1886 / 203 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Aug 1886 18:00:01 GMT) scan diff

it des jetzigen Parlaments gegen die Gladstone'sche Vorlage ei, wäre eine noch weit bedeutendere Majorität für liberale Maßregeln zur Selbstregierung Irlands. Zähle man die liberalen Sezessionisten zu dem Rumpf der Partei und den Nationalisten, so sei die Homerule⸗Idee durch 354 Stimmen vertreten. Selbst von den Ministeriellen hätten sich viele geneigt erklärt, bedeutende Konzessionen zu machen. Aber selbst diese Tories nicht miteingerechnet, sei im jetzigen Anti⸗Homerule⸗Parlament eine beträchtliche Majorität, welche die Wünsche Irlands wenigstens theilweise zu erfüllen bereit sei. Betrachte man die Volksstimmung, so erschienen die Aussichten der Selbstregierung Irlands noch glänzender. Vor 12 Monaten habe Homerule ganz außer dem Gesichtskreise des englischen Volkes gelegen, jetzt werde die Lehre in jeder Stadt und in jedem Dorfe von Tausenden mit einer Wärme und einem Enthusiasmus vor— getragen, wie sie nur ein großes politisches Ideal erzeugen könne. Die Homerule⸗Vorlage habe überhaupt am Stimmkasten nur in Süd⸗ und Mittel-England eine Niederlage erlitten. Die Einführung von Homerule sei durchaus konservativ. Welche Partei, ob Tories oder Liberale, sie durch⸗ setzt, ist nach Gladstone's eigener Erklärung zweifelhaft. Möglicherweise werde Irland erst nach und nach sein Ziel er— reichen. Den Schluß der Schrift bildet eine beredte sieges⸗ gewisse Ausschau in die Zukunft. Irland, so heißt es, habe jetzt eine breite, geebnete Bahn, welche zur vollen Erfüllung seiner Wünsche führe. Es werde sein Ziel durch lediglich moralische Kräfte erreichen, welche schon so viele Burgen des Vorurtheils zerstört hätten.

29. August. (W. T. B.) Die anläßlich der Ver⸗ urtheilung des Sozialisten Williams angekündigte Mon stre— versammlung hat heute Nachmittag 5 Uhr auf dem „Trafalgar Square“ stattgefunden. Zu derselben trafen aus verschiedenen Stadttheilen Züge von Sozialisten ein, wobei die Musik die Marseillaise spielte. Mehrere Reden wurden ge— halten und Resolutionen angenommen, in welchen die Frei— lassung Williams' gefordert und die Nothwendigkeit der Emanzipation der Arbeit, sowie das Recht der Arbeiter, die Mittel zur Produktion selbst zu besitzen, verlangt wurden. Die Polizei war zu Fuß und zu Pferde in großer Zahl in der Umgebung des „Trafalgar Squares“ aufgeboten, es kam jedoch keine Unordnung vor.

30. August, Morgens. (W. T. B.) Die meisten Morgenblätter sprechen über den Entschluß des Fürsten Alexander, nach Bulgarien zurückzukehren, ihre Befriedigung aus, verhehlen jedoch nicht die Besorgniß, daß die Rückkehr des Fürsten Verwickelungen herbeiführen könne. Die „Morningpost“, glaubt, diese Verwickelungen würden sich wesentlich vermindern, wenn Rußland bei einem weiteren Vorgehen in der orientalischen Frage sich einem gemein— samen Einvernehmen der übrigen Mächte gegenüber befände. Die „Times“ spricht die Vermuthung aus, daß Fürst Alexander auf den ihm durch den Gesandten White in Bukarest übermittelten Rath der englischen Regierung nach Bukarest zurückgekehrt sei, und meint, Alles deute darauf hin, daß der Kaiser von Rußland und seine Rathgeber geneigt seien, vor— läufig wenigstens die vollendeten Thatsachen anzuerkennen.

Frankreich. Paris, 27. August. (Köln. Ztg.) In der gestrigen Sitzung der Arbeiter-Konferenz wurde ein Ent— wurf einer internationalen Arbeitsgesetzgebung vorgelegt, welcher verlangt, die verschiedenen Regierungen sollten durch Verträge gleiche Bedingungen für die Arbeit in allen Ländern aufstellen. In erster Linie will der Bericht folgende Forderungen berücksichtigt wissen: 1) Verbot der Arbeit von Kindern unter 14 Jahren. 2) Besonderer Schutz für Kinder unter 14 Jahren und Frauen. 3) Achtstündige Tagesarbeit und ein Ruhetag in der Woche. 4) Verbot der Nachtarbeit. 5) Anordnung von Ge— sundheitsmaßregeln. 6) Verbot gewisser der Gesundheit schäd⸗ lichen Industrien. 7) Verantwortlichkeit der Arbeitgeber bei Unglücksfällen. 8) Besichtigung der Werkstätten, Fabriken, Gruben durch Inspektoren, welche von den Arbeitern selbst gewählt werden. .

28. August. (Köln. Ztg.) Die Regimentsmanöver im Lager bei Chalons wurden gestern geschlossen, die Brigademanöver fangen am Montag an. Der Kriegs⸗-Minister wird am 9. September im Lager erwartet. In einer Unter— redung, die gestern zwischen dem Minister de Frey cinet und dem Hovas-General Willoughby stattfand, erklärte ersterer: die Anleihe, welche der General in Europa machen wolle, müsse von der Regierung abgeschlossen werden. Die französische Regierung überwache die Bedingungen der Anleihe und werde besonders darauf achten, daß gewisse Bürgschaften, wie die Zolleinnahmen und die Bergwerkskonzessionen, nicht ohne Bevollmächtigung durch die französische Regierung in Anspruch ö würden. Im Ministerrath sprach Präsident Frévy, der etwas K aber nicht unwohl ist, die Ansicht aus, daß dem Vatikan alle mög— lichen Zugeständnisse gemacht werden sollten, um einen Bruch mit der Kurie zu vermeiden. Dem „Monde“ wird aus Rom vom 28. August gemeldet: „Eine außerordentliche Kar—⸗ dinals-Kommission wurde zur Fortsetzung der Verhandlungen mit Frankreich eingesetzt, um eine gründliche Prüfung der Mittel vorzunehmen, welche gestatten werden, zu einem Ein— vernehmen mit Frankreich über die Fragen zu gelangen, welche durch die Absendung eines Vertreters des Vatikans nach China aufgeworfen wurden. Somit wird ein befriedigen⸗ des Einverständniß mit Frankreich jetzt wahrscheinlich.“

