Veterinärwesen.
Vereinigte Staaten von Amerika.
Der durch das Auftreten der Schweinecholera in den Vereinigten Staaten im vergangenen Jahre verursachte Schaden wird auf 25 bis 30 Millionen Dollars geschätzt.
Im Westen und Nordwesten der Vereinigten Staaten sind ansteckende Drüsenkrankheiten unter den Pferden häufig aufgetreten. Beispielsweise mußten im Oktober v. J. im Staate Illinois 46 an solchen Krankheiten leidende Pferde getödtet werden.
In verschiedenen Orten des Staates Indiana ist die Milch⸗ krankheit (milk sickness) unter den Kühen ausgebrochen und hat zablreiche Opfer gefordert. Diese Krankheit herrschte auch im Staate
Ilinois. Gewerbe und Handel.
In den Niederlanden ist durch Gesetz vom 31. Dezember v. J. die Dauer der zeitweilig eingeführten Erhöhung des Einfuhrzolles für Spiritus von 50 0υί, Stärke auf 60 Gulden pro Hektoliter bis zum 1. Jannar 1887 ausgedehnt worden.
Wien, 9. Januar. (W. T. B.) Die Konzessionäre der türkischen Tabackregie⸗Gesellschaft vereinbarten, im Ein— vernehmen mit den hier anwesenden Mitgliedern des Regie⸗-Raths, behuss Konsolidirung des Unternehmens Vorschläge, welche der tür⸗ kischen Regierung betreffs Einschränkung des Schmuggels und betreffs Genehmigung der egyptischen Konvention gemacht werden sollen, und beschlossen ferner eine Herabminderung der allgemeinen Regiespesen. Die gefaßten Beschlüsse sollen unverzüglich zur Ausführung gelangen.
London, 8. Januar. (Allg. Corr.) Nach dem Ausweis des englischen Handelsamts betrug die Einfuhr im Dezember v. J. 31 143 588 Pfd. St., was einen Ausfall von 1 930 382 Pfd. St. oder ca. 6 vυν gegenüber dem entsprechenden Monat des Vorjahres ausmacht. Die Ausfuhr britischer Erzeugnisse stellt sich im Dezem⸗ ber dem Werth nach auf 17204 428, d. i. 635 675 Pfd. St. oder 35 0υ niedriger als im Dezember 1884. Für das verflossene Jahr beläuft sich, verglichen mit 1884, die Abnahme der Einfuhr auf 15 940 235 Pfd. St., die der Ausfuhr auf mir 19 993 835 Pfd. St. Der Export in 1885 erreichte einen Gesammt⸗ werth von 213 031 407 Pfd. St., während der Werth des Imports sich anf 373 834314 Pfd. St. beläuft. An der Abnahme des Exports im rerflossenen Jahre sind sämmtliche Stapelartikel mehr oder weniger betheiligt. Die Ausfuhr von Garnen und Textilfabrikaten erlitt einen Ausfall von nicht weniger als 7992 933 Pfd. St. Ebenso hat die Ausfuhr von Metallen und Metallfabrikaten, Maschinen, Chemikalien und allen anderen Artikeln, in fabrizirtem oder theilweise fabrizirtem Zustande, eine empfindliche Abnahme zu verzeichnen. Was den Import des Jahres anbelangt, so wurden steuerfreie Nahrungsmittel und Getränke, verzollbarer Taback, Oele, fabrizirte und verschiedene andere Artikel in größerem Maßstabe als im Jahre vorher importirt. Dagegen erlitt die Einfuhr von lebendem
Vieh einen Ausfall von 17894635 Pfd. St. Die ungünstige Lage der Textil-Industrie in England kennzeichnet der Umstand, daß die Ein— fuhr von Rohstoffen für Textilfabrikate mit der enormen Abnahme von 12 653 184 Pfd. St. figurirt. Die Einfuhr von Rohstoffen für verschiedene andere Industriezweige und Fabrikate hat eine Abnahme von 2173 828 Pfd. St. zu verzeichnen, während Metalle und Chemi—⸗ kalien ebenfalls in verringerten Quantitäten importirt wurden.
Glasgow, 9. Januar. (W. T. B.) Die Vorräthe von Rohceisen in den Stores belaufen sich auf 672 1658 Tons gegen 579447 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 92 gegen 93 im vorigen Jahre.
St. Petersburg, 10. Januar. (W. T. B.) An der hiesigen Börse sind bestimmte Regulirungstage für Wechsel und Fonds pro 1886 nunmehr im Voraus sestgestellt worden.
New⸗York, 9. Januar. (W. T. B.) Der Werth der Waareneinfuhr in der vergangenen Woche betrug 7356 000 Doll. davon 1689 009 Doll. für Stoffe. Der Werth der Einfuhr in der Vorwoche betrug 9534 000 Doll.
Verkehrs ⸗Anstalten.
Die „Nat.⸗Ztg.“ theilt aus dem Sr. Majestät dem Kaiser für die Jahre 1882/84 erstatteten Verwaltungsbericht der Post- und Telegraphenverwaltung die folgenden auf das Gebiet und die Verkehrsanstalten sich beziehenden Abschnitte mit:
Nach neueren Vermessungen bezw. Feststellungen umsaßt das deutsche Reichs-Postgebiet 445 2270,64 4km (ausschließlich 4343,81 4km Wasserfläche) mit 37 978 165 Einwohnern (1880).
Die Zahl der Verkehrsanstalten ist seit dem Jahre 1881 bis Ende Dezember 14 84 von 9145 auf 13 405 vermehrt worden, und zwar waren vorhanden:
am Ende des Postämter
M . Vost. Posthülf⸗ Kalender⸗ . 2 s Dab es 11161II F austalten ämter agenturen stellen 1882 1 544 2719. 361 33 4166 18835 523 566 2709 372 1 4473 2946 1884 517 564 27021 390 33 4763 4396
Hülfs⸗Postanstalten Gesammt- Danach entfallen auf für die Landbrief— zahl der je eine Postanstalt: bestellung. Post⸗ ö. Ein⸗
Umspannorte anstalten km wohner
45 1958 42, 3589 33 , . 54 ,,
Insbesondere ist auch während der verflossenen drei Jahre die Verwaltung bemüht gewesen, das Netz der Verkehrsanlagen auf dem platten Lande zu verdichten, um die Landbevölkerung in immer wei— terem Umfange an den Vorzügen, welche das Vorhandensein einer Postanstalt gewährt, theilnehmen zu lassen. In dem bezeichneten Zeit— raum sind 4234 ländliche Ortschaften mit Poststellen neu verfehen worden, und zwar 916 mit Postagenturen und 3318 mit Posthülf— stellen. Seit dem Beginne der Neuordnung des Landpostwesens (1. April 1881) bis Ende März 1885 haben im Ganzen 6071 Orte auf dem platten Lande Postanstalten erhalten, davon 1429 Post⸗ agenturen und 4642 Posthülfstellen. Hierdurch ist die Gesammtzahl der Poststellen im Reichs-Postgebiet bis Ende des Etatsjahres (März 1885) auf 13 651, d. i. fast um 66 Ho, gestiegen.
