1886 / 204 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 31 Aug 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Oesterreich Ungarn. Wien, 30. August. (W. T. B.) Die „Polit. Corresp.“ erklärt die Meldung einiger Abendblätter, daß Kälnoky morgen in Franzens⸗ bad eintreffe, für unrichtig. Kälnoky, welcher sich heute zum Jubiläum nach Pest begeben wollte, habe seine Absicht wegen einer Fußverletzung aufgeben müssen.

Pest, 31. August. (W. T. B.) Die zur Feier der zwei⸗ hundertjährigen Wiedereroberung Ofens entsandte preußische militärische Deputation ist gestern Abend hier einge⸗ troffen und auf dem Bahnhofe von dem Flügel⸗-Adjutanten des Kaisers, Major Resch, dem Ober⸗Bürgermeister Rath, dem Bürger⸗ meister Gerloczy und dem deutschen General⸗Konsul von Boja⸗ nowski empfangen worden. Ober⸗Bürgermeister Rath richtete in Vertretung des Municipiums eine kurze Ansprache an die Deputa⸗ tion, in welcher er sagte: „Ich halte es für meine angenehme Pflicht, hier zu erscheinen, um die Deputation des deutschen Heeres zur Feier der Wiedereroberung Ofens im Vamen unserer Stadt herzlich zu begrüßen. Wohl ist das Deutsche Reich in Pest ständig durch einen Staatsmann vertreten, dem wir die höchste Achtung und Sympathie entgegenbringen und der auch unserer Feier beiwohnen wird; gleichwohl gereicht es uns zur hohen Ehre und Freude, das Deutsche Reich bei unserer Feier, die einen hervorragend militärischen Charakter trägt, auch durch so illustre Angehörige des deutschen Heeres vertreten zu 3 Es liegt mir am Herzen, die Herren bei ihrem ersten Schritte in Budapest sofort zu begrüßen: ich bitte Sie, überzeugt zu sein, daß der Gruß, welchen ich Ihnen hier entbiete, bei allen Angehörigen dieser Stadt freudigen Widerhall finden wird. Seien Sie uns somit herzlich willkommen!“ Namens der Deputation gab General⸗Lieutenant von Schlichting in seiner Erwiderung der ganz besonderen Freude darüber Ausdruck, daß es ihr vergönnt sei, bei einer so bedeutsamen Feier anwesend zu sein, und dankte dann in seinem und der übrigen Deputationsmitglieder Namen für den freundlichen Empfang. Hierauf wurde die Deputation vom Major Resch ins Grand Hotel Hungaria ge— leitet, woselbst Zimmer für sie bestellt waren. Die Offiziere sind die Gäste des Kaisers und werden, wie der „Pester Lloyd“ meldet, auch an den Manövern theilnehmen.

Großbritannien und Irland. London, 28. August. (Allg. Corr Marquis Tseng kehrte gestern Abend von Deutschland nach England zurück.

30. August. (W. T. B.) Im Unterhause erklärte der Schatzkanzler Lord Churchill, daß die Prämien auf ausländischen Zucker für die Zuckerfabrikanten zwar nachtheilig seien, aber es sei hierbei auch das Interesse der

Konsumenten in Erwägung zu ziehen. Uebrigens er— wäge die Regierung bereits, ob eine Erneuerung der Unterhandlung mit fremden Ländern betreffs der Zuckerprämien vortheilhaft sei. Bei der Fort—

setzung der Adreßdebatte beantragte Smith ein Amende— ment, in welchem die Fortdauer des Krieges in Birma be— dauert und gleichzeitig das Ersuchen gestellt wird, die Kosten nicht ausschließlich Indien aufzuerlegen.

31. August, früh. (W. T. B.) Unterhaus. Ein im weiteren Verlaufe der Adreßdebatte von Cremer beantragtes Amendement, betreffend die Aufschiebung der Annexion Birmas, wurde mit 201 gegen 123 Stimmen abgelehnt; auch das er— wähnte Amendement Smith's wurde mit 199 gegen 126 Stimmen verworfen.

Frankreich. Paris, 28. August. (Köln. Itg.) Jules Simon veröffentlicht heute in den Blättern ein Schreiben, worin er dem Plan von Raoul Duval zur Bildung einer konstitutionellen Rechten seinen vollen Beifall spendet. Außer Jules Simon haben nur noch zwei monarchische Depu⸗ tirte dem Plane Raoul Duval's ihre Zustimmung gegeben.

29. August. (Köln. Ztg.) Der Präsident Grévy ist diesen Morgen nach Mont⸗sous-Vaudrey zurückgereist.

30. August, Abends. (W. T. B.) Ein Telegramm, welches die „Defense“ aus Rom erhält, meldet, daß der Papst den Vorschlag Frankreichs annimmt und sich entschlossen habe, nach China einen zeitweiligen Legaten zu senden, der die Aufgabe haben wird, im Einverständniß mit der chinesischen Regierung und der französischen Gesandtschaft die Bedingungen zu studiren, unter denen eine spätere dauernde Vertretung des heiligen Stuhles eingerichtet werden könnte. Zum Legaten soll Agliardi designirt sein.

Italien. Genua, 30. August. (W. T. B.) Die Yacht „Amphitrite“ ist heute Vormittag nach Brindisi ab⸗ gegangen, um dort den König von Griechenland zu erwarten.

Rumänien. Bu karest, 30. August. (W. T. B.) Das ministerielle Journal „Vointza nationale“ findet die Ursachen der allgemeinen Sympathien für den Fürsten von Bulgarien vor Allem in der richtigen Würdigung der Rolle, zu welcher der Fürst in Bulgarien berufen sei, sowie in der lebhaften Sehnsucht nach Erhaltung des Friedens. Europa sei in Wahrheit der in regelmäßigen Zwischenräumen wiederkehrenden Wirren auf der Balkan— halbinsel müde. Aus diefem Grunde gewähre es dem Fürsten jene Sympathien und unterstütze alle Elemente, welche einen Faktor der Ordnung und des Fortschrittes auf der Balkanhalbinsel zu schaffen vermöchten; wenn nicht Alles täusche, sei der Fürst von Bulgarien in den Augen Europas ein solcher Faktor. Auch das Journal „Etoile Roumaine“ bezeichnet es als im Interesse des Friedens dringend geboten, die Rechte des Fürsten Alexander, der auf seinem Throne jetzt fester als bisher sitze, nicht in Frage zu stellen.

Serbien. Belgrad, 30. August. (W. T. B.) Der „Neuen fr. Presse“ zufolge sandte gestern der König von Serbien ein in warmen Ausdrücken abgefaßtes Be⸗ grüßungstelegramm an den Fürsten von Bulgarien nach Rustschuk, in welchem er seiner Freude und Befrie⸗ digung über die Rückkehr des Fürsten Worte lieh.