28. August. (W. T. B.) In dem heute unter dem Vorsitz des Präsidenten Gréyy im Palais Elysée ab— gehaltenen Ministerrath theilte de Freyeinet die über die Ereignisse in Bulgarien eingegangenen Meldungen mit und bemerkte, daß die Absichten des Fürsten Alexander bis jetzt noch unbekannt seien. Was die Verhandlungen mit dem Vatikan über die Errichtung einer diplomatischen Vertretung in Peking betreffe, so dauerten dieselben noch fort, der Papst habe noch keinen Entschluß gefaßt. Nach den jüngsten Depeschen aus Indien ünd Ehina seien bei Laokai einige Angriffe Seitens der Piraten vorgekommen. Die Lage in Annam sei unverändert.

Türkei. Konstantinopel, 28. August. (W. T. B.) Wie verlautet, hätte der englische gor haft bei der Pforte einen Schritt zu Gunsten der Wieder- einsetzung des Fürsten Alexander unternommen. Der Minister des Auswärtigen, Said Pascha, soll darauf geant⸗ wortet haben, daß die Pforte eine derartige Initiative nicht ergreifen könne, nachdem sie beschlossen, nur im Einvernehmen mit allen Mächten vorzugehen.

29. August. (W. T. B.) Die Bankiers in Ga— lata haben sich dahin geeinigt, der Pforte die verlangten 600 000 Psd. türk. vorzustrecken.

Rumänien. Bu karest, 28. August. (W. T. B.) Dem hiesigen diplomatischen Agenten Bulgariens ist eine Prokla⸗ mation Stambuloff's zugegangen. In derselben heißt es: „Der jüngste Staatsstreich nöthigte den Fürsten, unsern vielgeliebten Souverän, sich momentan aus Bulgarien zu entfernen. Ich kündige Ihnen an, daß in Ge⸗ mäßheit des Artikels 19 der Verfassung die Verwal⸗ tung des Landes einer Statthalterschaft anvertraut wurde, welche aus dem Präsidenten der Nationalversammlung, Stambuloff, als Vorsitzendem und den Mitgliedern Petko, Stanzikoff und Stransky besteht. Oberst-Lieutenant Mutkuroff wurde in seinen Funktionen als oberster Chef der bulgarischen Armee bestätigt. Das Ministerium der Statthalterschast be— steht aus Radoslawoff als Präsidenten und Minister des Innern, Natchewich für die auswärtigen Angelegenheiten, Kultus und interimistisch für Finanzen, Oberst Nicolajeff für Krieg, Tutscheff für Justiz und Jivkoff für Unterricht. Den obengenannten Personen ist die Vertheidigung und Verwaltung des Vater— landes anvertraut, und wird die Statthalterschaft im Einver— nehmen mit dem Ministerium alle ihr zu Gebote stehenden

Mittel anwenden, um den Frieden und die Ruhe sicher zu stellen

und mit der legalen Ordnung die Ehre und das Eigenthum aller Einwohner zu sichern. Das Land wird bis zur Rückkehr des Fürsten in seinem Namen und den bestehenden Gesetzen gemäß verwaltet werden. Indem ich das Vorstehende zur Kenntniß des bulgarischen Volkes bringe, bin ich vollständig davon überzeugt, daß die gesammte Nation sich beeilen werde, sich um die Statthalterschaft zu schaaren zur Rettung des Vater— landes von der Gefahr, in welche dasselbe gebracht wurde, und daß Jeder die Gesetze des Landes und die gesetzlich kon— stituirten Behörden achten werde. Möge der Allmächtige das theuere Vaterland und unseren vielgeliebten Souverän den Fürsten Alexander beschützen und unsere Bemühungen für das Glück und die Wohlfahrt Bulgariens segnen. Stambuloff. Mutkuroff.

29. August. (W. T. B.) Fürst Alexander ist Vormittags 10 Uhr hier angekommen und am Bahnhof von dem Minister⸗Präsidenten Bratiano, sowie den anderen Ministern und dem englischen Gesandten White begrüßt worden. Auch die hier weilenden Bulgaren waren zum Empfange des Fürsten auf dem Bahnhof erschienen. Seitens der provisorischen bulgarischen Regierung ist der Minister des Auswärtigen, Natchewich, zur Begrüßung entsandt warden. Der Fürst und sein Bruder unterhielten sich mit mehreren Persönlichkeiten einige Zeit. Um 11 Uhr wurde die Weiterreise angetreten. Sowohl bei der Ankunft wie bei der Abfahrt wurden dem Fürsten von der zahlreich versammelten Menge Ovationen dargebracht.

DJ . Alexander ist Nachmittag JI Uhr in Smarda (Giurgewo) eingetroffen.

