größerer Zahl (7 Todeg⸗ und 20 Erkrankungsfälle) zur Bericht⸗ erstattung. — Aus St. Petersburg wurde au Todesfall, aus Nürnberg und aus dem Regierungsbesirk Marienwerder je 1 Erkrankung an epidemischer Genickstarre gemeldet. — Das Lindbettfieber wurde seltener Todesveranlassung (aus den deutschen Städten wurden nur
13 Sterbefälle mitgetheilt) — Der Keuchhusten veranlaßte in Berlin
und in den größeren englischen Städten (London, Dublin, Glasgow, Liverpool) mehr Sterbefälle und in Hamburg ünd Kopen hagen viel Erkrankungen. — . zeigten in Wien, . ** eine Abnahme, in Budapest, Paris, Venedig. Rom (Ende Dezember) eine Steigerung der Sterbefälle. Aus Stuttgart, Liverpool, St. Petersburg, Warschau, Odessa werden einzelne Todes⸗ fälle an offen gemeldet. Erkrankungen an Blattern kamen aus London, St. Petersburg und aus dem Regierungsbezirk Marienwerder mehrfach, aus Wien und Budapest noch immer in größerer Zahl zur Anzeige. — Im spanischen Hafen Tarifa sollen vom 22. bis 27. Ja⸗ nuar 42 Erkrankungen an Cholera mit 17 Todesfällen vorgekommen sein. — In Douarnenez (Departement Finistere) ist die Epidemie im Erlöschen. Vom 22. bis 29, Januar wurden daselbst 76 Erkrankungen mit nur noch 3 Todesfällen amtlich gemeldet. In Kalkutta trat die Cholera im Dezember wieder in größerer Ausdehnung auf.
= Die Nr. 353 der. Mittheilungen der Großherzoglich hessischen Centralstelle für die Landesstgtistik hat folgen⸗ den Inhalt: Geborene und Gestorbene, Geburtsziffer und Sterbeziffer in den Kreisen des Großh. Hessen 1863 bis 1884. — Handwerker-Fort⸗ bildungsschulen im Großh. Hessen 1834— 85. — Ergebnisse der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit im Großh. Hessen 1883. — Tägl. Wasserstände April, Mai und Juni 1885.
Kunsft, Wissenschaft und Literatur.
Das Februarheft 32. Bandes 1886 von „ Petermanns Mittheilungen aus Justus Perthes' Geographischer Anstalt' bringt den Schluß der anziehend geschriebenen Auf ⸗ zeichnungen aus dem Tagebuch des Forschungsreisenden Eduard Glaser über seine in der Zeit vom 24. April bis 1 Mai 1885 ausgeführte Reise von Hodeida nach San's in Südarabien. Dem Aufsatz sind Bemerkungen zu der im vorhergehenden Heft mitgetheilten Kartenfkizze . — Dann berichtet H. Rink über die neueren dänischen Untersuchungen in Grönland. Dieselben sind im Jahre 1885 durch zwei Expeditionen fortgesetzt worden: nämlich eine unter der Leitung des Lieutenants Jensen, nach dem mittleren Theil der Westküste, während die andere, schon seit dem Jahre 1884 in Grönland befindliche und für die Ostküste bestimmte jetzt nach glücklicher Lösung ihrer Aufgabe zurück⸗ ekehrt ist. Diese bestand hauptsächlich in der Bestimmung der
ge und Ausdehnung der alten skandinavischen Kolonien. Nach den Ergebnissen, welche Lieutenant, jetzt Kapitän Holm von der Ostküste des rãthselhaften Landes zurückgebracht, hätte man nunmehr dennoch die Ruinen im Distrikt Julianehaab als die Reste der alten „Desterbygd“ anzu⸗ sehen. Ebenso hat Lieutenant Jensen die Ruinen der „Vesterbygd“ aufgefunden, beide Reisenden haben also die äußersten Grenzgegenden im Osten und Westen der einst so spurlos aus der Geschichte verschwun⸗ denen Niederlassungen erforscht. Der Aufsatz ist in dem vorliegenden Heft noch nicht abgeschlossen. Die beigegebene Karte bietet eine Skizze von König Ehristian 1IX.-Land, aufgenommen von Holm, sowie auf Neben⸗ karten eine Uebersichtsskizze von Grönland und dem König⸗Oskar⸗Hafen. — Dr. H. Raddatz in Transvaal beschreibt das Kaffernland des unteren Olifant und läßt dabei über die Boern sehr harte Urtheile einfließen. Die dazu gehörige Karte des unteren Olifant⸗Beckens (der südafrikanischen Republik) ist mit besonderer Berücksichtigung der ethnographischen Verhältnisse entworfen. — Dr. P. Andries unter sucht in einem sehr interessanten Aufsatz die Ursachen der zunehmenden Blitzschläge. Der Verfasser schickt die statistisch erwiesene Thatsache voraus, daß die Zahl der . in den letzten 50 Jahren be— deutend gewachsen und in manchen Gegenden um das Drei⸗ bis Fünf⸗ fache gestiegen ist. Auf das Jahr und 100 009 Gebäude bezogen, kamen durchschnittlich auf 23 ländliche nur 13 städtische vom Blitz getroffene Ge⸗ bäude (dagegen Mühlen 1442 und Kirchen 452). Nach Prof. von Bezold ist in Bahern die Blitzgefahr von 1844 bis 82 um das Dreifache ge⸗ stiegen; nach den Akten einer Lübecker Feuer⸗Versicherungsgesellschast hat sich diese Gefahr in den letzten 50 Jahren verfünffacht und nach der Statistik von Holtz ist sie für ganz Deutschland von 1 auf 2,76 für die Zeit von 1854 bis 1877 gewachsen. Aehnliche Zunahmen ergeben sich für andere Länder. achdem er die verschiedenartigen Meinungen über den Grund dieser Erscheinung aufgeführt, stellt Andries seines Theils folgende Ansicht auf: Die Hauptquelle der Ge⸗ witter⸗Elektrizität sei die Reibung zwischen Luft uno Eisnadeln, zwischen Luft und Wasserkügelchen, zwischen Wasserdampf und Wasser. Wirken außerdem noch Staubtheilchen mit, so werde dadurch die Elektrizitäts⸗Entwickelung sehr gesteigert, wie dies die Gewitter bei Vulkanausbrüchen beweisen, wo neben dem Wasserdampf auch feine Aschenbestandtheile massenhaft ausgeworfen werden und die Gewitter einen besonders heftigen Charakter annehmen. Dazu komme nun aber ferner auch noch eine Wirbelbewegung, also eine rein mechanische Ursache, welche diese Reibung noch bei Weitem intensiver und wirksamer mache. Da nun unsere Atmosphäre jetzt in Folge der vielen Fabrikschornsteine, Lokomotiven zx. weit mehr mit feinen Ja h⸗ und Staubtheilchen angefüllt sei als in früheren Jahr⸗ zehnten, diese Stäubchen aber her. die Reibung selbst elektrisch würden, so müsse in Folge der größeren Leitungsfähigkeit der staub— haltigen Luft auch der elektrische Funke viel öfter als früher aus der Gewitterwolke nach der Erde überspringen als von einer