Um 2 Uhr sand im Neuen Palais ein größeres Diner statt.
Nach demselben nahm Se. Kaiserliche Hoheit mehrere Vortrage entgegen und erschien gegen 6 Uhr im Stadtschloß zu Potsdam zum Empfange Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs und Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Großherzogin von Mecklenburg⸗Schwerin. ;
Abends 8i⸗, Uhr fuhr Höchstderselbe zu Ihren Majestäten nach Babelsberg zum Thee.
Gestern Abend 61 Uhr begab Sich Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz, wie „W. T. B.“ meldet, zu Wagen nach Großbeeren und reiste von dort mit dem von Berlin kommenden Schnellzuge zur Vornahme von Truppenbesich⸗ tigungen nach Regensburg weiter.
— Der Ersteher eines in nothwendiger Subhastation versteigerten Grundstücks, dessen Gebäude vor der Sub⸗ hastation abgebrannt ist, erwirbt in Preußen nach einem Urtheil des Reichs gerichts, V. Civilsenats, vom 13. Juni d. J., nicht ohne Weiteres zugleich mit dem Grundstück auch den Anspruch auf die noch nicht gezahlten Versicherungsgelder, selbst wenn nach dem Statut der betheiligten Versicherungsgesellschaft die Versicherungsgelder zum Wiederaufbau der abgebrannten Gebäude verwendet werden müssen.
— Dem Kreise Nieder-Barnim im Regierungsbezirk Potsdam, welcher den Bau einer Chaussee vom Bahnhof Friedrichshagen über Schöneiche nach der Berlin-Frankfurter Previn gial· Chaussee zum Anschluß an die von dieser Straße uber Bollensdorf und Neuenhagen führende Kreis⸗Chaussee mit einer Abzweigung von Schöneiche nach Klein⸗Schönebeck beschlossen hat, ist durch Allerhöchsten ErssC vom 17. August d. J. gegen Uebernahme der künftigen ch p emãßigen Unter⸗ haltung der Straße das Recht, zurasoérhebung des Chaufseegeldes nach den Bestimmur , des Chaussee⸗ geld-Tarifs vom 289. Februar 184035 5 Gesetz⸗ Samml. S. 97) einschließlich der in demselben enthaltenen Be— stimmungen über die Befreiungen sowie der sonstigen, die Erhebung betreffenden zusätzlichen Vorschriften — vorbehalt⸗ lich der Abänderung der sämmtlichen voraufgeführten Be— stimmungen — verliehen worden. Auch sollen die dem Chaussee⸗ geldtarif vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee-Polizeivergehen auf die gedachte Straße zur Anwendung kommen. Zugleich wird genehmigt, daß die hinsichtlich der Chaussee von der Berlin⸗Stralsunder Chaussee über Ahrendsee und Lanke nach der Biesenthaler Grenze den Besitzern des Ritterguts Lanke, Grafen von Redern, mit Allerhöchstem Erlaß vom 18. Juni 1866 verliehenen gleichen Rechte auf den Kreis Nieder⸗Bar nim übertragen werden.
— Der Kaiserliche Gesandte bei den Vereinigten Staaten von Amerika, von Alvensleben, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit von Washington fungirt der Legations-Sekretär Graf von Leh den als interimistischer Geschaäͤftsträger.
— Der General-Lieutenant Wiebe, Inspecteur der 1. Fuß⸗A1rtillerie⸗Inspektion, ist von der Besichtigung der Schieß⸗ und Armirungs⸗Uebungen der zur Inspektion gehörigen Truppentheile zurückgekehrt.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Dr. von Dziembowski in Samter, Dr. Popper in Posen, Dr. Classen in Köln und Dr. Aeckersberg in Berg. Gladbach.
Bayern. Regensburg, 31. August, früh. (W. T. B.) Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kron⸗ prinz traf heute früh 71 Uhr hier ein und wurde von der zahlreichen Bevölkerungsmenge, welche Denselben erwartete, mit lebhaften Hochrufen begrüßt. Der Kronprinz stieg in der Königlichen Villa ab, nahm dort das Frühstück ein und begab Sich bereits um 8 Uhr nach dem Manöverfelde bei Moosham.
Mecklenbura⸗ Schwerin. Schwerin, 29. August. Die „Meckl. Anzeigen“ melden: Se. Königliche Hoheit der Großherzog und Ihre Kaiserliche Hoheit die Groß— herzogin begeben sich heute in Begleitung Sr. Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Michael Michailowitsch von Rußland von Gelbensande nach Potsdam, um Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin auf Schloß Babelsberg Allerhöchstihren Besuch abzustatten. — Die hoch— fürstlichen Kinder sind gestern Nachmittag von Heiligendamm hierher zurückgekehrt.
Oesterreich⸗ ungarn. Rokycan, 28. August. (Wien. tg.) Der Kaiser ist heute früh 7 Uhr mit dem Hoszuge von Pilsen hier eingetroffen und wurde auf dem Bahnhofe von den Erzherzögen Albrecht, Wilhelm und Rainer empfangen. — Ferner sind heute früh hier angekommen der Fürst Alexander von Bulgarien, in der Uniform des K. K. 6. Dragoner⸗Regiments Prinz Alexander von Hessen und bei Rhein, dem Se. Hoheit als Oberst angehört, der
Minister des Aeußern Graf Kalnoky, der Reichs⸗Kriegs⸗ Minister Graf Bylandt-Rheidt und der General⸗Adjutant Baron Popp.
Der Gemeinderath von Agram hat anläßlich der bevorstehenden Anwesenheit des Kaisers in Pozega eine aus fünf Mitgliedern bestehende Deputation gewählt, welche den Monarchen Namens der Landeshauptstadt in Pozega ehrfurchtsvoll begrüßen wird.
Großbritannien und Irland. London, 30. August. (W. T. B.) Lord Hartington hielt gestern in Water⸗ ford (Lancashire) vor seinen Wählern eine Rede, in wel—⸗ cher er die Ansicht aussprach, daß keine Partei die Forderun⸗ gen Parnells bewilligen werde. Wenn Parnell auf un⸗ möglichen Forderungen bestehe und dem englischen Parlament fortdauernd Schwierigkeiten bereite, um seine Forderungen zu erreichen, so werde man Mittel finden, durch welche das ver⸗ einigte Parlament in seiner Eigenschaft als Vertreter des Volkes ein absolutes Veto einlegen könne gegen Vor— schläge, die für den Frieden, die Integrität und die Wohl⸗ fahrt des Reiches verhängnißvoll sind.
