1886 / 6 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 07 Jan 1886 18:00:01 GMT) scan diff

ertheilt hatte, am 3. Januar Sr. Majestät dem König von Preußen bei Anlaß seines jünfundzwanzig jährigen Regierungs⸗Jubiläums seine Glückwünsche darzu⸗ bringen. Der Kaiserlich deutsche Geschäftsträger, von Bülow, stattete hierfür am 4 d. dem Bundespräsidenten Deucher den Dank des Königs Wilhelm ab. Die Ratifikationen des Münzvertrages vom 6. November und des Zusatz— vertrages vom 12. Dezember v. J. sind am 30. Dezember in Paris ausgetauscht worden.

Großbritannien und Irland. London, 5. Januar. (Allg. Corr.) Eine heute veröffentlichte zweite Mittheilung von Sir James Stephen über die irische Frage bildet den Gegenstand eines Artikels in der Times.“ Das Blatt hält dafür, daß Niemand, der nicht enrschlossen sei, gegen Argumente und Beweise taub zu sein zweifeln könne, daß ein unabhängiges irisches Parlament die Herstellung einer feindseligen Nation innerhalb einer kurzen Entfernung von der englischen Westküste bedeuten würde. Dann fährt die „Times“ fort: „Es ist wahr, daß viele englische Politiker unbedachtsam erklärt haben, sie würden niemals wieder für „Zwangsgewalten“ stimmen, und diese mögen vor dem Vorschlage zur Erneuerung der wesentlichen Theile der Zwangsakte, insbesondere wenn nach dem irischen Votum geangelt wird, zurückbeben. Aber Sir James Stephens Argument ist überwältigend. „Das ganze Zwangs— gesetz“ sagte er —, „welches Jedermann den Irländern aufzuerlegen wünscht, ist die Zwangsmaßregel, die Leute nicht zu morden, zu verwunden, zu plündern, oder die Ausübung des gemeinen Rechts zu verhindern.“ Wenn ein solcher Zwang nicht besteht, und er hat aufgehört in Irland zu bestehen, seitdem man die Zwangsakte verfallen ließ, dann verschwindet die Civilisation, und es entsteht der Fall, wie Lord Inchiquin ironisch bemerkt, wo es die Pflicht Ihrer Majestät Regierung wird, eine Proklamation zu erlassen, welche einer Tyrannei ein Ende setzt, die skandalöser ist als die Thibo's, und über Irland, wie über Birma, die Un— parteilichkeit und Sicherheit der britischen Herrschaft auszu— dehnen.“

J. Januar. (W. T. B.) Der serbische Gesandte Staatsrath Mijatovic, ist heute früh nach Belgrad ab— gereist.

Aus der Kapstadt liegen die nachstehenden Postnach— richten vom 16. Dezember vor:

Nach einer ausgedehnten Tour durch die Kolonie Betschuana— land und den Freistaat ist der Gouverneur nach der Kapstadt zurückgekehrt. Im Verlauf einer Rede, die der Premier— minister, F. Upington, in einer öffentlichen Versammlung in Grahamstown in der vorigen Woche hielt, sagte derselbe, daß an der Grenze ein Versuch gemacht worden sei, die Ein— geborenen aufzuwiegeln, und zwar mit der Absicht, daß dies in England bekannt und die Regierung in Mißkredit gebracht werde. Das Ministerium habe indeß nicht die Absicht, die Eingeborenen zu bekriegen. Hätte es dies thun wollen, dann konnten die jüngsten Be— leidigungen als Vorwand benutzt und mit den Pondos Vexein— barungen getroffen werden, aber das Ministerium sei entschlessen, jeden Eingeborenenkrieg zu vermeiden.

Die gestrige Rede des Vize-Königs von Indien in der Sitzung des gesetzgebenden Raths in Kalkutta (s. u.) findet Seitens der „Times“ hohe Würdigung. Das Cityblatt sagt u. A 37

„»Der Hauptzweck der Rede des Vize⸗Königs wurde erreicht, als er klar und eindrucksvoll die feste Politik der indischen Regierung erläutert, und die ausnahmsweisen Ausgaben durch die überwiegende Wichtigkeit ihrer Ziele gerechtfertigt hakte. Er berührte auch kurz die Annexion von Birma als eine Ausdehnung unserer Verantwortlichkeiten, die unvermeidlich und dringend geworden sei. Die indische Eingeborenen⸗ Presse fertigte Lord Dufferin mit der Bemerkung ab, daß sie über die Gründe und Zwecke der Annexion nicht gut unterrichtet sei. Wenn nicht alle billigen Erwartungen schwer getäuscht werden, müssen die kommerziellen Vortheile der Aufschließung Birmas in nicht geringem Grade den thätigeren und aufgeklärteren Eingeborenen Indiens zu gut kommen. Lord Dufferin bewies seine klare Ansicht von der Wichtigkeit des finanziellen Aspekts der indischen Regierung, indem er die Niedersetzung einer starken Kommission zur Revision sämmtlicher Ausgaben ankündigte. Er versprach, daß sie so zusammengesetzt werden solle, um keinen möglichen Zweifel darüber zurückzulassen, daß die Regierung entschlossen ist, die ihr vorliegende Aufgabe durchgreifend, gewissenhaft und wirkungs— voll zu erfüllen. Es darf erwartet werden, daß eine derartige Kom— mission beträchtliche Ersparnisse erzielen werde; aber selbst wenn sie dies zu thun ermangeln sollte, wird sie den Gemüthern unserer indi— schen Unterthanen und Tributpflichtigen die Ueberzeugung liefern, daß, . welche Bürden wir auferlegen, dieselben durch die harte

othwendigkeit diktirt werden und das allerkleinste Opfer bilden, für welches Indien sich der unschätzbaren Segnungen der Ruhe, Sicher— heit und des ordnungsmäßigen Fortschritts auf dem Pfade moralischen und materiellen Gedeihens erfreuen kann.“

Kalkutta, 4. Januar. (Allg. Corr.) In der heutigen Sitzung des gesetzgebenden Raths kündigte der Finanz— Minister, Sir A. Colvin, die Einbringung eines Entwurfs an, welcher die Auferlegung einer Einkommensteuer von 2 Proz. oder, richtiger, die Ausdehnung der bestehenden Gewerbesteuer auf das Einkommen von Berufspersonen und Beamten, die bisher hiervon befreit waren, verfügt. Sir Auckland erläuterte: das neue Gesetz würde auf Einkommen im Betrage von unter 500 Rupien (1000 ½ R) nicht in Anwendung kommen. Der Vize-König erklärte im Laufe einiger Bemerkungen über den Vorschlag, daß er die Verantwortlichkeit für die Maßregel übernehme. Die finanzielle Gerechtigkeit erheische . Auferlegung einer Ein⸗ kommensteuer, und überdies habe kein anderer Weg offengestanden. Zu einer Erhöhung der Salzsteuer würde die Regierung nur im äußersten Nothfall schreiten. Das Desizit, im Betrage von

