— Mit Genehmigung des Ministers der öffentlichen Arbeiten der Republik Mexiko. General Carlos Pacheco, veranstaltet die Ge⸗ neral⸗Direktion für Statistik des genannten Staats unter dem Titel Nombres geogräficos de México“ die Herausgabe eines alphabetischen Katalogs derjenigen Ortsnamen der Republik, welche dem Nahuatl⸗Idiom angehören. Dieser „Hieroglyphischen Studie“ ist von dem gelebrten Verfasser, Sr. Dr. Antonio Peñnafiel, die Tributs-Matrikel des „Codex Mendoecinus“ zu Grunde gelegt worden, während die Zeichnungen den Mexikanischen Alterthümern“ (. The Antiquities of Mexico“) des Lord Kingsborough entnommen und von Domingo Carral aus⸗ geführt worden sind. Der bereits erschienene und uns vorliegende Atlas enthält auf 39 Tafeln die in buntem Farbendruck mit großer Sorgfalt faesimilirten hieroglyphischen Bilder von 462 Städtenamen. Unter den zum Theil äußerst seltsamen, aus ganzen oder fragmen⸗ tarischen Bildern von Menschen, Thieren, Pflanzen, Geräthen, Waffen, Werkzeugen ꝛc. künstlich zusammengefügten Hieroglyphen, welche manchmal an die redenden Wappen unserer Städte erinnern, ist jedesmal der betreffende Name der Ortschaft verzeichnet.
— „Dr. A. Petermanns Mittheilungen aus Justus Perthes' Geographischer Anstalt“, herausgegeben von Prof. Dr. A. Supan (Gotha, Justus Perthes), beginnen mit dem vor⸗ liegenden Januarheft für 1886 ihren 32. Band (Pr. d. Hefts 150 6). Das neueste Heft bringt eine zusammenfassende Darstellung von Emil Metzger in Stuttgart über den seiner Zeit viel besprochenen furchtbaren Ausbruch des Vulkans Krakatau auf der gleichnamigen Südsee⸗Insel im Jahre 1883. Die Untersuchung der Erscheinungen, welche diese großartige elementare Katastrophe begleiteten, war durch die Regierung von Niederländisch Indien dem Chef⸗Ingenieur beim Bergwesen, R. D. M. Verbeek, aufgetragen worden. Der von diesem, im vorigen Jahre zum Abschluß gebrachten und ver⸗ öffentlichten Arbeit sind die mitgetheilten interessanten Daten ent⸗ nommen. Außer den thatsächlichen Mittheilungen nach den Beob— achtungen von Augenzeugen, welche im Auszuge wiedergegeben sind, werden die Ursachen des Ausbruchs, die Erscheinungen bei der Erup⸗— tion, die voraufgegangenen Erdbeben und endlich die Untersuchungen der ausgeworfenen Stoffe sorgfältig zusammengestellt. Während der z tägigen Katastrophe (26. bis 28. August 1883) haben, dem Bericht zufolge, nicht weniger denn 36 380 Eingeborene und 37 Europäer theils in den Wellen, theils unter der ausgeworfenen heißen Asche ihr Grab gefunden; 165 Dörfer wurden ganz, 132 zum Theil verwüstet. Die beigegebene Karte mit den Profilen des Vulkans vor und nach dem Ausbruch veranschaulicht auf Grund der Verbeekschen Aufnahmen die kolossalen Veränderungen, welche durch den Einsturz der Wände des Berges und des daruntergelegenen Meeresbodens in der ganzen Configuration der Inselgruppe herbeigeführt worden sind. — Ferner enthält das Heft interessante Mittheilungen aus dem Tage— buche des Forschungsreisenden Eduard Glaser über seine Expedition von Hodeida nach San's in Jemen (Süd-Arabien). Der abgedruckte erste Theil bietet mancherlei Aufklärungen in ethnographischer und linguistischer Hinsicht über die Bevölkerung des bisher wenig bekann— ten Landes. Eine beigefügte provisorische Skizze veranschaulicht die geographischen Ergebnisse der sämmtlichen Reisen Glasers in Jemen (vom Oktober bis März 1884 und Ende April 1885). — Ein dritter Beitrag berichtet über die Reisen des peruanischen Hacendado (Gutsbesitzers) Samanez, welcher zum ersten Male den Fluß Apuirmac von der Einmündung des Pachacaca an bis zum Katarakt von Simariva in der peruanischen Provinz La Mar und den Eni auf seinem ganzen Laufe befahren hat, und zwar zu dem Zweck, um zu ermitteln, ob sich der Apurimac zu einer Verbindungsstraße zwischen den Departementos Cazeo, Apurimac und Ayacucho eigne. Die Ergebnisse seiner Fahrt sind hier von Dr. C. Löffler nach den Berichten im Limenßer Tageblatt zusammengestellt. — Den übrigen Inhalt des Hefts bilden der geographische Monatsbericht, das Litera— tur⸗Verzeichniß und (in einer Beilage) der Literaturbericht.