— 30. August. (WBW. T. B.) Das „Reutersche Büreau“ meldet aus Aden von heute: Die Nachricht des „Temps“ von dem Abgange eines englischen Schiffs nach der Tadschurra⸗-Bai zur Besetzung von Am bo ist unbegründet.
Frankreich. Paris, 28. August. (Fr. C.) Heute fand die offizielle Leichen feier für den Admiral Courbet im In validenhotel statt. Die hierzu veranstaltete Trauer⸗ Dekoration des Hotels gewährte einen sehr großartigen Anblick. Das gewaltige Portal Louis XIV. war ganz mit schwarzen Dra⸗ perien verhüllt und trug oben in der Mitte ein mächtiges Schild mit den Initialen des Admirals. In der Cour d'honneur war die Fagade des Portals Napoleon, welches zu der Kapelle führt, ebenfalls in ähnlicher Weise dekorirt. Auch das Innere der Kirche bot einen nicht minder ergreifen⸗ den Anblick dar: in der Mitte war ein ungeheurer Katafalk errichtet, auf dem der mit der Tricolore bedeckte Sarg stand; rings herum Lampadare, deren brennende Kerzen ein matthelles Licht verbreiteten, sowie zahlreiche Urnen, in denen Räucherwerk brannte. Die Säulen der Kapelle trugen Trophäen von Fahnen und mit Lorbeer umkränzte Schilder, auf denen man die Siege Courbets las: Sontay, Kelung, Thuannan, Futschau, Phusua, Scheipao, Pescadores, Rivière
Min. Die Ehrenwache um den Sarg hielten Ma⸗ trosen des „Bayard“ unter den Befehlen eines Offizier. Hinter dem Katafalk waren die Plätze für
die Familie des Admirals reservirt; noch weiter rück⸗ wärts hielten sich der Generalstab Courbets, die Offiziere des „Bayard“ mit Deputationen der Matrosen. Im rechten Schiff saßen General Pittis, Vertreter des Präsidenten der Republik, der Senats⸗Präsident Le Royer, der Kammer⸗Präsident Floquet mit den Vorstandsmitgliedern beider Häuser des Parlaments, der Staatsrath, Rechnungshof, Kassationshof, die Deputationen der Kammer und des Senats, der Präsident und der Vor⸗ stand des Generalraths, des Gemeinderaths, der Seine⸗-Präfekt Paubelle, der Polizei⸗Präfekt Gragnon u. A. m. Im linken Schiffe bemerkte man den Marine -Minister Galiber mit seinem Generalstabe, den Admiralitätsrath, die in Paris anwesenden Marine-⸗Offiziere, die Deputationen der Generalstäbe der See⸗ Präfekten, den Generalstab des Kriegs-Ministeriums, den General Saussier, Gouverneur von Paris, mit seinem Generalstab, die Delegationen der Offiziere des See⸗ und Landheeres und die fremden Militär⸗Attachss, sämmtlich in Uniform. — In Vertretung des erkrankten Kardinal-Erz⸗ bischofs von Paris celebrirte dessen Koadjutor Richard, Erz⸗ bischof von Larissa, unter großer Assistenz die Trauer⸗ messe, während welcher eine Reihe bekannter Künstler die verschiedenen Musikstücke zu Gehör brachte. Eine Salve von elf Kanonenschüssen kündigte das Ende der Feier⸗
lichkeit an, nach welcher die Menge, an der Fanilie Courbets vorbeigehend, sich langsam entfernte. Sodann
wurde der Sarg auf den bereitstehenden Leichenwagen ge— bracht, worauf sich der Zug nach dem äußeren Gitter bewegte, wo das Défils der Truppen stattfand. Die Zipfel des Bahr⸗ tuches hielten: die Vize⸗Admiräle Amet, Baron Roussin, Ribourt, die Diyisions⸗Generäle Virgile, General⸗ Inspektor der Marine⸗Artillerie, und Bossant, General— Inspektor der Marine⸗Infanterie, sowie Divisions⸗ General Salanson vom Landheere. Vor dem Gitter angelangt, hielt der Leichenwagen; die Mitglieder der Regierung und die Delegationen rangirten sich um denselben, uns unter den Klängen der „Marseillaise“ begann das Défils. An demselben betheiligte sich eine Division In— fanterie, republikanische Garden zu Fuß und zu Pferde, das 7. Dragoner⸗Regiment und zwei Batterien Artillerie mit sechs Kanonen. Nach Beendigung des Défilss wurde der Sarg nach der Kapelle zurückgebracht, wo er bis Montag bleiben wird, um sodann zur endgültigen Bestattung nach Abbeville, dem Geburtsort Courbets, gebracht zu werden. Die abziehen⸗ den Mannschaften des Bayard“ wurden von der zahlreich erschienenen Menge enthusiastisch begrüßt. Bordeaux, 30. August. (W. T. B.) Hr. Jules Ferry ntwickelte heute vor einer von etwa 4060 Personen besuchten Versammlung ein Programm, das für diejenigen be⸗ stimmt sei, welche aufrichtig den Fortschritt wollten. Er sagte: aus diesem Programm für die nächste Legislaturperiode müßte jede Verfassungsrevision sowie die Aufhebung des Kultus— budgets ausgeschlossen bleiben. Die Politik der kolonialen Ausdehnung sei völlig abgeschlossen. Die Vervollständigung des indo⸗chinesischen Kolonialbesitzes sei ihm mehr durch die Umstände aufgezwungen worden, als in seinen Wünschen ge⸗ legen habe; aber Dank dem in Tongking eingeführten Protek⸗ torat, welches ganz wie das für Tunis organisirt sei, werde Tongking bald die Kosten der Okkupation zahlen. Ferry zählte weiterhin die anzustrebenden Reformen auf, deren wichtiaste darin bestehe, daß die Republik eine wirkliche Regierung sei. Die Repu—⸗ blik stehe keineswegs isolirt in Europa da; man befolge Frankreich gegenüber in legaler Weise eine Politik der Nicht-Intervention, für die Frankreich keinen Preis bezahlt habe. Wenn man Frankreich achte, so geschehe es, weil Frankreich stark sei. Man müsse eine Politik des Vertrauens und der Achtung der Rechte anderer Nationen befolgen. Dazu aber sei die Stetigkeit der Regierung erforderlich. Einer Republik, welche der Anarchie preisgegeben sei, würde Europa kein Vertrauen schenken.