29. August, Abends. Bei seiner Ankunft in Giurgewo wurde Fürst Alexander von einer rumänischen und einer bul— garischen Deputation empfangen, am Halteplatz war eine Ehrenkompagnie aufgestellt, welche ihm militärische Ehren erwies. Der Fürst schritt auf die von Stambuloff geführte bulgarische Deputation zu, begrüßte dieselbe und umarmte Stambuloff, während die Volksmenge, die aus der Umgegend, namentlich aber aus Rustschuk, in großen Massen nach Giurgewo ge— kommen war, unausgesetz Hurrahs und Hochs auf den

Fürsten ausbrachte. Die auf der Donau befindlichen Schiffe, Boote und Barken waren festlich beflaggt,

von vielen Schiffen und von den Geschützen von Rustschuk wurden Freudenschüsse abgefeuert. Der Fürst bestieg nach kurzem Aufenthalte die nämliche Yacht, die ihn am 23. d. M. nach Reni gebracht hatte, und fuhr nach Rustschuk hinüber. Bei der Ankunft in Rustschuk wurde der Fürst auf der Landebrücke von der bulgarischen Deputation, an deren Spitze sich Stambuloff befand, willkommen geheißen und sodann unter unausgesetzten Freudenkundgebungen der Bevölkerung nach dem fürstlichen Konak geleitet.

Ein Telegramm der „Agence Havas“ meldet: Ueber die gegenwärtige Situation Bulgariens hat Stam— buloff einem Korrespondenten der „Agence Havas“ fol—⸗ gende Aufklärung gegeben: „Es beständen zur Zeit zwei Re— gierungen im Lande, eine in Sofia unter Leitung Karaweloff's, die andere für das übrige Bulgarien und Rumelien unter Vorsitz Stambuloff's. Letzterer habe sich von Karaweloff getrennt, weil dieser der Absendung eines russischen Enquetekommissärs zugestimmt habe, während Stambuloff die Situation ohne Theilnahme eines solchen wiederherstellen wolle. Demnach sei die durch die gestrige Proklamation Stambuloff's designirte Regierung als wirkliche Regierung zu betrachten, welche mindestens bis zur Rückkehr des Fürsten nach Sofia von diesem als solche acceptirt werden dürfte. Major Grueff ist in Rahowa, mehrere andere Offiziere sind in ö internirt. Zankoff befindet sich noch, ohne verhaftet zu sein, in Sofia, wird jedoch streng überwacht.“

Serbien. Belgrad, 28. August. (W. T. B.) Die Königin Natalie ist heute früh 6 Uhr zu mehrtägigem Aufenthalte nach dem serbischen Bade Kissela Wo da bei Arandjelowatz abgereist.

29. August. (W. T. B.) Der „Pester Lloyd“ meldet aus Belgrad, König Milan betrachte die Rückkehr des Fürsten Alexander mit der größten Befriedigung und habe einer hohen Persönlichkeit gegenüber geäußert, die Rückkehr des Fürsten bedeute eine Garantie der Konsolidirung der Zustände im Orient.

Bulgarien. Sofia, 29. August, Abends. (W. T. B.) Neben der Regierung Stambuloff's, welche im Namen des Fürsten Alexander geführt wird, besteht noch eine provi—⸗ sorische Regierung, welche unter Karaweloff's Leitung in Sofia funktionirt; zwei aufständische Bataillone mit 5 Batterien haben sich von Sofia nach Radomir begeben.

Ru stschuk, 29. August, Abends. (W. T. B.) Die Landung des Fürsten Alexander erfolgte unter Salut— schüssen der Geschütze und unter stürmischen Freudenkund— gebungen der Kopf an Kopf gedrängten Menge, die Stadt war festlich geschmückt und beflaggt. Der Fürst wurde zunächst vom Metropolitan, hierauf vom Kon— sularcorps begrüßt und sodann von Stambuloff im Namen des bulgarischen Volkes willkommen geheißen, welches die Verräther verabscheue und die Regierungs— gewalt wieder in die Hände des Fürsten lege. Der Fürst er⸗ widerte, er sei überzeugt, daß das bulgarische Volk fortgesetzt ihm sein Vertrauen zuwende, sein Leben werde der Sorge für die Wohlfahrt desselben gewidmet sein. Dem Vernehmen nach wird der Fürst morgen früh 4 Uhr nach Sistowa ab— reisen, von dort aus würde der Fürst sich zunächst nach Tir⸗

nowa, sodann nach Philippopel und schließlich nach Sof ia begeben.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 29. Aagust. (W. T. B.). Die Flotten manöver in den finnischen Scheeren beginnen morgen und sollen bis zum nächsten Donnerstag dauern.

30. August. (W. T. B.) Der Kaiser empfing gestern den neu ernannten chinesischen Gesandten Lui⸗Schui⸗ Fun, welcher sein Beglaubigungsschreiben überreichte, in Audienz, hierauf wurde der Gesandte auch von der Kaiserin empfangen. Die Herzogin von Edinburg hat sich gestern Abend auf das Landgut des Großfürsten Sergius im Moskauischen Gouvernement begeben.

Auftralien. Wellington (Neu⸗Seeland), 26. August. (Allg. Corr) Nach einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ ist das Parlament von Neu⸗Seeland vertagt worden, nachdem es die Bill, welche die Regierung zu einer ausschließlich zu Eisenbahnbauten bestimmten Anleihe von 1500000 Pfd. Sterl. ermächtigt, genehmigt hatte.

Zeitungsstimmen.

Der „Hamburgische Correspondent“ schreibt über die neuesten Eisenbahnverstaatlichungen in Preußen:

. . Als der Reichseisenbahn⸗Gedanke auf jene Schwierigkeiten stieß, welche seine Vertagung auf unbestimmte Zeit nothwendig machten, wurde behufs Erreichung der mit demselben verfolgten vorzugsweise wirthschaftspolitischen Ziele als Ersatz die Durchführung des Staats— bahnsystems in Preußen in Aussicht genommen. In der Person des Ministers Maybach war die geeignete Kraft für die Leitung des großen Unternehmens gewonnen; die Abtrennung der Handels— und Gewerbeverwaltung von dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten gewährte diesem die Möglichkeit, den dadurch bedingten großen Zuwachs an Arbeit zu überwältigen. Als die Landtags— wahlen von 1879 den Fortschritt und den in der Folge sezessionisti— schen linken Flügel der Nationalliberalen stark decimirt, den beiden konservativen Fraktionen in Verbindung mit den Rechts— Nationalliberalen aber eine sichere Mehrheit verschafft hatten, war auch nach der Seite der Landesvertretung die Voraussetzung für die Inangriffnahme des Unternehmens gegeben. Diefselbe ist allmählich konsequent, aber ohne Uebereilung fortgeführt. Jedes Jahr brachte eine Serie neuer Erwerbungen, deren Genehmigung, nachdem die prinzipielle Entscheidung im Jahre 1879.ñ 80 erfolgt war, nur dann noch auf Schwierigkeiten stieß, wenn sich gegen den Erwerbs—⸗ preis Bedenken erhoben. Eine kleine Nachlese war übrig geblieben, nachdem mit den großen Linien das preußische Bahnnetz im Großen und Ganzen in den Staatsbesitz übergegangen war. Diese soll, wie die im „Preußischen Staats-Anzeiger“ veröffentlichten Kaufanerbietun— gen an eine Reihe von Privatbahnen beweisen, nunmehr stattfinden und damit die Durchführung des Staatsbahnsystems zum Abschluß gebracht werden.

Es handelt sich dabei allerdings nur um einen verhältnißmäßig geringen Bruchtheil der preußischen Eisenbahnen. Denn während die Länge der Staatsbahnen sich zur Zeit auf über 21 000 km beläuft, haben die jetzt zur Verstaatlichung bestimmten Bahnen im Ganzen noch keine 1000 km Bahnlänge, mithin kaum 50 der Staatsbahnen.

Auch im Einzelnen kann keine dieser Bahnen sich entfernt an Bedeutung mit den früher erworbenen Hauptbahnen messen. Einige derselben erheben sich kaum über die Bedeutung von Sekundärbahnen. Für die Handels- und Tarifpolitik fallen wesentlich nur die Ost— preußische Südbahn und die Marienburg⸗Mlawkaer Bahn als wich— tige Verbindungsglieder zwischen den preußischen Handelsemporien und ihrem Hinterlande, namentlich Rußland, ins Gewicht Ihre mili— tärische Bedeutung ist dagegen wohl nicht so groß, wie man früher anzunehmen geneigt war.

Die Bedeutung der neuesten Serie von Verstaatlichungen liegt daher weniger in der Größe der Maßregel an sich, als vielmehr darin, daß sie das Werk der Durchführung des Staatsbahnsystems zum Abschluß zu bringen bestimmt ist. Dieses selbst und seine Trag— weite in sozialer, politischer, volks- und staatswirthschaftlicher Hinsicht bei diesem Schlußakt nochmals zu erörtern, erscheint überflüssig; dagegen ist es angezeigt, daran zu erinnern, daß dasselbe nach seiner parlamentarischen Seite hin als die Frucht der mittelparteilich— konservativen Mehrheit anzusehen ist. Wenn daher das Wort „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ Anwendung findet, so ergiebt sich aus der hervorragenden Bedeutung der Durchführung der Ver— staatlichung der preußischen Bahnen der Schluß auf eine ungemein große Leistungsfähigkeit jener Majoritätsbildung auf dem Gebiete po— sitiven Schaffens.

Statistische Nachrichten.

(B. Pol. N) Das Material bezüglich der letzten Volks—⸗ zählung in Frankreich liegt dem Pariser Ministerium des Innern seit Kurzem vollständig vor, soweit das eigentliche Frankreich in Betracht kommt. Es fehlen demnach einstweilen noch die Zahlen ergebnisse aus Korsika, Algerien und den überseeischen Kolonien, doch wird angenommen, daß binnen etwa 14 Tagen sämmtliche Infor— mationen zur Stelle sein und somit die Regierung in den Stand setzen werden, die ziffermäßigen Nachweise der Bewegung der Bevölkerung für den Zeitraum von 1881 bis 1886 zu erbringen. Die Volkszählung fand in Frankreich am 29. und 30. Mai d. J. statt. Am 15. oder 20. k. M. sieht man der amtlichen Bekanntmachung des Gesammt— ergebnisses im „Journal officiel“ entgegen, sammt einem Erlaß des Präsidenten der Republik, welcher den Abschluß der Zählungsarbeiten verkündet und die Gesammtzah!l der Einwohner Frank—⸗ reichs nebst Kolonien angiebt. Diese Zahl betrug im Jahre 1881 37 672 000 Einwohner; soweit die neuesten statistischen Erhebungen vermuthen lassen, dürfte die Zählung des laufenden Jahres, entgegen den letzthin verbreitet gewesenen Zeitungs— nachrichten, keinen Rückgang der Bevölkerung ergeben, sondern im Gegentheil einen Zuwachs von etwa 450 000 Köpfen. Die Gesammt— ziffer stiege demnach auf 38 025 000 bis 38 105 000 Einwohner. Unter den großen Städten weisen Lyon, Marseille, Toulon, Bordeaux einen Zuwachs von 22 000 bis 35 000 Köpfen auf. Die mittleren Departements, Aveyron, Tarn, Lot, Cantal u s. w. sind gleichfalls an Einwohnerzahl gewachsen, und zwar im Verhältniß des Ueberschusses der Geburten über die Sterbefälle. In den Departements des Ostens so— wohl als des Westens ist die Bevölkerung beinahe stationär geblieben. Die Departements der unteren Seine, der unteren Loire und die an— deren mit Seehäfen versehenen Departements verzeichnen eine durch— schnittliche Bevölkerungszunahme von 12000 bis 170090 Einwohnern. Das Seine⸗Departement, d. h. die Hauptstadt Paris selbst, hat nur um einen ganz unbedeutenden Betrag an Seelenzahl zugenommen.

Kkunst, Wissenschaft und Literatur.

