1886 / 5 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Jan 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Angelegenheiten.

Dem Oberlehrer an der Victoria⸗Schule zu Berlin, Dr. Julius Scholz ist das Prädikat Professor, den ordentlichen Lehrern Dr. Ballas am Progymnasium ö Tremessen und 3 an der höheren Bürgerschule zu ortmund der Titel Oberlehrer beigelegt worden. Am Schullehrer⸗Seminar zu Boppard ist der Schulamts⸗ kandidat Klauke als Hülfslehrer angestellt worden.

zu Eving,

Deneke zu Flensburg,

Im vierten Quartal 1885 haben nach abgelegter Prüfung Dr. med. Hugo Beinhauer zu Höchst a. M., Reg.⸗ Bez. Münster, Reg. Bez. Dr. med. Carl Gerloff zu Freienwalde i. Pomm., Reg.⸗Bez. Stettin, Dr. med. Johann Paul Kluge zu Wandsbeck, Reg. Reg. ⸗Bez. Potsdam, Dr. med. Carl Ludwig Georg Adolf Lodemann, Breslau, Dr. mea Paul August Louis Albert von Münchow Carl Eugen Pfleger zu Plötzensee, Reg. Bez. Potsdam, Dr. med. Johann Hubert Caspar Rocks zu Geilen⸗ Wiesbaden, Dr. med. Hero Cornelius Silomon zu Norden, Allendorf, Reg.⸗Bez. Kassel, Berlin, den 2. Januar 1886. Im Auftrage:

Bekanntmachung. nachbenannte praktische Aerzte das Fähigkeitszeugniß zur Ver⸗ waltung einer Physikatsstelle erhalten: Bez. Wiesbaden. . ; Dr. med. Bernhard Bockeloh zu Lüdinghausen, Reg. Dr. med. Friedrich D'ham Arnsberg, Reg. Bez. Schleswig, . Dr. med. Carl Wilhelm August Eduard Eugen Dr. med. Anton Hauschild zu Albendorf, Reg.⸗Bez. Breslau, Bez. Schleswig, Dr. med. Ewald Robert Georg Kuhnt zu Zossen, Dr. med. Georg Friedrich Langreuter zu Eichberg, Reg. ⸗Bez. Wiesbaden, zu Hameln, Reg. Bez. Hannover, ; Dr. med. Franz Ludwig zu Habelschwerdt, Reg. Bez. Dr. med. Martin Mainzer zu Illingen, Reg.-Bez. Trier, zu Lippehne, Reg.⸗Bez. Frankfurt a. O., Dr. med. Johannes Dr. med. Michael Rawitzki zu Czarnikau, Reg. Bez. Bromberg, kirchen, Reg. Bez. Aachen, ; Dr. med. Carl Schaum berg zu Biedenkopf, Reg.⸗Bez. Dr. med. Otto Schauß zu Dtsch. Krone, Reg.-Bez. Marienwerder, Reg. Bez. Aurich. . . Dr. med. Friedrich Jacob Wilhelm Sippell zu Dr. med. Erwin Wachs zu Wittenberg, Reg.Bez. Merseburg. Der Minister der geistlichen, Unterrichts und Medizinal— Angelegenheiten. Greiff.

Abgereist: Se. Excellenz der General der Infanterie, General⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und kommandirender General des IX. Armee - Corps, von Tresckow, nach Altona.

Die Nummer 1 der Gesetz⸗Sammlung, welche von heute ab zur Ausgabe gelangt, enthält unter

Nr. 9103 den Allerhöchsten Erlaß vom 16. Dezember 1885, etreffend die Presbyterial⸗ und Synodalordnung für die evangelischen Kirchengemeinschaften (die reformirte, die luthe⸗ rische und die unirte) im Bezirk des Konsistoriums zu Kassel.

Berlin, den 6. Januar 1886.

Königliches Gesetz⸗Sammlungs⸗Amt. Didden.

Die Nummer 2 der Gesetz⸗ Sammlung, welche von heute ab zur Ausgabe gelangt, enthaͤlt unter Nr. 9104 die Verordnung wegen Einberufung der beiden Häuser des Landtages. Vom 4. Januar 1886. Berlin, den 6. Januar 1886. Königliches GesetzSammlungs⸗Amt. Did den.

Per sonalveränderungen.

Königlich Preußische Armee. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Berlin, 31. Dezember. v. Rauchhgupt, Sec. Lt. vom Kaiser Alexander Garde⸗Gren. Regt. Nr. 1, in das Inf. Regt. Nr. 95 versetzt. v. Natz mer, Rittmeister à la suite des 2. Garde⸗Ulanen⸗Regts,, unter Entbindung von dem Kommando als Adjut. bei der Kay. Div. des JI. Armee⸗Corps, als Escadr. Chef zum Hus. Regt. Nr. 17 kommandirt. söniglich Bayerische Armee. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 28. Dezem ber. Haas, Hauptm. z. D. Referent im Kriegs⸗Ministerium, der Chgrakter als Major verliehen. Im Beurlaubtenstande. 28. Dezember. aßall, Pr. Lt. a. D., der Charakter als Rittmeister verliehen. Herzoglich Braunschweigisches Kontingent. 31. Dezember. Manntz, Pr. Lt. der Landiv. Inf. g. D. nachträglich die Erlaubniß zum Tragen der Uniform des Landw. Regts. Nr. 92 ertheilt.

Nichtamtliches. Deu tsches Reich.

BPrenften. Berlin, 6. Januar. Se. Majestät der Kaiser und König hörten heute den Vortrag des Chefs des Civilkabinets und des Unter⸗-Staatssekretaͤrs Grafen Herbert von Bismarck.

