas später (1432) kauften sie noch eine Burghut auf der Veste von den Hasenburgs und Wald⸗ stromern, womit der Rath endlich in den vollständigen unmittelbaren Besitz aller Hoheitsrechte und Rechte in der Stadt, in der Burg und deren zugehörigem Gebiete gelangte.
Ueber das Gebiet der Stadt Nürnberg hinaus waren die Burg— grafen die obersten Beamten über den ganzen großen Landkomplex der sogenannten Grafschaft Nürnberg. Es spricht dafür zuvörderst der Umstand, daß sie durchaus die vornehmsten gewesen unter allen Kaiser—⸗ lichen Beamten, die zu Nürnberg ihren Sitz hatten. Wichtiger ist, daß ihnen ein hohes Kaiserliches Gericht, das Landgericht der Burg“ grafschaft Nürnberg, anvertraut war. Die Anfänge desselben sind dunkel. Erst aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts haben wir bestimmtere Nachrichten von demselben. Aus diesen läßt sich schließen, daß es anfänglich das ordentliche Gericht war, mindestens für einen Theil der der Königlichen Gewalt der Staufer unmittelbar untergebenen, aus Hausgut und Reichsgut gemischten Landschaften in Ostfranken, deren Mittelpunkt die Burg von Rürn— berg bildete. In den ersten uns von ibm erhaltenen Urkunden erscheint es im Lehensbesitze der Burggrafen von Nürnberg; das Landgericht der Grafschaft Nürnberg wird es noch späterhin genannt, wie die Nürnberger Burggrafen noch bis ins 15. Jahrhundert den Grafentitel führen, theils allein, theils neben dem Burggrafentitel. Noch auf dem großen Reitersiegel Burggraf Friedrichs V. macht die Legende denselben nicht als Fürsten, sondern als „Grafen Friedrich, Burggraf ron Nürnberg“ namhaft. Wie weit sich diese Grafschaft Nürnberg erstreckte, ist nicht mehr auszumitteln, jedenfalls fällt ihr Sprengel mit keinem der alten ostfränkischen Gaue zusammen; höchst wahrscheinlich war auch die Reichtstadt Nürnberg ursprünglich in demselben begriffen, wenn sie auch schon zu der Zeit, in der das Landgericht bekannt wird, ihre eigene städtische Gerichtsbarkeit hatte. Die spätere Erweiterung der Kompetenz des Landgerichts über Landes thelle, die ursprünglich nicht dazu gehörten, steht damit nicht in Widerspruch und erklärt sich aus dem eigenthümlichen Verhältniß der Gerichte, die länger die Eigenschaft Kaiserlicher Gerichte be—⸗ hauptet haben, zu bloßen Territorialgerichten.
Endlich läßt sich nur aus einer so ausgezeichneten Bedeutung det Nürnberger Burggrafenamts, aus dem Regiment Über einen sehr großen Amtssprengel erklären, daß im 14. Jahrhundert von uraltem Fürsten⸗ range der Burggrafen gesprochen werden konnte. Vielleicht bezieht sich dies aber auch auf ein bedeutendes uraltes Territorkum, wenn wir nämlich annehmen, daß der Territorialbesitz der Burggrafen nicht erst seit der Mitte des 13. und namentlich seit dem 14. Jahrhundert, also in einer Zeit erworben worden ist, auf welche im Jahre 1363 — dem Zeitpunkt der Ertheilung des großen Privilegiums Karls IV. — nicht schon als auf eine uralte zurückgesehen werden konnte.
Die Frage nach dem Range der alten Burggrafen von Nürnberg läßt sich bei dem vielfachen Schwanken ihrer Titulatur in den gleich- zeitigen Urkunden nicht ohne Weiteres beantworten. Da in dem Privilegium von 1363 von einer Erneuerung alter in Vergessenheit gerathener Rechte die Rede ist, so scheinen neuere Forscher fogar nicht abgeneigt, sie schon für frühere Zeiten auf gleiche Stufe mit den Reichsfürsten zu stellen. Dafür ergiebt sich nun nirgends ein auch nur halbweg genügender Anhaltspunkt; denn Beispliele, daß sie hie und da in Privaturkunden illustres genannt werden, dürften sich für die meisten Grafenhäuser beibringen lassen, während Prädikate und Zeugenstellung in Kaiserlichen Urkunden nicht den geringsten Vorzug vor anderen Grafen begründen, und es leicht wäre, eine Reihe Stellen beizubringen, in welchen die Burggrafen aufs ausdrücklichste als Nichtfürsten bezeichnet werden. Daß aber durch das Privileg von 1363 an dieser Stellung zunächst nichts geändert wurde, daß es erst nach und nach Veranlassung ge— worden sein mag, ihnen fürstliche Prädikate beizulegen, sie endlich als Reichsfürsten zu betrachten, leidet bei der Vollständigkeit, mit welcher uns die Urkunden des Geschlechts aus dieser Zeit vorliegen, keinen Zweifel. Denn 1363 und in den folgenden Jahren heißt der Burggraf in den Kaiserurkunden nicht allein durchweg nur edel, sondern er wird mehrfach unter den spectabiles aufgeführt, wo diese von den illustres bestinimt geschieden find, fo daß jene Anerkennung fürstlicher Rechte doch nicht einmal einen Anspruch auf die fürstlichen Prädikate begründete. Ge— brauchen Fürsten, wo sie von den Burggrafen reden, diesel ben Aus= drücke wie die Reichskanzlei, so werden sie von Anderen, insbesondere den eigenen Vasallen und Unterthanen als hochgeboren bezeichnet aber es war dies nicht erst nach dem Privilegium von 1363, sondern auch schon vorher der