Unter dem Titel: Sozialdemokratische Druck⸗ schriften und Vereine auf Grund des Reichsgesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestre bungen der Sozial⸗ demokratie vom 21. Oktober 1878“ ist im Verlage von Karl Deymann⸗Berlin eine im amtlichen Auftrage verfertigte Statistik von dem Königlichen Polizeisekretär Otto Atzrott erschienen, welche einen genauen Aufschluß über die Zahl der unter dem Sozialistengesetz erlassenen Verbote von Druckschriften und Vereinen bietet. Während der nunmehr beinahe achtjährigen Gültigkeitsdauer dieses Reichsgesetzes haben danach die auf die Verbote von Druckschriften und Vereinen bezüglichen Bekannt

machungen im Reichs⸗Anzeiger die Zahl von ungefähr 1450 erreicht, und zwar betrafen hiervon etwa 12090 die Verbote von Druckschriften,

während der Rest durch die Verbote von Vereinen nothwendi von g wurde. Aus Anlaß des Verbots der Druckschriften wurden im Ganzen 1105

Bekanntmachungen dem Reichskanzler, von die Landes Polizeibehörden der

veröffentlicht und warer hieran, außer welchem 95 Erlasse herrühren, einzelnen Staaten in fol⸗

ender Weise betheiligt: Ez wurden erlaffen in Preußen 536, ayern 85, Königreich Sachsen 196, Württemberg 15, Baden 40, Hessen 23, Mecklenburg⸗Schwerin. 3, Großherzogthum Sachfen 4

Braunschweig

35, Sachsen Meiningen 1, Sachsen-Altenburg 1,

Sachsen⸗Coburg. Gotha 7. Anhalt 1, Schwarzburg⸗Sondershaufen 1

Reuß ä. L.

3, Reuß j. L. 5, Lippe 3, Lübeck , Bremen 8, Ham⸗

burg 45 und Elsaß-⸗Lothringen 10 Bekanntmachungen Von den 246 Vereinen, welche verboten wurden, entfallen 71 auf ede, 8 auf Bayern, 70 auf das Königreich Sachsen, 7 auf Württem⸗ berg. 15 auf Baden, 47 auf Hessen. 1 auf das Großherzogthum Sachsen, 2 auf Braunschweig, 3 auf Sachsen⸗-Coburg⸗Gotha, auf

Schwarzburg⸗Sondershausen, 1 auf Reuß ä. L,

2 auf Lippe,

r6har ö Re 5 auf Reuß j. L., 1 auf Lübeck, 3 auf Bremen und 9 auf Hamburg'

Ihrer Art nach vertheilen sich die verbotenen Vereine wie folgt: 17 gewerkschaftliche Centralverbände und 18 einzelne Mitgliedschaften der— selben, 3 Centralkassen, 100 Arbeiter⸗ und Wahlvereine, 15 Mitglied—⸗ schaften der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, 7 Fachvereine und S6 gesellige Vereine. Wieder aufgehoben wurden 27 Verbote von Druckschriften und 4 von Vereinen; in 25 Fällen erfolgte die Wiederaufhebung durch Entscheidung der Reichskommission.

Bei der großen Zahl der bis jetzt erlassenen Verbote von sozial— demokratischen Druckschriften und Vereinen ist eine übersichtliche Zu⸗ sammenstellung für die bei der Ausführung des Gesetzes betheiligten

Verwaltungs⸗

um so mehr, Verzeichniß gefährlichen im Jahre

zum 1. Juni 1886

und Gerichtsbehörden durchaus nothwendig geworden, als das einzige bisher erschienene, praktisch verwendbare

in Dr. L. Brandt's „Reichsgesetz gegen die gemein

Bestrebungen der Sozialdemokratie ꝛc. bereits 1882 erschienen ist, die Zahl der bis erlassenen Verbote sich aber seitdem

fast verdoppelt hat. Unter Benutzung des letztgenannten Verzeichnisses ist deshalb eine neue Zusammenstellung der bis zum 1. Juni 1886 ergangenen Verbote in dem vorliegenden Buche veröffentlicht worden, durch welche es den betheiligten Behörden durch leichte Uebersichtlich⸗ keit ermöglicht wird, ohne Zeitverlust sicher festzustellen, ob eine zur Verbreitung gelangte Druckschrift bereits verboten ist.

Veterinärwesen.

Nachrichten über Verbreitung von Thierkrankheiten

im Auslande. Rußland.

In den Deutschland zunächst gelegenen und in den sonst haupt— sächlich in Betracht kommenden Gouvernements und Gebieten.

Vom 1. Mai bis 1. Juni 1886. Rinderpest.

Zahl Gouvernements: der nen der überhaupt erkrankten gefallenen Rinder Astrachan 819 473 Bessarabien . dd 585 182 J 760 404 Kiew. 47 41 Kursk . 38 13 Moskau. 76 2 Poltawa. 356 209 ,,,, 2770 2675 Wolhvnien . J 411 221 Gebiete: J 3026 1556 Trans baikal 1011 944 Tiflis 1723 818 Dagestan 393 267 Kuban ,,,, 839 455 Sibirische Pest. Gouvernements: Estland 3 3 Livland 1 1 Pensa 8 8 Petrikau 4 4 . . 10 10 Rjäsan i 27 9h) D 35 31 Warschau . 24 24

Laut der

Oesterreich. 886 vorliegenden Meldungen. 19

am 7. August 1 r

Lungenseuche. Land: Zahl der infizirten Orte: ,, K..... Mähren d, . , ß . Schafräude. ,,, 2

Laut der am 14. August 1886 vomiegenden Meldungen.

Lungenseuche.

Galizien K... i Böhmen d .. . Ober⸗Oesterreich J Maul⸗ und Klauenseuche. Mähren d Schaf räude. Tyrol J 2 Ungarn. Vom 13. bis 20. Juli 1886. Miljbrand. .. in 19 Komitaten, 55 Gemeinden, . 65538 19 ; Maul⸗ und Klauenseuche . 2 h. 6 Vom 20. bis 27. Juli 1886: Milzbrand... . in 35 Komitaten, 79 Gemeinden, ö ö 18 t Maul⸗ und Klauenseuche . 2

. 6 , Vom 27. Juli bis 3. August 1886.