Im Laufe des Nachmittags ertheilten Se. Majestät dem Kaiserlich österreichischen General der Kavallerie, Freiherrn von Koller, sowie dem Königlich großbritannischen General Viscount Wolseley Audienzen und empfingen die Meldung des Kaiserlich russischen Hauptmanns Grafen Schuwaloff.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz empfing gestern Vormittag 111 Uhr den Militär⸗ Bevollmächtigten in Wien, Oberst⸗Lieutenant Grafen Wedell, nachdem vorher militärische Meldungen stattgefunden hatten.

Um 121, Uhr empfingen Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin den spanischen General Blanco Marques de Pena⸗-Plata, machten darauf eine Spazierfahrt, und be— een mit den Erbgroßherzoglich sachsen⸗weimarischen Herr— chaften das Kunstgewerbe⸗Museum.

Um 5 Uhr begaben Sich die Kronprinzlichen Herrschaften zum Familiendiner zu Ihren Majestäten.

Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz wohnte Abends der Vorstellung im Deutschen Theater bei und fuhr von dort zum Thee in das Königliche Palais.

Der Königliche Ober⸗-Bibliothekar und ordentliche Professor Pr. Wil manns ist heute durch den Ministerial⸗ Direktor, Wirklichen Geheimen Rath Greiff im Auftrage des Kultus-Ministers in sein neues Amt als kommissarischer General⸗Direktor der Königlichen Bibliothek hierselbst und Direktor der Abtheilung für Druckschriften eingeführt, und gleichzeitig der Königliche Bibliothekar Dr. Rose in sein neues Amt als kommissarischer Direktor der Abtheilung für Handschriften eingewiesen worden.

Das Kollektiren unter der fal schen Vorspiegelung eines milden Zweckes, während thatsächlich der Kollektant die zu diesem Zweck ihm gewährten Gaben für sich erzielen wollte, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Straf— senats, vom 3. November v. J, als Betrug zu bestrafen.

Der Disziplinarhof für nichtrichterliche Beamte trat heute zu einer Sitzung zusammen.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich säch— sischer Geheimer Finanz Rath Golz und Königlich württem— bergischer Ober-Steuer⸗Rath Fischer sind hier angekommen.

Der General der Infanterie, von Voigts-Rhetz, la suite des Königs⸗Grenadier⸗Regiments (2. Westpreußischen) Nr. TJ, ist hier eingetroffen.

Der General der Infanterie z. D., Graf von Monts, und der General der Kavallerie z D., Hann von Weyhern, Chef des Pommerschen Husaren-Regiments (Blüchersche Hu⸗ saren) Nr. 5, sind gestern wieder abgereist.

Der General Lieutenant Freiherr von Hilgers,

Commandeur der 15. Divifion, ist zur Abstattung persönlicher Meldungen hier eingetroffen.

Köln, 5. Januar. Die „Kölnische Zeitung“ schreibt: Ueberall im preußischen Staate hat sich die Liebe zu unserem k. König durch festliche Veranstaltungen zum Regierungs-Jubiläum des Landesherrn bethätigt. Die uns zugegangenen Berichte über solche Veranstaltungen sind so zahlreich, daß wir uns den Abdruck derselben leider versagen müssen; selbst mit dem engern Gebiete der Rhein— provinz können wir eine Ausnahme nicht machen und muͤssen uns darauf beschränken, festzustellen, daß wohl kein Dorf und keine einzige Gesellschaft oder Körperschaft von der Feier sich ausgeschlossen hat.

Bayern. München, 4. Januar. Die „Allg. Ztg.“ meldet; Gestern Abend 9 Uhr fand in dem festlich ge— schmückten Saale des Königlich preußischen Gesanbt— schafts⸗Palais anläßlich des 25jährigen Regierungs— Jubiläums Sr. Majestät des Deutschen Kaisers als König von Pxeußen großer Rout statt, zu dem von den eingeladenen Gästen sich eingefunden hatten die Prinzen Ludwig, Arnulph, Ludwig Ferdinand mit Gemahlinnen, Prinz Alphons, Prinzessin Therese, Herzog Ludwig, sämmtlich mit großem Dienst, die Generalität, das gesammte diplomatische Corps, die Minister, die Commandeure der hier garnisoniren—⸗ den Regimenter sowie die übrigen Angehörigen der drei Hof— rangklassen wie die obersten Hofchargen 2c. Bis um 11 Uhr dauerte der Cercle, worauf die Herrschaften in ihre Palais zurückkehrten.

Oldenburg. Oldenburg, 4. Januar. (Hann. Cour.) Das 26jährige Regierungs-Jubiläum des Kaisers als Königs von Preußen ist hier gestern durch einen militärischen Festgottesdienst und Parole, dann durch Festessen in den i re ffn. und ein Diner beim preußischen Ge— sandten, endlich durch Beflaggung und Erleuchtung der öffent— lichen Gebäude, insbesondere dersenigen des Reiches, wie durch ö zum Abendessen im Hotel de Russie gefeiert worden.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 4. Januar. (Wien. Abdp) Die Landtage haben ihre durch die Weihnachtsferien unter— brochen gewesene Thätigkeit wieder aufgenommen. Gegen— wärtig sind hereits die Landesvertretungen von Nieder— Oesterreich, Böhmen und Galizien neuerlich ver— sammelt. Die übrigen Landtage, deren Session noch nicht geschlossen ist, werden in den nächsten Tagen ihre Verhand— lungen wieder beginnen.

Der Wiederzusammentritt des Abgeordneten guses ist, wie die „Wiener Correspondenz“ mittheilt, auf ienstag, den 26. Januar, anberaumt.

Pest, 5. Januar. (W. T. B) Wie der „Pester Lloyd“

meldet, hat der Magistrat 7000 Fl. für die serbischen und bulgarischen Verwundeten votirt.