Wolke zur andern. Eine weitere interessante Frage, welche mit der eben ventilirten in engem Konnex steht, sei die, ob sich nicht auf dieselbe Weise die in den letzten 0 Jahren konstatirte auffällige Zunahme der Nordlichter an Zahl und . erklären lassen dürfte. Die Nordlichter sind erwiesenermaßen luftelektrischen Ursprungs, und die viel größere Häufigkeit dieser Erscheinungen auf der stauberzeugenden und staub⸗ erfüllten nördlichen Erd-Halbkugel im Gegensatz zu den weit seltener beobachteten Südpolar⸗Lichtern scheint dieser Theorie eine Stütze zu bieten. — In dem geggraphi en Monatsbericht wird u. a. eine Mitthei⸗ lung von Dr. R. von Lendenfeld in Sydney veröffentlicht über den Verlauf der Expedition, welche im Juni 1885 von der australischen geographischen Gesellschaft nach Neuguinea entsandt worden war und am 3. Dezember glücklich nach Sydney zurückgekehrt ist, nachdem man, über ihr Schicksal in nicht geringe Besorgniß gerathen, bereits eine Hülfsexpedition ausgerüstet hatte. Der DW ffn spricht sich über die Ergebnisse der Unternehmung nicht eben günstig aus und erklärt, dieselben entsprächen den Kosten von etwa 70 000 M, welche die australischen Kolonien darauf verwandt haben, keineswegs. Die Schuld daran legt er dem Führer der Expedition zur Last, welcher, um nach dem Hochlande zu gelangen, den Fly River, den weitesten Weg von der Küste dorthin, gewählt habe. Die Expedition habe ferner gelehrt, daß dag Land und die Natur— produkte der Fly⸗Ebene keinen praktischen Werth hätten. — Mit dem neuen, 32. Jahrgange ist übrigens eine Aenderung in der äußeren Anordnung der Zeitschrift vorgenommen worden, welche als willkommen begrüßt werden muß. Die umfangreichen Berichte über die Erscheinungen der geographischen Literatur, welche zum großen Theil unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachgelehrten bearbeitet werden, sind nämlich jetzt durch eigene Paginirung von den Aufsätzen der Hefte getrennt worden. Am Schluß des Jahrgangs wird der Leser somit eine zusammenhängende Uebersicht über die wichtigeren geographischen Aufsätze, Werke und Karten in Händen haben.
— Nr. 4 der Wochenschrift Das neue Berlin“ von Paul Lindau (W. Spemann, Berlin und Stuttgart) hat folgenden Inhalt: Berlin und seine Verwaltung. J. (Fortsetzung. — Abseits von der Gesellschaft“ Von Max Kretzer. — Die alten Weiden von Berlin. Von Ernst Friedel. — Mein nervöser Onkel. Von Ernst von
Wildenbruch. (Fortsetzung. — Bühne: Richard Voß: Treu dem
errn'“. Von Adolf Glaser. — Adolf L'Arronge: „Die Lorelei“. on Paul Lindau. — Johann Strauß: „Der Zigeunerbaron“. Von 2. L. — Aus dem Concertsaal. Von Martin Roeder. — Vormerk⸗ alender. — Inserate.
Land und Forstwirthschaft.
Washington, 15. Februar. (W. T. B) Ein Spezialbericht des landwirthschaftlichen Departements schätzt den Ertrag der Baumwollenernte auf 6 Millionen Ballen; die Cinerntung ist 9 Tage später als gewöhnlich erfolgt. Die Gualitãt ist an der
üste des Atlantischen Ozeans geringer als im vorigen Jahre ausgefallen; der Fasernertrag ist, mit Ausnahme der begünstigten Gegenden westlich vom Mississippi, unter dem Durchschnitt geblieben. Die Quantität, welche am 1. Februar noch in den Plantagen verblieb, bildet 1 / des ganzen Ernteertrags.
Veterinärwesen.
Der Königlich ungarische Minister für Ackerbau æ. hat sich veranlaßt gesehen, die Einfuhr von Borstenvieh aus Rumänien nach Ungarn durch Verfügung vom 29. Januar 1886 bedingungsweise wieder zu gestatten.
Gewerbe und Handel.
Dem bereits erwähnten, von dem Finanz ⸗Ministerium der Republik Mexiko] (Secretaria de Hacienda V Grédito Publico) in spanischer Uebersetzung veröffentlichten Bericht über die Handelsbewegung des Jahres 1884, welchen das . der nordamerikanischen Regierung dem Kongreß vorgelegt hat, sind die nachstehenden Angaben über den Handelsverkehr Mexikos mit den Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Jahre 1868 entnommen: Die Einfuhr Mexikos von den Vereinigten Staaten her zeigt in dem Zeitraum von 1868 bis 1880 nicht geringe Schwankungen. Sie betrug dem Werthe nach 1868: 6441 339 Doll., 1869: 4 883 107 Doll., 1870: 5 859 700 Doll, 1871: 7612113 Doll, 1872: 5543 589 Doll. ꝛc., stieg dann von 7866 493 Doll., im Jahre 1880 bis auf 16587 620 Doll. im Jahre 1883, und ging darauf im folgenden Jahre wieder auf 12 704 292 Doll. herab. Die Ausfuhr Mexikos nach den Vereinigten Staaten weist ein ziemlich stetiges Wachs thum von 16590 667 Doll. Werth im Jahre 1868 bis 3016 4586 Doll. im Jahre 1884 auf. Im Jahre 1884 (das mexikanische Etatsjahr läuft vom J. Juli bis 30. Juni) bewerthete sich die gesammte , ,. ung zwischen Mexiko und Nordamerika auf 21 720 778 Doll., oder 147 oo des gesammten auswärtigen Handelsverkehrs der Vereinigten Staaten. — In dem Dezennium 1874 1884 betrug der mittlere jährliche Werth der Ausfuhr von Mexiko nach den Vereinigten Staaten 8745 706 Dollars, der Werth der jährlichen Einfuhr von dort nach Mexiko andererseits 16331 358 Dollars. Durchschnittlich hat sich die jährliche Handelsbewegung zwischen beiden Ländern in dem angegebenen Zeitraum im Ganzen um 11.10 MG gehoben, und zwar die Ausfuhr von Mexiko nach den Vereinigten Staaten um 7,42 ,o, die Einfuhr aus den letzteren nach Mexiko um 12,14 0 q. — Im Jahre 1884 waren die mexikanischen Haupt⸗Ausfuhr⸗ Artikel im Handel mit Nord-Amerika die folgenden: Lebende Thiere (Werth: 959 467 Doll.), Färbholz (158 523 Doll.), Gummiharz (96 062 Doll.), Vanille (341 676 Doll.), Flachs, nf, Jute und andere Pflanzenfasern und daraus gefertigte Waaren ( 834 839 Doll.), Nüsse und andere Früchte (69 537 Doll.), kostbare Steine und Imitationen, ohne Fassung, (62 672 Doll.), Zucker (26h 272 Doll.), Gemüse (27 805 Doll., Wolle, unverarbeitet, (z' 648 Doll, und verschiedene andere, nicht näher bezeichnete Erzeugnisse (137 499 Doll).