Milzbrand in 32 Komitaten, 83 Gemeinden, d ö 20 . Maul⸗ und Klauenseuche , 2 ö 6 ! Schweiz. Vom 16. bis 31. Juli 1886. Maul⸗ und Klauenseuche. Kantone: Infizirt: Bern in 1 Gemeinde 1 Weide mit 221 Rindern, Luzern J (

Freiburg

Waadt Wallis Neuenburg

1 n 2 Gemeinden 32 Ställe und 4 Weiden mit 111 Rin⸗ dern, 14 Schweinen, 73 Ziegen und 25 Schafen, 2 Weiden mit 43 Rindern,

ĩ ? 2 Ställe und 1 Weide mit 4 Rindern und 4 Schweinen.

2 . * . ö ( 1 Gemeinde 1 Weide 7 12

.

Gewerbe und Handel.

Nach der Bilanz der Kölnischen Privatbank in Ligu. per 10. Juli er. waren von dem 3 Mill. Mark betragenden Noten⸗

ler '

umlauf 1,08 Mill. Mark im Besitz der Bank, also 1,92 Mill. Mark in Umlauf. Dem gegenüber waren in coursfähigem deutschem geprägtem Geld und Reichskassenscheinen 706 400 ½υ! P vorhanden, so daß also 36,8 0 des Umlaufs gedeckt wurden. An Depositen schuldete die Bank 1,99 Mill. Mark, an sonstige Kreditoren E40 Mill. Mark, während in Wechseln 6,35 Mill. Mark, im Lombard 0,53 Mill. Mark und in Effekten 0,05 Mill. Mark an⸗ gelegt waren. In Bankguthaben standen 9.38 Mill. Mark aus, an unbezahlt gebliebenen Wechseln und Inkasso⸗Forderung figuriren 16845 M in der Bilanz, die Immobilien stehen mit 105 000 M zu Buch. Das Grundkapital beträgt 3 Mill. Mark, der Reservefonds 750 000 M und das Delcredere⸗Konto 20 000 4

Wien, 30. August. (W. T. B.) Der 14 internationale

Saatenmarkt ist heute eröffnet und von circa 4500 Personen be— sucht. Der von dem General⸗Sekretär Leinkauf verfaßte Erntehericht beziffert für Oesterreich⸗Ungarn den Minderertrag gegen eine Durch— schnittsernte für Weizen auf 53 bis 6 Millionen, für Roggen auf 35 Millionen, für Futtergerste auf 5 Millionen Hektoliter. Brau⸗ gerste und Hafer haben Mittelernten. Exportirt können nur werden: Braugerste im Betrage von etwa 24 bis 3 Millionen, Hafer mit kaum J Million Metercentner. London, 27. August. (Allg Corr.) In Folge der niedrigen Frachten und der Handels stockung liegen gegenwärtig 34 Dampfer und 23 Segelschiffe am Clyde müßig, sie reprä— sentiren einen Gehalt von 42181 t. Mehrere derselben sind Schiffe erster Klasse. Viele haben seit Monaten unthätig gelegen, und einige derselben sogar seit zwei Jahren.

Glasgow, 28. August. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 812603 Tons gegen 617424 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 81᷑ gegen 90 im vorigen Jahre.

New⸗HYork, 28. August. (W. T. B.) Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 8 555 320 Doll., davon 2857 789 Doll. für Stoffe. Der Werth der Einfuhr in der Vorwoche betrug 8610 053 Doll., davon 3034 853 Doll. für Stoffe.

ubmissionen im Auslande.

C]

Spanien. LI 16. September, 2 Uhr. Madrid, General -⸗Direktion für Post und Telegraphen. 646 . Lieferung von 10 kim Kabel mit 7 Leitungen, I 5

20 , n. n 2 *

30 , 1 1, 2 7 1 ö 1 Leitung, 20 ö

* n, n. und 4st Kupferdraht, überzogen mit Guttapercha und Baumwolle. 2) 20. September, 10 Uhr. Toledo, Königliche Waffenfabrik. Lieferung von 55 500 kg Messing in Blöcken. Voranschlag: 100 kg für 226,10 Pesetas. Kaution: 6274,27 Pesetas. Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs⸗AÄnstalten.

Hamburg, 28. August. (W. T. B.) Der Postdampfer „Hammonia“ der Hamburg ⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft hat, von New-⸗York kommend, heute Nachmittag Lizard passirt.

30. August. (W. T. B.) Der Postdampfer „Hol satia“ der Samburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗Aktiengesell⸗ schaft ist, von Hamburg kommend, gestern in Veracruz eingetroffen.

Triest, 30. August. (B. T. B.) Der Lloyddampfer „Ettore“ ist heute früh mit der ostindischen Post aus Alexan— dria hier eingetroffen.

London, 27. August. (Allg. Corr.) Eine Depesche von dem Gouverneur der Goldküste konstatirt, daß die telegraphische Verbindung zwischen Acera und England gestern fertig gestellt wurde.

Sanitätswesen und Quarantänewesen.

Schweiz.

Zufolge Beschlusses des schweizerischen Bundesraths vom 19. August 1886 werden die in Tit. 1 Ziff. 3 und in Tit. IL Ziff. l, z und 4 des bundesräthlichen Kreisschreibens vom 4. Juli 1884 (-Bundesblatt“ 1884 HII. 376) enthaltenen cholerapolizeilichen Vor— schriften für den Kanton Tessin sofort in Kraft gesetzt.

Ebenso werden die unter Tit. 1 Ziff. 1—4 und unter Tit. II Ziff. 1—4 der Verordnung, betreffend die Verkehrsanstalten, vom 4. Juli 1884 („Bundesblatt“ III. 386) vorgeschriebenen Maßnahmen in Bezug auf die Gotthardbahn, die Dampfschiff-Gesellschaft des Luganer Sees und die betreffenden Postkurse erneuert.