Bulgarien. So fia, 30. August. (W. T. B.) Ueberall im Lande herrscht vollstän dige Ruhe. Die unter Kara— weloff gebildete provisorische Regierung hat sich auf⸗ gelöst. Eine ostrumelische Division unter Mutkuroff ist hier eingetroffen.

Sistowo, 30. August, Vormittags 9 Uhr. (W. T. B.) Fürst Alexander ist um 4 Uhr früh auf seiner Yacht von Rustschuk weitergefahren und um 8 Uhr Vormittags hier ein⸗ getroffen. Sein Empfang war auch hier ein überaus enthusia—⸗ stischer. Die Menge spannte die Pferde aus und zog den Wagen nach der Kirche, wo ein Tedeum abgehalten wurde. Der Fürst wird in einer Stunde nach Tirnowa abreisen, woselbst er erst am Abend eintreffen dürfte.

Tirno wa, 30. August. (W. T. B.) Fürst Alexander, welcher Sistowo heute früh 9 Uhr verlassen hatte, ist heute Abend 6 Uhr hier angekommen. Auf dem ganzen Wege . her setzten sich die Freudenkundgebungen der Bevölkerung fort, die, meist von Priestern geführt, welche Heiligenbilder vor sich her trugen, dem Fürsten ihre Huldigung darbrachte. Die Be⸗ völkerung von Tirnowa war dem Füͤrsten 5 kin weit zu Fuß, zu Pferde und zu Wagen entgegengezogen, und geleitete denselben unter fortwährenden stürmischen Kundgebungen bis in die Stadt. Auf die an ihn gerichtete Bewillkommnungsansprache dankte der Fürst, indem er die Stadt zu der von ihr unter Stambuloff's Leitung gegen die Revolutionäre ergriffenen Initiative beglückwünschte. Die Weiterreise nach Philippopel erfolgt voraussichtlich morgen.

Rustschuk, 30. August. (W. T. B.) Ein Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ meldet: Fürst Alexander hat das Beglückwünschungs⸗Telegramm des Königs von Serbien sofort mit einer Depesche beantwortet, in welcher er dem König den wärmsten Dank für die ihm zu erkennen gegebene Sympathie und Theilnahme, sowie die Hoff— nung ausspricht, a wieder einen diplomatischen Agenten Serbiens bei der bulgarischen Regierung beglaubigt und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Serbien und Bulgarien erneuert zu sehen.

Aus Rustschuk meldet die „Polit. Korr.“: Die pro— visorische Regierung mit Stambuloff an der Spitze legte die Regierungsgewalt in die Hände des Fürsten zurück. Karaweloff, welcher der in Sofia gebildeten Regierung angehörte, trat gleichfalls zurück.

Der „Polit. Corresp.“ wird aus Rustschuk weiter ge— meldet: Fürst Alexander hat an die bulgarische Bevölkerung eine Proklamation gerichtet, in welcher er alle durch die provisorische Regierung unter Stambuloff ergriffenen Maßregeln billigt, sowie das von derselben gebildete Kabinet und Mutkuroff als Oberbefehlshaber der bulgarischen Armee bestätigt. Ferner spricht der Fürst dem Volke und der Armee für die in schweren Tagen dem Throne bewiesene Treue, sowie für ihr Eintreten zu Gunsten der Unabhängigkeit Bulgariens und der Ehre des bulgarischen Namens seinen Dank aus und erbittet Gottes Segen für Bulgarien, für dessen Wohlfahrt Alle einmüthig ihre Kräfte vereinigen möchten.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 30. August. (W. T. B.) Großfürst Michael Nikolajewitsch ist heute mit seiner Familie nach dem Auslande abgereist.

Zeitungsstimmen.

Die Handelskammer für den Kreis Lennep sagt, wie wir der Norden enetnen Zeitung“ ent nehmen, in der Einleitung zu ihrem Jahresberichte für 1885:

„Die Grundlage für die Ausführung unserer gesammten Sozial— reform zu bilden, an die Lösung der uns vorgestellten sozialpolitischen Aufgaben heranzutreten, das Fundament nicht des erhabensten, aber des werthvollsten Denkmals der Hohenzollernpolitik zu schaffen, war das Jahr 1883 berufen. In schroffem und doch nur natürlichem Gegensatze hierzu forderte das Jahr 1884 die Erfüllung anderer Pflichten. Wer es empfindet, daß nicht der Gesetzgeber, daß nicht national⸗ökonomische Lehren die soziale Entwickelung schaffen, wer es weiß, daß die wirthschaft⸗ liche Lage und Wohlfahrt das Produkt der Arbeiten eines jeden Einzelnen ist, der konnte und mußte es ahnen, daß, jemehr durch soziale Bestrebungen die Werthschaffung erschwert wurde, um so unaufhaltsamer und lauter der Ruf einer Erweiterung des Schaffens— gebiets erfolden würde; denn Niemand kann und wird leugnen, daß der Konkurrenzkampf der internationalen Industrie ein so ver— schärfter geworden, daß selbst die geringste Produkiionserschwerung eine häufig den wirthschaftlichen Erfolg in Frage stellende Last ist. Niemand aber auch, der anerkennt, daß nicht der Reich⸗ thum Weniger, daß vielmehr Glück und Zufriedenheit Aller den letzten unabänderlichen Grund nationaler Wohlfahrt bilden, wird verkennen, daß, selbst wenn auch die kleinste Neubelastung der Produktion jeden Verdienst illusorisch machen sollte, es doch eine nationale Pflicht war und ist, die Wertherzeugung nicht auf Kosten der arbeitenden Kraft weiter zu verschärfen, sondern daß es galt, sie durch Neuschaffung und Erhaltung gesunder wirthschaftlicher Verhältnisse des Arbeiters, wenn auch mit Opfern, so doch auf die Dauer nutzbringend und frühere Opfer später erstattend zu gestalten. Es war Zeit, den Arbeiter der Gefahr zu entreißen, ohne eigenes Verschulden der Noth anheim gegeben zu sein; es war Zeit, Kapital und Intelligenz, die reichsten und doch ohne die ausführende Arbeitskraft ohnmächtigsten Kräfte zu zwingen, mit der Arbeit in ein auf Vertrauen gegründetes, das beiderseitige Wohl schaffendes offenes Vertragsverhältniß zu treten. Diese Ueberzeugung ist der große Grundgedanke unserer Sozialreform. Daß sie schlimmen Zuständen vorbeugen will, zeigt die Tagesgeschichte einem Jeden zur Genüge; daß sie fähig erscheint, ihren großen Beruf Schritt für Schritt zu erfüllen, lehrt sie dem, der ihren Anfang ohne Voreingenommenheit zu beurtheilen sucht. Weg also mit allen Klagen, unsere Sozialreform koste der Industrie zu viel. Umsonst hat noch Niemand Werthvolles und Nöthiges erreicht. Aber erklärlich und selbstverständlich muß es uns auch erscheinen, wenn die Industrie, mit Recht und zu ihrem eigenen Vortheil verurtheilt, Millionen zu ihrer Neuorganisation auszugeben, strebt, zur Kräftigung in dem bis aufs Aeußerste verschärften inter— nationalen Wettkampfe jedes nur zu Gebote stehende Mittel zur Er— weiterung ihrer Machtsphäre sich dienstbar zu machen. Dieser That⸗ sache entspricht es, daß das Jahr nach Inaugurirung unserer Sozialpolitik auch in dem Ruf nach deutschen Kolonien ein sofort helfendes Heilmittel gegen alle wirthschaftlichen und sozialen Nöthe zu erblicken glaubte. Dieser Gedanke beherrschte das Jahr 1884; er war in sich unberechtigt und ungesund, denn Nationen rechnen nicht mit Jahren, sondern mit Jahrzehnten, ihre Entwickelung kann nicht von heute auf morgen eine andere werden. Aber die falsche Hoffnung war erklärlich, denn je nebelhafter die Hülfe versprechende Erscheinung, desto geringer die ruhige Kritik. Daß wir Deutschen aber vor Nachtigal's Rundfahrt und Peters' Er— oberungszug von dem, was wir heute Deutschlands Kolonien nennen, allzuviel gewußt hätten, wird wohl Niemand be⸗ haupten. Doch übertriebene Hoffnungen können, auf das richtige Maß zurückgeführt, vollberechtigt sein. So gewiß aber unsere soziale Lage gebietet, Sozialpolitik zu treiben, so gewiß fordert unser wirthschaft— liches Leben eine neue Erweiterung seines Schaffensgebietes. Dem Betriebsjahre nun ist es zur Aufgabe gemacht worden, nach beiden Seiten hin in stiller Arbeit die festen Grundlagen eines starken Baues zu gründen. Gewiß, das Krankenkassen⸗ und Unfall— versicherungsgesetz haben die Nöthe unserer Arbeiterbevölkerung nicht auf einmal und nicht für immer gleich in ihrer ersten Entwickelung gehoben; gewiß, in Berlin vertheilt man noch keine Dividende der Südsee⸗Compagnie, und doch, deß sind wir gewiß, die Jahre der Begründung der sozialen Reform und Kolonialpolitik sind vor Allem mit berufen, den Eckstein gesunder sozialer und wirthschaftlicher Entwickelung unseres Vaterlandes zu bilden.. . . Eine kluge Zollpolitik ist nöthig, wie der Heerführer seine Flanken und seinen Rücken zu decken suchen muß. Vorwärts aber treiben auch im wirthschaftlichen Leben, jetzt, da aus europäischer Kultur Weltkultur geworden, nur Ziele, die uͤber die vaterländischen Grenzen hinausweisen. Nicht die Fabrik, fast die alleinige Trägerin der Werthschaffung in Staaten, deren Landwirth—⸗

