1886 / 89 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 13 Apr 1886 18:00:01 GMT) scan diff

keit wird zugesagt werden konnen, da eine solche Revision jederzeit in der Alsicht der Regierung sowohl, wie, soviel ich weiß, in der Absicht der meisten Parteien gelegen bat; es wäre ja geradezu tendenziös, wenn wir die oft zugegebene Absicht, die Maigesetze zu revidiren, das Entbehrliche auszuscheiden und über Konzessionen zu verhandeln, gerade in diesem kritischen Augenblick zurückziehen wollten. Nein, wo uns von der Gegenselte ein Angebot gemacht wird, können dir doch unmög— lich sagen, jetzt wollen wir keine Revision mehr, weil uns ein Preis angeboten wird. Also diese Zusicherung zu geben, wird die Regierung ohne Weiteres in der Lage sein. Ich will auf die Auslegung, die der Herr Vorredner den Intentionen der Kurie gab, nicht weiter eingehen als, indem ich die volle Ueberzeugung ausspreche, daß, wem wir über den Frieden verhandeln und ihm näher treten, von beiden Seiten loyal, ehrlich und mit Vertrauen verhandelt werden wird, daß wir unsererseits dieselbe Zuverlässigkeit und Loyalität auf der andern Seite vorausfetzen, mit der wir solchen Verhandlungen näher treten würden. Ich bitte Sie, meine Aeußerung vorzugsweise anzunehmen als eine Richtigstellmnz der Auffasfung der Vergangenheit, über die ich ein klassischer Zeuge sein darf, weil ich an ihr mitgearbeitet habe, und mir zu gestatten, daß ich über die Stellung, die die Regierung zu den ein⸗ elnen Punkten nehmen wird, mich demnächst zu einem Zeitpunkt äußere, wo die Regierung in der Lage sein wird zu übersehen, welches die Gesammtwirkung in allen Parteien des Landes sein wird und bis zu welcher Linie der Konzession zu gehen ihr die Majorität des gesammten Landes erlauben wird. Sie wird bis zu dieser Grenze bereitwilligst ehen; es kann aber nicht verlangt werden, daß sie sich mit der Masorität aller Parteien in Unfrieden seßtzen sollte.

Nicht an der öffentlichen Meinung, sondern an dem Ausdruck der Stimmung des Volkes, wie er in den beiden Häusern des Landtages die Möglichkeit hat, sich amtlich zu erkennen zu geben, wird es sein, die Grenzlinie zu bestimmen, bis zu welcher die Staatsregierung gerne und bereitwillig gehen wird.

Herr von Kleist-Retzom meinte: Die letzten Worte des Reichskanzlers seien unzweifelhaft dahin zu verstehen, daß er nur dann die Vorlage Sr. Majestät zur Sanktion unterbreiten könne, wenn die Majorität in beiden Häusern des Landtages sich nicht nur aus Konservativen und dem Centrum zusammen⸗ setze, sondern tiefer nach links hineingreife. Diese Worte seien eine ernste Mahnung an die Gegner der Vorlage, ob sie die Verantwortung dafür auf sich zu nehmen bereit seien, den Staat noch ferner im Kampfe mit der Kirche zu lassen, in einem Kampfe, wo jener mehr geschädigt werde als diese, dafür, daß ein Friede nicht erreicht werde, wenn die Vorlage zu Falle komme. Herr Professor Beseler habe sich gegen Alles, nicht nur gegen alle Anträge, sondern gegen die ganze Vorlage erklärt; derselbe habe gesagt: er müsse als evangelischer Christ diese Entscheidung treffen. Er (Redner) fühle sich dagegen gedrungen, zu erklären, daß er als evangelischer Christ für

ie Vorlage stimmen müsse, weil er den Frieden wolle. Den Beweis für die in seiner Rede ausgesprochene Behauptung sei der große Jurist schuldig geblieben, und es sei ihm der große Fehler passirt, daß er Haupt- und Nebensachen voll— kommen verwechselt habe. Die Sache liege doch so, daß die Kommission entschlossen gewesen sei, die Anträge Kopp bei Gewährung der Anzeigepflicht anzunehmen. Redner kritisirte des Weiteren die Ausführungen des Herrn Beseler und er— klärte sich schließlich mit den Anträgen, jedoch nicht mit der Resolution“) einverstanden. In Folge der römischen Note vom 4. April habe sich die Situation so geändert, daß von einer Weigerung, die Vorlage anzunehmen, seiner Meinung nach nicht mehr die Rede sein könne. Er bitte dringend, im wahren Interesse des Staats und seiner Glieder den Gesetzentwurf mit den Anträgen Kopp anzunehmen.

Hierauf nahm Fürst Bismarck noch einmal das Wort:

Ich muß dem Herrn Vorredner in einer seiner Anführungen widersprechen, weil ich glaube, daß dieselbe auf einem thatsächlichen Irrthum beruht.

Er hat gesagt, daß durch den Kampf, so wie er bisher verlaufen ist, der Staat seiner Meinung nach mehr geschädigt sei als die Kirche. Das ist eine Ansicht, die ich nicht theile; es könnte daraus sich der wesentliche Irrthum entwickeln, als ob der Staat in den Anerbietungen, mit denen er der Kirche und feinen katholischen Mitbürgern entgegenkommt, irgend einer Nothlage Ausdruck gäbe, in der er sich befinde, als ob sie nicht der reine Ausfluß des Friedensbedürfnisses Sr. Majestät des Königs Seinen katholischen Unterthanen gegenüber wäre, von dem Augenblicke an, wo der Friedenswunsch von Rom aus unzweideutigen Ausdruck gefunden hat. Der Herr Vorredner wird sich selbst daß diese Auffassung eine irrthümliche ist, wenn er auf die parlamentarische Seite des gegenwärtigen Streits im Vergleich gegen frühere Zeiten zurücblickt. Wie lange ist es her, daß wir in Preußen nicht eine Situation gehabt haben, so günstig wie die heutige im Abgeordneten⸗ bause. Die konservative Partei in sich einig, in einer fruchtbaren Fühlung mit der nationalliberalen Partei, kurz die drei nationalen Mrteien in einer großen Maiorität und demgegenüber das Bündniß von Gentrum und Fortschritt in einer Minorität. Zustand hat sich der Herr Vorredner nicht ver⸗ gegenwärtigt Ich kann im Augenblick nicht nachrechnen, wie lange es her ist, daß eine so günstige parlamentarische Lage in Preußen vorhanden war. Wenn irgend etwas durch den Kulturkampf