Grostbritannien und Irland. London, 4. Januar. (Allg. Corr) Die Eröffnüng des Parlaments steht nahe bevor, und unter diesen Umständen muß sich das Kabinet beeilen, sein legislatorisches Programm für die Session zu . Zu diesem Behuf hielt es am Sonnabend in Downingstreet eine Sitzung, der sich im Laufe dieser Woche weitere Conseils anschließen dürften. In der Sonnabend-Sitzung bildete, dem Ver— nehmen nach, der Gesetzentwurf für die Reform der Lo kal— regierung in England, Schottland und Irland den Hauptgegenstand der Erörterung. Diese Novelle wird, wie man

glaubt, im Allgemeinen Alles umfassen, was die Regierung dem Parlament in Betreff der irischen Frage zu unter⸗ breiten gedenkt, und keinen Artikel enthalten, der nur

im Geringsten als ein Zugeständniß an die Partei Parnells betrachtet werden könnte. Von ihrer ursprüng—⸗ lichen Absicht, bald nach Eröffnung der Session vom Hause, der Gemeinen ein direktes Vertrauens— votum zu erlangen, ist die Regierung abgekommen, und sie wird strikt in der Defensive verbleiben. Eine Genehmi⸗ gung der Adresse zur Beantwortung der Thronrede Seitens des Hauses wird ihr die Versicherung gewähren, daß sie das Vertrauen des Parlaments genießt, und sie wird dann ruhig zur Ausführung ihres Programms schreiten.

Die „Times“ vermerkt mit Befriedigung die Ein— stimmigkeit, mit der von allen Parteien im Lande die Annexion von Birma aufgenommen worden ist. Bezüglich der Frage der Besänftigung Ehinas durch die Abtretung von Bhamo sagt das Eityblatt: „Es wird Zeit genug sein, diese Abtretung zu erörtern, wenn die chinesische Suzeränetät erwiesen, und nachgewiesen worden ist, daß China wirklich Bhamo wünscht. Die praktische Frage hängt glücklicher— weise von Erwägungen ab, die gewöhnlichen Geschäfts— leuten zugänglicher sind als die genaue Auslegung obskurer Transaktionen in chinesischer Sprache. Alle Bericht erstatter stimmen darin überein, daß es von der größten Wich— tigkeit ist, gute Beziehungen mit dem chinesischen Reiche auf— rechtzuerhalten, und die praktische Frage ist eher, wie dies unter den Umständen des Tages geschehen soll, als unsere Stellung durch eine alterthümliche Geschichte bestimmen zu lassen. Aus diesem Gesichtspunkt betrachtet, muß es uns zuerst in die Augen fallen, daß die englische Besetzung von Birma ein ungeheuerer Vortheil für China ist.“

Der Finanzausweis für die mit dem 31. Dezember 1885 endenden neun Monate des laufenden Finanz⸗ jahres ist keineswegs günstig. Die Einnahmen ke fen sich während dieses Zeitraums auf 58 205 829 Pfd. Sterl. oder 465 56 Pfd. Sterl. weniger als im Vorjahre; für das verflossene Quartal blieben sie um 24 434 Pfd. Sterl. gegen das entsprechende Quartal des Vorjahres zurück. An dieser Abnahme sind vorwiegend die Einkünfte aus den Zöllen, der Getränkesteuer und den Stempelgefällen betheiligt, während die Erträge der Einkommensteuer, des Postamts, der Zinsen für Darlehen u. s. w. eine Zunahme aufweisen.

5. Januar. (W. T. B.) Lord Salisbury und der Schatz⸗ kanzler Hicksbeach haben ihren Parteigenossen in beiden Häufern

des . durch ein Rundschreiben mitgetheilt, daß

das ? arlament am 12. Januar zur Wahl des Sprechers

und zur Vereidigung der Mitglieder zusammentrete, und daß die Verlesung der Thronrede am 21. Januar erfolgen werde. Eine Depesche des Vize-Königs von Indien, Lord Dufferin, meldet: die Dacoits hätten 24 Meilen von Mandalay 3 Europäer getödtet.

Aus Rangun, von gestern, wird telegraphirt, daß in Unter⸗Birma die Freibeuterschaaren fortgesetzt eine große Thätigkeit entwickeln. Der kommandirende Offizier in Schwegzin habe dringend die Absendung von Verstär— kungen gefordert; auch in und bei Mandalay werde von den Freibeuterschaaren ein systematischer Terrorismus ausgeübt. Es seien infolge dessen 3 starke Truppenabthei⸗ . abgegangen, um die Macht der Aufständischen zu rechen.

Frankreich. Paris, 4. Januar. (Fr. C) Die Pa— riser Presse befleißigt sich in ihren Kommentaren über das Jubiläum des Kaisers und Königs Wilhelm, soweit sie allerdings nicht vorzieht, darüber zu schweigen, einer durchaus anständigen und korrekten Sprache.

5. Januar. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nach werden die bisherigen Minister Goblet, Sadi-Carnot und Sarrien in das neue Kabinet Freyeinet eirtreten. Alle übrigen von den Blättern in Bezug auf die Zusammensetzung des neuen Ministeriums gebrachten Nachrichten werden als zweifelhaft bezeichnet.

Spanien. Madrid, 5. Januar. (W. T. B.) Der Minister⸗Präsident Sagasta verlas heute in der De— putirtenkammer und im Senat ein Dekret, durch welches die Sitzungen der Cortes suspendirt werden.

6. Januar. (W. T. B.) Die Neuwahlen für die Cortes sollen Ende März und der Zusammentritt der neuen Cortes im April stattfinden.

