1886 / 44 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Feb 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Ce ren Briefe an den Herrn Gouverneur der Proxim Ant⸗

4 26. März, 11 Ubr Vormittags. Provinzial⸗Gouvernements⸗ ebäude i: Hasselt. Wegebau von Neerseteren nach Rotbem über die isenbahnstatien Eelen. Voranschlag 96 449 Fr. Vorlãufige Kaution

3000 Fr. Preis der Pläne 17 Fr. 66 Cts. Diese sowie Lastenheft Nr 183 wiẽ ad 1. erten vor dem 22. Mär in eingeschriebenem Briefe an den Herrn Gouverneur der Probfnz Limburg.

. Verkehrs ⸗Anstalten.

Triest, 18. * r. (W. T. B. Der Lloyddampfer Vesta' ist heute Vo ag aus Konstantinopel hier eingetroffen.

Berlin, 19. Februar 1886.

Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen.

Aus dem „Jahrbuch der Königlich preußischen Kunstsammlungen“ (erscheint vierteljährlich zum Preise von 30 tn für den Jahrgang im Verlage der G. Grote'schen Verlagshandlung zu Berlin).

J. Königliche Museen. 1. Juli bis 30. September 1885.

(Schluß.) EF. Ethnologische und nordische Abtheilung.

J. Ethnologische Sammlung.

Zu den aus eigenen Arbeiten auf dem Ruinenfelde Santg Lucia de Cotzmalguapan ins Museum übergeführten Steinskulpturen hat sich eine werthvolle Vermehrung als Geschenk hinzugefügt aus dem Besitz des Barons du Thiel. Auch diese Bereicherung ist wieder der Vermittelung des Kaiserlichen Residenten in Gugtemala, Hrn. von Bergen, zu verdanken. Durch Güte des früheren Minister-Residenten in Lima, Hrn. von Gramatzky, sind peruanische Thongefäße zugegangen; aus den Ama—⸗ zonas ändern ist eine dorther stammende Sammlung angekauft.

Aus Asien hat der Kaiserliche Gesandte in Peking, Hr. von Brandt, seinen früheren Uebersendungen eine neue zugefügt; Hrn. Dr. Stort sind Geschenke aus Atchin zu danken, sowie (aus 3 Hrn. Pre⸗ mier ⸗Lieutenant Quedenfeld marokkanische (von seinen Reisen zurück⸗ gebracht). Für Ankäufe bot sich aus Melanesien Gelegenheit.

Für Europa sind durch Hrn. von Essen Kostümstuͤcke schwedischer Nationaltrachten geschenkt.

II. Nordische Sammlung.

Die Abtheilung verdankt dem freundlichen Entgegenkommen des

rn. Rittergutsbesitzets Barn von Klitzing auf Charlottenhof bei

ietz, Kreis Landsberg, mehrere sehr interessante Urnen und Stein— geräthe, welche gelegentlich einer im Interesse des Königlichen Mufeums dorthin unternommenen Exkursion zu Tage . wurden.

Gbenso hat Hr. Rittergutsbesitzer von Thümen auf Stangenhagen bei Trebbin in freundlichster Weise die Seitens der Verwaltung auf dem Stangenhagener Gräberfelde unternommenen Ausgrabungen unter⸗ stützt und die Resultate dieser, wie die eigener Untersuchungen dem Museum gütigst überwiesen.

F. Egyptische Abtheilung.

m m,

Unter den Erwerbungen egyptischer Alterthümer sind nur einsge

Todtenstatuetten aus der Zeit der 26. Dynastie, ferner mehrere

Amulette, darunter ein winziger Besa, der die Handpauke schlägt,

namhaft zu machen; dazu kommen sechs egyptisch⸗griechische Terrakotta

figuren, die meistens den jungen Horus und den Besa in verschiedenen zur alexandrinischer Zeit beliebten Typen darstellen.

Da nunmehr der r, , Abtheilung auch die Sorge für west⸗ asigtische Kunst anheim gegeben ist, so erstreckten sich die Erwerbungen , auf Alterthümer, die aus Syrien und Mesopotamien her- rühren: es befinden sich unter diesen zwei palmyrenische, schlecht er— haltene Lampen, drei Siegelsteine mit althebräischen Inschriften, die als erste Beispiele dieser Art für die Sammlung besonders werthwoll

nd, ferner ein Skarabäus mit phönikischer Namensinschrift des Abd—

adad, fünf nordsyrische Siegelsteine und endlich zwei altbabylonische mit Reliefdarstellungen versehene Siegelcylinder. Eine Anzahl dieser Erwerbungen sind Geschenke der Herren Helbig, von Luschan und Maimon. J. V.: Puchstein.

Gd. Kunstgewerbe⸗Museum. I. Gebäude.

Im Haupt- Treppenhause sind die fertigen Terrakotta Bekleidungen angebracht, welche die Herren Villeroy & Boch dem Kunstgewerbe— Museum zum Geschenk gemacht haben. Dieselben sind nach Ent— würfen von Gropius & Schmieden neu hergestellt; sie bilden die Bekleidung des unteren Theils der Wände und der Treppenwangen mit reich gemusterten Fliesen und ferner vier Thüreinfasfungen, in farbigem Relief ausgeführt, zwei davon mit reichen figürlichen Be— krönungen. Grunow.

Il. Sammlungen. In der Zeit vom 1. Juli bis 360. September wurden unter Anderem erworben: Holzarbeiten: Tisch mit gewundenen Beinen. Danzig, XVII. Jahrh. Wiege. Holland, XVII. Jahrh.

Leder: . Drientalische Bucheinbände, gesammelt von Dr. Bock, 18 Stück in verschiedenartiger Ausführung mit den Stempeln zur Herstellung der Pressungen. . . Kunsttöpferei: Kamin mit farbig glasirten Reliefs. Tirol, TVI. Jahrh. Galvanische Niederschläge:

14 Nachbildungen verschiedener Stücke auß dem National⸗Museum

zu Budapest.