n Schaden gelitten hat, so ist es das Deutsche Reich, und das Ansehen

* Viesen

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11 ö und die Wirkung des Reichstages. Das liegt aber auch nicht wesent— lich am Kulturkampf, sondern das liegt an den Bundesgenossen, die vm x

das Centrum im Reich gefunden he Nebmen Sie an, daß im Reichstag das Centrum dastände ohne die Fortschrittspartei! Die Siege, die das Centrum glaubt erfochten zu haben, sind mit Siege der Fortschrittspartei Ohne diesen Bundesgenossen befände sich das Centrum im Reichstage in derselben Minorität wie im preußischen Abgeordnetenbause, ungeachtet der bedenklichen Bundes⸗ genossen, die es außerdem zur Seite hat, in Gestalt der Sozial der Elsaß⸗Lotbringer Franzosenfreunde und der Pol dieser bedauerlichen Verbindung würde es obne die Fort— tspartei die Majorität nicht baben. Also was uns diese Un— bequemlichkeiten im Reiche verursacht, lege ich nicht sowobl dem Cen trum zur Last als der Fortschrittspartei, soweit sie im Centrum ver— treten ist, was ja sehr bedeutend ist, und insoweit sie selbständig ist. Die Fortschrittspartei hat die eigenthümliche Rolle gespielt, daß sie im Anfange des Kirchenstreites denselben mit der größten Sorgfalt geführt bat, und ihn jetzt in jeder Weise verleugnet. Die schärfften und erbittertsten Reden im kirchlichen Streit sind von Mitgliedern der Fortschrittspartei gehalten worden, und nachdem sie das Feuer recht in Brand gebracht hatten und Staat und Kirche gegen einander rbetzt, gingen sie mit fliggenden Fahnen in das Lager des Centrums beschossen den Staat von da aus. Sie benutzten die An⸗ bnung, Um unter dem Deckmantel der Kirchenpolitik staats und reichsfeindliche Politik mit zu treiben. Und diese Partei spricht in ibren Organen jetzt von politischer Ehre! ;

Herr Dr. Miquel erklärte: Der Landtag sei der Vor⸗ lage gegenüber in doppelter Beziehung in schwieriger Lage: die Stjatsregierung verlange einerseits Stellungnahme, wäh⸗ rend fie selbst ihre Haltung von der Abstimmung des Land⸗ tages abhängig mache; und andererseits sei die Staatsregierung nicht direkt von der Ansicht ausgegangen, einen Frieden mit der katholischen Kirche durch die Vorlage her⸗ beizuführen, sondern sie habe geprüft, was auf⸗ gegeben werden könnte, um den Wünschen der ka⸗ tbholischen Unterthanen gerecht zu werden. Die Kom⸗ mission habe von vornherein ein anderes System verfolgt; Te babe den in Preußen und an anderen Stellen einem Frieden günstigen gegenwärtigen Augenblick benutzen wollen,