Afrika. Egyptze n. (Allg. Corr.) Aus Abri meldet der Korrespondent der „Times“:

Abri, 2. Fanuar. Hier hat die zweite Brigade ihr Haupt⸗ quartier aufgeschlagen, und General Butlers Brigade steht in Koyek, etwa 9 Meilen nach Süden zu. Die Kavallerie ist jetzt in der Ver— solgung des Feindes begriffen, und der Dampfer „Lotus“ hat sich den Fluß aufwärts begeben, um die Nuggars des Feindes mit Be— schlag zu belegen. In dem Treffen am Mittwoch verlor der Feind 24 Emire und wenigstens 600 Mann an Todten und Verwundeten und „außerdem erlagen ziele Araber am Fluß— ufer während des Rückzuges. Unter den Feinden war das Gerücht im Umlauf, daß 900 Türken und Engländer quer über die Wüste nach Absaratz marschiren, weshalb sie ohne Aufenthalt nach Dongola flüchteten. Die Dorfbewohner sind von den Feinden ihres ganzen Eigenthums beraubt worden. Im Norden von Berber haben die Araber keine Reserve. Sämmtliche Gefangene melden, daß unter den Stämmen von Kordofan und Darfur Üneinig— keiten herrschen. Der Feind macht aus seiner Niederlage kein Geheimniß und. Viele schlugen den Weg durch die west⸗ liche Wüste ein, weil sie bei Absarat durch unsere Kavallerie abgeschnitten zu werden befürchteten. Es ist eine große Menge von Schriftstücken aufgefunden worden, die auf die Bewegungen der Araber ein schätzenswerthes Licht werfen werden. Der Feind giebt zu, daß er vollständig überrascht wurde.

3. Januar. Von dem berittenen Detachement ist soeben eine Meldung eingegangen. Dasselbe rückte bis Äbsarat vor, jedoch nur um zu finden, daß der Feind sich während der Nacht aus dem Staube gemacht hatte. Das Gros der Feinde wandte sich direkt nach Dulgo. „Loyd“ berichtet, daß der „Lotus“ bis auf drei Meilen süblich von Absarat vordrang und im Ganzen 9 Nuggars erbeutete, die mit Getreide, Datteln, Waffen, Munition und Kleidungsstücken angefüllt waren und auch zwei Banner enthielten. Es würden viele Gefangene gemacht. Majad foll verwundet in Dulgo liegen und nur wenige Anhänger bei sich haben. Der ganze feindliche Wassertransport unterhalb des Kaibar-Katarakts ist nunmehr in unsere Hände gefallen. Bei der Annäherung des Dampfers ergriff der Feind die Flucht. Die Dorfbewohner erzählen, daß der Rückzug der Derwische ein sehr überstürzter gewesen sei. Auf den „Lotus“ wurde nicht Heschossen.

4. Januar. 159 Mann Kavallerie und berittene Infanterie dom Kareel-Corps unter Kapitän Smith Dorrien verfolgten den 66 bis Absargt; hier war er jedoch über das linke Flußufer ent— ommen. Unter den in Majads Haus gefundenen Schrift— stücken befand sich auch eine

vollständige Musterrolle von

ann, welche seine Vorhut bildeten. Auch sand man Listen 2 83 Ausrüstungẽgegenstãnde. Die Organisation des Feindes scheint durchaus vollstaͤndig gewesen zu sein. General Butler kam heute hier an. Die Kavallerie kehrt morgen nach Kopyek zurück Der Feind verließ bei Kovek den Nil und marschirte über die Wußte nach Dulgo unweit Abu⸗Fatmeh. Dort sammelte er sich, um nach Abu Fatmeh zu marschiren, wo Mohammed Elkheir lagerte. ; W. T. B.) Ein in London eingetroffenes Tele⸗ gramm aus Abri, vom 4 Januar, meldet: Die Auf⸗ ständischen hatten sich weiter zurückgezogen; in Kaib ar befänden sich nur noch Nachzügler. Nach den im arabischen Lager aufgefundenen Angaben bestehe die Kriegsmacht der Auf⸗ ständischen aus nahezu 11 00900 Mann. . ö Unter dem 5. d. meldet das Reutersche Bureau“ aus Abri, daß die gesammte englische Truppenmacht am Mittwoch in nördlicher Richtung zurückgehen werde.

Zeitungsstimmen.

Die „Glauchauer Zeitung“ sagt in ihrem Jubiläums⸗ 2 i . * 1 re gg 64 Jahre alt, gelangte König Wilhelm auf den Thron. Als Neunundsechzigjähriger zog er in den österreichischen, als Drei⸗ undsiebzigjähriger in den französischen Krieg, aus welchem das neue Deutsche Kaiserreich hervorging, als Vierundachtzigjähriger verkündete er jene Botschaft, welche der großen, alle Völker bewegenden soꝛialen Frage der Gegenwart die Richtung und das Ziel anwies, und als Achtundachtzigjähriger hat er es noch erreicht, daß dasselbe Geschlecht, welches die Grundsteinlegung des deutschen Nationalstaatẽ zrlebte, auch noch Zeuge des Akts wurde, der die Krönung dieses Gebäudes bedeutet, die Aufhissung der deutschen Flagge an fernen Gestaden.

Mit ehernem Schritt ist König Wilhelm durch die Weltgeschichte gegangen, über die Trümmer der Vergangenheit hinwegschreitend zu ungeahnter großer Zukunft, bewundert, und gefürchtet von den Frem⸗ den, geehrt und geliebt von den Seinen. Bei allem Wechsel der Dinge und nach allen noch so schmerzlichen Erfahrungen denn auch folche blieben dem Kaifer und König Wilhelm nicht erspart, wir erinnern nur noch an die Attentate, die auf ihn ausgeführt wur— den ist er sich doch immer gleich geblieben. Nicht blos in seiner freundlichen Milde, seiner Herzensgüte, geinz Demuth und Beschei⸗ denheit, womit er alles Verdienst von sich ablehnt und die Verdienste Anderer dankbar anerkennt; nicht blos in der Frische und Rüstigkeit des Leibes und der Seele, sondern vor Allem in der Bethätigung aller wahren Herrschertugenden und in der nimmer ruhenden hin⸗ gebungsvollen Pflichterfüllung, deren Wahlspruch das Wort feines AUhnherrn, Friedrichs des Großen, ist: „Ich bin der erste Diener des Staates!“ Willensstark. ausdauernd, energisch, dabei im, Glücke maßvoll, des möglichen Umschwunges der Dinge stets gewärtig, ist er ohne verletzenden Uebermuth und von seltener Liebenswürdigkeit im persönlichen Verkehr. Er hat sich seinen Platz verdient durch die strenge Arbeit seines ganzen Lebens und wird mit Recht als ein Musterbild der ächten, gediegenen Mannestüchtigkeit bezeichnet, als ein leuchtendes Beispiel dafür, daß nicht Talent allein, sondern dieses vereint mit ebenso edlem, als festem Charakter den von Gott aus— erlesenen Monarchen kennzeichnen.

