1886 / 28 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 01 Feb 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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Gauitãtswesen und Quarantãnewesen.

* Niederlande.

Zufolge einer im , . Staats. Courant veröffentlichten

rfügung vom 25. Januar 1886 hat der Königlich niederländische

inister des Innern die unterm 9. dess. M. erlassene Verfügung

896 nzeiger- Nr. 14 vom 16. Januar 1886), durch welche der

afen von Venedig für von Cholera versencht erklärt worden ist, wieder aufgehoben.

Berlin, 1. Februar 1886.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute 3 esetzten enn der 4. Klasse 173. Königlich preu . Klassenlotterie fielen:

5 Gewinne von 15 000 S auf Nr. 5226. 9868. 11827. 15 657. 60 607. ;

39 Gewinne von 3000 66 auf Nr. 1079. 6365. 7034. 71883. 10 663. 14696. 22 808. 23 309. 25 025. 31 007. 31 231. 34506. 42 804. 44677. 45 359. 47475. 49314. 53 734. 51 979. 53 851. 54579. 57 300. 60991. 61 312. 63 635. 69 932. 75446. 75971. 76 842. 81 434. S4 380. S4 826. 87 370. S9 552. 89 642. 90 881. 92041. 92571. 15 Gewinne von 1500 0 auf Nr. 8151. 12 140. 12 644. 13 606. 15 184. 17 864. 19 867. 20 598. 23 739. 26571. 27772. 28038. 29534. 30081. 32 707. 33 796. 35059. 36498. 37981. 44039. 45 306. 45513. 48184. 49 285. 50 526. 50 896. 50 965. 51 730. 53 126. 55 718. 61 904. 63 134. 66117. 69938. 70 708. 71 155. 75219. 76099. 82 178. 86 588. S8 640. 92 0783. 92 586. 92 890. 94 465. I6 Gewinne von 550 S6 auf Nr. 1691. 2082. 2231. 4149. 5673. 6328. 7010. 8848. 9616. 12 420. 12 641. 12 844. 14 798. 16381. 17409. 18317. 21 070. 23 425. 24686. 27116. 27 724. 29 768. 34615. 35 566. 36 063. 36 477. 38 622. 38 652. 40 339. 43907. 44761. 46 792. 46914. 47145. 50 352. 51 063. 51 097. 52 064. 52 169. 56 683. 57210. 59131. 59465. 59 665. 60327. 60978. 62668. 64 595. 65 337. 66 808. 68 433. 68 925. 70002. 70396. 74 088. 75 884. 76 446. 79 874. S0 218. S0 898. S2 512. 83079. 83 396. 83991. 84455. S5 017. S5 127. 87 368. 87 y 88 434. 88 437. 90949. 91274. 91 635. 93307. 94 606.

Inventar der Bau- und Kunst-Denkmäler in der Provinz Brandenburg.

Im Auftrage des brandenburgischen Provinzial-Landtages bearbeitet

von R. Bergau. Berlin 1885. Vossische Buchhandlung

(Strikker). Gedruckt bei U. E. Sebald in Nürnberg. XX. und 814 S. hoch Quart.

Die erste amtliche Anregung zur Aufstellung eines Inventars der Kunstdenkmäler in der Provinz Brandenburg geschah durch Schinkel in einem an das Ministerium des Innern gerichteten Schreiben der QAber⸗Bau⸗Deputation vom 17. August 1815. Die Ausführung dieses Gedankens blieb aber dem letzten Jahrzehnt vorbehalten, nachdem durch eine gleichartige Arbeit die alte Idee neue Nahrung empfangen hatte. Im Jahre 1870 erschien nämlich das durch den Oberpräsidenten von Möller veranlaßte, von W. Lotz und H. von Dehn-Rot⸗ felser bearbeitete, mit Unterstützung des Kultusministeriums gedruckte Verzeichniß der „Baudenkmäler im Regierungsbezirk Kassel“, welches auf dem Nebentitel als Theil eines „Inventarium der Baudenkmäler im Königreiche Preußen“ bezeichnet ist. Ein Erlaß des Kultus⸗ ministeriums vom 11. Juli 1870 an den Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg ersuchte denselben, seine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, ob die Ausarbeitung und Veröffentlichung eines ähnlichen Inventares für die Provinz Brandenburg herbeigeführt werden könne. In der olge trat der Oberpräsident von Jagow mit dem Vorstande des Berliner Architektenvereins und mehreren Alterthumsfreunden in der Provinz Brandenburg in Verbindung, um den Plan des Werkes fest⸗ zustellen, und ersuchte den Landesdirektor der Provinz Brandenburg von Levetzow, die Angelegenheit im Provinzialausschuß zur Berathung zu bringen und bei dem Provinzial⸗Landtage die Bewilligung der er⸗ forderlichen Geldmittel zu befürworten. Beide Körperschaften bewilligten mit großer Liberalität die nothwendigen Beiträge zur Herstellung des Werkes, und unter der energischen Förderung des Landesdirektors von Levetzow nahm die Arbeit einen schnellen ö Der Landrath von Quast stellte den ganzen, die rovinz Brandenburg betreffenden Nachlaß seines Vaters, des Konservators der Kunstdenkmäler des preußischen Staates, Ferdinand von Quast, an Abbildungen von Denkmälern zur Verfügung, und im November 1878 wurde der Verfasser, der Architekt und Kunstschrift— steller R. Bergau in Nürnberg, auf die Empfehlung des Berliner Architektenvereins mit der Ausarbeitung des Buches beauftragt.

