1885 / 90 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Apr 1885 18:00:01 GMT) scan diff

jetzt geltenden Bestimmung getrieben werden, der Beamte müsse sich würdig seines Amtes“ zeigen! Er erinnere nochmals aun die Vorkommnisse mit Hrn. von Bennigsen⸗Förder, mit dem Assessor Glogau; und an den wunderlichen erst kürzlich geschehenen Vorfall mit dem Schreiben eines Regierungs—⸗ Präsidenten, welches die Frage der Bestätigung eines Bürger⸗ meisters betroffen habe. Den neulichen Ausführungen des Abg. von Köller gegenüber verwahre er sich dagegen, als habe er den Beamtenstand angegriffen. Er bezwecke im Gegentheil, die Beamten besser und unabhängiger zu stellen, ohne sie etwa von der Verpflichtung entbinden zu wollen, dem, was sie in ihrem Amtseid versprochen hätten, nachzukommen. Er verwahre sich also auch gegen die fernere Unterstellung des Abg. von Köller, als habe er den Werth des Eides irgend herabsetzen wollen; er halte den Eid im Gegentheil für ein 1 Schutzmittel gerade auch gegenüber streberischen

eamten.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. von Schelling das Wort:

Meine Herren! Die juristischen Gesichtspunkte, welche der Vor⸗ lage zur Seite stehen, sind bereits von dem Hrn. Abg. Dr. Hartmann so erschöpfend dargelegt worden, daß ich mich auf einige mehr that— sächliche Bemerkungen beschränken kann. Der Hr. Abg. Dr. Moeller bat das Bedürfniß der Gesetzesvorlage bestritten, weil ein allgemeines Eindringen unlauterer Elemente in den Reichsdienst nicht dargethan sei und es sich nur um einen einzigen Fall handle, in welchem das Disziplinarverfahren gegen einen früheren Landesbeamten habe eiöffnet werden müssen. Ja, meine Herren, dieser einzige Fall hat aber eine sehr wichtige präjudizielle Bedeutung. Denn er hat zu einer Entscheidung geführt, die desbalb auf die Zukunft hinaus wirkt, weil sie nicht von einer unteren Bebörde, sondern vom Dieziplinarhof in Leipzig gefällt ist. Nun, meine Herren, werden Sie doch alle nicht wünschen, daß der Reichsdienst zu einem Asyl für solche Beamten werde, die sich vorher im Landesdienst verfehlt haben. Einer solchen Konsequenz muß doch unter allen Umständen entgegen getreten werden, und die verbündeten Regierungen müssen umsomehr darauf Werth legen, daß die Disziplinarrechte, welche einer Regierung einem Beamten gegenüber erwachsen sind, durch dessen Uebertritt in den Reichsdienst nicht auf— gehoben werden, els das Reich ja täglich in der Lage ist, sich seine Organe durch Uebernahme aus dem Landesdienst zu schaffen, ja auf diese Rekrutirungsweise, wenn ich mich so ausdrücken darf, geradezu angewiesen ist.

Nun hat der Herr Abg. Dr. Moeller weiter gesagt, wenn einem Landesbeamten ein so gravlrendes Vergehen zur Laff falle, dann würde doch bei der nahen Berührung zwischen dem Reichs- und dem Landesdienst den Reichsbehörden immer möglich sein, rechtzeitig von dieser Verfehlung Kenntniß zu nehmen. Da muß ich be— hauyten, der Herr Abg. Dr. Moeller kennt die thatsächlichen Verhältnisse nicht, wenn er glaubt, daß alle Dienstver⸗ gehen immer von der Art seien, daß sie augenblicklich nach ihrer Begehung in die Oeffentlichkeit, oder zur Kenntniß der vorgesetzten Behörde gelangen. Und gerade der vorliegende Fall wider⸗ legt die Voraussetzung, von der der Herr Vorredner ausgegangen ist. Denn, meine Herren. es handelt sich, wie bereits erwähnt, um erheb— liche Ordnungswidrigkeiten eines Baubeamten, die erst entdeckt worden sind bei der Prüfung der Rechnungen, also naturgemäß erst mehrere Jahre nachdem sie begangen waren, an den Tag getreten sind. Nun sagt der Herr Abgeordnete weiter, sa die Reichsregierung hätte viel besser gethan, diesen Fall mit dem Mantel der Lieb- zujudecken und dem Beaniten Gelegenheit zu geben, durch ein pflichtreues Verhalten die Erinnerung an seine frühere Verfehlung auszuwischen. Ich finde es auffällig, daß Hr. Moeller gegenüber den Ueberschreitungen bei Bauausführungen jetzt auf einmal einen so koniventen Standpunkt einnimmt. Denn gerade seine Freunde haben im preußischen Abgeordnetenhaus und zwar mit Recht wiederholt darauf Gewicht, gelegt, daß die öfters vorkommenden, will⸗ kürlichen Abweichungen von Bauplänen mit unnachsichtiger Strenge verfolgt werden möchten. Speziell der vorliegende , handelte sich um den Bau des Regierungs⸗

gebaudes in Schleswig hat im Abgeordnetenhaus zu eingehenden

Erörterungen Veranlassung gegeben, und bei dieser Gelegenheit ist von Freunden des Hrn. Abg. Dr. Moeller wenn sch mich nicht irre, von Seiten des Hrn. Abg. Dr. Virchow an die Königliche Staatsregierung die dringende Bitte gerichtet worden, diesen Fall einer weiteren Erörterung und strengen Bestrafung zu unterziehen?

Meine Herren, ich komme nun noch an die politischen Befürch— tungen, welche an die Vorlage geknüpft worden sind sowohl von dem Hrn. Abg. Dr. Moeller als auch von dem Hrn. Abg. Kayser. Meine Herren, ich kann nur sagen, die Gefahren, die hier an die Wand gemalt wurden, sind wirklich förmlich bei den Haaren herbeigezogen. Es handelt sich hier in der That um nichts anderes als um Aus— füllung einer technischen Unvollkommenheit in dem Gesetz, einer Un⸗ vollkommenheit, die bei der Redaktion des Gesetzes übersehen worden ist und der nun im Wege eines neuen Gesetzes Abhülfe geschaffen 4 ih 9.

a ich das Wort einmal habe, so will ich nicht schließen, ohne noch eine thatsächliche Behauptung in der Rede dez . Dr. Moeller richtig zu stellen. Er hat die schon anderwärts in der Presse gufgetauchte Behauptung wiederholt, daß von Seiten der preußsschen Regierung kürzlich nach der politischen Gesinnung der hannöverischen Kreisaus schußmitglie der Erkundigungen eingezogen worden eien. Er hat dabei wohl übersehen, daß der Herr Ober⸗Präsident diese Be⸗ hauptung bereits offiziell dementirt hal.

