den „ Dentschen Reichs · und Preußischen. Stgatg. An. zeiger, durch das Amtsblatt der oõͤniglichen Regierung in Potsdam und der Stadt Berlin, sowie durch zwei Berliner Zei⸗ tungen und eine Charlottenburger Zeitung. Die Namen der letzte⸗ ren und etwaige Veränderungen werden im „Reichs ⸗Anzeiger“ be⸗ kannt gemacht. ;
Bis ju dem Tage, wo solchergestalt das Kapital zu entrichten
ist, wird es in halbjährlichen Terminen, am 1. Juli und am 2. Januar, von heute an gerechnet, mit vier Prozent jährlich ver⸗ inset. Die Auszablung der Zinsen und des Kapitals erfolgt gegen bloße Rückgabe der fällig gewordenen Zinsscheine bezw. dieses An⸗ leibescheins bei der Stadt⸗Hauptkasse in Charlottenburg und zwar auch in der nach dem Eintritt des Fälligkeitstermins folgenden Zeit. Mit dem zur Empfangnahme des Kapitals eingereichten An⸗ seihescheine sind auch die dazu gehörigen Zinsscheine der späteren Fälligkeitstermine zurückzuliefern. Für die fehlenden Zinsscheine wird ber Betrag vom Kapital abgezogen. Die gekündigten Kapitalbeträge, welche innerhalb dreißig Jahren nach dem Rückjahlungstermine nicht erhoben werden, sowie die innerhalb vier Jahren, nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie fällig geworden, nicht erhobenen Zinfen verjähren zu Gunsten des Stadtkreises Charlottenburg. Das Aufgebot und die Kraftloserklärung verlorener oder vernichteter Anleihescheine erfolgt nach Vorschrift der S§. 838 ff. der Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich vom 306. Januar 1877 (R. G- Bl. S. 83) bezw. nach §. 20 des Ausfübrungsgesetzes zur Deutschen Civilprozeßordnung vom 24. März 1879 (G.S. S. 281.)
Zinsscheine können weder aufgeboten noch für kraftlos erklärt werden. Doch soll Demjenigen, welcher den Verlust von Zins—⸗ scheinen vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bei dem Ma— gistrat anmeldet und den stattgehabten Besitz der Zinsscheine durch Vorzeigung des Anleihescheines oder sonst in glaubhafter Weise dar⸗ thut, nach Ablauf der Verjährungsfrist der Betrag der angemeldeten
und bis dahin nicht vorgekommenen Zinsscheine gegen Quittung aus— gezahlt werden. .
Mit den Anleihescheinen werden halbjährige Zinsscheine für einen fünfjährigen Zeitraum und eine Anweisung zur Erneuerung der Zins scheine ausgegeben.
Die Ausgabe einer neuen Reihe von Zinsscheinen erfolgt bei der Stadt ⸗Hauptkasse in Charlottenburg gegen Ablieferung der der älteren Zinsscheinreihe beigedruckten Anweisung. Beim Verlust der Anweisung erfolgt die Aushändigung der neuen Zinsscheinreihe an den Inhaber des Anleihescheins, sofern deren Vorzeigung rechtzeitig geschehen ist.
Zur Sicherheit der hierdurch eingegangenen Verpflichtungen haftet der Stadtkreis Charlottenburg mit seinem Vermögen und mit seiner Steuerkraft.
Dessen zu Urkund haben wir diese Ausfertigung unter Unterschrift ertheilt.
Charlottenburg, den ..
unserer
ten (Stadtsiegel.) Der Magistrat.
(Unterschrift des Vorsitzenden und eines Mitgliedes des
unter Beifügung des Amtstitels.) Hierzu sind Zinsschkeine Nr. . .. Kontrolbuch bis . .. nebst Anweisung aus⸗ Seit. gereicht (Unterschrift des Kontrol⸗ beamten.)
Magistrats
Provinz Brandenburg. Regierungsbezirk Potsdam. Charlottenburger Stadtanleihe (Stadtwappen) Zinsschein Nr. . . . über zum Anleiheschein des Stadtkreises Charlottenburg. k über .... Mark Reichswährung. Der Inhaber dieses Zinsscheins empfängt gegen dessen Rückgabe in der Zeik vom . ten ... .... ab an halbjährlichen Zinsen des vorbendhnten Anleihescheins aus der Stadt- Hauptkasse in Char—
.
lottenburg ö Mark .. Pf. Reichs währung. ,,,, ; Croden- ö Der, Mazistrat. . Stempel. (Unterschriften des Magistrats-Vorsitzenden und eines
Mitgliedes des Magistrats) (Unterschrift des Kontrolbeamten)
Verjährt nach dem Gesetz vom 31. März 1838 am .. .. De ,, . ; Ungültig, wenn die Vorder Ungültig, wenn eine Ecke ab—
seite durchkreuzt ist. getrennt oder der Zinsschein durchlocht ist.
Provinz Brandenburg. Regierungsbezirk Potsdam.
Anweisung zum Anleiheschein des Stadkreises Charlottenburg. 3 . Mark Reichswährung. Inhaber empfängt gegen diese Anweisung die .. te Reihe Zins— heine,, , biz bei der Stadt⸗
auptkasse in Charlottenburg, sofern von dem Inhaber des Anleihe— scheins nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben ist. dnnn,
Der Magistrat.
i (Unterschrift des Vorsitzenden und eines Mitgliedes des Stempel. Magistrats.) (Unterschrift des Kontrolbeamten.)