Nach dem Gutachten des Architektenvereins sollte dem Mittel⸗ alter vorwiegend Berücksichtigung zugewendet und im Zusammenhange mit den Bauten auch den Werken der Kleinkunst besondere Beachtung geschenkt, die Inventarisirung der Denkmäler selbst in Bezug auf Zahl, wie auf Darstellung in Wort und Bild in möglichster Voll— ständigkeit zur Ausführung gebracht werden. Demgemäß besteht das Inventar aus einer kurzen kritischen Beschreibung aller in der Provinz Brandenburg vorhandenen Denkmäler der Baukunst, Bildhauerkunst, Malerei und der verschiedenen Kunstgewerbe, von der ältesten Zeit (prähistorische Funde eingeschlossen) bis auf unsere Tage, soweit solche in kunst⸗ und ,, Beziehung von

erth sind, gleichviel ob sie sich in öffentlichem oder Privatbesitz be—

den. Die Aufzählung knüpft sich an die Orte, denen diese Gegenstände angehören. Die. Folge der Orte (etwa 506) ist alphabetisch. Für jeden einzelnen derselben umfaßt die Inventgri⸗ sation den Nachweis der vorhandenen älteren Gesammtansichten, Be— schreibung des Wappens, der Siegel und der daselbst geprägten Münzen; Notizen über Funde vorhistorischer und römischer Alter⸗ thümer (heidnischer Grabstätten u. s. w.) nebst Nachweisung der Fund berichte; eine übersichtliche Aufzählung der vorhandenen Baudenkmäler, uerst der Befestigungsbauten, dann der Kirchen, Kapellen und Klöster, . der Rathhäuser, Zunfthãuser und Kaufhallen, Brunnen, Brücken und sonstigen öffentlichen Bauwerke, zuletzt der Schlösser und der be⸗ merkenswerthesten Privatwohnhäuser. Bei jedem Gebäude werden auch die in demselben befindlichen Kunstwerke und Geräthe aller Art und in Kirchen gemalte Fenster, Altäre, Kelche. Monstranzen, Kanzeln, Taufsteine, Orgeln, Glocken, Gemälde, Möbel, Leuchter, gewebte Stoffe, Grabmäler, Bücher mit Miniaturen u. s. w. kurz beschrieben und erläutert, aufgeführt.

Entscheidend war dem Herausgeber für die Aufnahme in das Inventar der Kunstwerth eines Denkmals; der geschichtliche oder kulturgeschichtliche Gesichtspunkt ist erst in zweiter Linie maßgebend gewesen. Deshalb sind auch bei der Abbildung die Gegenstände der verschiedenen Kunstgewerbe vorzugsweise berücksichtigt.

So viel über den Plan und die Anordnung des Buches. Im Einzelnen bemerken wir. Die „Provinz“ Brandenhurg ist bei dieser Inventarisation buchstäblich aufzufassen: Die Denkmäler der jetzt zur Provinz Sachsen gehörenden Altmark und der Stadt Berlin sind daher ausgeschlossen worden. Die letzteren haben, soweit sie rein architektonisch sind, bekanntlich in dem vom Berliner Architektenverein

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funden. Eine Inventarisation in dem Sinne und in der Ausdehnung wie die in Rede steh bleibt für den Stadtkreis Berlin noch zu erwarten, und es wäre sehr zu 2 daß sie bald folgen möchte, da 5 fur alle , Provinzen derartige Denkmal verzeichnisse,

Tbeil in 2 icher bildlicher Ausstattung, schon existiren oder

ö Jahren im inen begriffen sind; die Provinz Sachsen hat ereits den elften Kreig in Angriff genommen. Auch das Königreich Sachsen und das Großherzogthum Hessen schreiten erfreulich mit ihrer Inventarisirung fort. . ö

Der Inventarisation selbst (682 Seiten) ist eine Territorial- geschichte (G60 Seiten) und eine Lunstgeschichte der Provinz (80 Seiten) vorangeschickt, dle erste von Richard Schillmann, die letztere vom Herausgeber verfaßt, beide für die Benutzer des Werkes orientirend und instruktiv. Die n gf g fie umfaßt die Kapites: Vorhistorisches, Baumaterial, kirchliche Gebäude, Dekoration der Kirchen, Ausstattung der Kirchen, Nathhäuser, Wohn bänfer, innere Dekoration und Ausß⸗ itung der Wohnhäuser, Wehrbauten, Rolande, Ehrendenkmãler, und

ietet eine systematisch geordnete Uebersicht über die inventarisirten Kunstdenlmäler. Größere Artikel sind folgenden Ortschaften gewidmet: Angermünde, Arnswalde, Babelsberg, Beeskow, Bernau, Brandenburg, Buch, ,, Eberswalde, Frankfurt, Freienwalde, er, , n Klein Glienicke, Gransee, Guben, Havelberg, Jüterbog, Königsberg, Köpenick, Kottbus, Landsberg, Lehnin, Lenzen, Luckau, Mittenwalde, Müncheberg, Perleberg, Potsdam, Prenzlau, Rathenow, Rheinsberg, Ruppin, Sanssouci, Schwedt, Schwiebus, Sorau, Spandau, Tegel, Templin, Teupitz, Trem men. Wusterhausen, Zehdenick. Zinna. Reich und musterhaft ist der Artikel „Brandenburg“. Er umfaßt 100 Seiten Text und 55. Illustrationen und wurde von dem Oberpfarrer E. Wernicke in Loburg geliefert. Königsberg hat 12 Seiten und 13 Illustrationen, Potsdam 30 Seiten, 566. 15 Seiten und 13 Illustrationen; Rathenow enthält die schöne von Glume in Sandstein gearbeitete, 1738 errichtete stehende Statue des Großen Kurfürsten; das Piedestal derselben ist dem der Berliner Reiterstatue nachgebildet. Spandau hat 11 Seiten Text und 19 Illustrationen. Den Freunden des preußischen Königshauses wird viel Interessantes geboten: was man sonst mit Mühe zusammen— zubringen trachtete, findet sich hier vereint knüpfen sich doch an die Bau⸗ und Kunstdenkmäler der Mark vorzugsweise die Erinne⸗ rungen an die Königlichen Personen, welche dieses oder jenes Schloß zum Sitz ihrer Arbeit und Erholung erwählt hatten. Die Stätten, an welchen der große König die glücklichsten Jahre verlebte, sind mit besonderer Sorgfalt behandelt; das freundliche Schloß zu Rheinsberg nebst der Ansicht des . Studirzimmers und des Ein— ganges zum Park, die eigenhändige Federskizze des Plans von Sans— souci wird man mit Dank begrüßen. Sanssouci und seine Kunst— schätze sind auf 34 Seiten besprochen.