Die neueingerichteten Postagenturen stellen sich, abgesehen von den unmittelbaren Vortheilen, welche sie den in die Klasse der selbständigen Postorte neu eingetretenen 1429 ländlichen Ortschaften und deren näherer Umgebung bieten, als eben so viele zweckmäßige Stützpunkte für den Landbestelldienst dar. Die günstigen Wirkungen jeder derartigen neuen Anlage werden hiernach in den verschiedensten Richtungen und weit über den einzelnen Postort hinaus bemerkbar.
Die Posthülfstellen sind von vornherein dazu bestimmt, als Er— gänzungsanlagen für den Landbestelldienst zu dienen. Ihre Thätigkeit führt zu unmittelbarer Entlastung der in den betreffenden Revieren bestellenden Landbriefträger und zur Schaffung vermehrter Postgelegen⸗ heiten für die betheiligten Landbewohner. Letztere haben die Vor— theile der neuen Einrichtung schnell erkannt. Zeugniß hierfür ist der überraschend lebhafte Verkehr.
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Deutsche Postanstalten im Auslande
Die Zahl der durch Posthülfstellen besorgten Landpostgegenstände
beträgt schon jetzt mehr als 24 Millionen Stück im Jahr, die Ein⸗
nahme für Freimarken, welche von diesen Stellen abgesetzt worden
sind, über 1 Million Mark. Unter den Sendungen befinden sich 144 Millionen Briefe ꝛc. 8 Millionen Drucksachen und 1 Million Packete ohne Werthangabe;
den Rest bilden 419 000 Stück Postanweifungen, Geldbriefe und Werth⸗ c. Packete, welche von den Landbewohnern den Posthülfstellen. Inhabern behufs Uebermittelung an die Landbrieftraͤger zugestellt
worden sind. (
Die obige Gesammtzahl von 24 Millionen Sendungen umfaßt 16g Millionen angekommene und 8 Millionen abgesandte; erstere wären ohne das Eintreten der Posthülfstellen von den Landbriesträgern zu bestellen, letztere unmittelbar einzusammeln gewesen.
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Neuerdings ist mit der Einrichtung von Posthülfstellen auch an solchen Orten vorgegangen worden, welche ihre Verbindungen lediglich durch Landbriefträger zu Fuß erhalten.
Die Verwaltung einer Posthülfstelle gilt als Ehrenamt, ist also mit einer eigentlichen Besoldung nicht verbunden. Unter den Ende März 1885 vorhanden gewesenen 4642 Inhabern solcher Stellen haben deren 3406 für Hergabe der Räumlichkeiten und der Schreibmaterialien dauernde Entschädigungen im Gesammt⸗Jahresbetrage von 146 300 4. bezogen. Die übrigen 1236 Posthülfstellen⸗Inhaber hatten bisher selbst auf eine derartige Entschädigung verzichtet.
An sächlichen Kosten für Beschaffung der Briefkasten und Post— schilder ꝛc. sind seit Einführung der Posthülfstellen im Ganzen 46484 M aufgewendet worden. Angesichts dieser im Vergleich zu dem erreichten Nutzen sehr geringen Ausgaben hat eine weitere nam— hafte Vermehrung der Posthülfstellen für das Etatsjahr 1885 86 un⸗ bedenklich vorgesehen werden können.
Hinsichtlich der weiteren Ausdehnung und Verzweigung des Telegraphennetzes ist das Bestreben der Verwaltung in erster Linie dahin gerichtet gewesen, die in den telegraphischen Einrich— tungen auf dem platten Lande noch bestehenden Lücken thunlichst auszufüllen. Zu diesem Zweck ist zunächst die Zahl der Telegraphenanstalten in Verbindung mit bestehenden Postanstalten erheblich vermehrt worden. Um aber auch den Bewohnern von Orten, deren verhältnißmäßig geringer Verkehr die Einrichtung von Postanstalten nicht zulässig erscheinen ließ, die Möglichkeit zu bieten, namentlich bei plötzlichen Erkrankungen, Unglücksfällen, Feuers⸗ brünsten, Ueberschwemmungen und dergleichen sofort Nachricht auf telegraphischem Wege absenden oder empfangen zu können, wurde im Jahre 1883 zur Einrichtung von Telegraphenhülfstellen in Ver⸗ bindung mit den bestehenden Posthülfstellen übergegangen. Die Telegraphenhülfstellen gelten dem Publikum gegenüber nicht als selbständige Telegraphenanstalten, sie bilden vielmehr Zweigstellen im Bestellbezirk der betreffenden Telegraphenanstalt je— doch mit unbeschränkter Befugniß zur Annahme von Telegrammen und zur Bestellung von solchen innerhalb des ihnen zugewiesenen Be— zirks. Die Inhaber der Telegraphenhülsstellen sind durch die Aufstel— lung einer Weckvorrichtung in die Lage gesetzt, zu jeder Zeit auf das Verlangen der Vermittelungsanstalt Mittheilungen der letzteren ent— gegennehmen zu können, ohne daß die Einrichtung bestimmter Tele— graphendienststunden erforderlich wäre.
Die Anzahl der Reichs-Telegraphenanstalten, von 5896 Ende 1881, ist einschließlich 357 Telegraphenhülfstellen auf 7535 Ende März 1885, mithin um 1639 oder 27,80 vermehrt worden. Es ent— fällt je eine Telegraphenanstalt auf 59,08 qkm und auf 5040 Ein— wohner.
Hamburg, 11. Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer Rhenania“ der Ham burg-Amerikanischer Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, am 9. d. M. in St. Thomas eingetroffen. .
Vrtest, 11 Janugr. (R d B) Der Llßyddampfer „Minerva“ ist mit der ostindisch⸗chinesischen Post heute früh aus Alexandria hier eingetroffen.
New⸗Pork, 7. Januar. (Allg. Corr) Der Chicagoer Eisenbahnzeitung „Railway Age“ zufolge wurden im Jahre 13885 in den Vereinigten Staaten 22 Eisenbahnen mit 3156 Meilen Länge, 141 000 000 Doll. Schulden und 137 0060000 Doll. Grundkapital im Subhastations wege verkauft und reorga⸗ nisirt. 44 Eisenbahnen mit 8386 Meilen Länge, 198 000 000 Doll.