Anmerkung zu den Schemas für die Zinsscheine und An— weisungen:
Die Namensunterschriften des Magistrats⸗Vorsitzenden und des zweiten Magistratsmitgliedes können mit Lettern oder Faesimile ˖ stempeln gedruckt werden, doch muß jeder Zinsschein oder jede An weifung mit der Namensunterschrift eines Kontrolbeamten versehen werden.
Ministerium des Innern.
Bei dem Ministerium des Innern ist der Regierungs— Sekretariats-Assistent Zorll zum Geheimen expeditenden Sekretär und Kalkulator, und
der Geheime Registratur-A1Assistent B Lümel zum Geheimen Registrator ernannt worden.
Justiz⸗Ministerium.
Dem Notar Custodis in Ehrenfeld im Landgerichtsbezirk Köln ist vom 1. Juni d. J. ab der Wohnsitz in Köln ange⸗ wiesen worden.
Der Rechtsanwalt Dörffler zu Marburg ist zum Notar im Bezirk des Ober-Landesgerichts zu Kassel, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Marburg, ernannt worden.
Ministe rium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.
Der Oberförster Georg zu Fischbach ist auf die durch Pensionirung des Oberförsters Mallmann erledigte Oberförster⸗ stelle zu St. Wendel im Regierungsbezirk Trier versetzt worden.
Dem Thierarzt Johannes Buch hierselbst ist die kom⸗ missarische Verwaltung der vierten Kreis Thierarztstelle für
den Verwaltungsbezirk des Polizei⸗Präsidiums Berlin über⸗ tragen worden.
Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
Der technische rm bei der Regierung in Oppeln, Land Vauinspettor Wentzel, ist als Kreis⸗Bauinspektor nach Marburg versetzt. .
Dem Wasser⸗Bauinspektor, Baurath Tolle in Grohn ist gestattet worden, seinen Wohnsitz bis auf Weiteres in Vegesack zu nehmen.
Abgereist: der Direktor der Königlichen Staatsarchive, Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. von Sybel, nach Hessen.
Die Nummer 19 der Gesetz Sammlung, welche von heute ab zur Ausgabe gelangt, enthält unter ö
Nr. 90558 das Gesetz zur Ergänzung des 5.7 des Ge— setzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1683. Vom 27. April 1885; unter . .
Nr. 9059 das Gesetz, betreffend Ueberweisung von Beträgen, welche aus landwirthschaftlichen Zöllen eingehen, an die Kom— munalverbände. Vom 14. Mai 1885; und unter ö
Nr. 9060 die Verfügung des Justiz-Ministers, betreffend die Anlegung des Grundbuchs für einen Theil der Bezirke der Amtsgerichte Freiburg a. d. E, Herzberg a. H. und Neu— stadt a. R. Vom 8. Mai 1885. Berlin, den 22. Mai 1885.
Königliches GesetzSammlunge-Amt. Didden.
In der heutigen 1 wird Nr. 21 der Zeichenregister⸗Bekanntmachungen veröffentlicht.
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Aichtamtliches. Dentsches Reich.
Preußen. Berlin, 22. Mai. Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin kamen mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria gestern Mittag nach Berlin und besich⸗ tigten die Sonder⸗-Ausstellung im Kunstgewerbe⸗Museum, be⸗ suchten sodann Se. Majestät den Kaiser und König und nahmen danach um 2 Uhr die Ausstellung der Lehrlings— Arbeiten in den Räumen der ehemaligen Hygiene⸗Ausstellung in Augenschein.
Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz empfing um 4 Uhr in Höchstseinem Palais den Wirklichen Geheimen Rath von Wilmowski zum Vortrage sowie ferner den Legations-Rath Reichardt und andere Personen.
Um 5 Uhr kehrten die Kronprinzlichen Herrschaften nach dem Neuen Palais bei Potsdam zurück.
— In der am gestrigen Tage unter dem Vorsitz des Staats⸗Ministers, Staatssekretärs des Innern, von Boetticher stattgehabten Plenarsitzung ertheilte der Bundesrath dem Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung des Zolltarif— gesetzes vom 15. Juli 1879 in der Fassung des Reichstages, dem vom Reichstage angenommenen Gesetzentwurf wegen Abänderung des Reichsstempelgesetzes vom 1. Juli 1881 und dem Entwurf eines Gesetzes für Elsaß-Lothringen über die Verzinsung der Gelder der Sparkassen und Hülfsgenossen— schaften nach den Beschlüssen des Landesausschusses die Zu⸗ stimmung, erklärte sich mit der bereits erfolgten Ueberweisung des Nachtrags zu der Denkschrist des Reichs-Versicherungsamts, betr. die Bildung von Berufsgenossenschaften, auf Grund des Unfall ver⸗ sicherungsgesetzes an den Ausschuß für Handel und Verkehr und an den Ausschuß für Justizwesen einverstanden und überwies die Vorlage über die allgemeine deutsche Volkszählung im Dezember 1885 den Ausschüssen für Rechnungswesen, für das Landheer und die Festungen und für Zoll⸗ und Steuerwesen, den Antrag Preußens, betreffend die Thronfolge im Herzogthum Braun— schweig, dem Ausschuß sür Justizwesen. Die Anträge der Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, betreffend das Entrippen von Taback in Theilungs—
lägern, und die Ergänzung des Verzeichnisses der Massengüter im Sinne des Gesetzes über die Waarenstatistik, wurden genehmigt. Hierauf wurde
über die Bildung von Berufsgenossenschaften auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes Beschluß gefaßt. Die— selbe ersol te im wesentlichen nach den Anträgen der Aus— schüsse. Nachdem noch Eingaben, betr. die Ablassung von Roggen, Weizen und Malz zu den früheren Zollsätzen, eine Eingabe wegen zollamtlicher Abfertigung von Kiystallzucker in Säcken, eine Eingabe, betr. die bei Ausführung des Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung in Baden hervor— getretenen Mängel, sowie der Antrag Badens wegen Ermittelung des Nettogewichts des mit dem Anspruch auf Steuervergütung in Kisten ausgehenden Kandiszuckers Er— ledigung gefunden hatten, wurde die Sitzung mit der Vor— legung von Eingaben verschiedenen Inhalts geschlossen.