schaft den Normalzinsfuß nicht mehr erreicht, nein, der Ab⸗ satz ihrer Produkte schafft Wohlfahrt; nicht, daß wir uns ror fremder Arbeit schützen, nur daß wir eigener Arbeit Wege bahnen, bringt nationalen Gewinn. Ueber die zollpolitischen Kämpfe unserer Tage werden unsere Kinder lächeln, unsere Arbeit auf sozial⸗ und kolonial⸗ politischem Gebiete wird ihr Segen sein. In diesem Blicke sehen wir: auch das Berichtsjahr hat uns Nutzen gebracht. Wir verkennen nicht, es war ein Jahr harten wirthschaftlichen Kampfes. Rückgang der Preise von Material wie Fabrikat, Ueberproduktion in allen Industrie⸗ zweigen haben den Besitz entwerthet, den Erwerb heruntergedrückt; aber wir können getrost sein in der Zuversicht, daß auch im Jahre 1885 die Fundamente neuer nationaler Kraft auf lange hiraus gegründet worden sind. Gewiß mag Manchem die Scheinblüthe der siebziger Jahre verlockend erscheinen, gewiß mag Mancher über seine Misere mit Recht klagen; wer aber weiß daß wir nur das für uns und unsere Kinder gethan, was im Blick auf das Wohl der gesammten Nation die Feuerprobe besteht, der wird jene Jahre nicht wieder ersehnen, der wird durch treue Arbeit um so schneller und um so sicherer seiner Noth ein Ende machen, er wird um so freudiger mit⸗ arbeiten an der Saat auf Hoffnung, an den nationalen Aufgaben, deren innere erste Begründung uns vor Allem das Berichtsjahr als Pflicht hingestellt hat.“

Zur wirthschaftlichen Lage Deutschlands bemerkt das „Dresdner Journal“:

Es gehört zu den gewöhnlichen Mitteln, mit welchen von „frei⸗ sinniger“ und fortschrittlicher Seite dem Bürger und Landmann die Freude an der gelungenen nationalen Einigung verdorben wird, daß lange Klagelieder über den wirthschaftlichen Nothstand in den Zeitungen sich vernehmen lassen. Dabei erinnert sich kein Mensch daran, daß unsere Voreltern eine weit größere Noth empfunden, daß Deutschland, im Mittelalter das reichste Land des Kontinents. über dessen behagliches Leben französische und italienische Schriftsteller wir erwähnen nur Aeneas Sylvius berichten, nach den Zeugnissen der Nationalökonomen und Kultur⸗ historiker erst im Jahre 1840 wieder den Grad des Wohlstands erreichte, den es vor dem dreißigjährigen Kriege besessen. Arme und Elende hat es immer gegeben und diejenigen Gebiete des Deutschen Reichs, deren Bewohner infolge der Ungunst des Bodens und des Klimas mit Noth zu kämpfen haben, hatten früher letztere in noch weit höherem Maße zu empfinden. Diese sind auch diejenigen, welche sich am wenigsten beschweren. Wer den Lärm macht, das ist die Großspekulation, welche es nicht vertragen kann, daß unser Geschäftsbetrieb wieder in ordnungsmäßige Bahnen einlenkt und schwindelhaft gewagte Unternehmungen heute keine Betheiligung mehr finden. Unsere wirthschaftlichen Zustände lassen ja gewiß auf einzelnen Gebieten noch zu wünschen übrig; aber bei unbefangener Prüfung liegt doch kein ausreichender Grund vor, das zu verallgemeinern. Niemals sind so große, kühn gedachte Bau⸗ unternehmungen im Deutschen Reich zu gleicher Zeit in Angriff ge⸗ nommen worden wie gegenwärtig. Für den Absatz der deutschen Maschinenindustrie und die Thätigkeit der deutschen Eisenwerke legen die öffentlichen Blätter, in welchen wir von Bestellungen nach fernen Welttheilen lesen, täglich Zeugniß ab. In überraschender Weise hat sich die deutsche chemische Industrie und ihre Ausfuhr, namentlich die Anilinfarben-Fabrikation, die Soda⸗ und Schwefelsäure⸗Fabrikation, sowie diejenige der Alkaloide entwickelt. Wie unsere Maschinen⸗ Techniker arbeiten auch unsere chemischen Techniker für fremde Welt— theile. In gleicher Weise bekunden die Stimmen der auswärtigen Presse die Erfolge der deutschen Weberei und zahlreicher anderer Erwerbszweige.