— Der Ausfsichtsrath der Berliner Kammgarn-Spinnerei, Schwendy & Co., hat beschlossen, der Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 139, 0 — 5 MÆ pr. Aktie — bei üblichen Abschreibungen und angemessener Reservestellung auf Deleredere⸗Conto — vorzuschlagen. . .
— In der außerordentlichen Generalversammlung des ,,,. schen Leihhauses, vom 13. d. M., wurden die von der Ver⸗ waltung vorgeschlagenen Statutenänderungen genehmigt.
— Dem Geschäftsbericht des Aktien⸗Bauvereins Unter den Linden“ entnehmen wir Folgendes; In den Verhältnissen der Gesellschaft sind während des Geschäftsiahres 1885 wesentliche Ver= änderungen nicht eingetreten. Die Miethserträge weisen eine Ver⸗ mehrung von rot. 220) 41 gegen das Vorjahr auf; sämmtliche Räume sind vermiethet und Miethsruͤckstände nicht verblieben. Die schwebende Schuld, welche Ende 1884 noch 77 830 6 betrug, verringerte sich im Laufe des Jahres 1886 durch Rückzahlungen aus eigenen Mitteln der Gesellschaft auf 55 633 6, worauf inzwischen weitere 9000 S zurück⸗ ezahlt worden sind. Die jährlichen Ueberschüsse wurden bisher zur ö der Unterbilanz verbucht; den Vorschriften des Gesetzes vom 18. Juli 1884 entsprechend, wurden in der diesmaligen Bilanz von den Ueberschüssen des Jahres 18865 nur 3396 zur Verkleinerung der Unterbilanz verbucht und vom Grundstücksconto 20 483 M ahb⸗ geschrieben. Die Hypothekenverhältnisse sind dieselben geblieben wie m Vorjahre. Die Hypothekenschulden betragen also 1 650 000 C
Antwerpen, 15. Februar. (W. T. B.) Wollauktion. Angeboten 24890 Ballen australische Wollen, davon verkauft 1922 Ballen Preise entsprachen denen der Londoner Schlußauktion.
London, 15. Februar, (W. T. B.). Die am Sonnabend stattgehabte Schluß-⸗Wollauktion war ohne weitere Veränderung. . und Kapwolle g bis 1. d. unter den Preisen der Dezember⸗ auktion.
Bradford, 15. Februar. (W. T. B) Wolle ruhig, Export⸗ garne ruhig, Käufer verlangen Preisermäßigung, in Stoffen gutes Geschäft für Amerika. ꝛ
Berlin, 16. Februar 1886.
Am 24. und. 25. Februar finden im hiesigen Stadtmissionshause (Johannistisch 6) die diesjährigen Versammlungen der Missions⸗ konferenz in der Provinz Brandenburg statt. In der Ver⸗ sammlung am Mittwoch, Abends um 58 Uhr. giebt nach einer Be—
rüßungsansprache des Hofpredigers Stöcker, Stadtmissions⸗Inspektor
erensky Mittheilungen über die Bantupölker, ihre Verbreitung, Sprache und geistigen Eigenschaften. Die Helferkonferenz am Don⸗ nerstag, Vormittags 9 Uhr, eröffnet Pastor Koller (Rowaweß) mit Gebet, und leiten die Pastoren Bublitz (Börnicke) und Fliegenschmidt (Altdöbern) mit Besprechungen ein über die Aufbringung von Missions⸗ beiträgen und die Vorbereitung populärer Missionsschriften. Für die Hauptversammlung um 11 Uhr hat die einleitende ö Hof⸗ prediger Bayer übernommen und der Vorsitzende Pastor D. Grunde⸗ mann den Hauptvortrag über die Frage: Welche Gaben hat das deutsch⸗evangelische Volk für die Heidenmission und welche Aufgaben erwachsen demselben aus dem deutschen Kolonialbesitz“‘ Ueber das Missionsleben in unserer Provinz und die Thätigkeit der Konferenz wird dann noch Pastor Koller berichten. — Die bisher genannten Ver⸗ sammlungen sind nur für die Mitglieder und die von denselben etwa mitgebrachten Gäste zugänglich, für die Abendversammlung um 8 Uhr dagegen steht der Eintritt Jedermann frei. In dieser wird Super⸗ intendent Krückeberg (Beelitz die erbauliche Ansprache halten und dann Ost⸗-A frika, das ja zum Theil jetzt auch deutscher Kolonialbesitz geworden ist, eingehend geschildert werden und zwar Land und Leute? von Stadtmissions⸗Inspektor Merensky, welcher eine Reihe von Jahren selbst in Afrika gelebt und gewirkt hat, ferner die bisherigen Missions⸗ arbeiten' von Pastor D. Grundemann.