— Die diesjährige große Frühjahrsparade über die Truppen der Berliner und Spandauer Garnison sowie über das Kadetten-Corps in Groß-⸗Lichterfelde fand heute Vormittag 10 Uhr auf dem Infanterie⸗Exerzierplatz östlich der Tempelhojer Chaussee im Allerhöchsten Auftrage durch Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit den Kronprinzen in Anwesen⸗ heit Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin nebst Prinzessinnen Töchtern, Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin von Baden, Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Friedrich Carl, Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Wilhelm, des Prinzen Albrecht und anderer hoher Fürstlichkeiten statt.
Die Truppen waren im Parade-Anzuge mit Gepäck er⸗ schienen und so zeitig ausgerückt, daß sie 20 Minuten vor Beginn der Parade zum Einrücken in das durch Täfelchen bezeichnete Alignement bereit standen.
Die Parade befehligte der kommandirende General des
Garde⸗Corps, General der Infanterie von Pape.
Die gesammte Parade⸗Aufstellung erfolgte in zwei Treffen: das erste Treffen kommandirte der General⸗Lieutenant von Kleist, Commandeur der 1. Garde⸗Infanterie⸗Division, das zweite Treffen der General-Lieutenant von Winterfeld, Com— mandeur der Garde⸗Kavallerie⸗Division.
Im ersten Treffen hatten auf dem rechten Flügel die Leib⸗ Gendarmerie und die Stäbe Aufstellung genommen Dann folgten: die 2. Garde⸗Infanterie-⸗Brigade unter Kom— mando des Generals à la suite Sr Majestät des Kaisers und Königs, General⸗Majors von Derenthall, bestehend aus dem Kadetten⸗Corps, dem 2. Garde⸗Regiment z. F dem Garde Füsilier⸗Regiment und dem 1. und 2. Bataillon 4. Garde Regiments z. F. (das Füsilier⸗Bataillon des Regi⸗ ments ist zur Wahrnehmung des Wachtdienstes in Spandau zurückgeblieben); die 3. Garde-Infanterie⸗Brigade unter dem Kommando des General-Majors von Wißmann, bestehend aus dem Kaiser Alexander Garde-Grenadier⸗Regiment Nr. 1 dem 3. Garde⸗Grenadier⸗Regiment Königin Elisabeth und dem Garde⸗Schützen⸗Bataillon; die kombinirte Garde—⸗ Infanterie⸗Brigade unter dem Befehl des Commandeurs der 4. Garde Infanterie⸗Brigade, General-⸗Majors Grafen von Roon, bestehend aus dem Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗ Regiment Nr. 2 und dem 3. Garde-Regiment z. F., und die kombinirte Brigade, befehligt vom Inspecteur der 1. Ingenieur— Inspektion, General⸗Major von Adler, bestehend aus dem J. Bataillon Garde⸗Fuß⸗Artillerie⸗Regiments, dem Eisenbahn⸗ Regiment, dem Garde-Pionier⸗Bataillon und der Lehr— Compagnie der Artillerie⸗Schießschule.
Im zweiten Treffen befanden sich: die kombinirte Garde— Kavallerie⸗Brigade unter Kommando des Commandeurs der 1. Garde⸗Kavallerie Brigade, Generals à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs, General-Majors Grafen von Alten, bestehend aus dem Garde-Kürassier-Regiment, dem 1. Garde— Dragoner⸗Regiment, dem 2. Garde⸗Ulanen⸗Regiment und dem 2. Garde⸗Dragoner-⸗Regiment, und die Artillerie und der Train unter dem Befehl des Commandeurs der Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗ Brigade, Obersten von Schell (1. Zarde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiment, 2. Garde-Feld⸗Artillerie⸗Regiment, Lehrbatterie der Artillerie— Schießschule, Garde-Train-Bataillon und Brandenburgisches Train-Bataillon Nr. 3). Die Aufstellung war im ersten Treffen bei den Batail— lonen in Compagniefront-Kolonne, bei der Lehr-Compaanie der Artillerie-Schießschule in Zugkolonne; im zweiten Treffen bei der Kavallerie in Kolonne in Escadrons und bei der Artillerie und dem Train in Linie.
Beim Erscheinen Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen wurden die Honneurs zuerst gleichzeitig von der ganzen Parade erwiesen; während des Abreitens der Auf— stellung durch Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit wurde demnächst brigadeweise präsentirt.
Das zweite Treffen wurde, nachdem das erste vom xechten Flügel aus abgeritten war, vom linken Flügel aus besichtigt. Nach dem Abreiten der Fronten folgte der Parademarsch, welcher zweimal ausgeführt wurde, und zwar zuerst von den Truppentheilen des ersten Treffens in Compagniéfront, von der Kavallerie in halben Escadrons im Schritt, von der Ar⸗ tillerie in Batteriefront und vom Train in Zügen gleichfalls im Schritt.