— Im Verlage von W. Spemann in Berlin und Stutt⸗ gart erscheint eine neue deutsche Wochenschrift, betitelt: „Das neue Berlin“, welche Paul Lindau herausgiebt. In dem Prospekt heißt es: „Was geschieht denn in Ber— lin?“ Auf diese Frage will unsere Wochenschrift Bescheid geben, eine womöglich alles umfassende Antwort. Das Gebiet, auf dem sich unser Blatt bewegen, auf dem es alle Erscheinun— gen, die sachlichen und persönlichen, mit Aufmerksamkeit prüfen will: das Entstehende und Vergehende, die Neuschöpfungen und Weg— räumungen der jüngsten Weltstadt — dieses Gebiet erscheint zwar als ein örtlich scharf begrenztes. In Wahrheit ist es jedoch ein unermeß⸗ lich weites. Denn alle Berliner Vorgänge — ob sie sich nun in dem engen Kreise der bevorzugten Minderheit oder in den weiteren Bezirken der mäßig Begüterten und Besitzlosen abspielen, auf den Höhen oder in den Niederungen der Gesellschaft — sollen in diesen Blättern zur Sprache kommen und alle daran Betheiligten gewürdigt werden. Wir wollen alles Wissenswerthe bringen über Hof und Diplomatie, Handel und Wandel, Kunst und Wissenschaft, über Leistungen des Einzelnen und der Gemeinde, Lohn für Verdienste und Strafe für Vergehen. Zu den Mitarbeitern unseres Wochen— blattes, zu denen wir, wie wir glauben, die tüchtigsten Kräfte und berufensten Schriftsteller gewonnen haben, dürfen wir das Vertrauen hegen, daß es ihnen gelingen wird, den Stoff, der sich der Behandlung und Würdigung darbietet, von einem höheren Gesichtspunkte aus zu erfassen und an dem Gebotenen eine tiefer greifende Kritik zu üben, als es dem Berichterstatter des Thatsächlichen für das in nothgedrungener Hast beständig arbeitende tägliche Blatt gestattet ist, als es von diesem überhaupt verlangt werden darf. Aber der anspruchsvollere Ernst des Inhaltes soll nicht etwa schwerfällig auf den äußeren Ausdruck zurückwirken. Wir wollen uns im Gegentheil bestreben, Allem und Jedem, was wir bringen, eine möglichst leichte und ansprechende Form zu geben. ö Unsere Wochenschrift wendet sich gleichermaßen an die Berliner und Nichtberliner. Es kann sich fuͤr uns in der That nicht darum handeln, solche Angelegenheiten, die nur für eine bestimmte städtische Gemeinde von Bedeutung sind, zu erörtern. In der Hauptstadt des neuen Deutschen Reiches spielt sich in Wahrheit ein Stück neu— deutschen Lebens ab, und wohl das wichtigste. Unser Blatt wird daher seine Freunde in allen Theilen Deutschlands suchen und überall in der Fremde, wo Deutsche sich eine neue Heimstätte be⸗ gründet haben. Und in allen Kreisen. Denn wir treten keinem Interesse entgegen; wir stehen außerhalb des Kampfes der Parteien und der Konfessionen und verletzen nach keiner Richtung hin. Für unsere Mitbürger sollen unsere Aufzeichnungen das Durchlebte noch einmal beleben, die Fernstehenden aber sollen aus ihnen erfahren, wie es in Berlin zugeht, und was da in jüngster Zeit geschehen ist. Und durchblättert man nach Jahren unsere Wochen— schrift, so sollen — darin gipfelt unser ehrgeiziges Bestreben — diese Blätter, denen wir gerade durch ihre Frische Dauer zu verleihen hoffen, auch den Späteren sagen: das also ist ein getreues Spiegel bild des Berliner Seins und Werdens von damals!
Die bereits erschienene Nr. 1 hat folgenden Inhalt: Fünfundzwanzig Jahre. 1861 —1886. — Das Berlin des achtzehnten Jahrhunderts. Von Julius Lessing. — Cafés von heute und Konditoreien von ehemals. Von Theodor Fontane. — Von der Weichbildgrenze in W. Von J. Trojan. — Die Feier des Königsjubiläums Kaiser Wilhelms in Berlin. Von Ludwig Pietsch. — Bühne: Heinrich von Kleist: „Das Käthchen von Heilbronn.! Von Paul Lindau. — Opernhaus. Von E. G. Reif. — Schauspielhaus. Von E. Z. — Deutsches Theater. Walhalla⸗Theater. Von P. L. — Inserate.
Gewerbe und Handel.
Nürnberg, 23. Januar. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held.. Der Markt trug diese Woche bei einem Umsatz von ca. 3000. Ballen wiederum ein recht lebhaftes Gepräge. Preise sind vollständig unverändert geblieben. Gekauft wurden von Exporteuren große Partien, vornehmlich Württemberger und Hallertauer von guter Qualität zu 14—18 M und grünliche Hallertauer zu 25 —30 S Von den Käufen der Kundschaftshändler sind namhafte Quantitäten grün⸗
elbliche Posener zu 20 - 30 46 erwähnenswerth. Gutfarbige Hopfen kid fortgesetzt in reger Frage und erzielen hohe Preise. Für wirk⸗ liche Prima⸗Waare muß 70-85 M, für Ausstich 90 „ bewilligt werden, jedoch kommt von den feinen Hopfen nur noch äußerst selten etwas zu Markte. Grünliche Mittelhballertauer und Württemberger von einiger Qualität erzielen leicht 50 4 ßund darüber, gelbe aber, selbst von guter Qualität. sind über 18 M nicht an den Mann zu bringen. Die Notirungen lauten: Baverische opfen: Markthopfen prima 30-35 „M, mittel 22— 25 „, gering 2 15 ½ ; Gebirgshopfen 35— 50 ½ ; Aischgründer prima 40-50. 4, mittel 20-22 M, gering 14 —18 ; Hallertauer primg 65 — 75 M, mittel 30-35 eM, gering 20— 25 M6: Hallertauer Siegelgut a. 75— 85 S ; Spalter Land, je nach Lage und Qualität, 20-90 4; Württemberger prima 66 — 80 MS, mittel 30— 35 S, gering 15 — 138 AM; Badische mittel 18— 25 M Elsässer 15— 27 M; Polen prima 70-75 ÆM, mittel 30-40 M é; Saazer Kreis und Bezirk, je nach Qualität, 60 - 140 4 3 Rotterdam, 22. Januar. Zufolge eines soeben veröffent⸗ lichten Königlichen Beschlusses vom 15. d. M. wird das für Ein⸗ und Ausfuhrabfertigung accisepflichtiger und accisefreier Waare, für Durch⸗ fuhrabfertigung und für Durchfuhr von Wein, sowie für Ausfuhr von Wein aus Entrepots zuständige Grenzcomptoir in Sittard (Provinz Limburg) am 15. Februar aufgehoben werden, und vom gleichen Tage an das Grenzeomptoir Broek⸗Sittard an seine Stelle treten für Einfuhr⸗, Ausfuhr und Durchgangsabfertigung von Wein aus Entrepots unter Zollkredit. ; . Brüssel, 23. Januar. (W. T. B.) Auf den Einspruch meh⸗ rerer Besitzer von Obligationen der Großen Luxemburger Eisenbahn gegen die belgischerseits erfolgte Konvertirung hat das hiesige Handelsgericht die Konvertirung für nichtig erklärt. Glasgow, 23. Januar. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 676 335 Tons gegen 579 325 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 94 gegen 93 im vorigen Jahre. New-⸗JYPork, 23. Januar. (W. T. B.) Der Werth der Waarenein fuhr in der vergangenen Woche betrug 6497 600 Doll. davon 1988 000 Doll. für Stoffe. Der Werth der Einfuhr in der Vorwoche betrug 9 251 000 Doll,, davon 2930 000 Doll. für Stoffe.