Für das am nächsten Sonnabend, den 20. stattfindende Ballfest des, Vereins „Berliner Presse“ ist ein Cyclus von lehenden Bildern entworfen worden, welche die hauptsächlichsten Entwickelungsstufen des Schriftthums veranschaulichen. Die zum Theil sehr figurenreichen Gruppen werden von Damen und Herren aus den literarischen Kreisen unferer Stadt gestellt werden. Den ver⸗ bindenden Text hat einer unserer bekanntesten Lyriker und Humoristen gedichtet, während die künstlerischen Einrichtungen sehr bewährten Händen anvertraut sind.
Der Milch wirthschaftliche Verein“ hielt gestern hier⸗ elbst im Lokal des Klubs der Landwirthe unter Vorsitz des Landet= ekonomie⸗Raths Hoppenstedt⸗Schladen seine Generalversammlung
ab. Dem vom Oehlgnomie Rath Boysen⸗Kiel erstatteten Geschäftz. bericht war zu entnehmen, Verein J. 3. 30 Richter und h tan de umfaßt; unter letzteren befinden sich 42 Vereine. von dem Verein . riebene Konkurrenz für . Milchtrangz. portkannen berichtete Hr. Benno. Martiny⸗Berlin. An der Konkurrenz baben sich 32 Bewerber betheiligt, die 758 Gefäße zur rüfung eingesandt haben. Den ersten Preis hat die Faßkanne von elm, den zweiten die bereits in der Praxis bewährte Mischkanne r leinert und Fleischmann erhalten; außerdem sind drei dritte Presse vertheilt worden. Den Hauptpunkt der Tagesordnung bildeten die Referate über den Stand 3 Schließlich * * folgende Resolution zur Annahme: A. Der Milch. wirthschaftliche Verein empfiehlt die ,, von Vereinigungen unter den , gebildet nach lokalen Bezirken, bezw. nach Gleichartigkeit der Verhäͤltnifse, welche folgende Zwecke verfolgen: I) Herstellung einer möglichst feinen, gleichartigen, den Anforderungen des aufzusuchenden Marktes entsprechenden Waare, 2) Ver⸗ mittelung des Absatzes der Produkte unter einheitlicher Ver— packung. entweder direkt an die Konsumenten, oder durch Kontraktabschluß mit Kaufleuten unter Bedingungen, die der För derung des Molkereiwesens entsprechen, 3) Herbeiführung möglschst günstiger Trangportverhältnisse, sowie öffentlicher Einrichtungen in den größeren Städten, welche den Handel mit Molkereiprodukten zur Versorgung der Konsumenten auf reeller Grundlage zu fördern im Stande sind. B. Es wird der Vorstand beauftragt, einzelne Musterentwürfe für die Statuten derartiger Vereini⸗ gungen festzustellen. G. Der Vorstand wird ersucht, in Erwägung zu, ziehen, ob es sich nicht empfehlen sollte, eine aus einem . einem Produzenten und einem Kommunalbeamten bestehende Kommission zum Studium der Marktverhältnisse in andere Groß— städte zu entsenden. In Verbindung mit diesem Punkt besprach die Versammlung auch die Frage der Kunst⸗ und Mischbutter.
Der Kriegerverband Berlin und Umgegend besteht, wie der in der letzten ,,, festgestellte Jahresbericht ergiebt, 3. 3. aus 1094 Vereinen mit 694 Ehrenmitgliedern und 8676 Beitrag zahlenden Mitgliedern. Der Zuwachs des letzten Jahres beträgt: 13 Vereine mit 788 Mitgliedern; die bereits von früher her dem Verbande angehörenden Vereine haben sich um 796 Mitglieder vermehrt. Die von dem Verbande gestellte Sanitätskolonne ist von 88 auf 124 Mit⸗ . gestiegen; die bis jetzt für 1886 erfolgten Anmeldungen tellen die Bildung von 3 bis weiteren Abtheilungen in sichere Aussicht. Der Verband hatte 4609 M Einnahme und 4376 Aus— gabe. An die Unterstützungskasse des Bundes sind 1179 4K gezahlt, und 650 4M von derselben empfangen worden.
Wie dem ‚Newyork Herald“ aus Chicago berichtet wird, sollen in Honduras ausgedehnte Goldlager gefunden worden sein. Ein amerikanisches Syndikat habe vor längerer Zeit eine Expedition ausgerüstet zur Durchforschung des Gebiets der Republik Honduras, und diese Expedition habe ein Goldfeld gefunden von der Größe der Golddistrikte in Kalifornien. Das Goldfeld liege im östlichen Theile von Honduras, ungefähr 150 Meilen von der 3 im Hauptgewässer des Guajape⸗Flusses, eines Nebenflusses des Rio Patuca. Der Strom sei auf eine Länge von 50 Meilen ausgeforscht worden; man habe den Fluß an einer Stelle aus seinem Bette geleitet und daselbst einen . Bergbau angefangen. In einer Tiefe von sechs Fuß sei man auf eine Lehm- und Kiesschicht gelt en in welcher Golderz mit einem Gehalt von? bis 10 Dollars pro Kubikmeter gefunden worden. Das wäre allerdings ein Ertrag, welcher dem der kalifornischen Gold— gruben vollständig gleich ist.
London, 15. Februar. (W. T. B) Nach hier eingegangenen Nachrichten aus Birmingham waren heute dort durch beschäf— tigungslose Arbeiter Ruhestörungen veranlaßt worden, welche indessen alsbald von der Polizei unterdrückt wurden. Von den Behörden waren für den Nothfall Kavallerie⸗Abtheilungen in Bereit⸗ schaft gehalten worden. Auch in Great-⸗Yarmouth versuchten die Arbeiter eine lärmende Kundgebung, wurden aber von der Polizei zerstreut.
Das Vietoria-⸗Theater ist bei den jetzt eingeführten halben Preisen fast allabendlich ausverkauft. Das Publikum wird häufig zu wahren Lachsalven hingerissen, während die herrlichen Dekorgtionen und das großartige Ballet mit Frl. Sozo stets jubelnden Beifall hervorrufen.