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ ver—⸗ oͤffentlicht einen Auszug aus dem Jahresbericht der Handels— kammer zu Bremen für 1885. In demselben heißt es:

. Sind sonach die Ergebnisse des bremischen Handels im Wesentlichen als sehr unerfreuliche zu bezeichnen, so hat andererseits das Berichtsjahr zwei für Bremens Handel und Schiffahrt hoch— wichtige Vorgänge aufzuweisen; wir meinen den mit dem Reichsgesetze vom 31. März v. J. herbeigeführten Austrag der Zollanschlußfrage und die auf Grund des Reichsgesetzes vom 6. April v. J. getroffene Entscheidung in Sachen der Postdampfschiffsverbindungen mit Ost— Asien und Australien. Ist, mit der bezüglich der ersteren getroffenen Entscheidung wieder eine feste. Grundlage für die Fortentwickelung der Bremischen Verkehrs-Einrichtungen geschaffen worden, so ist der Ausgang, welchen die Ver⸗ handlungen betreffs der Postdampfschiffsverbindungen mit Ost-Asien und Australien genommen haben, von kaum minderer Wichtigkeit für die Zukunft des Bremischen Handels. Wie die Handelskammer sich der Hoffnung hingiebt, daß sich die Voraussetzungen, unter welchen der Reichskanzler die Errichtung der genannten Verbindungen dem „Norddeutschen Lloyd“ in Bremen übertragen hat, in vollem Maße erfüllen mögen, kann sie gleichzeitig an den Bremischen Handelsstand nur die ernste Aufforderung richten, von der sich ihm mit Schaf— fung dieser Verbindungen darbietenden Gelegenheit, seine Handels— beziehungen auszudehnen und zu befestigen, in thatkräftiger Weise Ge— brauch zu machen

i

Das „Frankfurter Gewerbe- und Handels— blatt“ sagt in einem Rückblick beim Jahreswechsel:

Das Jahrfünft. welches am 31. Dezember 1885 abläuft, war für die deutsche Nation, insbesondere für die arbeitenden Klassen derselben von hoher Bedeutung. Früher war es das Sehnen nach einem einigen Deutschen Reiche, das alle Patrioten erfüllte, und als dies nach großen, schweren Kämpfen und im Einverständniß von Fürsten und Volksvertcetern aufgebaut worden, wuchs das Sehnen nach Schlichtung von Parteikämpfen, nach Ruhe und Frieden im Innern des ganzen deutschen Vaterlandes. Nach den blutigen, kriegerischen Arbeiten wurde dann der friedliche Ausbau der neuen Reichsinstitutionen von allen Seiten mit Ernst und Eifer in Angriff genommen. Und so wurde dem deutschen Volke neben der politischen auch die wirthschaftliche Einheit und Freiheit. Eine Reihe der wich— tigsten Gesetze befreite die Arbeit von dem Zwang des Zunft- und Konzessionswesens, gewährte dem Arbeiter die freie Bewegung von Ort zu Ort, sicherte das Geld⸗ und Münzwesen, erleichterte den Brief- und Güterverkehr und suchte die Selbstverwaltung ebensowohl in größeren wie auch in kleineren Bezirken anzubahnen.

Nicht minder wichtig ist die Einigung des Rechtslebens. Mit dem 1. Januar 1872 trat im Umfange des ganzen Bundesgebiets das deutsche Strafgesetzbuch in Kraft, und das Jahr 1876 brachte die An—⸗ nahme der neuen Justizgesetze, welche mit dem 1. Oktober 1879, gleich⸗ zeitig mit der Einweihung des deutschen Reichsgerichts in Kraft ge— treten sind. Der amtliche Verkehr und das Geschäftsleben der Pri— vaten wurbe dadurch von zahllosen Hemmnissen, welche die Verschie— denartigkeit der vormaligen Rechtszustände im Gefolge hatte, befreit und dem gewaltigen und erhabenen Neubau unseres nationalen Lebens war ein neuer und fester Eckstein eingefügt worden.

Aber nicht genug damit. Unser hoher Kaiserlicher Herr wollte kein halbgethanes Werk. Seine Worte: Unsere Kaiferlichen Pflichten gebieten Üns, kein in Unserer Macht stehendes Mittel zu versäumen, um die Besserung der Lage der Arbeiter und den Frieden der Berufs— klassen unter einander zu fördern, so lange Gott Uns Frist giebt zu wirken‘, beweisen, welch edles und fuͤrforgendes Herz in der Brust unseres treuen Heldenkaifers schlägt.