Fall. Diesem Beispiel folgt nun feit 15368 häufig auch die Reichskanzlei, doch so, daß in dein Kaiser⸗ urkunden das Prädikat hochgeboren noch mit edel wechselt, und noch 1373 in einer Urkunde, wo die Cdelen von den als Hochgebornen bejeichneten Fürsten geschieden sind, der Burggraf zu den ersteren zählt; man betrachtete demnach die Ertheilung des höheren Prädikats als eine unwesentliche Höflichkeit, welche freilich dann un⸗ statthaft wurde, wenn sie beim Zufammentreten von Großen ver⸗ schiedenen Standes den Burggrafen zu den Fürsten gestellt und von seinen Standesgenossen geschieden hätte. In ganz ähnlicher Weise geht nun auch die Titelsteigerung hochg eb orner Fürst allmählich von untergeordneten Kreisen aus; zuerst erscheint sie 1369. Regel mäßig war es aber auch in den Urkunden der Unterthanen noch keines⸗ wegs der Fall. Seit 1378 bezeichnet auch die Reichskanzlei den Burggrafen durchweg als hochgeboren. Vereinzelt heißt er aber schon 1381 in einer Kaiserurkunde unser und des Reiches Fürst; von 1385 ah wird ihm dann aber ausnahmslos auch in den Kaiserurkunden der Fürstentitel gegeben. Daß eine ausdrückliche Er⸗ hebung dazu nicht den Anlaß gegeben haben dürfte, daß die Reichs— kanzlei auch hier nur dem in unteren Kreisen gegebenen Beispiele folgte, findet wohl darin seine Bestätigung, daß Fürsten und Städte noch mit Ertheilung des Titels zögerten; erst gegen Ende des 14 Jahrhunderts scheint er auch hier die Regel zu werden. Jeden⸗ falls ergiebt sich, daß nicht erst die Erwerbung des i ertbtmz Brandenburg im Jahre 1415 die Titelaͤnderung herbeiführte.
Bezüglich des Umfangs der burggräflichen Amtsgewalt über das Landgebiet der Grafschaft Nürnberg fehlt es ung an näheren
Urkunde von 1273 werden aber folgende Gerechtsame aufge⸗
Nachrichten. Außer der Gerichtsbarkeit und der Oberaufsicht über die einzelnen Pfleger, Vögte und Amtleute kam ihnen wahrscheinlich
der oberste Kriegsbefehl zu. Da die Burggrafschaft ein relchgunmittelbares Fahnenlehen war, so konnte nur daz Reichgoberhaupt Heeres folge fordern. Daneben führten die Burggrafen selbständig Kriege und schlossen Bündnisse. Das Löwenbanner der Burggrafen bei der feierlichen Investitur antretender, wie bei dem Leichenbegängniß abgeschiedener Herren war unmittelbar vom Reichgoberhaupt anvertraut und damit der Heerbefebl über die Kriegsmannschaft und dieses Banner.
Mit dem burggräflichen Amt war, außer der Burg zu Nürnberg, noch der Besitz und Genuß von Gütern und Einkünften verbunden, doch war dies schwerlich von Bedeutung: nur von äußerst wenigen Besitzungen der Burggrafen läßt sich annehmen, daß sie ihnen ver— möge ihres Amts zukamen. Das Meiste, was sie jemals besessen, haben sie auf andere Weise, völlig unabhängig von dem burggräflichen Amte erworben
Internationale Ausstell ung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legirungen in Nürnberg 1885. Nachdem die verschiedenen Ausstellungsbauten aufgestellt sind und deren Ver— putz und dekorative Ausstattung ziemlich weit vorgeschritten ist, find nunmehr auch die Annexbauten, die das Hauptgebäude mit dem Garten verbindende Brücke und Freitreppe, das mit der Restauratjon zusammenhängende 54 u. s. w. in Angriff genommen worden und ist deren baldige Vollendung gesichert Die Straße, welche das Hauptgebäude von dem etwas tiefer gelegenen Garten scheidet, wird auf der Gartenseite der ganzen Länge nach von einem reich dekorirten hübschen Abschluß begleitet, von dem sich in geringen Abständen Flaggenmasten von 12 m Höhe erheben werden. In der Mitte derselben werden Laternen angebracht und von den Spitz en wehen neben der bayerischen und deutschen die Fahnen aller sich an der. Ausstellung betheiligenden Reiche und Nationen herab. Die durch schöne Komposition und prächtige Farbenstimmung ausgezeichneten Plakate werden demnächst in 6000 Exemplaren zur Ver sendung kommen. Die Spedition der Ausstellungszüter ist den bewährten Händen des Hrn. Spediteurs Link übertragen worden, welcher schon im Jahre 1882 bei der bayerischen Landesausstellung diese Aufgabe zu allgemeiner Zufriedenheit gelöst hat. Der Plan der mit der Aus— stellung verbundenen Lotterie ist festgesetzt und die Ausführung der—⸗ selben bewährten Händen anvertraut. Diese Lotterie versprichk 5669 Treffer und einen Hauptgewinn im Werthe von 20000 .
An der Hum boldt-Akademie beginnen morgen, Mittwoch Abend, Georgenstraße 3031 (nächst dem Central-Bahnhof) für Herren und Damen solgende Vortragseyklen: 71 — 3 Uhr: Prof. Dr. Bruno Meyer, Blüthezeit der italienischen Malerei, mit Vorführung der Kunstwerke durch Projektionsapparat; 8-9 Uhr: Dr. von Kalck= stein, Neueste Geschichte iss — 1871. Am Donnerstag Abend be— ginnen: J —8 Uhr: Prof. Thurein,. Meteorologie (Wetterkunde, Halb— cykluss; 8—9 Uhr: Lic. Dr. Fr. Kirchner, Philosophisches RKon— versatorium. Der erste Vortrag jedes Cyklus ist öffentlich.