Der Abg. Frhr. von Buol wünschte, daß in das Gesetz eine Kautel dahin aufgenommen werde, daß die Beamten, welche aus dem Landes⸗ in den Reichsdienst einträten nun nicht bisziplinarisch schlechter gestellt würden, als sie es im Landesdienst gewesen seien. Wenn die Reichsbeamten schlechter gestellt würden, als die Beamten der Einzelstaaten, so werde seine Partei gegen den Entwurf stimmen.

Der Abg. Dr. Marquardsen erwiderte, wenn gewisse Vergehen im Reichsdienst strenger bestraft würden, als im Landesdienst, so würden die Beamten, welche in den Reichs⸗ dienst einträten, sich diesen strengeren Bestimmungen doch frei⸗ willig unterordnen. Es sei durchaus eine einheitliche Behandlung nöthig; der eine Reichs beamte dürfe nicht schlechter oder besser gestellt werden als der andere. Die National— liberalen würden für die Vorlage stimmen.

Der Bundes kommissar, Geheime Ober Regierungs⸗Rath Dr. Gutbrod wandte sich gegen den Abg. Buol, dessen Be⸗ denken nur zutreffen würden, wenn Disziplinar⸗ und Straf⸗ gesetze auf einer Stufe ständen. Das sei aber nicht der Fall, vielmehr handle es sich im Disziplinarverfahren nicht sowohl um Verhängung von Strafen, als vielmehr um die Aufrecht⸗ erhaltung der Ordnung des öffentlichen Dienstes.

Der Abg, orwitz, Referent der Kommission, wies die Vorwürfe zurück, die vom Abg. Kayser gegen die Beschlüsse der Kemmisston in der zweiten Lesung erhoben worden waren.

Der Abg. von Köller erklärte, die Abgg. Moeller und Kayser hätten beide betont, daß ste im Interesse des Beamten standes für die Ablehnung des vorliegenden Gesetzes eintreten müßten,. Die Beamten würden wissen, wag fie von den Sympathien der Parteien zu halten hätten, die, als dem

Wohlthaten jenes Gesetzes theilhaftig würden. Man habe be⸗ hauptet, daß es der politische Grundsatz der Konservativen sei, keine Opposition zu machen. Das sei eine Behauptung von Jemand, der gar nicht in der Lage sei, die kon⸗ servativen Grundsätze zu begreifen. Allerdings halte seine Partei sich fern von jeder ere g,. Opposition. Die konservative Politik bestehe darin, ehrlich und offen zu prüfen, und wenn seine Partei eine Vorlage der Regierung nicht für gut halte, so spreche sie das auch deutlich aus. Er verwahre sich dagegen, dem Abg. Kayser in Bezug auf den Diensteid Anschauungen untergelegt zu haben, zu denen derselbe sich selbst niemals bekannt habe. Er habe sich lediglich gegen die Aeußerung gewendet, die ein hervor⸗ ragender Führer der sozialdemokratischen Partei gethan habe, daß man ja wisse, was man von dem sogenannten Diensteid zu halten habe. Wenn der Abg. Kayser anderer Ansicht sei über die Heiligkeit dieses Eides und somit seinen Führer desavouire, so könne er sich darüber nur freuen. Der Abg. Möller wolle die Vorlage ablehnen, weil sie demselben tieses Mißtrauen ein—⸗ flöße. Er glaube, wenn man jeder Vorlage der Regierung mit Mißtrauen begegne, so könne man nicht mit Nutzen rathen und thaten; dazu müsse man Vertrauen haben und selbst mit Hand anzulegen und zu helfen bereit sein. Wer nur ein tiefes Mißtrauen gegen die Regierung kenne, der solle lieber nach Hause gehen. Man sage weiter, daß man das Gesetz ablehnen müsse, um die Selbständigkeit der Beamten zu verstärken. Ein solcher Gedankengang sei ihm in dem Kopfe des Abg. Moeller recht wohl begreiflich, aber wer nicht dessen An⸗ schauungen huldige, der müsse für das Gesetz stimmen, so wie es aus der zweiten Lesung hervorgegangen sei, in der Ueber— zeugung, daß es die Handhabe biete, deren man zur Intakt— haltung des Beamtenstandes bedürfe.