Auch sonst merkt man den angeblichen Nothstand nicht. Die breite Masse des Volkes lebt behaglich und wer sich an seine Jugend zurückerinnert, wird zugestehen, daß nie so viele öffentliche Feste statt— fanden, die Gelegenheiten zu Vergnügungen nie in so reichem Maße geboten und benutzt wurden, wie gegenwärtig. Man lese nur die Berichte über den Verkehr der Eisenbahnen und Dampfboote an Sonntagen; man gehe nur an die Orte, welche dem Vergnügen gewidmet sind und man kann sich davon überzeugen, daß wir von der Zeit der Noth noch weit entfernt sind.

Annalen der Hydro phie und Maritimen Meteo— rologie. Organ des Hydrographischen Amts und der Deutschen Seewarte. Herausgegeben von dem Hydrographischen Amt der Admiralität. Vierzehnter Jahrgang. 1886. Heft VIII. Inhalt: Forschungen S. M. Knbt. „Drache“, Kommandant Korvetten⸗-Kapitän

Holzhauer, in der Nordsee 1881, 1882 und 1884 Die Insel St. Thomas, Westindien. Nach dem Berichte des Schulgeschwader⸗Kom⸗ mandos, Geschwader⸗Chef Kommodore Stenzel. Bericht des

Kapitän Reinicke, Führers der deutschen Bark ‚Triton“, über seine Reise von Batavia über Cheribon durch die Bali⸗Straße. (D. S.) Einige Bemerkungen über Rouen im August 1885. Von Kapitän

Ringe, Führer der deutschen Bark „Jupiter“. (D. S.) Längen—⸗ bestimmungen durch Beobachtung des Auf⸗ oder Unterganges eines Gestirns. Von Kapitän-Lieutenant a. D. Rottok. Kleine Notizen. Tabellen. Kartenbeilagen.

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts sind in der Zeit vom 15. bis 21. August er. von je 1000 Einwohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 26,2, in Breslau 32,l, in Königsberg 45,1, in Köln 2h, 8, in Frankfurt a. M. 21,2, in Wiesbaden 22,5, in Hannover 23,l, in Kassel 17,0, in Magdeburg 35,2, in Stettin 30,3, in Altona 18,9, in Straßburg 32,5, in Metz —, in München 30,4, in Nürnberg 34,0, in Augsburg 25,4, in Dresden 27,3, in Leipzig 25,4, in Stuttgart 19,2 in Karlsruhe 38,3, in Braunschweig 25,6, in Hamburg 26,1, in Wien 22,8, in Pest 32,7“, in Prag A,8, in Triest 605, in Kralau A.,, in Basel 15,5, in Amsterdam —, in Brüssel 27,F, in Paris 21.2, in London 17,9, in Glasgow 20,6, in Liverpool 28,9, in Dublin 21,9, in Edinburg 15,6, in Kopenhagen 24, in Stockholm 22,5, in Christiania 25,8, in St. ters birrg 27,, in Warschau 28,1, in Odessa 45,5, in Rom 25,5, in Turin —, in Venedig 31,5, in Madrid —, in Alexandria 54,1. Ferner in der Zeit vom 25. Juli bis 51. Juli er. in New-Pork 35,8, in Philadelphia 21,4, in Balti⸗ more 28, in San Francisco —, in Kalkutta 18,9), in Bombay 23,7, in Madras 35,4.

Während die Sterblichkeit in der Berichtswoche in einem Theile der größeren europäischen, namentlich der deutschen Berichtsstädte zu⸗ genommen hat, erscheint sie in einem anderen Theile derselben kleiner oder unwesentlich verändert. Zu den ersteren gehören Königsberg, Magdeburg, Straßburg, Karlsruhe, München, Nürnberg, Dresden, Düsseldorf, Liverpool, Kopenhagen, Christiania u. a.; zu den letzteren Berlin, Breslau, Köln, Hannover, Braunschweig, Kassel, Mainz, Stuttgart, Darmstadt, Wiesbaden, Leipzig, Barmen, Wien, Basel, Paris, London, Edinburg u. a. O. Noch immer sind bei der in ganz Deutschland anhaltend hohen Temperatur der Luft Darm— katarrhe und Brechdurchfälle sehr häufige Todesursachen, be⸗ sonders in Berlin, Hamburg, Breslau, München, Dresden, Leipzig, Königsberg, Frankfurt a. M., Hannover, Danzig, Stuttgart, Straßburg, Magdeburg, Düsseldorf, Stettin, Aachen, Braunschweig, London, Paris, Wien, Odessa, Kopenhagen, Brüssel, Pest, St. Peters⸗ burg, Warschau u. a.,, obwohl in den meisten der genannten Städte die Zahl der Opfer eine kleinere ist als in der Vorwoche. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war deshalb auch im Allgemeinen etwas geringer als in der Vorwoche. Von je 1000 Bewohnern starben aufs Jahr berechnet in Berlin 136, in

München 166 Säuglinge. Auch akute Entzündungen der Athmungsorgane führten im Allgemeinen weniger Todes⸗ fälle herbei. Von den Infeklionskrankheiten haben Diphtherie, typhöse Fieber und Keuchhusten etwas mehr,