Die auf die Denkmäler bezüglichen historisch-topographischen, von erschöpfenden Literaturangaben begleiteten Einleitungen, welche chrono⸗ logisch die baulichen Daten verzeichnen und der Inventarisirung jedes einzelnen Ortes voraufgeschickt sind, verdienen besonders hervorgehoben zu werden. Die Abbildungen sind Zinkotypien. Maßgebend für die Auswahl der Illustrationen war die Ansicht, daß sie im All— gemeinen auf diejenigen Gegenstände von ganz besonderem Interesse zu beschränken seien, welche entweder noch gar nicht oder nicht ge— nügend publizirt worden sind, und auf solche Fälle, in welchen ein Verständniß des Textes ohne bildliche Erläuterung nicht wohl möglich ist. Aber wir vermissen doch ungern die Abbildung von zwei für die Kunst und die Geschichte der Provinz sehr bedeutenden Bauwerken: des ursprünglichen Schlüterschen Baues des Charlottenburger Sn fl (1695 1699) als der ersten größeren Arbeit des Meisters, welche sich nur in einer Titelvignette von Begers Thesaurus Brandenburgensis, Band Ill, findet, und die Abbildung einer perspektivischen Ansicht des alten kurfürstlichen Schlosses zu Potsdam, welche ebenso Felten ist. Wir hätten überhaupt die Entwickelungsstadien der Schlösser zu Potsdam und Charlottenburg, auf welche die preußischen Herrscher so viel Liebe und Aufmerksamkeit gewendet haben, gern durch Grundriß und Façade veranschaulicht gesehen. Die Klosterruine Chorin, welche noch heute von der einstigen Majestät des Baues zeugt, in welchem sieben Markgrafen begraben sein sollen, hätte eine größere Zeichnung und Reproduktion des interessanten Details verdient. Trotz der gedachten Beschränkung ist der illustrative Theil des Werkes reichhaltig genug. In 303 in den Text gedruckten, meist in großem Maßstabe gehaltenen Zinkotypien und auf 11 Tafeln (zum Theil Farben- und Lichtdruck werden uns Prospekte und Architekturen (Grundrisse, Details und Dekorationen) von kirchlichen und Profanbauten, Kirchengeräthe und Meßgewänder, Epitaphien, Haus- und Wirthschaftsgeräthe, Gan nn,, prähistorische Funde u. s. w. u. s. w. vorgeführt. Dieser vorliegende erste und grundlegende Inventarisirungsversuch liefert den Beweis, daß die Mark Brandenburg, entgegen der bis jetzt allgemein verbreiteten Annahme, noch sehr reich an Denkmälern von künstlerischem, historischem und auch pekuniärem Werthe ist, würdig der Erhaltung und eines besonderen Schutzes. Der Hauptzweck des Buches ist, die Kenntniß von diesen Kunstschätzen allgemein zu verbreiten und damit die Erhaltung der Denkmäler für uns und unsere Nachkommen zu fördern. Wir sind überzeugt, daß jeder Leser, selbst der kritische und verwöhnte, dem Buche seine volle Anerkennung nicht versagen wird. Berücksichtigt man, daß der Verfasser das ganze auf 734 Quadratmeilen und in 3366 Ortschaften zerstreute Material in dem kurzen Zeitraum von fünf Jahren zum Theil erst selbst gesammelt, dann gesichtet und verarbeitet hat, so werden auch etliche Irrthümer und Lücken eine sehr milde Beurtheilung erfahren müssen.

Der Ladenpreis des Buches ist auf 20 „M festgesetzt. Er steht weder zu den Kosten der Ausarbeitung und Herstellung, noch zu dem, was durch das Werk geboten wird, im Verhältniß.

Der Verband Stolze'scher Stenographenvereine feiert sein diesjähriges Maskenfest am Sonnabend, den z. d. M., in der Berliner Ressource, Kommandantenstraße 57.

Deutsches Theater. Für das Trauerspiel „Die Lorelei“, von LArronge, hat Hr. Philipp Scharwenka zu einzelnen Scenen die Musik komponirt. Die Vorstellung von „Nathan der Weise“ be⸗ ehrten Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz und Se, Königliche . ö Prinz Wilhelm am Sonntag zum dritten Mal mit Ihrer Gegenwart.

Das Wallner-Thegter wurde am Sonnabend unter der neuen Direktion des Hrn W. Hasemann eröffnet. Ein Lustspiel in 4 Akten ‚Sammt und Seide“ von Oskar Blumenthal war zur Er—⸗ öffnung ausgewählt worden und alle Welt sah nach den , und nicht ganz ungerechtfertigten Erfolgen, welche die letzten Stücke dieses Autors im Deutschen Theater 66 haben, der Aufführung dieses Lustspielz mit hochgespannten Erwartungen entgegen. Der Erfolg dieser Premiere entsprach leider diesen Erwartungen nicht. Beifall und Mißstimmung durchwogten den Zuschauerraum in schnellem und buntem Wechsel während des ganzen Abends. Es hat 6 hier wieder gezeigt, daß der Verfasser auf dem Boden des Lustspiels schwer festen i zu fassen vermag, da ihm zwar der beißende Spott, wel

modernen Gesellschaft treffend geißelt, zu Gebote steht, aber der gemüthvolle Humor, welcher zu den dunkeln Schatten die helle, erwär mende Lichtseite bilden sollte, in hohem Grade mangelt. Der Dichter hat in seinem Lustspiel die alten und immer jungen Thor—⸗ heiten der Menschen, die Putzsucht und die Jagd nach dem Golde in abschreckender Form vorführen wollen, und die Hauptfiguren, welche dieses Thema illustriren, die Modedame, welche nur an Sammet und Seide denkt, der Banquier mit seinen niedrigen Neigungen, und be⸗ sonders die bereits modesüchtige Schülerin sind richtig ge— zeichnete Typen, und man wird die feine Beobachtungsgabe Blumenthals auch diesmal, unbedingt, anerkennen. müssen, obwohl er in der gewohnten, oft geistreichen Weise in der Novität nur Charaktere erscheinen läßt, welche uns ausnahmslos wenig sympathisch berühren, und welche theilweise geradezu abstoßend wirken.