Verkehrs ⸗Anstalten.
(W. T. B.). Der Dampfer des 1 „Ems “ ist heute Vormittag 10 Uhr in New-Nork eingetroffen.
Hamburg, 25. Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer „»Albingia“ der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern in St. Thomas eingetroffen.
Triest, 23. Januar. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Narenta“ ist gestern Abend aus Konstantinopel hier angekommen.
— 265. Januar. (W. T. B.) Der Lloyddampfer Urano“ ist mit der ostindisch⸗chinesischen Post heute früh aus Alexandria hier eingetroffen.
Bremen, 23. Januar. Norddeutschen Lloyd
Sanitätswesen und Quarantänewesen.
Türkei. Durch Beschluß der Gesundheitsbehörde zu Konstantinopel, vom 12. Januar 1886, ist die gegen Provenienzen aus Venedig be— stehende fünftägige Quarantäne auf 48 Stunden ermäßigt worden.
Berlin, 25. Januar 1886.
Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)
Bei der heute ge e n Ziehung der 4. Klass
Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:
1 Gewinn von 90 000 46 auf Nr. 22 775.
1 Gewinn von 690 900 (6 auf Nr. 69378.
1 Gewinn von 15000 MW auf Nr. 8210.
3 Gewinne von 6000 M auf Nr. 3587. 10131. 77 411.
54 Gewinne von 3000 ½ auf Nr. 652. 1377. 2466. 3667, 5060. 5088. 9046. 11 075. 12997. 24 244. 25 207. 25 829. 32 553. 36 365. 37 488. 39 796. 39 853. 40 338. 40682. 41 9383. 43 668. 44 267. 44454. 46723. 47618. 47627. 48 522. 48 852. 55 776. 55 944. 56 465. 57 389. 57570. 58 195. 60 964. 61 234. 61 449. 62 838. 63952. 65206. ge , n , g, d 6g, n n. 82 192. 84 409. 87 455. 87 619. 88 680. 91 167. 91 660.
47 Gewinne von 1500 6 auf Nr. 11925. 13068. 13 776. 14813 15 471. 1 57. 19 245. 25 357. 26 123. 27 518. 27 635. 27 770. 30930. 33291. 33 383. 35 419. 38 469. 40 245. 45 807. 46866. 47588. 48170. 48188. 50 744. 53 025. 53111. 58 784. 59 164. 59 640. 67 329. 67471. 71 692. 71 730. 72 491. 73 878. 74 784. 75 815. SI H24. S1 750. 81 855. 82 285. S4 855. S6 959. S9 236.
91 922. 94 022. 94 427. 3M n, nr,,,· / . 53 Gewinne von 5! .
Mü auf Nr. 128. 531. 975. 3415. 4533. 8283. 9497. 9538. 11350.
11 195. 153 327. 13911. 18027. 19178. 21 065. 22 824. 26 587. 31 876. 37 763. 37930. 38 625. 40138. 42222. 42 675. 43 733. 46 602. 52 115. 54 885. 55 026. 55 813. 55934. 59011. 60181. 60 913. 63 671. 66200. 72413, 73 341. 74 769. 74 875. I5 823. 75 954. 6 221. 76 607.
07. 77233. 758 538. S6 722. 83 931. 84 96381. 90 751. 91 60h. 92 2535. 91 529.
Im Verein Berliner Künstler, in der Kommandanten⸗ straße, kommt Anfang Februar das Kolossalgemälde von George Rochegrosse in Paris: „Ja Jaquerie“ (Episode aus dem fran⸗ zösischen Bauernaufstande 1358) zur Ausstellung. Das Werk dieses vielversprechenden Geschichtsmalers realistischer Richtung zeigt uns das Eindringen eines wüthenden Bauernhaufens in das Innere eines mittelalterlichen Schlosses, wo sie die Familie des eben ermordeten Schloßherrn in Todesangst zusammengedrängt finden und ihr dessen Haupt und Herz auf Piken gesteckt zeigen. Es wird an dem Bilde, dem „Die Verfolgung des Vitellius! und „Die Einnahme von Troja“ vorausgingen, das große koloristische Talent und die dramatische Energie des Autors gerühmt.
Bremerhaven, 23. Januar. In der gestrigen Abendsitzung der Sektion für Küsten- und Hochsee-Fischerei sprachen der Stadtdirektor Gebhard von hier und Dr. Vogt aus Hamburg über das Genossenschaftsprinzip bei der Küstenfischerei, insbesondere bezüglich des Versicherungswesens sowie bezüglich der Hebung der Fangergebnisse. Der Vorsitzende dankte darauf den Erschienenen für ihr Aus⸗ harren, den Vertretern der verschiedenenß Regierungen für die Ehre, die sie der Versammlung erwiesen, und der Stadt Bremerhaven dafür, auf deutscher Erde an dem Thor der Welt, wie es die Weser sei, Gastfreundschaft und herzliches Zusammensein in echt deutscher Art ge⸗ nossen zu haben. Darauf ergriff der Stadtdirektor Gebhard⸗Bremer⸗ haven das Wort und wünschte den Anwesenden eine gute Reise und daß sie den Hafen, den sie jetzt verließen, in gutem Andenken halten möchten, weil die Verhandlungen hoffentlich zu einem guten Ende führen würden. Hiermit schloß die erste Versammlung der Sektion für Küsten⸗ und Hochseefischerei.
Deutsches Theater. Die nächste Aufführung des KRãthche von Heilbronn“ kann erst am Montag, den 1. Februar, stattfinden.
Krolls Theatzerr. Wie uhns Or. Kemmissigng-Rath Enge mittheilt, hat derselbe vom 1. Mai d. J. ab die Oekonomie sein Etablissements an Hrn. Walterstein verpachtet, wird aber nach 8. vor das gesammte Gtablissement in eigener Hand behalten. Die großen, schönen Säle des Etablissements sollen an den Tagen, n denen weder Vorstellung noch Cengert im Theater stagttfindet, i weiterem Maße als bisher an Festunternehmer und Gesellschafte vergeben werden.