2000000 Pfd. Sterl., wurde durch die infolge der russischen

Panik nothwendig gewordenen Rüstungen, die Silberentwerthung, die Ausgaben für die Bolan-Eisenbahn und die Expedition nach Birma verursacht. Lord Dufferin erklärte ferner, daß das künftige Regierungssystem in Birma erst entwickelt werden könne, nachdem er das Land persönlich besucht habe. Ueber die neue Stellung Indiens zu der europäischen poli— tischen Welt sagte der Vize⸗König: Die Ausdehnung des poli— tischen Einflusses und der Verantwortlichkeiten Indiens habe dieses jetzt in direkte Berührung mit einer der größten Mi— litärmächte gebracht. Er setze Vertrauen in die Weisheit und die friedlichen Absichten des Czaren und dessen Regierung. Auch glaube er, daß der Emir mit den Engländern ehrlich zu handeln wünsche. Aber England sei mit dem Emir Ab⸗ machungen eingegangen, die, so lange er treu bleibe, England zwingen würden, jedwede Verletzung seines Gebiets zu ahnden. Kollisionen zwischen Nationen hingen eben so oft von Zufällen ab wie von einer fixirten Politik. Nur der Anwesenheit des Emirs in dem vizeköniglichen Lager in Rawul Pindi sei es zu danken gewesen, daß der ,, ,. nicht die Gefahr eines großen Krieges heraufbeschworen habe. Der

Vizekönig fügte hinzu. „Wir würden die Lehren der Ver⸗ gangenheit vernachlässigen und an unserer klaren Pflicht in der Gegenwart Verräther sein, wenn wir nicht die Grenze in einen angemessenen Vertheidigungszustand versetzten. Wir müssen die Thore gegen jeden Kommenden und gegen jede Gefahr des Eindringens von außen absperren.“

Frankreich. Paris, 4. Januar. (Fr. C.) Die, Justice“ dementirt aufs Entschiedenste alle Gerüchte, nach denen Hr. de Freycinet durch die Haltung Clämenceau's bewogen worden wäre, von der Bildung des neuen Cabinets ab⸗ zustehen. Sie giebt zu, daß zwischen dem bisherigen Minister des Aeußern und ihrem politischen Direktor Unter⸗ redungen stattgefunden haben, stellt jedoch in Abrede, daß Clsmenceau die ihm zugeschriebenen schroffen Forde⸗ rungen formulirt hätte. Der Dep. Camille Pelletan kommt im Leitartikel des Blatts auf die Kabinetskrise und seine gestrigen Betrachtungen darüber zurück und betont nochmals: die Radikalen wären gewillt, de Freycinet zu unterstützen, wenn er ö zu den dringendsten Reformen schreiten und 2) die Opportunisten, die übrigens nicht genannt werden, ausschließen wollte. Was die Reformen betrifft, so würde man ihm die Wahl zwischen den fünf oder sechs wesentlichsten lassen; daran, daß man ihm die eine oder andere als eine conditio sine qua non hätte aufzwingen wollen, sei hingegen kein wahres Wort.

Die „République fran çaise“ verlangt diesen Aus— lassungen der „Justice“ gegenüber, daß aller Personenhader beseitigt und allem Mißtrauen Schweigen geboten werde. Dann schließt sie: „Die int ransigente Partei hat in den letzten Jahren den Sturz der verschiedenen republikanischen Ka— binette veranlaßt; sie hat sich immer geneigt gezeigt, mit der Rechten gemeinsame Sache zu machen und das Exekurions— Peloton zu bilden; sie allein, nur sie verhindert die Bildung eines Ministeriums, in dem sich alle gonver— nementalen Kräfte aussöhnen und sammeln. Hr. Clé— menceau hält sich für den Mann der Situation. Wir wollen annehmen, sein Ehrgeiz beschränke sich nicht darauf, den Gang der republikanischen Ministerien nach einander zu hemmen und so den Monarchisten in die Hände zu arbeiten. Nachdem er gewissenhaft gezischt hat, wird er beweisen wollen, daß er singen kann. Wie gestern der „Sicle“, so verlangen auch wir heute, daß er nicht länger im Schatten bleibe, daß er sich ans Werk mache und seinen Theil Verantwortung übernehme. Er darf sich diesem Expe— riment nicht entziehen, er wird zeigen wollen, daß er seit 1870/71 jene Kaltblütigkeit und Energie erworben hat, deren der Verwaltungsmann und Mann der That bedarf.“

Der „Temps“ bringt folgende Note: „Viele Blätter veröffentlichen über die Bildung des neuen Kabinets Informationen, die wir zum Mindesten für verfrüht halten. Wir glauben zu wissen, daß noch keiner der erwähnten Namen definitiv festgestellt ist und daß die Unterhandlungen mit den verschiedenen politischen Persönlichkeiten weniger fortgeschritten sind, als man vermuthet. Man muß übrigens dem Umstande Rechnung tragen, daß die meisten Parlamentsmitglieder sich anläßlich des Neujahrsfestes in ihre Departements begeben haben, was nothgedrungen eine größere Verzögerung in den Mittheilungen zur Folge hat.“

5. Januar. Köln. Ztg.) Bestern Abend hielt die hiesige deutsche Kolonie ein Bankett zu Ehren des Deutschen Kaisers, bei welchem Graf Münster den Vorsitz einnahm und ein begeistertes Lebehoch auf den Kaiser Wilhelm ausbrachte. Eine Depesche aus Madagaskar meldet, daß der außerordentliche französische Gesandte Patrimonio in den besten Beziehungen zu den Mi— nistern der Königin steht, daß die Feindseligkeiten ein— gestellt und überall Handel und Wandel, wie ehemals, her— gestellt sind.

Türkei. Konstantinopel, 7. Januar. (W. T. B.) Der französische Botschafter, Marquis de Noailles, hat nach einer Privat-Audienz bei dem Sultan eine Urlaubs— reise angetreten.

Amerika. New⸗York, 4. Januar. (Allg. Corr.) Telegrammen aus Washington zufolge werden dort Vor— kehrungen für eine Konferenz leitender Männer von beiden Parteien bezüglich der Silber frage getroffen. Diese Ver— sammlung soll einen Ausgleichsplan formuliren, der die Zustimmung heider Parteien sowie auch des Präsidenten erhalten wird. Es ist die Idee in Vorschlag gebracht worden, daß die Prägung von Sil der-Dollars eingestellt werden soll, wenn die geprägte Anzahl 250 000 000 beträgt, und daß der Präsident eine Kommission zur Erwägung de ganzen Angelegenheit niedersetzen soll.

Afrika. Egypten. Abri, 4. Januar. Allg. Corr.) Der Feind ist noch immer auf dem Rückzuge begriffen, und auf dieser Seite von Kaibar ist nichts von ihm zu sehen. Die in dem arabischen Lager aufgefundenen Listen er— geben, baß die Rebellen nahezu 110600 Mann stark waren.