Gestern hatte der Berliner Wagner-Verein im Saale der Philharmonie zum Gedächtniß Richard Wagners ein Con⸗ ert veranstaltet, dessen Programm eine sebr interessante Auswahl aus den Werken des Meisters enthielt. Nach dem beliebten Vorspiel zu den „Meistersingern von Nürnberg“ sang Hr. Fritz Ernst, vom Stadt⸗ theater zu Hamburg, Walthers Probegesang aus derselben Oper. Mit kräftiger und sehr umfangreicher Tenorstimme begabt, paßte der Sänger nur die Ausdrucksweise nicht immer den Worten an, z. B. war der sentimentale Vortrag der Stelle: Er lauscht, wie er das frohe Singen zu Schaden könnte bringen“ nicht zu billigen. Das bekannte, zart und poetisch gehaltene Siegfried⸗Idyll für Orchester, von der auf 105 Künstler verstärkten Kapelle mit musterhafter Präcision und schwung⸗ vollem Ausdruck vorgetragen, folgte diesem Liede. Die hervorragend⸗ sten Leistungen des Concerts bestanden in den sich hieran anschließen⸗ den Bruchstuͤcken aus der, Götterdämmerung“: dem Vorspiel, Siegfriedt Tod und Brünnhildens Schlußgesang. Hr. Ernst als Siegfried und Fr. Sucher aus Hamburg als r n. waren ganz vortrefflich an ihrem Platze. Mit einer in allen Lagen sehr wohlklingenden Sopranstimme verbindet Fr. Sucher zugleich eine sympathische und verständnißvolle Ausdrucksweise, doch war mitunter eine Wortzertheilung bemerkbar, die man gesanglich nicht schön finden konnte, z. B. bei den Worten O, ihr, der Eide heilige Hüter Die Partie der drei Nornen hatten ö Wegner, Frl. Hl und Fr. Müller⸗Ronneburger übernommen.
ie gaben der feierlichen, ernsten Stimmung ihrer Rollen stets den Ausdruck, nur blieb bei Frl. Galfy eine hessere
und Aussprache zu wünschen, während die beiden anderen Damen in hohem Grade befriedigten. Den höchsten Preis der Anerkennung verdient jedoch Hr. Prof. Klindworth, der die Leitung des Eoncerts übernommen hatte, und dem daß Philharmonische Orchester mit Liebe und Begeisterung folgte. Das sehr zahlreich versammelte Publikum ehrte die Leistungen der Künstler durch reichen und wohlverdienten Beifall.
Morgen, Mittwoch, Abends 74 Uhr, veranstaltet der Musik— Direktor V. J. Qlaypsc aus St. Petersburg, welchem ein ehren, voller Ruf als Spieler des Concert⸗Harmonlums und als Pianift vorangeht, im großen Saale des Architekkenhauses ein Concert.
Der Zoologische Garten hat dieser Tage ein Paar 6 erhalten, welche die ersten Vertreter ihrer Gattung sind, die na Europa gelangten. Es sind dies ein Paar Schweine aus Neu Guinen, deren Erwerbung durch das Entgegenkommen der Neu, Guinea; Com pagnie dahier ermöglicht worden ö Die Thiere, welche zwei ver, schiedenen Arten (zus papuensis und gus Finschii) angehören, wur, den im Mai vergangenen Jahres durch 6 Pr. Stto Finsch ) ihrer Heimath angekauft und von ihm persönlich nach Europa ö bracht. Es waren ursprünglich von jeder der genannten Arten ei Paar, von denen jedoch nur je ein Thier die Reise überlebte.
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Redacteur: R ied el.
Verlag der Expedition (Sch ol). Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Berlin: Druck W. Elsner
Absatzes der Molkereiprodukte
ordnung, dessen einziger Artike
22
E r st e Beilage
zum Deutschen Reichs⸗ Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger
Berlin, Dienstag, den 16. Februar —— — :
0
Uissgs.
M 41.
Nichtamtliches
Preußen. Berlin, 16. Februar. Im weiteren Berlauf der gestrrgen (47. Sitzung des Reichstages folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Ergänzung des 3 der Civilprozeß⸗
autet: ]
„Dem §. 809 der Civilprozeßordnung tritt als dritter Absatz
folgende Bestimmung binzu: An Stelle der Zustellung des Arrest⸗
befehls an den Schuldner (5. 671) genügt es, wenn die Post um
Bewirkung der Zustellung ersucht (58. 177, 179) oder, sofern eine
Zustellung mittelst Ersuchens anderer Behörden oder Beamten oder
eine öffentliche Zustellung erforderlich ist, das Gefuch um die Zu⸗ stellung (5. 190 überreicht ist:
Nach dem jetzigen Zustande der Gesetzgebung würde die Vollziehung eines rel e in allen Fällen unausführbar sein, 1 welchen der Aufenthalt des Arrestschuldners unbe—
nt ist.
n. Hierzu ergriff der Bundesbevollmächtigte für Hamburg Dr. Versmann das Wort: Die Frage, —— 2 den Gegenstand dieser Vorlage bilde, habe die Juristenwelt seit dem Entstehen der Civilprozeßordnung beschäftigt. Praktiker und Theore⸗ tiker, Richter und Rechtsanwälte auf der einen Seite, Kom⸗ mentatoren und gelehrte Schriftsteller auf der anderen Seite hätten sich bemüht, sie auf dem Wege der Interpretation zu lösen. Er beschränke sich darauf, den Mangel hervorzuheben, dessen Heilung dieser Gesetzentwurf bezwecke, und die Noth⸗ wendigkeit zu begründen, die Heilung auf dem Wege des Ein⸗ schreitens durch die Gesetzgebung vorzunehmen, ohne hier auf das Heilmittel einzugehen, das Sachkundige aus der Mitte des Hauses ohne Zweifel eingehend prüfen würden. . aufgefaßt sei die Sache nämlich die folgende: Niemand führe gern Pro⸗ zesse im Auslande, am wenigsten im weit entfernten über⸗ seeischen Ausland, weil ja der Kulturzustand nicht überall der gleiche sei, auch die sonstigen Voraussetzungen einer befriedi⸗ genden Rechtsprechung nicht bedingungslos und ausnahmslos überall vorhanden seien. Es sei deshalb die Praxis, daß ein inländischer Gläubiger, der an einen überseeischen Schuldner Forderungen habe, eigentlich nur dann auf den Weg der
echtsverfolgung sich begebe, wenn es ihm möglich sei, durch den Arrestschlag auf ein im Inlande befindliches Vermögens⸗ objekt die i ih Vollstreckung des von ihm zu erwartenden günstigen Erkenntnisses zu sichern. Er habe dann außerdem den Vortheil, daß die einheimischen Gerichte die Entscheidung der Frage in Folge des Arrestes an sich zögen. Dieser thatsächlich nothwendige, von jeher, so lange überseeische Beziehungen in Deutschland existirten, in Uebung befindliche Weg des Arrestschlages auf das Gut ausländischer Schuldner werde, wie sich das mehr und mehr zeige, durch widerspruchsvolle Bestimmungen der Civilprozeßordnung be⸗ schränkt. Der Hergang sei nämlich der folgende: Der Gläu— biger, welcher die Ansprüche geltend mache, lasse dem betref⸗ senden Gericht die Forderung vorlegen, mache diese durch das Gericht fasse den Beschluß,