Territet (Schweiz), 13. April. (W. T. B.) Heute Vor nittag
1IL Uhr 25 Minuten wurde hierselbst ein heftiger Erdstoß in der Richtung von Süd nach Nord wahrgenommen. Das Deutsche Theater führte gestern dem Publikum ein älteres französisches Lustspiel vor, und zwar die ‚Fesfeln“ von Scribe. Dieses Vorbild des von den jüngeren französischen Theater⸗ dichtern und manchen ihrer deutschen Nachbeter so fleißig kultivirten Ehebruchsgenre entzieht sich einer weiteren Besprechung, und lediglich die Art der Darstellung kann an dieser Stelle in Betracht kom men; bemerkt sei nur, daß sich doch wohl aus dem reichhalti— gen Repertoire der neueren Bühnenwerke, ein dankbareres finden lassen dürfte, als die veralteten, längst von den Schülern des Meisters übertroffenen Seribe'schen „Fesseln?, deren Auffüh— rung als ein gewagter Versuch von jweifelhaftem Erfolge be— zeichnet werden muß. Die Aufgabe, welche an die Darsteller in diesem Stücke herantritt, ist eine sehr schwierige, denn es bedarf des Aufgebotes der ganzen künstlerischen Kraft, um diese mehr oder weniger verzeichneten Charaktere überhaupt nur erträglich zu machen. Eine eigentliche Hauptrolle giebt es in dieser possenhaften Komödie nicht, wenigstens hatte es gestern so den Anschein, da der Held des Lustspiels,. der Komponist Emmerich d'Albret, in Hrn. Wessels nicht den geeigneten Darsteller fand; der Künstler und Liebhaber Albret des Hrn. Wessels entsprach nicht den Anforderungen, welche man an diese, die Handlung leitende Rolle stellen muß. Hr. Krausnek als Contre Admiral Graf von Saint Géran war ein liebenswürdiger Salonheld, eine stärkere Her— vork'hrung der Seemannsnatur und seiner gefürchteten Eigenschaft als Duellant und Fisenfresser hätte jedoch einen durchschlagenderen Erfolg erzielt. Frl. Haverland wußte ihrer Rolle als ehebrecherische Gräfin Louise die angenehmste Seite abzugewinnen, während das graziöse Spiel des Frl. Sorma als Aline wie immer die verdiente Anerkennung fand. Der Provinziale Clsrambegu wurde von Hrn. Förster mit Geschmack gegeben. Zu einem schließlichen Erfolge der Aufführung verhalf jedoch erst Hr. Schönfeld. Er verstand es als Advokat Ballendard, durch seinen drastischen Humor, welcher sich stets in den richtigen Grenzen bewegte, die Lachlust des Publikums rege zu halten und so über die großen Unwahrscheinlichkeiten der eigenen Rolle wie des ganzen Stückes hinwegzutäuschen.
WVictorig⸗-Theater. Die 100. Vorstellung von „Sul— furina“ fand vor vollem vause und einem sehr animirten Publi— kum statt. Die großartige Ovation, welche die sämmtlichen, mit Blumen reich geschmückten Mitglieder ihrem Direktor nach dem 3. Akt durch Ueberreichung zweier kolossalen Lorbeerkränze und einer Blumen⸗Lyra durch Kinderhand darbrachten, rief lauten Beifall her— vor. Reiche Lorbeer⸗ und Blumenspenden erhielten auch die Damen Strigelli, Frey, Gustl Scherenberg und die Herren von Pommer und Swoboda. Außerdem hatte Hr. Direktor Scherenberg sämmtliche Mitwirkende ohne Ausnahme mit kleinen Blumensträußen bedacht, weshalb die Bühne in den Ballets einem tanzenden Blumen garten glich.
Zu der übermorgen, Donnerstag, im Neuen Friedrich⸗ Wilhelmstädtischen Theater stattfindenden 200 Vorstel— lung von . Gasparone“ ist Hr. Carl Millscker, welcher diese Aufführung dirigiren wird, bereite in Berlin eingetroffen. Von allen Mitgliedern, welche in der ersten Vorstellung (am 26. September v. J) thätig waren, hat sich Frl. Elise Schmidt am ausdauerndsten bewiesen, denn sie hat die Zenobsa ununterbrochen 200 Mal gespielt.
Belle-Alliance Theater. Von dem Görnerschen Lustspiel „Amerikanisch' können nur noch wenige Aufführungen stattfinden, da der Repertoirewechsel im Wall ner⸗Theater auch einen solchen für das Belle Allian ce⸗ Theater bedingt. Am Sonnabend geht deshalb die Gesangsposse „Klein Geld‘, von Pohl, neu einstudirt in Scene.
Morgen (Mittwoch) Abends 7. Uhr veranstaltet der Seiffertsche esangverein in der Sing⸗Akademie ein Concert (a capella)
unter Mitwirkung von Frl. Helene Geisler und Fr. Gertrud Krüger.
Redacteur: Riedel. Ger tn; Riede
Verlag der Grpedition CS ch o lz) . Druck: W. Els ner. Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),
sowie das Verzeichniß der gekündigten Prioritäts ˖ Aktien Ser. JL und AI der Yiederschtesisch⸗Hiärtifchen Eisenba hn.