An Geschenken gingen der Sammlung zu:

Von Frau Alexandrine Krause: Strauß aus Gewürznelken ꝛc.; Horndose; geschliffenes Glas.

Von Hrn. Ingenieur Holberg in Stettin: Stickereien und Kostümstücke aus dem Anfang des XVIII. Jahrh. sisc . err Dr. Wilhelm Joest: Formen zur Herstellung chine⸗ ischer Tusche.

Von Hrn. Karl Ulrici: Ofen aus weiß und blau gemalten Fayence⸗Fliesen. Deutschland. Anfang des XVIII. Jahrh.

Von Hrn. Sig. Lassar: Näh⸗Etui, Perlmutter, mit Gold gefaßt. Deutschland um 1809.

Von Hrn. Dr. Jagor: Sammlung von Kutaja⸗Fayencen.

Nach Ausscheidung der Schliemannschen Sammlung ist der frei gewordene. Saal für Möbel und Holiarbeiten der Renaissance, vor⸗ nehmlich italienischer Arbeit, hergerichtet worden.

Der frühere große Renagissancesagl ist für Barockarbeiten herge⸗ richtet worden. Auch in der Metall⸗Abtheilung haben zahlreiche Um stellungen ö, , , welche mit Ausgabe der neuen Auflage des Führers im Oktober ihren Abschluß finden werden. gef

essing.

H. Königliche National⸗Galerie.

Die Sammlungen erfuhren in der Zeit vom 1. Juli big 30. September folgende Bereicherungen: A. Oelgemälde.

7 Crolg, Porträt des früheren Direktors der Kunst-⸗Akademie zu Düsseldorf, Professor Dr. Bendemann. .

ron Heuß, Porträt von Ft. Dverbeck. erselbe, ir, ven 23 Derselbe, Porträt von Reinhardt. Desterley, Lodenwand in Norwegen. Gesammtaufwand 18 500

B. Handzeichnungen re.

Rud. Alt, Landschaft. Adquarell. Adolf Menzel, 8a Aquarell. Derselbe, Berliner Straße nach dem Karneval. Gouache. ranz Krüger, 10 Blatt Pferde⸗ und Porträtstudien. erselbe, . von Randel. : ans eg art, Entwurf für einen Fächer mit Kinderreigen. Blei und Aquarell. . Bonav. Genelli, Cyklus aus dem Leben eines Wüstlings, 18 Blatt, Blei. ö . Overbeck und Franz Pforr, Zeichnungen, Skizzen und ien. ; Schgller, Entwürfe zu den Malereien im Dienstgebäude des Kultus⸗Ministeriums zu Berlin. A. J. Carstens, Jason von dem König Pelias erkannt; große Zeichnung in Blei und Tusche. ; Josef Scheurenberg, Entwürfe zur malerischen Dekoration des Treppenhauses in der Kunsthalle zu Düsseldorf. Julius Jakob (Berlin). 70 Blatt Aquarell. Aufnahmen aus dem alten Berlin: malerische Darstellungen solcher Oertlichkeiten aus verschiedenen Gegenden der Stadt, welche in Folge der baulichen Um⸗ gestaltungen neuester Zeit entweder bereits verschwunden sind oder mit völliger Umgestaltung bedroht werden. Gesammtaufwand 25 Sb0 A

Von Sr. Excellenz dem Herrn Minister wurden aus der dem Staate übereigneten Kunstsammlung des Rittergutsbesitzers Dorgerloh der Königlichen National⸗Galerie folgende Zeichnungen überwiesen: Albrecht Adam, Hauptguartier in Ortelsburg, Aquarell. Derselbe, Fohlen, Wasserfarben.

Derselbe, Pferdestudie. Blei. ö

Derselbe, Auf der Neise nach Rußland. Bleistiftzeichnung.

Derselbe, ,,. Blei.

Derselbe, 4 Kronprinz von Bayern. Blei.

3 r. irhard, Ansichten von Scharfeneck gegen Rauen⸗ eder. ;

Carl Blechen, Waldbaumstudie. Blei.

Derselbe, Gebirgslandschaft. Feder und Tusche.

Derselbe, Gehöft. Wasserfarben.

Arnold Böcklin, Centaur. Wasserfarben.

Derselbe, Figürl. Studie. Blei und Feder.

Fr. Boldt, Kostümfiguren aus der Zeit von 1740 bis 1810.

Wasserfarben.

Derselbe, Weibliche Figur. Rothstift.

Derselbe, Männliche Figur am Boden. Kreide.

Carl Becker, Mädchen bei einer Wahrsagerin. Blei.

Alex. Calame, Gebirgslandschaft. Wasserfarben.

Joh. Georg von Dillis, Motiv bei der Grotte der Egeria.

Wasserfarben, Blei. Dersel be, Bauermädchen. Wasserfarben, Blei. Derselbe, Waldlandschaft. Wasserfarben und Blei. Joh. Christ. Erhard, Gebirgslandschaft. Wasserfarben. Joseph Führich, Greis. Sepia. .. Geist, Landschaft. Wasserfarben. Friedr. Hohe, Am Königssee. Blei und Wasserfarben. Franz Krüger, König Ernst August von Hannover. Blei. Derzelbe, Blücherdenkmal, Studie zur großen Parade 1839.

Tusche, Blei. Derselbe, Friedrich Wilhelm II. Kreide. Friedrich Kgiser, Schlacht bei Bar sur Aube. Blei (Skizze). Derselbe, Reiterangriff. Wasserfarben. Derselbe, Kürassier. Blei und Wasserfarben. (Skizzen).

Derselbe, ö Blei, Wasserfarben.

stein.