Dokumente glaubhaft, dieser Beschluß werde
den Arrestschlag zu genehmigen; dem Arrestkläger von Amtswegen mitgetheilt, und ihm liege nun die Aufgabe ob, dem Arrestschuldner diesen Shu! ustellen zu lassen durch Uebergabe des be— treffenden Schriftstückes. Bevor diese Zustellung geschehen sei, könne der Arrest nicht vollzogen werden, d. h. es könne dem Inhaber des dem Auswärtigen gehörenden Vermögensobjekts nicht der Befehl beigelegt werden, dieses Guthaben des Aus⸗ wärtigen festzuhalten, bei Gericht zu deponiren u. dergl.; vielmehr solle, bevor dies ge hehe die Vollstreckung entweder vollzogen sein oder begonnen haben. Eine andere Bestimmung der Civilprozeßordnung aber schreibe vor, daß der Arrestbefehl nicht mehr vollzogen werden dürfe, wenn seit dem Tage, an welchem der Befehl der Partei, auf deren Ersuchen derselbe erging, . sei, zwei Wochen verstrichen seien. Damit wäre für die vielen Fälle, wo die Zustellung eines solchen Arrestes im weit entlegenen Auslande binnen zwei Wochen zu bewerkstelligen thatsaͤchlich ausgeschlossen sei, die Voll⸗ jiehung des Arrestes einfach unmöglich gemacht. Noch stärker träten die Widersprüche der Civilprozeßordnung in dem ebenfalls sehr häufigen Fall hervor, wo es sich um chuldner unbekannten Aufenthalts handele. In diesem Falle sei bekanntlich das . der Affigirung an der Gerichts tafel angeordnet: die Zustellung gelte dann erst als beschafft, wenn 14 Tage seit der Affigirung verflossen seien. enn diese 14 Tage verflossen, so sei nun wieder nach der eben⸗ erwähnten Bestimmung der Civilprozeßordnung der Arrest nicht mehr vollziehbar. Die Sache sei also ein unlösbarer Knoten, aus dem ohne Hülfe der Gesetzgebung schwerlich heraus⸗ zukommen sein werde. Die Existenz dieses Widerspruches sei allseitig von den Gerichten, Kommentatoren und Schriftstellern gnerkannt. Auch im Bundesrath sei darüber, daß dieser Widerspruch bestehe, durchaus kein Zweifel gewefen; dagegen abe der Bundesrath begreiflicherweise sehr ernstlich er— wogen, ob das Bedürfniß der Abhülfe so dringlich sei, daß
man zu einer theilweisen Abänderung der Civilprozeßordnung
schreiten müßte, oder ob es nicht angängig sei, die Remedur
in der hier fraglichen Beziehung bis zu der event. einmal ein
tretenden generellen Revifion der Civilprozeßordnung zu ver⸗ schiben. Der Bundesrath habe sich indessen nach dem ihm vorgelegten Material davon überzeugt, daß bei der Dringlich⸗ leit des Bedürfnisses die Verschiebung auf unbestimmte eit nicht thunlich sei. Thatsächlich fei das Bedürfniß esonders lebhaft in denjenigen Kreisen empfunden wor⸗ en, deren Aufgabe es sei, den geschäftlichen Verkehr us Reichs mit dem Auslande, namentlich mit dem überseeischen, in erster Linie zu vermitteln, und zwar in den Seestädten und bei den hauseatischen Gerichten in fo ringender . daß die CGesetzgebung dasselbe schwerlich un⸗ ri het lafsen dürfte. Der g bestehende Zustand sei r, daß die Betheiligten auf den Rath ihrer Rechtsanwalte eit Jahren bereits in weitem Maße von der Nachsuchun ler Arreste Abstand nähmen; man dürfe sagen, es sei au iesem Gebiete ein wirklicher theilweiser Rechtsstillstand ein⸗ Ptreten, und er glaube, die Gesetzgebung werde sich schwerlich
Aufgabe entziehen können, hier Wandel zu schaffen.
sei. Am 22. Februar 1879 seien hier vom
w
Natürlich lasse sich der angerichtete Schaden nicht ziffern— mäßig berechnen; aber daß er sehr erheblich sein müsse, werde aus den in den ersten Jahren nach Entstehung der Civilprozeßordnung hervorgetretenen That⸗ sachen sich klar ergeben. Intereffant sei, daß gerade der neueste Schriftsteller auf diesem Gebiet geglaubt habe, nach⸗ weisen zu können, daß es eines gesetzgeberischen Einschreitens in diesem Fall gar nicht bedürfe, sondern, daß sich Alles von selbst erledige. Ihm (dem Redner) habe aber gerade diese Schrift von Neuem bestätigt, daß ohne gesetzgeberischen Ein⸗ griff in diese Frage nicht zu helfen sei. Wenn es ein Mittel
äbe, die hn, zu veranlassen, eine vermeintlich richtige Aus⸗ egung, d. h. die Auslegung eines Einzelnen, sich anzueignen, dann wäre die Sache ja recht gut; aber auch declaratoria könnten nur auf dem Wege der Gesetzgebung ins Leben ge⸗ rufen werden. Die Mitwirkung der Gesetzgebung werde also wohl nicht ,. werden können; Praxis und Wissenschaft hätten is jetzt vergeblich na einer Lösung gerungen. Er empfehle deshalb die wohlwollende Inbetrachtnahme des Entwurfs.
Der Abg. Freiherr von Buol meinte, die Vorprüfung in einer besonderen Kommission sei um so mehr geboten, als vielfache Zweifel in wissenschaftlich juristischen Kreisen darüber beständen, ob dem zweifellos auf diesem Gebiete vorhandenen Nothstande nicht durch eine zweckentsprechende Interpellation der Civilprozeßordnung abgeholfen werden könne. Es seien denn auch von verschiedenen wissenschaftlichen Autoritäten darauf abzielende Vorschläge gemacht worden. Aberselbst, wenn man sich zu einer Aenderung der Civilprozeßordnung entschlösse, würde man zu prüfen haben, ob die Form der Aenderung auch eine richtige sei. Ihm scheine das Interesse des Schuldners nur dann ge⸗ wahrt zu sein, wenn demselben wirklich die Zustellung des Arrestschlags eingehändigt sei. Die bloße Zustellung an die Post oder das Gesuch um Zustellung an eine Behörde scheine ihm (Redner) nur ein Versuch der Zustellung zu sein. Man dürfe is zur exakten Expedition der Post das größte Vertrauen haben. Wie aber, wenn der Schuldner sich gar nicht an dem Ort aufhalte, wohin das Schriftstück gerichtet, oder die Adresse mangelhaft angegeben sei? Die Kommission müsse diese Bedenken beseitigen.