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Instand und Empfindung. Die Darsteller erfreuten sich en 6 3. wurden nach jedem Aktschluß von dem Publikum . ach gerufen.

Wie uns übrigens die Direktion heute mittheilt, hat das Stüc bei der gestrigen ersten Wiederholung vor ausverkauftem Hause und geräumtem Orchester einen von keinem Mißlaut getrübten, so ein⸗ wendungslosen und vollen Erfolg errungen, wie er seit langer Zeit keiner Novität gegönnt gewesen ist. „Einige gewagte Einfälle, die be der ersten Aufführung verstimmt hatten, waren von dem Verfaffer in einer Aenderungsprobe geschickt beseitigt worden, und nun blieb de gute Laune der Zuschauer dem Stück bis zum letzten Worte treu Oft stürmte der Beifall mitten in die Scene; nach den Aktschlüssen mußte sich der Vorhang wieder und wieder heben und der Verfasser nicht weniger als fünf Mal auf der Bühne erscheinen. Das Theater= leben bietet seltsame Kontraste, aber einen Gegensatz, wie er hier zwischen der ersten und zweiten Vorstellung eines Lustspiels stattge— funden hat, ist kaum jemals beobachtet worden.“

Im FRriedrich-Wilhelmstädtischen Theater ist die erste Aufführung der Strauß'schen Operette ‚Der Zigeunerbaron auf Freitag, den 5. Februar, angesetzt. Bis dahin wird „Rafacla⸗ von Wolff gegeben.

Belle⸗Alliance⸗Theater. Die gestrige Abschieds— Vorstellung des Hrn. Direktor Lebrun gestaltete sich zu einem großartigen Triumph für den verdienten Künstler. Bei seinem ersten Auftreten jubelnd empfangen und im Verlauf der Vorstellung bei jeder passenden Gelegenheit mit Beifall überschüttet, wollten am Schluß derselben die Hervorrufe kein Ende nehmen. Prachtvolle Kränze und Schleifen, mit entsprechenden Widmungen versehen, wurden dem Meister der Darstellungskunst in großser Anzahl gespendet. Tief gerührt sprach Hr. Lebrun einige Worte des Abschieds, und der Vorhang senkte sich zum letzten Male.

Die Königliche Hochschule für Musik gab gestern in ihrer Aula vor einem eingeladenen Zuhörerkreise eine Matinée, in welcher ausschließlich Kompositionen von Hrn. Heinrich von Herzogenberg, dem Nachfolger im Lehramte Friedrich Kiels, zur Ausführung kamen. Dem genannten Künstler war bereits ein auz—= gezeichneter Ruf vorausgegangen, der sich theils auf eine große Zahl , Werke, theils auf seine Thätigkeit als Stifter und Dirigent des Bach-Vereins zu Leipzig gründet: ein Ruf, der nach dem gestern Gehörten in vollem Maße berechtigt erscheint. Die beiden hervor⸗ ragendsten Kompositionen bestanden in einem Trig für Violine, Viola und Violoncell von den Herren Prof. Joachim, Wirth und Lüdemann mit höchster Vollendung vorgetragen, und einem Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott, mit gleicher Meisterschaft von den Herren Prof. Barth. Wieprecht, Pohl, Lehmann und Liebeslind ausgeführt. Das Trio beginnt mit einem originellen kurzrythmischen Motiv, zu dem ein zweites gesangreiches Thema einen wirksamen Gegen— satz bildet. Das ganze Werk bewegt sich in den Formen der älteren klassischen Meister, und die Klangschönheit steigert sich gegen den Schluß hin so wirksam, daß man ein volles Quartett zu hören glaubt. Daß Quintett, das sich mehr dem Style Brahms' anreiht, ist von höcht imponirender Wirkung: Rythmisches Leben und sichere Beherrschung der gewählten Instrumente zeigend, ist es, von einigen Längen abgesehen, eins der bedeutendsten Werke neuerer Kammermusik. Die Variationen für zwei Klaviere erwarben sich gleich den beiden genannten Werken ungetheilte Anerkennung von Seiten der Zuhörer. ir in kanonischer Form gehaltene Variation, und der darauf folgende Schlußsatz bilden den Glanzpunkt des Werkes, dem die Ausführung durch die Hrrn. Professor Barth und von Petersen sehr zu Statten kam. Unter den deutschen Volksliedern für gemischten Chor, in denen poetische Empfindung mit feiner und lebendiger Behandlung des vier— stimmigen Satzes zu erkennen war, wurden St. Nepomukt' Lieblich hat sich gesellet“ und das launige Lied „Birnbaum“ mit be, sonderem Beifall aufgenommen. Frau Schultzen von Asten trug mit schönem Stimmklang und feinsinniger Auffassung 5 Lieder vor, welche zeigten, wie auch auf diesem Gebiet der Komponist höchst Anerken= nungswerthes leistet. Das reizende Wiegenlied hatte die Sängerin die besondere Gefälligkeit, zu wiederholen. Die Leitung des Concerts hatte Hr. Prof. Joachim übernommen, während diejenige des Chors sich in den sichern Händen des Hrn. Professors Schultze befand.