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Dienstag, den 14. April
* 82.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die Reichs -Konkursordnung und ihre Ergänzung setze. Mit Erläuterungen von Wil' Lenbücher, Landgerichtsratß. lz 6, dalerhaft kartonnirt 6 M Verlag von H. W. Müller in maln. — Die vorliegende Ausgabe der Konkursordnung, zur Be⸗ nung am Termins. und Arbeitstische bestimmt, soll zwischen den uuführlichen Kommentaren und den Textausgaben mit Anmerkungen e Mitte halten, dennoch aber der Praxis Alles bieten, was sie be⸗ nuf. und in einer Form, welche die bequeme Verwerthung des Ge— potenen thurlich st erleichtert. Derienige kommentatoꝛische Stoff. welcher ich akademischen oder theoretischen Zwecken dient, konnte hier keine Ftele finden. In übrigen ist das zur Erläuterung erforderliche Fiaterial in möglichst'r Vollständiakeit offen gelegt. Denn bei der zhhängten, vielfach nur aus dem Zusammen hange des Ganzen ver— findlichen Arsdrucksweise, in welcher die Konkurs ordnung die ver⸗ nqckeltsten Rechts verhältnisse behandelt, müßte sich ein Mangel an (iliuterungsmaterial in der Praxis besonders fühlbar machen. Es sad daher, au ßer den amtlichen Materialien, die veröffentlichten Ent⸗ steddungen des Reichsgerichts und die Werke der verdienstvollen Sommentatoren und Rechte lehrer, ins besondere die von Dern burg, Fitting, Förster Eecius, von Sarwey, von Völdern⸗ korff und von Wilmowski eingehend benutzt worden Die Darstellung, durchweg bemüht, kurz und bündig, klar und übersichtlich n sein, gaubte Gemicht darauf legen zu müssen, soweit thunlich, fit subsektive Ansichten, sondern obj ktive Rechtswahrheiten zum zuzdruck zu bringen. Deshal b sind in allen wichtigeren Fragen nicht r die Gründe oft auch die Gegengründe — der mitgetheilten Recbtssätze angedeutet, sondern auch die darüber sich verbreitenden Nuellen, aus welchen eine weitere Aufklärung geschöpft werden kann, snbgewiesen, so daß dem eigenen Urtheil und der ersprießlichen Elbstthätigkeit des Praktikers freie Bahn eröffnet ist. Es wude poll in diesem Kommentar keine Frage, welche der Praxis von Interesse sein könnte, unberührt gelassen. Trotz der Vollständigkeit imphßt das Buch in Folge prägnanter Kürje und gewandter Sichtung do nur 330 Seiten. — Durch eine gleichartige Bearbeitung des pruuhischen Grundbuchrechts und des Kostenfestsetzungs verfahrens nach der Veutschen Civilprozeßordnung ist der Verfasser dem juristischen
hublikum schon vortbeilhaft bekannt.
— Militär ⸗Adreßbuch für das Deutsche Reich, ent leltend die Offiziere, Aerzte und höheren Militärbeamten sämmtlicher euschen Truppentheile und Behörden der Armee und Marine, cia— sölleßlich der Reserve, Land⸗ und Seewehr. Herausgegeben unter Reaktion von R. von Leutsch. Königl. preuß. Hauptmann. l Iihrgang 18835, 90 Bog. 40. Preis geb. 10,50 M.. Berlin, JR. b. Deckers Verlag, G. Schenck. — Das vorliegende stattliche Bich enthält nicht weniger als 4800) Namen von Offizieren ꝛc. Julleich bietet das Buch zum ersten Male die Gesammtheit des deunschen Offizierkorps. während bisher nur die Rang⸗ und Quartier liten der einjelnen Staaten existirten. In dem eisten Theil giebt di Verfasser in alphabetischer Ordnung die Namen, nach Stand und Rarß und Truppengattung wieder in sich geordnet, der sämmtlichen densschen Offiziere nicht nur mit Charge, Truppentheil und Wohnort, soddern bei der Reserve und Landwehr auch den Beruf und die Dehnungdangabe. Durch diese Spezialangaben erhält das Buch für di Geschäftswelt hohen Werth. — Der zweite Theil stellt die deutsche hꝛerekordnung dar: bei jedem Regiment die aktiven Offiziere und dle Neserven, daun die Landwehr und sämmtliche zum Heere gehörenden Anstalten, wie Gießereien, Munitionsfabriken, Militärwerkstätten 1. dd. — Der dritte Theil bringt das Verzeichniß der Garnisonen nit ihten Truppentheilen, der vierte die europäischen Staats⸗Ober⸗ hänpter und ihre militärische Charge, endlich eine sehr interessante llebersicht der Stärkeverhältnisse der europäischen Armeen. Hiermit eishüyft das jedenfalls sehr mühevolle Buch wohl eigentlich Alles, 16 in militärischen Angelegenheiten, sobald es sich um Personalien handelt, in Frage kommen kann. Das Apreßbuch ist in seinem MRiztrage am 15. März geschlossen worden; eig zweiter Nachtrag soll in Herbst erscheinen.