Bei dem zweiten Vorbeimarsch defilirten die Truppen des ersten Treffens in Regiments⸗-Kolonne, ausschließlich des Garde⸗Schützen⸗Bataillons und des 1. Bataillons Garde⸗Fuß— Artillerie⸗Regiments, welche in Compagniefront⸗-Kolonne marschirten. — Das Garde-Pionier⸗Bataillon und das Eisen— bahn-Regiment bildeten hierbei eine Regiments- Kolonne. Das Kadetten-Corps und die Lehr-⸗Compagnie der Artillerie⸗Schieß— schule fielen aus. — Die Kavallerie defilirte in Escadrons— front, die Artillerie in Abtheilungsfront (die Lehrbatterie für fich hinter der 2. Abtheilung des 2 Garde-Feld-Artillerie⸗ e, , der Train in Compagniefront, sämmtlich im Trabe.
Nach Beendigung der Parade formirten sich die Truppen— theile zum Abmarsch und rückten demnächst unter klingendem Spiel in ihre Quartiere ab. Das 1. Bataillon des Garde⸗ Fuß-Artillerie⸗ Regiments, welches heute früh per Eisenbahn hier eingetroffen war, kehrte noch heute wieder nach Spandau zurück; während die beiden Bataillone des 4. Garde⸗Regiments 3. F. und des 3. Garde Grenadier⸗Regi:nents Königin Elisabeth erst morgen früh per Fußmarsch dorthin zurückkehren werden.
Die Fahnen, welche durch eine Compagnie des 2. Garde— Regiments z. F. und die Standarten, welche durch eine Escadron des Garde-Kürassier⸗Regiments vorher aus dem Königlichen Palais abgeholt worden waren, wurden von den⸗ selben Truppentheilen nach beendigter Parade nach dem Palais
zurückgebracht. . . Das Paradediner begann Nachmittags 45/9 Uhr im Weißen Saale und in den angrenzenden Gemächern Des
Königlichen Schlosses. Die Tafelmusik wurde von der Ka— pelle des Kaiser Franz Garde-Grenadier⸗Regiments Nr. 2 aus⸗ geführt. Anschließend hieran findet Abends eine Militär— vorstellung im Könglichen Opernhause statt.
— In Folge der kriegerischen Wirren auf dem Isthmus von Panama ist die Stadt Colon am 31. März nieder— gebrannt. Dabei sind auch die Posten nach Mittel-Amerika und nach der Westküste von Süd-Amerika, welche am 8. März mit dem Dampfer, Washington“ von St. Nazaire und am 20. März mit dem Dampfer „Colon“ von New York ab— gegangen waren, vernichtet worden. Die Absender von Briefen, deren Beförderung mit den bezeichneten Schiffen etwa stattgefunden haben kann, werden hiervon in Kenntniß gesetzt.
— Durch die Konkurseröffnung über das Vermögen eines Kauf mannes hört dieser, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, L. Civilsenat, vom 4. März d. J., auf, Kauf— mann im Sinne des Deutschen Handels-Gesetzbuchs zu sein, wenn er nicht fortfährt, gewerbsmäßig Handelsgeschäfte zu betreiben. Ein von einem im Konkurs befindlichen Kausmann ausgestellter Verpflichtungsschein ohne die Angabe des Ver— pflichtungsgrundes oder das Empfangsbekenntniß der Valuta, kann daher auf Grund des Art 301 H. G. B. (nach welchen der⸗ artige kaufmännische Verpflichtungsscheine giltig sind) von dem Inhaber nur dann geltend gemacht werden, wenn dieser nach⸗ weist, daß der Gemeinschuldner zur Zeit der Ausstellung des Scheins gewerbsmäßig Handelsgeschafte betrieben hat.
— Ein bewaffneter Dieb ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 24. Februar d. J., nur dann wegen schweren Diebstahls aus 5 243 Ziff. 5 Str.-G.⸗-B. zu bestrafen, wenn er zur Zeit der That sich be⸗ wußt ist, daß er eine Waffe bei sich führt. Sprechen dagegen
die Thatumstände dafür, daß der Dieb bei dem Diebstahl
ran nicht gedacht hat, daß er eine Waffe bei sich führte, so 3 er nur wegen einfachen Diebstahls zu bestrafen.
— Der Chef der Admiralität, General-Lieutenant von aprivi, ist von seiner vor einigen Tagen angetretenen fe nach Danzig wieder hierher zurückgekehrt.
— Die Bundesraths⸗Bevollmächtigten, Großherzoglich ⸗ clenburgischer Ober⸗Zolldirektor Oldenburg un en, berzoglich oldenburgischer Geheimer Staatsrath Selkmann nd ron hier abgereist.
— Der heutigen Nummer des „Reichs- und Staats— Anzeigers“ ist eine Besondere Beilage“ (Nr. 4, enthaltend sSEntscheidungen des Reichsgerichts, beigefügt.
Sigmaringen, 20. Mai. (Allg. Ztg.) Das heute ausgegebene Bulletin über das Befinden des Fürsten . . . . J Se. Königliche Hoheit der Fürst haben in der vergangenen Nacht iemlich viel geschlafen und sind heute zur gewohnten Stunde auf- zstanden. Im Uebrigen ist der Zustand gegen gestern unverändert. 1 Dr. Koch.