Zeitungsstimmen.

Die „Post“ äußert über ihre Wirksamkeit:

. Wir haben uns nicht irre machen lassen, sondern mit immer gleicher Stetigkeit und Energie das Ziel verfolgt, alle nationalen, ge⸗ mäßigten zu positivem Schaffen auf dem Boden der Kaiserlichen Böot— schaft bereiten Elemente fest zusammen zu schließen und so, wenn auch keineswegs zu einer Partei, so doch zu einer enheitlichen Partei⸗ gruppe herauszubilden, welche in der Gegenwart der deutsch⸗natio— nalen Politik Bismarcks gegenüber der buntscheckigen Reichstags— mehrheit eine feste Stütze, für die Zukunft aber die Grundlage einer nationalen Mehrheit zu bilden geeignet wäre. Jenes um die vorige Jahreswende so lebhafte Aufwallen des Nationalgefühls nicht wie Strohfeuer nutzlos verglühen zu lassen, sondern es zu benutzen, um alle national gesinnten Elemente fest zusammenschweißen und in ihrer Vereinigung dem Nationalbewußtsein eine sichere Stätte, dem Reichsgedanken eine feste Stütze schaffen zu helfen, war im ver⸗ gangenen Jahre unsere Aufgabe; die Wahlen zum preußischen Abge⸗ ordnetenhause und mehr noch die Vorgänge seit der Eröffnung des Reichstages beweisen, daß dieses Ziel in hohem Maße erreicht, der Einfluß, welcher mit aller Macht der Verständigung der nationalen Elemente entgegenstrebte und noch im Laufe des Sommers planmäßig auf deren Verhetzung ausging, gebrochen ist. Nationalliberale und Deutschkonservatire nähern sich mehr und mehr der Mittellinie, auf welcher wir uns unentwegt halten. . . .

Die „Danziger Allgemeine Zeitung“ schreibt über den Danziger Schiffsverkehr im Jahre 1885:

Die Statistik der in Danzig eingekommenen und ausgegangenen Schiffe nebst Nachweisung der von hier aus seewärts expedirten Waaren ergiebt neue schlagende Beweise dafür, daß die Behauptung der Herren Rickert, Steffens ꝛc. von der vernichtenden Wickung der

nationalen Wirthschaftspolitik auf den Handel Danzigs jeder reellen Grundlage entbehrt.

Wie bereits mitgetheilt, sind im verflossenen Jahre 1821 See⸗ schiffe, enthaltend 785 412 t, eingekommen und 1824 Seeschiffe, ent⸗ haltend 772 502 t, ausgegangen. Diese Ziffern stehen hoch über dem Durchschnitt der vorhergegangenen zehn Jahre, denn in dem Zeitraum von 1875 bis 1884 betrug der Tonnengehalt der eingekommenen Schiffe durchschnittlich pro Jahr nur 670 553 und der der aus— gegangenen Schiffe nur 672326 t.

Interessanter noch ist ein Vergleich des Ergebnisses der Statistik des vorigen Jahres mit den Durchschnittsziffern der Freihandelsperiode. Wir sind in der Lage, die Danziger Handelsverkehrsstatistik an der Hand der Jahresberichte des Vorsteheramts unserer Kaufmannschaft bis zum Jahre 1874 zurückzuverfolgen. 1879, das Jahr der Ein⸗ führung des neuen Zolltarifs, lassen wir außer Betracht. In den vorhergegangenen fünf Jahren 1874 1878 inkl. kamen durchschnittlich ein 1774 Schiffe mit 571 487 t und gingen aus 1786 Schiffe mit UE 672 t. Sonach überstieg der Seeschiffsverkehr im vergangenen Jahre denjenigen, welchen das letzte Lustrum vor Einführung des Zolltarifs durchschnittlich pro Jahr aufzuweisen hatte, um mehr als 400 000 t!

Die „Danziger Ztg.“ bemerkt zu ihrem Excerpt der in Rede stehenden Statistik:

„Um 114549 t ist die Gesammtsumme der diesjährigen Getreide— ausfuhr noch hinter derjenigen Ziffer zurückgeblieben, welche sie bereits im Jahre 1882 erreicht hatte, und gestiegen ist sie jetzt im Vergleich zu 2 überaus niedrigen Ausfuhr des Jahres 1884 nur um 75 430 t.“

Das ist allerdings richtig; die „Danziger Zeitung‘ vergißt aber zu bemerken, daß das Jahr 1882 zu den beiden besten Jahren gehört, welche der Danziger Getreidehandel überhaupt aufzuweifen hat. Ob in diesem einzelnen Zweige unseres Handels solche Ausfuhrziffern wie in 1382 und 1878 jemals wieder erreicht werden können, ist mehr als fraglich und zwar einfach aus dem Grunde, weil unser ehemals bester Absatzmarkt, England, uns infolge der Konkurrenz des indischen und amerikanischen Getreides mehr und mehr verloren geht. Der letzte Jahresbericht des Vorsteheramts unserer Kaufmannschaft sagt darüher:

Am empfindlichsten hat sich aber die Konkurrenz der billigen ame— rikanischen und indischen Getreide für uns auf unseren altgewohnten englischen Absatzmärkten fühlbar gemacht, wohin 1884 von hier nur 28 0909 t abgeladen worden sind, gegen 89 972 und 117021 t in den beiden Vorjahren.

Daß der Zoll ohne Einfluß auf unsern Getreideexport geblieben ist, geht aus folgenden Ziffern hervor:

Es wurden ausgeführt (seewärts):

im Jahre Weizen Roggen

1885 116477 t 30 461 1884 73 150 , 16220 1883 165 000 42740 1882 196000 66 000 1881 125 000 19700 1880 105 0900 15 545 1879 231 150 17 500 1878 248 133 30139 1877 196 594 9697 1876 113 656 2039 1875 143 558 3552 1874 96734 3609 1873 76 6893, 6 54 586

In den sechs Jahren nach Einführung des Zolltarifs (1880 bis 1885) betrug sonach die jährliche Ausfuhr von Weizen und Roggen zusammen im Durchschnitt 161 882: t pro Jahr, in dem gleichen Zeit— raum vor 1879 aber nur 155391 t.

Daß der Handel gegenwärtig weniger gewinnbringend ist, als früher, wollen wir nicht in Abrede stellen. Daran ist aber nicht die Zollpolitik schuld, sondern die außerordentliche Gedrücktheit der Preise, die sich bei allen Waaren in einer für den Kaufmann wie für den Produzenten sehr unliebsamen Weise bemerkbar macht. Die allgemeine Wohlfeilheit der Lebensbedürfnisse ist ja aber nach der freihändlerischen Doktrin der Inbegriff aller irdischen Glückseligkeit, während unsere neuere Wirthschaftspolitik eben dahin zu wirken sucht, daß die Preise nicht unter den Betrag der Herstellungskosten herabsinken.