— Theorie und Praxis des deutschen Reichsgerichts und des preußischen Oberverwaltungsgerichts, heraus— kihben von G. A. Grotefend, Rezierungsrath. J. Jahrg. (1884) Asseldorf, L. Schwann'sche Verlags handlung, Preis 125 ½½ — Diese Darbeitung höchstrichterlicher Eckenntnisse bietet den Interessenten die Näglichkeit, von der Rechtsprechung der genannten beiden Gerichte pätiaufend Kenntniß zu erhalten, ohne auf das Studium der oft kihcewegs leicht verständlichen Ausführungen der Erkenntniffe Zeit ud Mühe zu verwenden. Die in den letzteren zur Geltung gebrachten eätssätze und Rechtserläuterungen sind vollständig und leicht ver— änlich mitgetheilt. Die Anreihung derselben an die betreffenden 6tellen der gemeinen Rechte, der preußischen und der deutschen Gesetze nach deren seitlicher Reihenfolge sowie das gute Register erleichtern ben Gebrauch der Theorie und Praxis“ in bester Weise. Eine der⸗ ute Bearbeitung der Endurtheise der höchsten Gerichte wird in . ö willkommen sein, zumal der Abonnementspreis ein
tiger ist.
— Der berühmte von Brauchitschscke Kommentar des zteußischen Verwaltungsrechts“ (Berlin, Carl Heymanns erlag ist im Jahre 1877 durch einen Supplementband ergänzt hotden, in weschem alle ästeren Spezialgesetze der inneren Verwal- tung, welche durch die Verwaltungsreform Abänderungen erlitten hitien, nebst den bereits unter dem Einfluß der Reform erlassenen seleren Spezialgesetzen in übersichtlicher Ordnung zusammengestellt nd durch Einleitungen und Anmerkungen erläutert waren. Die bilmäßige thvographische Änordnung des Suppleme ntbandes, welche durch die Verwaltungsreform herbeigeführte Aende rung der Gesetze iht erkennen ließ, trug mit dazu bei, diefem Supplement cinen leichen Erfolg wie dem Hauptwerk zu sichern. Das letztere ist nun huntlich im verflossenen Jahre in einer neuen von dem Regierunge⸗ hssidenten Studt und dem Geheimen Regierungs Rath Braun— irn ganz im Geiste des verewigten Begründers des Werls „rgten und bis auf die neuesle Zeit fortgeführten Auflage er— , & ist daher dankend anzuerkennen, daß die Verfasser nun ich den Supplementband nach der bewährten Methode ihres Vor— singerß big auf Tie Gegenwart ergänzt haben. Da inzwischen die , üungerff rn „ngmentlich in. Betreff der flättischen Ange— . erheblich weiter durchgeführt worden ist, so ist auch der In mie enn mentbandes ein viel reicherer geworden und kommt einem , . Bedürfniß entgegen. Der raumliche Umfang hat die Theilung Bandes in zwei nothwendig gemacht; einstweilen ist der erste erschienen,
chat . dritter Band des Werkes: Die neuen Preu⸗ ö
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. angelegenheiten, Fischerei⸗, Feld. und Forstpolizei. Der Schluß eh dann die übrigen in der Zustandigkeitstabelle aufgeführten ann sowie ein ausführliches Sachreglster bringen. Das Er. n newer ist für alle Verwaltungsbeamte und für alle Diejenigen, ue lich sonst mit der Verwaltung vertraut machen möchten, ein chrlichez Handbuch.
— Das Preußische Feld ⸗ und Forstpolizeigesetz vom 1. April 1880. Mit Erläuterungen von Dr. P Daude, Staats⸗ anwalt bei dem Landgericht J1 zu Berlin. Dritte, vermehrte Auflage. So, 214 Seiten; kartonnirt 2 S Verlag von H. W. Müller in Berlin. — Bei der Bearbeitung der dritten Auflage des vorliegenden Kommentars waren zunächst die mannigfachen Abänderungen zu be— rücksichtigen, welche die Bestimmungen des Feld⸗ und Forstpolizei⸗ gesetzes durch das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung, vom 30. Juli 1883, und das Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltungs⸗ und Verwaltungẽgerichtsbehörden, vom J. August 1883, erfahren haben. Besonders zu beachten war ferner das an Stelle des Gesetzes rom 14. Mai 1852 getretene Gesetz, betreffend den Erlaß poltzellicher Strafrerfügungen wegen Uebertretungen, vom 23. April 1885, nebst der zur Ausführung desselben ergangenen Anweisung vom 8. Juni 1883, und vorwiegend ist endlich der Verfasser bemüht gewesen, die seit dem Erscheinen der zweiten Auflage seines Kommentars ergarge⸗ nen Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen für die Erläute⸗ rung des Feld⸗ und Forstpolizeigesetzes zu verwerthen und damit seine Arbeit sowohl wissenschaftlich, als auch für den praktischen Gebrauch zu verbessern.