. Württemberg. Stuttgart, 21. Mai. (St.⸗A. f. W.) Die Stadt hat seit dem frühen Morgen Flaggenschmuck an⸗—
um ihrer Freude über die heute erfolgende Rückkehr a Königs Ausdruck zu geben. Von Seiten der Haupt. und Residenzstadt wird Sr. Majestät ein festlicher Empfang bereitet werden. ( — 21. Mai. (W. T. B.) Der König ist Nachmittags 1 uhr nach sechsmonatlicher Abwesenheit hier eingetroffen und von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt worden. Morgen erfolgt der Schluß des Landtages.
ö Baden. Karlsruhe, 20. Mai. (Karlsr. Zig.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog wird sich heute Abend ach Baden-Baden begeben, um daselbst einige Zeit zu verweilen.
ö Von Sr. Königlichen Hoheit dem Erbgroßherzog ind auch heute sehr befriedigende Nachrichten eingelaufen. Der Leibarzt, Geheime Rath Dr. Tenner sagt, daß nach einer ruhig durchschlafenen Nacht heute früh die Temperatur 36,8, der Puls 68 zählte. „Husten und Auswurf sehr unbedeutend, Beginnende Abschuppung. Vortreffliches Allgemeinbefin den.“
Mecklenbura⸗ Schwerin. Schwerin, 21. Mai. Den „Meckl. Anz. wird aus Lugano telegraphirt, daß die hroßherzoglichen Herrschaften am 20. d. M., Vor— mittags, bei schönstem Wetter von Cannes wohlbehalten dort eingetroffen sind und im Hotel du Parc Wohnung genom⸗— men haben. .
Ihre Hoheiten die Herzogin Elisabeth und Sie Herzöge Adolph Friedrich und Heinrich sind in Be—
gleitung der Hofmeisterin Fräulein von Kummer und des Instruktors Sander gestern Mittag von hier zu einem mehr— wöchigen Aufenthalt nach Reichenhall abgereist.
Braunschweig. Braunschweig, 21. Mai. (W. T. B.)
In der heutigen Sitzung des Landtages verlas der
Staats-Minister Graf Görtz-Wrisberg den Wortlaut
des Antrages, welchen Preußen im Bundesrath be— züglich der Thronfolgefrage gestellt hat. Die Verlesung vurde vom Landtage mit Beifall aufgenommen. Der Mi—⸗ nister bemerkte sodann: Aus dem Antrage sei deutlich zu entnehmen, welche Auffassung die preußische Regierung von der das Land tief bewegenden Thronsolgefrage habe. Es werde nun Aufgabe des Bundesraths sein, zu diesem Antrage Stellung zu nehmen. Man werde zu erwarten haben, welche Beschlüsse gefaßt werden sollen, sowie ob und nn welcher Weise die Landesregierung in die Lage kommen verde, dem Antrage der preußischen Regierung gegen⸗ über auch ihrerseits bestimmte Stellung zu nehmen und Schritte zu ihun. Darüber schon jetzt eine bestimmte An— sccht auszusprechen, möchte zur Zeit noch nicht geboten erscheinen; die Landesregierung habe aber die bestimmte Absicht, keine entscheidenden Schritte in dieser An— gelegenheit weiter zu thun, ohne zuvor sich mit der Landesversammlung ins Einvernehmen gesetzt zu haben.
Ob solche Schritte in allernächster Zeit erforderlich, sei
noch nicht zu übersehen, doch erscheine die Nothwendigkeit
einer baldigen des fallsigen Wiedereinberufung des Landtages
möglich. — Die Mittheilungen, des Ministers wurden der
staatsrechtlichen Kommission überwiesen. Ein An⸗ trag, heute schon eine Aeußerung der staatsrechtlichen Kom⸗ mission und des Landtages herbeizuführen, wurde abgelehnt,
nachdem der Minister diesem Antrage widersprochen und aus⸗ geführt hatte, daß die Sache zu wichtig sei, um so schnell
erledigt zu werden, und dies überhaupt augenblicklich unan—
gemessen erscheine.
ö gelegt,
Oesterreich Ungarn. Wien, 21. Mai. (W. T. B.). Die
FKönigin und der Prinz Karl von Schweden sind heute Nachmittag 2 Uhr hier eingetroffen, vom Erzherzog Wilhelm
u luund der Gemahlin des Erzherzogs Rainer sowie dem Herzog
von Nassau am Bahnhofe empfangen worden und im Hotel
Imperial abgestiegen. Nachmittags empfing die Königin den
SBesuch des Königs von Serbien und des Erzherzogs
Ludwig Victor. Heute Abend fand zu Ehren der Königin ein
5 Diner bei dem Herzog von Nassau statt, die Abreise der Königin ist auf morgen Nachmittag 4 Uhr sestgesetzt.
Pest, 20. Mai. (Wien. Ztg.) „Bu dapesti Közlöny“ publizirt das Gesetz, betreffend die Pensionirung der Staatsbeamten.