um zu einem definitiven Abschluß zu kommen. Deshalb habe es die Kommission auch gegenüber der reservirten Stellung der Staatsregierung verantworten können, über deren Vor⸗ lage hinauszugehen und mehr zu offeriren; aber nur, wenn wirklich die Garantie geboten werde, daß wir zu einem wahrhaft friedlichen Verhältniß zur katho⸗ lischen Kirche zurückkehren. Dieser Vorbehait sei nicht willkürlich; er behaupte: er entspreche den Wünschen der Mehr⸗ heit des deutschen Volkes. Er stehe nicht auf Herrn Beselers Standpunkt und bedauere, daß de elbe so geringschätzig von der materiellen Bedeutung der Anzeigepflicht gesprochen. Er (Redner) betrachte sie, als äußeres Zeichen des friedlichen Einvernehmens zwischen Staat und Kirche, als höchst bedeutungsvoll; sie sei durch kein Gesetz der Kirche verboten, und daher solle durch ihre Gewäh⸗ rung die letztere nur bekennen: sie habe die fried⸗ liche Gesinnung der anderen Seite erkannt und werde daher von jetzt ab die Anzeigepflicht ohne Vorbehalt er⸗ süllen. Diese Erwartung habe die Kommission gehegt. An⸗ sänglich habe es gegenüber diesem Entgegenkommen geschienen, als ob der Bischof selbst, an dessen Loyalität und redlicher Ahsicht, für den Frieden mitzuwirken, Niemand gezweifelt habe und auch heute nicht zweifele, der Ueberzeugung gewesen. sei: wenn die Nachgiebigkeit wirklich Seitens des Staates bewiesen würde, dann“ sei an der Vollgewährung einer un— bedingten Anzeigepflicht nicht zu zweifeln. Darauf seien zwei verklausulirte Erklärungen gekommen und zuletzt bie Note vom 4. April, in der Herr von Kleist die offene Erklärung einer dauernden Erfüllung der Anzeigepflicht für die ganze Zukunft finde. Eine solche sei aber nicht vor⸗ handen.‘ Er (GGedner) für sein Theil entnehme aus den bis⸗ herigen Akten der römischen Lurie und des gegenwärtigen Oberhaupts, daß dieses den Frieden ehrlich wolle. Die ses persönliche Vertrauen zu Sr. Heiligkeit dem Papst könne doch aber für ihn (Redner) eine rechtliche und orga⸗ nische Institution nicht ersetzen. Was man erstrebe, sei kein Augenblickserfolg, sondern ein dauernder Friedenszustand. Diesfer hänge aber von der weiteren Revision ab, wobei man weder wisse, wie die römische Kurie dieselbe auffasse, noch diese wissen könne, in welchem Maße die preußische Staatsregierung und Landesvertretung ihren Wünschen entgegenkommen würde. In der Frage: in welchem Maß und Umfange dieselbe statt⸗ sinden solle, lägen neue Keime eines neuen Kampfes. Es sei aber auch die Gefahr vorhanden, daß neben allen an⸗ deren Gegensätzen demnächst noch der Vorwurf der Illoyalität und der mangelnden Vertragstreue von der inen oder anderen Seite erhoben werde. Auf solcher Grund— lage könne man es in diesem Augenblick, selbst wenn man, wie er (Redner), den dauernden Frieden herbeisehne, nicht ver— antworten, an die durch die Anträge des Herrn Bischofs Kopp geforderte äußerste Linie zu gehen, bis zu welcher ein moderner Staat bisher kaum gegangen; denn es werde die Aufgabe von Staatshoheitsrechten, die auf altem Staatsrecht, dem Landrecht be⸗ ruhen, verlangt. Wäre es denn so unbillig gewesen, wenn der Papst sich bestimmt erklärt hätte? Dann brauchte man nicht hier zu streiten über die weitere Revision der Maigesetze. Mit tiefem Be— dauern würden sich daher eine große Anzahl Mitglieder ent⸗ schließen müssen, in der gegenwärtigen Lage die Vorlage mit den Amendements, jedenfalls aber die über die Regierungs—⸗ vorlage hinausgehenden Anträge der Kommission und des Herrn Bischofs Kopp abzulehnen. Um jedoch über den Sinn dieser Ablehnung im Lande keinen Zweifel zu lassen, sei in der Resolution‘ ausgesprochen, daß die Maigesetze allerdings im Interesse des Staats und der Bevölkerung ein— gehend revidirt werden müßten, daß aber dabei die unveräußerlichen Rechte des Staates zu wahren seien, und daß diese Revision nicht in verschiedenen Akten von Periode zu Periode fortgeschleift werde, sondern in einem großen Akt auf Grund eines festen Einvernehmens mit der römischen Kurie. Man sollte doch gewisse Rechte, die Resultate Jahrhunderte langer Kämpfe, in denen so zu sagen ein ge⸗ meines Staatsrecht zum Ausdruck komme, welche die Weisheit unserer Vorfahren in dieser Beziehung festgesetzt und die Kirche geduldet habe, nicht so leicht behandeln, als wenn sie in die moderne Welt nicht mehr paßten und keine Bedeutung mehr hätten. In der Zeit von 1850 bis 1873 habe man einen rechtlichen Zustand gehabt, indem die Kirche sich vom Staat los⸗ gelöst, dieser aber an die Kirche gebunden gewesen sei. Zwei Systeme gebe es überhaupt blos: volle Trennung von Staat und Kirche mit allen Konsequenzen für die Schule und die öffentlich rechtliche Stellung beider, Zurückziehung der starken Hand des Staats und rolle Gleichgültigkeit des Staats gegen die Kirche; oder die Aufrechthaltung der alten historischen Stellung der großen Kirchen im Staat, Privilegirung der Kirche auf verschiedenen Gebieten, Gewährung von Vorzugsrechten, Schutz der Kirche, aber auch Wahrung gewisser Rechte des Staates, nicht blos Pflichten; sonst komme man wieder auf den Zustand von 1850-1873, welcher die eigentliche Grundlage des ganzen Streits geworden. Käme man wieder dahin, dann würde der Friede von kurzer Dauer sein. Deshalb wolle er eine organische Regelung der Stellung des Staats zur Kirche nicht von heute auf morgen, sondern von Dauer. Dabei müsse er aber einzelne Vorbehalte für einige sehr wichtige Fragen machen. Gewiß werde der Geistliche innerhalb der Kirche stehen, seinen kirchlichen Oberen mehr gehorchen als den staatlichen. Gewiß sei es falsch, sich willkürlich in Verhältnisse des Geistlichen zu seinen Vorgesetzten eindrängen zu wollen, und zweifellos hätten die Maigesetze diesen Fehler gemacht: daraus folge aber keineswegs, daß der Staat gleich⸗ gültig gegen die Vorbildung der Geistlichen sein könne, weil die Geistlichen als solche im Staat an der Erziehung der Jugend mitzuwirken hätten; das würde zur konfessionslosen Schule führen. Alle Rechte, die sich der Staat gegenüber der Kirche beilege, müßten weise und vorsichtig bemessen sein; bis zu einer ge— wissen Grenze seien sie nothwendig, darüber hinaus für den Staat werthlos und schädlich, für die Kirche hemmend und

Y) Das Herrenhaus wolle beschließen; Der Königlichen Staats regierung seine fortdauernde Bereitwilligkeit zu erklären, bei einer abschließenden Revision der kirchlichen Gesetzgebung, soweit die un veräußerlichen Rechte des Stagts dieselbe zulassen, behufs Herbei—⸗ fübrung eines friedlichen Verbältnisses zu der römischkatholischen Girche mitzuwirken, und die Staatsregierung zu ersuchen, unter dieser

aussetzung und zu diesem Zwecke einen anderweiten Gesetzentwurf vorzulegen. .

Die Resolution wurde unterstützt von den Herren von Bernutb, Beseler, Bödcher, Boie, Bötticher, Bredt, Breslau, Prinz zu Schoenaich⸗ Carolath, Dietze, Dove, Graf von Drbrn, Forchhammer, Francke, Friedensburg., Friedlaender, Miquel, Ostermever, von Pfuel. Graf von Pückler-Schedlau, Reichert, Roepell, Fürst zu Salm ⸗Reiffer⸗ scheid, von Schumann, Graf von Schwerin, Staude, Struckmann Theune, Toosbüp, Ubbelohde.