Schulden und 187 0900 000 Doll. Grundkapital vermochten während des verflossenen Jahres ihren Verbindlichkeiten nicht nachzukommen, und wurden von den Gerichtshöfen zu Gunsten der Gläubiger mit Beschlag belegt. ;
Berlin, 11. Januar 1886.
Köln (Rhein), 10. Januar, 12 Uhr 15 Minuten M. (Tel.) Die Englische Post vom 9. früh, planmäßig in Verviers um 8,21 Uhr Abends, ist ausgeblieben. Grund: Un— wetter im Kanal.
Die Ausstellung des Vereins Berliner Künst⸗ lerinnen und Kunstfreundinnen ist am Sonnabend Mittag, um 2 Uhr, eröffnet worden. Die ausgestellten Arbeiten sind so reich an Zahl, daß sie die drei großen Säle der Kunstakademie einnehmen.
Das Comits der Ausstellung ersucht uns gegenüber anderen Zeitungsnachrichten um die Mittheilung, daß die Frau Kronprinzessin ein Werk Ihrer Hand dort nicht ausgestellt hat.
Die deutschen Corps-Studenten haben am Sonnabend aus Anlaß des Regierungsjubiläums Sr Majestät im Zoologischen Garten einen glänzenden Kommers abgehalten. Der Saal prangte im reichsten Festschmuck. Um die in lichtem Weiß strahlenden Säulen und an den mit Flaggen gezierten Wänden entlang zogen sich dunkel— grüne Laubgewinde; in den Nischen waren Blattpflanzen aufgestellt; an der Nordwand, gegenüber dem Eingang, stand, von einem Flaggenwald umgeben, die Kolossalbüste des Kaisers; an den Brüstungen der Tribünen aber, von denen die Banner der Berliner Corps herabwehten, waren die mit Fahnen drapirten Farbenschilde aller dertschen Corps, nach Universitéten geordnet, angebracht. Schläger und Trinkhörner hoben das entzückende Arrangement, das einen schönen Rahmen abgab zu dem farbenprächtigen Bilde, welches die Kneiptafeln selbst darboten. Mit einziger Ausnahme von Rostock, waren alle deutschen Universitäten vertreten, und zwar durch insgesammt 58 Corps. Den Vorsitz führte die Berliner „Vandalia,“ an deren Tafel als Ehrengäste der Rektor der Umwersität, Professor D. Kleinert, mit Anderen Platz genommen hatte. Im Ganzen waren etwa 709 deutsche Corps⸗-Studenten erschienen. Die westliche Tribüne war den Damen eingeräumt, deren jede eine schwarz⸗ weiße Schleife mit einer Kornblume, eine Ehrengabe des Comités, auf der Schulter trug. Um 9 Uhr eröffnete Landgerichts-Rath Baath, als Ehrenpräsident der „Vandalia“, den Kommers. Nach dem ersten allgemeinen Liede hielt ebenderselbe die Festrede, die daran erinnerte, wie die Corps-Studenten stets die Treuesten unter den Treuen gewesen, und die in einem urkräftigen Salamander auf den Kaiser gipfelte, dem zugleich die Gefühle der Festversammlung in folgendem Telegramm übermittelt wurden: „Die zur nachträglichen Feier des Regierungs— Jubiläums heute im Zoologischen Garten versammelten Corps-Studenken bringen Ew. Majestät in tiefster Ehrfurcht und aus dankerfülltem Herzen das unverhrüchliche Gelübde der Treue mit dem Wunsche dar, daß es Ew. Majestät an der Seite der Erlauchten Gemahlin beschieden sei, noch recht lange die Geschicke des Vater— landes zu leiten. Die Festversammlung sang sodann das von Dr. Werner (Berliner „Borusse“) gedichtete Festlied. Nachdem hierauf cand. med. Eikhardt, der derzeitige Senior der „Vandalia“, der Ehren⸗ gäste gedacht hatte, feierte als Beauftragter derselben der Geh. Justiz⸗ Rath Professor Dr. Dernburg (Gießener Teutone“) in humoristischer Rede die deutschen Corps. Gesang, Corpsreiben und Landesvater hielten die Festgenossen noch bis zur Morgenstunde vereinigt.
Der Beginn des zwölfstündigen Unterrichts-Kursus in der im Abgeordnetenhause 24. amtlich verwendeten vereinfachten Stolzeschen Stenographie, welcher nur einmal wöchentlich — Donnerstag Abends von 85 bis 97 Uhr — stattfindet, Donnerstag, den 14. d. M., festgesetzt worden. Anmeldungen (das Honorar beträgt 6 6 werden vor Beginn des Unterrichts im Hörsaal von dem Leiter des Kursus, Hrn. L. Loepert, Vertreter und Vor— standsmitglied des Verbandes Stolzescher Stenographenvereine, an⸗ genommen; auch sind vorher Eintrittskarten beim Hauswart der Bau⸗Akademie und im Abgeordnetenhause, Leipzigerstraße 75, zu entnehmen.
A. Woldts wissenschaftl. Corr) Die Entwickelung der geographischen Gesellschaften hat gegenwärtig einen Höhe⸗ punkt erreicht wie niemals zuvor. Allen voran steht in dieser Be⸗ ziehung die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin, in welche allein während des verflossenen Jahres 1885 127 neue Mitglieder eintraten. Das neueste, von H. Wichmann aufgestellte Verzeichniß, weist über⸗ haupt 94 geographische Gesellschaften auf, welche sich auf 20 Staaten und 85 Städte vertheilen. Hierzu kommen noch 54 Zweigvereine in 51 Städten. An handelsgeographischen Gesellschaften existiren zur Zeit 10. In Bezug auf die Zahl der geographischen Gesellschaften stehen Frankreich mit 26 und Deutschland mit 24 obenan, dann folgen Italien und die Schweiz mit je 6, Großbritannien mit 5 Gu denen neuerdings noch einige durch Stanley's Vorgehen ins Leben gerufene hinzutreten), das russische Reich mit 4, Brasilien mit 3, Oesterreich⸗Ungarn, die Vereinigten Staaten, Belgien, die Niederlande, Portugal, Spanien und Argen⸗ tinien mit je ? und Dänemark. Schweden, Japan, Rumänien, Egypten und Mexiko mit je . Die Gesammtzahl der Mitglieder dieser 4 geographischen Gesellschaften beträgt mehr als 48 006, die Einnahmen der Gesellschaften insgesammt jährlich etwa anderthalb Millionen Mark, wozu noch gegen eine halbe Million Mark an Sub⸗ ventionen fommt. Die drei reichsten Gesellschaften sind: die Royal Geographical Sꝑciety in London, die Kaiserlich Russische Geographische Gesellschaft in St. Petersburg und die Afrikanische Gesellschaft in Deutschland zu Berlin.