Der Abg. Klemm schloß sich aus denselben Gründen dem Antrag auf Kommissionsberathung an.
Der Abg. Meyer fin äußerte, einer der vorzüglichsten Prozessualisten, der Prof. Fitting in Halle, habe nachgewiesen, daß die Civilprozeßordnung die Sache nicht allein vollständig befriedigend, sondern sogar mit außerordentlicher Feinheit ge— regelt habe, und daß es nur darauf ankomme, ihre Inten⸗ tionen zu verstehen. Nun sehe er i e, eine sehr große Gefahr darin, wenn an einem so sorgfältig vorbereiteten Gesetz, wie es die Civilprozeßordnung sei, gerüttelt werde, ohne die sorgfältigste Vorprüfung darüber, ob eine Aenderung wirklich erforderlich sei. Es würde mit einer solchen Aende⸗ rung ein bedenkliches Präzedenz geschaffen. Man sollte erst abwarten, ob die sachverständigen Ausführungen eine Widerlegung fänden, und, wenn nicht, ob die Praxis sich denselben nicht anbequemen würde. Zu glauben, daß die Praxis bei einem gut redigirten Gesetz den richtigen Weg ver⸗ fehlen oder ihn nicht in Zukunft finden werde, hieße auf den Verfall juristischer Eleganz in dem Richterstande spekuliren. Diese schwerwiegenden Bedenken bestimmten ihn gleichfalls für Verweisung der Vorlage an eine Kommission.
Der Abg. von Cuny hielt es auch nur für höchst bedenk⸗ lich, in das durchdachte System der Civilprozeßordnung eine Aenderung hineinzubringen. Er erkenne aber das Be— dürfniß nach Abhülfe vollständig an und empfehle deshalb die Vorberathung des Entwurfs in einer besonderen Kommission von ö. Mitgliedern. — Das Haus beschloß diesem Antrage gemäß.
Es folgzte die erste Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ keen die Unzulässig keit der Pfändung von Eisen— bahnfahrbetriebsmitteln.
Der Regierungs⸗Kommissarius, Geheime Rath Hagens, er⸗ klärte: Auf den pünktlichen, fahrplanmäßigen Betrieb der Eisenbahnen seien die wichtigsten öffentlichen Interessen ange⸗ wiesen. Der Entwurf bezwecke, ihn dagegen sicher zu stellen, daß von einem Privatgläubiger der Eisenbahn im Wege der
Exekution oder gar des Arrestes eine Lokomotive vor dem!
Zuge oder Wagen aus dem Zuge gepfändet werde und da⸗ durch der ganze Bahnbetrieb in Unordnung komme. Der Gedanke, daß Letzteres überhaupt nur vorkommen könnte, sei an sich schon ungeheuerlich, habe aber den— noch praktische Bedeutung. In der Gesetzgebung der Schweiz, 5 Rußlands, Englands und anderer Länder sei die
fändung von Eisenbahnfahrbetriebsmitteln . unzulässig er⸗ klärt worden, weil solche Pfändungen mehrfach vorgekommen wären; und auch in Deutschland habe man dergleichen Fälle erlebt. Schon 1856 sei in Elberfeld eine bereits angehängte Lokomotive der Bergisch⸗Märkischen Bahn durch einen Privat⸗ gläubiger gepfändet worden, so daß der Zug nicht habe ab⸗ fahren können; ebenso sei 1872 in Oels im Bezirk der Breslau⸗ Warschauer Eisenbahn eine bereits angehängte Lokomotive ür die Forderung eines Herrn Czichos von 616 Thlrn. ,. worden; und eben dort später noch ein anderer
agen oder eine Lokomotive wegen einer zweiten Forde⸗ ia Der diesem Gesetzentwurf zu Grunde liegende Ge⸗ danke, daß solche Fälle, wie die erwähnten, zu verhindern seien, sei schon bei Berathung der Civilprozeßordnung er⸗ wogen und zum ersten Mal praktisches Recht geworden durch Ren h nn in den deutsch⸗österreichischen Handelsvertrag. Hier
trete er (Redner) auf ein Gebiet, auf welchem das einzige Be⸗
denken oder richtiger das einzige Bedauern dem Entwurf . laut werden könnte. Es i dies den Schutz er Privatinteressen der Gläubiger österreichischer Eisenbahnen. Man solle sich erinnern, daß nur in dem ersten Handels⸗ vertrage von 1878 diese Bestimmung aufgenommen gewesen, dagegen bei seiner Erneuerung gal! gelassen ö. ause Be⸗ denken gegen die Bestimmung angeregt und eine Resolution in diesem Sinne gefaßt worden. Darauf hahe der damalige Präsident des Reichskanzleramts erklärt, daß der Nachtheil,
welcher dem Verkehr durch die Beschlagnahme von Eisenbahn⸗ wagen zugefügt werde und dessen Beseitigung im öffentlichen
Interesse liege, schon lange, ehe mit Oesterreich über den Ver ⸗
trag verhandelt worden sei, von Eisenbahn⸗-Verwaltungen, insbesondere von der preußischen, erkannt und empfunden sei. Es habe deshalb bei Einleitung der Verhandlung im Wunsche dieser Verwaltung gelegen, daß eine Bestimmung, wie die auf⸗ genommene, im Interesse des öffentlichen Verkehrs dem Ver⸗ trage eingefügt werde. Aber, so habe er fortgefahren, man? hätte sich zugleich sagen müssen, daß, soweit Privatinteressen dabei auf dem Spiele ständen, die Vortheile aller⸗ dings nur auf österreichischer Seite, die Nachtheile auf der deutschen lägen. Die verbündeten Regierungen hätten diese Bestimmung bei Erneuerung des Handelsvertrages 96 an mit Rücksicht auf den derzeitigen Stand der sogenannken Couponfrage. Es seien ungefähr 550 Millionen Gulden Prioritäten Seitens verschiedener österreichischer Eisenbahn⸗ re chen ausgegeben worden, die hauptsächlich auf deut⸗ chem Markt ihre Abnehmer gefunden hätten. In Folge der veränderten Münzgesetzgebung in Deutschland seien dann die Streitigkeiten i. den Gläubigern und den österreichischen Gesellschaften