Derselbe, Friedrich der Große in Lissa. Blei. Derselbe, Araber im Gefecht. Kreide. Derselbe, Schlachtenbild. Marokko. Kreide. Derselbe, General Wrangel mit Gefolge. Kreide. Ludwig Knaus, Bauernstudie. Kreide. Christ. Heinr. Kniep, Die heilige Cäcilia. Sepia. Joh. Christ. Klengel. Familienscene. Feder und Tusche. Wilh. Lichtenheld, Wiesenlandschaft. Wasserfarben. Derselbe, Am Hochgebirge. Wasserfarben.

einr. von Mayr, Ulan. Wasserfarben.

erselbe, Ungarischer Reiter. Tusche. Derselbe, Pferdestücke, Skizze. Blei. Ant. Mutfenthaler, Die Lichtensteiner. Wasserfarben. Ockert, Jagdhund. Rauchkild. Derselbe, Hirsch. Rauchbild, Friedrich Sperbeck, Kopfstudie. Blei⸗Skizze. Arthur von Ramberg, Concert. Blei⸗Skizze. Derselbe, 3 Blatt Waldstudien. Bleistift. August Richter, Gefechtsscene. Wasserfarben. Derselbe, 2 Blatt Kriegsseenen. Tusche. Derselbe, Napoleon J. mit seinen Grenadieren. B. Rosendahl, Figürliche Arabesken. Hubert Salentin. Bauermädchen. Derselbe, Alte Bauerfrau. Kreide. Derselbe, Zwei Bauerknaben. Carl Friedr. Schinkel, 5 Blatt landschaftliche Entwürfe. Feder⸗ zeichnungen. Joh. Wilh. Schirmer, Abrahams Opfer. Rothstift. Alb. Trippel, Italienische Stadtlandschaft. Wasserfarben. Ad. Tidemand, Alte Frau. (Studie.) Kreide. Oskar Wisniesli, Zwei Damen. Wasserfarben. ih Werner, Weibliche Figur. Federzeichnung.

erselbe, Im Opernhause. Blei. Venus, Waldbrunnen. Wasserfarben. Theod. Verhas, Straße in Brüssel. Adrian Zingg, Ruine Tharand. Federzeichnung. Sepia.

Tusche. Fries Bin e

Kreide.

Ansehnliche Vermehrung erfuhr guch im perfloßsenen Vierteljahr die Lithographien Sammlung der National⸗Galerie, deren Kata— logisirung vorschreitet.

Einundzwanzigste Sonder⸗Ausstellung der Rational⸗Galerie.

Zum Gedächtniß des am 18. Juni in Düsseldorf ver— storbenen Historienmalers Professor Wilhelm Camphausen wurde im Oktober eine Ausstellung der nachgelassenen Werke deffelben in den oberen Räumen der National⸗Galerie eröffnet, welche rund

300 Nummern umfaßte. Außer den zu diesem Zweck von der Wittwe des Künstlers zur Verfügung gestellten Skizzen und Studien deffelben

aus den verschiedenen Epochen seiner Thätigkeit waren durch die Gnade

Sr. Majestät des Kaisers und Königs sowie Sr. Kaiserlichen und

Königlichen Hoheit des Kronprinzen die meisten der im Allerhöchsten

und Höchsten Besitz befindlichen Gemälde Camphausens ausgestellt,

denen sich zahlreiche Bilder aus gußwärtigen Sainmlungen und aus

Privatbesitz anreihten. Gleichzeitig wurde eine größere Auswahl von

Werken dez Landschaftsmalers Thegdor Kotsch (geb. in Hannover 1818,

est. in München am 27. November 1884, und zwar Oelgemälde,

quarelle und Zeichnungen zur Anschauung gebracht. Die Mehrzahl

der Studien und Zeichnungen des Künstlers wurde von Hrn. Fr. Ede

in Hannover dargeliehen; zur weiteren Vervollständigung trugen auch

diesmal verschiedene öffentliche Sammlungen sowie Privatfammler

mit dankenswerthester Bereitwilligkeit bei.

Für die Monate November und Dezember wurde eine A hee, m, getõnter Bildwerke in den unteren rr f n, vorbereitet.

Mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Kai Königs ö sich die aner gere, durch . sämmtlicher in ihrem Besitz befindlicher Werke Andreas Achen an, der zu Ghren des genannten Künstlers bei Gelegenheil seinch iebzigsten Geburtstages in der Kunsthalle zu Düsseldorf veranstalteten usstellung seiner Gemälde in den Monaten September und Sftaba