Türkei. Konstantinopel, 30. August. (W. T. B.) Ein Telegramm des „Reuterschen Bureaus“ meldet: Sir Drummond Wolff überreichte in der ihm gestern vom Sultan ertheilten feierlichen Audienz sein Be⸗ glaubigungsschreiben und verlas sodann ein per— sönliches Schreiben der Königin an den Sultan, in welchem die aufrichtige Hoffnun ausgesprochen wird, daß die Völker beider Länder fete in Frieden und Freundschaft mit einander leben würden. Das Schreiben erinnert sodann an die Loyalität des Vaters des Sultans, der der Freund und Alliirte der Königin gewesen sei, und giebt der Hoffnung Ausdruck, daß die Königin unter Mitwirkung des Sultans den in Egypten bestehenden Verwick⸗ lungen ein Ende machen und einen Zustand der Dinge dort herftellen könne, der den Rechten des Sultans Genüge leiste, der egyptischen Bevölkerung zum Wohl gereiche und den Interessen Englands wie auch aller anderen Nationen entspreche. Der Sultan erwiderte: er lege großen Werth auf die Freundschaft und auf eine Allianz mit der Königin sowie darauf, daß die Königin, wie er durch das Schreiben erfahre, strenge Rücksichten nehme auf seine Rechte als Souverän von Egypten; er werde in einigen Tagen eine oder mehrere Personen bestimmen, mit welchen Drummond Wolff sich über die verschiedenen Egypten betreffenden Fragen berathen könne, und werde in Kürze Drummond Wolff eine neue Audienz ertheilen.
Nußland und Polen. Kiew, 30. August. (W. T. B.) Die Parade, welche gestern vor dem Kaiser stattfinden sollte, wurde des heftigen Regens wegen noch in letzter Stunde a bgesagt. — Mittags fand im Palais ein Déjeuner
von 135 Gedecken statt, zu welchem die Truppenbefehlshaber Einladungen erhalten hatten. Nachmittags, nachdem der Regen aufgehört hatte, unternahmen die Kaiserlichen Ma jestäten im offenen Wagen eine Rundfahrt, um mehrere Lehr- und Wohlthätigkeitsanstalten zu besichtigen, und wurden überall von der dichtgedrängten Volksmenge mit enthusiastischen Rundgebungen begrüßt. Das Diner nahmen der Kaiser und die Kaiserin bei der hier wohnenden Groß— fürstin Alexandra Petrowna ein. — Abends war die Stadt glänzend erleuchtet.
— 31. August. (W. T. B) Der Kaiser und die Kaiserin besuchten gestern Vormittag das historische Petschersk-Kloster, wo dieselben dem Gottesdienst beiwohnten, und nahmen alsdann den Thee bei dem Metro⸗ politen Platon ein. — Mittags begaben sich die Majestäten zur Truppenpaxrade, welche glänzend verlief. In das Palais zurückgekehrt, empfingen dieselben die Civilbehörden, den Adel Damen aus der Stadt. — Abends wohnten der Kaiser ufd die Kaiserin dem Schlagen einer Ponton— brücke über den Dniepr durch Militär bei und unternahmen 6 mit einer hierzu geladenen Gesellschaft eine Damp fer⸗
ahrt.
Schweden und Norwegen. Drontheim, 31. August. (W. T. B.) Der Prinz von Wales ist gestern Abend auf der Jacht „Osborne“ hier angekommen. Derselbe nahm auf der Jacht die Begrüßung der hiesigen Behörden entgegen und begab sich später an das Land, um im Britannia-Hotel Woh— nung zu nehmen. Die Stadt hat dem Prinzen zu Ehren Flaggenschmuck angelegt.
Amerika. New-9Y/ork, 27. August. (Allg. Corr.) Mr. Keiley, dessen Ernennung zum Gesandten der Vereinigten Staaten am Wiener Hofe von der österreichischen Regierung beanstandet wurde, ist nach Amerika zurückgekehrt. Man erwartet, der Präsident werde nach seiner Rückkehr nach Washington im September einen neuen Gesandten für Oester— reich ernennen.
Genauere Schätzungen des in Charleston durch den jüngsten Wirbelsturm angerichteten Schadens geben denselben auf 1123 000 Doll. an. Am meisten haben Werften, Baumwollpressen, Eisenbahnen und Schiffe gelitten. Eine Fluthwoge vom Meere hat der Sea⸗Island⸗Baumwoll⸗ ernte ernsten Schaden zugefügt. In der Einfahrt von Port 6. verunglückten zwei Lootsenboote und ertranken mehrere ootsen.
Süd⸗Amerika. Bra silien. Rio de Janeiro, 28. August. (A. C.) Nachdem die liberale Majorität in der Deputirtenkammer ein Mißtrauensvotum gegen das in voriger Woche gebildete konservative Ministerium ange— nommen hatte, kündigte der Premier-⸗Minister, Baron de
Afrika. Egypten. Alexandria, 28. August. (Allg. Corr.) Der Khedive hat sich nach Rosette begeben, um eine Inspektionsreise durch das Delta im Zusammen— hange mit den projektirten Bewässerungsbauten an— zutreten. Se. Hoheit wird von dem Oberst Scott Mon⸗ erieff, dem Unter⸗Staatssekretär für die öffentlichen Arbeiten, begleitet und am 1. September in Kairo eintreffen. In der nächsten Woche sollen versuchsweise Spreng-Operationen behufs Erweiterung der Einfahrt in den Hafen vorgenom—⸗ , werden. Oberst Butler hat sich nach Wady Halfa
egeben.
Zeitungs ftimmen.