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Masern, Scharlach, Kindbettfieber und Pocken weniger Todesfälle her vorgerufen. Masernsterbefälle haben in Berlin. Paris, London, St. Petersburg ab⸗, in Prag zugenommen; auch Erkrankungen wurden meist weniger, nur aus den Regierungsbezirken Düsseldorf, Königs⸗ berg, Stettin häufiger gemeldet. Desgleichen veranlaßte Scharlach in Berlin, Hamburg, Pest weniger, in Leipzig mehr Sterbefälle, Erkrankungen kamen in Berlin und Hamburg etwas häufiger, in Pest Edinburg. Christignia und Kopenhagen seltener zur Anzeige. Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, Eharlotten⸗ burg, Dortmund, Dresden, Halle, Hamburg, Pest, London, Christiania eine größere, während in Magdeburg, Nurnberg, Paris, Wien, Warschau. St. Petersburg die Zahl der Sterbefälle abhiahm. Unterleib trohug rief in Berlin. Lamburg, sowie in den Regie⸗ rungsbezirken Düsieldorf, Erfurt, Schleswig mehr Erkrankungen, in Berlin auch mehr Sterbefälle hervor, dagegen wurde in Paris, London, St. Petersburg, Warschau die Zahl derselben kleiner. An Flecktyphus kam. 1 Todesfall aus St. Petersburg, ferner 1 Erkrankung aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf und 4 aus St. Petersburg zur Änzeige; Rückfallsfieber zeigte sich in St. Petersburg vereinzelt. Todes falle an epidemischer Genickstarre wurden aus St. Petersburg 1, aus Berlin 2, aus Kopenhagen 3. Erkrankungen aus Berlin und Kopenhagen je 1 berichtet. Aus London wird Ü Todesfall an Toll— wuth mitgetheilt. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Daut riefen nur in London mehrfache Todesfälle hervor. Der Keuchhusten forderte in Berlin, Paris, London ein wenig mehr, in Glasgow etwas weniger Opfer; in Hamburg erkrankten viel Kinder daran. Todesfälle an Pocken kamen aus Odessa, Venedig, Paris, Wien, Brüssel, St. Petersburg, Warschau, Prag vereinzelt, aus Pest 14 zur Meldung; Erkrankungen aus dem Regierungsbezirk Düssel⸗ dorf 1. aus Wien und St. Petersburg je 5, aus Pest 46. Die Nachrichten über die Cholera in Italien lauteten in der Berichtswoche nicht günstig. In der Provinz Venetien kamen vom 11, bis 18. August 156 Erkrankungen und 71 Todesfälle, von denen auf die Stadt Venedig 19 Erkrankungen bezw. 13 Todesfälle entfielen, zur Melduug. In der Provinz Pavia, besonders in St. Cipriano⸗Po und Port-Albera trat die Epidemie noch immer sehr heftig auf. In der Provinz Conco blieb sie beschränkt, aus der Provinz Mantua und aus Mailand werden vereinzelte Fälle gemeldet. In den Provinzen Bologna, Roverigo, Udine, Padua, Vicenzo, Trevifo, Verona fordert die Seuche zahlreiche Opfer, deren Zahl besonders in Bologna und noch mehr in Trexiso sehr bedeutend fein soll. Auch in Barletta tritt die Cholera noch sehr bösartig auf. In Triest kamen vom 13. bis 18. August 79 Erkrankungen und 47 Todesfälle zur Anzeige; in den Ortschaften um Triest, besonders in Isola zeigt sie sich noch häufig, in der Provinz Görz⸗Gradisca, sowie in Krain kamen vereinzelte ver— dächtige Fälle vor. Dagegen läßt die Epidemie in der Fiumener Gespanschaft und besonders in Fiume selbst nach. Aus letzterem Orte wurden vom 16. bis 22. August nur noch 6 Erkrankungen und 4 Todes fälle gemeldet. ;

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Paris, 30. August. (W. T. B.) Der Chemiker Che— vreul, welcher morgen in sein hunderistes Jahr tritt, nahm heute an einer Sitzung der Akademie der Wissenschaften Theil, woselbst ihm eine sehr warme Ovation dargebracht wurde. Dem Feste, welches morgen zu Ehren Chevreul's gegeben wird, werden zahlreiche Deputa— tionen beiwohnen.

In J. U. Kern's Verlag (Max-Müller) in Breslau ist soeben erschienen: Die preußische Gesetzgebung über Vorfluth, die Ent- und Bewässerungen und das Deichwesen, sowie überhaupt in Bezug auf das Wasserrecht. Zusammengestellt von Oskar Hahn, Ober⸗Verwaltungsgerichts⸗Rath. Mit einem Anhange, enthaltend Provinzialgesetze. Zweite Auflage. Gr. 86. Preis broschirt 7 S, in Leinwand gebunden 7 A6 85 3. Für wichtige Zweige der wasserrechtlichen Gesetzgebung, insbesondere be— züglich der Bildung von Wassergenossenschaften, über die Fischerei, über die Befugnisse der Strombauverwaltung gegenüber den Ufer— besitzern an öffentlichen Flüssen, ferner durch die Reichsgewerbeordnung bezüglich der Stauanlagen für Wassertriebwerke, sowie bezüglich der Zuständigkeit der Behörden hinsichtlich der Entscheidung über wasser⸗ rechtliche Verhältnisse und das Verfahren hierbei durch die neuen Organisationsgesetze ꝛc. sind in neuerer Zeit so erhebliche Verände— rungen eingetreten, daß es geboten erschien, in einer neuen Bearbeitung dieses im April 1868 erschienenen trefflichen Buchs die auf das Wasserrecht bezüglichen Gesetze und die durch umfangreiche Judikatur ꝛc. hierüber zur Geltung gekommenen Grundsätze von Neuem zusammen— zustellen. Hierbei haben auch die im Zuständigkeitsgesetz vom 1. August 1883 in Betreff der wasserrechtlichen Verhältnisse in Bezug genom— menen, insbesondere auch die in den neu erworbenen Landestheilen geltenden Provinzial⸗ 2c. Gesetze Aufnahme gefunden, soweit dieselben nicht blos einzelne Kreise oder ganz kleine Gebietstheile betreffen, so— daß das vorliegende Werk jetzt für sämmtliche preußischen Provinzen alle auf das Gebiet des Wasserrechts bezüglichen gesetzlichen Vor— schriften enthält. Ueber den reichen Inhalt des Buchs orientirt ein sehr genaues Sachregister.

In demselben Verlage erschien: Das preußische Stempel—⸗ gesetz vom 7. März 1822, ergänzt durch die neuere Gesetzgebung und erläutert durch Rechtsprechung und Verwaltungsentscheidungen. Be— arbeitet von Leo Labus, Provinzial⸗Steuersekretär in Breslau. Dritte umgearbeitete und vermehrte Auflage. 80. Preis in Lein wand gebunden 4 M 50 F. Das vorliegende, seit seinem ersten Er⸗ scheinen im Jahre 1880 jetzt zum dritten Male aufgelegte Handbuch ist, abgesehen von den bis in die Neuzeit ergangenen stempelrechtlichen Vorschriften 2c. um die Vorschriften über das gerichtliche Stempel wesen, das Erbschaftssteuergesetz und die Stempelpflichtigkeit der schiedsmännischen Akte vermehrt worden. Auch die innere Einrichtung hat eine, den praktischen Gebrauch wesentlich erleichternde Aenderung erfahren, so daß das Werk trotz der bedeutenden Vermehrung des Stoffes den Vorzug großer Uebersichtlichkeit und Zuverlässigkeit be⸗ wahrt hat. Es wird deshalb auch fernerhin bei allen Gerichts- und Verwaltungsbehörden, Notaren, Schiedsmännern ꝛc., welche in die Lage kommen, Naturalstempel zu verwenden und revidirt zu werden, auf eine günstige Aufnahme rechnen dürfen.