3 Jordan.

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg Sitzung vom 10. Februar 1886. Das van dem Landes - irektor Propinz Brandenburg dem Verein zum Geschenk gemachte Inventar der Bau, und Kunstdenkmäler der Provinz wurde zur Ansscht von gelegt. Assessor Holtze besprach das von Bergau mit anerkennenz— werthem Fleiß zusammengestellte, von den Provinzialständen mit großer Freigebigleit dusgestattet Werk und ieigte, in welchen Beziehung die verdienstliche Arbeit in einer hoffentlich nicht ausbleibenden neuen Ausgabe zu vervollstãndigen sein wird. Professor Schmoller behandelte aus bisher nicht gedruckten Quellen schöpfend, die Fürforge ir g des Großen für die Hebung der preußischen Seidenindustrie. Die des Königs waren. mit besonderer Lebhaftigkeit in den Jahrm 17474-1756, zum Theil auf die Anlegung von Maulbeerplantagen, als Vorbedingung für die Erzeugung der Rohseide, in viek höherem Maße jedoch auf die Seidenweberei gerichtet, da er nicht sewohl den Bezug der rohen Seide aus Italien und Frankreich je ausschließen ju können hoffte, alg vielmehr die Einfuhr der über 4 . und Leipjig kommenden Fabrikate zu beseitigen wünschte. kit einer bis in die Einzelheiten der Technik eingehenden Sorgfalt war er darauf bedacht die kostspieligen und unsicheren, aus Frankreich herangezogenen Arbeiter allmählich dadurch zu ersetzen, daß er sie verpflichtete, deutsche dehr⸗ linge auszubilden, deren er in Berlin allein 2000 am Webstuhl haben wollte. Durch Anlegung eines großen Magazins roher Seide suchte er dem Arbeitsmangel vorzubeugen, der bei ungewöhnlich hohen Preisen des Rohstoffs einzutreten und den stetigen Fortgang des Ge⸗ werbes in Frage zu stellen pflegt. Er beschränkte die arge Defrau⸗ dation, die bei der Versteuerung der aus dem Auslande eingeführten fertigen Seidenwaaren von den Juden verübt wurde, indem er den Handel mit fremden Seidenstoffen von dem Nachweife abhängig machte, daß der Verkäufer auch einen angemessenen Vorrath inlan⸗ discher Waare auf Lager hatte u. s. w. Bei allen diesen Bestrebungen hediente er sich als einer Mittelsperson hauptsächlich des Berliner Kaufmanns und großen Seidenwaarenfabrikanten Gotzkowski, der die Gunst des Königs in dem Maße genoß, daß dieser sofort 43 009 Thlr. für ihn anwies, als er durch die Amsterdamer und Hamburger Ban⸗ kerotte von 1763 in Verlegenheit gerieth. Erst als die Konkurg— Kuratoren aus den Handlungsbüchern des Gotzkowski nachwiesen, da seine Zahlungsunfähigkeit eine Folge unordentlicher Geschäͤftö— führung sei, zog der König seine Bewilligung zurück, und jener erhielt nun von seinem bisherigen Gönner statt des Geldes nur Vorwürfe und GCrmahnungen in Bezug auf seine bürgerlichen und kaufmãnnischen Pflichten. Professor Koser gab Nachricht von einer im Jahre 1731 bei Peter Martngu in Köln eerschienenen, jetzt äußerst seltenen Ilugschrift: Wahre Nachricht von der scharfen mit dem Schwert hingerichteten Exekution des Herrn von Katte. Obwohl hier Todestag und Todesstunde falsch angegeben sind, ist der Verfasser doch im Ganzen gut unterrichtet gewesen und

seine Darstellung stimmt in auffälliger Weise mit den Meldungen überein, welche die Gesandten von England und Dänemark über den . des Kronprinzen und den Tod des bei demselben bethei= igten Lieutenants erstatteten. Hieran knüpfte Hr. Koser einen Ueber blick über die dieses Ereigniß betreffenden urkundlichen Aufzeichnungen und gedruckten Berichte und zeigte insbesondere, wie gn g An⸗

spruch auf Zuverlässigkeit die bei Gallus abgedruckte Münchowsche Erzählung habe.

Der Akgdemische Missionsverein feierte vorgestern im Stadtpark sein 64. Jahresfest. Im ersten Theil der Feler hielten Prof. Plath und Missions⸗Superintendent Merensky Ansprachen. Der detztere trat dabei energisch für die Forderung ein, daß in den deutschen Kolonien deutsche Missionäre arbeiten müßten. Der ernsten Feier folgte dann ein Commers. Der Verein zählt zur Zeit 45 Mitglieder und entfaltet eine rege Thätigkeit, indem er den Sinn für Misfion in den akademischen Kreisen weckt und belebt und auch der Mission selbst materielle Hülfe gewährt.

Heidelberg, 17. Februar. (Allg. Ztg.) Aus Anlaß deb 69, Geburtstages J. V. von Scheffelð fand gestern Abend eine länzende Beleuchtung des Schlosses statt. Während die herrliche kuine in rothen Flammen erstrahlte, spielte ein Mufikcorps Scheffelsche Lieder. Der Dichter wurde zum Ehrenbürger der Stadt Heidelberg ernannt. Eine Deputation, an deren Spitze der Ober⸗Bürgermeister sich befand, überreichte das Diplom, worauf Scheffel in bewegten Worten dankte und besonders seine unvergängliche Liebe zu der schönen Stadt am Neckarstrande hervorhob.

Im Krollschen Theater findet morgen, Sonnabend, Ra angekündigte erste der beiden Concerte' der Fr. Amalie Joachim statt.

Der Circus Renz versammelt an jedem Abend ein zahlreiches Publikum in seinen weiten Räumen und bewährt nach wie vor seine alte Anziehungskraft für das vergnügungslustige Berlin und die zahl reichen Fremden. Das sorgfältig gewählte Programm, welches die Direktion den Zuschauern bei jeder Vorstellung bletet, zeigt stets neue Ab= wechs lung und Überrascht durch neue Beweise der großartigen Vollkommen⸗ heit in der Dressur der Pferde und anderer Thiere sowie der Aut bildung des künstlerischen Personals. Die allabendlich aufgeführte ö „Die Touristen? oder: Ein Sommertag am Tegern⸗ ee“ findet immer noch den Beifall der Anwesenden, obgleich bereits die vierzigste Wiederholung stattgefunden hat. Die von Hrn. Fran Renz vorgeführten acht arabischen Schimmelhengste erregen dur

ihre vornehme Haltung und Gelehrigkeit die allgemeine Bewunderung. Auf dem Gebiete der Luftgymnastik leisten die Ge— schwister Thora und Thekla wirklich . und ernten nament⸗ lich durch den zum Schluß ausgeführten Tauchersprung die verdiente Anerkennun Durch Eleganz . sich Frl. Aguimoff in. ihren Vor- und Rückwaͤrtssprüngen zu Pferde aus. Hr. Hager beweist sich wie immer in der hohen Schule als vollendeter Relter, während dig Parodie dazu in ergötzlicher Weise vom Clown Francis ausgeführt wird. Mr. Hubert Cooke ist ein excellenter Reitkünstler und verdient gleiche Anerkennung wie Frl. Clotilde Hager auf dem englischen Vollblut⸗ pferd Beautiful“. Den humoristischen Schluß macht Hr. Charlton mit seinen zwei dressirten Eseln (Rigolos), welche jedesmal mit ihren drolligen Leistungen die Lachlust der Zuschauer noch im letzten Augen blick in erhöhtem Maße erregen.