In der „Deutschen Volkswirthschaftlichen Correspondenz“ lesen wir:
Von einem sonst gut schutzzöllnerischen Blatte wurde vor einiger Zeit anläßlich des Falliments der Bornschen Firma eine Schilderung der wirthschaftlichen Lage in Deutschland geliefert, die von derselben ein so jämmerliches Bild entrollte, wie es hinzustellen wohl kaum je ein freibändlerisches Blatt für räthlich befunden hat. Die in Rede stehenden Expektorationen gipfelten in dem Ausruf: „So kann es nicht weiter gehen!“
Was zunächst die wirthschaftliche Lage in Deutschland anbetrifft, so ist dieselbe wohl bekannt genug. Es wird von den Industriellen allseitig anerkannt, daß die neue Wirthschaftspolitik sich als heilsam für die Industrie erwiesen hat, und auch jenes Organ hat dieser den Thatsachen entsprechenden Anschauung oftmals Ausdruck ge— geben. Damit ist nun noch keineswegs anerkannt, daß bei uns Alles zum Besten bestellt sei, aber wenn man gerecht sein will, muß man bedenken, welch ein großer Abstand zwischen dem Darniederliegen der Industrie Ende der siebziger Jahre und dem Zu⸗ stande liegt, von dem man sagen könnte, es sei Alles zum Besten be⸗ stellt. Die heutigen Verhältnisse zeigen, daß schon ein großer Schritt zu diesem Zustande, zu der Blüthe der Industrie gethan ist, soviel ganz gewiß, als fich in der kurzen Spanne Zeit erreichen ließ. Die Indusftrie hat sich von den Schlägen der auswärtigen Kon— kurrenz erholt, sie ist erstarkt und hat einen vermehrten Absatz für ihre Produkte gefunden. Unter der allgemeinen Konkurrenz haben die Vreise dann erheblich eingebüßt, wie dies ja unter den Um⸗ ständen auch gar nicht anders zu erwarten war. Der Preisrückgang verminderte den Unternehmergewinn bis zu einem Grade, daß das Bestehen der Fabriken gefährdet war, und um diesem Uebel abzu⸗ helfen, und ihren Gewinn zu erhöhen, griffen die Fabrikanten allgemein zu dem nächstliegenden Mittel der Produktionsvermehrung. Was
durch den Rückgang der Preise weniger verdient wurde, das sollte durch eine vermehrte Produktion ersetzt und wieder eingebracht werden. Aber man hatte vergessen,
daß mit der Produktion nicht auch der Bedarf sich künstlich steigern ließe, und daß das Mittel alsbald wegen Mangel an Umsatz wir⸗ kungslos werden mußte. Es trat dies bald ein, und die Folge war die Anhäufung großer Vorräthe und die Klagen wegen der Ueber—
produktion. Verstärkend kam noch hinzu, daß die durch die Ueber⸗ produktion verschärfte Konkurrenz fortwährend auf die Preise drückte und wenn möglich dieselben noch mehr verminderte.
Das ist der Zustand der Industrieen, die auf dem Weltmarkt mit der fremden Ärbeit in den Wettbewerb eintreten müssen. Er ist nicht rosig, aber auch nicht derartig, daß man die Flinte verzweifelnd ins Korn werfen müßte. Wie es dem Deutschen geht, so geht es auch den Franzosen, den Engländern ꝛc., und dag ist uns ein Anzeichen dafür, daß die Zustaͤnde nicht immer die heutigen bleiben können. Natürlich läßt sich nicht vorhersagen, wann eine Besserung eintreten wird, hierfür feblt jeder Maßstab.
Vom Standpunkte der Industrie ist daher der letzte Ausruf des eitirten Blattes: „So kann es nicht weiter gehen!“ ganz gerecht fertigt, und da wir ebenfalls die Interessen der deutschen Arbeit ver⸗ ireten, so schließen wir uns der Auslassung jenes Organs vollkommen an. Es muß anders werden, damit es besser werde. Freilich halten wir es nicht für angebracht, bier nun etwa nach Staatshülfe ju rufen. Der Staat hat für die Industrie schon viel gethan und wird auch sicher noch mehr thun, wenn die deutsche Prodaktion der Unterftützung unbedingt bedarf. Wir glauben aber ganz im
Einverständniß mit der Majorität der tüchtigen Induftriellen zu reden, wenn wir meinen, daß es nun erst einmal Sache derselben sei, fũr sich selbst etwas zu ihun. Wir haben gesehen, daß die scharfe Konkurrenz und der Mangel an Absatz die Hauptübel find. Beide werden sich beseitigen lassen, wenn man neue, noch wenig ausgebeutete Absatzgebiete aufsucht und sie für die deutsche Industrie gewinnt. Die Kolonialpolitik der Regierung hat auch bier fur die vaterländische Pro— duktion gesorgt, sie hat den Fabrikanten Absatz gebiete verschafft, und an ibnen ist es nun, sich dieselben zu erschließen. Ünsere Kolonialpolitik ist zwecklos, wenn das nicht geschieht. Ostafrika, Kamerun. Neu. Guinea, alle jene deutschen Gebiete sind bevölkert; mögen ihre Bewohner auch vorerst nur geringe Bedũrfnisse haben, so lassen sich dieselben doch steigern, und es sollte nicht so schwer sein, unsere Kolonien zu lobnen⸗ den Absatzgebieten zu machen. Dazu ist die Theilnabme der deutschen Industꝛie und Kaufmannschaft an der Kolonialpolitik nötbig, aber die sst bei uns nicht zu finden. Wir wollen hoffen, daß dies bald anders wird, und daß es nur der gehörigen Anregung bedarf, um jene Be⸗ 8 in Fluß zu bringen, denn so kann es sicher nicht weiter gehen.
Statistische Nachrichten.