»Kein Mittel soll versäumt werden, eine Verbesserung der allgemeinen Lage der arbeitenden Klassen herbeizuführen!“ Und hierher gehören die großen Gesetzeserlasse dieses verflossenen Jahrfünftes; in ihnen dokumentirt sich die weitgehendste Fürforge des greisen Fürsten für sein Volk. Damit die Arbeiterfamilien in Zeiten der Krankheit ihrer Ernährer ausreichende Unterstützung erhalten, damit nicht mehr durch. Jrankheit derselben alle Ersparnisse, die häusliche Einrichtung, Arbeitsgeräth und Kleidungsstücke für Pflege und den nothdürftigsten Unterhalt der Familien geopfert zu werden brauchen, dafür sorgt heute das Reichsgesetz vom 15. Juni 1883, „die Krankenversicherung der Arbeiter“ betreffend, in segensreichster Weise. Um aber auch den⸗ jenigen Arbeiter, welcher durch Unfälle in feinem Berufe in vorüber— gehende oder dauernde Arbeitsunfähigkeit verfetzt worden ist, vor Ent— behrungen und Noth und Elend sicher zu stellen, machte sich ein

weiterer, ebenso wichtiger Gesetzeserlaß, als der vorgenannte, nöthig. So trat denn neben dem Gesetz vom 15. Juni 1883 das Gesetz vom 6. Juli 1884, „die Unfallversicherung der Arbeiter“ betreffend, in Kraft, beide sich gegenseitig ergänzend. ö ;

Selten wohl sind einer Natien in so kurzer Zeit so gewaltige wirthschaftliche und sozigle Reformen gegeben worden, als der deutschen, nirgends sind ähnliche Reformen so plötzlich und durchgreifend auf⸗ getreten, als bei uns. Aber leicht erworbene Rechte und Freiheiten werden fast auch ebenso leicht gemißbraucht, und deshalb bedarf es einer großen Geduld und Arbeit, sowohl von oben herab, als auch von unten herauf, um das Gesammtvolk für die ihm zugewiesenen Gaben und Aufgaben vollkommen tüchtig zu machen. Und hieraus entsteht für Alle eine neue Pflicht. Nicht blos dem leiblichen Noth— stande muß begegnet werden, viel höher steht die Bekämpfung des sittlichen Nothstandes, in welchen unser deutsches Vaterland, trotz aller gegentheiliger Behauptungen der Optimisten, gerathen ist. All⸗ seitig bessere Gesinnung, Emporhebung der Massen zu höherer Bildung und Wohlfahrt und vor allem versöhnende Liebe und Geduld können hier zum Ziele führen, zum „Frieden auf Erden.“ ...

Der „Ledermarkt“ schreibt:

Waren auch die direkten finanziellen Ergebnisse kaum mäßigen Ansprüchen genügend, so darf erfreulicherweise doch eine Steigerung in der Leistungsfähigkeit unserer Industrie, ein Fortschritt in deren Vervollkommnung konstatirt werden. Die deutsche Leder⸗ industrie nimmt heute unter allen rivalisirenden Staaten den ersten Rang ein; sie wird in keiner Spezialität mehr von der ausländischen Konkurrenz übertroffen. Sie kann, gestützt auf ihre Tüchtigkeit, selbst— bewußt auftreten und, unbeschadet der momentan schwierigen Ge— schäftslage, rüstig weiter arbeiten an dem Ausbau ihrer Werke, an der Konsolidirung ihrer Unternehmungen. Deßhalb gingen auch die Lederindustriellen freudig daran, als es in diesem Jahre galt, das begonnene Werk der Unfallversicherung zu vollenden und in die Praxis zu übertragen; sie unterziehen sich opferwillig den finanziellen und Arbeitsleistungen, um fuͤr das Wohl ihrer Arbeiter zu sorgen. Die für die Unfallversicherung geschaffene „Lederindustrie⸗Berufsgenossen— schaft“ ist eine Vereinigung, welche das ganze Gewerbe umfaßt und es durch das Band der Einigkeit mächtig nach Außen und zielbewußt in seinem Wirken gestalten wird. Die Aufgaben, welche dieser Ge— nossenschaft bevorstehen, sind groß; ihre Erfüllung wird dem Fache zum Heile gereichen!

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die „Chemiker-Zeitung“ veröftentlicht eine von dem Heraus— geber derselben, Dr. G. Krause in Cöthen, dem Reichskanzler über— sandte Petition, betreffend Einführung eines Staatsexamens für Chemiker.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

ö Nach weisung der in der Zeit vom 1. August 1884 bis 31. J im preußischen Staate ausgegebenen Jagd f

uli 1885 cheine.

Zahl der gegen unentgelt. Zu⸗ D ausgegebenen Jagd— scheine.

Bezeichnung

des Verwaltungsbezirks. sammen.

Laufende Nr.

Regierungsbezirk Königsberg 5695 388 / ö Gumbinnen. 4879 262 . mig 126 26

ö Marien⸗ ͤ . we 14 94 Polizei⸗Präsidialbezirk Berlin. 2131 J z Regierungsbezirk Potsdam 507 477 / Frankfurt 61 303 Gitettin 3 36 is6 Köslin 3984 142 Stralsund 57 114 JJ 199 Bromberg 161 . 313 296 68674 173 6 881 8 5166 294 5460 Magdeburg. 48. 1699 3652 Mer ebnng . 33 1 5 Grfunt. . ö . Schleswig 113665 12 11155 Hannover 1997 1997 Hildesheim. 2286 2286 Lüneburg 3160 3160 Stade 1955 1955 Osnabrück 2339 2339 Aurich. 1508 1509 Münster . 6 667 6 686 Minden. 3109 3206 Arnsberg 6701 6821 Kassel . 3534 3 844 Wiesbaden 3969 4314 Koblenz. 3798 3 964 Düsseldorf 7 584 7664 Köln . 4129 74 4203 Trier. 3189 244 3433 Aachen 3165 46 521 Sigmaringen 359 45 404

Wiederholung. Provinz Ostpreußen. Westpreußen . Brandenburg. Pommern Posen. Schlesienn .. . Schleswig⸗-Holstein . Hannover Westfalen essen⸗Nassau. Rheinprovinz .. Hohenzollernsche

2 D 8

1 18

11504 6900 2132

16048 8894 9459

19949

20 844

10 854 650 6 245 65h 2131 1

15 268 780 8 452 442 9090 360

19186 7163

20 470 374

11365 1233 11488

13 245 1 13 246

16477 236 16713 7503 655 8158

21 865 610 22 475

̃ zusammen 1883/ñ 84 sind ausgegeben

162 510 5 695 168 205 1659 151 5772 164923

mithin pro 1884/85 mehr. weniger

ͤ nn, 359 45 404 . 4

3 359 3282

Gewerbe und Handel.