Soeben ist Nr. 1I7 von „Mode und Haus“, praktische illustrirte Frauenzeitung (Deutsche Verlagsgesellschaft Dr. Russak C Co., Berlin W., Lützowstr. S1), 22 Seiten stark, erschienen. Die⸗ selbe, mit illustrirter „Belletristischer Beilage“ und leicht praktisch zu verwerthendem großem Schnittmusterbogen versehen (Vierteljahrspreis 1 S606, bringt eine ausführliche Beschreibung über den notariellen Akt der das letzte Preisräthsel betreffenden Prämienziehung. Aus der Fülle der durch leichtverständlichen Text zuverlässig orientirenden Mode-⸗Illustrationen führen wir an: Neueste Mäntel, Paletots und Mäntel für junge Mädchen, Kleider, Paletots und Mantelets für kleine Mädchen 2c. von den geschmackvollen, auch für weniger Geübte mühelos nachzuarbeitenden Handarbeiten-Vorlagen: Arbeits⸗ täschschen, Nadeltuch, Häkelarbeiten ꝛce. Im „Haustheil“ wird praktischer Rath über häusliche Vorkommnisse ertheilt. Die Rubrik „Meinungsaustausch“ setzt sich aus Artikeln zusammen, welche von den Abonnentinnen von „Mode und Haus“ (Behandlung der Wäsche, Fleischgels! für Kranke ꝛe.) eingesandt sind. Die mit guten Illustrationen ausgestattete „Belletristische Beilage“ bietet wiederum viel Interessantes.

Gewerbe und Handel.

Der Einlösungscours für in Deutschland zahlbare öster⸗ reichische Silbercoupons und verlooste Stücke ist heute auf 161,50 ½ für 100 Fl. festgesetzt worden, stellt sich somit gegen die letzte Notiz um 50 niedriger.

Ueber die Messe in Nischny Nowgorod berichtet die Allgemeine deutsche Handelsgesellschaft in der Magd. Ztg.“: Die ihrem Ende nahende Messe hat im Allgemeinen ein zufriedenstellendes Ergebniß, zu welchem die erhebliche Preissteigerung einzelner Roh— produkte beitrug. Rauhwaaren waren in sehr lebhafter Tendenz.

Fehfutter Wiatka bis 40 höher, als im Vorjahre Karka— puler bei geringer Zufuhr eher noch theurer. Fehschweife bis 206 0, höher, rohes Feh bei kleinen Vorräthen 50 C höher. Weiße Hasen bei ebenfalls kleiner Zufuhr bis 100 , graue Hasen bis 20 0 höher. Kara kuler 15— 20 90 theurer. In Schiras ist noch Nichts gemacht, in Salzfellen (halb. Persianern) wenig gemacht bei 5 10 9, höherer Preisen. Astrachaner holten trotz erheblich geringerer Qualität als im Vor— jahre die damaligen Preise. Bären 30 40 υά. höher. Wölfe dagegen sehr vernachlässigt und Dachse bedangen nur vorjährige Preise. Füchse (weiße) 30 Co theurer. Der Verkauf in amerikanischer Waare blieb bisher schwach. Für Wollen zeigte sich vielfache Nachfrage zu durchschnitt⸗ lich 20 0ͤ½ höheren Preisen. Nachdem der moskauer Markt beinahe vollständig von den Wollen neuer Schur bereits im Juli hauptfäch— lich für englische und amerikanische Rechnung zu steigenden Preisen geräumt worden war, wurden die nach hier gebrachten Zufuhren von Kameel⸗ und Vließ-Wollen, deren Wäschen und Behandlung besser war, als in den Vorjahren, rasch für russische Fabrikanten und für Deutschland gekauft. Auch für sibirische Kuhhaare zeigte sich großer Begehr und wurde gute Qualität zu bis 25 09 höheren Preisen als im Vorjahre meist für englische Rechnung geräumt. Für Roß⸗ haare hatte man einen größeren Preisabschlag vorausgesetzt, nachdem jedoch zuerst größere Partien namentlich von langen Schweifhaaren zu verhältnißmäßig guten Preisen für England verkauft waren und die Zufuhr russischer Waare erheblich geringer war, als sonst, belebte sich der Markt und dürften Kasaner Mähnen bei einem Preisabschlage von nur 100½— gegen das Vorjahr schnell und vollständig geräumt werden. Ochsenhaare waren in guter Frage. In Kalbfellen waren die NVreife nicht so niedrig als erwartet wurde, 19— 205 Rbl. wurden für Rossonoie, für Paloien 10 Rbl. bezahlt. Rindfelle waren wenig zu⸗ geführt und wurden von russischen Gerbern zu mäßigen Preifen gekauft. Lammfelle für das Ausland gesucht und mit 1 Rbl. bis 1 Rbl. 5 Kop. das Stück einschließlich Schaffelle bezahlt. Ziegen felle, welche man mit 80-85 Kop. zu kaufen hoffte, brachten erheblich höhere Preise für pariser Rechnung, dagegen waren Noßhäute ohne Begehr. In Manufakten und Tuchen ist ein größeres Geschäft als in den letzten Jahren erzielt worden, wenngleich meist in niedrigeren Qualitäten und mit verringertem Nutzen für die Verkäufer. Matt war der Handel in Zucker und Thee, während man in Bezug auf den Eingang der Zahlungen bisher nichts Ungünstiges hörte.

London, 28. August. (Allg. Corr) In Middlesborough wurde gestern der endgültige Beschluß gefaßt, die Einschränkung der Produktion von Clevelander Eisen am 1. September in Kraft treten zu lafsen. An diesem Tage werden Bull Brothers zwei Hoch— öfen ausblasen lassen, Bolckom, Vaugham u. Co. drei und die Cargo Fleet Iron Company, sowie Jones, Dunning u. Co. je einen. ;

Bradford, 30. August. (W. T. B.) Wolle ruhiger, Botany⸗ wolle ziemlicher Begehr, fest, Mohairwolle fester, Garne fest, Stoffe besserer Begehr.

Washington, 30. August. (W. T. B.) Der Schatz— ekretär macht bekannt, daß er noch vor dem 16. September d. J. die Amortisirung aller noch nicht einberufenen Obligationen der 3proz. Anleihe vornehmen werde.

Submissionen im Auslande.

J. Britisch⸗Indien.

22. November, Mittags. Stadtverwaltung von Madras. Bau von Pferdebahnen in Madras. Kaution prov. 1000, defin. 10000 Rupien.

II. Oesterreich. 8. September, Mittags. Wien. K. K. General⸗Direktion der österr. Staatsbahnen. Lieferung von: cirea 10000 kg Kupferbleche, 90 000 , Kupferplatten (ebene und in aufgebogenem Zustande), 10 000 Kupferrohre, 25 000 ‚, Kupferstutzen, „10 500 Kupferstangen.