Die „Zeitschrift des Königlich Preußischen Sta— tistischen Büreaus“ enthält in den letzten Heften (1 bis 3. 25. Jahrgangs 1885) eine sorgfältige und erschöpfende, mit vielen Ta⸗ bellen und Kartogrammen illustrirte statistische Arbeit über „Die Zeit der Geburten und die Sterblichkeit der Kinder während des ersten Lebensjahres, nach den im Preußischen Staate während der Jahre 1875 bis 1883 gesammelten Beobachtungen,“ von Frhrn. A. von Fircks, Mitglied des Königlichen Statistischen Büreaus. Derselben sind die nachstehenden Angaben entnommen. — Im ganzen Staate findet die Mehrzahl der ehelichen Geburten im Sep— tember statt lin den Jahren 1876 bis 1882 im September durch schnittlich täglich 2910 9), weil in diesem Monat die ländliche Be— rölkerung die meisten Geburten aufzuweisen hat, nämlich 66 0 aller in ländlichen Gemeinden geborenen Kinder; nächstdem folgt der Monat Februar (2884,‚4 täglich), während die Monate Juni und Juli die kleinsten Ziffern zeigen (2530,5 bezw. 2572,7). In den Städten, namentlich den Großstädten, vertheilen sich die Geburten viel gleichmäßiger auf die verschiedenen Jahreszeiten als auf dem Lande. Sie sind bei der großstädtischen Bevölkerung im Januar und Februar (in Berlin täglich 115,1 bezw. 112,7), bei den Be— wohnern der Mittel- und Kleinstädte im Februar und März, bei der gesammten städtischen Bevölkerung deshalb im Februar am häufigsten, am seltensten dagegen, wie im ganzen Staate und bei der ländlichen Bevölkerung. im Juni und Juli (in den Großstädten im Mai und Juni, in Berlin täglich 163 bis 104). Unter den in letzteren Monaten ebelich Geborenen befinden sich bei der städtischen wie bei der ländlichen Bevölkerung mehr Knaben als unter den zu anderen Zeiten Geborenen. (Es besanden sich nämlich unter je 1000 lebend und todtgeborenen Kindern im Staate im Juli täglich 517,04, im Juni 516,07 Knaben, bei der städtischen Bevölkerung im Juli 515,76, im Juni 515,60 Knaben, bei der ländlichen Bevölkerung im Juli 517,73, im Juni 516,363 Knaben). Verhältnißmäßig wenige Knaben wurden dagegen unter denjenigen ehelichen Kindern ermittelt, welche in der Zeit von Mitte April bis Ende Mai empfangen worden sind. AÄuf die Vitalität der ehelich Geborenen äußert die Zeit der Geburt ebenfalls merklichen Einfluß. Von Mitte Novem- ßer bis Mitte Mai giebt es viel mehr Todtgeburten als in den 6 übrigen Monaten; am haͤufigsten sind letztere im Januar und Februar, am seltensten während der Monate Juli bis September. Das gesteigerte Vorkommen ron Todtgeburten fällt mit der Zeit der größten Kälte zusammen, das Minimum derselben dagegen mit der größten Hitze. — Ganz anders vertheilen sich dagegen, wie die von Hrn. von Fircks mitgetheilten Tabellen darthun, die unehelichen. Geburten auf die verschiedenen Jahreszeiten. Das Maximum dieser fällt sowobl in den Städten wie in den ländlichen Gemeinden auf den Februar (im Staate 255,0 täglich, in Berlin 1845 täglich. Doch kommen im Januar und März noch nahebei ebensoviele Fälle vor (251,B0 und 25335, in Berlin 18,1 und 18,0 täglich); das Minimum trifft auf die Monate Juli und August (024 und 197,5, in Berlin 15,1 und 1577), also einen Monat später als das Minimum der ehelichen Ge burten. Die in einzelnen Großstädten beobachteten Abweichungen sind nicht von Bedeutung, im Ganzen fallen Maximum und Minimum in den Städten und auf dem Lande zusammen. — Ueber die Sterb⸗ lichkeit der Kinder während des ersten Lebensjahres liegen für Preußen erst seit dem Anfang des Jahres 1877 voklständige Rachrichten vor, aus denen sich die Zahlen berechnen lassen. In den Jahren 1876 bis 1882 sind danach vom Tausend der Geborenen mit Einschluß der Todtgebornen vor der Vollendung des ersten Lebensjahres gestorben: von den ehelichen Kindern durch, schnittlich T2474, von den unebelichen Kindern 385,26, also 160,52 uneheliche Kinder mehr als ebeliche. Von je 1000 ehelich geborenen Kindern (die todtgeborenen eingerechnet) überleben mithin durchschnitt⸗ lich 7sz, von je 1069 unehelichen dagegen nur tl5 das erste Lebens jahr, und iwat von den Maͤdchen etwas mehr (ehelich geborene 795, uneheliche 638), von Knaben aber etwas weniger (eheliche 759 unghe— liche 598). Von den unehelichen Kindern starben schon vor, der Ge= burt sowie schon während des ersten Lebens monats beträchtlich mehr als von den ehelichen, und von den Knaben wieder mehr als von den Mädchen. Von Geburt an schwächliche uneheliche Kinder starben großentheils schon in den beiden ersten Wochen. während schwächliche ebeliche Kinder durch bessere Wariung und Pflege länger am Lehen erhalten werden; die Sterbsichkeit der unehelichen Kinder, ist aber auch in den letzten Monaten des ersten Jahres noch beträchtlich höher als die der ehelichen. Die wahrscheinliche Lebensdauer beträgt für ebeliche Knaben 39.5 Jahre, für eheliche Mädchen 43 16 Jahre, füt uneheliche Knaben dagegen nur 15.2 Jahre, für uneheliche Mädchen 25,0 Jahre. Die ehelich: Geburt erböht fonach die Lebenserwartung eines Knaben um 24, eines Mädchens um 184 Jahre — Ueber die geographische Vertheilung der Sterblichkeit ebelicher und unehelicher Kinder nach dem Durchschnittsergebniß der in den Jahren 18715 bis 1882 in Preußen angestellten Beobachtungen ergeben die mitgetheilten Tabel. len und Kartogramme folgende Äuskunft: Es starben von je 1000 Geborenen, einschließlich der Todtgeborenen, in diesem Ʒiitraum vor Vollendung des ersten Lebenssahres in dem Regierungs⸗ bezw. Land⸗ drosteibezirk: Königsberg 227,5 eheliche, 406,2 uneheliche Kinder, also 1777 uneheliche mehr, Gumbinnen 255,2 ebeliche, za8,z uneheliche, also 163,1 uneheliche mehr, Danzig 244,9 eheliche, 4716 unebeliche, 2267 mehr, Marsenwerder 2425 gegen 45753, also 214, unehe⸗ liche mehr, im Stadtkreise Berlin 236,7 gegen 502, 7, alsę 2069 un, mehr, Potsdam 270,2 gegen 406,5, also 136,7 un. m., Frankfurt 242,3 gegen 50 2, alfo jörg un. mf, Stetlin 239.14 gegen 36 L 7, also 11256 un. m., Köslin jss,7 gegen 266,2, also 778 un. m., Stralsund 219 gegen zih, M also 160, un. m., Posen 23,3 gegen 466,3, alss 23530 un. m., Btomberg 231,1 gegen 454,3, also 223, un. m., Breslau 293,5 gegen 230, alf 139.3 un. m,, Liegnitz 17,1 gegen 409,6, also 934 un, m, Oppeln 230,8 gegen 38335 also 1831 un, m, Magdeburg 245.4 acgen 46,3, also ibz,5 un. m, Merse⸗ burg I312 gegen 7 fF, alfo 14665 un, m, Erfurt 205,6 gegen 327 3,ů also 125 un. m, Schleswig 168,5. gegen äs, alföé 157 un. in, Hannober 1541 gegen 346, 6, also 15853 un. m., Hildesheim 13.5 gegen 266.5, also 83,5 un, m.