Der Abg. Richter (hagen) bemerkte, der Parteigrundsatz der Konservativen lasse sich in der That leichter zusammen— fassen als derjenige anderer Parteien. Derselbe laute ganz einfach: „wie der Kanzler will, wir halten still“. Mache der Kanzler Freihandel, so mache die Rechte mit; mache derselbe Schutzzoll, so mache die Rechte auch mit; vielleicht werde die Rechte in nächster Zeit wieder freihändlerisch. Daß seine Partei durch ihre Haltung das Zustandekommen des Pensionsgesetzes ver⸗ eitelt habe, sei unrichtig. Wie habe sich denn der ganze Vor⸗ gang abgespielt? Zuerst habe dem Hause das Militärpensions⸗ gesetz und die Novelle zum Beamtenpensionsgesetz in zwei ganz getrennten Entwürfen vorgelegen. In Preußen sei die Pension der Civilbeamten auch schon im Voraus geregelt worden, der Gesetzentwurf, betreffend die Civil⸗ beamten, habe bereits die zweite Lesung passirt gehabt. Als der damalige Präsident Widerspruch gegen die Anberaumung der dritten Lesung erhoben habe, sei er es gewesen, der die dritte Lesung beantragt habe, um das Gesetz zur Verab⸗ schiedung zu bringen; da sei der Minister von Boetticher auf— getreten, um dem Hause zu erklären, daß die Regierung die Novelle zum Beamtenpensionsgesetze zurückziehe. Im folgenden Jahre seien dem Hause die beiden Gesetzentwürfe verkoppelt zu einer Vorlage vorgelegt worden; die Postsekretäre sollten Vorspann leisten, um den Offizieren ihre Steuerprivilegien zu erhalten. Dieser Taktik habe seine Partei sich nicht fügen können, um so weniger, als von allen Seiten anerkannt worden sei, daß die Privilegien der Ofsiziere in ihrem gegenwärtigen Unifange nicht weiter aufrecht zu erhalten seien. Wenn das Beamtenpensions⸗ esetz nicht zu Stande gekommen sei, treffe die Schuld dafür allein die egierung und den Theil der Konservativen, der sich auf Seiten derselben gestellt habe. Was dieses Gesetz betreffe, so hahe der Regierungskommissar zur Nechtfertigung desselben angeführt, daß die Beamten ja freiwillig in den Reichsdienst eingetreten seien, das beweise zu viel. Mit einem solchen Grundsatz könne man das schärfste Disziplinargesetz rechtferti⸗ gen. Auch in der Türkei, wo ja wohl für Bisziplinar— vergehen die Strafe des Bauchaufschlitzens festgesetzt sei, seien die Beamten freiwillig in den Staatsdienst eingetreten. Der Staatssekretär habe gesagt, daß ohne ein solches Gesetz Gefahr vorliege, daß der Reichsdienst zu einem Asyl für Beamte werde, die sich in ihrem früheren Leben verfehlt hätten. Aber liege nicht eine viel größere Gefahr darin, wenn, wie das jüngst geschehen sei, ein Beamter ange⸗ stellt werde, von dem man wisse, daß derselbe sich verfehlt habe, und gegen dessen Anstellung aus diesem Grunde von seinen Kollegen Protest eingelegt worden sei? Es sei auch gar nicht richtig, daß die Reichsbeamten sich naturgemäß aus dem Landesdienst rekrutirten, wenigstens sei das für die Post und die Marine nicht naturgemäß. An sich habe das vor— liegende Gesetz ja keine Fraltionsbedeutung, aber je mehr er seine Aufmerksamkeit auf dasselbe konzentrirt habe, um so mehr seien die Bedenken gegen dasselbe ins Gewicht gefallen, und er habe sich sagen muͤssen, daß man keine Veranlassung habe, an einem Punkte zu helfen, wenn eine allgemeine Re vision des Beamtendisziplinargesetzes verweigert werde. Der Staats sekretär habe gemeint, daß die Beispiele von der Beeinflussung der Beamten durch ihre Vorgesetzten an den Haaren herbeigezogen seien. Das sei durchaus nicht der Fall. Erst jüngst seien in Ostpreußen Lehrer in Disziplinarstrafen nur darum genommen, weil sie einem Vortrage beigewohnt hätten, den er (Redner) in Insterburg gehalten habe. Was den hannover⸗ schen Fall betreffe, so sei derselbe allerdings berichtigt worden. Allein der Vorfall fei durch den „Hannoverschen Kurier“ ver⸗ breitet worden; man sehe daraus, wessen selbst die national— liberale Partei von dem gegenwärtigen Parteiregiment sich versehe. Dazu komme noch, daß in' der letzten Zeit eine besondere Methode bei der Disziplinirung Platz ge⸗— griffen habe. Man verpflichte die Beamten, von der Dis— ziplinirung Niemandem, vor Allem keinem Abgeordneten Mittheilung zu machen. Darin sei der Grund zu suchen, weshalb eine ganze Reihe von Disziplinirungen nicht zur öffentlichen Kenntniß gelange, darin zeige sich aber auch, wie ein Parteiregiment die demselben verliehene Macht zu Be⸗ amtenbeeinflussungen ausnutze. Mit einer solchen Regierung könne man wohl Gesetze machen, aber ihr nicht einen Para⸗ graphen bewilligen, der das diskretionäre Ermessen der selben noch weiter steigere. Aus diesem Grunde und weil er die vorliegende Frage nicht anders regeln wolle als im Zu⸗ sammenhang mit dem Disziplinargesetz, werde seine Partei den Gesetzentwurf ablehnen. Der Abg; Dr. Möller erklärte, er möchte zur näheren Be— gründung dessen, was er vorhin gesagt habe, auf seine eigene Enthebung vom Amte hinweisen. Dieselbe sei erfolgt, weil er auf einem Banket zu Ehren eines liberalen Abgeordneten einen Toast auf denselben ausgebracht und zweitens

Hause die Norelle zun Heamüenpensionsgeseßz vorgelegt sei, durch das Hineinziehen der Frage betreffs ber om n na lbe cler r s der Sffiziere verhindert hätten, daß die Reichs beamten be

einer Versammlung von Wählern beigewohnt habe, welche eine Resolution gegen die verfassungswidrigen Preßorbdon⸗

der allerschlimmsten Art und als ein unwürdiges Verhalten bezeichnet, durch das er die erforderliche Achtung verloren und sich des öffentlichen Vertrauens unwürdig gemacht habe Angesichts solcher Thatsachen habe man das echt einiges Mißtrauen gegen die Ausdehnung des Die ziplinargewalt zu hegen. Denn wenn auch die Persönlichkeiten im Ministerium gewechselt hätten, der Geiñ sei derselbe geblieben. Wenn auch an den Abg. von Köller niemals das Ansinnen gestellt worden sein möge, Konduꝛiten⸗ listen zu führen, von anderen Beamten sei ihm bekannt, daß dieses Ansinnen nicht blos an sie gestellt, sondern auch aue. geführt worden sei. Er müsse deshalb seine Aeußerungen in ihrem ganzen Umfange aufrecht erhalten.

Der Bundeskommissar, Geheime Ober · Regierungs lat Dr. Gutbrod entgegnete, die Entscheidung in einem Disʒiplinar falle sei keine willkürlich! und vom Belieben der vorgesetzten Behörde abhängige, sondern werde von einem mit allen Garantieen ausgestatteten höchsten troffen.

Der Abg. Kayser bemerkte, der Abg. von Köller werde als Mitglied der Wahlprüfungskommission am wenigsten die ungebührliche Einwirkung auf die Beamten in Abrede stellen können. Er erinnere besonders an das Disziplinarverfahren gegen die beiden Danziger Ingenieure, die für die Wahl dez Abg. Rickert eingetreten seien. Wäre dasselbe auch eingeleitet worden, wenn sie für den konservativen Gegenkandidaten ge⸗ wirkt hätten? Er glaube übrigens, daß eine Agitation sür den Landrath eher geeignet sei, die Achtung zu nehmen, als die für einen unabhängigen Kandidaten. Es komme vor Allem auf die Form, in der agitirt werde, an; daß aber die Form der konservativen Kandidaten eine passende sei, be⸗ zweifle er. Es gebe manche Fragen, in denen er den Kon— servativen nahe gestanden habe. Er kenne auch die konserva— tiven Grundsätze und wünsche nur, daß der Abg. von Köller die Grundsätze seiner Partei ebenso gut kenne. Der Geheime Rath Wagener und Rudolf Meyer seien für ihn konservatipe Männer, die Beachtung verdienten. Er bitte auch den Abg. von Köller, das zu lesen, was z. B. Wagener über die kon— servative Partei und ihre Parteiführer sage, es werde für den— selben lehrreich sein. Grundsatzlosigkeit habe er der konser⸗ vativen Partei nicht vorgeworfen. Wenn er aber daran denke, daß erst vor Kurzem im Reichstage ein konservativer Abgeordneter sich habe entschuldigen müssen, daß derselbe gegen die Regierung gestimmt habe, weil er sich seinen Wählern gegenüber gebunden habe, dann könne er (Redner) allerdings, so großen Respekt er vor einigen konservativen Schriststellern und National— oökonomen habe, den Glauben an die Festigkeit in den Grundfätzen in. Bezug auf die konservative Partei in allen ihren Nit— gliedern nicht haben. Möge der Abg. von Köller mit ihm einmal bei den Gastwirthen herumgehen, dann werde derselbe hören, welchen großen Nachtheilen sich dieselben ausgesetzt glaubten, wenn sie ihre Räume oppositionellen Parteien öffneten. kan sage: wer kein Vertrauen zur Regierung habe, folle nicht in den Reichstag kommen. Er meine, es sollten hier nicht blos Vertrauenspersonen der Regierung sitzen; die Abgeordneten säßen hier als Vertreter des Volkes und nicht als Vertrauenspersonen. Er sei im Gegentheil der Meinung, daß die Regierung gehe, wenn man kein Vertrauen zu ihr habe. Es werde gesagt, seine Partei sei bemüht, Mißtrauen gegen die Regierung zu erregen. Auf der einen Seite lobe der Sohn des Reichskanzlers seine Partei in Wählerversammlungen, und hier in Berlin werde sie gusgewiesen. Seine Partei könne kaum wissen, woran sie sei. Das Beispiel des Abg. Moeller sollte seine Partei warnen, der Erweiterung der Disziplinargewalt zuzu⸗ stimmen. Er wolle den Entwurf nicht, damit man zu einer Revision des Disziplinargesetzes komme. Auch das Eentrum habe ebenso wie die Deutschfreisinnigen und die Sozialdemo— kraten allen Grund, in Hinblick auf die Zukunft in diesen Punkten vorsichtig zu sein.