.

schädlich. Das sei die Kunst des Staatsmanns und Historikers gegenüber den schwankenden und veränderlichen An chauungen hier das Richtige zu finden. Die preußische Regierung dürfe niemals konfessionelle Politik führen: unsere Lage sei in dieser Beziehung eine viel feiner zu beurtheilende als die anderer Staatsregierungen; andererseits seien die Konsequenzen auch um so gewichtiger und maßgebender, weil sie beide Kirchen betreffen würden. Würden der katholischen Kirche Freiheiten gegeben, so werde auch die evangelische mit Gegenforderungen kommen. Wenn in letzter Konsequenz es dahin kommen sollte, daß beide Kirchen nur Rechte, keine Pflichten gegenüber dem Staat hätten, dann würde der Staat die Befugniß verlieren, zwischen den beiden Konfessionen als Friedensbewahrer aufzutreten; das würde aber von schweren Folgen für Preußen und Deutschland begleitet sein. Er und seine Gesinnungsgenossen seien bereit, in dem Entgegenkommen so weit wie irgend möglich zu gehen Er sei der Ueberzeugung, daß der Staat ohne irgend welchen Schaden einen Theil der hestehenden Gesetz⸗ gebung aufgeben könne; aber dahin dürfe es nie führen daß sich der Staat aus der Stellung zurückziehe, welche durch die Natur und Geschichte der Kirchen und durch die paritätische Natur unseres Staats unbedingt nothwendig sei Wenn die Befürchtungen des Herrn von Kleist zuträfen, daß bei Nichtannahme der Anträge ein wirklicher Friede auf Jahr— zehnte wieder vertagt wäre, so würde er (Redner) sich doppelt besinnen, ob der Weg der richtige sei, den er für richtig halte. Aber er glaube es nicht. Durch die Haltung des Herrenhauses und der Regierung sei erwiesen, wie weit die Kurie auf ein Entgegenkommen rechnen könne, wenn sie ihrerseits entgegen— komme. Erwiesen wäre dann aber auch, daß der Kampf sort— dauern würde, wenn sie ihrerseits nicht enigegenkomime. Es sei zu erwägen, ob nicht bei den maßgebenden Elementen der Kurie irrige Ansichten beständen. Wenn man heute Alles annehme, obwohl bestimmte Gegen— zusicherungen nicht vorliegen, wie werde es dann mit der dem— nächstigen Revision werden? Habe man da noch einen festen Halt? Das sei wohl zu bedenken. Das Ziel sei, wie er ver— muthe, bei Allen gleich. Man sei blos verschiedener Meinung über die Rathsamkeit des Weges. Wie auch das Herrenhaus entscheiden möge, alle Mitglieder desselben hegten die gleiche Hoffnung: möchte der ersehnte Friede bald kommen, das richtige Verhältniß zwischen Staat und Kirche hergestellt und unsere katholischen Mitbürger hefriedigt werden. Graf zur Lippe äußerte: Die katholische Kirche könne in einem evangelischen Staate nicht das Maß von Selbständigkeit haben wie in einem katholischen. Das habe auch Friedrich der Große schon ausgesprochen. Aber auch die Regierung könne bei uns nicht den Einfluß auf die Kirche ausüben wie in einem katholischen Staate. Wenn man jetzt die ganze Vorlage ablehnen wolle, so sei unklar, wie man zu dem Anfang des Friedens kommen wolle. Man müsse gerade jetzt zeigen, wie weit man gehen wolle. Die Regierung habe eine positive bestimmte Antwort erwartet, sie habe den Weg ge— ebnet, und das Haus muͤsse dem auf dasselbe gesetzten Ver— trauen entsprechen. Es gehöre ein gewisser Muth dazu, alte Meinungen abzulegen; diesen Muth müsse man jetzt zeigen. Was heute gethan werden könne, sollte man nicht aufschieben. Man müsse so weit gehen wie irgend möglich, dann werde das andere Haus nicht umhin können, denselben Weg zu gehen. Die Grenze zwischen Kirche und Staat einseitig durch die Landesgesetze gezogen zu haben, sei ein Fehler der Maigesetze, den man jetzt wieder gut machen müsse. Lehne man die Vorlage heute ab, so werde die Kurie die Be— strebungen des Hauses nicht für ernst halten; deshalb bitte er im Interesse eines dauernden Friedens um Annahme der Vorlage.

Hierauf wurde die Generaldiskussion geschlossen und um 41 Uhr die weitere Berathung auf Dienstag 1 Uhr vertagt.

Gewerbe und Handel.

Prof. Dr. E. Reyer in Wien hat in der Zeitschrift für er. Hütten- und Salinenwesen? auf. Grund seiner persönlichen Anschauungen eine interessante und lehrreiche Arbeit über die Gold— gewinnung in Kalifornien veröffentlicht, der wir nachstehende Mittheilungen entnehmen.

. Der mittlere Reicht hum der Goldquarzgänge betrug Anfangs mehrere hundert Mark, sank dann bis auf 60 „, und jetzt verarbeitet man Gänge mit nur 12 M per Tonne. Die finanziell Wirthschaft ist zum Theil unglaublich, wie folgendes Beispiel zeigt: Der Gang— zug von Bodie wurde 1857 mit 30h09 Aktien à 1 Doll. gegründet; im Frühjahr 1878 wurde noch J Dell. zugeschossen, dann traf man auf reiche Nittel und vertheilte, während die Aktien auf 50 stiegen, im selben Jahre noch 11 Doll. Dividende. Im Dezember 1880 stand die Aktie G1 Doll. ö. .