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Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz. Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage), und die Besondere Beilage Nr. 1.

Berlin: Druck: W. Elsner.

emühungen

spfsn.

su haue sei die Sache sehr kurz abgemacht worden.

zum Deutschen Reichs⸗Anz

Er st e Beilage

Berlin, Freitag, den 19. Februar

eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1884.

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44.

Aichtamtliches.

rer fen. Berlin, 19. Februar. In der gestrigen Sitzung des Reichstages erklärte bei Berathung der kschrift, in welcher Rechen schaft von der preußi⸗ ken, der sächsischen und der hamburgischen Re⸗ Erüng über die Wirkungen der Maßregeln gegen e Sozialdemokratie gegeben und das Weiter⸗ sehen des kleinen Belagerungszustandes in trlin, Ham burg und Leipzig auf 1 Jahr gefordert td Fer Abg. Viereck, Als der Abg. von Köller gelegent⸗ ö der Berathung des Antrages Rintelen sich dahin geäußert hte, daß er sich davor fürchte, französische Wahlverhält⸗ fe Platz greifen zu lassen, weil man sonst hier nicht Ihr seiner Haut sicher wäre, so habe der Abgeord⸗ me sicher nicht daran gedacht, daß das Haus . r über den Belagerungszustand zu, berathen habe. ger sei keine nationale Eigenthümlichkeit des deut⸗ Vaterlandes, sondern eine französische Erfindung, aus der Reaktionsperiode in der færanzösischen sölution, der Zeit des „weißen Schreckens“ stamme; ut habe es sich aber um einen thatsächlichen Be— Urungszustand gehandelt, der erst im Jahre V der shublik zu einem „fingirten“ Zustande geworden sei. Diese des Belagerungszustandes hätten dann in Deutschland zu— It Sachsen, dann Preußen und endlich auch das Reich in ͤ Gesetzßzebungen aufgenommen. Der sogenannte „kleine sagerungszustand“ zeige aber zwei wesentliche Unterschiede ber seinem sranzösischen Vorbilde; einmal sei nämlich z der Militärbehörde die Vollziehung übertragen und dann der deutsche kleine Bela fg nicht eine Ueher⸗ Pömaßregel, sondern bereits seit sieben und einem halben te zu einer dauernden Institution geworden. Der Abg. Schlieckmann habe sehr Recht gehabt, als er bei Ein— lung des kleinen Belagerungszustandes gesagt habe, dieser de besser als kleiner Kriegszustand, bezeichnet, das ie die passendste Bezeichnung dafuͤr. Diese passe auch viel fir in das System des Kanzlers, der seit fünfundzwanzig hren nach dem Worte . „Wer nicht mit mir ist, sist gegen mich“, und der Jeden, der nicht mit ihm gehe, seinen Feind bezeichne. Der Reichskanzler verlange noch mehr Blut und Eisen, um das Bürgerthum kirre zu machen. ch dem französischen Kriege habe man zunächst mit dem Jesuiten⸗ schangefangen. Dann sei der Diktaturparagraph und dann Fulturkampf gekommen. Im Jahre 1874 habe die Regierung f die politischen Erfolge der Sozialdemokratie zum ersten sule ihr Auge gelenkt. Früher habe sie versucht, die Sozial⸗ mokraten in das reaktionäre Lager hinüberzuziehen. Er habe bl die geheimen Akten unter dem Rubrum: „Verfolgung , Eenalbee utis! im Jahre 1874 in der Hand gehabt. hie Berichte, die damals über diese Bewegung geschrieben unden, seien stark übertrieben gewesen. Die Vereinigung der Fienacher und Lassalleaner habe es dahin gebracht, daß im Rte 1877 die zwölf. gewählten sozialdemokratischen Abgeord— sten eine halbe Million Stimmen auf sich vereinigt hätten. h glaube, daß damals in der Nacht vom 19 —11. Januar, 6 bekannt geworden, daß zwei Sozialdemokraten in Berlin snählt worden seien, in der Wilhelmstraße der Plan zum Flagerungszustande gefaßt worden sei. Als man verlegen shesen sei, auf passende Weise den Belagerungszustand ins Erk zu setzen, da habe man den „blinden Hödur“ Hödel ule er sagen, gefunden. Seitdem habe man in der Reaktion große srtschritte gemacht. Nur unter dem Schutze des Soziglisten— sezes sei es möglich gewesen, daß ein Mann wie Stöcker Juden— msolgung getrieben und die finstersten Elemente in Bewegung ge— sähabe. Der Judenhatz habe sich die Polenhatz r ef, heselbe sei ein willkommenes Mittel, Propaganda für die stlängerung des Sozialistengesetzes zu machen. Die Polen— tz habe vielleicht auch nur den Zweck, das Branntwein⸗ nanopol zu verschleiern; Sozialistengesetz und Branntwein⸗ sondpol hingen vielleicht eng zusammen. (Der Präsident snahte den Redner darauf ausmerksam, daß das Haus jetzt i der Denkschrift stehe. Die Hauptopposition gegen das sunntwein-⸗Monopol liege in den Arbeitermassen, und wenn n die sozialdemokratische . durch das Sozialisten⸗ ssez lähme, dann lähme man auch die Opposition gegen das unntwein⸗-Monopol. (Der Präsident rief den Redner noch— nul zur Sache.) Die Behauptung, daß die Sozialdemokratie In gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staats⸗ und Gesell⸗ haftzordnung anstrebe, sei eine Unwahrheit! Ihre Bestrebun— sn beruhten auf wissenschaftlichen Studien. Kein Mensch könne seine Person Geschichte gegen die Verhältnisse machen. Gegen⸗ ta ihrer idealen Mission werde man , , ,. auch iht durch das Sozialistengesetz irre machen. Wenn diese die bru⸗ slen Instinkte des Volkes gegen die bestehenden Verhältnisse sstufen wollten, dann würden sie eine größere Anzahl von lihingern gewinnen, als jetzt im ruhigen gemeinsamen islgange. Exzesse, wie in Frankreich und gegenwärtig in hmon, seien bei uns trotz des Sozialistengesetzes nicht vor⸗ ommen. In London habe man Magazine geplündert.