Besten eines Fonds zur Exxichtung eincz
für Friedrich Kiel fand gestern in der un der Königlichen Kriegs-⸗Akademie ein Concert det unter der Leitung des Hrn. Dreßler stehenden Da menchorz statt. Der mit würdigster Pracht ausgestattete, imponirende Sanl mit den meisterhaft ausgeführten Bildnissen der Hohenzollernfũrste geschmückt ist, und in dem Freskogemälde der Decke, das lorbeen— umkränzte Porträt Sr. Majestät des Kaisers, von Siegestrophʒen umgeben, sowie an den Seiten und kostbare Marmorgruppen uuf hohen Granitsäulen zeigt, welche die Kriegswissenschaften, den amy und den Sieg darstellen, war von etwa 500 Personen, meist Mitglieden aristokratischer Familien besetzt. Ein von Ernst von Wildenbruch gedichteter Prolog eröffnete das Concert und hob in schwungvollen Versen hervor, wie die deutsche Nation nicht nur das Streben zeige durch Stärke und Machtentwicklung ihr Recht den Feinden geen b zu wahren, sondern auch stets die Förderung der Künste im Auge be halte, die auch selbst in den Tagen des Kampfes für Recht und Chr.= nicht vernachlässigt worden seien. Nach diesem, von dem Premier, Lieutenant von Barby vorgetragenen, mit großem Beifall aufgenommenen Prolog begann das Concert mit dem von W Bargiel für Frauenchor mit Orchesterbegleitung komponirten Psalm „Der Herr ist mein Hirte' Um die für eine polyphone Gestaltung knappe Grenze des Frauen. chors nirgends fühlen zu lassen, hat der Komponist die Pe— gleitung überwiegend den tieferen Streich⸗Instrumenten zuertheil (Bläser und erste Geiger traten in den Hintergrund), so daß die Klangwirkung den schönsten Eindruck machte. Das hierauf folgende „Vere languores“, von Lotti, für dreistimmigen Frauenchor (a cap. bella), wurde, gleichwie der Psalm, mit tiefster Empfindung, edlem Stimmenklang und reinster Intonation vorgetragen. Frau Dr. Fuchs, Fil. von Böcklin und Frl. von Schenck führten die Solopartien vortrefflich aus An das Lotti'sche Werk reihte sich ein Duett aus Kiels bekanntem Oratorium „Christus“, von den Herren Premier-Lieutenant von der Marwitz und Rittmeister Willich, gen. von Pöllnitz, mit klangvollen, kräftigen Stimmen und edlem Ausdruck vorgetragen. Einen tief an— dachtsvollen Eindruck machte der Altchor aus demselben Oratorium. — Der 2. Theil des Concerts bestand aus dem „Stabat mater“ von Pergolese, für Frauenchor mit Quintett und Orgelbegleitung lompo— nirt, welche letztere durch ein Harmonium ersetzt war. Die bereitz gerühmten Vorzüge des Chors kamen hier ganz besonders zur Geltung, und waren die Sololeistungen der Frau Marie Schulz⸗Hauß— mann und der Frau von Rohr-⸗Levetzow, selbst strengen künstlerischen Anforderungen gegenüber, vorzüglich zu nennen. Lebhafter und wohl— verdienter Beifall begleitete alle Leistungen des Chors, der von seinem Dirigenten, Hrn. Dreßler, energisch und umsichtig geleitet wurde. An der sehr diskret ausgeführten Orchesterbegleitung hatten sich mehrere Kammermusiker der Königlichen Kapelle betheiligt.
Das II. Abonnements-Concert der Herren Emil Sauret und Heinrich Grünfeld, welches am Sonnabend in der Singakademie stattfand, erhielt durch die Mitwirkun des vielgenannten französischen Pianisten und Komponisten Camille Saint⸗Sasns noch ein ganz besonderes Interess. Ein Quartett für Pigno, Violine, Viola und Cello am Anfang und eine Sonate für Piano und Violine am Schluß det Programms boten demselben, wie am vorhergehenden Philharmonie— Abend, Gelegenheit, sich in beiden Eigenschaften zu bethätigen. Das Quartett sowohl wie die Sonate zeigten in ihren je 4 Sätzen den Komponisten als einen vielseitig durchgebildeten, geistvollen . welcher namentlich in der Harmonisation Originelles leistet, der aber mit seinen raffinirten Effekten etwas Berechnetes und Ausgeklügeltet an sich hat, während die melodische Erfindung nur spärlich fließt und, wo sie auftritt, entweder deutliche Reminiscenzen an deutsche Meister (darunter sonderbarer Weise gerade derjenige am unverkennbarsten, den er als Schriftsteller am bittersten befehdet hat) zeigt oder gar Themen aufnimmt, welche ihrem ganzen aufdringlichen Charakter und Rhythmus nach weit eher in das niedrige Genre der Operetten= als in das der Kammermusik passen. Einen eigenthümlichen Kontrast hierzu bilden dann die in fast jedem Satz wiederkehrenden Stellen, in denen der Komponist in kokett geistreichelnder Weise seine kontrapunkkischen
Zum
Denkmals
Kenntnisse entfaltet, die uns aber trotzalledem die Ueberzeugung von
schöpferischem Vermögen und wahren künstlerischem Ernst nicht zu der schaffen vermögen. Dieselbe Kühle und Berechnung wie seine Kompoösi— tionen zeigt Hr. Saint-Saöns auch in der Behandlung des Piano; man kann wohl sagen, daß ihn an Fingerfertigkeit in der Ausführung von Oktavengängen, Ausgeglichenheit der Triller und anderen technischen Vor— zügen kein lebender Pianist übertrifft, aber auch keiner von diesen an er⸗ kältender Wirkung trotz aller stupenden Brillanz. Das scheint auch der Grund zu sein, weshalb Hr. Saint-Saëns nicht gern solo spielt. Bei der, übrigens vorzüglichen, sehr präzsen und klaren Aus, führung des Quartetts hatte sich den Concertgebern als Bratschit Hr. Tor Aulin zugesellt. Das interessante Scherzo trug den KUusführenden sowohl wie dem Komponisten vielen Beifall ein. — Die beiden Concertgeber ließen sich sodann auch noch in Solo— nummern hören. Hr. Sauret hatte, wohl um mit feinem Takt iht durchaus neutrale Stellung anzudeuten und Zwischenfällen, wie si durch das Erscheinen des Pariser Gastes am vorhergegangenen Phil— harmonie-Abend veranlaßt worden, von vornherein vorzubeugen, eine Bearbeitung des „Charfreitags⸗- Zaubers“ aus dem „Parsifal“ von Richard Wagner, für Violine mit Klavierbegleitung, auf das Programm gesetzt. Der ausgezeichnete Geiger trug dieselbe mit so seelenvollem Ton und . ergreifendem Ausdruck vor, daß ihm der Dank nicht nur aller Wagner-Verehrer, sondern Zu Derjenigen gesichert war, welche die Schönheit und durchsättigte Wärme recht zu ,. wissen, die ihn von der kalten, süßlichglatten Manier des erst kürzlich an gleicher Stelle gehörten Sarasate so vor= fheilhaft unterscheidet. Seine vorzügliche Technik und Virtuosität be wies Hr. Sauret sodann noch mit der brillanten Ausführung des mi Flageolet⸗Spiel⸗Kunststücken gepfefferten polnischen Liedes von Wieniawski, welchem er auf Verlangen als drittes Stück noh den von ihm nach Griegs Kompofition bearbeiteten „norwegischen ö folgen ließ. — Hr. Grünfeld, der nicht minder beliebt:
dellist, spielte eine Romanze von Volkmann und eine von den charal.