Im Königreich Württemberg sind nach den amtlichen Mit—⸗ theilungen aus den Jahresberichten der Fabrikeninspektoren 1884 (Berlin, Fr. Kortkampf) im Neckar-, Jagst- und Dongu— kreise einige neue Fabriken entstanden und manche haben ihre Ein— richtungen erweitert. Arbeiterentlassungen merklichen Umfanges haben nur in Folge von eingetretenen Konkursen stattgefunden. Zu den bis⸗ her betriebenen Maschinen⸗-Ziegeleien sind zwei weitere n gen g. kommen, die, für den Versandt ihrer Fabrikate günstig gelegen, ihre Fabrikate weithin mit der Bahn verschicken und die zerstreut im Conde liegenden alten Handziegeleien mit Holzbetrieb zum Erlöschen bringen. Die Glas⸗Fabrikation hat in einem günstig gelegenen und rationell betriebenen Unternehmen, das sich auf Spezialitäten geworfen

hat, an Umfang wesentlich zugenommen. Während auf den fiskalischen Eisenhütten⸗Betrieb der Mangel an mineralischem Brennstoff mehr und mehr ungünstig einwirkt, ker die Verarbeitung von edlen Metallen und solchen der verschiedensten Legirungen an Umfang stetig zu⸗ genommen und verschiedene Anlagen haben ihre Einrichtungen er⸗ weitert. Es läßt sich dies besonders von solchen sagen, welche mit ihren Erzeugnissen voranschreiten, Neues bringen und denen die erforder⸗ lichen Kapitalien für Betriebserweiterungen zur Verfügung stehen. Die zahlreichen Maschinen⸗Fabriken waren mit Ausnahme derjenigen, welche für den Eisenbahnbedarf arbeiten, mit Aufträgen wohl ver— sehen, so daß da und dort die regelmäßige Arbeitszeit verlängert werden mußte, so namentlich beim Bau von Rundstrick-Maschinen, Walzenstühlen für Getreidemühlen und hydraulischen Motoren. Die Trockenheit des letzten Jahres hat manchen Wasserwerksbesitzer ver— anlaßt, seine Wassertriebwerke durch neue, allen Anforderungen mehr genügende, zu ersetzen, oder seine Betriebsanlage durch eine Dampf— anlage zu ergänzen. Die Uhren⸗-Fabrikation nimmt, soweit sie Groß⸗ betrieb ist, an Umfang zu. Eine Klavier-Fabrik hat eine . Erweiterung erfahren. Eine zweite Cellulose⸗Fabrik nach dem System Mitscherlich ist in Betrieb gesetzt worden und eine weitere, nach einem anderen System arbeitende im Bau begriffen. In der Textil-Industrie sind einige wesentliche Veränderungen zu verzeichnen. Eine bedeutende Seidenhaspelei, welche Webseide bearbeitet, gerieth in Konkurs; sie konnte gegenüber der italienischen Konkurrenz nicht bestehen und kam zum Stillstand. Ferner hat eine bedeutende Handweberei für Baum⸗— wolldecken ihren Betrieb eingestellt. Die früher sehr blühenden Ab— werg⸗Spinnereien acbeiteten in den letzten Jahren nicht mehr mit Vutzen; die bedeutendste derselben hat sich auf die Verarbeitung von Jute gelegt und dementsprechend ihre Einrichtungen verändert. Die berühmte Leinenbleiche in Blaubeuren hat sich nach Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft durch Einrichtung einer Leinengarn-Bleicherei wesentlich erweitert. Die Kammgarn-Spinnereien des Landes haben ihre Betriebseinrichtungen wesentlich vermehrt, Streichgarn- und Tuchfabriken dagegen kämpfen um ihre Existen; theils wegen der Konkurrenz größerer Fabriken der Nachbarstaaten, theils in Folge des Wechsels der Mode. Letztere hat sich den ge— strickten Wollstoffen zugewendet. Während die Trikot-Fabrikate bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich nur für Unterkleider Ver— wendung fanden, werden dieselben nun auch in den mannigfaltigsten Arten für Damen- und Herren-Kleidungsstücke hergestellt und mit Vorliebe getragen. Es ist hier eine Konkurrenz zwischen gewobenen und gestrickten Fabrikaten eingetreten, von der man früher keine Ahnung hatte; damit hängt auch der Aufschwung der Rundstuhl— Fabrikation und der Kammgarn-Spinnerei zusammen. Verschiedene Industrielle des Landes haben sich in Folge der Erhöhung der Zölle der Nachbarstaaten veranlaßt gesehen, in diesen Ländern Zweig— anstalten zu errichten, so besonders in der Schweiz, Italien und Oesterreich. Die wirthschaftliche Lage der Fabrikarbeiter ist günstiger als die der Kleingewerbe, Landwirthschaft und Weinbau treibenden Bevölkerung. Wo eine Fabrik entsteht, fehlt es auch nicht an Zuzug von Arbeitern aus rein landbautreibenden Gegenden. Unternehmer, deren Anlagen etwas abseits liegen, und besonders solche, welche weib— lichen Arbeitskräften einen lohnenden Verdienst zu gewähren im Stande sind, erhalten nicht mehr Arbeitsgesuche als sie verwenden können. Die Zahl der Gewerbetreibenden in den zerstreut im Lande umher liegenden Städtchen, welche meistens durch die Eisenbahn an Be— deutung verloren haben, ist gegenüber der Gelegenheit zum Verdienst eine zu große; hieraus erklären sich auch die schlimmen Erscheinungen bei Submissionen und die gegen solche vorgebrachten Beschwerden. Die Zahl der jugendlichen Arbeiter beträgt 4686, darunter 2393 männliche und 2293 weibliche von 14 bis 16 Jahren und 171 Kinder von 12 bis 14 Jahren. Die Zahl der jugendlichen Arbeiter in der Textil-Industrie ist im Zunehmen begriffen.