* Die Sozialdemokraten!) In London gebe es gar keine niialdemokraten!

Die Verhängung des Belagerungs⸗ hiundeg in Bielefeld im März vorigen Jahres sei durchaus ie igt gewesen. 143 Arbeiter der Kortschen Näh⸗ nnschinenfabrik hätten seit einigen Wochen gestrikt, und erst, 6 man Arbeiter von auswärts, namentlich von der nahe⸗ n Kolonie Wilhelmsdorf des Pastors von Bodel⸗ ningh herangezogen habe, seien Unruhen entstanden, und ige junge Burschen hätten Scheiben eingeworfen. Man he sofort drei Eompagnien Soldaten kommen lassen,

k mit gefälltem Bajonet die angesammelten Massen aus—= snandergetrieben hätten. Der einzige, der dabei verwundet

unden, sei ein im Amt befindlicher Postillon gewesen, und äh unter den Verhafteten sei kein strikender Arbeiter ge⸗ Es sei sehr bezeichnend für die Polizei, in jedem Strike

1 eine Rebellion zu sehen. Das eh d. Koalitionsrecht

rbeiter werde eben gar nicht mehr beachtet. Am 17. April / bann über die Bielefelder Affaire im Abgeordnetenhause m Abg. Hahn Bericht erstattet worden. Unter großer .

nen

Widerspruch habe sie nicht gefunden, seine Partei wolle den aber hier erheben, weil er nach Art. 68 der Reichsverfassung zur Kompetenz des Reichstages gehöre. In der Denkschrift werde auch des Aufschwungs der gewerkschaftlichen Vereine und ihrer Organisation, in Fachverbänden gedacht. Gefährlich seien diese doch nicht; sie wollten nur im Rahmen der Gesetzgebung wirthschaftliche Ziele verfolgen, die aber alles andere, nur keinen Umsturz der bestehenden Ordnung be⸗ weckten. Wenn man jede wirthschaftliche Regung der Ar⸗ eiter gleich als einen drohenden Umsturz ansehen wolle, dann müsse man doch ein sehr schlechtes Gewissen haben! Was in der Denkschrift über das Centralorgan, den „Sozialdemokrat“ gesagt werde, sei auch nicht wahr. Es sei nicht wahr, daß er den Umsturz unter allen Umständen predige. Wenn man die sozialdemokratische Presse im Lande unterdrücke, könne die Re⸗ gierun doch nicht verlangen, daß diese Blätter im Auslande Eiern etwa im Stile der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ brächten. Auf das Thema der Anarchisten wolle er hier nicht kommen. Die Anarchisten seien nur ein Produkt der Aus⸗ nahmegesetzgebung; wäre die letztere nicht, so wäre von Anarchisten keine Rede. Aus der Denkschrift könne er übrigens nur das eigene Geständniß der Regierung konstatiren, daß sie mit dem Ausnahme⸗ gesetz nichts erreicht habe. Hier in Berlin seien die sozialdemokratischen Stimmen von 32 000 im . 1877 auf 68 500 gewachsen. Aehnlich verhalte es sich in Hamburg und in Leipzig. In welcher Art die Ausweisungsbefugniß ange⸗ wendet . sei, gehe aus der Denkschrift nur dürftig her⸗ vor In Leipzig seien nur zwei Ausweisungen vorgekommen. Daraus sollte man auf eine milde Praxis schließen. Da sei aber eine neue Ausweisung geschehen, die seine Person be⸗ troffen habe. Was sei die Veranlassung dazu gewesen? Er sei als Landtagskandidat für Leipzig-Land aufgetreten und habe mehrere Versammlungen veranstaltet, ohne daß diese auf⸗ gelöst worden seien. Als er im November vorigen Jahres dann eine weitere Versammlung abgehalten habe, habe er sich dahin geäußert, daß wahrscheinlich hier ein neuer Auslieferungs⸗ vertrag mit Rußland berathen werden würde. Er habe dabei erwähnt, daß gegen den Redacteur der hiesigen Volkszeitung“ ein Strafantrag wegen Beleidigung des russischen Kaisers gestellt worden sei; hierbei habe . der überwachende Polizei⸗ beamte mit der Ermahnung unterbrochen, zur Sache zu sprechen. Er (Redner) habe ihm , daß er bei der Sache sei. Als am Schluß aus der Versammlung ein Antrag ein⸗ gebracht worden sei, die Beschwerde wegen des Eingriffes Seitens des Beamten zu erheben, habe er dieselbe befürwortet. Das sei sein Verbrechen gewesen, deshalb sei er ausgewiesen, und auf solche Weise sei ihm der gesetzliche Verkehr mit seinen Wählern unmöglich gemacht worden. Der Ausweisungsbefehl sei ihm vom Berliner Polizei⸗Präsidium übergeben worden. In dem⸗ selben sei er benachrichtigt worden, daß er auf seinen Reisen zwischen seiner Heimath München und Berlin Leipzig passiren könne, sich aber bei dem auf dem Bahnhof stationirten Polizei⸗ beamten zu melden habe. Ob das der Würde des Reichstages entspreche, solle man selbst beurtheilen. Auch unter den Polizeibeamten selbst herrsche vielfach eine Entrüstung über die Handhabung des Sozialistengesetzes. Er wolle nicht von Lebenden, sondern von Todten sprechen. Als er seiner Zeit hier in Berlin die Ausweisungsordre durch den verstorbenen Hauptmann Theiß erhalten habe, habe ihm der⸗ selbe gesagt: „Fassen Sie die Sache nur nicht zu tragisch auf, es kommen auch einmal andere Zustände!“ Als er dann nach Leipzig übergesiedelt sei und sich dem Polizei⸗Assessor Baus behufs seiner Ueberwachung vorgestellt habe, habe derselbe sich beklagt, daß man ihn zu solchen Schergendiensten verwende. Das Gefühl seines Standes lehne sig dagegen auf. Kurze Zeit nachher habe derselbe sich das Leben genommen. Wie die Ausweisung gehandhabt werde, das könne man daraus ersehen, daß aus Hamburg z. B. die Abgg. Auer, Bloß und Dietz ausgewiesen seien, die Uebrigen nicht, diese seien nicht gemeingesährlich, sie dürften nach Hamburg kommen. So seien aus Berlin die Abgg. Auer, Liebknecht, Hasenclever, diger und Viereck ausgewiesen worden, die übrigen 19 Mitglieder der Partei nicht, erst 43 Stunden nach Schluß der Session beginne die Gemeingefährlichkeit. Liege überhaupt Methode, darin? Ihm mache die Sache den Eindruck der absoluten Polizeiwillkür. Den Leipziger Formerstrike und die damit verbundenen Polizeimaßregeln müsse er noch näher beleuchten. Keiner der Ge e e habe an Umsturz gedacht, man habe nur gemaß der Koalitionsfreiheit vorgehen wollen. Was sei geschehen? Die Arbeiter hätten sich von Görcki aus Berlin einen Vor⸗ trag halten lassen, von da ab sei die Polizei wie von der Tarantel gestochen gewesen; überall, wo sich Einer erlaubt habe, zu striken, sei er bestraft worden. An sämmtliche Schank⸗ wirthe sei ein Verbot erlassen worden gegen die sogenannten „Auf⸗ gebote“, in denen sich die Strikenden über den Fortgang ihrer Sache ausgesprochen hätten. Diesen Wirthen werde sogar mit Entziehung der Konzession gedroht. Das Strikecomité sei feierlich haranguirt und der Kassirer der Strikenden noch einmal bei einer Lohnzahlung persönlich „aufgelöst“ worden. Man habe damals den Arbeitern gesagt, unter dem Be⸗ lagerungszustande . sie, außer bei Wahlen, überhaupt kein Recht, fich zu sammeln. So werde das Koalitionsrecht illusorisch gemacht. Schon aus diesem Gesichtspunkte müßte man sich gegen das Sozialistengesetz erklären. . Der Abg. Frohme führte zur Charakteristik der Polizei- millkür, unter der seine Partei zu leiden habe, . einen Fall aus Altona an. Der Altonger? , Engel habe sich verschiedene Male des gröblichsten Amtsmißbrauchs gegen die Sozialdemokraten schuldig gemacht, er habe sie sogar thätlich