teristischen Maskenball⸗Scenen von Popper. Auch er. md in diesen Piecen Gelegenheit, seinen prachtvollen Gesangston gleichwit seine technische Fertigkeit zu entfalten und erntete vielen Beifall. Die Sängerin, Frl. Hermine Kopp aus Christianig, welche in dem Concert mitwirkte, trug mit sympathisch⸗ausdrucksvoller, aber in de Mittellage leider etwas angegriffen klingender Sopranstimme Lieder von Schumann und norwegische Lieder von Grieg vor, unter denen ihr das mit schöner Wärme gesungene „Jeg elsker dig“, von dem Letztgenannten, verdiente Anerkennung eintrug.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Scholz).
Fünf Beilagen . (einschließlich Börsen⸗Beilage). (17
Berlin: Druck: W. Elsner.
Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Montag, den 25. Januar
1886.
M 22.
Aichtamtliches. Prenszen. Berlin, 25. Januar. In der vorgestri— en 32. Sitzung des Reichstages lagen bei der Brau— enge zwei Resolutionen vor: die von den Abgg. Zeitz⸗ Ulrich, daß bei der Bierbereitung andere Stoffe zum Ersatz von Malz nicht . und die von dem Abg. Auer, daß nur Wasser, Malz, Hopfen und Hefe verwendet werden dürfen.
Hierzu äußerte sich der lbg. Ulrich folgendermaßen: Die gestern von dem Abg. Zeitz erwähnte Petition des Leipziger und Thüringer Brauervereins sei von 445 Bierbrauern Sachsens und Thüringens unterschrieben, und eine zu seiner Freude ihm heute zugegangene Zuschrift des österreichischen Brauerbundes „protestire auf das Entschiedenste gegen die Ein— schmuggelung des FremdlingsMaltose“ in die österreichischen Brauereien und gegen die Zudringlichkeit, mit welcher die Speku— lation das Malzsurrogat einer bisher gesunden Industrie aufdränge, um diese zu ruiniren. Der Ausschuß werde kein Mittel unversucht lassen, um von der österreichischen Brauindustrie die rode Hefahr abzuwenden, und werde, wenn nöthig, selbst die Hülfe der Gesetzgebung anrufen.“ Der Bund verwahre sich also im Voraus gegen die Maltose, die von den rheinischen, west— fälischen und hessischen Brauern für gefährlich erklärt werde. Die Resolution unterscheide sich nur darin von der des Abg. Auer, daß sie nicht so weit gehe, weil man es mit dem Brau— steuergesetz om 31. Mai 182 zu thun habe, in dem von Hopfensurrogaten nicht die Rede sei. Der deutsche Brauerbund gehe aber sogar noch weiter. In seiner Petition an den Reichskanzler wünsche derselbe jenes Gesetz dahin zu ändern, „daß es ein Verbot aller Surrogate, also die Vorschrift ent⸗ halte, daß Bier nur aus Malz, Hopfen, Hefe und Wasser herzustellen sei und als Klärungsmittel nur die mechanisch wirkenden, ausgelohten Buchen- oder Haselholzspähne ver— wendet werden dürften. Ferner, daß die Aufbewahrung von Malz oder Hopfensurrogaten in zu der Brauerei gehörigen Räumen ebenso strafbar sei, wie die Anwendung anderer Zusätze überhaupt, und daß etwa durch Kaiserliche Verordnung eine Vorschrift erlassen werde, daß den zum rn snuf bestimmten Bieren, nachdem sie die Brauerei verlassen, irgend welche andere d. h. fremde Stoffe nicht zugesetzt werden dürften; daß endlich das Verkaufen, Feilhalten und öffentliche Anpreisen von Malz⸗ und Hopfen⸗ surrogaten verboten sei.“ Leider habe er (Redner) zu spät erfahren, daß eine Kommission des Hauses unter Mitwirkung der Geheimen Räthe Boccius, Pochhammer, Struck und Mayr 1881 bereits einen Gesetzentwurf, wie den von den Antrag— stellern gewünschten, ausgearbeitet habe, der damals nicht mehr erledigt, aber später vom Abg. Goldschmidt wieder aufgenommen worden sei. Der Staats⸗Minister von Scholz sei mit ihm ganz einverstanden gewesen, habe sich aber nicht veranlaßt gesehen, einen solchen einzubringen, wenn nicht eine Erhöhung der Brau⸗ steuer damit verbunden wäre. In den seitdem verflossenen 6 Jahren sei die Regierung mit dieser Erhöhung nicht an das Haus gekommen, und er (Redner) hoffe, sie werde überhaupt ganz davon Abstand genommen haben, da ja die Bierproduk— lion und der Export so erfreulich gestiegen seien, daß eine Steuererhöhung ein Unglück wäre. Von 1882—85 sei die Brausteuer um 2 Millionen, die Uebergangsabgabe um mehr als 400 000 S gestiegen. So wachse diese Industrie, und mit ihr müsse die Einnahme des Fiskus wachsen, wenn das Publikum ein immer größeres Vertrauen zum norddeutschen Vier fasse und das Biertrinken zunehme. Der 5§. 4 der Aus— führungsbestimmungen des erwähnten Gesetzentwurfs, dessen Wiederaufnahme er empfehle, müßte freilich dahin geändert werden, daß die Brauer, die nach der Besteuerung fixirt seien, den vorher zu viel bezahlten Betrag zurückerhielten, wenn sie weniger verarbeitet hätten, ebenso wie sie im entgegengesetzten Falle nachzahlen müßten. Die verbündeten Regierungen möchten dem Hause doch noch in dieser Session den neuen Gesetzentwurf vorlegen!