Im Abgeordnetenhause überbrachte der Schriftführer
. des Oberhauses heute das Nuntium, betreffend die unveranderte
Annahme der Gesetzentwürfe bezüglich des Betriebs—⸗ kapitals der Staatsbahnen, der Biharer, Bekeser und Matraer Eisenbahnen, sowie bezüglich der an dem Gesetzentwurfe über das Wasserrecht vorgensmmenen Aenderungen. Die ersteren Gesetzentwürfe wurden der Aller= höchsten Sanktion unterbreitet, der letztgenannte Entwurf sür morgen auf die Tagesordnung gestellt. — Max Falk zeigte die erfolgte Konstituirung der ungarischen Regni⸗ colar-Deputation an. — Olay interpellirte den Lommu⸗ Rikations⸗ Minister in Angelegenheit der gegen die Donau— Dampfschiffahrts-Geselischaft vorgebrachten Klagen.
Sroßbritannien und Irland. London, 21. Mai. (W. T. B.) Heute Vormittag fand eine längere Konferenz zwischen dem Bötschaster Baron Staal und Hrn. Lessar statt, nach welcher beide Herren sich zu Lord Granville be⸗ gaben. — Wie es heißt, würden die Unterhandlungen wegen der Grenzfrage sich noch über die Mitte des
Juni hinausziehen, da Lumsden, welcher an denselben noch theilnehmen dürfte, erst am 16. Juni hier erwartet wird. ' In der heutigen Sitzung des Oberhauses erklärte Lord Granville: die Pariser Deklaration sei nicht bin— dend für England, den Vexeinigten Staaten sowie Spanien gegenüber, die derselben niemals beigetreten seien; dieselbe sei sicherlich auch in dem Falle für England nicht bindend, wenn einer der ihr beigetretenen Staaten es geeignet finde, dieselbe zu verletzen; in jeder anderen Beziehung aber sei die— selbe für England bindend. Der Staatssekretär für In dien, Lord Kimberlen, erklärte es für unbegründet, daß Rußland eine diplomatische Vertretung in Kabul ver⸗ lngt habe, und bemerkte weiter: eine jüngst von ihm gethane Aeußerung sei von einem Wiener Blatte mißverstanden worden; er habe niemals ein völliges Aufgeben der englischen Stellung in Afghanistan angekündigt, im Gegentheil gesagt, daß die Regierung Afghanistan als außerhalb der russischen Einflußsphãare liegend angesehen habe. Englands Defensiv— und Offensivlinie werde so gewählt werden, daß die Interessen Englands dadurch am besten gefördert würden. Die Grenz— linie müsse eine derartige sein, daß sie England eine gute Defensivposition gewähre und auch eine geeignete Stellung gebe, sich nach jeder Richtung bewegen zu können, welche di Interessen Indiens und Englands erheischen sollten. — Das Haus vertagte sich hierauf bis zum 5. k. M.
. Im Unterhause erklärte der Parlaments-Unter⸗ Staatssekretär für IVndien, Croß: eine Veröffent lichung der Schriftstücke über die Unterredung des Emirs von Afghanistan mit dem Vizekönig von Indien, Lord Dufferin, sei vor dem Abschluß der Verhandlungen mit Rußland im Staatsinteresse nicht wünschens werth. Die Extra-Heereskosten auf die Zeit vom April bis Juli d. J würden von Lord Dufferin auf 306 Lakhs Rupien geschätzt; dazu kämen noch 385 0090 Pfd. Sterl. für gewisse Forde— rungen sür Geschütze hinzu. — Lord Fitzmaurice er— widerte auf eine bezügliche Anfrage: die französische Re⸗ gierung habe vor dem Wiedererscheinen des „Bosphore égyptien“ eiklärt: der Redacteur des Blattes habe das be— stinimte Versprechen gegeben, daß der Ton der von dem⸗ selben gebrachten Artikel zu keinen Schwierigkeiten Anlaß geben solle. Wenn ein gerechter Grund zu einem Vor—
gehen gegen Las Blait vorliegen sollte, werde der fran— zösische Konsul zur Unterdrückung des Blattes Beistand leisten. — Der Premier Gladstone gab auf Befragen an:
so lange die Unterhandlungen über Afghanistan mit Rußland dauerten, sei es ihm unmöglich, zu sagen, was er hinsichtlich der im Budget angekündigten erhöhten Sprit- und Biersteuer zu thun beabsichtige. Wegen des Zwischen— falls von Pendjeh habe die Ernennung eines Schieds⸗ richters noch nicht stattgefunden. Wegen der Besetzung von Suakim bei dem Rückzuge der englischen Truppen hätte nur mit der Pforte, aber mit keiner anderen Regierung ein Meinungsaustausch stattgefunden. — Der Präsident des Local Government Board, Dilke, bezeichnete das Gerücht von dem Ausbruch der Cholera in England als gänzlich unbegründet. — In Beantwortung einer An— frage Nort heote's erklärte der Staatssekretär des Krie— ges, Lord Hartington: es sei nicht wünschenswerth, die Gründe für das auf kurze Zeit angeordnete Zurückhalten der Gardetruppen in Alexandrien in allen Einzelnheiten anzugeben. Dem Hause seien ja die Gründe für die vor eini⸗ ger Zeit mitgetheilte Absicht, die Truppen im Sudan für den Dienst in anderen Welttheilen zu concentriren, bekannt, ebenso auch die Gründe, welche die Kreditforderung für spezielle Vorbereitungen nothwendig gemacht hätten. Diese Vor— bereitungen seien nicht suspendirt worgen. Die Regierung habe es für wünschenswerth erachtet, daß die Gardetruppen vorläufig am Mittelmeere verblieben, nicht wünschenswerth aber bleibe es, genau anzugeben, wie lange und aus welchen
Gründen das geschehen solle. — Der Unter-Staatssekretär Croß beantragte die zweite Lesung der ost⸗
indischen Anleihe-Bill von 10 Millionen Pfd. Sterl. sür Eisenbahnzwecke und erklärte dabei: fünf Millionen seien erforderlich für militärische Eisenbahnen zur Herstellung einer besseren Verbindung mit Quettah. Eine Eisenbahn solle westlich vom Indus gebaut werden, eine andere östlich; gleichzeitig solle eine Fähre über den Indus hergestellt werden. Ferner sei der Bau einer Brücke bei Ferozepore beabsichtigt sowie die Anlegung einer Militärstraße nach Pischsenhoch und einer neuen Eisenbahnlinie durch den Dolan-Paß. Nach mehr— stündiger Debatte wurde die Bill in zweiter Lesung ohne be— sondere Abstimmung angenommen.