insultirt. Er (Redner) habe von der Sache dem Staatsanwalt

Anzeige gemacht und ihm auf sein Verlangen das Beweis⸗ ö . Die Untersuchung habe aber keinen Erfolg gehabt. Der Staatsanwalt habe ihm erwidert, daß er leinen Grund habe , , gegen den Polizeikommissar Engel, weil durch die Unterbeamten desselben die von ihm (dem Redner) angeführten Thatsachen widerlegt worden seien, und weil die Beschüldigungen von Sozialdemokraten ausgingen, bei denen im Parteiinteresse ein Meineid nicht für ein Ver⸗ brechen gelte. Das sage ein Staatsanwalt. Nun, also schon

so weit sei es gekommen, daß die Justiz zu seilen Dirne der Polizeimillkür herabgewürdigt werde. (Der Wze⸗Präsident ese. von Franckenstein erklärte den Ausdruck sür parlamentarisch unzulässig und rief des⸗ halb den Redner zur Ordnung.) Wenn hier nicht die Stelle sei, wo man derartige unerhärte Dinge zur Sprache bringen könne, wo sei diese Stelle? Wo sei das Tribunal, vor welchem die Sozialdemokraten ihre Klagen vorbringen könnten? Sei es nicht das Tribunal der öffentlichen Meinung? Die Annahme des Staatsanwalts, Jaß die Sozialdemokraten imm Interesse ihrer Partei eines Meineids fähig wären, sei eine⸗ unerhörze Beleidigung. Er (Regner) könne aber versichern⸗= daß, wäre die Sache vor den Richter gekommen, hätten die Zeugen ihre Aussagen unter dem Eide abgeben müssen, eine⸗— solche Annahme des Staatsanwalts nicht bestehen geblieben wäre. Der Minister von . liebe es ja immer, seine Beamten als ehrenhafte, pflich getreuen Männer=— inge eln, die einer ungesetzlichen nicht ähig seien. Die öffentliche Meinung mütheile an⸗ ders. Es seien ue keine zwei Jahre her, seit: gelegentlich des Prozesses Exner von einem Staatsanwalt; konstatirt warden sei, daß sich bei den Polizeibeamten eine gewisse Amtsbrutalität eingewurzelt habe, der mit dem größten Nachdruck entgegengetreten werden müsse. In Hanan habe ein Polizeibeamter in einer Versammlung gesagt: „Ich lasse Euch hinausprügeln.“ Gegen solchen Mißbrauch der Amtsgewalt habe sich kein Staatsanwalt gefunden, und auch der Minister des Innern sei nicht dagegen vorgegangen. In Hamburg habe ein Sozialdemokrat ausgewiesen werden sollen. Er habe mit gebundener Marschroute bis Hannover transportirt und durch die Stadt durch einen Polizisten begleitet werden sollen, ohne von Frau und Kindern Absthied nehmen zu können. Erst der Intervention eines niederen Polizeibeamten sei es gelungen, ihm diefe Vergünstigung zu verschnffen. Er erhebe hiermit gegen den Polizei⸗Inspektor Schröder in Ham⸗ burg ausdrücklich die Anklage auf Mißbrauch des Amts! Die Polizeibeamten glaubten sich alle Uebergriffe gestatten zu können. Die schreckliche Folge habe man an der Frank⸗ furter Friedhofangelegenheit gesehrn, Für das Einhauen gegen und Kinder mache er den Minister direkt verantwort⸗ lich! Man habe aus jener Angelegenheit den Be⸗ lagerungszustand für gnkln zu erreichen gehofft. Das wäre gelungen, wenn sich die Ueberfallenen zur Wehre gesetzt hätten. Der Angriff sei aber zu plötzlich and zu stürmisch gewesen, deshalb habe man gar keinen Widerstand leisten können. Er erinnere an die französischen Zustände unter Napoleon III., wo die Polizei Skandale gebraucht habe. Solche Dinge könne keine Partei in Schutz nehmen! Die Denkschrift enthalte keinen einzigen gesunden Gedanken! Die Gewerkschafts dewegung in Hamburg solle abgenommen haben. Sei das ein Grund für Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes!? Wo hleibe das Versprechen, die berechtigten Bestrebungen zu respektiren? Au der. Grund, daß die Agitationen über die Wahlen hinaus dauerten, sei nicht stichhaltig. Es scheine, daß man nicht den Ausschreitungen entgegentretan wolle, sondern