Kiew, 10. Januar. (W. T. B.) In der Werkstatt des Arsenal-Magazins fand gestern eine Explosion statt. Die Werkstatt ist vollständig zerstört; vier darin beschäftigt gewesene Sol⸗ . sind dabei ums Leben gekommen, drei andere schwer verwundet worden.
Deutsches Thegter. In der Aufführung von „Emilia Galotti“, am nächsten Mittwoch, den 13., wird Hr. Dr. Förster den Odoardo spielen. Hr. Dr. Förster hat diese Rolle früher im Burg⸗ theater innegehabt, dieselbe aber am Deutschen Theater seinem jüngeren Nollegen Hrn. Nollet abgetreten. Da jedoch der Letztere nach seiner Genesung von einer mehrwöchentlichen Krankheit für große An⸗ strengungen noch nicht hinreichend gekräftigt ist, so wird an diesem Abend Hr. Dr. Förster für ihn eintreten.
Das Neue Friedrich-Wilhelmstädtische Theater hat mit seiner Novität vom letzten Sonnabend „Rafaela“ von Max Wolf Text von Schirmer und Schnitzer, wieder einen entschiedenen Erfolg zu verzeichnen. Die neue Operette, welche beinahe den Charakter der komischen Oper trägt, ist reich an sangbaren Weisen, welche an die kecke Führung Offen⸗ bachs erinnern, ohne doch der rhythmischen Sicherheit Strauß und Millöckers zu ermangeln. Die Partitur ist sehr sauber und sorgfältig gearbeitet und einige graziöse nud reizende Melodien, so besonders das originelle Duett „O Gott, was thut der Mensch nicht alles“ geben auch von der gefälligen Erfindungsgabe des Komponisten Zeugniß, während andere allerdings unmittelbar an berühmte Vorbilder gemahnen. Im letzten Theile des zweiten und im dritten Akt überwiegen jedenfalls die eigenen musikalischen Gedanken des Komponisten und verhalfen im Verein mit der trefflichen Darstellung der neuen Operette zu einem großen Erfolg. Man hat dies in Rück— sicht auf den musikalischen Theil um so höher anzuschlagen, als der Tert nicht neu, in der Charakteristik fast armselig und wenig komisch ist. Das Stück spielt in Spanien. Der Herzog von Racaffa schwebt in Gefahr verhaftet zu werden und sein Vermögen durch Konfiskation zu verlieren. Um es zu retten, verlobt er sich schleunigst mit der (natürlich zufällig) erscheinenden Rafaela, die zwar einen jungen Offizier liebt, aber um ihren Bruder zu retten, einwilligt. Der Herzog verschreibt seiner verschleierten Verlobten sein mögen, wird aber kurz vor der Trauung verhaftet. Aus der Gefangenschaft durch den Sieg seiner Partei befreit, trifft er seine Braut, selbstverständlich ohne sie zu erkennen, verliebt sich in sie und will sie um jeden Preis heirathen. Er sucht nun seine erste Braut auf und verschreibt ihr, um das Verlöbniß rückgängig zu machen, ein Dritt heil seines Vermögens. Rafaela unterschreibt den Vertrag und zu spät merkt der Herzog, daß die erste und zweite Braut identisch waren. Zum Schluß lösen sich wie gewöhnlich alle Konflikte aufs Glücklichste. Die Tarstellung war eine in allen Theilen und im Ensemble recht gute. Hr. Wellhof stand als „Herzog“ auf der Höhe seiner Leistungs—
fähigkeit und riß das Publikum zur größten Heiterkeit hin. Die Her—
ist auf
ren Weidmann und Steiner, sowie Frl. Wrada waren nach der schauspielexischen und gesanglichen Seite hin gleichmäßig vortrefflich; nur Frl. Stein können wir zu unserem Bedauern nicht in das allge— meine Lob einschließen. — Wenn man den Beifall des Publikums als Naßstab nehmen will, darf man erwarten, daß „Rafaela“ recht lange auf dem Repertoire bleiben und das Publikum wie am ersten Abend andauernd erheitern wird.
Am Freitag gab Frl. Elisabeth Jeppe, eine Pianistin, welche hier schon früher gehört wurde, in der Sing-Akademie ihr trstes Concert unter Mitwirkung des Philharmonischen Orchesters. Man wird der jungen Künstlerin die Anerkennung, daß sie in technischer Be— ziehung ihre Ausbildung nach allen Seiten hin vollendet hat, nicht ver— sagen. Es fehlt ihr weder an Kraft noch an Eleganz des formellen Vortrages, aber, was schwerer wiegt, es mangelt ihr auch nicht an verständiger und zuweilen origineller musikalischer Auf⸗ fessung, an warmem Gefühl und sinniger Vertiefung in ihre Aufgabe. Wenn an diesem Abend auch an einigen Stellen ein zu schnelles Tempo gewählt wurde, sodaß, wie in Beethovens D-moll-Sonate, die in dem Tonstück liegende Stimmung nicht ganz getroffen wurde, so darf wohl solche Ueberhastung dem Debüt zur Last fallen. Im Uebrigen können wir die Ausführung von Chopins F-moll. und Schumanns A-moll-Concert als besonders gelungen bezeichnen. Na⸗— türlich fehlte der begabten und zukunftsreichen Künstlerin nach keiner Nummer der Beifall der Hörer.