— 22. Mai. (W. T. B.) Die „Daily News“ sind in der Lage, mitzutheilen, daß die Unterhandlungen mit Rußland günstige Fortschritte machen. Gegenwärtig sei kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß unüber— windliche Meinungsverschiedenheiten zwischen England und Rußland entstehen würden; eine völlige Uebereinstimmung fei indessen noch nicht erzielt. Es sei niemals beabsichtigt ge— wesen, die Garde vor dem Abschluß der Unterhandlungen nach England zurückkehren zu lassen; die Gardetruppen würden wahrscheinlich in Alexandrien bleiben, bis das Abkommen, dem sich die beiden Kabinette stetig aber langsam nähern, endgültig zu Stande gekommen sei. — Dasselbe Blatt erfährt: es hätten sich im Kabinet bezüglich der theilweisen Erneuerung der Bill zur Verhütung von Ver⸗ brechen in Irland Meinungsverschiedenheiten heraus— gestellt, welche wichtige Folgen haben dürften. Ein kleiner, aber einflußreicher Theil des Kabinetzs sei gegen die Er— neuerung des Gesetzes, falls dieselbe nicht von einer weit— gehenden Lokalverwaltung kegleitet sei.
Kapstadt, 19. MfRi. (A. C) Sir Charles Warren ist in Shoshong in Khama's Lande angekommen. De Häuptling Khama hat das hritische Protektorat freudig angenommen und einen großen Landstrich von bedeutendem Werthe zur Verfügung englischer Anstedler gestellt. Das als
Khama's Land bekannte Territorium dehnt sich bis zum Zambesiflusse aus.
Frankreich. Paris, 20. Mai. Gr. Corr.) Die Deputirtenkammer setzte heute die Debatte über die
Srganiftrung der golbnialarmee fort Der Deputirte de Mahhy tadelte die Vorlage, welche der Marine⸗ Infanterie fortan eine untergeordnete Stellung anweise, das Kriegs⸗ Ministerium zum Nachtheil des Marine⸗Ministeriums begünstige und den Kolonien (der Redner ist Vertreter von Réunion) früher oder später schaden werde. Nach seiner Ansicht sollte das bisherige
Verhältniß fortgesetzt werden, die Marine⸗Infanterie vorwiegend
ihre Verwendung in den Kolonien haben und jeweils von Ein⸗ heimischen, die sich gern dazu verstehen würden, unterstützt werden. In gewöhnlichen Zeiten würde dies vollständig zur Sicherung der Ordnung genügen, und wenn Krieg ausbräche, wie in Tongking, so mußten Truppenkörper aus Frankreich rechtzeitig herbeigezogen werden. Wenn dies in Tongking geschehen wäre, so hätte man schwerem Mißzgeschick vorbeugen können. Der Kriegs-⸗Minister, General Campenon, stellte die Uebelstände, welche mit der Beibehaltung des jetzigen Regimes verbunden wären, in ein grelles Licht und drang auf die Annahme der Vorlage, welche in dem Obersten Lan glois einen entschiedenen Gegner hat. Hauptsächlich fand dieser es tadelnswerth, daß der Dienst der Kolonien von „Söldlingen“ besorgt werden solle. Darunter verstehe er nicht nur die Ausländer, die sich anwerben lassen könnten, sondern auch die Franzosen, welche der höhere Sold verlocken würde, in den Kolonialtruppen zu dienen. Nachdem sowohl der Kriegs-Minister als de Lanjuinais (von der Rech⸗ ten) dieser Auffassung entgegengetreten waren und der Berechtigung der Anwerbungen Abenteuerlustiger das Wort geredet hatten, wurde die Generaldebatte geschlossen und die Berathung der einzelnen Artikel mit 441 gegen 39 Stimmen angenommen. Die vier ersten Artikel gaben nur zu einem kurzen Meinungsaustausch Anlaß; Art. 5 aber, zu welchem der Abg. Georges Roche ein Amendement entwickelte, dem⸗ gemäß die jetzigen Marinetruppen bei ihrem Uebergang zum Kriegs Ministerium ihre alte Benennung beibehalten und den Kern der Kolonialtruppen bilden sollten, führte den Marine⸗ Minister, Admiral Galiber auf die Tribüne. Derselbe gab die Erklärung ab: er habe sich mit dem Kriegs-Minister über gewisse Maßregeln geeinigt, welche die Interessen der Marinetruppen wahren und ihnen Entschädigung für vereitelte Hoffnungen bieten sollten. So werde z. B. das Gesetz nicht vor dem 1. Januar, welcher auf seine Bekanntmachung folgt, in Krast treten, und dieses Datum könnte, wenn die Umstände es ersorderten, noch weiter hinausgeschoben werden. Gewiß werde auch die Kammer sich diesen Verein⸗ barungen anschließen und nicht wollen, daß die Zutheilung der Marinetruppen an das Kriegs-Ministerium vor dem Ab⸗ schluß der noch schwebenden Expeditionen erfolge, in denen sie so viel Ruhm geerntet haben. Der Berichterstatter Reille zeigte sich dem Amendement Georges Roche geneigt, und das Haus beschloß, der Marine-Infanterie ihre bisherige Be⸗ nennung zu lassen. Art. 5, der die Marinetruppen dem Kriegs-Ministerium zutheilt, wurde mit 379 gegen 110 Stimmen angenommen.