Die Ein⸗ und Durchfuhr von aus Italien kommenden unge— beizten Häuten, Baumwollabfällen, Hadern, Federn, Bettstücken, alten Kleidern (mit Ausnahme des Gepäcks der Reisenden) und von unge— waschener Wolle ist bis auf Weiteres verboten.

Türkei.

Gegen Provenienzen aus den Häfen von Ost-Rumelien und

Bulgarien ist eine fünftägige Quarantäne angeordnet worden. Süd⸗Amerika.

Die Regierungen der Republik Uruguay und der Argen⸗ tinischen Republik haben für alle Provenienzen aus Brasilien die Beobachtungsquarantäne aufgehoben.

Berlin, 30. August 1886.

Zur Erinnerung an den Sieg von Großbeeren fand gestern Nachmittag an dem auf dem Kirchhof des Orts errichteten Sbelisk eine Feier statt, der auf besonderen Wunsch Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm auch Vertreter des hiesigen Kriegervereins „Victoria“ beiwohnten. Das Denkmal war zu Ehren des Tages reich mit Guirlanden geschmückt. Am Sockel prangten, von einem Adler überkrönt, die Worte: ‚Mit Gott für König und Vaterland kämpften, siegten und fielen hier unsere Väter.“ Zu Seiten des Denkmals erhoben sich hohe Flaggenmasten, während vor demselben ein Feldaltar errichtet war. Um 13 Uhr marschirte der Kriegerverein mit klingendem Spiel zum Festplatz, auf dem sich bereits die Schuljugend und eine zahlreiche Menschenmenge versammelt hatte. Nach einleitendem Gesange nahm Superintendent Lange aus Teltow das Wort zur Festansprache, der die Mahnung »Fürchtet Gott, ehret den König“ zu Grunde lag. Gebet und Ge— sang, sowie ein begeistertes Hoch auf Se. Majestät den Kaiser, das der Vorsitzende des Kriegervereins ausbrachte, beschlossen die

Feier.

Heute Nachmittag 44 Uhr findet auf dem alten Dreifaltigkeits⸗ Kirchhofe am Blücher-Platz die Beerdigung des verstorbenen Obersten und Commandeurs des 3. Magdeburgischen Infanterie⸗Regiments Nr. 66, von Rhaden, mit militärischen Honneurs statt. Die Leiche war bereits gestern Mittag per Bahn von Magde— burg hier eingetroffen und vom Potsdamer Bahnhof aus nach der Leichenhalle des genannten Kirchhofes übergeführt worden. Die Trauerparade, bestehend aus einem Bataillon mit der Negiments— musik, stellt das Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiment Nr. 2. Das gesammte Offizier ⸗Corps des 3. Magdeburgischen Infanterie⸗ Regiments Nr. 66 war zu der Beerdigungs⸗Feierlichkeit hier ein getroffen.

Der Kaufmann Paul Heider hierselbst, Anklamerstraße 28 wohn⸗ baft, verkauft unter dem Namen „Harzer Gebirgsthee“ eine Mischung von Schafgarbe, Lavendelblüthen, Schlehdornblüthen, Sassafrasholz,. Sennesblättern, Pfeffermünze, Huflattich, Süßhol; und vereinzelten Bruchstücken von drei anderen Pflanzen in Pappkartons mit etwa 50 g Inhalt für den Preis von 50 3 als Heilmittel. Die amtliche Prüfung hat, wie das Königliche Polizei Präsidium bekannt macht, festgestellt, daß der wahre Werth eines Packetes mit der vor⸗ bezeichneten Menge der Mischung höchstens 10 3 beträgt.

Wien, 30. August, früh. (W. T. B.) Bei Mödling hat ein Eisenbahn-Zusammenstoß stattgefunden, bei welchem, so⸗ weit bis jetzt festgestellt, 7Personen getödtet und 22 schwer verwundet wurden.

London, 30. August, früh. (W. T. B.) Nach einem Telegramm des Reuter'schen Bureaus“ aus Granada sind bei der gestrigen totalen Sonnenfinsterniß durch Professor Thorpe gute photo⸗ metrische Beobachtungen gemacht worden. Während der totalen Verfinsterung der Sonne war der Lichtschein ein erheblich geringerer, als beim Scheine des Vollmondes. Kapitän Darwin und Dr. Schuster haben gute Aufnahmen der Corona gemacht.

Athen, 28. August. (W. T. B.) In ganz Griechenland sind gestern heftige Erderschütterungen wahrgenommen worden; den größten Schaden richteten dieselben in Pyrgos an, woselbst alle Häuser zerstört wurden, eine Ortschaft in der Nähe von Pyrgos ist vollstän⸗ dig vernichtet. Die Zahl der hierbei umgekommenen Personen wird auf 300 geschätzt. Auch in Zante wurden Erderschütterungen verspürt und sind dadurch viele Häuser beschädigt worden, doch ist kein Verlust an Menschenleben dabei vorgekommen.

29. August. (W. T. B.) Durch das am Freitag statt⸗ gehabte Erdbeben wurden die Städte Filiatra und Gargaliano in Messenien und die Dörfer Kyfarissa und Choremi in Arkadien voll— ständig zerstört, viele andere Städte und Dörfer haben mehr oder weniger schwer gelitten. Gegen 80 Personen haben bei dem Erd— beben den Tod gefunden, in Filiatra sind 20, in Gargaliano 16 ums Leben gekommen, in Logudista wurde eine große Anzahl Personen verletzt. Ein Kriegsschiff ist mit Aerzten, Arzneien, Zelten und Lebensmitteln, sowie mit einer Sappeur-Abtheilung nach Kalamata abgegangen.

Rom, 28. August. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Meldungen fanden gestern Abend in Catania, Reggio (Calabrien), in Syrakus, auf der Insel Ischia, in Bari, Avellino, Lecce und Potenza heftige Erderschütterungen statt. Die Bevölkerung dieser Orte verbrachte die Nacht entweder auf freiem Felde oder in den Kirchen. Von Schaden, den die Erderschütterungen angerichtet hätten, wird nichts gemeldet.