Im Cireus Renz hat die neue Pantomime „Die Touristen“ oder „Ein Sommertag am Tegernsee“ am Sonnabend eine sehr bei— fällige Aufnahme gefunden. Hr. Direktor Renz, der auch dieses neueste von ihm inscenirte Werk auf das abwechselungsreichste und glanz— vollste ausgestattet hat, läßt darin eine Fülle von charakteristischen und interessanten Figuren auftreten, voran die Touristen selbst, dar⸗ unter die populären Gestalten Müllers und Schultze's, die unvermeid⸗ liche , . Touristenfamilie, einen übermüthigen, verliebten Cham— pagner⸗Reisenden, der mit dem Knallen seines unaufhörlich herumgebotenen Sekts das ganze Stück begleitet, dann einen Tcupp schneidiger bayerischer einjährig Freiwilligen, eine Ruderer⸗Gesellschaft und last not least, die reizenden oberbayerischen Dirndln mit ihren Buas 2c. Auch an einer echten oberbaverischen Sängergesellschaft mit Schnadahüpfln und Jodlern fehlt es nicht. Dem mannigfaltigen, heiteren scenischen Durcheinander, welches diese Figuren aufführen, folgt das Auftreten einer höchst malerischen (durchreisend gedachten) Zigeunergesellschaft aus Rußland mit Gesängen und Tänzen, welche den glänzenden Schluß des Ganzen bildet. Hatte der erste Theil der Pankomime das Publikum in fortwährender Heiterkeit erhalten, so machte diese nunmehr der Be— wunderung für die namentlich in den Aufzügen und Tanz⸗Divertissements entfaltete Schönheit der Gruppirungen und den Reichthum der Kostüme Platz. Hr. Direktor Renz wurde denn auch am Schluß der Pantomime mit wohlverdienter Anerkennung ausgezeichnet und immer wieder hervorgerufen. Die neue Pantomime dürfte auch fortan kaum geringeren Beifalls sicher sein, wie die beliebten ‚lustigen Heidelberger“.
Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner. Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage). (44)
Berlin:
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußeischen Staats⸗Anzeiger.
9.
Berlin, Montag, den 1I. Januar
1883.
Aichtamtslich es.
Preußen. Berlin, 11. Januar. In der vorgestri—⸗ gen (21.) Sitzung des Reichstages bemerkte bei der Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Her⸗ stellung eines Nord⸗ Ostsee⸗Kanals, der Abg. Brömel: Selten sei wohl eine Vorlage auf. allen Seiten des Reichstages einer so unzweifelhaften Bereitwilligkeit, an ihrer Verwirklichung mitzuarbeiten, begegnet, wie diese, weil die Ausführung dieses Kanals zu den nationalen Aufgaben gehöre, eine neue werthvolle Wasserstraße schaffe und den internatio— nalen Verkehr erleichtere. Aber es falle doch ein hitterer Tropfen der Enttäuschung in diese Empfindung, dem Projeke rückhaltslos zustimmen zu können, weil selten eine minder sachlich begründete Vorlage an den Reichstag gekommen sei, als die vorliegende. Er erinnere nur an jene Rede, in welcher Graf Moltke vor 13 Jahren mit unbarmherziger Strenge der Schwärmerei für das Kanalprojekt auf eine Reihe von Jahren ein Ende gemacht habe. (Der Abg. Graf Moltke ist im Hause nicht anwesend.) Gesichtspunkte, wie die damals vorgeführten, hätten doch wohl eine eingehende Beleuchtung erheischt. In den letzten Jahren habe keine Vorlage der Marineverwaltung auch nur mit einer Silbe dieses Projekts gedacht, der Flottengrün⸗ dungsplan schweige sich darüber vollkommen aus, umsomehr müsse man einige erläuternde Worte über die Bedeutung des Kanals für die Marine in den Motiven dieser Vorlage er— warten, zumal seiner Zeit gegen die völlig ablehnende Stellung des Grafen Moltke kein Einspruch gethan worden sei. Man müsse daher an die Prüfung dieser Vorlage mit nüchterner Kritik herantreten. Es liege ja sehr nahe, auch bei dieser Vorlage auf die neuen durch die Kolonialpolitik geschaffenen Bedürfnisse einzugehen, indessen werde bei Prüfung des Marine-Etats der geeignetere Moment dazu sein. Selbst— verständlich werde auch der finanzielle Gesichtspunkt zu berück— sichtigen sein; er sei übrigens nicht der Meinung derjenigen, welche aus der Vorlage einen gewissen Monopolgeruch wahr— nehmen zu müssen glaubten. Bei der sachlichen Erwägung werde das Haus nur dann eine Entscheidung treffen können, wenn es auf der einen Seite die Vortheile für die Marine, auf der andern Seite die erwachsenden Ausgaben abwäge. Es werde daher auch Aufgabe der Marineverwaltung sein, nähere Erläuterungen zu geben, einstweilen bescheide er sich mit der Hoffnung, daß dies im weiteren Verlaufe der Be— rathung geschehen werde. Die beiden Fragen: was der Kanal nütze und was er koste, seien das Wesentlichste bei der Sache, denn vor allen Dingen müsse das Haus sich darüber klar werden, welche Abgabe es den Handelsschiffen auflegen dürfe, oder ob es nicht überhaupt auf eine solche werde ver— zichten müssen. Erspare der Kanal nur den Umweg von wenigen Stunden, so würde die Ausgabe von 150 Millionen Mark bei Weitem zu hoch sein. Die der Begründung bei— gegebenen Gutachten nautischer Vereine genügten durchaus nicht für die richtige Beurtheilung einer solchen Angelegenheit, nicht ein einziger Handelskammer-Vorstand sei Seitens der Reichsregierung um sein Votum angegangen worden. Es sei ja bekannt, daß die Handelskammern von Lübeck und Bremen ein ganz anderes Urtheil über die Frage der Kanalabgabe hätten, als die nautischen Vereine. Man dürfe doch nicht dem Reichstage die ungehörige Arbeit aufbürden, sich das zur Beurtheilung der Frage nöthige Material selbst zu beschaffen. Wisse er denn außerdem, wie sich die Schiffahrtsverhältnisse im Kanol stellen würden? Die Vorlage behandele die— selben als eine sehr leichte und ungefährliche, wäh— rend die Seeleute, mit denen er (Redner) darüber gesprochen habe, diese Ansicht keineswegs theilten. Sei es überhaupt schon für ein Schiff mit Gefahren verknüpft, einen Hafen anzulaufen, so drohten den Schiffen im Kanal noch ganz andere Gefahren, wie sie sich z. B. aus der Menge der passirenden Fahrzeuge ergäben. Daß