*
Läneburg ö, g gegen 325,0, alfo 164,1“ un. m., Stade 166,7 gegen
277,8, also 111,1 un. m.,, Osnabrück 1600 gegen 2412, also 81.2 un. m., Aurich 152.2 gegen 232.5, also 8044 un. m., Münster 173,9 gegen 297,4, also 123.5 un m, Minden 176,5 gegen 269,5, also 53.0 un. m, Arnsberg 176,5 gegen ASM, also 101,5 un. m, Kassel 192,6 gegen 290,7, alfo 98,1 un. m., Wiesbaden 183,0 gegen 342.2, also 158,5 un. m., Koblenz 210,? gegen 342.77, also 13255 un. m. Düsseldorf 199.5 gegen 3614, also 161,9 un. m., Köln 228,3 gegen 4063, also 1780 un. m.,, Trier 194,2 gegen I05, 1, also 1109 un. m., Aachen 21.7 gegen. 451.2, also 203.5 un. m., Sigmaringen 321.3 gegen 3286, also 7, un. m. — Im Allgemeinen herrscht in den durchlbohe Sterblichkeit der ebelichen Kinder gekennzeichneten Landestheilen auch unter den unehelichen Kindern eine größere Sterblichkeit als anderwärts; doch trifft dies in einigen Gegenden nicht zu. Während im gagzen preußischen Staate von je 10090 unehelich Geborenen durchschnittlich 160,5 mehr als von derselben Zahl ehelich Geborener vor der Vollendung des ersten Lebensjahres sterben, beträgt dieser Uanterschied in der Sterb⸗ lichkeit ehelicher und unehelicher Kinder im Bezirk Posen 235.9, in Danzig 226,7, in Bromberg 223,2, in Marienwerder 214,9, in Aachen 209,5 und in Berlin 206.) von Tausend der Geborenen. — Rimmt man die Sterblichkeit der ehelichen Kinder als normal an und setzt in jedem Verwaltungsbezirk dieselbe gleich 100, so drücken folgende Zahlen die entsprechende Sterblichkeit der unehelichen Kinder im ersten Lebensjahre aus: Königsberg 178,1, Gumbinnen 169,ů3, Danzig 192,6, Marienwerder 188.5, Berlin 169 4, Potsdam 15036, Frankfurt 144,5, Stettin 147,1, Köslin 141,1, Stralsund 147.8, Posen 20136, Brom⸗ berg 19655, Breslau 144,0, Liegnitz 129,1. Oppeln 166,3, Magdeburg 142,1, Merseburg 160,8, Erfurt 159,4. Schleswig 193,3, Hannover 186,8, Hildesbeim 1455, Lüneburg 190,2, Stade 166.5, Osnabrück 150.7, Aurich 152,8, Münster 171,0, Minden 1527, Arnsberg 157,5, Kassel 150,9, Wiesbaden 186,3, Koblenz 163,0, Düsseldorf 181 2, Köln 178,0, Trier 157,1, Aachen 1984 5, Sigmaringen 102,8. Am günstigsten stellt sich hiernach die Sterblichkeit der unehelichen im Verhältniß zu der der ehelichen Kinder in den Bezirken Sigmaringen, Liegnitz, Köslin, Breslau, Frankfurt, Hildesheim, am ungünstigsten in den Vezirken Posen, Bromberg, Aachen, Schleswig, Danzig und Lüneburg. Wenn man nur die Durchschnittsergebnisse der Sterblichkeit ehelicher und unehelicher Kinder innerhalb der Bezirke vergleicht, so schwankt die Sterbeziffer (nach den Beobachtungen in den Jahren 1875 bis 1882) bei ehelichen Kindern zwischen 321,z in Sigmaringen und 152,2 in Aurich, bei unehelichen Kindern dagegen zwischen 502,7 in Berlin und 232.5 in Aurich. In den Provinzen Schleswig-Holstein, Han⸗ nover, Westfalen und HessenNassau, also im Bereich des nieder⸗ sächsischen Volksstamms ist die Kindersterblichkeit überhaupt sehr niedrig, insbesondere in den an der Nordsee gelegenen Kreisen Eider⸗ stedt, Husum und Tondern; nur einige Kreise (Stadt Münster, Landkreis Kassel, Altong. Melsungen) machen hiervon eine Ausnahme. Sehr ungünstig stellen sich die Sterblichkeitsverhältnisse ehelicher Kinder außer im Regierungsbezirk Sigmaringen insbesondere auch noch in den Bezirken Liegnitz, Berlin und Breslau, für uneheliche Kinder dagegen, außer in Berlin, in den Bezirken Danzig, Posen, Marien werder, Bromberg, Aachen und Breslau, sodann in den Bezirken Liegnitz, Potsdam (wegen der außerordentlich hohen Sterblichkeit der unehelichen Kinder in der nächsten Umgebung von Berlin), Köln und Königsberg. In den sämmtlichen vorgenannten Bezirken starben durchschnitilich mehr als ?/ s, in Berlin sogar mehr als die Hälfte aller unehelich Geborenen während des ersten Lebensjahres. Außer ordentlich hoch ist die Sterblichkeit unehelicher Kinder in den Kreisen Köln Land, Stadt Aachen, Charlottenburg, Stadt Posen, Teltow, Stadt Elbing, Kulm, Landeshut, Marienburg i. Westpr., Thorn, Harburg, Stadt Liegnitz. Strafburg i. Westpr. und Gnesen. — Die Sterblichkeitsziffern für die ehelichen Kinder sind in 3 Theile des preußischen Staatsgebiets besonders hoch, und jwar in dem nieder schlesischen Industriebezirk zwischen Breslau, Görlitz und Reichenbach, das ganze Riesengebirge umfassend, ferner in Berlin und der nächsten Umgebung, und endlich in Hohenzollern. Da ein Theil der un— ehellchen Kinder bald nach der Geburt auswärts in Pflege gegeben wird, so wächft dadurch die Zahl der in den ländlichen, in der Nähe großer Städte gelegenen Gemeinden zur Eintragung kommenden Sterbe⸗ fälle unehelicher Kinder. Namentlich wird diese Zahl dadurch in der Nähe von Berlin, Halle a. S. Hamburg und Altona, Hannover, Frankfurt a. M., Wiesbaden, Köln und Mülheim a. Rh. beträchtlich gesteigert In anderen Städten, wie in Königsberg i. Pr, Danzig, Elbing, Potsdam, Brandenburg a. H., Frankfurt a. O., Spandau, Guben, Stettin, Stralsund, Posen. Breslau, Liegnitz, Görlitz, Schweidnitz, Magdeburg, Neustadt⸗Magdeburg, Nordbausen, Münster, Bochum, Dortmund, Düsseldocf, Essen,. Elberfeld, Barmen, Aachen und Trier, scheinen die unehelichen Kinder im Orte selbst zu bleiben, denn die Sterbeziffer unehelicher Kinder ist nach den mitgetheilten Tabellen in diesen Städten