— Voltaire. Ein Charakterbild von W. Kreiten. Zweite vermehrte Auflage. Mit Voltaire's Bildniß. Freiburg i. B. Herdersche Verlagshandlung. 86. S. XVI. u. 580. Preis 6 6. — Der Verfasser dieser seit dem Jahre 1878 in zweiter vermehrter Auflage erscheinenden Schrift beabsichtigt als Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der glauben feindlichen Pbilosophie ein möglichst getreues Lebens⸗ und Charakter⸗ bild des Mannes selbst zu geben, welcher dieser Richtung seinen Namen, der ganzen Zeit seinen Geist und dem Kampfe gegen die Kirche seine persönliche Signatur gegebea hat. Er wünscht dem heutigen Geschlechte des Liberalismus gleihsam „den Spiegel seiner Geburt“ vorzuhalten. Das erstrebte objeftiv historische Gepräge und die einem Menschen mögliche Zuverlässigkeit konnte durch die gewissenhafte Benutzung der unzweifelbaft unparteilichen Quellen erreicht werden, welche zum weit- aus größten Theil in den eigenen Werken Voltaires und vorzugsweise in seiner ausgedehnten Correspondenz kestehen. Diese Briefe, in denen Voltaite ganz erscheint, in denen er den Freunden seine Schwächen, seine Launen, seine Rachepläne wie seine Wohlthätigkeit und Gemüthssülle, seine Furcht wie seinen Muth zeigt, sind keine Briefe, welche mit Eitelkeit und für die Leserwelt geschrieben waren. Der Autor stellt sich so dar, wie er angesehen werden will; wir haben den Mann selbst, wie er in den einzelnen Momenten seines Lebens war und wie er sich blicken ließ, ohne sich zu zeigen oder zu verbergen. Voltaire selbst theilte freilich dieses opiüimistische Urtheil über seine Beiefe keineswegs. Er schreibt an seine Freunde: „Verbrennen Sie diese Papiere., man würde mich zu sehr in meiner Häßlichleit oder zu sehr im Negligs darin sehen. Da die Freunde diesen Wunsch nicht glaubten erfüllen zu sollen, so befindet sich der Geschichtsschreiber in der Lage, die ganze „Häßlichkeit! Voltaires mit seinen eigenen Worten erzählen zu können. Durch solche ureigene Grundlage erhält Kreitens Acbrit einen aathentischen Werth. Deng kein Theil der geistigen oder körperlichen Natur ist häßlicher“ oder negligéhafter“ wiedergegeben, als er in Wirklichkeit vorhanden war. Der Verfasser entwirst in anziehender Form eine lebensvolle, eben deshalb aber mit Ekel und Abjcheu erfüllende Lebens⸗ und Charakterschilderung dieses Patriarchen des Uaglaubens, während allerdings neuere Schefftsteller (Hettner und Strauß) versucht haben, den Charakter Voltaire's auch uns Deutschen wieder in günfttgerem Lichte roczuführen. Obgleich nicht eine bis ins Einzelnste eingehende Geschichte Voltairxe's, wird doch die innere geistige Entwicklung sowie der welthistorische Einfluß auf die literarische Bildung während des vorigen Jahrhunderts ebenso eingehend wie vollständig dargestellt. Der reichhaltige Stoff ist auf 30 Abschnitte veritheilt. Franz Marie Arouet wurde als Sohn des ehemaligen Notars am Chatelet Franz Arouet und seiner Gattin Marie Margarethe Daumart am 21. November 1694 zu Paris geboren. Nach der glaubwürdigen Annahme des Verfassers ist der Name Voltaire ein bloßes Anagramm aus Arouet I. j., le jeune. Das de won) ist ein reines Phantasiegebilde des eitlen Dichters, der nicht länger unter bürgerlichem Namen mit seinen hoch- adeligen Freunden verkehren wollte und sich daher selbst den Adels— titel gab, in Erwartung der Hofchargen und Ehrennamen, welche Fürsten und Könige ihm einstmals so reichlich verleihen sollten. In jeder der nur durch wenige Jahre begrenzten Zeitperioden ist dem Lebens- und Eatwicklungsgange Schritt für Schritt nachgegangen, sein Werden aus und in seiner Zeit wie die Einwirkung auf dieselbe erzählt, aus den Handlungen seine Triebfedern und Gesinnungen, aus den Schrif⸗— ten seine Fäbigkeiten und Ansichten ermittelt. Das derartig ge⸗ wonnene Geiammibild kann freilich wenig befriedigen. Voltaire war kein ganzer Charakter, kein Mann im eigentlichen Sinne des Worts, nicht eine klar vorgezeichnete Laufbahn hat er mit Willenskcaft und Ucberlegung durchmessen. Er war Harakterlos wie kaum ein zweiter, aber auch niemals hat es einen Mann gegeben, der so viel Böses gethan, so viel Gutes vernichtet, so viel Lügen ersonnen, so viel Wahrheit geläugnet, der für seine Schüler so entsetzlich fruchtbar geworden, und zugleich in all seinem Treiben und seinem eigentlichen Lebensziel so unglaublich systemlos gewesen wäre, wie Voltaire. Die Unwahrheit war bei ihm ein Prinzip. Sein System der Lüge hat er in den Worten aufgestellt: ‚Für seine Freunde lügen ist die erste Freundespflicht. Die Lüge ist nur dann ein Laster, wenn sie Böses stiftet, sie ist eine sehr große Tugend, wenn sie Gutes bringt. Seien Sie also tugendhafter als je zuvor. Man muß lügen wie ein Teufel, nicht furchtsam, nicht für eine Weile, sondern für immer.“ Das Geld sollte Voltaire nur dazu dienen, unabhängiger und freier in Verbreitung des Irrthums zu sein ‚Hast Du die Tasche gefüllt mit Geld, Lach' kühn nur aus die ganze Welt“. Einen Gläubiger bezahlen, heißt nach Voltaire ihn entehren! Ungeachtet solcher elenden Grundsätze ist Voltaire nach seinen eigenen Worten „von Schloß zu Schloß gezogen, überall als geehrter Gast empfangen und beherbergt.