Das vorangeführte Quantum kann je nach Bedarf erhöht oder vermindert werden. Mit der Lieferung der vorbezeichneten Kupfer— waaren ist die eventuelle Abnahme von Altmetallen in Gegenrechnung, und zwar soweit der Vorrath reicht, verbunden.

Kaution 50.

III. Spanien.

24. September, 2 Uhr. Madrid. General-Direktion für Post und Telegraphen.

20 060 Flaschen blaue Tinte für telegraphische Apparate.

Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs⸗Anstalten.

Hamburg, 30. August. (W. T. B.) Der Postdampfer „Hammonia“ der Hamburg ⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft ist, von New⸗Vork kommend, heute Nachmittag auf der Elbe eingetroffen.

Sanitätswesen und Quarantänewesen.

Niederlande.

Zufolge einer im „Nederlandsche Staats-Courant“ veröffentlich—⸗ ten Verfügung der Königlich niederländischen Minister des Innern und der Finanzen vom 23. August 1886 ist die Ein- und Durchfuhr von Lumpen, gebrauchten Kleidungsstücken und ungewaschenem Leib⸗— und Bettzeug aus Italien und Oesterreich-Ungarn vom 27. August d. J. an verboten. Gebrauchte Kleidungsstücke, als Ge⸗ päck von Reisenden eingeführt, fallen nicht unter dieses Verbot.

Berlin, 31. August 1886.

Ju biläums⸗Kunstausstellung. (Fortsetzung.) In dem der englischen Kunst eingeräumten Saal erfreut sich vor allen Gemälden eines der besonderen Aufmerksamkeit der meisten Besucher: das von dem deutschen Maler Hubert Hercom er gemalte Porträt der Miß Katharing Grant“. Hauptsächlich ist es wohl die Schönheit der im Bilde dargestellten Dame, welche die Bewunderung der Betrachtenden erregt, und vor dem Genuß, den der Anblick so lieblicher Reize gewährt, tritt zunächst die Frage der technischen Behandlung des Gemäldes zurück. Meisterhaft hat der Maler es verstanden, das Seelenvolle der großen dunklen Augen, die Zartheit des Teints, das schöne Maß der Glieder wiederzugeben. Das einfache Kostüm, welches er wählte, trägt nur dazu bei, das Auge vor jeder Störung durch Nebensaͤchliches., dem mancher Porträtmaler so gern im Kleide oder im Hintergrunde des Bildes zu große Aufmerksamkeit widmet, zu bewahren und den Haupteffekt auf das Antlitz und den Körper zu legen. Die Plastik, mit welcher das Porträt uns aus der Leine⸗ wand entgegentritt, erzielte der Künstler dadurch, daß er einen hellen Hintergrund wählte, von welchem sich also der Körper nach Art einer Silhouette scharf abheben . ein Verfahren, das wir auch an dem bereits erwähnten Gussow'schen Gemälde der Frau Reichenheim zu beobachten Gelegenheit hatten, und das wohl bald Nachahmer finden wird.

Der tüchtige Porträtmaler Richmond ist durch verschie— dene treffliche Leistungen vertreten. Seine „Klavierspielerin“, ein blühendes junges Mädchen mit sinnigem Antlitz, zeigt ungemein zarte Ausführung; die jugendliche, in ein röthlichgelbes, luftiges Gewand ge⸗ kleidete Figur hebt sich leuchtend von dem goldig gehaltenen Grunde ab; niemand wird sich des lieblichen Eindrucks, den dieses Bild hervor⸗ ruft, erwehren können. In den Porträts beweist der Künstler sein tüchtiges Können in überzeugender Weise. Wenig aber kann eine Apotheose des vor Troja gefallenen und von dem Schlaf und dem Tode zum Olymp getragenen Sarpedon gefallen; die in der Luft schwebende Gruppe ist so schwerfällig, die beiden Genien sind so kompakt gezeichnet, daß diese Luftfahrt in vorliegen—⸗

der Darstellung noch unwahrscheinlicher wirkt, als sie es in der Sage ohnehin schon thut. Besser gefällt Richmond's Befreiung des Prometheus“, worin namentlich die kräftig gezeichnete Gestalt des Herakles hervorragt, die, sich mächtig emporreckend, den Pfeil vom Bogen in die Lüfte entsendet.

Von dem anerkannten Porträtmaler Millais sind drei Bild—⸗ nisse ausgestellt; der Towerwächter⸗ und das in alterthümficher Manier ausgeführte Porträt einer Dame; ferner das Bildnis des Malers Hook, eines prächtigen Männerantlitzes, in welchem Milla s die seelischen Eigenschaften des Dargestellten zu überzeugendem Aus— druck gebracht hat.

An sonstigen tüchtigen Porträtmalern seien genannt Whistler, der Thomas Carlyle portraͤtirte, ferner Frank Holl, von dem das ausgezeichnete Bildniß des Generals Wolseley herrührt, sodann Long, Ouless, dessen Bild flotte und kräftige Behandlung zeigt, John Pettie, Paget u. a. m.

Von Alma Tadema sehen wir nur wenige Werke ausgestellt, welche die Eigenart des Meisters in den charakteristischen Merkmalen aufweisen. Blinkenden Marmor, tiefblaues Meer, beide von leuch⸗ tendem Sonnenschein übergossen, schöngestaltete Menschen in hell— farbigen antiken Kostümen und anmuthigen Stellungen, das Alles finden wir in einer Vorlesung aus dem Homer“. Die vorzügliche Technik Alma Tadema's in Behandlung dieser Gegenstände kommt auch hier in prächtiger Weise zur Geltung, und nicht minder in dem Gemach, in welchem ein junges Mädchen, einen Zweig in der Hand haltend, ruht; hier erscheint der Glanz des Marmors und des bunt ausgelegten Fußbodens noch intensiver, der Reiz der farbenprächtigen Antike ist hier, wenn möglich, noch glühender ausgedrückt als in dem erstgenannten Bilde. Auch ein kleines Bildchen, „Mutterglück“ ge⸗ nannt, gefällt durch die tüchtige Behandlung der Gewänder.