Das „Deutsche Wollen-Gewerbe“ einem Rückblick auf das Jahr 1885:

Das verflossene Jahr war reich an tiefeinschneidenden Selbst— verwaltungsmaximen in der gesammten Industriewelt. Eine noth— wendige Frucht unseres Zeitalters der sozialen Fragen war das Krankenkassengesetz, welches uns gleich zu Anfang des Jahres in den Schoß gefallen war. Die hohe, unbestreitbar großartige Idee, deren kulturgeschichtlicher Nothwendigkeit sich thatsächlich nur Verblendete verschließen können, leidet, wie vorauszusehen, in ihrer praktischen Ausführung noch an manchen Kinderkrankheiten (sit venia, verbo), deren Behandlung eine recht gesunde Entwickelung und ein recht kräftiges Wachsthum voraussetzen lassen. Haben wir es hier nur mit fieberlosen akuten Erscheinungen zu thun, . .. so bietet das seit Oktober in Kraft getretene Unfallversicherungsgesetz schon mehr einen delirösen Charakter Trotzdem ist auch hier die Heilung und Gesundung ebenso gesichert, wie bei Allem, was der gesetzgeberische Geist unserer Zeit geschaffen, in richtiger Erkenntniß der Gefahren aus der Vermehrung der Existenzen. Die Thaten sind eben so groß und gewaltig, daß sie nur ein Riese wie das neu geeinte Deutsche Reich auf sich nehmen konnte; derselbe RNiese wird aber auch mit den unvermeidlichen Anfangsschwierigkeiten fertig zu werden wissen. . . Dankbar sei an dieser Stelle der eminenten Umsicht, Vertiefung und Sachkenntniß des Reichs-Versicherungsamts gedacht, welches durch seine schöpferische Lichtung und Organisation des scheinbar unentwirrbaren Chaos zur Bewunderung herausfordert. Schon jetzt stellt sich immer mehr heraus, daß beide Gesetze außer ihren beabsichtigten Vortheilen für den Arbeitnehmerstand auch den Arbeitgeber nicht höher belasten als die früheren privaten Fürsorge— anstalten zu gleichen Zwecken. Ganz besonders verspricht dies an dem Unfallversicherungsgesetz in Erfüllung zu gehen.

Außer jenen gewichtigen Umgestaltungen im „eigenen Hause“ hat die deutsche Wollenindustrie eigentliche Veränderungen an ihrer, trotz ihres Alters jugendfrischen Erscheinung aus dem Vorjahre nicht zu verzeichnen; es sei denn, daß sich ein Unsegen der schützenden Zoll— politik wiederum nicht bemerklich gemacht hat, sondern daß vielmehr die „ehrliche Probe“ weiter den Ausschlag gegeben, wie der Segen dieses Schutzes den früher drohenden Ruin niedergekämpft. Wohl aber hat die deutsche Wollenindustrie einen epochemachenden Erfolg aus dem Jahre 1889 in das Buch ihrer Ge— schichte einzutragen, es sind dies die ersten, im Auslande ausgesprochenen Zeichen ihrer Ueberlegenheit über die englische und französische Wollenindustrie. Die Schmerzensschreie in den Fach— blättern Englands und Frankreichs, die Stagnation in den Fabriken beider Länder und der Erfolg der deutschen Waaren im Konkurrenz⸗ kampf haben endlich zu dem Zugeständniß auf diesen Märkten ge— führt, daß die deutsche Fabrikation ein siegreicher Eroberer sei. . . .

Zusammen 146938 89 370 207 740 262 000, 144700 120 545 248 150 278 272 206 291 115 695 147 1160 100 393

sagt in

Statistische Nachrichten.

In dem Novemberheft zur Statistik des Deutschen Reichs sind unter der Ueberschrift „Bierbrauerei und Bierbesteuerung im deutschen Zollgebiet während des Etatsjahres 183485. Uebersichten veröffentlicht, welche sich auf die Produktion und Besteuerung des Bieres im Reichssteuergebiet und in Luxemburg während des gedachten Jahres beziehen. Dazu sind Auszüge gegeben aus den betreffenden Statistiken für Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß⸗Lothringen, d. h. diejenigen deutschen Staaten, in welchen die Bierbesteuerung der Landesgesetzgebung vorbehalten ist, und schließ— lich einige Tabellen mitgetheilt, in welchen die Hauptergebnisse der Nachweisungen zusammengestellt und mit denen der Vorjahre ver⸗

k

alichen sind. Danach waren 1884/85 im Reichssteuergebiet 10829 Bierbrauereien im Betriebe (gegen 10 703 im Vorjahre), von denen 7427 (im Vorjahre 7531) vorwiegend obergähriges und 3093 (3172 im Vor- jahre) vorwiegend untergähriges Bier bereitet haben. Dieselben haben zusammen 49532 895 D.C. Getreide und 28 428 D.-C. Mal jsuxrogate (im Vorjahre 4725 731 bezw. 24 659 D.⸗C.) verarbeitet und hieraus 8 384185 hl ober- und 16229 242 hl untergähriges, zusammen 24 613 427 hI Bier (im Vorjahre 8C0I 496, 15 329 423 bezw. 23 591 919 ul) gewonnen. Der Bruttoertrag der Brausteuer betrug 20 012 690 υν und der Nettoertrag nach Abzug der Steuerrückver— gütungen für ausgeführtes Bier 19 518 424 M (18 687 304 4 im Vorjahre), hierzu treten an Uebergangsabgaben 1 S21 217 6 und an Eingangszoll 504 143 S6 für eingeführtes Bier, so daß die Gesammteinnahme von Bier im Reichssteuer⸗ gebiet 1884/85 21 843 784 S6. (20 798 755. A4. im Vor—⸗ jahre) betragen hat. In Luxemburg sind im gleichen Zeit—⸗ raume von 17 Brauereien 86 612 hl Bier, darunter 81 812 hl unter- gähriges, gebraut worden, und hat sich der Bruttoertrag der Brau⸗ steuer auf 85 63! gestellt. In Bayern hat im Kalenderjahre 1884 die Bierproduktion 12 608 528 I (12265 412 hl im Vorjahre) und der Bruttoertrag der Brausteuer 32776 943 6 betragen, in Württemberg 1884/8, die Bierproduktion 3 27587 hl (8 033823 h im Vorjahre) und der Bruttoertrag der Brausteuer 7261 841 A, in Baden im Steuerjahre 1. Dezember 1883 bis 30. November 1884 die Bierproduktion 12535 815 hl (1220725 hl im Vorjahre) und der EBruttoertrag der Brausteuer 3 954 608 6, in Elsaß⸗ Lothringen die Bierproduktion 801717 hl (823 326 hl im Vorjahre) und der Bruttoertrag der Brausteuer 1778 169 4. Von dieser Bierproduktion entfallen im Durchschnitt der Jahre 1872 bis 1884,88 auf den Kopf der Bevölkerung im Reichs-Steuergebiet 63, Bayern 248, Württemberg 184, Baden 73 und Elsaß⸗Lothringen 54 1, und vom Bruttoertrag der Brausteuer im Reichs⸗Steuergebiet 0,53, Bayern 308, Württemberg 3.19, Baden 1,84 und Elsaß-Lothringen 120 6 Der Bierverbrauch ist für das ganze deutsche Zollgebiet unter Summirung der Biergewinnung und der Biereinfuhr und unter Abzug der Bierausfuhr berechnet für das Etatsjahr 1884/85 zu 90, L' auf den Kopf der Bevölkerung; im Ver— gleich zu den Vorjahren bis 1872 rückwärts hat sich ein höherer Kopftheil nur für die Jahre 1873 bis 1876 ergeben, wobei jedoch zu beachten ist, daß gegen diese Jahre, wegen Mehrverbrauchs der unter— gährigen und echten bayerischen Biere, Qualität und Werth der kon— sumirten Biere beträchtlich gestiegen sind. Für die übrigen Jahre stellt sich dagegen ein zum Theil erheblich geringerer Kopftheil (1872 nur 8l,4 und 1879/80 82,9 ) heraus.