Neapel, 28. August. (W. T. B.) Gestern wurden hier und in Caserta, Foggia und Tarento leichte Erderschütterungen verspürt. Aus Brindisi wird eine stärkere Erdbewegung gemeldet, welcher nach kurzer Zeit ein zweiter Stoß folgte. Ein Verlust an Menschenleben ist nicht zu beklagen.

Am Sonnabend eröffnete das Residenz⸗Theater seine Saison mit der Aufführung des Pierre Newsky'schen Schauspiels: „Die Danischeffs', welches vor einer Reihe von Jahren in Berlin bereits aufgeführt worden ist. Das in den drei ersten Akten spannend und geschickt aufgebaute, an Unwabrscheinlichkeiten aber reiche Werk fällt im vierten Akt dermaßen ab, daß darunter der gute Ein⸗ druck, den die vorangegangenen machen, sehr zu leiden hat. Wesentlich der tüchtigen Besetzung, welche die bewährte Regie diesem Schau— spiel gegeben, ist es zu verdanken, daß dasselbe auch bei der vorgestrigen Aufführung einen Erfolg erzielte, der lediglich auf Rechnung der Darstellenden zu setzen ist. Die stolze harte Gräfin wurde von Fr. Charlotte Frohn gegeben und durfte in der gebotenen Leistung des Beifalls sicher sein. Hr. Brandt spielte den jungen Grafen Danischeff recht brav und mit der ihm eigenthümlichen Wärme. Die etwas rührselige Rolle des Kutschers Ossip fand in Hrn. Reicher einen takt⸗ vollen, richtiges Maß haltenden Darsteller, und die Iwanowna wurde anspreched von Frl. Wolf gegeben; auch Frl. Arnim sei lobend erwähnt. Hr. Alexander, welcher jetzt dem Residenz⸗ Theater angehört, fand sich recht geschickt mit der Rolle des franzö⸗ sischen Attachs ab, welche freilich Hrn. v. Hoxar noch besser gelegen hätte. Hr. Würzburg bewährte sich wieder als den trefflichen Dar⸗ steller aristokratischer Väter, Hr. Pansa verhalf der kleinen Rolle des Schnapspächters zu hübschem Erfolge, und da alle übrigen Darsteller der Nebenrollen ihre Schuldigkeit thaten, so war der Beifall, mit welchem das Publikum nicht kargte, ein wohlverdienter.

In der Benefiz-Vorstellung des Frl. Elise Schmidt im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater, zu welcher bekannt⸗ lich, Gasparone“ bestimmt ist, tritt morgen Frl. Zerline Drucker in der von ihr hier noch nicht gesungenen Partie der Gräfin Carlotta ihr Engagement am Friedrich-⸗Wilhelmstädtischen Theater an. Mit der „Zenobia⸗Schmidt“ und „Carlotta⸗Drucker“ sind Frl. Korner als Sora und die Herren Wellhof, Steiner und Weidmann in ihren be⸗ kannten trefflichen Rollen beschäftigt.

Im Belle⸗Alliance⸗Theater findet auch in diesem Jahre eine große Sedan-Feier am 2. September mit Prolog, Jubel⸗ hymne und großtzer Schlachtmusik statt.

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Deutsche Landwirthschaftliche Presse. (Berlin 8W. , Wilhelmstr. 32.) Nr. 68 Inhalt: Die Verluste beim Weizenbau in Folge unzweckmäßiger Anwendung des Kupfer-Vitriols als Schutz⸗ mittel gegen den Schmierbrand. Von Dr. P. Graßmann.

Feuilleton. Zur inneren Kolonisation. Von Direktor Dr. Birn⸗ baum Liegnitz. (Schluß) Eine neue Säemaschine. (Mit Ab⸗ bildungen. Der Rosensteiner Rinderstamm. Sprechsaal. Correspondenzen Aus dem Rechtsgebiet. Miscellen. Handel und Verkehr.

Der Arbeiterfreund. Zeitschrift für die Arbeiterfrage XXIV. Jahrgang. (Berlin, Verlag von Leonhard Simion.) Zweites Vierteljahrsheft. Inhalt: Abhandlungen: Die Stellung der Techniker und Bauarbeiter am Nord⸗Ostseekanal. Von Dr. Victor Böhmert. Bericht über den Bau von Arbeiterwohnungen in Berlin, erstattet an den Vorstand des Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen. Die Bekämpfung des Heuerbaaswesens. Von P. Chr. Hansen. Der neueste Stand der Arbeiterverhältnisse in Nord-Amerika. Von R. A. R. Materialien für praktische Ver⸗ suche zur Lösung der Arbeiterfrage: Nr. 4. Statut des Breslauer Dienstbotenheim⸗Vereins. Nr. 5. Allgemeine Vorschriften zur Sicherung maschineller Anlagen. Literatur über die Arbeiterfrage. Vierkteljahrschronik. Innere Angelegenheiten des Central⸗ vereins.

Blätter für Gefängnißkunde. 21. Band, 3. Heft. (Heidel⸗ berg, Verlagshandlung von G. Weiß.) Inhalt: Gutachten für die 1886er Vereinsversammlung. Wie ist die Personalstatistik der eine Freiheitsstrafe verbüßenden Gefangenen einzurichten? Von Leffler. Wie soll die Verköstigung der Gefangenen sein? Von Dr. Andreä. Nach welchen Grundsätzen sollen die Disziplinarstrafen für Straf⸗ gefangene festgesetzt werden und worin sollen die Disziplinarstrafen

bestehen? Von Wirth. Sollen im Hinblick auf manche Rückfälle die Bestimmungen der Hausordnungen verschärft werden? Von Streng. Wie ist die Personalstaristik der eine Freiheitsstrafe ver⸗

büßenden Gefangenen einzurichten? Von Langreuter. Das 50jährige Dienstjubiläum des Hrn. Geheimen Regierungs⸗Raths d'Alinge in Zwickau.

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