Ein Nachahmer Tadema's tritt uns in Poynter entgegen, welcher sich gleichfalls der archäologischen Richtung angeschlossen hat. Er malte ein nacktes junges Mädchen, welches aus einem reich orna— mentirten marmornen Badegemach heraustritt; inmitten dieser mar— mornen Pracht erscheint die Inkarnation des nackten Körpers etwas hart. Einer orientalischen Schönheit, von demselben Künstler gemalt, dient gleichfalls eine marmorbekleidete Wand zum Hintergrunde— Das von Waterhouse herrührende Martyrium der hl. Eulalia“ zeigt gleichfalls den Einfluß der Tadema'schen Schule, wirkt aber ab— stoßend durch die Ausführung in der Figur der Heiligen. Einem anderen Vertreter jener antikisirenden Richtung, wie sie in England beliebt ist, begegnen wir in Leighton. Ueber die Berech—Q tigung der von diesem Künstler gepflegten Gattung soll hier nicht verhandelt werden, jedenfalls zeigt Leighton in seinem großen Gemälde „Cimon und Iphigenie“ tüchtige Zeichnung und ideale Auf— fassung, welch letztere von so vielen unserer modernen Künstler als unmodern und längst überlebt verachtet wird. Immerhin anerkennens⸗ werth ist der Muth moderner Maler, entgegen der beliebten hyperrealistischen Mode in ihren Werken dem klassischen Geschmack zu huldigen und ihrem Schönheitssinn in idealen Schöpfungen freie Bahn zu lassen. Die herrliche, schlummernde Mädchenfigur, deren zarte Gewänder in schönen Linien den hingestreckten Leib umhüllen, die Regelmäßigkeit und Anmuth des blühenden Antlitzes, das sorg⸗ fältige Vermeiden alles Abstoßenden und das liebevolle Hervorkehren des Schönen, alles dies macht einen wohlthuenden Eindruck und läßt den Beschauer gern und lange vor dem Leighton'schen Werke verweilen. Freilich befremdet auf den ersten Blick der röthlich gelbe Ton, welcher gleichmäßig über das Gemälde ausgebreitet ist und ihm von weitem das Aussehen einer mächtigen kolorirten Rothstiftzeichnung giebt; je länger man aber das Bild betrachtet, um so weniger wird dieser goldige Hauch störend wirken, der im Gegentheil dazu beiträgt, den poetischen Reiz der geschilderten Idylle zu erhöhen. In ähnlicher Weise hat Leighton eine nackte ‚Phryne“ gemalt. Denjenigen, welche diesen Leistungen des englischen Künstlers keinen Geschmack abgewinnen können, werden die von ihm ausgestellten Porträts um so besser gefallen. Entschieden beeinflußt von dem antikisirenden Geschmack ist auch Moore in seinen Laut lesenden Mädchen“, wobei er sein Haupt⸗ augenmerk auf die sorgfältige und effektvolle Behandlung der freilich etwas bunten Gewänder legte, wobei die Charakterisirung der Figuren zu kurz kam. Prächtig in Zeichnung und Kolorit sind Pauwell's „Schlangenfütternde Jungfrauen“.

In den Landschafts-, See- und Städtebildern bemerkt man recht achtenswerthe Leistungen, so Whirter's impofante Ge⸗ birgslandschaft, die durch die Großartigkeit der geschilderten Natur und die ausgezeichnete Ausführung einen tiefen Eindruck macht und daher den zu Grunde gelegten Gedanken an eine Grabstätte Ossian's wohl rechtfertigt.

Waterlow stellte eine

wirksame Küstenlandschaft aus,

Stokes eine hübsche Sommerlandschaft, Wvllie eine in Kolorit und Zeichnung bedeutende Seepartie; der Regen

hüllt die Gegend in einen zarten Dunst, die durch die düsteren Wolken brechende Sonne wirft helle Lichter auf die stürmische Fluth. „Die Stromschnellen des Niagara“ sind von Hunter vor⸗ züglich dargestellt worden. Prinsep hat es verstanden, in seinem „Nachmittag am Ganges“ die glühende Pracht der indischen Landschaft packend wiederzugeben. Clara Montalba lieferte mit dem „Dom zu Mailand“ ein treffliches Architekturstück in wirkungsvoller Be⸗ leuchtung.

Im Genrefach zeigt sich Cameron in seinem „Empfang der Kleinen“ als liebevollen Beobachter des Familienlebens. Fae d's Bild „Von der Hand in den Mund“ ist etwas bunt in den Farben, während seine ‚Kriegszeiten“ feiner abgetönt sind. Jones' „Ver⸗ kündigung der Maria“ muß zeichnerisch wie koloristisch als eine Geschmacksverirrung bezeichnet werden; Watts' „Liebe und Leben“ ist matt im Kolorit. Reid's „Zwei Großväter“ ist hübsch gezeichnet, doch zu bunt und überladen in den vorwiegend grünen und blauen Tönen.

Calderon malte in lichten, etwas bunten Farben drei Deko—⸗ rationsstücke für einen Speisesaal. Salm son's „Bei der Groß⸗ mutter“ ist im Gegensatz zu der sonst so bunten Malerei der Engländer von einem nüchternen kreidigen Kolorit.

Von Goodall ist ein mächtiges Gemälde ausgestellt, die Flucht der heiligen Familie nach Egypten darstellend. Den großartigen Charakter der Nillandschaft mit ihren Pyramiden, Sümpfen und Reihern hat der Maler charakteristisch wiedergegeben, durch die Dämmerung bricht der Mond herein, friedlich ziehen die Wanderer am Ufer entlang, eine feierliche Abendstille ist über die gewaltige Gegend gebreitet und übt ihren Eindruck auch auf den Beschauer aus.

In der Historienmalerei sind vertreten Jeames mit drei trefflichen Bildern, deren Stoff der englischen Geschichte entnommen ist und tüchtige Zeichnung kundthut, ferner Gow mit dem „Tod Eduards VI.“, Boughton, der einen „Besuch Andrew Marvells bei Milton“ darstellte, und endlich, als der Besten einer Woodville, der eines seiner bekannten Schlachtenbilder aus dem Sudan ausstellte, 4 zwar den „Herzog von Connaught und die Garden bei Tek⸗el⸗ Kebir “.

Von Werken deutscher Künstler haben in dieser Abtheilung Platz gefunden die treffliche Landschaft „‚Pontinische Sümpfe“ von Leh mann, der auch durch ein Porträt vertreten ist, ferner eine düster gehaltene Herbstlandschaft von Hartmann, sodann eine, Mondpartie auf Rügen‘ von Raetzer, von Roegge eine in warmen Tönen ge—⸗ malte ansprechende Genrescene, betitelt Mein Alles‘ u. a. m.

Im Einverständniß mit dem hiesigen Gemeindevorstand ist der erste Paragraph der Polizeiverordnung vom 28. November 1882, betreffend die Fortschaffung flüssiger, leicht verstreubarer o der Staub entwickelnder Materialien, unterm 27. d. M. wie folgt abgeändert worden:

3. 100.

Der Transport flüssiger, leicht verstreubarer, oder solcher Gegen⸗ stände, welche leicht abbroͤckeln oder Staub entwickeln, darf nur in solchen Behältnissen oder Umhüllungen erfolgen, welche verhindern, daß von ihrem Inhalt irgend etwas aus⸗ oder übexfließt, durch⸗ oder herabfällt, verweht wird oder sonst wie verloren geht. Müll, Asche und Schutt, welche in so trockenem Zustande sind, daß sie während des

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