Die Zahl der Fabriken des Schwarzwaldkreises beträgt 252. Es ergiebt sich gegen das Vorjahr eine Zunahme von 43, die wesentlich davon herrührt, daß in diesem Jahre eine Anzahl von Betrieben, welche bisher nicht als Fabriken betrachtet wurden, unter die letzteren aufgenommen worden ist. Die Zahl der darin beschäftigten Arbeiter beträgt 13331, nur 180 mehr als im Jahre 1883. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, daß eine große Gewehr- und Waffenfabrik im Berichtsjahre nur einen Arbeiterstand von 300 aufweist, während sie im Jahre 1883 einen solchen von 1044 hatte.

Die Lage der Industrie kann allgemein als eine befriedigende be— zeichnet werden; ihre Charakteristit lautet beinahe übereinstimmend: Genügend Arbeit, aber schlechte Preise. Eingegangen sind, soviel bekannt geworden, nur zwei Fabriken, nämlich eine mechanische Piqué— weberei und eine Bandweberei, welche beide wegen mangelnden Er— trages aufgegeben worden sind. In schwachem Betriebe befand sich eine Anzahl Wollspinnereien und Tuch- (Buckskin⸗ Fabriken. Das Tuchmachergewerbe geht mit jedem Jahr zurück und gewährt daher auch den darauf beruhenden Wollspinnereien keine ausreichende Be— schäftigung mehr. Die Handwebestühle werden mehr und mehr durch die mechanischen verdrängt. Die Fabriken und die Weber, welche Flanelle erzeugen, haben wenn auch bei bescheidenem Gewinn vollauf zu thun; in einer Stadt des Schwarzwaldes arbeiten etwa 36 Tuchmacher, welche von 3 bis zu 7 Gesellen beschäftigen, beinahe ausschließlich auf Flanelle. Diese Inbustrie giebt mehreren nicht un— bedeutenden Wollspinnereien in der Nähe regelmäßige und lohnende Beschäftigung.

Einen bedeutenden Aufschwung hat die Trikotwaaren- und die Strickwaaren-Fabrikation genommen, hervorgerufen durch die Jäger'sche Wollkleidung und die Vorliebe der Mode für Trikotstoffe. Die Ausfuhr von diesen Artikeln ist eine ganz erhebliche. Mit diesem Aufschwung hängt direkt zusammen die Errichtung einer Strick— maschinen⸗ und einer Nadelfabrik, sowie der gute Geschäftsgang einer Rundstuhlfabrik. Ein großer Theil der Trikot- und Strickwaaren wird in der Hausindustrie hergestellt; in einigen Orten auf der Alb trifft man so ziemlich in jedem Hause einen oder einige Rundstühle, auch, die Strickmaschinen finden eine immer größere Verbreitung. Gleichwohl scheinen namentlich die Trikotwagren in der neuesten Zeit mehr und mehr Gegenstand der Fabrikinzustrie zu werden; die Driller, d. h. die Trikotweber, welche ihren Rundstuhl mit der Hand treiben, können mit der Maschinenarbeit nur noch dadurch konkurrirxen, daß sie außerordentlich bescheidene Ansprüche auf Verdienst machen. Eine große Trikotweberei, in welcher bisher mit der Hand gearbeitet wurde ist in diesem Jahre zum Maschinenbetrieb übergegangen. Auch eine Rundstuhlfabrik hat den Betrieb der Nähmaschinen maschinell eingerichtet: statt 700 Stichen in der Minute, wie beim Handbetrieb, machen die Maschinen deren 3000. ;

Neu entstanden sind zwei Strickwaarenfabriken, die zusammen über 100 Arbeiterinnen beschäftigen, und eine Baumwollspinnerei mit 17000 Spindeln. Zwei Sammt- und Manchesterfabriken haben eine erhebliche Vergrößerung und Erweiterung erfahren; für eine Jacquard— weberei ist ein stattlicher Neubau errichtet worden, und eine Flachs— spinnerei hat zur besseren Ausnutzung ihrer Wasserkraft und zur Er— weiterung ihres Umsatzes versuchsweise eine Anzahl mechanischer Web— stühle aufgestellt. Von neu errichteten Fabriken sind weiter zu nennen: eine Drahtwaarenfabrik und eine Kunstmühle. Vergrößert wurden drei Maschinenfabriken und einig Holzwaarenfabriken.

Die an einigen Orten der Alb als Hausindustrie für Schweizer Firmen betriebenen Hand- (Mousselin-) Stickerei geht mit jedem Jahr zurück, die Löhne der Mädchen stellen sich dabei auf nicht über 46 bis 45 täglich.

Die Motoren, Wasserräder, Turbinen, Dampfmaschinen sind vielfach umgebaut oder durch neue ersetzt worden. Die möglichst voll— ständige Ausnutzung der Betriebskraft, die möglichste Sparsamkeit im Kohlen, und Dampfverbrauch ist der nächstliegende und natürlichste Weg, die Betriebskosten zu vermindern und konkurrenzfähig zu bleiben. . Der überwiegende Theil der Arbeiter gehört der seßhaften länd— lichen Bevölkerung an, eigentliche Fabrikbevölkerung findet sich nur in wenigen Städten und auch da in verhältnißmäßig geringer Zahl. Da etwa 69 o sämmtlicher Arbeiter in der Textil- und Papierindustrie beschäftigt sind, welche Betriebe die Verwendung jugendlicher und weiblicher Arbeiter in weitem Umfang gestatten, fo ist in den in— dustriellen Gegenden reichlich Gelegenheit zu Verdienst geboten.