Am Sonnabend hat im Saale der Sing- Akademie das Concert des Klaviervirtuosen Hrn. Arthur Friedheim statt— , Der geschätzte Künstler ist ein Talent ersten Ranges in Bezug auf technisches Bönnen. Mit unfehlbarer Sicherheit über⸗ windet er die größten Schwierigkeiten und in durchsichtigster Weise dringt jede Figur selbst im schnellsten Tempo zum Ohr des Hörers. Hierdurch allein schon verstand er es, die von ihm gewählten Sachen für das Publikum intereffant zu machen Leider unterstützte der Blüthner'sche Goncertflügel, durch seinen harten Ton den Künstler nicht in seinen Intentionen nach der Seite, des musikalischen Feingefühls hin, fo daß ein Fichere⸗ Urtheil über die entsprechende Fähigkeit des Hrn. Friedheim nicht fällen ist. Es kamen zum Vortrage: Beethoven, 33 Veränderungen über einen Walzer von Diabelli, 9p. 2; Chopin, Sangte op. ö (H-moll), dann zwei Legenden von Liszt und endlich Variationen über den Marsch aus der Oper „Die Puritaner“ von Bellini in den Kompositionen von Liszt, Thalberg, Pixis, Herz, Czerny und Chopin Das zahlreich erschienene Publikum zeichnete Hrn. Friedheim durch lebhaften Beifall aus.

Die Antispiritisten Mr. Hom eg und Mad. Fey finden nicht im allabendlich in ihren öffentlichen Scancen im Krollschen Gt biiffem ent vielen Befuch und. Beifall, sondern sind auch in Pri vatzirkeln ö. esucht. Da dieselben noch mehreren gGinladu n Folge gegeben hahen, so hat das Berliner Publikum Belegen hein diefes virtuofe Künstlerpaar noch öfter bewundern zu können. Die Vorstellungen sind um eine Woche verlängert worden.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholy. Druck: W. Glsnet.

Sieben Beilagen (einschließlich Börsen · Beilage). (63)

Berlin:

en Buche: „Berlin und seine Bauten“ (mit 609 Holz⸗ chnitten und 8 Kupfer⸗ und Kartenbeilagen, 1877) ihre Stelle ge⸗

Der Rechtsanwalt, welcher das Börsenspiel streng verurtheilt, aber

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Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Montag, den 1. Februar

1886.

M* 28.

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Aichtamtlich es.

reußten. Berlin, 1. Februar. Im weiteren Verlauf der . G7.) Sitzung des e er . hob bei Be⸗ rathung des Antrages wegen Einführung des Be⸗ fähigungsnachweises der Abg. Dr. gaumbach hervor, daß auch die gegenwärtige Gesetzgebung für einzelne Erwerbszweige den Befähigungsnachweis erforderlich mache. Es lasse sich sogar darüber reden, ob derselbe nicht auch auf das Bauhandwerk auszubehnen fei. Aber der Antrag Ackermann wolle die Aus— nahme zur Regel machen. Es heiße, daß die Mehrzahl der Handwerker mit dem Vorgehen der Herren Ackermann und Genossen sympathisire. Aber dagegen spreche der nur męhi ge Befuch der großen Handwerker- und Innungstage in, Köln und Berlin. Die Vorgänge, die sich jetzt in Desterreich ab⸗ spielten, sollten von einer Nachahmung der bortigen Gewerbe— gesetzgebung abschrecken, wie sie der Antrag Ackermann ent⸗ halte. Die Abgrenzungen der einzelnen Gewerbe hätten dort zur Folge gehabt, daß ein Zimmerer angeklagt worden sei, weil er einen Sarg angefertigt; ein Steinmetz, weil er die Buchstaben einer Grabschrift vergoldet u. s. w. Mit Bestimmungen, wie sie der Antrag Ackermann enthalte, erschwere man nur intelli⸗ genten jungen Leuten den Eintritt in das Handwerk. Wenn man wirklich für dasselbe etwas thun wolle, so solle man für eine Hebung des Lehrlingswesens durch eine Begünstigung der Fortbildungsschulen sorgen. In dieser Beziehung lägen ernstliche Beschwerden gegen die Handwerksmeister vor. Die Klagen uber den Niedergang der Leistungen des Handwerks seien nicht begründet auch nach dem Urtheil kompetenter Autoritäten, wie des Direktors des Nürnberger Gewerbemuseums, von Stäge— mann. Auch die Leistungen der Kunsttischler, der Buch⸗ binder u. s. w. in Berlin zeugten nicht von einem Niedergang der Leistungsfähigkeit des Handwerks. Einer, gesunden Ge— werbepolitik, welche auf die Stärkung der individuellen Kraft und Leistungsfähigkeit des Handwerkers hinauslaufe, werde auch die liberale Seite des Hauses zustimmen, aber niemals Bestrebungen, die wahrhaft antediluvianisch seien.

Der Abg. Biehl bezeichnete es als einen Fortschritt, daß endlich allgemein ein Nothstand des Handwerks anerkannt werde. Die Leistungen der Kunsttischlerei, der Buchbinderei u. s. w. bewiesen nichts gegen denselben. Man solle einmal in die Keller gehen, wo die Handwerker wohnten, und dann werde man die richtige Auffassung von dem Handwerk bekommen. Der Niedergang desselben datire seit der Einführung der schrankenlosen Gewerbefreiheit. Auch die politischen Gesinnungs⸗ genossen des Abg. Baumbach hielten eine Einschränkung der—⸗ selben für nöthig; man erkläre die Einführung des Befähigungsnachweises für das Bauhandwerk für dis— kutirbar. Das Institut eines Reichs⸗Innungsamtes halte er für nutzlos. Man könne dasselbe jetzt schon haben, wenn man über die Thür des Arbeitszimmers des Raths, welcher das Dezernat für Gewerbesachen habe, schreibe: Reichs— Innungsamt. Den Kredit der Reichsbank auch den Hand⸗ werkern zugänglich zu machen, wäre eine schöne Sache; aber dieselbe werde nicht im Stande sein, den kleinen Bedürfnissen des Handwerks Rechnung zu tragen. Gegen die Verleihung der Rechte juristischer Personen an die Innungsverbände sei nichts einzuwenden; aber die Hauptsache würde doch bleiben eine gründliche Revision der Gewerbeordnung. S. 109 der— selben habe, wie Klagen aus Preußen ergeben, eine sehr un⸗ gleichmäßige Auslegung erfahren.