Der Abg. Dr. Moeller erklärte, die Entscheidung, die er vorhin angezogen habe, sei auch von einem solchen obersten Disziplinargerichtshof gesällt, wie ihn der Kommissar ange⸗ sührt habe.

Damit schloß die Generaldiskussion.

In der Spezialdiskussion wurde das Gesetz nach einer kurzen Replik des Abg. von Köller gegen den Abg. Kayser abgelehnt.

. Darauf wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Zolltarif— gesetzes vom 15. Juli 1879, fortgesetzt, und zunãchst die noch ausstehenden Abstimmungen * erledigt. Die Zollsätze für Asbest und Asbestwaaren wurden nach der Vor⸗ lage angenommen. Danach sollen Asbestsiber, auch gereinigt, Asbestkitt und Asbestanstrichmasse zollfrei sein; dagegen Pappe und Papier aus Asbest ungeformt mit 10 M, geformt mit 24 66, Garne, Schnüre, Stricke mit 24 b, Gewebe mit 40 46, andere Asbestwaaren mit 60 S pro Kilogramm verzollt werden, die drei letzten Kategorien auch in Verbindung mit anderen Spinnmaterialien.

Der Antrag Biehl, auf Cement einen generellen Zoll von O, 89 6 einzuführen, wurde abgelehnt, dagegen der Vor— schlag. Cement, land- und flußwärts eingehend, mit 0, 30 per Doppelcentner zu verzollen, angenommen. —ͤ

JFür Schlemmkreide beantragte der Abg. Dr. Delbrück einen Zoll von 1 6; der Abg. Udo Graf zu Stolberg— Wernigerode einen solchen von O, 30 S pro Doppelcent ner. Der Abg. Dr, Delbrück begründete seinen Antrag mit Hinweis auf den Nothstand, welcher für bie Schlemmkreide⸗ produzenten auf Rügen durch die ausländische, namentlich standinavische Konkurrenz entstanden sei. Wenn in dem Meistbegünstigungs vertrag mit der Schweiz Schlemmkreide zollfrei gelassen sei, gegenüber den meistbegünstigten Staaten also der Zoll nicht in Geltung kommen könne, fo bestehe doch mit Dänemark kein Meistbegünstigungsvertrag; die Konkurrenz der dänischen Schlemmkreide wenigstens würde man also durch den Zoll abwehren können. Vielleicht würde es auch möglich sein, den Zoll nur von der seewärts ein⸗ gehenden Schlemmkreide zu erheben.

Der Abg. Dr. Langerhans erklärte den Antrag Delbrück für ein fast noch kühneres Unternehmen, als es der Antrag auf einen Cementzoll gewesen fei. Von“ einer „Fabrikation! von Schlemmkreide könne bei der einfachen Art der Gewin— nung dieses Produktes kaum die Rede sein; ebensowenig von einem Schutz nationaler Arbeit, da höchstens 206 Arbeiter auf Rügen mit der Gewinnung der Schlemmkreideẽ beschäftigt seien. Die Preise des Artikels im Inland wurden durch den Zoll kaum steigen, da Rügen viel mehr Kreide produzire, als es im Inlande absetzen könne, die dänische Kreide aber dauernd

Disziplinargerichtshof ge

nanzen gefaßt habe. Diese Dinge seien als Dienst vergehen

höher im Preise stehe als die Rügensche. Die deuische Aus—=

an Schlemmkreide übertreffe auch den Import erheblich. tg den Zoll könne höchstens dem Süden und Westen Deutschlands die Kreide vertheuert werden, was für die dor⸗ tige Farben⸗ 29 Goldleistenfabrikation ein erheblicher Nach⸗

il sein würde. en, Staatssekretär von Burchard wies darauf hin, daß es in Folge des Meistbegünstigungs vertrages mit der Schweiz nicht angänglich sein würde, den Zoll von den anderen meist⸗ begünstigten Staaten zu erheben. Es würde höchstens mög⸗ lich sein, die Schweiz zu einer Konzession in dieser Beziehung zu bewegen. Indessen sei ein großer Theil Deutschlands auf den Import ausländischer Schlemmkreide angewiesen, und wenn man etwa nur die seewärts eingehende Kreide verzollen wollte, so würde das den Erfolg haben, daß dieselbe auslän⸗ dische Häfen aufsuchen und von dort landeinwärts nach Deutschland importirt würde. Das führe lediglich zu einer Schädigung der deutschen Schiffahrt. Üeberhaupt sei der Zoll von 1 6 doch ein , sehr hoch. Er stelle dem Hause die eschlußfassung anheim. .

) ce n gg, hielt es für sehr bedenklich, an den mit der Schweiz nun schon seit 20 Jahren bestehenden handels⸗ politischen Vereinbarungen jetzt eine wenig motivirte Aende⸗ rung zu treffen. Bei einer früheren Gelegenheit habe der Staatssekretär sich auch viel entschiedener in diesem Sinne ausgesprochen. Es komme hinzu, daß, wenn man den Kreide⸗ import aus Dänemark verhindere, Dänemark seinerseits den sehr erheblichen Cementimport aus Deutschland, der bereits über 200 000 Doppelcentner betrage, lahm legen würde. In diesem Sinne hätten sich bereits dänische Schlemmkreide⸗ Produzenten geäußert. .