Dem „Statistischen Jahrbuch der Stadt Berlin“ (Elfter Jahrgang. Statistik des Jahres 1883. Herausgegeben von Richard Böckh, Direktor des Statistischen Amts der Stadt Berlin. Berlin, Druck und Verlag von P. Stankiewicz' Buchdruckerei 1885) entnehmen wir bezüglich des Feuerversicherungswesens in Berlin folgende Daten: Bei der städtischen Feuersozietät, bei der alle (Hebäude mit Ausnahme der durch die Statuten ausgeschlossenen, namentlich der noch im Bau begriffenen, versicherungspflichtig sind, waren im Geschäftsjahr vom J. Oktober 1887 bis dahin 1883 18813 Grundstücke mit 2132 755 000 „Se. versichert, 146 bez. 2, 84 , mehr als im Vorjahre. 1873 betrug die Zahl dea ver— sicherten Grundstücke 14776, die Höhe der Versicherungssumme 1122303375 11, mithin hat in 1873 1883 in ersteren eine Steigerung von 27,35 (e, in letzterer dagegen eine solche von 90,03 stattgehabt, woraus eine bedeutende Wertherhöhung der Gebäude hervorgeht. Schadenfeuer sind 1883 599 vorgekommen, welche eine Entschädigungs— summe von 576 233 , 0,32 pro Mille der Versicherungssumme, er— forderten, 135 ½ bez. 72 mehr als im Vorjahre. Die erhebliche Erhöhung der Entschädigungssumme veranlaßte vorzüglich der Brand der Velvetfahrik, Köpnsckerstraße 18/21, welcher eine Brand— entschädigung von 285 000 M. bedingte. Der Antheil an den Kosten des Feuerlöichwesens mit den Nebenkosten bezifferte sich auf 559 367 M, 3,92 ½ weniger als im Vorjahre. Zur Aufbringung der Entschädigungssumme, der Kosten für das Feuerlöschwesen 2c. wurden pro 1883 6 3 von je 100 66 der Versicherungssumme ausgeschrieben und von 2126 028 200 S einfach, von 948 260 ½ , im doppelten Betrage, von H 292 500 vierfach und von 486 100 sechsfach erhoben. Die ausgeschriebenen Versicherungsbeiträge bewegten sich in 1873 bis 1883 von 5 8 bis 10 5 für je 100 „0. Versicherungssumme. 10 28 kamen für 1875, welches Jahr die bedeutende Entschädigungssumme von 1345 9007 „M erheischte, zur Erhebung. In die Mobiliar-Ver— sicherung theilten sich 1883 30 Versicherungsgesellschaften. Ende 1883 betrug die Versicherungssumme 1728 567 0654 (0 , auf den Kopf der Bevölkerung entfielen 1429 S, gegen 1224 356 235 6, 1360 . pro Kopf der Bevölkerung in 1375. Es fanden 1857 Brände statt, für welche 1955 474 0. Entschädigung, O61 pro Mille der Ver— sicherungssumme, gezahlt wurden. Diese Entschädigungssumme über— stieg den 10 jährigen Durchschnittssatz um 2,30 5/9. Während bei der Immoliliarversicherung in 1873—83 die Versicherungssumme stetig zunahm, war dies bei der Mobiliarversicherung nicht der Fall. Seit 1873 betrug die Zunahme in den einzelnen Jahren 12,50 C0, 9,40 0, 3, 80 9, 3,70 o/o, O, 60 , 2, So o, G6, 60 G , 1881 verringerte sich die Versicherungssumme um 4,385 οίC und 1883 und 1883 vergrößerte sie sich wieder um 6.38 0½0 bez. 1,15 0o.

In demselben Jahrgange des „Statistischen Jahrbuches der Stadt Berlin“ findet sich eine Zusammenstellung der Schüler und Schülerinnen sämmtlicher Berliner Schulen sowohl höheren als auch niederen Grades, geordnet nach der Konfession bezw. Religion, vom Jahre 1833. Nach derselben gelangt man zu folgenden Grup— pirungen:; die Gesammtzahl der Schüler betrug 87 107, davon 858,96 Go evangelisch, 4,80 69 katholisch, 0, Mòoso dissidentisch und 5, NM Jo jüdisch. Die Gymnasien, Realgymnasien, Oberrealschulen nebst den dazu ge— hörigen Vorschulen und höheren Privatschulen wurden besucht von 21 573 Schülern, davon 80,1 o ev., 2,79 oo kath., 0,21 0 diss. und 16,49 0 jüdisch. Die Gemeindeschulen, andere Privatschulen ꝛc. be— suchten 65 534 Schüler, davon 91,74 o ev., 5, 44 M kath., O, 32 M diss. und 2,50 oo jüdisch. Die Gesammtzahl der Schülerinnen betrug 32 616, davon 89,57 Co ev., 4,81 0/9 kath., O, 24 09 diss. und 5, 38 0 / jüdisch. Die höheren Töchterschulen hatten 15 610 Schülerinnen, davon „8,61 o ev.. 2,47 d kath., O, 25 0 diss. und 18.67 jüdisch. Die niederen Schulen wurden besucht von 67 008 Schülerinnen, davon 2X, 129m ev, H, 36 0 kath., O, 23 o diss. und 2, 29 M jüdifch. Gruppiren ir die Schüler und Schülerinnen innerhalb der bez. Konfession bez. Religion in solche, welche eine höhere Schule und in solche, welche eine niedere besuchten, so erhalten wir folgende Prozentsätze: Von den evangelischen Schülern besuchten eine höhere Schule 23, 43 eo, eine niedere II, 57 Mso, von katholischen 14,42 9ο bez. So, Hs 0, von dissi— dentischen 17,65 oo bez. S2 35 oss und von jüdischen 68,45 ,“ bez. 1,65 O; von den evangelischen Schülerinnen befuchten eine höhere Töchterschule 16,58 o, eine niedere Schule 83,42 oo, von katholischen Mö) Yo bez. 90,1 , von dissidentischen 200 bez. 80 0 und von jüdischen 65,52 6/0 bez. 34,48 0o.