. Ueber die neuen Waschmethoden und die Zuführung der dau benöthigten Wassermengen macht der Verfasser folgende Angaben: An bergmännischen Kanalanlagen wurden ausgeführt 00] km im Jahre 1866, 9009 km in 1858, ebenfoviel in 1867, S0obg kin in 1872 und akermals 90090 km im Jahre 18580. Seit 1866 nahm man Eisenguß-. dann genietete Schmiedeeisenröhren, mit deen mag Deberöhren behufs Ersparung von Aquädukten herstellte. Die für Cherokee angelegte 30 zöllige Leitung bildet ein 4 km langes Knie mit 8 Zoll Blechstärke und hält einen Wasserdruck von 0 m aus. Ferner ist der Prozeß der, in der Ebene wohnenden Farmer gegen die Bergleute interessant. Erstere empfingen durch die hydrau. lischen Wäschen doppelt soviel Schutt als früher durch die naturliche Erosion, und wurden klagbar; der Prozeß ist zu Ungunsten der Berg— leute entschieden worden. ;

HSinsichtlich der Produktion wird bemerkt, daß sie in den fünfziger Jahren meist 309 Mill. betragen habe; in den sechziger Jahren sank sie auf 199 Mill. und jetzt erreicht sie nur einen Werth von ö Mill. „6 jährlich. Anfangs der fünfziger Jahre waren über 60 000 bis 1099 009 Mann in den Goldbergwerken und -Waäͤschen Kali⸗ forniens beschäftigt; auf den Mann entfielen jährlich nur 2000 bis obo gls, war bei einem Tagelohn von 16 bis 335. ein starkes Defizit , . Mitte der sechziger Nahre lieferte der Quarjbergbau pro Mann nahe an 400) (6, die Wäschen entsprechend weniger bei einem Tagelohn von 19 bis 12 460, also abermals ein okonomischer Schaden. Es erklärt sich dies daraus, daß einige Dutzend Werke die Hauptmasse des Goldes produziren, reichen Gewinn erzielen und den Marktpreis bestimmen. Burch den Erfolg verlockt, werden zahlreiche ähnliche Unternehmungen gegründet, die nach dem Verbrauch der Gelder zusammenbrechen. Einer gewinnt viel, Hunderte verlieren etwas. „Darum ist die Goldproduktion der Erde im großen Ganzen uns onomisch gewesen, und das Gold ist aus diesem Grunde ein Artikel, welcher unter, den Selbst kosten auf dem Weltmarkte verhandelt wird. So wird es bleiben, so lange die Goldproduktion nicht wenigstens in den wichtigsten Goldländern vom Staate gerege

oder ganz verstaatlicht wird.“ (. Stahl und Gisen‘)

der Königlichen Staatsregierung abhängig ist, das ist wohl unbe⸗

z 898.

3wei

te Beilage

in Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 13. April

1883.

NAichtamtsliches.

Preußen. Berlin, 13. April. Im weiteren Verlauf dr gestrigen (6l.) Sätzung des Hauses der Abge⸗ zrdneten erklärte sich nach Verlesung der Inter⸗ ellation der Abgg. 1 von Minnigerode und Graf Kanitz, welche die Anfrage an die Staats⸗ regierung stellt, ob dieselbe weitere gesetzgeberische Maßregeln heabsichtigt, um dem Preisrückgang der landwirth⸗ schaf tlich en. Erzeugnisse zu begegnen und eine weitere Steuererleichterung der Kommunen herbeizuführen, zer Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, hr. Lucius, zur sofortigen Beantwortung bereit,

Der Abg. Freiherr von Minnigerode motivirte die Ein⸗ hringung der Interpellation mit der in landwirthschaftlichen greisen allgemein herrschenden Nothlage, Nachdem der Reichs⸗ ag es abgelehnt habe, in eine eingehende Erörterung der Frage des Branntwein-Monopols einzutreten denn eine angehende Behandlung könne man die Debatten im Reichstag nicht nennen —, und so die Hoffnung der Landwirthe auf eine Befferung der Lage getäuscht worden sei, habe sich Redner zeranlaßt gesehen, im Abgeordnetenhause die Behandlung der Frage anzuregen, In den kapitalistischen Kreisen der Groß⸗ sädte herrsche völlige Unkenntniß über die Verhältnisse der kandwirthschaft. Nach der letzten Volkszählung wiesen jwei Fünftel sämmtlicher Kreise der Monarchie eine Abnahme der Bevölkerung auf; während insgesammt die Bevölkerung in den Städten um 861 Proz. zugenommen habe, sei die länd⸗ liche Bevölkerung nur um 1,13 Proz. gewachsen, das sei eine bedenkliche Verschiebung der Bevölkerungsverhältnisse, die be⸗ sonders zu Ungunsten des 2stens liege. Was die Abhülfe⸗ maßregeln betreffe, so wolle Redner auf die Tariffrage und die Frage der Doppel währung nicht eingehen. Durch nachträgliche ollerhöhungen könne die gegenwärtige Krisis aber über⸗ punden werden. Es handele sich bei der landwirthschaftlichen Nothlage nicht um eine vorübergehende ungünstige Konjunktur, sondern um einen dauernden Zustand. Man behaupte, die zölle hätten nichts genützt, weil man trotzdem jetzt keine nor⸗ nalen Verhältnisse habe. Wohin wäre man aher erst ge⸗ sommen, wenn man die Zölle nicht gehabt hätte? Nicht nur unendlich viele persönliche Existenzen seien bedroht, auch für den Staat selbst liege in der landwirthschaftlichen Nothlage eine große Gefahr. Gegenüber der Kon⸗ furren; des indischen Getreides seien die deutschen Kornzölle viel zu gering. Der Rückgang des Zins⸗ sußes und die Billigkeit des Geldes genügten auch nicht, den Ertragsrückgang um ein Drittel resp. die Hälfte ju beseitigen. Man werde sagen: Was nütze es, wenn im Ubgeordnetenhaus Lärm geschlagen werde, während der Reichs⸗ tag sich etwas lache; wenn man aber im Abgeordnetenhause auf die Nothwendigkeit der Zollerhöhungen hinweise, werde der Reichstag sich eher dazu entschließen können. Von dem Wollzoll wolle Redner nicht weiter sprechen, da hierbei die Frage der Ausfuhrvergütung zu schwierig sei. Aber Riehzölle seien durchaus nothwendig gegenüber der massenhaften Schweineproduktion Amerikas. Mit der Brannt⸗ weinkonsumstener sei er einverstanden, dieselbe müsse große finanzielle Erträge liefern. Durch die jetzige Spritklausel sei ne Schädigung des deutschen Brauntweinhandels nicht aus⸗ geschlossen. Was die Zuckersteuer betreffe, so halte er die Beschlüsse des Reichstages für richtig und würde bedauern, wenn die Regierung die Rübensteuer erhöhen wollte; dadurch würde nur ein schwerer Druck auf die Landwirthschaft aus⸗ geübt werden, da die Zuckerfabrikanten die Steuer auf die Rübenbauern abwälzen würden. In Bezug auf die Erleichterung der kommunalen Lasten müsse er die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer als eine längst anerkannte Forderung empfehlen. Der usfall an Grunde und Gebäudesteuer würde, nach⸗ dem der Reichstag zur Erhöhung der Einnahmen des Reiches seine Zustimmung versagt habe, durch eine Getränksteuer in Preußen aufgewogen werden, bei welcher der germanische Durst in patriotischem Interesse nicht versagen werde. Zum Schluß bemerkte Redner, daß seine Ausführungen keinen polemischen zweck haben sollten.