Der Abg. Dr. Delbrück erklärte sich mit dem Antrag Stol⸗ berg einverstanden. .

Bei der Abstimmung wurde jedoch der Zoll abgelehnt.

Die nun vorgenommene Abstimmung über den Antrag, Cichorien mit 1 6 zu verzollen, ergab die Annahme desselben mit 110 gegen 109 Stimmen. ö.

Die Positionen „Erzeugnisse des Landbaues, anderweitig nicht genannt, „frei“ und „Häute und Felle, rohe, zur Leder⸗ bereitung, auch enthaart, „frei wurden ohne Debatte ge⸗ nehmigt. . ö

Die Position „Literarische und Kunstgegenstände, „frei wurde nach der Vorlage ohne Diskussion angenommen.

Für Branntwein aller Art, Arak, Rum u. s. w. in Fässern und Flaschen schlug die Vorlage eine Zollerhöhung von 48 auf 80 6 vor. . 3

Der Abg. Lucius beantragte, die Erhöhung auf 60 6 zu ermäßigen. .

. vertagte sich das Haus um 4 / Uhr auf Freitag 12 Uhr.

Im weiteren Verlauf der gestrigen (53) Sitzung des Hauses der Abgeordneten erfolgte die Berathung der Petitionen von Lehrern an höheren Unter— richts anstalten wegen Gleichstellung der Lehrer an höheren Unterrichtsanstalten mit den Richtern erster Instanz. .

Namens der Kommission beantragte der Abg. Dr. Ber⸗

enroth:

; J. Die Petitionen IL Nr. 18, 85 1—–18 und 320 der König⸗ lichen Staatsregierung zur möglichsten Berücksichtigung im Sinne einer einbeitlichen Regulirung der Gehalts, Pensions⸗ und Rang⸗ verhältnisse der Lehrer in den höheren Unterrichtsanstalten staat— lichen und kommunalen Patronats zu überweisen;

II. über die genannten Petitionen, soweit sie sich darauf be⸗ siehen, daß das Gesetz vom 20. Mai 1882, betreffend die Fürsorge für die Hinterbliebenen der unmittelbaren Staatsbeamten, auf die Lehrer an höheren städtifchen Lehranstalten ausgedehnt werde, nach den Erklärungen des Königlichen Staats Ministeriums vom 24. Januar d. J. Nr. 28 der Drucksachen ad Nr. 6 zur Tagesordnung überzugehen. .

Der Abg. Seyffardt (Krefeld) beantragte, in dem Antrage der Kommission in an Stelle der Worte „kommunalen

Patronats“ zu setzen „nicht staatlichen Patronats“. Die Abgg. Dr. Kropatscheck und Seyffardt refeld) erklärten sich im Allgemeinen mit den Kommissionsbeschlüssen

einverstanden. .

Der Abg. Dr. Delbrück meinte, daß man sich darauf be⸗ schränken müsse, den Wünschen der Lehrer bezüglich Auf— besserung ihrer Gehälter gerecht zu werden.

Der Abg. Dr. Peters bemerkte, der Vorredner habe be— kanntlich, wie es s. 3. durch die ganze Presse gegangen, im vorigen Jahre bei Gelegenheit derselben Petitionen aus⸗ gesprochen, daß der Juristenstand ein vornehmerer sei als der Lehrerstand. Diese Auffassung werde glücklicherweise von den in Betracht kommenden Fakultäten selbst nicht getheilt, und die Petitionen, die dem Hause zugegangen seien, reprä⸗ sentirten die Anschauungen und Wünsche des ge⸗ sammten höheren Lehrerstandes der Monarchie. Die Gleichstellung im Range mit den Richtern sei schon von dem verstorbenen Minister von Mühler als ein berechtigtes Deside⸗ rium der akademisch gebildeten Lehrer anerkannt worden. Neben der Gleichstellung in Rang und Gehalt sei aber ganz besonders eine Regelung der Ascension nach Art derjenigen bei den richterlichen Behörden erforderlich, sonst sei alles Will⸗ kür und bleibe dem Spiel des Zufalls überlassen. Die Ascen⸗ sion innerhalb der 2e ite selbst sei das größte Uebel, unter dem die große Majorität der Lehrerwelt leide.

Hierauf ergriff der StaatsMinister Dr., von Goßler

das Wort:

Meine Herren! Die Debatte erstreckt sich, wie wir soeben wahrgenommen haben, allmählich über das gefammte Gebiet des höheren Unterrichts, und wenn ich auch nicht geneigt bin, die De— batte irgendwie einzuschränken und auf den eigentlichen Kern und Ausgangspunkt zurückzuführen, so darf ich doch auf diefe Thatsache hinweisen, um daran die Behauptung zu knüpfen, daß unendlich mehr in dem Antrage Ihrer Kommission liegt, als auf den ersten Blick zu liegen scheint; ja, sehr viel mehr, als wohl die einzelnen Mitglieder, die dafür stimmen wollen, beabsichtigen. Ich will daraus nicht etwa den Einwand herleiten, daß Sie nicht dem Äntrag Ihrer Kommission beitreten sollen; obwohl ich außer Stande bin, jedes einzelne Wort und jeden einzelnen Gedanken in den Anlagen in seiner Bedeutung klarzustellen, und es mir nach der Debatte scheint, als ob bei dem⸗ selben Passus innerhalb des Hauses verschiedene Auffassungen bestehen.

ch will nur im Allgemeinen aussprechen, daß die Unterrichtsver- waltung sich dem Ersuchen nicht entziehen wird, welches das Haus, wenn es die Anträge der Kommission annimmt, an die Unterrichts verwaltung richtet. Ich habe ferner, um auf eine Einzelheit einzu gehen, auch kein Bedenken, daß Sie dem gestellten Unterantrage ent sprechend das Wort kommunal, oder stäͤdtich mit „‚nichtstaatlich vertauschen, weil, wie es anzuerkennen ist, nach dem Beschluß der Kommission in die städtischen Anstalten nicht die staatlichen einbe⸗ griffen werden können.