Die Großstädte in Deutschland und Frankreich. (Soz. Corr.) = Die deutsche Volkszählung vom 1. Dezember 1385 läßt vorläufig vor Allem ein auffallendes Wachsthum der deutschen Großstädte eri ennen. Da alle statistischen Zahlen erst durch die Vergleichung mit früheren Jahren und mit anderen Ländern rechtes Leben und Interesse gewinnen, so wählen wir heute zur Vergleichung die deutschen und die frauzösischen Großstädte und legen dabei das neueste offizielle fran— zösische Duellenwerk (Annuaire statistique de ja Franc 1885; Lari? , Nationale 1885) zu Grunde. Die letzten 3 fran— Fösischen Volkszählungen, worüber genaue offiziell Zahlen vorliegen, haben am J. Juli 1872, am 31. Dezember 1856 und am 31. Dezem⸗ ber 18591 stattgefunden. Darnach zählte Frankreich 1872: 36 162921 Tinwohner, 1376: 36 905 7388 und 1881: 37672 045 Einwohner. Die städtische Bevölkerung Frankreichs betrug 1872: 11 234 899 Ein ohner, 18616 11977 IY6 und 1851: 13 6906542 Einwohner. Die ländliche Be böl lerung Frankreichs betrug 18572: 24 868 G2, 1876: n m8 39, und 1631: nur 243575 506 Einwohner. Das Deuffche Reich zählte am 1. Dezember 18371: 41 0658792 Einwohner, 1875: 42727 372 und 1880: 45 234 061 Einwohner. Während also Frankreich in der

Zeit von 1872 bis 1881 seine Volkszahl um 1569 127 Personen ver⸗ mehrte, betrug in dem Deutschen Reiche die Vermehrung von 1871 bis 1880: 4 175 269 Personen. Anlangend nun die Großstädte Frank⸗ reichs über 100 000 Einwohner, so haben die Volkszählungen von 1872, 1876 und 1881 folgende Ergebnisse geliefert: 1872 1876. 1881. Paris 1851797 1988 806 2269 023 i 342 815 376 613 Marseille . 312 864 318 868 360 099 Bordeaux. 194 055 215 140 221 305 1 158 117 162775 178 144 Toulouse. 124 852 131 642 140 289 Nantes. 118517 122 247 124319 St. Etienne. 110814 126019 123 813 Rouen. 102 470 104902 105906 ,, 86 825 92 068 105 867 Frankreich hatte mithin nur 10 Großstädte, während Deutschland im Jahre 1880: 14 und nach der neuesten Zahlung 21 Großstädte zählte. Die Einmohnerzahl der deutschen Großstädte hat sich seit 1875 in folgender Weise entwickelt: 1875. 1880. 1885 (vor ufiges Resaltat). 1122 330 1316 382 289 859 ca. 312 000 272914 293 893 230023 260 005 220 818 245 515 149 081 179076 144 772 169926 136 819 153 765 140 909 150 691 122 843 138 912 117 303 125 510 112453 ca. 123 000 99519 116193 95 458 114451 108 551 114201 97539 114052

I6ß 858 264 675 239 050 193024

Berlin Hamburg. Breslau. München. Dresden. 197 295 Leipzig 127 387 , Frankfurt a. M. 103126 Königsberg. . 122 636 Hannover 106677 Stuttgart 1023 Bremen. 102 532 Nürnberg 91018 Düsseldorf S0 69? Danzig 9793 Magdeburg . 87 925 Straßburg 94 306 104 471 112091 Chemnitz. 78 209 95 123 110693 Elberfeld 80 589 93 538 106 363 Altona 4 097 91 047 104 457 Barmen 38398 04 965 941 102921 Die Zahl der Theaterbrände hat sich in den letzten Jahren bedeutend verringert; während im Jahre 1882 noch 25 und 1883 deren 22 gezählt wurden, fanden 1884 nur 10 und bis zum S8. Dezember 1885 nur 9 solcher Brände statt. Trotzdem ist die von Gilardone in Hagenau i. E. aufgestellte Statistik der Theaterbrände und ähnlicher Ereignisse noch schrecklich genug. Seit dem 8. Dezember 1884, dem vierten Jahrestage des Wiener Ringtheaterbrandes, der diese Statistik veranlaßt hat, sind folgende Katastrophen zu verzeichnen ge— wesen: Am 23. Dezember 1884 brannte das Théätre Comique in Nem— Vork vollständig nieder. Am 26. Dezember 1884 stürzte in Cholet (Frankreich) das Theater Gaillet während der Vorstellung ein. Viel? Personen wurden schwer verletzt, Niemand getödtet. Bis auf den Grund nieder brannte das Theater zu Exeter in England am 9. Fe— bruar 1885. Am 27. Februar JI. J. wurde das allerdings ziemlich leicht gebaute Nationaltheater in Washington zum vierten Male ein Opfer des Feuers. Am 27. März brannte die große Musikhalle in Buffalo bis auf den Grund nieder. An demselben Tage ereignete sich eine andere schreckliche Katastrophe in Saint-Louis. In der katholischen Kathedrale, die von Andächtigen gefüllt war, brach Feuer aus. Ob— gleich die Feuerwehr schnell zur Stelle war und Fenster und Thüren einschlug, um dem erstickenden Rauch Abzug zu verschaffen, kamen in Folge der herrschenden Panik durch Erdrücken, Ersticken und Ver— brennen doch gegen 100 Personen um. Am 20. April ging der Cireus Kloseberg in Richmond (V. St. 5. A.) in Flammen auf; ungefähr 100 Personen wurden erdrückt, außerdem verbrannten mehr als 50 Pferde und viele seltene Thier, darunter 5 Löwen. Am 21. April brannte das schöne Renaissance-Theater in Nimes (im Süden Frank— reichs) bis auf die kahlen Mauern aus; einen Tag später, am 22. April, wurde das neue prächtige Theater in Szegedin durch das Feuer zerstört. Am 2. Mai brannten das japanische Theater in der Londoner Aus— stellung mitsammt dem daselbst aufgeschlagenen japanischen Dorfe, am 12. Mai Barnards Musikhalle in London, am 14. Mai drei Jahrmarkts-Theaterbuden auf dem Marsfelde in Petersburg nieder. Am 11. Juni wurde das Garnisontheater zu Woolwich in England theilweise durch Feuersbrunst vernichtet; ebenso verbrannte im Juni das chinesische Theater in San Francisco (California) nebst mehreren anderen in der Nähe befindlichen Gebäuden. Im Oktober wurde der größere Theil des 1834 zu Artwerpen neu erbauten Edentheaters und am z. Dezember ein Theil des Moskauer deutschen Theaters ein Raub der Flammen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