entstanden. Die Rechtsprechung beider Länder sei eine diametral entgegengesetzte gewesen und es sei der sogenannte Couponkrieg entstanden, der mehrfach die öffent⸗ lichen Interessen berührt und geschädigt habe. Den Schutz des Privatinteresses habe die Regierung niemals be— schränken wollen, sondern das Ihrige gethan, um den Privatgläubigern fördernd zur Seite zu stehen. Man habe damals dafür gehalten, daß der Streit am Besten beigelegt werden könnte durch einen Vergleich der Gläubiger mit den Gesellschaften. Die österreichische Elisabeth⸗ Bahn sei zunächst mit diesem Gedanken hervorgetreten, die allein mit einem Prioritätenkapital von 83 Millionen parti⸗ zipirt habe. Es sei aber in keiner Weise von der Regierung der Versuch gemacht worden, einen Druck auszuüben, daß die Gläubiger auf einen solchen Ausgleich eingehen sollten; vielmehr habe sie es nur als ihre Aufgabe betrachtet, die Gläubiger zu unterstützen, falls sie sich bei dem Ausgleich betheiligen wollten. Die Betheiligung sei aber so gering gewesen, daß er zu Wasser geworden sei. Lange Jahre seien seit diesem Versuche vergangen; die Regierung habe abgewartet, wie sich die Gläu⸗ biger wohl . würden. Der Kampf habe zu einer Nieder⸗ lage der Gläubiger geführt. Die Lage derselben sei jetzt aus⸗ sichtslos. Die allermeisten und zwar die größten österreichischen Bahnen hätten im Laufe der Zeit Konvertirungen vor— genommen. Die Böhmische Westbahn mit etwa 15 Millionen werde sich jetzt diesen Konvertirungen noch anschließen. Kon—⸗ vertirt habe schon die Kaiserin⸗-Elisabeth⸗BVahn mit S83 Millionen, die Kaiser⸗ Franz ⸗ gar Bahn mit 53 Millionen, die Vorarlbergbahn mit 74 Millionen, die Graz-Köflacher Bahn mit 6 Millionen, die Kronprinz= Nudolf-Bahn mit 58 Millionen, die Galizische Karl Ludwigs⸗ Bahn mit 40 Millionen u. s. w. Er (Redner) habe die Bahnen nicht alle aufseftihrn, glaube aber, man werde nicht fehl gehen in der Annahme, daß das en. Prioritätenkapital jetzt auf ein Drittel, vielleicht auf ein Viertel e, n, sei. Man würde sicherlich fehlgehen, wollte man glauben, daß es die Kapitalisten, welche bei der Emission der Papiere auf deutschem Markte ihr Geld in solchen Papieren angelegt hätten, wären, welche jetzt die Coupons resp. die Obligationen verfolgten. Es hätten sich gewisse Gruppen, gebildet, z. B. in Breslau, Frankfurt a. M., welche sich der Aufgabe widmeten, diese Ohligationen und Coupons bestmöglich zu ver⸗ werthen, und es habe sich gezeigt, daß hierbei durchaus nicht in der Mehrzahl die ursprünglichen enen oder auch nur etwa deutsche Interessenten betheiligt seien. Mit einem Wort, die Sachlage habe sich bezüglich des am Couponstreit bethei⸗ ligten Privatkapitals gegen damals ganz erheblich geändert, und nun trete als entscheidendes Moment ein, daß bei der sehr energischen Verwerthung dieser Interessen des Privat⸗ kapitals sich eine vollständige Nothlage für den öffentlichen Verkehr gebildet habe. Diese habe sich namentlich in Bayern gezeigt, wie es ganz naturgemäß sei, daß der Eisenbahn⸗ verkehr Bayerns durch die Verhältnisse der österreichischen Bahnen am nächsten in Mitleidenschaft gerathen sei. In ähnlicher Weise sei die Nothlage auch in Preußen eingetreten und könne jeder Zeit eintreten, wenn es nicht schon geschehen sei, in Sachsen. Es sei daher nothwendig, das öffentliche Interesse zur Geltung zu bringen und gegen dies den Schutz der Privatinteressen zurücktreten zu lassen. In den Motiven sei darauf hingedeutet, daß es sich hier um keine Bevorzugung ausländischer Gesellschaften, nicht einmal darum handele, dem Material ausländischer Bahnen eine Immunität zu e . Die nöthige Immunität solle ihm im Interesse des deutschen Verkehrs werden, denn das Material der ausländischen Bahnen, welches gesichert werden solle — und nur insoweit solle es gegen die Pfändungen einzelner Gläubiger gesichert werden — befinde sich auf deutschen Bahnen im deutschen Betriebe und daher ebenso gut wie das Material inländischer Gesellschaften im Dienste des inländischen Verkehrs. Er glaube daher, das einzige Bedenken gegen die Vorlage müsse bei näherer Betrachtung der Verhältnisse schwinden, er dürfe das Haus daher wohl bitten, sein Wohlwollen auch diesem Ent⸗ wurfe zuzuwenden.
Der bayerische Bundesbevollmächtigte Graf Lerchenfeld äußerte: Die Uebelstände, welche der Mangel einer gesetzlichen Regelung auf diesem Gebiete mit sich bringe, hätten sich besonders in Bayern geltend gemacht, was mit den zahlreichen Bahnanschlüssen, die in Bayern an Oesterreich beständen, zusammenhänge. Seine Regierung habe daraus die Ver⸗ anlassung genommen, ihrerseits die Initiative zu diesem Gesetzentwurf beim Bundesrath zu ergreifen. Nach dem Bericht der Generaldirektion der Verkehrsanstalten vom 28. Oktober 1885 hätten vom 24. bis 30. Juli 1384 67 Wagen der 8 Westbahn eine Beschlagnahme erfahren, am 7. Oktober 4 Wagen der öster⸗ reichischen Südbahn, am 6. Oltober 1884 14 Wagen der osterreichischen Südbahn u. s. w, in Summa vom 39. Juli bis zum Oktober, wo der Bericht abschließe, seien 154 öster⸗ reichische Waggons in bayerischen Bahnhöfen der Pfändung