ornherein dem Hrn. Abg. Dr. Kropatschek den Dank aussprechen für . be mn hn in 9 er hier die Interessen des Standes, dem er früher selbst angehörte, vertreten hat. Ich kann im Großen und Ganzen, glaube ich, auch dem Gange seiner Ausführungen folgen. Er hat m E. richtig hervorgehoben, daß in der Nummer l sehr verschieden⸗ artige Materien zufammengefaßt sind; ein Theil beschäftigt sich allein mit den staatlichen Lehrern und es ist auch zutreffend hervorgehoben, daß die Interessen der staatlichen Lehrer sich gliedern nach Gehalt, Wohnungsgeldzuschuß. Rang. Pension, Reliktenversorgung und wenn diese Fragen den ftaatlichen Lehrern gegenüber erledigt sind, so tritt die weitere und noch schwierigere Frage entgegen; ob und wie sollen die Verbaͤltnisse der nichtstaatlichen Lehrer gesetzlich geregelt werden und ob und wie kommen wir zu einer Gleichstellung zwischen den nichtstaatlichen und staatlichen Lehrern? t . Wenn ich nun bet dem ersten Theile einen Augenblick verweile, so darf ich gern konstatiren, daß das Drängen nach der Gehalts— verbesserung der Lebrer an den böheren Unterrichts anstalten in sofern kein mebr so heftiges ist wie früher, als in der Chat, wie es scheint, sich eine Art communis opinio darüber herausgebildet hat, daß, wie unsere Verhältnisse einmal liegen, die Lehrer der höheren Ünterrichts⸗ anstalten als folche keine vorzugsweise Berechtigung haben, vor anderen Kategorien gleichartiger Beamten ihre Gehaltsbezüge ver— bessert zu sehen. Baß der Parallelismus der Richter ein unbe⸗ quemer ist, kann ich zugeben, er ist es aber nicht allein den Lehrern gegenüber, sondern auch zahlreichen anderen Beamten gegenüber, deren Gehälter einer Aufbesserung harren. In den Vorder⸗ grund der Debatte ist in gewissem Umfange getreten zie Rangfrage, und über diesen Punkt will ich mich weil er praktisch geworden ist und weitere aktuelle Bedeutung gewinnen wird, noch in Fürze ver breiten. Es kann ja gar keinem Bedenken unterliegen, daß, vom philosophischen und ethischen Standpunkte aus betrachtet, der Rang, den ein Mann im Leben einnimmt, mit dem Werthe, der diesem Manne innewohnt, nicht identifizirt werden kann; aber ich gehe doch nicht so weit, wie der Hr. Abg. Dr. Delbrück, die preußische Einheilung nach Rangstufen als eine „chinesische“ Ein⸗ richtung zu beieichnen. Jeder Staat hat auf dem Gebiet der Ab— stufung der Ränge seine eigenartige Vergangenheit und seine eigen⸗ artigen Bedürfnisse, und jedenfalls läßt sich die Bahn, die Preußen auf diefem Gebiete zurückgelegt hat, nicht rückläufig machen. Wir gehen noch heute von dem Rangreglement von 1817 aus, aber auch dieses hat noch eine lange Vorgeschichte, welche mit den anderen Staatseinrichtungen verwachsen ist. In Preußen hat sich die Gehalts frage und die Abmessung von gewissen äußeren Vorrechten an der Hand der Rangfeststellung bewegt,. A priori mag man dies bemängeln, in praxi hat sich dies System stets als noth— wendig und nützlich erwiesen. Richtig ist es ja, daß nach dem Rangreglement von 1817 es vermieden worden ist, den Geist⸗ lichen, welche nach der damaligen staatsrechtlichen Auffassung als quasi Beamte des Staates betrachtet wurden, und im Großen und Ganzen auch den Lehrern einen besonderen Rang beizulegen. Man hat aber schon damals eine Ausnahme gemacht zu Gunsten der Uni— versitätslehrer, indem den ordentlichen Professoren der Rang der Räthe vierter Klasse, den außerordentlichen der Rang der Räthe fünfter Klasse beigelegt worden ist. Um bei diesem Beispiel stehen zu bleiben: Um der äußeren Ordnung willen ist es gewiß nützlich, daß den Pro— fessoren an den Universitäten ein bestimmter Rang beigelegt ist. Bei der Würdigung eines ordentlichen Professors in seiner Bedeutung für Staat oder Kirche wird aber Niemand den Maßstab darin finden, daß dieser Professor den Rang eines Rathes vierter Klasse einnimmt. Und wie wenig selbst der Staat bei der Anerkennung von Verdiensten auf diese Rangverhältnisse Rücksicht nimmt, das geht daraus hervor, daß z. B. ein Mann, dessen Name in den letzten Wochen auf aller Lippen geschwebt hat, unmittelbar von der Stufe eines Rathes vierter Klasse auf die Stufe eines Wirklichen Ge⸗ heimen Raths mit dem Exeellenzprädikat emporgerückt ist, auf eine Stufe, welche allen anderen Rathsstufen vorangeht. So werden die Ver⸗ bältnisse auch Seitens des Staates betrachtet. Daraus folgt aber noch nicht, daß die Rangordnung an sich etwas Widersinniges und Verwerfliches wäre. In Ansehung der Lehrer ist das Bestreben der Staatsverwaltung seit Erlaß des Reglements von 1817 dahin gegangen, auch andere Lehrerkategorien, wie Hr. Abg. Peters bereits hervorgehoben hat, mit einem bestimmten Range zu versehen, vierter Klasse bei den Direk⸗ toren der höheren Anstalten oder korrekter der höheren Voll— anstalten im Jahre 1842. und man ist später dazu überge— gangen, die mit dem Professorenprädikate versehenen Oberlehrer den Räthen fünfter Klasse beizuzählen. Bei Einführung des Wohrungs— geldzuschusses im Jahre 1873 ist die Ransfrage in der That akut geworden, denn der Rang ist das prinzipale Moment für das Accessorium des Wohnungsgeldzuschusses geworden. Bei dieser Ent⸗ wickelung der Dinge kann man es wohl verstehen, wenn die Lehrer dahin drängen, einer bestimmten Rangklasse eingereiht und solchen Staate dienern gleichgestellt zu werden, mit denen sie sich im Uebrigen vergleichen dürfen. Allerdings enthält das Gesetz von 1873 über den Wohnungszuschuß zwar die Bestimmung, daß für solche Beamte und Lehrer, welchen ein bestimmter Dienstrang nicht beigelegt ist, der Ressort⸗ chef im Einvernehmen mit dem Finanz⸗Minifter eine besondere Tarifklasse festsetzen kann. Diese Vereinbarung ist aber erzielt worden nur in Ansehung der etatsmäßigen Oberlehrer. Diese sind der dritten Tarifklasse über⸗ wiesen, zu welcher die Beamten der vierten und fünften Rangklasse gehören. Die etatsmäßigen Oberlehrer beziehen daher zwar denselben Wohnungszuschuß wie die Räthe fünfter Klasse, aber sie besitzen nicht den gleichen Dienstrang. Wenn sie aber den gleichen Wohnungs— geldzuschuß beziehen, dann erscheint auch ihr Drängen nach der gleichen Rangklasse verständlich. Aber noch mehr, meine Herren, lassen sich die Bestrebungen der ordentlichen Gymnastallehrer ver stehen, die, weil, bezüglich ihrer eine Vereinbarunz über die dritte Tarifklaffse sich nicht hat erreichen lassen, und die in Folge dessen der vierten Klasse eingereibt sind, zusammen mit den Subalternbeamten den Wunsch haben, aus dieser Tarifklasse herauszukommen und nicht nur in eine höhere Tarifklasse, sondern auch in eine bestimmte Rangklasse versetzt zu werden. ; Meine Herren, die Schwierigkeiten, welche einer den Wünschen der Lehrer entsprechenden Regelung der Rangfrage heut noch ent gegenstehen, liegen für die Königliche Staatsregierung nur noch auf dem finanziellen Gebiet. Ich darf deshalb nicht verschweigen, daß, wenn, wie es der Absicht der Reglerung entspricht, daß den ordentlichen Lehrern, den Oberlehrern, einschließlich der Pro— fessoren an den höheren Unterrichtsanstalten, der Rang als Räthe fünfter Klasse beigelegt wird, dann auf Grund des Gesetzes von 1873 die Mehrbelastung der Stagtskasse mindestens 175 000 M betragen würde. Die Königliche Staatsregierung hat auch diese Frage bereits in einem Stadium erwogen, als die Petitionen noch nicht einmal Gegenstand der Verhandlung in der Kommission waren, und ich bin berech tigt, auf Grund Ällerhüchster Ermächtigung ju erklären, daß, wenn im nächsten Staatshaushalts⸗ Etat die Mittel für den erhöhten Wohnungsgeldzuschuß der Lehrer an den höheren Unterrichtsanstalten des Staats bewilligt werden, daß dann auch die Einrangirung dieser Lehrer in die fünfte Klasse eine entgegen⸗ kommende Entscheidung zu gewärtigen hat. 2 Meine Herren! Ich vermeide es nun, in eine Erörterung darüber einzutreten, ob und in wie weit die Lehrer den Richtern an den Untergerichten, welche immer als eine gewisse Norm hingestellt werden, gleichzustellen selen oder nicht. Ich halte diese Erörterung für über- flüssig, auch nicht für nöthig; aber wir wollen doch nicht verkennen, daß, wenn die Richter in kleinen Städten mit einem bestimmten Range, mit einem gewissen staatlich anerkannten Vorrechte versehen sind, wenn die Bauinspektoren in kleinen Städten, die Oberförster in kleinen Städten mit dem Range der Räthe fünfter Klasse versehen sind, daß auch den Lehrern an höheren Bildungtanstalten der Wunsch nahe gebracht wird, den andern Staatsbeamten gegenüber in ein an⸗ gemessenes Rangverhältniß gebracht zu werden. Manches, was uns bier in den größeren Berhältnissen der Hauptstadt oder einer größern