In J. U. Kern's Verlag (Max Müller) in Breslau ist er— schienen: Die Unfall- und Kranken-Versicherungsgesetze. A. Das Krankenversicherungsgesetz vom 15. Juni 1883 mit der No— velle vem 28. Januar 1885. B. Das Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884. C. Das Gesetz über die Ausdehnung der Ünfall- und Krankenversicherung vom 23. Mai 1885. D. Das Hülfskassengesetz in der Fassung vom 1. Juni 1884. Erläutert unter Berücksichtigung der Bescheide des Peichs-Versicherungsamtes von Dr. jur. Georg Eger, Regierungs-Rath und Justiziar der Königlichen Eisenbahn— Direktion zu Breslau. Nebst einem Anhange, . alle wich⸗ tigeren bezüglichen Gesetze, Verordnungen und Erlasse.“ 145 Bogen gr. 80, gebunden, Preis 3 AM (franco unter Kreuzband 3 M 20 43). Der durch seine Kommentare über das Reichs-Haftpflichtgesetz und das Unterstützungs-Wohnsitzgesetz bekannte Verfasser hat sich zur Bearbeitung des vorllegenden Werkchens in der Annahmé entschloffen, daß in Rück— sicht auf das Inkrafttreten der Unfallversicherungsgesetze, welches be— reits am 1. Oktober 1885 erfolgt ist, für die Behörden und für die Organe der Berufsgenossenschaften und Krankenkassen wie auch für alle anderen Interessenten eine thunlichst kurz und klar gefaßte Er— läuterung der gesammten bezüglichen Gesetzgebung, in handlicher Form vereinigt, ein Bedürfniß sein werde. Neben den Erörterungen ad— ministrativer Natur ist hierbei vornehmlich auch auf die in Betracht kommenden juristischen Fragen eingegangen worden. Zu diesem Be—⸗ hufe wird nicht nur überall auf die Unterschiede der Bestimmungen des Haftpflichtgesetzes aufmerksam gemacht, sondern es sind auch insbeson— dere die sämmtlichen, bisher veröffentlichten Bescheide und Beschlüsse des Reichs⸗Versicherungsamtes herangezogen und verwerthet worden. Ferner ist in den Erläuterungen als Anhang ein wörtlicher Abdruck aller wichtigeren Verordnungen. Erlasse ꝛe. bei— gegeben, welche sich auf die Unfallversicherungs-Gesetz⸗ gebung beziehen und zu deren Ausführung dienen. Ein genaues und umfangreiches Sachregister und Inhaltsverzeichniß wird den Gebrauch des Kommentars möglichst erleichtern. Dem Ganzen ist endlich eine kurze Darstellung über das Verhältniß der Unfallversicherungsgesetze zum Haftpflichtgesetz und ein Verzeichniß derjenigen Fälle vorange— schickt, in welchen das Haftpflichtgesetz auch nach dem Inkrafttreten der Unfallversicherungsgesetze noch weiter zur Anwendung kommen muß. Das gut ausgestattete Buch bieret ein praktisches Hülfsmittel, welches wegen der Möglichkeit rascher und gründlicher Orientirung und der übersichtlichen Vereinigung des vielfach zerstreuten Materials allen Vorständen von Genossenschaften und Sektionen, Delegirten, Ver— trauensmännern, Schiedsrichtern und Genossenschafts⸗Mitgliedern willkommen sein wird.

Die geltenden Verfassungs-Gesetze der evan⸗ gelischen deutschen Landeskirchen. Herausgegeben und ge— schichtlich eingeleitet von Dr. Emil Friedberg, Königl. sächs. Geh. Hofrath und Professor an der Universität Leipzig. Freiburg i. B. 1885. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr

P. Siebeck. gr. 8. S. AXXV und 1185. Dieses tüchtige, umsichtig angelegte Werk wird dem oft schmerzlich empfundenen Mangel eines zuverlässigen Führers auf dem Gebiet kirchenrechtlicher Verfassungs⸗ fragen bollständig befriedigend abhelfen. Der von einzelnen neueren Verfassungsgesetzen gebrauchte Ausdruck allgemeine deutsche evan⸗ gelische Kirche“ ist lediglich ein abstrakter Begriff. In Wahrheit giebt es nur einzelne Landeskirchen: der Partikularismus, welcher sich in politischer Beziehung den Einheitsbestrebungen hat beugen müssen, zog sich um so zäher auf das kirchliche Gebiet zurück; nicht einmal die staatliche Vereinigung hat auch immer eine kirchliche derselben Länder zu Wege gebracht. Allein im preußischen Staat bestehen Reben Kirchenverfassungen neben einander: in Bayern zwei, in Oldenburg drei und in der freien Stadt Bremen nicht weniger als zehn. Die geltenden Rechtssätze dieser verschiedenen Landeskirchen sind aber zerstreut in den zahlreichen, theils staatlichen, theils kirchlichen Gesetzsammlungen; auch im „Allgemeinen Kirchenblatt“ sind sie nicht genügend zusammen⸗ gestellt. Die en Uebelständen des mühsamen Zufammensuchens und der Durcharbeitung der gesammten betreffenden Gesetzsammlung, um zu ermitteln, ob ein einzelnes, selbst noch ganz neues Gesetz noch in unveränderter Geltung besteht, will das vorliegende Buch abhelfen. Dasselbe giebt den gesammten Stoff des jetzt geltenden evangelischen Verfassungsrechtes aller deutschen Landeskirchen. Den Anfang macht das Königreich Preußen:; die acht alten Provinzen und die i866 neu erworbenen Gebiete; es folgen die anderen Bundesftaaten und die freien Städte. Sodann sind auch die französischen, in Elsaß⸗Lothringen gelten⸗ den Kirchenverfassungsgesetze und in einem Anhange die Kaiserlich öfter— reichischen sowie die siebenbürgischen Kirchenverfasfungsgesetze zum Ab— druck gelangt. Diese Zugabe darf als besonders werthvoll bezeichnet werden. Durch die Unterstützung der Vorstände der deutschen Kirchen— regimente, sowie durch die Hülfe, welche die im Fach des Partikular— rechts vortrefflich versehene Bibliothek des Reichsgerichts gewährle, ist es dem Verfasser möglich geworden, den weitschichtigen Stoff so zu sammeln, daß eine Vollständigkeit erreicht werden konnte. Aber noch als ein anderer Vorzug ist zu rühmen, daß der Verfasser sich nicht auf die bloße Sammlung von Gesetzen beschränkt hat. In der gewiß zutreffenden Meinung, daß deren Geist und Wesen erst vollständig erkannt werden könne, wenn sie in den geschichtlichen Zusammenhang eingereiht werden, hat er die mühsame Arbeit nicht gescheut, für jeden deutschen Staat eine geschichtliche Einleitung seiner evangelischen Kirchenverfassung zu geben, welche regelmäßig bis zu dem Zeitpunkt fortgeführt ist, wo die jetzt geltende Gesetzgebung einsetzt. Durch diefe werthvollen Einleitungen ist das Werk nicht nur über die Grenzen einer ausschließlichen Gesetzes«

sammlung hinausgewachsen, sondern auch das Verständniß wesentlich

erleichtert. Aus dem vorgeführten Bilde der Entwickelung unserer ganzen evangelischen Kirche, wie solche je verschieden nach der Indi— vidualität des Landesherrn, nach der Persönlichkeit des Reformators und nach den eigenthümlichen Sitten des Landes erfolgte, muß aller— dings der Eindruck gewonnen werden, daß eine kirchliche Einheit des deutschen Protestantismus, wie sie in Folge der gewonnenen politischen Einheit gehofft werden konnte, wohl noch fern liegt. Ein aus—⸗ führliches Inhaltsverzeichniß sowie ein genaues Register erleichtern die praktische Benutzung des gründlichen Werkes wefentlich, dessen Herausgeber um Recht und Statistik der Kirche sich ein rühmens— werthes Verdienst erworben hat.