Der Geheime Ober-Regierungs⸗Rath Lohmann bestritt, daß die preußische Regierung die ihr durch . 1090 e der Ge— werbeordnung übertragene Befugniß willkürlich oder ungleich: mäßig ausgeübt habe. Nur ein einziger Beschwerdefall sei zur Kenntniß der Centralstelle gelangt.

Der Abg. Meyer (Jena) glaubte, daß das ewige Rütteln an der bestehenden Gesetzgebung nicht zum Segen des Hand⸗ werks gereiche. Wenn die Entwicklung des Innungswesens bis jetzt so geringe Fortschritte gemacht habe, so sei das diesem unh d zuzuschreiben. Die jetzige Gewerbefreiheit sei weder schrankenlos, noch ein Produkt der liberalen Gesetzgebung. Der Gewerbeordnung vom Jahre 1869 habe auch die Ma⸗ jorität der konservativen Partei zugestimmt. Daß die Leistun⸗ gen des Handwerks sich gesteigert hätten, sei eine Thatsache. Es sei demselben sogar gelungen, das französische Kunsthand— werk zu überflügeln. Gelange der Antrag Ackermann zur Annahme, so wurden dem Handwerk neue Fesseln angelegt und der Kampf desselben gegen die Großindustrie erschwert werden. Der Antrag Graf Behr sei maßvoller, aber doch in seinem ersten Theile unannehmbar. Dagegen scheine die For— derung, Werkstätten, welche junge Leute nicht als Lehrlinge ,, unter das Fabrikgesetz zu stellen, einen gesunden Kern zu enthalten. . .

Der Abg. Hitze sprach sich für den Antrag Ackermann autz. Nur in der Innung sei die technische und sittliche Aus— bildung des Handwerkers möglich, die für eine gedeihliche Ent⸗ wickelung des Handwerks selbst nöthig sei. Mit dem Rufe „Zwangsinnung“ suche man die Gemüther zu verwirren. Aber das könne die Antragsteller umsoweniger von ihren Forderun⸗ gen abbringen, als die Handwerker sich in ihrer großen Mehr⸗ zahl auf unsere Seite gestellt hätten.

Der Abg. Grillenberger erklärte sich gegen den Antrag Ackermann. Man wolle ben Befähigungsnachweis einführen. Wer aber nehme zuvor die Prüsung der jetzt einzusetzenden n , . ab? Dieselbe werde nöthig sein, da der größere Theil derselben in der Zeit des if fiche h im? roß geworden sei, und gerade unter ihnen dürften der Pfuscher nicht wenige sein. Nur weil sich ein großer Theil der jetzigen Meister unsicher fühle, weil er besorgt sei vor einer intelligen⸗ ten Konkurrenz, werde der Ruf nach Einführung des Befähi⸗ gungsnachweises erhoben, der das Pfuscherthum nicht besei⸗ tigen sondern schützen solle. Das Veispiel Oesterreichs zeige, wohin Bestimmungen führten, wie sie der An⸗ trag Ackermann. bringen molle. Dort sei derselbe Krieg unter den einzelnen Gewerbszweigen ausgebrochen. Der Antrag Lohren sei beachtenswerth; die sozialdemokratische Partei werbe deshalb für Verweisung desselben an die e,, ,,. sion stimmen.

Der Abg. Dr. Papellier hob hervor, daß in Bayern der

größere Theil der Bevölkerung mit Fer jetzigen Gewerbegesetz⸗ gebung durchaus zufrieden sei. Er bitte deshalb, den Antrag Ackermann abzulehnen, der geradezu zu einem Unglück für das Handwerk werden würde. Derselbe richte sich gegen den Schwachen, den Besitzlosen. Schon existire der Kulturkampf man solle demselben nicht noch einen Handwerkerkampf hinzufügen. ; .

Nachdem als Antragsteller die Abgg. von Kleist⸗Retzow und von Reinbaben in einem Schlußwort Lie Einwendungen gegen die von ihnen eingebrachten Anträge widerlegt . . wurden dieselben an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.

Um 6 Uhr vertagte sich das Haus auf Mittwoch 1 Uhr.

In der vorgestrigen (10) Sitzung des Hauses der Abgeordneten erklärte bei Fortsetzung der Berathung des Antrages der Abgg. Achenbach u. Gen.,, betreffend den Schutz der deutsch-nationalen Interessen in den östlichen Provinzen, der Abg. von Tiedemann (La— bischin, der Abg. von Stablewski habe in der letzten Sitzung von einer nackten Machtpolitik gesprochen, von einer Verletzung des Christenthums, der Freiheit, von einer erbarmungslosen Ausrottung, von nationalem Fanatismus, er habe die Antrag— steller mit Nero und Robespierre verglichen. Das seien die bekannten polnischen Schlagwörter, die man in jeder polnischen Zeitung lesen könne. Man sei ja gewohnt, von den Herren der polnischen Fraktion und von ihrer Presse immer wieder dieselben stereotypen Redewendungen zu hören. Es sei eine berechtigte Eigenthümlichkeit dieser merkwürdigen Nation, immer entweder himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt zu sein. Jedes Blatt ihrer Geschichte lehre, daß diese Nation niemals Maß zu halten verstanden habe. Was solle man darauf antworten? Solle er (Redner) den Mund etwa noch voller nehmen? Auf eine Erwiderung der Rede des Abg. von Stablewski könne er vollständig verzichten. Von der Rede des Abg. Windthorst habe er den Eindruck gehabt, daß derselbe mehr als je die dürftige Grundlage seiner Deduktionen durch möglichst gesteigerte lraste nr de ; zu ver⸗ decken gesucht habe. Der Abg. Windthorst wünsche, daß Preußen ihm ein richtiges Feld für seine Politik bieten solle, welche darauf hinauslaufe, die Machtstellung dieses Staates zu zerbröckeln. Redner wolle nicht mit ihm über die Behauptung rechten, daß es in der preußischen Armee ebenso wenig wie im preußischen Civildienst für katholische Beamte kein höheres Avance⸗ ment gäbe, daß die katholischen Offiziere alle an der Majorsecke scheiterten. Eine derartige Behauptung sei vollständig un⸗ schädlich; Jeder, der die preußische Armee kenne, wisse, was er davon zu halten habe: es gebe im Leben Dinge, die kurze Beine hätten. Wenn der Abg. Windthorst sich nicht gescheut habe, das preußische Regiment in der Provinz Posen in eine Linie mit der französischen Fremdherrschaft im Anfang dieses Jahrhunderts zu stelen, so sei dies so ziemlich das Stärkste, was in der Verleugnung des deutschen Nationalgefühls geleistet werden könne. Ja wohl, der Abg. Windthorst habe das gesagt, er habe das Festhalten der polnischen Nation an ihren Bestrebungen ver⸗