“ Auch Friedrich der Große hat ihn nach Potsdam eingeladen, ihm den Kammerherrnschlüssel, ein Jahrgehalt von 20.0090 Lires nebst Zu⸗ sicherung freier Wohnung, Tafel und Equipage beigelegt. Aber das nach Voltaire's Ausdruck „ geschlossene glückliche Ehebuͤndniß“ ist be⸗ kannttich von dem großen Könige mit den Worten gelöst worden: Ich verbiete Ihnen, jemals wieder vor mir zu erscheinen. Das Verhältniß ist in sämmtlichen, von Voltaire's Seite geleisteten schnöden Undanibarkeiten wie kränkenden Widerwärtigkeiten genau dargestellt. Als Voltaire nach allen den Streichen, welche er dem Königlichen Gönner gespielt hatte, wieder Schritte gethan, um zurückkehren zu dürfen, schrieb der König an seinen Sekretär: Gott soll mich daroc bewahren. Er ist nur gut zu lesen, ihn kennen zu lernen, ist gefährlich. Dieser Mensch hat die Kuast, die Gegensätze zu vereinigen: man bewundert seinen Geist, aber verachtet seinen Charakter. — Von Voltaire's historischen Arbeiten erkennt der Verfasser die Geschichte Ludwig XIV., siecle de Louis XIV., als die gründlichste, ruhigste und sittlichste Geschichte an, die er geschrieben, aus Ler man mit gehöriger Vorsicht Thatsachen und eigentlich hiftorische Bemerkungen entlehnen darf. Die Henxiape, ein aus wahren Begebenheiten und Erdichtungen zusammengesetztes Epos auf König Heinrich LTV. von Frankreich, wird „für ein religiös revolutionäres Machwerk erklärt, welches beute so gut wie vergessen ist, weil an der eignen Langweile eingeschlafen '. Seine Romane sind eine großartige Bankerotterklärung der pkysischen Welt wie der morallschen Gesellschast, eine der frechsten Anklagen gegen die götn iche Vorschung und eine der bittersten Satiren auf die ganze Menschheit. Mt dem berüchtigten Ausdrucke „éerasez l'infeme“, welcher, in allen
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Briefen wiederkehrend, das Losungswort der Philosophie des acht⸗ zehnten Jahrhunderts, der furchtbare Kriegsruf der Gottlosen gegen die Kirthe geworden ist‘, war, wie S. 401 gegen Strauß hervorgehoben wird, nach dem, was Voltaire selbst in so vielen Stellen seiner Werke sagt, nie eiwas Anderes als der Gottmensch und die Kirche gemeint.“ Im Anhang liefert der Verfasser einen kritischen Uberblick über die Quellen bezüglich der Todesumstände Poltaire's, welcher verzweifelnd, im eigenen Anrath erstickte — buch stäblich. Kreitens fleißine, kritisch genaue Schrift über eine in sich abgeschlossene revolutionäre Individualität ist verdienftvoll in literar ⸗bistorischer Hinsicht und schätzenswerth zum Anregen des Nachdenkens über einen berühmtest ge⸗= wordenen Menschen, dessen ‚Erdenrest nicht reinlich war! — wie die Freunde trotz der ausgesprochenen Verehrung einräumen.
— Von der Zeitschrift für Geschichte und Landes kunde der Provinz Tosen“, herausgegeben von Christian Meyer (Posen, Kommissionsverlag von J. Jolowiez) ist soeben das Doppel⸗ beft 2 und 3 III. Bandes verfandt worden. Dasselbe bringt die Fortsetzung der von dem Herausgeber geordneten und darin veröffent⸗ lichten Aktenstücke, betreffend die katholische Kirche in der Provinz Posen seit deren Anfall an Preußen. Die neu mitgetheilten Stücke (meist Verfügungen der Kammern zu Posen und Petrikau an daß Offizialat zu Gnesen oder Bescheide und Bestimmungen der Minister) reichen vom Juni 1784 bis dahin 1755. Die ebenfalls von dem Herausgeber besorgten Auszüge aus den böchst interefsanten Memoiren des Generals von Brandt über die polnische Insurrektion gelangen in dem Heft zum Abschluß. — In einem anderen Beitrage werden die städtischen Archive der Prorinz Posen ibrem Inhalt und ihrer Bedeutung nach charakterisirt und eine genauere Beschreibung des Arwivs der Stadt Posen nebst kurzer Geschichte desselben gegeben. Wir erfahren daraus, daß dieses Archiv seine älteste städtische und der Materie nach wichtigste Urkunde, nämlich das Gründunge⸗ privilegium aus dem Jahre 1253, seit dem Jahre 1853, wo dieselbe zur Herausgabe mit Uebersetzung und Anmerkungen ausgeliehen wurde, verloren hat; ebenso die Bestätigungsurkunde, welche Herzog Przemisl im Jahre 1289 vollsoa, während die älteste vorhandene Roboration, aus dem Jahre 1443, dem Staatsarchiv gehört. Die meisten vorhandenen Urkunden sind Herzogliche bezw. Königliche Privilegien über innere und äußere Verhältnisse, Schenkungen 2c. Das älteste Dokument stammt aus dem Jahre 1254 und ist ein Privi⸗ legium der Herzöge Przemisl und Boleslaus, nach welchem alle Kauf⸗ Laute, die zu dem in der Dominikanerkirche zu Posen abzuhaltenden achttägigen Ablaß kamen, von Zahlung aller Abgaben fräi fein sollten. Zahlreich sind die Königlichen Urkunden über Verhältnisse des Han— dels und der Gewerbe. Auch die Verhältnisse der Juden den Christen gegenüber (älteste Urkunde: 1168) werden vom König bestimmt. Eine kleinere Reihe von Urkunden