Ich will diesen Gedanken nicht weiter ausführen, aber wer in kleineren Verhältnissen gelebt bat, weiß, daß in vielen sozialen Beziehungen die öffentlichen Repräsentationen es dringend wünschenswerth machen, ich möchte sagen oft sogar in patrlotischem Interesse, Streitigkeiten zu vermeiden, und zwar dadurch, daß gewisse Fragen an der Hand der staatlichen Rangverhã l tnisse ent schleden werden. Wenn es daher möglich ist, durch eine Allerböchste Verordnung, unter Zutritt der Bewilligung der erforderlichen Summe Seitens der Landesvertretung, den ordentlichen Lehrern einen anderen Rang und damit auch einen höberen Wohnungẽgeldzuschuß zu ver⸗ leihen, so halte ich das für eine würdige und nützliche Aufgabe der Staatsverwaltung und der Landesvertretung, enn die Staatsregierung hält dafür, daß, wenn man überhauyt die einzelnen Beamtenkategorien abwägen will, daß nach dem Bil⸗ dungsgang und der Bedeutung der Lehrer an den höheren Bildungs anstalten für das Staatsleben überhaupt die Lehrer einen Anspruch darauf haben, mit den Richtern an den unteren Gerichten gleich⸗ gestellt zu werden . Meine Herren! Sehr viel schwieriger ist es, das Verhältniß richtig zu konstruiren zwischen den staatlichen und den nicht staat⸗ lichen Lehrern an höheren Bildungsanstalten. Ueber diese Frage mich akademisch zu äußern bin ich im gegenwärtigen Moment zwar im Stande, aber absolut nicht in der Lage, eine irgendwie verbindliche Erklärung abzugeben, ob und inwieweit den hier vielfach vorgetragenen Wünschen der nichtstaatlichen Lehrer stattgegeben werden kann. Das werden Sie aber aus den Aus⸗ führungen des Hrn. Kropatscheck und des Hrn Seyffardt (Krefeld) entnommen haben, daß mit der energischen Aufnahme des Gegen⸗ standes eine Kugel ins Rollen gebracht wird, von der man nicht ganz genau weiß, wo sie ihren Lauf beendet. Wir haben heute namentlich von dem Hrn. Abg. Kropatscheck die Interessen der Lehrer betonen hören; aber, meine Herren, wenn eines Tages die Sache ernst werden sollte werden aus Ihren Reihen, glaube ich, zahlreiche auftreten, welche den Interessen der Lehrer gegenüber das Interesse der Kom⸗ munen betonen werden. Von der Lage der Kommunen hierbei ist kaum noch die Rede gewesen. Im Hinblick auf deren Verhältnisse hat die Staatsregierung, meines Erachtens mit Recht, bisher Be⸗ denken getragen, mit einer gesetzgeberischen Vorlage vorzugehen. Alle Herren, welche früher und heufe das Wort ergriffen, haben mich gedrängt, auf dem Gebiete des Wobnungsgeldzuschusses im Wege der Gesetzgebung Wandel zu schaffen. Ich bin aber überzeugt, daß, wenn ich nicht den dornenvollen aber nicht erfolglosen Weg, den ich jetzt eingeschlagen habe, mit den einzelnen Kommunen zu verhandeln, be⸗ treten, sondern, wenn ich den Weg der Gesetzgebung eingeschlagen hätte. aus den Reihen dieses Hauses mir viele ernste Vorwürfe hier zu Theil geworden waren, weil die Rechte der Gemeinden nicht genügende Berücksichtigung gefunden hätten. Ich möchte daher die Ideen des Hrüra. Abg. Kropatscheck nicht von der Hand weisen, daß er den von ihm aufgestellten Gesetzentwurf, von dem er gesprochen, dem hohen Hause vorlegt. Unter Umstanden kann es sehr viel leichter für den einzelnen Abgeordneten sein, die Führung in der Gesetz⸗ gebung zu übernehmen und ein gewisses Odium auf sich zu nehmen, als für die Staatsregierung, welche sich zu Gunsten der nichtstaat⸗ lichen Lehrer gegen die Gemeinden wendet. . Meine Herren! Wenn Sie im Wege des Gesetzes und einige Paragraphen würden ja genügen den Satz aussprechen wollten, daß, das, waz der Staat auf dem vermögensrechtlichen Gebiete an Emolumenten, an Berechnung des Dienst⸗ alters ꝛc. 2c. seinen Lehrern gewährt, auch die Gemeinden und die Stiftungsanstalten ihren Lehrern zu gewähren haben, dann werden sich sicherlich zahlreiche Klagen darüber erheben, daß diesen Tommunen, diesen Stiftungen das Recht der freien Verfügung, das Recht, ihre Schulangelegenheiten zu verwalten, verkümmert werde. Wir wollen doch nicht verkennen, daß bei der Berufung und Anstellung von Lehrern an den nichtstaatlichen Lehranstalten eine große Anzahl von Privatabmachungen, oft quasi -öffentlich rechtlicher Natur, getroffen sind, die jedenfalls der einzelnen Kommune dem einzelnen Lehrer gegenüber ein klagbares Recht gewähren. Alle diese zahlreichen einzelnen und den Bedürfnissen der Kommunen entsprechend geordneten Verhältnisse würden wir durchbrechen in dem Augenblick, wo wir den Kommunen ohne Weiteres die Verpflichtung auferlegen, ebenso ihren Lehrern gegenüber zu verfahren, wie der Staat seinen Lehrern gegen⸗ über verfährt. Ich will diesen Konflikt der Interessen nur andeuten, meine Herren, damit Sie nicht glauben, daß die Regierung entweder so uneinsichtig oder von einem so bösen Willen beseelt wäre, daß sie trotz des Drängens, welches zu Gunsten der nichtstaatlichen Lehrer sich geltend macht, in ungerechtfertigter Vorsicht mit legislativen Maßnahmen zurückhält.