lichen mit dem Festhalten der Deutschen zur Zeit der a , Fremdherrschaft am Anfang dieses Jahrhunderts. Wer sich nicht scheue, eine solche Parallele zu ziehen, zeige, daß für ihn der ganze Ernst der Sache im Parteifanatismus verloren gehe. Dann könne es auch nicht Wunder nehmen, wenn sich der Abg. Windthorst zu der ungeheuerlichen Behauptung versteige, daß das Grolman⸗-Flottwelsche Rezept, wie er es ge⸗ nannt habe, die Veranlassung zu den polnischen Insurrektionen von 1846/48 gewesen sei. Der Abg. Windthorst habe neulich von seinen historischen Studien erzählt, auf die Provinz . Posen habe er dieselben wohl nicht ausgedehnt. Redner wolle auf die Geschichte der polnischen Nation etwas näher eingehen. Bei dieser Frage, die heute im Hause am dritten Tage be⸗ handelt werde, handele es sich um einen alten Kampf, der schon tausend Jahre dauere, um die Herrschaft zwischen Deut⸗ schen und Polen in den Gebieten zwischen Elbe und Weichsel, Langsam seien die Polen bis an die Weichsel zurückgedrängt worden, das sei das Resultat einer wiederholt und immer wieder von Neuem aufgenommenen deutschen Kolonisation ge— wesen. Es sei interessant, daß die besten Vorkämpfer für die deutsche Kolonisation die polnischen Könige gewesen seien, welche im 13. Jahrhundert an katholische Orden Grundstücke verliehen . mit der Verpflichtung, deutsche Ansiedler nach sich zu ziehen. So seien in Posen deutsche Kolonien begründet worden, iure et more, nach deutschem Recht und Brauch; da⸗ mals seien die deutschen Klöster in der Provinz entstanden. Damals sei es die katholische Kirche gewesen, welche die deutsche Kultur genOsten getragen und die Ansiedlung deutscher Landwirthe, deutscher Bauern gefördert habe. Die Ansiedelungen der Mal⸗ teser, der Ti nn hätten alle denselben Zweck verfolgt. Im Jahre 1234 sei dem Erzbischof von Gnesen das Recht er— theilt worden, Ansiedlungen als Muster für andere zu gründen. Schon um das Jahr 1300 hätten die Cisterzienser Klöster mehr als 20 deutsche Ortschaften besessen; die Dominikaner, die Benediktiner hätten gleichfalls deutsche Orden gegründet. Eine zweite Periode deutscher Kolonisationen in Polen sei die Zeit der Reformation gewesen. Redner freue sich immer, wenn er in der polnischen Geschichte einem Lichtpunkt begegne. Ein solcher Lichtpunkt sei die Zeit der Reformatien gewesen. Während in anderen Ländern die Konfessionen sich feindlich egenübergestanden, sich mit dem Schwerte bekämpft hätten, 6. damals in Polen vollständige Religionsfreiheit geherrscht. Damals seien den Protestanten gleiche Rechte mit den Katho⸗ liken eingeräumt worden. Unter Sigismund J. und Sigismund !I. sei eine Menge protestantischer . die in Deutschland flüchtig geworden wären, nach Posen gezogen und habe sich dort niedergelassen. Da, im Jahre 1570, habe die Einwanderung der Jesuiten stattgefunden, und mit dieser Einwanderung sei eine Zeit der Verfolgung und des Religionshasses eingetreten. Damals sei sogar ein poölnisches Gesetz erlassen worden, wel ches die Chen zwischen Protestanten und Katholiken für null und nichtig uitfe⸗ abe. Andere Zustände seien noch prägnanter

gewefen. Der Abg. Enneccerus, habe gestern ein amtliches Schriftstück der Bromberger Regierung verlesen, welches eine