der Kanal so pro— jektirt sei, wie geschehen, werde sicherlich seine besonderen Gründe haben, aber welche Gründe dies seien, sei aus der Vorlage nicht ersichtlich. Der ohnehin starke Schiffsverkehr in der Unterelbe werde sich seldfloe r d ch noch erheblich steigern, dabei sei die den Berechnungen zu Grunde gelegte Frequenz von 50 großen Schiffen viel zu hoch gegriffen. Graf Moltke habe außerdem seiner Zeit besonders darauf aufmerksam ge— macht, daß der Kanal mindestens 100 Tage lang durch Eis gesperrt 6 werde, wie sollten unter solchen Umständen die Rentabilitätsberechnungen stimmen? Der in Vorschlag gebrachte Abgabesatz von 75 S pro Registertonne sei voll— kommen unbestimmt hingestellt: sei er von Netto oder Brutto zu verstehen? Verstehe er sich gleichmäßig von Schiffen mit halber und ganzer, mit . — und Waarenladung? Solle der Satz von 75 3 erhoben werden, gleichgültig, ob ein Schiff 44 oder 22 Stunden durch die Kanalbenutzung erspare? Alle diese Fragen bedürften eingehendster Erwägung. Im besten Falle werde man sich mit einer sehr geringen Abgabe begnügen oder sogar erwägen müssen, ob die Abgabe überhaupt zu entbehren sei. Den Vorschlag, die Abgabehöhe durch Kaiserliche Verordnung nach Anhörung des Bundesraths zu regeln, halte er nicht für richtig, wenigstens sollte sich der Reichstag die Mitwirkung bei Festsetzung des Maximalsatzes sichern. Seiner Ansicht nach habe ö Moltke durchaus das Richtige getroffen, als er ge⸗ sagt habe, Deutschland würde einen Kanal weit mehr zum Vortheil Schwedens, Rußlands und Amerikas bauen, als zu dem eigenen. Könne man denn voraussehen, welche Ver— schiehung der Kanal in die bestehenden Verkehrsverhältnisse hineinbringen werde? Als das Projekt der Kanalverbindung zwischen Nord- und Ostsee zuerst aufgetaucht sei, habe man den Gedanken festgehalten, die Linie möglichst kurz zu gestalten; in dem gegenwärtigen Plane habe man diesen Gesichtspunkt nicht obenan gestellt. Er wolle ja garnicht bestreiten, daß eine Ver— kehrserleichterung wirklich stattfinden werde, aber daran liege den Ostseehäfen sehr wenig, daß man in die Elbemündung einlaufe. Weit wichtiger sei den Ostseehäfen eine Erleichterung der Zoll—⸗ abfertigung als eine Abkürzung des Weges zwischen Nordsee und Ostsee um etwa 24 Stunden. Zu diesen Bemerkungen fühle er sich allein aus dem Grunde gedrungen, weil er es be— llage⸗ daß auf alle diese Verhältnisse in der Vorlage gar keine Nücksicht genommen sei, nicht etwa, weil er sich besonders
berufen fühle, für die Ostseehäfen einzutreten. Und nun noch ein Wort von der Verantwortlichkeit. der Vorlage heiße es: „Die Mehrkosten können von der Ver—
antwortlichkeit nicht entbinden, welche mit Recht der Reichs—
verwaltung und den gesetzgebenden Faktoren im Reich würde zugeschoben werden müssen, wenn in einem künftigen Kriege Deutschlands der Mangel des Kanals sich fühlbar machen sollte.“
Dem gegenüber müsse seine Partei es gerade beklagen, daß die Vorlage nicht besser, als durch die vier Druckseiten be—
gründet worden sei; die der Volksvertretung hier zugewiesene Verantwortung falle in vollem Maße auf die Reichsregierung
Das Haus habe sich in erster Linie zu fragen, ob es die Ver— wendung einer so hohen Summe für den Kanalbau verant—
worten könne, ob in der That diese Verwendung die beste sei.
Es werde sich der Bedenken des Grafen Moltke erinnern
müssen, ob nicht diese Verwendung von 40 bis 50 Millionen Thalern minder zweckentsprechend wäre, als eine Verdoppelung
der Flotte. Mit solchen Gedanken werde seine Partei an die Kritik der Vorlage herangehen.
Der Abg. Graf Holstein empfahl ebenfalls eine gründliche Prüfung der Vorlage in einer Kommission von 21 Mitgliedern, in welcher dem Hause von der Regierung wesentliche Er— läuterungen zum Verständniß der Vorlage gegeben würden. Die im Kostenanschlage ausgeworfenen Preise für Grund— erwerb und Nutzungsentschädigung schienen ihm etwas hoch zu sein, aber es sei jedenfalls besser, höher zu veranschlagen als zu niedrig. Die Position für Hafen-Ouai Anlagen und Schleusen sei so wenig erläutert, daß man ein Urtheil über die ange— setzten Preise nicht fällen könne. Ob die 12 Schleppdampfer genügen würden, auch bei ungünstigen Winden, erscheine ihm fraglich. Eine annähernde Berechnung der Verzinsung der Ausgaben sei dem Hause nicht gegeben; denn es sei die große Frage, ob die Einnahmen aus der privaten Schiffahrt an— nähernd die Höhe der in Aussicht gestellten Summen er— reichen würden. Vielleicht würden sich auch Einnahmen er— zielen lassen aus der Erniedrigung der Assekuranzprämien für Schiffe, die den Kanal passirten. Aber auch hierüber sei in der Vorlage nichts erwähnt. Für die Landwirthschaft würde der Kanal vorläufig keine Vortheile bringen, die Löhne für die Arbeiter würden steigen, Deutschlans werde vielen Zuzug von fremden Arbeitern haben, auch die Getreidepreise würden durch die bequemere inländische Konkurrenz sehr herabgedrückt werden. Anderer— seits werde durch die internationale Fahrstraße und durch die Anlage industrieller Etablissements 2c. eine Menge Kapital ins Land gezogen und dadurch der Wohlstand in der Provinz in ungeahnter Weise gehoben werden. Der Nutzen für die Schiff— fahrt werde von der Höhe der für die Schiffe angesetzten Tarife abhängen. Ueber das Zufrieren des Kanals habe er weniger Be— sorgnisse, denn wenn der Kanal zufriere, so sei auch die Kieler Bucht und der davor liegende Theil der Ostsee zugefroren. Durch den Bau des Kanals werde die Flotte gewissermaßen ver— doppelt; denn der Feind werde gezwungen, die deutsche Flotte sowohl in der Nordsee, wie in der Ostsee zu bekämpfen, während jetzt bei einer Blockade der Fahrstraße zwischen Däne— mark und Norwegen ein Theil der deutschen Flotte abgeschnitten sein würde. Er bitte, in der Kommission die Vorlage mit größtem Wohlwollen zu prüfen.