K In Verlage der Helwingschen. Verlagsbuchhandlung (Th. Mierzinsky, Königlicher Hofbuchhändler) in Hannover erschien eine Ab— handlung, betitelt: Unsere Armee und die Sicherheit des Reichs, zur Aufklärung über die Anforderungen des Krieges, die Ziele und Mittel des Friedensdienstes“, verfaßt von H. von M. Der Autor hat sich zur Aufgabe gestellt, mit Besseitelasfung aller idealen und imaginären Vorstellungen, die realen Verhältnisse, welche das deutsche Heer angehen, einer Prüfung zu unter— ziehen. Er geht zunächst auf die Forderungen des Kriegs— dienstes im Allgemeinen und den Ersatz des Heeres ein. Als Haupt— bedingniß für den wirklich tüchtigen Soldaten fordert er, daß mit der Grundlage eines gesunden, genügend kräftigen Körpers die Eigenschaften des Ordnungssinnes, des ausreichend natürlichen Ver— standes, eines guten Charakters und des Muthes verbunden sein oder wenigstens in dem jungen Mann geweckt und entwickelt werden müssen. Sodann betrachtet er die Ziele des Friedens⸗ dienstes; als solche führt er folgende wesentlichen Punkte an: zunächst die Kräftigung des Körpers und Gewöhnung an Beschwerden; er betrachtet hierbei die Wohnungsverhältnisse, die Ernährung, Anzug und Körperpflege, den Aufenthalt in frischer Luft und die körperlichen Uebungen. Ein weiteres Kapitel behandelt die Mittel zur Schaffung und Erhaltung der Disziplin; sie bestehen nach der Ausführung des Verfassers in der Tradition, in der zweckmäßigen Regelung“ des gesammten Dienstbetriebes, in der richtigen Behandlung und Irziehung des eintretenden Ersatzed und in den Strafen. Der Erlernung der Kenntniß der Waffen und des Waffengebrauchs ist der nächste Abschnitt gewidmet, während der darauf folgende von dem Verhalten als Glied im Truppenverbande handelt, der nächste die Erlangung der Kenntniß besonderer Dienstverrichtungen und der diesem sich anschließende die Erlangung der allgemeinen Kenntniß des Heeres und Erlernung der Pflichten des Soldaten in und außer Dienst ins Auge faßt Als weitere Ziele des Friedensdienstes stellt der Verfaffer sodann hin: die Ausbildung der Führer und der Beamten, die Beschaffung und Erhaltung des Kriegsmaterials und gewisse Mittel des inneren Dienstes und der Erziehung, sowie der Organifation. In dem letzten Abschnitt bespricht er die Besoldung, Pensionirung im Frieden und Civil— anstellung, die Gleichartigkeit des Offizier-Corps, die Militär— Rechtspflege, die Länge der Dienstzeit, die politische Stellung der Armee. In einer Schlußbetrachtung betont der Autor sodann noch einmal, ausdrücklich seine Stellung zu den von ihm behan— delten Fragen. Er wender sich besonders gegen die Angriffe, welchen das deutsche Heerwesen in jüngster Zeit im Parlament und in der Presse wiederholt ausgesetzt war, und sagt darin: Die Armee koste viel, sie sei eine schwere Last für das Land, aber spare sie nicht viel mehr als sie koste? Ein unglücklicher Krieg würde Deutschland jetzt schwerlich unter 18 is 20 Milliarden Mark zu stehen kommen, wo— von die eine Hälfte auf allgemeine Schädigung des Landes, die andere auf die direkten Kriegskosten entfiele. Das heißt aber nichts anderes, als bei schwer geschädigtem Wohlstande und 4 500 Millionen Mark Mindereinnahme zu den bisherigen Staatsausgaben noch eine durch Steuern aufzubringende Zinslast von 4-500 Millionen Mark jähr— lich tragen zu müssen. Würde Deutschland überhaupt seit 871 Frieden gehabt haben, wenn Liese Armee nicht bestände, welche feindlich ge— sinnten auswärtigen Mächten Respekt einflöße? Das Geld, welches für die Armee aufgewendet werde, trage seine reichlichen Zinfen mehr als eine andere Kapitalsanlage; denn soweit auf dieser Erde der fried— lichen Arbeit Sicherheit gewährt werden könne, soweit gebe sie das deutsche Heer im neu erstandenen Vaterlande. Dies Heer werde auch ferner die tüchtige Waffenschule für das ganze Volk bleiben, werde auch ferner den Feinden Deutschlands mit Erfolg die Stirn bieten, die Grenzen schirmen und wahren, so lange ihm nicht die Mittel entzogen würden, deren es zur Erfüllung seiner Aufgabe be— dürfe. Nicht allein richteten da diejenigen Schaden an, welche auf Verringerung resp. Nichtgewährung dieser Mittel hinarbeiteten, son— dern auch die thäten es, wesche geleitet von ganz guten Motiven, aber irregeführt durch manche Erscheinungen des militärischen Lebens und der, neueren Kriege ihre auf nur oberflächlicher Kenntniß der militärischen Verhältnisse beruhenden Theorien zur Gel— tung bringen möchten. Unglückliche Experimente aber in dieser Hinsicht könnten die tiefgehendsten und unbeabsichtigtsten Wirkungen zur Folge haben, und wenn feindliche Heere auf dem Boden des Vaterlandes ständen, wenn Alles, was Waffen tragen könne, ausgehoben werden müßte, um in die Armee eingereiht zu werden, wie es in Frankreich nach Metz und Sedan geschehen sei, wenn halbreife Jünglinge und ältere Familiendäter hinweg vom Pfluge, aus der Werkstatt, aus dem Komtoir auf das Schlachtfeld geführt werden müßten, wenn alle Geschäfte gänzlich stockten, Städte und Dzrfer der Grenzwrovinzen in Trümmern lägen, Noth und Elend im erschreckendsten Maße sich zeigten dann würde die Erkenntniß sicherlich nicht ausbleiben, daß es besser gewefen wäre, sich schon im