Schilderung enthalten habe, wie es zu Zeiten Friedrichs des Großen in Posen ausgesehen habe. Redner müsse das Bild noch vervollständigen, denn was er mittheilen wolle, sei so charakteristisch für die Entwickelung des polnischen Staates und für die heutigen Zustände, daß er näher darauf n m. müsse. Kein Land, kein Staat der Welt biete ein so wunderbares Bei⸗ spiel ungleichartiger Bevölkerung wie Polen. Man sehe da eine kleine Schaar von herrschenden Familien, während sich die ganze übrige Bevölkerung in der ärgsten Sklaverei befinde. Die Bedrückung des polnischen Bauernstandes durch den Adel reiche bis in die älteste Zeit hinein. Ein alter Chronist er— zähle, daß die Bauern einmal zu Kasimir II. gegangen seien und über den Adel geklagt hätten. Der König habe ihnen zur Antwort gegeben: „Ja, lieber Bauersmann, ich vermag Dir nicht zu helfen, hilf Dir selbst.“ Aber die damaligen Zustände seien noch golden gegen die späteren gewesen. Der König sei schließlich nichts weiter mehr als der primus inter pares und von den Adligen abhängig gewesen, deren einfaches Veto seine Be— schlüsse habe verhindern können. In der General-Konföderation von Warschau 1573 hätten die Adeligen durchgesetzt, daß sie über ihre gesammten Ortschaften, ihre Eingesessenen auf ihrem Grund und Boden unbeschränktes Strafrecht erhielten. Eine Klage gegen den Adel sei vollkommen hoffnungslos gewesen, denn der Adlige habe freies Recht über Familie und Eigen⸗ thum des Bauern gehabt. Dieser Zustand habe volle zwei⸗ hundert Jahre gedauert; auch die Konstitution von 1791 sei der reine Hohn gewesen, wenn man bedenke, daß in derselben bestimmt worden sei, daß bei einer Klage eines Bauern gegen einen Adligen der Bauer für seine Behauptungen sechs Zeugen herbeischaffen müsse. Wenn man bedenke, daß der polnische Bauernstand sich volle zwei Jahrhunderte im Zustande voll— kommener Rechtslosigkeit befunden habe, so erkläre sich voll— kommen, daß dieser an sich arbeitsame und leistungsfähige polnische Bauernstand allmählich zu kriechenden, scheuen Menschen heruntergesunken sei. Statt der Gesetzlosigkeit und Willkür sei Gleichheit vor dem Gesetz und Rechtsordnung und Rechtssicherheit eingeführt worden unter den preußischen Königen, namentlich unter Friedrich dem Großen. Die dortigen Zustände vor der Zeit der Annexion durch Preußen würden am besten gekennzeichnet durch das polnische Sprüchwort, das in deutscher Uebertragung lautet: Dem pol— nischen Bauern gehört nichts, als was er trinkt. Dieses pol— nische Sprüchwort kennzeichne den ganzen Jammer und das Elend zur Zeit, als Polen von Preußen annektirt worden sei. Die preußische Verwaltung habe es sich angelegen sein lassen, gerade den polnischen Bauernstand zu heben durch Einsetzung einer tüchtigen Verwaltung und gerechten Justiz. Der pol⸗ nische Bauer habe es auch 1846 nicht vergessen, was die preu⸗ ßische Verwaltung für ihn gethan habe. Damals habe die polnische Agitation versucht, die Bauern zum Abfall von Preußen zu verleiten, sie habe gesucht, ihnen vorzuspiegeln, daß sie unter polnischer Herrschaft besser stehen würden als unter preußischer. Leider hätten sich damals Manche von den polnischen Bauern von den polnischen 69. tatoren verleiten lassen, indessen könne Redner den Polen versichern, daß dieselben heuzutage ihrer polnischen Bauern nicht ganz mehr sicher seien, und er glaube, in den letzten Jahren hätten sich Regungen unter den polnischen Bauern geltend gemacht, die den Bestrebungen der Polen keineswegs günstig gewesen seien. Wenn man den polnischen Bauer von den Einflüssen des polnischen Adels und der Geistlichkeit erst frei gemacht haben werde, dann könne man überzeugt sein, daß der polnische Bauer der begeistertste Unterthan der preußischen Könige werden würde. Wenn man jetzt kolonisiren und deutsche Bauern in den östlichen Provinzen einführen wolle, wie es Friedrich der Große gethan habe, dann würde man allerdings die Zustände, wie sie dort seien, nicht unberückichtigt lassen dürfen und anerkennen müssen. daß eine wesentliche Besserung der dortigen, Verhältnisse herbeigeführt werden müsse. Denn die Traditionen der alten Zeit hätten insofern noch nachgewirkt, als der polnische Adel den überwiegenden Theil des Grundbesitzes in Händen habe. Die Zahl der kleinen Grundbesitzer im Verhältniß zu der der Rittergutsbesitzer sei ungemein gering. Giedner gab eine genaue statistische Uebersicht über das Verhält⸗ niß des kleinen Grundbesitzes zu dem Großgrundbesitz in den polnischen Gebietstheilen, Wenn man also den Bauernstand in den polnischen Provinzen heben wolle, wenn man eine durchgreifende, erfolgreiche Kolonisation durchführen wolle, dann sei eine Aenderung des ganzen bisherigen Systems noth⸗ wendig. Redner und seine Freunde begrüßten es, daß eine Vorlage in dieser Richtung von der Staatsregierung dem Hause zugehen werde. Es handele sich hier um einen alten Kampf, um die Herrschaft der Polen oder Deutschen. Er sage es ganz offen, es könne sich gar nicht darum handeln, die Polen deutsch zu machen, das würde auch schwer möglich sein, aber man wolle sich nicht wieder verdrängen lassen von den Polen, man wolle deutsche Sitten und deutsche Kultur dort pflanzen und pflegen. Wenn in der großartigen Weise, wie es dem Hause angekündigt worden sei, die deutsche Kolonisation auf⸗ genommen werden würde, dann glaube Redner, wenn er und seine Altersgenossen es nicht mehr erleben würden daß wenigstens n. Kinder und Kindeskinder in den östlichen Provinzen eine Rechtsordnung und eine Rechtssicherheit finden würden, wie sie in allen übrigen deutschen Provinzen unter dem Szepter der ö bestehe.

Der Abg. Rickert erwiderte, der letzte Appell des Vor⸗ redners sei überflüssig gewesen. Darüber, daß die Deutschen sich durch die polnischen Staatsbürger nicht aus den Grenzen verdrängen laß dürften, sei kein Streit. Aber das Wunder⸗ bare sei: Man weiche dem Kern der Sache, der zur Diskussion stehe, immer aus. Der Vertreter der Nationalliberalen habe bedauert, daß der Reichskanzler sich vom Reichstage zurüch—⸗ iehen und sich in diesen friedlicheren Räumen mehr nieder⸗ kin wolle, um „bessere Geschäfte zu machen“, wie der Reichskanzler gesagt habe; die blsch Nation werde den fortwährenden Widerstand der jetzigen Reichstagsmajorität egen die Reichsregierung, zumal in dieser „nationalen“ Frage, ö Es sei noch nicht lange her, daß von nationalliberaler Seite so gesprochen werde. Was sei denn national? Was

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