Hierauf ergriff der Staats-Minister von Boetticher das Wort:
Meine Herren! Ich babe Anlaß gehabt, mich zu wundern über den Standpunkt, den der Hr. Abg. Brömel in seiner Rede vertreten hat. Am Eingang seiner Ausführungen nannte er die Vorläge eine solche, welche auf die Sympathien aller Theile dieses Hauses rechnen könne, und ich glaubte, nach diesem Vordersatz zu der Annahme berechtigt zu sein, daß nunmehr auch die Gründe von ihm entwickelt würden, welche der Vorlage das Wort reden. Zu meinem Erstaunen hat nun der Hr. Abg. Brömel alles Mögliche an Gründen hervorgesucht, was der Vorlage etwa entgegengehalten werden könnte. Aber wenn Sie diese Gründe erwägen, so werden Sie sie schließlich auf den einzigen Vorwurf zu reduziren im Stande sein, den er auch selber verbo tenus ausgesprochen hat, daß die Vorlage in ihren Motiven zu schwach ausgestattet sei und daß bei der Lektüre dieser Motive eine Reihe von Zweifeln übrig bleiben, über welche noch eine Aufklärung gewünscht werden müsse, bevor man sich über die Vorlage schlüssig machen könne.
Nun, meine Herren, sind diese Motive in nahezu gleichem Wort— laut, wie sie Ihnen vorliegen, den verbündeten Regierungen mitgetheilt worden, und der Bundesrath hat beschlossen, diese Motive dem Reichstage vorzulegen. Im Kreise der verbündeten Regierungen sind allerdings auch einige Zweifel über den Werth oder Unwerth der Vorlage geäußert worden, aber in dem Umfange, wie dies hier von Seiten des Hrn. Abg. Brömel geschehen ist, sind Monita gegen die Begründung nicht gezogen worden; im Gegentheil, sämmtliche ver⸗ bündete Regierungen sind über Zweck und Ziel und Nützlichkeit und Bedürfnißfrage bezüglich der Vorlage durchaus einverstanden gewesen. Hätte ich annehmen können, daß die Motive, welche den verbündeten Re⸗ gierungen genügt haben, hier im Hause der Majorität oder auch nur einem so hervorragenden Mitgliede, wie dem Herrn Abg. Brömel, nicht genü— gen würden, so würde ich mich beeilt haben, weiteres, noch eingehen— deres Material beizubringen. — Ich stelle auch dieses eingehendere Material für die Kommissionsberathung, die ja voraussichtlich vom Hause beliebt werden wird, bereitwilligst zur Disposition, und ich könnte eigentlich auf diese Kommissionsberathung verweisen und könnte mir vorbehalten, dort das, was ich zur weiteren Aufklärung zu sagen habe, anzuführen, wenn nicht doch einige Bemerkungen von dem Hrn. Abg. Brömel gemacht wären, von denen ich nicht wünschen. kann, daß sie hier bei der ersten Plenarberathung unwidersprochen bleiben.
Der Hr. Abg. Brömel hat an mehreren Stellen seiner Ausführun⸗ gen in sehr geschickter Weise, wie ich ihm zugeben will, sich auf die AÄAutorität des Hrn. Abg. Grafen von Moltke berufen. Ich möchte nur wünschen, daß dieses Bestreben, der Autorität des Hrn. Abg. Grafen von Moltke zu folgen, bei dem Hrn. Abg. Brömel ein noch viel intensiveres wird; wenn dies auch auf anderen Gebieten ein— treten sollte, so würde wahrscheinlich der Hr. Abg. Brömel sehr bald aufhören, die Reihen der freisinnigen Partei zu zieren.
Was nun aber die Ausführungen des Hrn. Abg. Grafen Moltke aus dem Jahre 1873 anlangt, so habe ich dagegen Folgendes zu be⸗ merken: Der Standpunkt, den der Hr. Abg. im Jahre 1873 einnahm, war für die damaligen Verhältnisse, nament⸗ lich für die damalige Entwickelung unserer Marine ein durch⸗ aus erklärlicher und‘ begreiflicher. Der Hr. Abg. Graf Meltke stand damals bei der geringen Ausdehnung, welche unsere Wehrkraft
zur See hatte, auf dem Standpunkt, daz er sagte: Wenn wir einmal 51 Millionen Thaler dazu aufwenden wollen,
um den verschledenen Theilen unserer Flotte die Möglichkeit einer
In der Begründung
Vereinigung zu geben, so halte ich es für nützlicher, zunächst diese Summe dazu zu verwenden, um die Wehrkraft selbst zu vermehren und unsere Flotte auf einen höheren Etat zu bringen.
Das war, wie gesagt, nach dem damaligen Stande der Entwickelung unserer Flotte erklärlich; gegenwärtig liegen die Dinge ganz anders. Seit dem Jahre 1873 hat sich der Bestand unserer Schiffe und die Wehrkraft unserer Marine mehr als verdoppelt, und heute steht die Marineverwaltung auf dem Standpunkt, daß sie den Bau eines Kanals zwischen Nord⸗ und Ostsee nicht allein für sehr willkommen erklärt, sondern daß sie auch selber in diesem Bau die Gewähr dafür findet, daß die deutsche Wehrkraft zur See eine Entwickelung nehme, wie sie sie nehmen muß, wenn wir eben anderen seefahrenden Nationen, zu geschweigen von denen ersten Ranges, ebenbürtig werden sollen. Auch der Hr. Abg. Graf Moltke ist schon im Jahre 1851 nicht mehr bei seiner früheren Auffassung stehen geblieben; er hat, wie ich hier aus einem Berichte über die Sitzung des Centralvereins zur Hebung der deut— schen Fluß⸗ und Kanalschiffahrt, vom 17. März 1881, entnehme, we— sentlich seine im Jahre 1873 ausgesprochene Auffassung über die Sach⸗ lage modifizirt. Der Wortlaut dieser Aeußerung aus dem Jahre 1881 liegt mir nicht vor, aber er ist in einem Bericht niedergelegt, welchen ich zur Hand habe, und nach welchem der Hr. Abg. Graf Moltke geäußert hat:
Er habe sich seiner Zeit gegen diesen Kanal ausgesproch en, weil nach den genauen Berechnungen des Geheimen Raths Wiebe die Kosten zu hoch waren. Dieselben beliefen sich von St. Margarethen bis Eckernförde auf 32 Millionen Thaler, und für die Führung in die Kieler Bucht auf 44 Millionen Thaler. Damals habe es ihm geschienen, als sei der Staat nicht berechtigt, solche Ausgaben zu machen, und habe er geglaubt, daß es besser sei, solche Summe lieber für die Flotte zu verwenden. Wenn der Kanal, wie ihn Herr Dahlström projektire, in kleinen Dimensionen ausgeführt wird, so würde er ohne Zweifel recht nützlich und auch militärischerseits eine solche Verbindung ganz erwünscht sein.