Ueber den Stand der Dinge in Tongking sowie der Veürhandlungen mit China schreibt der „Temps“: In drei Tagen läuft die von dem General Briete de 6Isle gesteckte Frist für die Uebergabe von Thanguan ab. Nach der Zusatznote zum Protokoll Campbell⸗Billot vom 4. April 18865 sollte die Evacuirung der chinesischen Truppen
westlich von Thuyenguan am 30. Mai beendet sein, aber, wie es heißt, ist dieses Datum bis auf den 5. Juni verschoben. Da die Entfernung zwwischen Thanquan und Laokai, dem nordwestlichen Grenzpunkt Chinas am Rothen Fluß, 120 km Luftlinie beträgt,
so erscheint es uns schrierig, daß die vollständige Räumung zu den festgesetzten Zeitpunkten geschehen sein kaan, wenn überhaupt der Vize-⸗König des Yunnan hinlänglich Gewalt über die „Schwarzflaggen“ und ihren Chef Liuvinhphuoc be— sitzt, um sie zur stüikten Ausführung der Klauseln des Praliminarvertrages zu nöthigen. Es ist schwieriger, einen Wasserlauf mit so vielen natürlichen Hindernissen, wie den Rsthen Fluß, herauf als herabzusteigen, und es liegen daher wirkliche materielle Schwierigkeiten vor, um die chinesischen Kontingente rückwärts zu führen. Allein man muß sich auch noch auf ganz andersartige Schwierigkeiten gefaßt machen, die dem Hof von Peking mancherlei Ver⸗ legenheiten bereiten dürsten. Was z. B. soll mit den „Schwarz⸗ flaggen“ geschehen? Dieselben auf dem chinesischen Gebiete zu entlassen, ist gefährlich, sie in ihrer gegenwärtigen Orga⸗ nisation zu behalten, nicht minder. Wahrscheinlich beschäftigt man sich mit alledem in Tientsin, wo die Verhandlungen über den Friedensvertrag ihren Fortgang nehmen. Viel— leicht werden solche länger sein, als man es voraussah.
— Das „Journal officiel“ veröffentlicht das Dekret des Präsidenten, welches den Marine-Minister, Contre— Admiral Galiber zum Vize-Admiral ernennt.
— 20. Mai. (Köln. Ztg.) Die Absendung von Ver⸗ stärkungen nach Tongking dauert fort. Heute Nach⸗ mittag ging die „France“ von Toulon dorthin ab. Sie hat an Bord für das Expeditions-Corps 22 Marine-Offiziere und 22 Marinesoldaten, einen Arzt und einen Reserve⸗Unter— Lieutenant, für Hus 239 Mann Marine-Infanterie, für Formosa 214 Mann Marine Infanterie und 15 Artilleristen, für Cochinchina 140 Civil- und Militaärpassagiere.
— 21. Mai. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat heute den Gesetzent wurf über die Organisation der Kolonial-Armee in erster Lesung angenommen.
Im Senat gelangte mit 129 gegen 121 Stimmen ein Amendement zur Annahme, welches bei der Berechnung der Bevölkerungsziffer, die der nach dem Liste nskru⸗ tinium in jedem Departement zu wählenden Deputirtenzahl zu Grunde zu legen ist, die Ausländer in Abzug bringt. Der Minister-Präsident Brisson hatte sich gegen das Amendement ausgesprochen.
Griechenland. Athen, 21. Mai. (W. T. B.) Die Devutirtenkammer wurde heute mit einer Botschaft des Königs eröffnet, in welcher hervorgehoben wird, daß die Beziehungen zu allen Mächten freundschaftliche seien, und daß Griechenland, welches des Friedens bedürfe, die Aufrecht⸗ erhaltung des stätus quo im Orient wünsche. Im Uebrigen berührt die Botschaft nur innere Fragen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 21. Mai. (W. T. B.) Die Feier zur Eröffnung des Seekanals ist auf den 27. d. M. festgesetzt. Der Kaiser wird der⸗ selben beiwohnen; die Kaiserlichen Yachten und mehrere Kronstädter Kriegsfahrzeuge werden dabei den Kanal entlang bis nach St. Petersburg jahren.
— 22. Mai. (W. T B) Der J“„wRRegierungsanzei⸗
ger“ bezeichnet die Meldung einzelner Blätter, daß die Wotjaken im Kreise Malmysch im Gouvernement
Wiatka den Versuch gemacht hätten, die orthodoxen Priester dem bösen Geiste zu opfern, als vollständig un⸗— begründet.
Asien. Persien. Teheran, 21. Mai. (W. T. B.)
Das „Reuter sche Bureau“ meldet: Der Gouverneur von Serakhs (Provinz Khorassan) hat auf Ersuchen des