Hierauf erklärte der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, Dr. Lucius:

Meine Herren, zu dem ersten Punkt der Frage, ob die Königliche Staatsregierung beabsichtigt, Maßregeln anzuregen, welche darauf ge⸗ richtet sind, dem bedrohlichen Preisniedergang, der landwirthschaftlichen Grzeugniffe' zu begegnen, habe ich zu erwidern, daß zur Zeit die Königliche Staatsregierung nicht glaubt, eine Erhöhung der bestehenden Getreide- und Viehzölle anregen zu sollen.

Was die zweite Frage betrifft, ob eine weitere Steuererleichterung der Kommunen und kommunalen Verbände herbeigeführt werden solle, so erlaube ich mir, auf die Erklärung hinzudeuten, die sowohl der Herr Minifter-Präsident, als auch der Herr Finanz Ninister in autoritalivster Weise bei der Einbringung des dies— sährigen Etats hier als Ziel des Steuerreformprogramms der Königlichen Staatsregierung ausgesprochen hat. Der Herr Finanz—⸗ . hat damals als Steuerreformprogramm und als Ziel be⸗ zeichnet: reichliche Mittel zu gewinnen, um ich meine die Hälfte der Schullaften auf die Staatskasse zu übernehmen, die ganze Grund- und Gebäudesteuer den Kommunen zu überweisen und dafür zu sorgen, daß besonders harte und ungerecht treffende Steuern aus der Welt geschafft werden. . r Dieses Ziel, was Seitens der Königlichen Staatsregierung damals bezeichnet worden ist, besteht zur Zeit, auch noch. Daß aber die Er⸗ reichung und die Durchführung desselben nicht blos von dem Willen

streitbar. Ich darf hinzufügen, daß die Königliche Staatsregierung durch die Einbringung des Spiritus⸗Monopols im Reichstage ver⸗ sucht hat, die Mittel für die gewollten Zwecke zu gewinnen,. Welches Schicksal diese Vorlage gehabt hat, ist bekannt. Ich darf aber weiter konftatiren, daß sich die Königliche Staatsregierung durch diesen Mißerfolg nicht wird abschrecken lassen, mit neuen Vorlagen, die die gleichen Ziele und Zwecke verfolgen, hervorzutreten, und daß ie hofft, daß das mit besserem Erfolg geschehen wird, und daß sie bei ihren Bestrebungen die Unterstützung aller der Parteien, die dasselbe Ziel erstreben, auch haben möge. . ö

Meine Herren, mit diesen Bemerkungen hätte ich eigentlich die

Minister, der

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*

er is

wickelung dieser Krif Diese Ans

geführt haben. Nachdem man

Roggen, die damals Erhöhung nur nach

keit, das Fabrikat,

*

hinzugetreten sind,

haben.

duktionsverhältnissen

und Viehproduktion,

Wenn ich also

fuhr und Ausfuhr

9 ; ö 88 terpellation beantwortet. Da ich aber aus den Ausführungen des Derrn Vorredners erfehe, daß es ihm nicht sowohl um eine kurze Er—

Ausfuhrvergütungen herbeiführen, würde. el Zoll in gewisser Weise zur Erhöhung des Weizenkonsums geführt hat, das wird sich allerdings kaum bestreiten lassen, obwohl man

klärung zu thun ist, als daß er und seine Partei es für zweckmäßig und erwünscht halten, über die allgemeine Lage der Landwirthschaft bier eingehend zu diskutiren, so kann ich mich natürlich meinerseits dieser Aufgabe nicht entziehen und bin bereit, auf die gehörten Be— merkungen und Ausführungen einzugehen.