Meine Herren! Sie sehen also hieraus, daß der Hr. Abg. Graf Moltke im Jahre 1881 nicht mehr auf dem streng ablehnenden Standpunkt, den er im Jahre 1373 der damaligen Anregung gegenüber eingenommen hat, geblieben ist. Nun aber glaube ich, daß, wenn nach dem Vorschlage des Hrn. Abg. Grafen Moltke aus dem Jahre 1873 wirklich für die Verstärkung unserer maritimen Wehrkraft ein gleicher oder geringerer Betrag ausgegeben würde, wie er jetzt für den Kanal gefordert wird, daß dann die Forderung auf Herstellung des Kanals doch niemals aus der Welt veischwinden würde; denn das ist klar und bedarf kaum einer näheren Erläurerung: wenn wir unseren beiden Flottentheilen, der Station der Nordsee und der Ossee, das Mittel gewähren, sich in einem gegebenen Fall vereinigen zu können, daß dadurch eine Erhöhung der Wehrkraft erreicht wird, wie sie niemals durch eine Vermehrung unserer Schiffe erreicht werden kann. Aber weiter, diese Vermehrung der Schiffe hat in unseren Bevölkerungs⸗ verhältnissen und in der Möglichkeit, die erforderliche seeschiffsfähige Mannschaft zu finden, ihre Grenze. Die Ausdehnung der Flotte kann keine ungemessene sein, weil es nicht möglich ist, das dazu erforderliche Personal in ausreichender Anzahl zu finden.
Nun hat der Hr. Abg. Brömel gefragt, welche besonderen Um—⸗ stände es veranlaßt haben, daß gerade jetzt die Einbringung der Ver— lage erfolgt ist. Er hat daran die Bemerkung geknüpft, es sei ihm der Gedanke gekommen, als ob im Hintergrunde dieser Vorlage wieder einige schutzzöllnerische Anregungen ständen. Ich übergehe diese Be⸗ merkung. Sie ist wohl mehr der Dekoration wegen als um die Vor— lage ernstlich zu gefährden, gemacht worden.
Meine Herren! Die Regierung hat nach wie vor seit dem Jahre 1873 auf dem Standpunkt gestanden, daß es ein erstrebenswerthes Ziel sei, die Ostsee und die Nordsee durch einen Kanal zu verbinden, und in keinem Moment hat man aufgehört, an dieses Projekt zu denken. Früher freilich ging man von der Ansicht aus, daß es ge⸗ rathen sei, das Unternehmen im Wege der Privatassoziation durch die Bildung einer Aktiengesellschaft in Scene zu setzen. Als aber die Be— strebungen, eine Gesellschaft für diesen Zweck zusammenzubringen, nicht von Erfolg gekrönt waren, hat sofort die Regierung, und zwar in der festen Ueberzeugung, daß nicht allein die Interessen der mari⸗ timen Landesvertheidigung, sondern auch die Interessen unseres Handels gebieterisch diese Verbindung fordern, die Sache wieder aufgenommen. Es wird also wohl keiner besonderen Motivirung dafür bedürfen, daß die Vorlage jetzt gerade gemacht ist. Uebrigens kann ich im Allge— meinen derartigen Vorwürfen gegenüber bemerken, daß das Gute nie zu spät kommt. Und wenn der Herr Abgeordnete uns den Vorwurf der Verzögerung machen will, so nehmen wir denselben gern auf uns, wenn er sich dadurch nur nicht abhalten läßt, in eine ernstliche und wohlwollende Prüfung der Vorlage einzutreten.
Der Herr Abgeordnete hat ferner gemeint, es würde die Aufgabe der Marineverwaltung sein, den sehr dürftigen Motiven nachzuhelfen. Die Marineverwaltung wird das Material über die Punkte, welche dem Hrn. Abg. Brömel aus den Motiven nicht klar geworden sind, bereitwillig ihm zur Disposition stellen, und ich hoffe, er wird auch in dieser Beziehung befriedigt werden.
Nun vermißt der Hr. Abg. Brömel in den Motiven der Vorlage eine Berechnung darüber, welche Kosten die Erhaltung des Kanals verursachten und welche Einnahmen derselbe liefern wird. Ja, die Unterhaltungskosten, die können wir allenfalls mit einiger Sicherheit überschläglich berechnen und können nach den Erfahrungen, die wir bei anderen Kanälen gemacht haben, sagen: es wird ein Bedarf von so und so viel erforderlich sein, um den Kanal zu erhalten. Ganz unberechenbar aber sind meines Erachtens die Ein⸗ nahmen, welche von dem Betrieb des Kanals zu erwarten sind. Denn dabei kommt es ganz darauf an, wie wir den Tarif gestalten, und weiter kommt es, selbst, wenn wir den weisesten Tarif, den wir zu machen im Stande sind, gemacht haben, ganz darauf an, in welchem Maße sich die Frequenz des Kanals gestalten wird. Ich begreife sehr wohl, daß man darnach strebt, um seine eigene Verantwortung möglichst zu erleichtern, solche Berechnungen zu erhalten. Sie sind auch aufgemacht und werden auch den Herren in der Kommission zur Disposition gestellt werden. Das ist aber meine feste Ueberzeugung: einen absoluten Werth haben solche Berechnungen niemals, denn die Thatsachen und hier insbesondere die Thatsache der Benutzung des Kanals — stellen sich möglicherweise ganz anders, als wir, auch bei der sorgfältigsten Berechnung, anzunehmen in der Lage waren. Der Hr. Abg. Broͤmel sagt ganz richtig wenn man die Zeiterspar⸗ niß, die dadurch, daß man den Kanal benutzt, entsteht, auf eine Stunde etwa gegenüber dem Umwege um. Skagen berechnet, so würde man nicht dazu kommen, für diese minimale Zeitersparniß einen Betrag von 150 Millionen auszugeben. Ich befinde mich in der erfreulichen Lage mit dem Hrn. Abz. Brömel in diesem Punkt vollständig über— einzustimmen, und ich glaube kaum, daß sich irgend eine deutsche Re— gierung gefunden hätte, die sich diesen Lurus einer Ausgabe von 150 Millionen um der Zeitersparniß einer Stunde willen erlaubt hätte. So thöricht sind wir nicht.
Nun hat der Hr. Abg. Brömel sich darüber beklagt, daß kein einziger Handelsvorstand über die Kanalvorlage gehört worden ist. Ja, meine Herren, wir haben, wie ich schon vorhin mir zu bemerken gestattete, in der Hauptsache bei der Aufstellung der Vorlage immer das Interesse der Landesvertheidigung im Auge gehabt und haben in erster Linie die Vortheile erwogen die uns der Kanal mit Rücksicht auf die Vertheidigung des Deutschen Reichs zur See gewähren kann. Das ist der Haupt
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