Der Abg. Auer erklärte, der Antrag seiner Partei gehe noch etwas weiter, als der von den Abgg. Zeitz und le ch ein weit verbreitetes Genußmittel des Volkes, dessen weiteste Verbreitung man nur wünschen könne, solle vor betrügerischen Fälschungen gesetzlich geschützt werden, da die Zahl der Mal— tosefabriken fortwährend steige. Diese und ähnliche Surro⸗ gate seien dabei noch nicht die schlimmsten. Das im Volke verbreitete Wort von der Dividendenjauche werde nur all— zusehr durch brutale Thatsachen bestätigt. Unter den Zurrogaten für Hopfen sigurirten u. A. auch Belladonna, Fuchsinsäure, Bitteröl, Quassig. Diese seien doch wenig— stens reinliche, wenn auch zum Theil giftige Stoffe. Bei dem Ilycerin aber, einem Malzsurrogat, handele es sich um einen Urstoff, den man anständiger Weise nicht definiren könne. Nach dem Urtheile eines Fachmannes finde in Folge des Genusses solcher Biere eine kontinuirliche Vergiftung der Biertrinker statt. Der Genuß solchen Bieres erzeuge Kopfschmerz, Uebel⸗ keiten, Unwohlsein und Krankheiten aller Art, dagegen unverfälschtes Malzbier Heiterkeit, Munterkeit, Wohlbefinden und Wohlsein. In der schlechten Kartoffel lägen Clemente, aus welchen durch Gährung das Kartoffelfuselöl entstehe, das Betäubung und schließlich delirium tremens er— jeuge. Nun würden vielleicht die Anhänger der freien Kon⸗ urren gegen den Antrag einwenden, daß der Wettbewerb der ban fh, Brauereien mit den norddeutschen diese zwingen werde, ebenfalls Bier nur aus Hopfen und Malz zu bereiten. Bis jetzt sei davon noch nichta zu verspüren. Der Genuß des ächten bayerischen Bieres greife in Norddeutschland immer mehr um sich. Der Preis desselben — 60 3 pro Liter — sei aber so kolossal, daß der Arbeiter ihn nicht zahlen könne, in Anbetracht dessen, daß für den gewöhnlichen deutschen Durst ein Liter ein verhältnißmäßig kleiner Tropfen sei. Man könne deshalb nur wünschen, daß man durch die ,,, dazu komme, daß ein annähernd gutes Bier wie in Bayern gebraut werde. Dort habe sich freilich die Gesetzgebung schon por Jahrhunderten mit der Zubereitung guten und reinen Biers beschaftigt. Nach der Bierordnung von 1680 sollte Bier nur aus ien, Gerste und Wasser bereitet und der Fälscher durch den Ma i ichen an Leib und Gut gestraft werden. Möchte es doch auch in Norddeutschland Malefizrichter geben, welche
den Malefikanten urch den Genuß seines eigenen Getränks an Leib und Leben straften. Er wisse ja, daß nach einer Reichsgerichts-Entscheidung Bier auf Grund des Nahrungs— mittelgesetzes nur aus Malz, Hopfen, Hefe und Wafsfer ge⸗ braut werden solle. Aber diese Entscheidungen seien noch keine Gesetze, und der alte Schlendrian bestehe fort. Im Jahre 1879 sei hier schon der Versuch einer Abhülfe gemacht worden. In der Brausteuervorlage sei bestimmt worden: bei der Bierbereitung dürften zum Ersatz von Malz andere Stoffe nicht ver⸗ wandt werden. Dann aber heiße es: der Zusatz von Malz— surrogaten, nachdem das Bier die Brauerei verlassen habe, falle nicht unter dieses Gesetz. Dieser Nachsatz lasse die Schmiererei frei, besonders den Zusatz von Chemikalien. All⸗ gemein werde angenommen, daß der Zusatz von Salizylsäure . Exportbier nothwendig sei. Für das stark einge⸗ graute bayerische Bier bei entsprechender Temperatur gelte dies nicht. Es vertrage selbst den Seetransport. Ebenso herrsche unter den Brauern selbst, welche sich für die Einführung des Surrogatverbots interessirten, Uebereinstimmung darüber, daß auch obergähriges Bier aus Malz und Hopfen bereitet werden könne. Doch würde sich hier eventuell eine Ausnahme statuiren lassen. Ein Bedenken gegen ein gesetzliches Surrogatverbot sei aber schwer— wiegender: daß die Reichsregierung diesen Anlaß zu einer Erhöhung der Biersteuer benutze. Er hoh! aber, daß die Regierung im Interesse ihrer Popula⸗ rität sich hüten werde, dieses Volksgetränk noch mehr zu besteuern, und dann sei ja auch noch das Veto des Reichstages da. Die Furcht vor einer polizeilichen Bevor⸗ mundung sei beim Bier nicht am Platze. Wenn die Polizei vor weiter nichts „schützte“, als vor dem schlechten Bier, dann wäre sie die nützlichste Institution. In Bayern wenigstens herrsche immer helle Freude, wenn auf dem Lande der Polizist schlechtes, sauer gewordenes Bier auf die Gosse gieße.