Meine Herren, darüber, daß sich die heimische Landwirthschaft in einer großen, schweren Krisis befindet, darüber kann wohl auf keiner Seite ein Zweifel obwalten; Niemandem kann diese ganze Nothlage mehr gegenwärtig sein als der Königlichen Staatsregierung und inner— halb deiselben Niemandem mehr als dem

landwirthschaftlichen und

en Aufgaben ist, dieser wirklichen Vorschriften, durch nd unabänderlich

sondern die ge⸗ Schwierig⸗

rere J

en leer, ohne Pächter zu finden; urchschnitt nicht in Latifundien

die Wirkungen dieser Zölle schon fünf Jahre be⸗

obachtet hatte, ist man im vorigen Jahre dazu übergegangen, eine,

wie doch zu sagen ist, sehr wesentliche Erhöhung dieser Zölle eintreten zu lassen, eine Verdreifachung der Hauptnährfrüchte, Weizen und

stattgefunden hat. Es ist gewiß, daß guch diese einer allseitigen sorgfältigen Prüfung hat statt⸗

finden können und dürfen, und darin hat sich die Königliche Staats⸗ regierung wie die verbündeten Regierungen durchaus im Einklange befunden mit der Mehrheit dieses Hauses wie mit der Mehrheit des Reichstages, daß man einen verschiedenen Zoll auf Roggen und Weizen nicht hat legen können. wiederholt erörtert worden ist, sowohl in der freien wirthschaftlichen Vereinigung, wie in allen Interessentenvertretungen. Die Schwierigkeit liegt dabei hauptsächlich in der Müllerei⸗Industrie, in der Unmöglich⸗

Das ist eine technische Frage, die ex professo auch

das Mehl von Roggen und Weizen zu unter⸗

scheiden, so daß also eine Trennung, eine verschiedene Normirung des Zolles die vollständige Unmöglichkeit der richtigen Normirung von

Daß diese Gleichstellung im

andererseits auch annehmen kann, daß der vermehrte Konsum von Weizen auch wesentlich dadurch bedingt ist, daß weizenproduzirende Gebiete in außerordentlich großem Umfange zum europäaischen Markte

während die roggenproduzirenden Gebiete sich

wefentlich auf demselben geographischen Gebiete wie bisher gehalten

Die ganze Schwierigkeit auf diesem Gebiete liegt in der funda⸗ mentalen ÜUmgestaltung, die unser gesammtes Verkehrswesen in den setzten 30 Jahren erfahren hat, wodurch von Jahr zu Jahr neue große Pkoduktionsgebiete dem europäischen Markte hinzugetreten sind, die unter gänzlich verschiedenen, aber durchweg viel günstigeren Pro⸗

arbeiten können, und die dadurch bei der Entwicke⸗

lung des Kommunikationswesens unsere heimische Produktion auf ein sehr niedriges Preisniveau herabdrücken können. Das hat bis vor wenigen Jahren in erster Linie Amerika gethan mit seiner enormen Weizen⸗

dann ist in den letzten Jahren Indien und

Egypten mit einer außergewöhnlichen und vorzüglichen Weizen jroduktion hinzugetreten, und neuerdings scheint auch Auftralien in dieser Beziehung weiter vorzurücken auf dem Gebiete sowohl der Getreideproduktion, wie auch ganz besonders auf dem Gebiete der Vieh- und Wollproduktion.

age, daß die Königliche Staatsregierung zur

Zeit nicht beabsichtigt, eine weitere Erhöhung der Getreidezölle anzu⸗ regen, so geschieht das wesentlich auch mit aus dem Gesichtspunkt, daß die Zeit des Bestandes dieser Zölle ein viel zu kurzer gewesen ist, um ihre Wirkung beurtheilen zu können.

Es ist ein bekannter e n,

und die Statistik der Ein

von Getreide bestätigt es, daß jedesmal vor

dem Eintritt erhöhter Zölle ein gesteigerter Import stattfindet, um noch Nutzen von den niedrigen Zöllen zu haben. Das ist im Winter 18845s55 in erheblichem Maße geschehen, und wenn Sie dazu noch rechnen, daß das Jahr 1886 überall in ganz Europa und auf den anderen Kontinenten ein außergewöhnlich en, Erntejahr ge⸗ wesen ist, so ist bege

steigerten Importes

eiflich, daß zur Zeit noch der Druck dieses ge⸗ auf dem deutschen Markte lastet. Das

hat sich ja in den letzten Wochen nicht mehr geäußert und herausgestellt in Form eines weiteren Preisniederganges: wohl aber äußert es sich noch zur Zeit darin, und darüber sind mir Klagen aus den verschiedensten Gegenden der Monarchie zugegangen, daß die Frodukte geradezu unverkäuflich sind, daß die Böden vollliegen, daß aber auch zu den jetzigen Preisen, wenn man einen weiteren Preisdruck nicht herbeiführen will, es fast unmöglich ist zu verkaufen. Das erklärt sich jedenfalls durch das Vorhandensein größerer Vorräthe, als wie sie der Konsum augen⸗ blicklich aufnehmen kann.

Also diefe Gesichtspunkte dürften durchschlagend sein, um jeden—⸗ falls davon abzumahnen, zur Zeit mit einer neuen Anregung in Bezug auf die Erhöhung der Getreidezölle zu kommen.

Dann hat der Herr Abgeordnete das weitere Gebiet der Viehzölle blos flüchtig berührt. Ich will das auch nur in flüchtiger Weise thun und kann das auch, weil hier die Dinge wefentlich einfacher liegen. Der Viehimport in Deutsch⸗ land ist überhaupt höchst geringfügig. Unsere östlichen Grenzen gegen Rußland und Desterreich hin sind permanent geschlossen gegen die Einfuhr von Wiederkäuern, von Rindvieh und Schafen, einfach aus Rücksicht der dort fast stets vorhandenen großen Verbreitung der Rinderpest. Also es findet von diesen beiden Hauptvieharten ab⸗ gesehen vom Schmuggel, der ganz nicht zu unterdrücken ist, aber keine großen Dimensionen hat eine Einfuhr und auch das beweifen die Einfuhrlisten seit Jahren nur in ge— ringem Maße statt. Um gleich diese beiden Viehsorten zu erledigen, will ich nur hinzufügen, daß der Import, den wir von Rindvieh und Schafen haben, wesentlich nicht zu Konsum— zwecken stattfindet, sondern wesentlich zu Zuchtzwecken und zum Ver⸗ edlungsverkehr. Was von Rindvieh importirt wird aus der Schweiz, aus Frankreich, aus Holland, aus England, aus Dänemark, fällt durch weg unter den Gesichtspunkt des Bedürfnisses der Züchter; es ist durchweg wenigstens weit überwiegend Material, was wir für die heimische Zucht nicht entbehren können.