nur den Sozialdemokraten überhaupt zu Gunsten eines Staatssozialismus. In den sozialdemakratischen Brochüren sollten sie zu blindem Hasse gegen die bestehenden Ordnungen auffordern! Das geschehe nicht! In den Brochüren hätten sie nur das angeregt, was jetzt die Regierung selbst mit ihrem ganzen Vorgehen bezwecke; die soziale. Reform. Man solle sich einmal die Flugblätter des Herrn Stöcker mit ihren verlogenen Behauptungen ansehen. (Der Präsident von Franckenstein rief den Redner zur Ordnung.) Die Sozial⸗ demokraten seien berufen, die Sozialreform auch gegen die herrschende Klasse durchzuführen. Mit gewaltsamen Maß⸗ regeln, mit dem Belagerungszustande werde man nie etwas. ausrichten. Die soziale Gerechtigkeit werde doch endlich siegen!

Hierauf entgegnete der Bundeskommissar, Minister des Innern von Puttkamer: s

Meine Stellung zu der heutigen Diskussion ist einigermaßen dadurch modifizirt worden, daß das hohe Haus seine Tagesordnung verändert hat; ich hatte mir vorgenommen, in der Boraussetzung, daß die Verlängerung des Gesetzes, betreffend die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie, alt erster Gegenstand auf der Tagesordnung stehen würde, diesen Gesetzentwurf mit einigen. Worten vor Ihnen einzuleiten, bin aber selbstverständlich davon ab⸗ ekommen, nachdem die Tagesordnung verändert und zuerst der Rechen⸗ een elch auf dieselbe gesetzt worden it .

Ich muß sagen, daß die erste Rede, die wir heute gehört haben, so sorgfältig sie auch vorbereitet gewesen ist, dinnoch für mich des« Interessanten weniger geboten hat; ich bin nicht in der Lag, auf die Ausführungen des Hrn. Abg. Viereck hier näher einzugehen. Ich würde auch in der Erwartung, daß ja alle diese Dinge la der noch=— bevorstehenden Diskusszon ausgiebig zur Sprache komman werden, darauf verzichtet haben, dem 3 Abg. Frohme noch zu antworten ; es ist jedoch ein Gesichtspunkt in seiner Rede, der mich aöthigt, das. Wort zu ergreifen. . .

Meine Herren, er hat es fün gut befunden, zuerst einen, wie: ich glaube, gänzlich verfehlten Angxiff. gegen. meine Person zu richtem in Bezug auf meine angebliche Pflicht, den Staatsanwälten etwa?. zu gebieten oder zu verbieten; aben ich halta das seiner vielleicht nicht ganz vollkommenen Kenntniß unserer Refsortverhältnisse zu gute. Er hat es dann für nöthig gedalten, mich verantwortlich zu machen für alle Ausschreitungen von Polizeibeamten, die etwa schon bisher umd vielleicht auch künftig auf dem von ihm erörterten Gebiet si herauggestellt haben sollten. Dem gegenüber möchte ich mir d eine Bemerkung erlauben. Sr hat gefügt: ‚Der Hr. Minister von Puttkamer hat bei anderen Veranlassungen immer ohne Weiteres hier von der Tribüne und vor der Deffentlichkeit jeden angeklagten Polizeibeamten in Schutz genommen; er hat geg daß dies alles vortreffliche Leute seien, Wächter der öffentlichen Ordnung; an denen dürfe man nichts Uebles finden. Und weil nun diese en bloc;- Inschutznahme stattgefunden habe, so sei es ja ganz natürlich, daße jeder Polizeibeamte glaube, er fei erhaben in feiner Amtsstellung. könne Brutalitäten verüben, so viel er wolle; ihm werde der Schuß des Ministers stets zur Seite stehen. Meine Herren, diese Aus- . en kennzeichnen doch einen sehr erheblichen Grad von Un⸗

2 der Ire , und der Acußerungen, die ich früher hier ge⸗ than habe. Ich entsinne mich nicht und ich werde das bis zum Beweis des Gegentheils auch aufrechterhalten daß ich je⸗ mals einen Beamten in Schutz genommen hätte, von dem es erwiesen war, daß er Unrecht Caen batte. Aber ich halte es andererseits für meine Pflicht, jeden Beamten, den ich bisher für untadelhaft und pflichttren erkannt habe, so viel wie

einer

Handlung