Der Abg. Dr. Greve erklärte, er als Arzt fühle sich in seinem Gewissen durch die Ausführungen der Vorredner ge— troffen und müsse ihnen widersprechen. Wo bleibe denn die ganze Ernährung des Volks, wenn man jedem Brauer einen Gendarm in die Tasche stecke? Wo blieben die Aerzte, die so oft den unbemittelten Rekonvaleszenten das billigste Bier, d. h. z. B. den Berlinern das Weißbier empföhlen, wenn die Surrogate verboten würden! Weißbier werde ja nicht allein aus Malz uns Hopfen bereitet. Wo blieben die Elsaß— Lothringer mit ihrem Reisbier. Wenn der Vorredner ferner auf die unappetitliche Entstehungsgeschichte des Glycerins ver— weise, so sei doch auch z. B. die ,, des Schinkens nicht gerade appetitlich! Die Bierproduktion in Bayern, wo die Surrogate verboten seien, habe ferner im Vergleich zu der Bierproduktion in Norddeutschland nicht zu— genommen, sondern sogar abgenommen. In Norddeutschland seien von 1876 bis 1884 21, Millionen Hektoliter mehr, in Bayern während derselben Zeit 80 000 Hektoliter weniger gebraut worden. Aber es gebe doch auch ein Kaiserliches Gesundheitsamt und ein Nahrungsmittelgesetz, nach welchem alle schädlichen Stoffe verboten seien; wo sie gebraucht würden, da solle die Polizei einschreiten. Wenn man aber einen Feldzug gegen die Maltose unternehme, und gegen die Gesellschaft, welche sie fabrizire, so bitte er, doch erst zu be⸗ weisen, daß die Maltose ihrer ganzen Entstehungsgeschichte nach ein gesundheitsschädliches Produkt sei. Sie werde aus Stoffen bereitet, die ganz gesund seien, aus gekeimter Gerste und stärkemehlhaltigen Körnern. In manchem anderen Zusammen— hange möge es ja nicht gesund sein, aber ganz verbieten könne man doch das Fabrikat nicht. Er halte gerade jetzt den Zeit—⸗ punkt für diese Frage nicht geeignet. Die Reichsregierung werde sagen, wenn man so viel Beschwerden erhebe gegen — wie der Vorredner sage — die Malefizkerls von Brauern und Rich— tern, die vielkeicht auch nicht schützen könnten, dann werde der Reichsfiskus sagen, dann wolle er die Sache ganz allein machen und dieses Gewerbe monopolisiren, das sei doch die beste Garantie gegen all diese Beschwerden. Den Standpunkt der Sozialisten finde er (Redner) ja ganz logisch, sie müßten ja auf Monopolisirung aller Gewerbe kommen, daß dann Alle aus einem Topf, der polizeilich gekocht werde, äßen und gesundheitsmäßig verpflegt würden. 6 gerade bie Rational⸗ iberalen an der Spitze der Agitation gegen die Surrogate ständen, wundere ihn um so mehr, als se sich doch mit dem Monopol noch nicht so befreundet hätten, wie Viele fürchteten. Wenn Alles richtig sei, was der Abg. Ulrich vorgebracht habe, dann verdenke er es der Reichsregierung nicht, wenn sie auf das Monopol verfalle. Erwähnt habe er (Redner) die Sache hauptsächlich, weil er bei den Tarifdebatten gegen den Gersten⸗ zoll gesprochen habe. Verbiete man alle Surrogate, dann müsse man auf der Rechten auch nothwendig den Gerstenzoll aufheben. Denn das sei auch u bistis festgestellt, daß 45 Prozent der Braugerste aus dem Auslande bezogen würden. Der Abg. Auer habe schließlich auch gegen Salizylsäure polemisirt, mit ihr solle nichts mehr verschickt werden. Ja dann müßten die Abgeordneten, welche manchmal an Rheumatismus litten, auch nicht mehr salizylsaures Natron gegen dieses Leiden nehmen, dann solle man überhaupt alle Medikamente verbieten. Heute nur diesen kurzen Protest, er . für die dritte Lesung vor, näher auf die Sache einzugehen.
er Abg. Zeitz wies die Angriffe der Vorredner zurück und vertheidigte das Braugewerbe namentlich gegenüber den Verdächtigungen des Abg. Auer. Der ,, Brauer solle nur mit gleichem Maße, wie der süddeutsche, gemessen werden. Das 9 der ganze Zweck des Antrages.