Was die Schweine betrifft, so ist auch die Einfuhr derselben aus Den östlichen Grenzländern den größten Theil, des Jahres gänzlich gesperrt. Auch bier sind es lediglich veterinärpolizeiliche Rücksichten, die dazu nöthigen, die in den östlichen Ländern meist weit verbreitete Klauen⸗ und Maulseuche fern zu halten. Die Sperre gegen Rußland ist in den letzten Jahren nur ausnahmsweise und während weniger Sommermonate sistirt worden; und dann ist es jedesmal auf sehr dringende Anträge von weiten Erwerbskreisen geschehen, die die Einfuhr von magerem Vieh, ganz besonders von Läuferschweinen u. s. w. befürworteten. Der Import aus Desterreich⸗Ungarn, wo die veterinãr⸗ polizeiliche Kontrole eine sehr, viel bessere und energischere ist, ist seit etwa Jahresfrist mit geringen Unterbrechungen gestattet gewesen. Aber auch die Einfuhr von Schweinen ist keine erhebliche, im Ganzen übertrifft überhaupt nur die Einfuhr von Schweinen unsere Ausfuhr. Bei den Schafen ist die Ausfuhr weit überwiegend über die Einfuhr, um etwa eine Million Köpfe. Bei den Pferden ist zwar der Zahl nach die Einfuhr größer wie die Aus⸗— fuhr, allein, da es sich bei der Einfuhr wesentlich um geringwerthige, ruffische, litthauische Klepper u,. s. w. handelt, so, wird sehr wahr⸗ scheinlich sich das Werthverhältniß unserer Ausfuhr zu der Einfuhr auch fo gefstalten, daß unsere Ausfuhr einen größeren Werth repräsentirt wie die Einfuhr.

Aus diefen Gesichtsvunkten heraus hat die Königliche Staats— regierung, und zwar mit Zustimmung der verbündeten Regierungen, schon im Jahre 1885 davon abgeseh n, überhaupt eine Erhöhung der Viehzölle anzuregen. Dagegen hat sie sich durchaus nicht ablehnend da⸗ gegen verhalten, als aus den Kreisen des Reichstages eine Erhöhung dieser Zölle angeregt wurde. Sie ist in Kraft und auch hier würde zur Zeit eine Erhöhung zu beantragen kaum eine Veranlassung sein.

Dann die Frage der Wolljölle. Meine Herren, diese Frage ist 1579 sowohl wie auch 1885 innerhalb des Kreises der freien wirth⸗ schaftlichen Vereinigung auf das Eingehendste diskutirt worden. Es ist damals allseitig' anerkannt worden, daß die Einführung eines hohen Wollzolles durchaus im landwirthschaftlichen Interesie liegen würde, daß aber nach Lage unserer Gesammtverhältnisse, wo in Deutschland etwa nur 1st oder 1½6 unseres Wollkonsums produzirt wird und von der produzirten Wolle ein großer Theil exportirt wird, daß unter diesen Verhältnissen die Möglichkeit der Einführung eines Woll zolles ausgeschlossen sei. Es scheitert diese Frage an der Möglichkeit, eine Exportbonifkation zu geben, die die in dem Fabrikat verwendeten Wollmengen deckt. Es ist ja mit Interesse zu verfolgen —=— neulich hat glaube ich, der Hr. Abg. von Below⸗Saleske diese Sache hier erörtert und auch in wissenschaftlichen Kreisen angeregt, daß man sucht Verfahrungsweisen zu finden, um durch Zählung mit der Lupe, mit dem Mikroskop, durch chemische Untersuchungen festzustellen, welcher Prozentsatz an reiner. Wolle sich in den verschiedenen Fabrikaten findet. Es ist bekannt, daß ganz reine Wollwaaren bei Weitem nicht das Gros der exportirten und getragenen Waaren repräsentirt; daß vielmehr eine Mischung von Jute, Baumwolle, Hanf und allen möglichen anderen Fasern stattfindet, die eine außer⸗ ordentliche Schwierigkeit geben, in einem fertigen Fabrikat nachzuweisen,

wie viel Wolle fich darin findet. Allein schon die Frage der Ein⸗

werden kann.“ .

Meine Herren, nachdem vor wenigen Wochen ich glaube es ist am 24. März gewesen dieses hohe Haus sich in demselken Sinne geäußert hat, werden Sie es begreiflich finden. daß auch die Königliche Staatsregierung nicht in der Lage ist, aus dem Vetitionsbericht und aus den daran sich knüpfenden Verhandlungen eine Veranlsfsäng Mu nehmen, 33. weiter auf diesem Gebiete vorzugeben. Dieselbe Petition ist in dem Reichstage verhandelt worden, dort bat fis noch nicht zu einer Erörterung im Plenum des Hauses geführt; allein der Kommissions⸗ bericht geht auch darauf hinaus und es ist dic ser Beschluß mit 16 gegen 3 Stimmen gefaßt nicht, daß cine Erhöhung der genannten IM z. JZ. zu beantragen fei, sondern daß der Herr Reichskanzler zu erfuchen sei, eine allgemeine Caquete über die Verhältnisse des länd⸗ lichen Befitzers und die Rentabilität des landwirthschaftlichen Betriebes zu veranlassen. Es beschränkt sich also auch dieser Antrag wefentsich darauf, daß man immer aufs Neue die ,, der

landwirthschaftlichen Verbältnisse in eine Erwägung ziehen möge, und

es ist ja auch durchaus richtig, daß man um ein Heilmitte u suchen, vor allen Dingen die Ursachen und die Ausdehnung des Uebels unter⸗ suchen soll. Nun baben wir uns, die Königlich preußische Regierung, n den letzten 6 Jahren eigentlich in einer permanenten Enquete über die landwirthschaftlichen Verhältnisse befunden, und, wenn

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