Aber die Herren Vorredner sind noch weiter gegangen, nament- lich Hr. Dr. Kropatscheck hat darauf hingewiesen, daß, wenn die Gleichstellung zwischen den nichtstaatlichen mit den staatlichen Lehrern erreicht sei, man dann noch weiter gehen müsse und generell prüfen: inwieweit werden die Bedürfnißuschüsse des Staates zu den nicht— staatlichen Lehranstalten zweckmäßig verwandt, ja, inwieweit ist überhaupt das Bedürfniß für das Vorhandensein gewisser höherer Lehranstalten vorhanden? Ich habe also ganz recht gehabt, wenn ich im Eingange sagte, diese jetzt zur Diskussion gestellte Materie ist schwerlich zu erschöpfen, und daß wir ung heute nicht darüber klar werden können, welche Konsequenzen der Auffassung, welche die ver= schiedenen Herren Redner mit dem Kommissionsantrage verbinden, schließlich eintreten. Ich für meine Person habe nie ein Hehl dar= aus gemacht, daß es mir aus vielen Gründen unerwünscht ist, daß das preußische höhere Unterrichtswesen den Lauf genommen hat, wie bisher. Ich halte es vielmehr für richtig, daß, wie es beispielsweise in Elsaß⸗Lothringen, meines Erachtens sehr zur Befriedigung von Staat und Gegieinde, geschehen, feste Verhältnisse zwischen Staat und Gemeinde in Beniehunz auf die Tragung der Lasten des höheren Schulwesens gegründet werden. Aber andererseits, wenn man den historischen Gang des preußischen Staates verfolgt, die Schwierigkeiten, unter denen er sich emporgegrbeitet hat, die kümmer⸗ liche Lage seiner äußeren Mittel, dann muß man es noch heute mit Freuden begrüßen, daß trotz aller dieser Umstände Gemeinden und Stiftungen den Muth gehabt haben, höhere Lehranstalten zu er⸗ richten. Der geschichtlichen Entwickelung gegenüber habe ich, den meines Erachtens nicht unpraktischen Weg verfolgt, daß, soweit ich irgendwie durch das Entgegenkommen der Finanzverwaltung und der Landesvertretung in die Lage gelommen bin, mehr an höheren Lehr- anstalten auf den Staatshaushalts - Etats und in die staatliche Unterhaltung zu übernehmen, ich diese Gelegenhelt stets mit Freuden ergriffen habe. Und ich thue das nicht blos vom Standpunkt der unter richtlichen Interessen aus, soadern vor allen Dingen auch im Inter⸗ esse der Gemeinden selber. Ich muß durchaus anerkennen was heute ja auch wiederholt ausgesprochen worden ist daß in einem gewissen Freudenrausck, in dem Glauben an unerschöpfliche Mittel eine große Anzahl Gemeinden ihre Kräfte überschätzt haben, indem sie in einer gewissen Periode eine große Anzahl von Lehranstalten wohl über den Bedarf des Staates hinaus eingerichtet haben. Die erste Anlage und Finanzirung mag auch den Kräften der oft recht kleinen Gemeinden eatsprochen haben, aber gegenwärtig, wo nicht mehr alle Anfangs; angestellten Lehrer in frischer Leistungsfähigkeit sich befinden, wo Pensionirungen eingetreten sind, wo die Ansprüche der Lehrer, dem Vorgange auf dem Gebiete der staatlichen Unterrichtsverwaltung entsprechend, sich erhöht haben, wo vielfach die Einnahmeguellen spärlicher fließen, ist in der That zwischen dem Soll und Haben in dem Etat der kleinen Gemeinden ein großer Spalt eingetreten. Und wenn ich die zahl- reichen Verhandlungen überblicke, die ich auf diesem Gebiete führen lasse ich glaube, daß wir gegenwärtig mindestens 30 vorbereitete Anträge der Gemeinden auf Uebernahme ihrer Anstalten vorliegen haben dann erstaune ich, wenn nicht allein die kleinen Städte, denen ich auch im Schulinteresse wünsche, daß ihr Lehrermaterial aufgefrischt wird, sondern auch mittlere, ja früher Als reich angesehene Städte mit gleichen Anträgen hervortreten. Man kann heutzutage mit einiger Sicherheit prophezelen, daß in dem

Ich bin endlich auch bereit, in verschiedenen Richtungen auf die Vorträge, die hier gehalten find, meinerseits einzugehen und will von

Stadt überhaupt fast unverständlich, jedenfalls unerheblich erscheint, bekommt 26 aktuelle Bedeutung in kleineren Verhältnissen.

Augenblick, wo eine Gemeinde ein Schlachthaus baut, wo sie pflastert,