Der Abg. Dr. Braun war der Ansicht, diese Frage ö. weniger als alle anderen mit dem Parteistandpunkt i thun. Es komme lediglich darauf an, ob man mit den vorgeschlagenen Mitteln den erstrebten guten Zweck erreiche. Er wolle weder im Namen der Produzenten . der Konsumenten sprechen, namentlich nicht der letzteren; denn sein Antheil an der Bier⸗ vertilgung sei sehr gering. Es werde ja immer gutes und schlechtes Bier geben; wenn man aber die Anklagen höre, die hier gefallen seien, wenn die Brauer selbst voll tugendhafter Ent⸗ ahn gegen alle Surrogate seien, wenn der Abg. Zeitz mittheile, daß die Verwendung von Surrogaten sich beschränke auf 1
oder L/ Proz., und wenn dies Surrogat Reis sei: wozu denn der ganze Lärm? Jedenfalls solle man nicht glauben, daß man die Sache besser mache durch solche Anträge! Die Herren schienen ja gar nicht daran zu denken, daß die Verwendung von gesundheitsschädlichen Stoffen durch das
Strafgesetzbuch mit den schwersten Strafen bedroht sei; nicht
seit gestern erst, sondern schon sehr lange. Sie schienen auch nicht an das Nahrungsmittelgesetz zu denken. Die hier ange— führten Argumente seien dadurch hinfällig, daß die Art der Gesetzgebung, welche man wünsche, schon bestehe und gehand⸗ habt werde. Er habe wenigstens nicht gehört, daß die Behörde die Fälscher encouragire; im Gegentheil strafe sie dieselben so streng, wie die Gesetze es irgend zuließen. Beim Reichsgericht seien die Mehrzahl der Bierfälschungsprozesse gerade aus Bayern, wo doch die Surrogate in Folge der dortigen Steuergesetzgebung überhaupt verboten seien. Ein Brauer sei in erster Instanz von der auf Grund des Nahrungsmittelgesetzes erhobenen Anklage freigesprochen worden, weil sein Bier, welchem nur ein bischen Salicyl ugesetzt gewesen sei, nach der Meinung des ersten
ichters ganz tadellos gewesen sei. Der bayerische Staats⸗ anwalt aber 6 das Rechtsmittel der Revision eingelegt und dasselbe damit begründet, daß das betreffende Gebräu gar kein Bier sei, sondern Salicylsäure, verdünnt mit Bier. Diese eigenthümliche Ansicht habe sich das Reichsgericht nicht anzu⸗ eignen vermocht, habe dieselbe sogar etwas hyperbolisch ge⸗ funden und die Freisprechung bestätigt. Er könne noch mit vielen ähnlichen Beispielen aufwarten. Jedenfalls bemerke er, daß diese Gesetzgebung in Bayern untrennbar zusam— menhänge mit der dortigen Gesetzgebung über Biersteuer und wenn Jemand puncto der Surrogate die baye— rische Gesetzgebung für das Reich vorschlage, so gebe er da⸗ mit zu erkennen, daß er diese Gesetzgebung auch billige. Jetzt kämen dieselben Herren, welche 1878 oder 1879 so heftig der Erhöhung der Biersteuer opponirt hätten, und schlügen dieses Mittel vor, in dessen Perspektive er die Erhöhung und Unifi— fernt der Brausteuer erblicke. Wer den Stein ins Rollen bringe, ei nachher nicht Herr darüber; die Herren, welche die Brauer— petitionen an das Haus brächten und befürworteten, könnten sich nachher nicht mit der Ausrede entschuldigen, daß sie an dem Ausgang der Sache unschuldig seien. Der Pfeil werde, wie so häufig, auch hier auf den Schützen zurückprallen. Daß die Anträge Zeitz und Auer identisch seien, müsse er ganz entschieden bestreiten; der Antrag Zeitz spreche nur von einem Verbot der Surrogate für Malz, der Antrag Auer besage, daß nichts Anderes als Hopfen, Malz, Hefe und Wasser zur Bierbereitung verwendet werden dürfe; also auch jedes Surrogat für Wasser werde hier verboten. Sei das etwa kein Unterschied? Halte man den Gegenstand für wichtig genug, ihn von dem Reichstage in dieser Session, die schon so schwer mit Arbeiten belastet sei und noch schwerer belastet werden werde, verhandeln zu lassen, dann könnten die Herren sich auch die Mühe geben, einen Gesetzentwurf vorzulegen, aus dem man sehen könne, was sie eigentlich im Einzelnen wollten. Diese Anträge sprächen nur fromme Wünsche aus, gingen aber an den großen Schwierigkeiten der Materie stillschweigend vorbei. Auch das Weißbier werde ja unter Surrogatverwenbung her— gestellt, und doch genieße eine Menge vernünftiger Menschen mit Vergnügen und ohne Schaden ihrer Gesundheit Weißbier. Dasselbe sei ja auch ein wichtiger Exportartikel, namentlich von Straßburg nach Frankreich. Auch die Berliner Mitbürger hätten alle Ursache, an ihr Weißbier zu denken. Dasselbe würde auch unterdrückt werden. Es habe kein Konkurrent das Recht, den Anderen umzubringen, wenigstens nicht mit Mitteln der Gesetz— gebung. Möchten sich die Herren Konkurrenz machen, so viel wie sie wollten, und den Unterschied zwischen Nord und Süd in Bezug auf das Bier ausgleichen, aber nicht den Gesetz⸗ geber in den Konkurrenzkampf verwickeln. Er (Redner) habe überall durchklingen hören, wenn das Haus eine solche Resolution annähme, würde das norddeutsche Bier dasselbe Vertrauen genießen, wie das süddeutsche. Nein, so dumm sei die Welt nicht. Sie wisse, daß die Gesetzgeber nicht allmächtig und nicht jede Resolution vollstreckbar sei. Das Vertrauen habe andere Quellen als die ,, Man solle die Resolution ablehnen oder sie an eine Kommission ver— weisen. Besser noch, die Herren arbeiteten einen vollständigen Gesetzentwurf über die Frage aus. Bis dahin halte er sich an das Reichsgesetz über die Nahrungs- und Genußmittel.
Der Abg. Auer verwahrte sich gegen die Annahme, als ob er dem Abg. Zeitz vorgeworfen, er vertrete die Interessen der Großbrauer. Sein Bestreben fei lediglich gewesen, allen Brauern die Schmutzkonkurrenz vom Halse zu schaffen. Wenn der Abg. Braun gemeint habe, daß für die Reichsregierung diese Anträge leicht eine Veranlassung zur Erhöhung der Biersteuer werden könnten, so werde die sozialdemokratische Partei einem solchen Versuche entschiedenen Widerspruch ent— gegenstellen. ;
Der Abg. Buhl bestritt gegenüber den Ausführungen des Abg. Braun, daß die Anträge zu einer Erhöhung der Brau⸗ steuer Veranlassung geben konnten. Der Aufforderung dessel⸗ ben Herrn, ein vollständig ausgearbeitetes Gesetz vorzulegen, könne von Seiten der Antragsteller leicht Folge geleistet wer den. Der Bereitung obergähriger Biere werde durch das Ver⸗ bot der Verwendung von Surrogaten nicht Abbruch gethan ,,. Auch in Bayern würden jetzt obergährige Biere gebraut.
Der Titel wurde genehmigt. Damit war die Berathung des Etats der Zölle und Verbrauchssteuern erledigt.
Es folgte der Etat der Einnahmen aus den Stempelabgaben.
Der Etat setzt an: an Einnahmen aus dem Spiel⸗ karten stempel 1025500 S6; aus dem Wech selst empel 6 457 000 (66; aus der Stempelabgabe für Werthpapiere 1400000 M; für Kauf- und Anschaffungsge 6 — en⸗ st euer) 12 000 007 6 und für Lotterieloose 3 16
Der Etat wurde ohne Debatte genehmigt.
Um 4 Uhr vertagte sich das Haus auf Dienstag 1 Uhr.