höher als in deren Umgebung. — Wenn man aus den Ziffern auf die Zustände in Bezug auf Wartung und Pflege der unehelichen Kinder jchließen darf, so müssen diese im Land— kreise Köln besonders ungünstig sein, denn dort starben von 1000 Gebore— nen vor der Vollendung des ersten Lebensjahres 695. Am nächsten kommt dann der Stadtkreis Aachen mit 594 auf Tausend. Weiterhin folgen dann in der oben mitgetheilten Reihe die Kreise Stadt Charlottenburg, Stadt Posen u. s. w. bis Gnesen. In allen Landestheilen, deren Bevölkerung neben Deutschen auch Slaren in namhafter Zahl enthält, sowie im niederschlesischen In« dustriebezirk ist sonach die Sterblichkeit unehelicher Kinder köher als durchschnittlich im Staate. — Ein bemerkenswerther Unterschied in den Kinder⸗Sterblichkeitsziffern zeigt sich übrigens mit der Verschieden⸗ artigkeit des Religionsbekenntnisses der Eltern verbunden. So starben vor Ablauf des ersten Jahres von je 1900 ehelich geborenen Kindern evangelischer Eltern 229, katholischer Eltern 223, jüdischer Eltern aber nur 172. Dagegen überlebten das erste Jahr unter je 1000
unehelich geborenen Kindern von evangelischen Müttern 624, katholischen 603, jüdischen aber nur 592. Die unehelichen Kinder jüdischer Mütter zeigen demnach eine beträchtlich
größere Sterblichkeit; insbesondere finden bei unehelichen Knaben geburten jüdischer Mütter ungemein häufig, d. b. fast doppelt so häufig wie bei evangelischen oder katholischen Müttern, Todtgeburten statt. — Die Sterbeziffer der im ersten Jahre stehenden Kinder im Allgemeinen ist am höchsten in Großstädten, demnächst in Mittelstädten und in den Kleinstadten, am niedrigsten aber auf dem platten Lande. Indessen finden im Einzelnen viele Ausnahmen statt, und selbst einige Großstädte weisen günstige Sterblichkeitsvverhältnisse auf, wie z. B. Hannover und Frankfurt a. M.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
In Algier, welches nach allgemeiner Annahme als bisher von der Reblauskrankheit verschont galt, ist gegen Mitte Juli d. J. eine ziemlich betöächtliche, anscheinend bereits 4 bis 7 Jahre alte Infektion ermittelt worden. Bist jetzt hat man eine Weinbaufläche von 6 ha als verseucht erkannt, die auf derselben vorhandenen Reben saͤmmtlich ausgerottet und verbrannt, den Erdboden aber mit Schwefelkohlenstoff desinfizirt.
Gewerbe und Handel.
Madrid, 23. August. Die heutige ‚Gaceta de Madrid“ ver⸗ öffentlicht eine Real Orden des Königlich spanischen Finanz-⸗Ministers vom 10. August d. J, wonach in Anbetracht der Schwierigkeiten, welche die sanitären Maßregeln zur Verhütung der Ausbreitung der herrschenden Epidemie dem Rüstransport der Fastage bereiten, ange , ordnet wird, daß die seit 1. April d. J. zur Wiederausfuhr zeitweise eingeführte Fastage innerhalb einer Frist von 6 Monaten zur freien Ausfuhr zugelassen und dies auch auf diejenige Einfuhr aus- gedebnt werden soll, welche von heute ab bis zum 31. Dezember d. J. erfolgen wird.
— Auf der Oldenburger Gewerbe und Kunst⸗Augs⸗ stellung hat die Schulze'sche Hof-⸗Buchhandlung (A. Schwartz) für die ausgestellten typographischen Erzeugnisse ibrer Buchdruckerei den ersten Preis, die goldene Medaille, er— halten.
Wien, 31. August. (W. T. B) Der Getreide und Saatenmarkt ist beute eröffnet worden und von etwa 5000 Tbeil⸗ nehmern besucht. Zur Begrüßung der Versammlung waren Ver⸗ treter der Ministerien des Handels., des Ackerbaues und des Krieges, der Statthalterei der Stadt Wien, der Polizei⸗Präsident und die Präsidenten der Handelskammer und des Gewerbevereins
erschienen. Zum Präsidenten wurde Naschauer, zu Vize ⸗Prãsi⸗ denten wurden Wyngaert (Berlin) und Landauer (Augsburg)
gewäblt. Der General Sekretär Leinkauf erstattete den Bericht über die Ernte in Desterreich Ungarn; biernach wird in Ungarn die Weizenernte auf 117, die Roggenernte auf 96, die Gerstenernte auf 158, die Haferernte auf 94 und in Oesterreich die Weizenernte auf 104, die Roggenernte auf 100, die Gerstenernte auf 95, die Hafer⸗ ernte auf 98 o einer Durchschnittsernte beziffert. Die Exvortfähig⸗ keit der Monarchie wird auf 6 Millionen Meter -Centner Weizen, beziehungsweise daraus gewonnenes Mebl und 37 Millionen Meter⸗ Centner Gerste, beziebungsweise Malz geschätzt; Reggen und Hafer dürften nicht zu exportiren sein.
Glasgow, 29. August. (W. T. B) Die Vorräthe von Robeisen in den Stores belaufen sich auf 617 700 Tons, gegen 585 900 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 39, gegen 4 im vorigen Jabre.
New⸗JYJork, 30. August (W. T. B.) Der Werth der Waareneinfuhr in der vergangenen Woche betrug 7133 000 Doll., davon 2285 060 Doll. für Manufakturwaaren.
Verkehrs⸗Anftalten.
Stettin, 31. August. (W. T. B.) Der Stettiner Lloyd—⸗ dampfer ‚Kätie“ ist, von New ⸗ Jork kommend, mit 151 Passa⸗ gieren und voller Ladung gestern woblbehalten in Stettin eingetroffen.
Hamburg, 30. August. (W. T. . BS.) Der Postdampfer Albingia“ der Hamburg ⸗ Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern in Vera Cruz eingetroffen.
— 31. August. (W. T. B.) Der Postdampfer Lessing“ der Hamburg ⸗Amerikanischen Packetfabrt⸗Aktiengesell⸗ schaft ist, von Hamburg kommend, gestern Mittag 12 Uhr in New ⸗ Jork und der Postdampfer „ Suevia“ derselben Ge⸗ sellschaft, von New⸗Jork kommend, gestern Abend 8 Uhr in Plymouth eingetroffen.