rührt von dem Bischof von Posen her, welcher darin die Verhältnisse der seiner Jurisdiktion unterworfenen Stadttheile ordnet Urkunden polnischer Beamten, wie des Capita- nens majoris Poloniae generali-, finden sich nur vereinzelt, ebenso Privaturkunden, betreffend die Besitzungen von Edelleuten in oder außerhalb der Stadt; zahlreicher sind diejenigen städtischer Bürger, betreffend Legate ꝛc. Die älteste vom Magistrat ausgestellte und im Original erhaltene Urkunde datirt aus dem Jahre 1417. Trotz der noch immer verhälinißmäßig großen Zahl sind doch ohne Zweifel im Laufe der Zeit eine Menge wichtigerer Pergamente abhanden gekommen. Im Nebrigen bilden den größten Theil des Archivs die Protokollbücher der verschied nen Behörden, die Stadtbücher, Rathsbücer, Vogt⸗ und Schöffenbücher, Rechnungsbücher 2e. Die Handschriften des städtischen Archivs sind der Stadibibliothek einverleibt; die wichtigsten derselben sind: das große Privilegienbuch, ein im Jahre 1556 angelegter Pergamentband, enthaltend sämmtliche von den Herzogen und Königen der Stadt ver⸗ liehenen Privilegien in Abschrift (wodurch viele im Original verschollene Dokumente erhalten siad) und im Ganzen chronologisch geordnet; ferner das Statutenbuch der Stadt (angelegt 1462) und das Magdeburger Recht (wohl schon vom Ende des 14. Jahrhunderts). Eine vergleichende Untersuchung über das Verhältniß des letzteren Buchs zu den anderen bis jetzt veröffentlichten Magdeburger Rechisbüchern steht noch aus. Bemerkenswerth, wenn auch nicht speziell für Posen, sind endlich: ein theologisches Manuskript aus dem Jahre 1445, ein Kompendium des canonischen Rechts aus dem 15. Jahrhundert und ein chemisches und alchemistisches Manuskript aus annähernd derselben Zeit. Der Beschreibung, welcher wir vorstehende Einzelheiten entnommen haben, sind chronologisch geordnete, sorgfältig ausgezogene Regesten aus dem Urkunden Archiv angehängt. — In, dem vorliegenden Heft beginnt endlich och Dr. M. Kirmis eine Reihe von Beiträgen zur Wappen. und Münzkunde Großvolens? mit einem ersten, Fraustadt betreffenden, sehr eingehenden Abschnitt, unter Mütheilung von Urkunden und sorgfältiger Beschreibung des Wappens wie der Münzen des Ortes. z
— Im Verlage von Justus Perthes Geographischer Anstalt zu Gotha ist soeben eine Karte des Congo-Stgats und des Frei⸗ handels gebiets erschienen, die, sehr detaillirt und durch treffliche Kolorirung außerordentlich klar und übersichtlich, durch den geringen Preis von G. 6b M jedem Leser, welcher mit einigem Interesse die neuesten Greignisse in Central-Afrika verfolgt, zugänglich gemacht ist. dictu eignet sich die vorliegende Karte schon durch ihre Ausdehnung. Im Maßstabe 1: 12 500 000 gezeichnet, reicht sie im Norden bis Khartum und Massaua und zeigt zugleich den Machtbezirk des Mahdi. Im Süden umfaßt die Karte das ganze Becken des Sambesi und den nördlichsten Theil des deutschen Protektorats der Damara-Küste. Im Westen zeigt sie noch das deutsche Schusgebiet an der Togo: Quste. wie auch die neuesten Erwerbungen bei Lagos, im Osten die Herrschast von Sansibar und die von der deu schen Ostafrikanischen Gesellschaft erworbenen, Lan dschaften Usugara. Ükami, Useguha und Nzuru. Durch ein lichtes Braun ift das Ge. biet, in welchem das Freihandelsprinzip nach den Beschlüffen der Ber⸗ liner Konserenz zur Herrschaft fommen soll, kenntlich gemacht; aus demselben hebt sich durch blaues Kolorit die Ausdehnung des Congostaats prägnant ab. Nach dem Woꝛ tlaute der Verträge der Association mit Frankreich und Pormugal find die Grenzen der hier aneinander anstoßenden Kolonialbesitzungen angeg ben worden. Von anderen neueren Karten weicht die vorliezende insofein ab, als der Uelle von dem Congogebiet und darum auch von dem Freibendels⸗ gebiet und dem Congostaat abgetrennt und als Oberlauf des Schar gezeichnet ist. Die Beweise, welche Dr. Junker und Lupton Bey für die Identität dieser Flüfse beibringen, sind so schwerwiegend, daß Stanlev's Annahme der Uebereinstimnraung des Uelle mit dem Aruwim (Ubingis nicht begründer erscheint. Die Karte gestattet auch, den demnächft zu entsendenden Expeditionen zu folgen, welche den in den egyptischen Aequatorial · Provinzen abgeschnittenen Forschern Emig Bey und Dr. Junker, Kapt. Casati und Lupton Bey in Lado und in der Provinz Bahr-el. Ghasal Entjatz bringen sollen. ᷣ —
— Die ‚Deutsche Kolonialzeitung“ bietet in ihrem Heft vom 1. April wiederum eine Fülle von interessantem und werth= vollem Stoff für Jeden, der sich mit Kolonialpelitik, beschäfligt. Der in vorliegendem Heft zuvörderst gegebene ausführliche Bericht über die in Berlin zu Ende Februar abgehaltene zweite ordentliche General- versammlung und Vorstandssitzungen des jetzt uf über 103 0 Mit glieder gewachsenen Deutschen Kelonialvereing bietet u. A. auch die Reden des Prösidenten Fäürsten zu Hohenlohe Langenburg über die Aufgaben des Vereins, des Prof. Dr. Fischer⸗Marburg üer die Be⸗ gründung einer Kolonialkanzlei und des Prof. von Miaskowe ki Breslau