Sanitätswesen und Onarantänewesen.
Egypten.
Durch Beschlüsse des Conserl sanitaire, maritime et quarantenaire d'Egypte vom 7., 10. und 13. August 1885 ist das Cholera ⸗ Reglement gegen nachbezeichnete Häfen in Kraft getreten:
1) gegen die Häfen der französischen Mittelmeerküste vom 7. August d. J. ab;
2) gegen den Hafen Bandjermasin (Südküste der Insel Borneo) für alle Schiffe, welche denselben seit dem 2. desselben Monats ver— lassen haben;
3) gegen Gibraltar vom 13. August d. J. ab.
Türkei
Die über Provenienzen dec französischen Mittelmeerküste ver— hängte 10 tägige Quarantäne (. Reichs⸗Anzeiger? Nr. 192 vom 18. August d. J.) wird in den Lajzarethhäfen Beirut, Smyrna oder in Tripolis (Afrika) abgehalten.
Malta
Laut Verordnung des Gouverneurs von Malta vom 13. August 1885 unterliegen die Provenienzen aus spanischen Häfen, den franzö— sischen Mittelmeerhäfen, Gibraltar, den algerischen und tunesischen Häfen und aus Korsika einer siebentägigen Quarantäne.
Passagiere, welche aus infizirten Häfen kommen, dürfen in dem Hafen (Valette) nicht landen.
Gegenwärtig werden die spanischen Häfen. die Mittelmeerhäfen und Gibraltar als infizirt angeseben.
Die Einfuhr empfänglicher Waaren aus den obenerwähnten Häfen ist verboten.
Schiffe mit verdächtigen Krankheitsfällen an Bord sind 21 tägigen Quarantäne unterworfen.
Schiffe mit Cholerafällen an Bord werden im Hafen (Valette) nicht zugelassen.
französischen
einer
Berlin, 31. August 1885.
Köln, 30. August, 12 Uhr 54 Min. früh. englische Post vom 29. August früh, planmäßig in Verviers um 8,20 Uhr Abends, ist ausgeblieben. Grund: Das Schiff hat in Ostende wegen ungünstiger Witterung im Kanal den Anschluß nicht erreicht.
(Tel.) Die
Die Rennen, welche der Verein für Hindernißrennen gestern auf seiner bei Charlottenburg belegenen Rennbahn ab⸗ hielt, waren recht zahlreich besucht, vom Wetter besonders begünstigt und boten den Sportliebhabern ein reiches Interesse dar. Sie be— gannen um 4 Uhr Nachmittags mit:
L. Jubiläum s-⸗Rennen. Dreibundertstes Rennen des Ver— eins. Ehrenpreis im Werthe von 1600 „ und 1000 „M baar. Internationales Herrenreiten. Jagdrennen. Für 4jährige und ältere Pferde aller Länder. 109 „M. Eins.. 20 S. Reug. Distanz ca. 500 m. Dem zweiten Pferde 690eC der Einsätze und Reugelder. Der Rest wird zwischen dem ersten und dritten Pferde getheilt. 22 Unterschriften, 3 Pferde liefen. Es siegte nach einem scharfen Schlußgefecht mit e ner Kopflänge des Rittmstr. v. d. Osten a. br. W. Bouncer“ v. Cambuslang a. d. Lightfoct, 777 kg (Reiter Lt. Grf. Dohna), gegen des Grafen Sierstorpff ⸗Franzdorf jähr. br. H. Westerwinkel! (Reiter Lt. v. Heyden -Linden II). Des Rittmstr. Grf. Bismarck 6jähr. schwbr. H. „Der Fliegende Holländer“ unter Rittmstr. Kramsta wurde zwei Längen zurück Dritter. Werth des Siegs der Ehrenpreis und 1136 6 dem Sieger, 408 M dem Zwei— ten. — Um 45 Uhr folgte diesem Rennen:
Il. Langes Hürden⸗Rennen. Preis 1000 s Für 3jährige und ältere Pferde. 50 66 Einsatz. 30 6 Reugeld. Distanz ca. 3600 m. Dem zweiten Pferde 250,9 des eventuellen Uebergebots auf den Sieger. 7 Unterschriften, 5 Pferde liefen. Im Ziel um einen Kopf gewonnen von, des Rittmeisters v. Kramsta 5jähr. dbr. H. „Wagner“ v. Monseigneur a. d. Walkyre (36000 A), 70 kg (R. Johnson), gegen des Hrn. v. Trützschler⸗Falkenstein 6jähr. F. «H. Horace Vernet“ (3500 M), 78 kg (Holli)h. Außerdem liefen noch Merry Duchesse II., „Mrs. Besant! und „‚Paleface. — Werth des Rennens: 1510 66 dem Sieger, 150 S½ dem Zweiten. ‚Wagner“ wurde für 3600 MS von Lieut. Suermondt gefordert. — Dem Rennen schloß sich um 5 Uhr an: ]
III. Match. Für deutsche und österreichisch⸗ungarische Jockeys. Distanz 1800 m über 5 Hürden. Leicht mit 15 Längen von des Hrn. von Zansen⸗Osten 6 jähr. br. St. . Seaweed? v. Hillingdon a. d. Marion, 715 kg (Hostach), gegen des Rittmstr. von Boddien 4jähr. * 6 Genevan, 66 kg (HSabisch), gewonnen. — Es folgte um
m:
IV. Perleberger Jagd- Rennen. Preis 800 K Für zjähr. und ältere Pferde im Besitz von aktiven Offizieren der deut⸗ schen Armee und von solchen in Uniform zu reiten. 20 „6 Einsatz, 10 S Reugeld. Distanz ca. 3000 m Dem zweiten Pferde 40 oo der Einsätze und Reugelder. 12 Unterschriften. 3 Pferde liefen. Es siegte leicht mit 2 Längen des Rittmstr. v. Schmidt- Pnuli a. F.« H. „Conqueror. v. Paganini a. d. Sooloo (Reiter: Rittm von Kramsta) gegen des Lieut. Grafen Lehndorff 6jähr. br. W. . Bonze“ (Reiter: Besitzer), des Lieut v. Heyden Linden br. H. „Paymaster“ unter seinem Besitzer wurde Dritter. Werth des Rennens: 890 4 n Sieger, 60 M dem Zweiten. — Um 6 Uhr schloß sich diesem
ennen an: