1886 / 299 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Dec 1886 18:00:01 GMT) scan diff

bereits bemerkt, aus Mettlacher Thenfliesen, deren vorwiegend tiefrothe Färbung den ausgestellten Gegenständen einen wirksameren und ruhi⸗ eren Untergrund gewähren, als vielfarbige und gemusterte Böden. Von den übrigen Decken des Gebäudes sind nech zu erwähnen die aus starkem Zink bergestellte und ebenfalls mit Iserlohner gevreßtem Messing geschmückten Kassettenfelder um das große Oberlicht des Lichthofes, ferner die auf Wunsch Schliemann's in Metall nachgebildete, von ihm aufgefundene Decke des Schatzhauses von Orchomenos, endlich die länglich runde Holzdecke über der Aula. Bemerkenswerth ist ferner die Bildung der über 3 m weit gespannten Tonnengewölbe mit Stich⸗ kappen in den Säulenhallen des Lichthofes aus Rabitz'scher Patent— masse, welch letztere in dieser Art der Anwendung ein neues Kon— struktions mittel geliefert hat. . -

Die in den Formen der italienischen Frührenaissance ausgestalteten Hauptfronten des Gebäudes an der Königgrätzer⸗ und Zimmerstraße sind bis zum Gurtgesims mit gelbbraunem Sandstein von Staudern⸗ heim an der Nahe, in den oberen Geschossen mit schlesischem Sand⸗ stein aus den Brüchen bei Bunzlau und bei Wenig ⸗Rackwitz bekleidet. Zur Bekleidung der Seiten- und Hoffronten wurden außer den in sächsischem (theils Postelwitzer, theils Kottaer) Sandstein gebildeten Gesimsen, Fenstereinfassungen u. s. w. Siegersdorfer Verblend— steine verwendet. Es ist bemerkenzwerth, daß diefe theils maus⸗ grau, theils gelblich grau gefärbten Steine, welche mit dem Sandstein sehr gut zusammengehen, zum Theil fehlfarbigen Beständen der Ziegelei entstammen, während das Siegersdorfer Material sonst ledergelb oder braunroth ist. Erst als die Fabrik nicht mehr im Stande war, aussortirtes Material der gedachten Art in genügendem Umfange zu liefern, hat sie die eigenthümliche Farbe durch ein besonderes Fabrika⸗ tionsverfahren hergestellt. Der Kottaer Sandstein ist ferner in größerem Umfange bei den Architekturtheilen im Innern, und zwar in der Flurhalle und an den Säulenhallen des Lichthofes, verwendet worden, während die Säulen- und Pfeilerschäfte daselbst aus grauem Weißenstadter Granit bestehen. Die Wände des Lichthofes und des Haupttreppenhauses sind auf Schulterhöhe mit gemusterten Porzellan⸗ fliesen aus der Königlichen Manufaktur in Charlottenburg bekleidet.

Heizung und Lüftung. Tie Erwärmung der Ausstellungs— räume erfolgt mittels Warmwasserheilung, wobei der Dampf dreier Röhrenkessel (Root'schen Systems) als Wärmeerzeuger dient. Die Heiz⸗ körper sind in den Fensternischen stehende gußeiserne Rippenregister. Eine Anzahl in den verschiedenen Stockwerken übereinander liegender Register⸗ gruppen ist zu einzelnen Wasserbeizsystemen zusammengefaßt, deren jedes durch je einen der im Kellerflur aufgestellten Wasserkessel seine Wärme erhält. Es hat diese Anordnung den großen Vorzug, daß bei etwa nothwendigen Reparaturen einzelne Räume ausgeschaltet werden önnen, ohne daß der Betrieb der übrigen Räume gestört wird. In ähnlicher Weise erfolgt die Erwärmung der Bibliothek und der kleineren Räume des Rundbaues, während die Aula, die Flurhalle und der große Lichihof mittelst Dampfluftheizung erwärmt und ge⸗ lüftet werden. Die Lüftung der Ausstellungssäle wird derartig be— wirkt, daß frische, dem großen Hofe entnommene, in Dampfluft— kammern vorgewärmte Luft durch gemauerte Kanäle in Die Räume gelangt, die verdorbene Luft durch ebensolche Kanäle in den Boden— raum und von dort mittelst Saugeschlote ins Freie geführt wird.

Einrichtung der Sammlungssäle— Für die Aufstellung der Sammlungsschränke in den Ausstellungsräumen ist eine Art Fisch⸗ grätensystem zur Anwendung gekommen, derart, daß in der Längsachfe der Hauptsäle größere, nach der Länge get heilte, und senkrecht zu diefen kleinere, ebenfalls in der Mitte getheilte Schränke angeordnet sind. Zwischen je zwei der letzteren sind dann nach Bedarf noch schmaͤlere und ungetheilte Schränke eingeschoben worden. Diese Art der Auf⸗ stellung, bei welcher an jeder Fensterwand cin breiter Gang freibleibt, ermöglicht die bei den ethnologischen Sammlungen besonders wichtige, die Uebersicht erleichternde Gruppirung der Gegenstände nach einzelnen Völkerschaften. Bezüglich der Form? und Größe der Schränke sind diejenigen der ethnologischen von denjenigen der vorhistorischen Samm- lungen wenig verschieden, nur hat bei den letzteren neben der Haupt— form das System der Doppelpultform reichlichere Verwendung ge— funden. Die Schliemann'schen Funde endlich sind in Schränken untergebracht, welche nach dem besonderen Wunsche des Geschenkgebers hergestellt sind, und welche das oben bezeichnete Aufstellungsfystem nicht zuließen.

Die Ausstellungsbehälter in den ethnologischen und vorhistorischen Sammlungen sind im Hauptkörper aus Eisen hergestellt, da die Ver— wendung verhältnißmäßig dünner Eisenstäbe bei gleichzeitiger größerer Festigkeit gegenüber einem dickeren hölzernen Pfosten-⸗ und Rahmen werk größere Schaufläche darbietet und well die Eisentheile kei größerer Feuersicherheit auch dem Eindringen von Staub und Un— geziefer mehr Widerstand (utgegensetzen. Von jeglicher künstlerischer Ausgestaltung der Ausstellungsbehälter ist Abstand genommen, es fehlen selbst Bekrönungsleisten und ähnliche Zuthaten, da die Museumsoerwaltung von vornherein die Forderung stellte, daß alle dem Staube Gelegenheit zum Anhaften) und Ansammeln bietende, durch die Nothwendigkeit nicht bedingte Zuthaten fortzulassen seien, abgesehen davon, daß künstlerisch ausgestaltete Behälter auch leichter die Aufmerksamkeit vom Inhalte abzulenken im Stande seien.

Kost en, Bauleitung us. s. w. Die Kosten des eigentlichen zaues, also mit Ausschluß der Einrxichtungsgegenstände, haben rund O40 000 c betragen, so daß bej rd. 14431 am bebauter Fläche auf das Quadratmeter 49 und bei rd. 109 423 chm Rauminhalt auf das Kubikmeter 18,64 entfallen. Die Koften der inneren Einrich— tung des Gebäudes, welche sich zunächft auf die beiden unteren Stock— werke und den Keller erstreckt, belaufen sich auf rd. 467 00 A6

Der Ausführung des Gebäudes lag ein im Jahre 1879 auf— gestellter Entwurf nebst Kostenanschlag der Architekten Ende und Boeckmann zu Grunde, während der Entwurf und Kostenanfchlag zur inneren Einrichtung von dem Königlichen Bauinspektor Klut? mann herrühren. Die obere Aufsicht über den Bau führte eine besondere Baukommission, welcher Vertreter des Arbeits-Ministeriums, des Kultus-Ministeriums, ferner der General-Direktor der Königlichen Mufeen und der technische Decernent der Königlichen Ministerial⸗Baukommission angehörten. Die obere Leitung der Bauausführung wurde von dem Baurath Ende und dem Bau⸗Inspektor Klutma un gemeinschaftlich bewirkt, indem der Erstere mit der künstlerischen Ausgestaltung des Gebäudes, der Letztere mit der technischen und geschäftlichen Leitung sowie mit der Ausführung. der gesammten inneren Einrichtung betraut war. Bei der besonderen Bauleitung waren der Regierungs-Baumeister C. Hesse sowie in längeren Zeitabschnitten die Regierungs⸗Bauführer Hasack, Lucas, Weiß, Reimer, Abesser und Schleicher beschäftigt.

Von den einzelnen Sälen sind zur Zeit dem Publikum geöffnet:

Im Erdgeschoß Saal 1 mit den vaterländischen Sammlungen aus der Mark Brandenburg und

. 2 mit den prähistorischen Funden in Europa in Gold und Silber.

Saal 6 und 7 mit der Schliemann'schen Schenkung.

Im ersten Stockwerk:

Saal 1: ethnologische Sammlungen aus Afrika (von Nachtigal, P. Reichard, Hr. Barth, Dr. Rohlfs, Rob. Flegel, Dr. Schweinfurth, Dr. Junker, Lieut. Wißmann, Pr. Poppe u. s. w.

Saal 2: Sammlungen aus den Entdeckungsreisen der Lieutenants Knud und Tappenbeck sowie Dr. Birkner 's (Expedition der Afri⸗ kanischen Gesellschaft); außerdem eine Sammlung mexikanischer Alter— thümer.

Saal 3: amerikanische Silbersachen und Grabfunde, auch Sachen aus Oceanien.

Saal 4: Oceanien

Saal 5— 5: Amerika.

Im zweiten Stockwerk ist eine Aufstellung in Vorbereitung be— qriffen für die Sammlungen aus Indien, Indonesien, Indo ⸗China, Japan, Korea und anderen Theilen Asiens (mit Ausnahme der dem ersten Stockwerk bereits zugefügten Sammlungen Sibiriens und Halmahera's), sowie für Sammlungen volksthümlicher Art aus Europa. Zugleich ist in den dortigen Räumen eine koloniase Abtheilung in Aussicht genommen. Für den ersten Abschnitt (indischer und ost— asiatischer Sammlungen) haben die Vorarbeiten bereits begonnen.

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Das dritte Stockwerk ist für anthropologische und verschiedene andere Sammlungen bestimmt. . .

Im Lichthof sind monumentale Stücke aus indischen und ameri⸗ lanischen Alterthuͤmern und andere umfangreiche Gegenstände zur Auf⸗ stellung gebracht.

Die Aula wird zu Vorlesungen und für die Sitzungen der Ge⸗ sellschaft für Anthropologie u. s. w. bestimmt.

Der Vorstand des Kriegervereins Metz hat in einer Broschüre über die Schmückung der Kriegergräber in Lothringen im August d. J. Rechenschaft abgelegt. Dem Verein gebührt die dankbarste Anerkennung für die Bemühungen, die er um' diefen Akt der Pietät aufgewendet hat, und ebenfo anerkennenswerth ist die Ünfer— stützung, die ihm Seitens der deutschen Kriegervereine zu Theil ge⸗ worden ist. Mehr als 250 derselben haben ihm Geldspenden über⸗ sendet, die es ihm ermöglicht haben, die Gräber mit 40 großen Metallkränzen (274 S), 1500 grünen Kränzen (750 ), 26 großen grünen Kränzen (26 S, 13 großen Lorbeerkränzen (39 „S) und 1609 Schleifen aus Stoff mit den Namen der betreffenden Ver⸗ eine zu schmücken, außerdem noch 210 M an 8 andere lothringische Kriegervereine zu gleichem Zweck zu vertheilen und 1435 46 zur Instandsetzung von Gräbern, Kreuzen und Denkmälern auf dem Schlachtfelde von Noisseville, Mezieres, St. Privat und Gravelotte⸗Vionville zu verwenden. Mit einem Beffande aus dem Vorjahre im Betrage von 572,71 1 Fat der Verein 2930,60 M ver⸗ einnahmt, wovon 2332,82 M verausgabt sind, so daß noch 597,78 „M0, verblieben sind, die im laufenden Winter und im kommenden Früh⸗ jahr zur Instandsetzung von Denkmälern und Grabstätten verwendet werden sollen.

Die Ausführung der großartigen Arbeit, die meist am Sonntag des 15. August vollführt wurde, ist nur dadurch ermöglicht worden, daß der Kriegerverein gleichzeitig mehrere Kolonnen vom Theaterplatz in Metz aus nach den verschiedenen Schlachtfeldern entsandte.

Die Kolonne 1 begab sich nach Amanweiler, wo sich die Kameraden des Vereins Longeville⸗Moulins mit Kränzen zu ihr ge— sellten: Eine Abtheilung der Kolonne marschirte dann mit 9 massiven und 135 grünen Kränzen nach St. Privat-la⸗Montagne, um die dort liegenden zahlreichen, auch die franzoösischen Gräber zu schmücken und stille Gebete an ihnen zu verrichten, wobei sie bei dem Denkmal des französischen 94. Infanterie⸗Regiments mit ciner Prozession der Ein— wohner des Dorfes zusammentraf. Zwei andere Abtheilungen erfüllten mit 2 massiven und 140 grünen Kränzen dieselbe Ehrenpflicht in den Bois de la Cusse (in Frankreich) und Umgegend. Die Kolonne 7 begab sich mit 281 grünen und 7 Metallkränzen nach Gravelotte, die II. mit 300 grünen und 14 massiven Kränzen nach Gorze, Mars⸗Ia⸗Tour, Flavigny ⸗Vionville u. . de w nt ,,,, . massiven Kränzen nach Mezières, Hagendingen u. s. w., die V. in' einer Abtheilung mit 4 massiven und 150 grünen Kränzen nach Villers l' Drme, Montry u. s. w., in einer andern mit; massiven und 150 grünen Kränzen nach Borny, Colombey, Noissville u. f. w. Die VI. Kolonne hatte Rupigny, Charly und Antilly übernommen. Außerdem waren auch von dem Kriegerverein Ars 4. d. M. am 15. August 4 Kolonnen entsandt wor— den, um die deutschen und französischen Gräber in Ars a. d. M. und Umgegend zu schmücken. Ein Gleiches hatten an demselben Tage die Kriegervereine Chäteau⸗Salins und Diedenhofen, und bereits früher die, Kriegervereine Novsant-⸗Corny, Forbach und Bolchen gethan; der Kriegerverein Bitsch vollzog die Feier am 5. September, und der Kriegerverein Metz entsendete am 25. September noch eine Deputation mit 300 Kränzen zu den Gräbern bei Les Etangs, Puche, Colligny, Pange, Courcelles a. N. und Arz-⸗-Le quenexyy. Dem Denkmal des Königlich Sächsischen Armee-Corps sind am 18. August 2 prächtige Kränze gewidmet worden.

So ist es den Anstrengungen des Kriegervereins Metz möglich geworden, in diesem Jahre auf allen bekannten Gräbern Lothringens Zeichen dankbarer Erinnerung niederzulegen, und er hofft, gewiß nicht ohne Grund, daß die Pietät der Deutschen ihn in den Stand setzen werde, auch noch manches bis jetzt unbekannte Grab zu entdecken, um es in Zukunft mit den übrigen zu schmücken.

Der Bericht enthält genaue Angaben über jedes einzelne Grab. Die Angehörigen der Gefallenen können aus demselben die beruhigende Ueherzeugung gewinnen, daß sich die Gräber der Ihrigen in gutem Schutz und treuer Pflege befinden.

Eutin, 20. Dezember. (W. T. B.) Se, Majestät der Kaiser Alexander 1II. von Rußkand ' hat dem Comité für die Errichtung eines Denkmals für Karl Maria von Weber die Summe von 1000 6 bewilligt.

Metz, 19. Dezember. (W. T. B.) Das Hochwasser der Mosel hat einen sehr hohen Stand erreicht: zwischen Novsant und Sierck sind weite Thalstrecken überfluthet. Auch von der fran— zösischen Grenze wird fortdauerndes Steigen des Flusses gemeldet.

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Brüssel, 18. Dezember. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nach werden über die unter Leitung Stanhey's abzufendende Erpedi⸗ tion zur Aufsuchung und Unter stü tzung Emin Bey's erst dann endgültige Beschlüsse gefaßt werden, wenn Hr. Junker, der Gefährte Emin Bey's, welcher am 19. September d. J. Uyugi verließ und auf der Rückreise nach Europa kurzlich in Sansibar an⸗ gekommen ist, über die Lage, in welcher sich Emin Bey befindet, näheren Bericht erstattet haben wird.

Die Feier der hundertjährigen Wiederkehr des Ge— burtstages von Carl Maria von Weber wurde von beiden Königlichen Theatern in durchaus würdiger Weise begangen. Im Königlichen Opernhaäuse wurde zu Ehren des Tages das Schau⸗ spiel ‚Preziosa“ gegeben, zu welchem der unvergeßliche Meister seine reizende Musik geschrieben. Eröffnet wurde die Vorstellung durch einen von Ernst von Wildenbruch gedichteten Prolbg. Der Dichter vergegenwärtigt uns darin, welche Bedeutung das Auftreten Weber's und die Einführung feiner Musik für das damalige Kunstleben gehabt hat, indem seine Schöpfungen die italienische Musik, die damals die deutfche Bühne beherrschte, durch seine ftischen, volksthümlichen Melodien verdrängten und dem deutschen Volk eine eigene, seinem Wesen und Empfinden zusagende Musik schafften. Frl. Schwartz, als Muse gekleidet, brachte die prächtigen Wildenbruch'schen Verse zu schöner Geltung und erntete mit dem Dichter zugleich für ihre hübsche Leistung die verdiente Anerkennung. Nachdem sodann die vom Orchester sauber vorgetragene Ouverture zu „Preziosa“ alle anwesenden Verehrer Weber's erfreut hatte, ging die Aufführung vor sich, welche sich in jeder Hinsicht zu einer ge⸗ lungenen gestaltete. Die frischen Weisen der gutgeschulten Chöre, das treffliche Spiel der Mitwirkenden, beides trug dazu bei, den Abend zu einem überaus genußreichen zu machen. Von den Darstellern seien die Damen Barkany (Preziosa), Frl Berg⸗ mann, die Herren Krause, Müller, Hellmuth Bräm und Nesper lobend hervorgehoben. Von großartiger Wirkung war das Schluß⸗ tableau. Während die an dem Schauspiel Mitwirkenden, also auch der ganze Chor, alle noch auf der Bühne versammelt waren, senkte sich eine Wol kenwand hernieder. Durch dieselbe sah man in einen wirkungsvoll be— leuchteten Hintergrund, in dem sich auf hohem Unterbau die Kolossalbüste Weber's erhob, über welche die Muse, Frl. Schwartz, einen Lorbeer— kranz hielt. Zu ihren Seiten waren geschickt zusammengestellte Gruppen aus den sämmtlichen Opern Weber's aufgebaut, die als lebende Bilder somit eine plastische Darstellung des kunstlerischen Schaffens Weber's boten. Reicher Beifall ward dem Gebotenen zu Theil.

Zur Fest-Aufführung im Königlichen Schauspielhause hatte man den Freischütz! gewählt, jene Oper, welche wie kaum eine andere in den Besitz unseres Volkes übergegangen, die mit Fülle herrlicher Melodien und ihrem Märchenzauber aber auch ganz besonders geeignet ist, uns die musikalische Bedeutung Weber's in dankbare Er⸗ innerung zu rufen. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß alle bei

forderungen, welche

der Vorstellung mitwirkenden künstlerischen Kräfte ihr Bestes gab

um dieselbe in der That zu einer Festvorstellung zu gestalten. Aber . heben müssen wir ganz besonders die vorzüglichen Leistungen der . Frl. Leisinger (Agathe) und Renard Aennchen), welche sowohl durch nn reizvollen Gesang wie durch ihr schauspielerisches Wirken dem Ense⸗ n Natürlichkeit und Frische verliehen; beide Damen waren in 1 l Stimmmitteln ganz besonders gut disponict, so daß die bele hende men entzückende Wirkung auf die Hörer sichtbar hervortrat. Hr um sang den Max ganz vorzüglich, und die Herren Betz lara t Biberti (Caspar) und. Krolox (Kuno) griffen mit . Verve ein. Natürlich spendete das Publikum forte ö lebhaftesten Beifall. Mit demselben poetischen! He ft Ernst von Wildenbruch's, der im Königlichen Opernhause die 6 vorstellung einleitete, wurde auch im Königlichen Schau spielhauss Aufführung eröffnet. Hr. Kahle trug hier die schönen Verse . Warme und tiefer Empfindung vor. e mit

Zur frohen Weihnachtszeit, in welcher die Birnams *: Tannen; wälder des Harzes ihren Einzug in die Hauptstadt halten. bot . Deutsche Theater gestern eine glänzende vollen dete ĩAluffũhrunm des romantischsten, von nordischer Reckenhaftigkeit, wilder Blut n und düsterem Hexen und Geisterspuk erfüllten Shake spen en 83 ! ) er. . bear schen Dramas, des „Macbeth. Gewählt war, abweichend von sonst benutzten Uebersetzungen, die neuere, Gildemeifter'fche Ob mit Glüct wollen wir dem Urtheil der Shakespeare⸗Gelehrten zu entscheiden überlassen Versichert doch schon Tycho Mommsen, der Herausgeber der klassijchen Schlegel-Tieck'schen deutschen Shakespeare⸗Ausgabe, daß es zu . schwersten Aufgaben gehöre, die Macheth⸗Gedanken, „die so kurz um unheimlich einander überzucken und überblitzen wie gekreuzte Schwerter die Maebeth-Sprache, in der fast jedes Wort ein Dolchstich ist“, so getren wiederzugeben, daß daneben die allgemeinen Erfordernfsse der Deutlich. keit, Richtigkeit und dichterischen Schönheit bewahrt bleiben. Selbst des feinfühligen A. W. von Schlegel Kunst scheint an der Schwierin⸗ keit des Unternehmens gescheitert zu sein, denn er hat nur wenige Bruchstücke einer Uebersetzung dieses Trauerspiels hinterlassen, welche T. Mommsen dann bei seiner Uebertragung nebst denen des Tieck schen Kreises benutzt hat. Die Verdeutschungen von Voß und Lachmann andererseits wollen den heutigen Anforderungen der Textkritik nicht mehr genügen, die Schiller'sche Bearbeitung aber ist zwar entschieden die von der Bühne her am leichtesten verständliche und dramatisch wirk— samste, jedoch ganz frei und mit eigenen Zusätzen versehen. Unter diesen Umständen füllt die Uebertragung Gildemeister's, der sich auch als gewissenhafter Interpret der Dichtungen Shakes zeare'z Bypron's und des ‚Rasenden Roland“ von Ariost, bereits einen Namen gemacht hat, ohne Zweifel eine fühlbare Lücke aus. Die Kunst jedoch, die ihn die Schönheiten lyrischer und epischer Werke so vollendet sprach— lich nachzugestalten befähigt, scheint der dramatischen Schärfe und Ve, stimmtheit des Ausdrucks gerade im, Macbeth“ mit feiner wild und stür⸗ misch dahineilenden Handlung doch nicht immer gewachsen zu sein. Die Inscenirung, die dem Trauerspiel am Deutschen Theater zu Theil geworden, ist eine geradezu meisterhafte; die schnellen Verwandlungen bei verdunkelter Bühne bewähren fich auch hier vortrefflich, so daß selbst die ganz kurzen Scenen der Ermordung Banquo's und der Familie Maeduff's ohne Verzögerung des Flusses der Handlung ermöglicht werden. Die Hexenseenen mit den Geistererscheinungen, welche so leicht, selbst an mancher großen Bühne, an der Klippe der Unzulänglichkeit des scenischen Apparats scheitern, gelangen hier mit Benutzung aller technischen Fortschritte, namentlich ein der Beleuchtung, f das Effektvollste zur Darstellung. Großartig po tisch ge— stimmt waren die beiden fumpfigen Haidelandschaften, auf denen kurz nach einander die Hexen bei Donner und Blitz erscheinen. Ein wahres Entzücken für den Kunstfreund bilden Die peinlich stylgetreu gemalten prachtvollen Säle im Schlosse Dunsinan, der stimmungsvol düstere Hof desselben, in welchem sich die Scene nach dem Morde des Königs abspielt, die mondbeglänzte Halle, durch die Lady Macbeth schlafwandelt ꝛe. Auch die Ruͤstungen, Waffen, die ganze Gewandung des auftretenden Personals ist von sorgfältiger, geschichtlicher Treue. Diesem glänzenden Rahmen, in welchem das Trauerspiel erscheint, entsprach aber auch die Darstellung: Die Titelrolle spiel te Hr. Pohl mit der ganzen reckenhaften Tapferkeit und heimtückischen, wilden Ehrbegier, welche dieselbe verlangt. Den ungemein großen An— f sie an den Darsteller in physischer Hinsicht Bezug auf konsequente Durchführung dieses bösen, un— bändigen Charakters stellt, zeigte sich dieser ausgezeichnete Künstler in bewundernswerthem Grade gewachsen. Als Lady Macbeth überraschte das zarte Frl. Geßner durch den hoch⸗ dramatischen, wilddämonischen⸗Zug, den sie der Figur zu geben wußte, und weiterhin nicht minder durch die psychologische Vertiefung und naturalistische Ausarbeitung des schauerlichen Monologs in der be— rühmten Schlafwandel-Scene. Vortrefflich waren Hr. Pategg als Banquo, Hr. Kain; als Malcolm und Hr. Sommerftorff als Ma—— Duff, Letzterer namentlich in der erschütternden Scene seines Schmerz⸗ Ausbruchs um die ihm von dem Wütherich hingemordete Familie, Auch Hr. Nollet als König Duncan und Fr. Jürgens als Lady Mare duff, sowie die Damen Carlsen, Lenau und Link, welche die Hexen höchst wirksam darstellten, sprachen und sangen, verdienen gebührende Anerkennung. An dieser ließ es das Publikum auch nicht fehlen, zeichnete vielmehr die Hauptdarsteller bei offener Scene und nach den Aktschlüssen durch stürmischen Beifall aus. Das Haus war ausverkauft. Se. Kaiser⸗ liche und Königliche Hoheit der Kron prinz, Höchstwelcher der Vor— stellung vom Anfang bis zum Schluß beiwohnte, ließ nach dem 4. Akt Hrn. Direktor LArronge zu Sich rufen, drückte dem— selben Seine ganz außerordentliche Befriedigung über Dar— stellung, Insceenirung und Ausstattung des

und in

Stückes aus und beauftragte ihn, dies auch dem gesammten, darin beschäftigten Personal mitzutheilen. Die „Maebeth'-Aufführung am Deutschen Theater wird für die nächste Zeit ficher die größte theatralische Sehenswürdigkeit der Reichshauptstadt bilden. Hoffentlich bietet uns nun dig eifrige Direktion aber auch zu der Reihe vollendeter Shake speare⸗Darstellungen, die sie bisher gebracht hat, recht bald die in Aussicht gestellten Musteraufführungen der Göthe'schen Dramen, des

„Götz“ und des . Egmont“.

Kroll's Thegter. Zu der Matinée des Mikado welche am nächsten Mittwoch auf Höchsten Wunsch zum Besten des Heims für englische und? an merikanische Erziehe— rinnen in Deutschland veranstaltet wird, sind für den gesammten Hofstaat drei Parquetreihen bis zur Eimpore refervirt worden. Der Raum neben dem Parquet, in welches ein Separateingang führt, wird zum Empfangszimmer für Se. Majestät den Kaifer umgestaltet und entsprechend dekorirt. Für die numerirten Plätze laufen fort⸗ während zahlreiche Bestellungen ein, sodaß die Mikado⸗Matinse ohne Zweifel eine der glänzendsten Vorstellungen des so überaus er— folgreichen Gastspiels der englischen Opern ⸗Gesellschaft zu werden verspricht.

FHelle⸗Alliance⸗FTheater, Fr. Marie Geistinger beschließt am Donnerstag ihr vom glänzendsten Erfol ne begleitetes Gast⸗ spiel. Infolge dessen muß die überaus lustige Gesangsposse „Die Kindsfrau“, die sich allabendlich der beifälligsten Aufnahme erfreut, vom Repertoire abgesetzt werden, wenn es der Direktion nicht gelingt, die beliebte Künstlerin zu bewegen, ihr Gastspiel noch um einige Tage zu verlängern.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags-A1nstalt, Berlin 8W., Wilhelmstraße Rr. 52.

Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Berlin:

Iich

zum

Deutschen Reichs⸗Anzeiger

Erste Beilage

93)

Berlin,

und Königlich Preußischen

Slaats

Mn 298.

Deutsches Reich.

Bescheide und Besch lüsse des Reichs-Versicherungsamts.

239) Ein Anitsvorsteher lehnte die bei ihm beantragte Unter—⸗ suchung eines in seinem Polizeibezirk eingetretenen Betriebsunfalles aus dem Grunde ab, weil der Ver— letzte nicht in seinem Bezirk wohne und er deshalb nicht in der Lage sei, denselben zur Verhandlung vorzuladen. .

Das Neichs⸗Versicherungsamt hat auf die bezügliche

Eingabe eines Genossenschaftsvorstandes diese Auffassung

als irrthümlich bezeichnet. ;

Die für den Betriebssitz beziehungsweise den Unfallsort zuständige Orts-Polizeibehörde hat durch §. 53 des Unfall— versicherungsgesetzes nicht nur die Berechtigung, sondern auch die

Verpflichtung erhalten, den bei ihr zur Anzeige gebrachten Unfall

einer Untersuchung zu unterziehen und die zur Erreichung der in

§. 53 a. 4. O. bezeichneten Feststellungen erforderlichen Maßregeln

auszuführen. Ob es zur Erreichung der Zwecke der Unter—

suchung der Zuziehung des Verletzten bedarf, ob von der

Ladung desselben wegen der Verletzung oder wegen anderer zu—

reichender Gründe Abstand zu nehmen ist: bies bleibt dem

pflichmäßigen Ermessen der Orts-Polizeibehörde nach Lage des einzelnen Falles anheimgegeben. Jedenfalls giebt aber der

Umstand, daß der Verletzte in einem andern Bezirk wohnt,

keinen Grund, die Ladung des Verletzten, geschweige denn die

Führung der gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchung zu unter—

lassen.

240) Auf die Anfrage eines Genossenschaftsvorstandes, „ob a. der 8. 5 Absatz 8 des Unfall versicherungsgesetzes

dahin aufzufassen sei, daß auch die Zahlung von Renten an die Angehörigen eines in einem Kranken— hause untergebrachten Verletzten (6. 7 Absatz 1 und ? a. 4. O.) der Krankenkasse, welcher der Verletzte an⸗ gehört, übertragen werden könne, ob diese Renten Seitens der Krankenkasse anstatt an die Ehefrau, beziehentlich die Kinder oder die Aszendenten des Verletzten an den Verletzten selbst gezahlt werden könnten,“ hat das Reichs-Versicherungsamt unter dem 26. No⸗ vember 1886 das Folgende erwidert: Streitigkeiten, welche aus Anlaß der Bestimmung des

8. 5 Absatz 8 des Unfallversicherungsgesetzes zwischen' den

Berufsgenossenschaften und den Krankenkassen entstehen, sind

nach 5. 58 Absatz 2 des Krankenversicherungsgesetzes zu ent—

scheiden.

Indessen nimmt das Reichs-Versicherungsamt nicht An—

stand, seine Meinung dahin auszusprechen, daß die Frage a zu

bejahen ist. Die Frage h dageger läßt sich nicht allgemein beantworten. Dieselbe ist vielmehr nach Maßgabe der dies— bezüglichen Bestimmungen des örtlichen bürgerlichen Rechts

Privatrecht, Partikularrecht) zu beurtheilen.

Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen werden allerdings der— artige Zahlungen an eine Ehefrau beziehentlich an minder— jährige Kinder mit rechtlicher Wirksamkeit an den Ehemann heziehungsweise Vater erfolgen können. Aszendenten dagegen können von ihren Deszendenten in der fraglichen Hinsicht nicht ohne ausdrückliche Vollmacht vertreten werden. ö. Gu vergleichen im Uebrigen „Amtl. NR⸗V.M.“ 1856 S. 135 Ziffer 184 und S.

Nachrichten des 56 Ziffer 142.) 1 241) Ueber die Bedeutung und Tragweite des . Unfallversicherungsgesetzes und das Verfahren in den Fällen dieses Paragraphen hat sich das Reichs— Versicherungsamt in einem Bescheid vom 25. November 1886, wie solgt ausgesprochen: .

„Das Wahlrecht zwischen den nach ö

Unfallversicherungsgesehes alternativ zu gewährenden Leistungen welches ausschließlich der Berufsgenossenschaft zusteht (Amtl. Nachrichten des R-V. A. von 1886 ö „ist von, demjenigen Genossenschaftsorgane auszuüben, welches durch das Gesetz beziehungsweise durch das Statut zur Rentenfestsetzung berufen ist. . Dieses Necht kann auch dann noch ausgeübt werden, wenn die Feststellung der Entschädigung bereits erfolgt ist; ins⸗ besondere steht in solchem Falle der Bescheid des Reichs⸗Ver⸗ icherungsamts Ziffer iz (Amtl. Nachrichten 1886 S. 74) dem fraglichen Wahlrechte nicht im Wege. Vielmehr kann, wenn alle Voraussetzungen des §. 7 vorliegen, die Ver⸗ pflegung in einem Krankenhause auch nachträglich nicht nur dann gewählt werden, wenn aus Anlaß des Unfalls demnächst n neues Heilverfahren erforderlich wird, fondern auch dann, wenn das zunächst dem Unfall folgende Heilverfahren sich ndie Länge zieht, und so lange, sals es noch nicht be—⸗ endigt ist. In jedem Falle ist das Wahlrecht, ebenso wie in den Fällen des 8. 65. a. a. O. durch Ertheilung eines der Be⸗ uusfung guf schiedarichterliche Entscheidung unterliegenden for⸗ mellen Bescheides des bezeichneten Genossenschaftsorgans auszu— üben G. 61 und 8. 62 Abfsatz a7 4. C).

242) Nach eingehender Berathung mit den betheiligten Ge nossenschaftsvorständen über die Heranziehung der l fg. zur Unfallversicherung hat das Reichs— Versicherungsamt im Hinblick auf die Stellungnahme der gedachten Vorständé, sowie auf die Ergebnisse einer am 6. Novemher 1886 zu Berlin mit den Vorfitzenden sämmtlicher Baugewerks Berufsgenossenschaften ab— gehaltenen Besprechung durch Verfügung vom 2. De—

has e öember 1886 ausgesprochen, .

die Pflasterer in Beziehung auf die Unfallversicherung den teinhauern beziehungsweise Maurern §. 1 Absatz ? des nfallpersicherungsgesches zuzurechnen sind. .

dun laßgebend ie ar die Erwägung, daß die Verwen⸗ ung sogenannter Findlinge zu Pflasterungen immer mehr ab⸗

nimmt und selbst bei diesem Material ein Behauen e

einzelner Steine zur Fertigstellung des Pflasters unumgängli

nothwendig ist, daß ferner, auch wenn fertig zugerichtete Steine

Montag, den 20. D

ezember

ssogenannte Kopfsteine) verwendet werden, Pflastern,

z. B. beim Anschluß an die Bordsteine der Straßendämmẽ

oder der Trottoirs, an Pferdebahngeleise 2c, ohne ein ehauen

einzelner Steine nicht zu bewerkstelligen ist, und daß solche

Betriebe, namentlich im Hinblick auf die Härte des zu be—

arbeitenden beziehungsweise nachzuhauenden Materials, alle

Gefahren des Steinhauergewerbes mit sich bringen, während

andererseits die Herstellung von Trottoirs u. s. w. mittelst

Mörtels als Maurereibetrieb anzusehen ist.

ö Bezüglich der Steinschläger Steinklopfer), welche für die

Beschotterung von Chausseen Steine zerkleinern, hat sich das

Reichs-Versicherungsamt der in der Eingangs erwähnten Be—

sprechung von den anwesenden Genossenschaftsvertretern ein—

stimmig ausgesprochenen Ansicht ebenfalls angeschlossen, wonach für diese Betriebe eine Versicherungspflichtigteit abgesehen von den übrigens wohl kaum vorkommenden Fällen der Ver— wendung von Motoren zc. oder der regelmäßigen Beschäftigung

von mindestens zehn Arbeitern in einer Betriebsanlage, 5.

Absatz 3 und 4 a. a. O. nicht anzunehmen ist, weil es sich

hier nicht um Steinhauereibetriebe, sondern nur um das Zer⸗

trümmern von Steinen bis auf gemisse Größen handelt.

243) Es waren Zweifel darüber entstanden, ob die zum Zwecke der Gewinnung von Kies zc. betriebenen Baggereien zu den Vinnenschiffahrts-Berufsgenossen⸗ schaften oder zu der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft gehören. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat sich über diese Frage unter dem 12. November dahin aus— gesprochen,

daß alle versicherungspflichtigen Betriebe zur Gewinnung von

Kies und Sand durch den Bundesrathsbeschluß vom 21. Mai

1885 der Steinbruchs⸗Berufsgenossenschaft zugetheilt worden

sind. Dementsprechend gehören auch diejenigen Baggereien zur

Steinhruchs-Berufsgenoffenschaft, deren Betrieb ausschließlich

auf die Gewinnung von Kies und Sand gerichtet ist. Da⸗

gegen werden diejenigen Baggereien, welche lediglich dem

Zwecke der Vertiefung des Fahrwasser c. dienen, ohne Rück—

sicht auf das ausgebaggerte Material, gemäß dem Bundes⸗

rathsbeschlusse vom 15. April 1886 den Binnenschiffahrts⸗

Berufsgenossenschaften anzugehören haben.

Bei Baggereibetrieben, welche gleichzeitig beiden Zwecken dienen, nämlich der Vertiefung des Flußbetts 2c., sowie der Gewinnung von Kies und Sand behufs anderweiter Ver— wendung beziehungsweise Veräußerung des Materials, wird es sich hinsichtlich der Zugehörigkeit derselben zu einer der in Rede stehenden Genossenschaften in jedem einzelnen Falle darum handeln, festzustellen, welchem Theile des Unternehmens die überwiegende Bedeutung beizumessen, d. h. was als Haupt⸗ betrieb im Sinne des 8. 5 Abfatz 3 des Unfallversicherungs— gesetzes anzusehen ist.

244) Ueber die Zulässigkeit von Vergleichsabschlüssen in dem schiedsgerichtlichen Verfahren des Unfallversicherungs⸗ gesetzes hat das Reichs-Versicherungsamt in einem Be— scheide vom 2. Dezember 1886 Folgendes ausgeführt:

Es unterliegt diesseits keinem Bedenken (vergl. auch das durch die diesseitige Bekanntmachung vom 1. Oktober 1886 vorgeschriebene Formular, Spalte A0, für den von den Schiedsgerichts -Vorsitzenden an das Reichs⸗Versicherungsamt einzureichenden Geschäftsbericht §. 27 der Kaiserlichen Ver— ordnung vom 2. November 1885, „Amtl. Nachrichten des R. V.⸗A.“ 1886 S. 178 ff. —, daß die Parteien im Laufe des schiedsgerichtlichen Verfahrens befugt sind, eine bestehende Ungewißheit über den Umfang der durch den Unfall ver— ursachten Erwerbsunfähigkeit des Verletzten, beziehungsweise über die Höhe der demselben zu leistenden Entschädigung im Wege gegenseitigen Zugeständnisses durch Vergleich zu be— seitigen. Jedoch wird die Bestimmung des Gefetzes (8. 66 Absatz 2), daß eine Entschädigung durch Kapital abgesehen von ausländischen Entschädigungsberechtigten und von der Wiederverheirathung von Wittwen (85. 67 und 6 Ziffer 2 Lit. a Absatz 3 a. a. O.) nicht zulässig ist, in allen Fällen zu beachten sein. Die Entschädigung durch Renten, welche in monatlichen Raten im Voraus zu zahlen sind, bezweckt, die Arbeiter gegen die Folgen von Unfällen wirthschaftlich dauernd sicher zu stellen.

245) Aus Anlaß von Katasterbeschwerden hat das Reichs-Ver— sicherungsamt auf Grund des 5§. 1 Abs. 5 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes unter dem 1353. November 1886 beschlossen,

daß Kupferschmiedebetriebe, in welchen die Arbeiten überwiegend

nicht zu Hause in der Werkstatt, sondern in Fabriken

(Reparaturarbeiten an Maschinen, Rohrlegungen u. s. w.) ver⸗

richtet werden, in der Regel als fabrikmäßige Betriebe (8. 1

Abs. 1 des Unfallversicherungsgefetzes) anzusehen sind und

demgemäß ohne Rücksicht auf die Zahl der in diesen Betrieben

beschäftigten Arbeiter und auch ohne die V rwendung von

Motoren ꝛc. der gesetzlichen Unfallversicherungspflicht unterliegen.

Diese Entscheidung beruht auf der Erwägung, daß die in Nede stehenden Betriebe, ähnlich wie die Gas- Und Wasser⸗ leitungs-Installation als Hülfsbetriebe und Abzweigungen an— derer gewerblicher Großbetriebe sich darstellen uns mit Ge— fahren verknüpft sind, welche dem Handwerk im Allgemeinen fremd sind. (Vergl. Bescheid 197. „Amtliche Nachrichten des R. V. A.“ 1886 S 205.)

An der Königlichen 1andwirthschaftlichen Hochschule werden, wie in den Winter⸗-Halbjahren 188405 und 1885.86, so auch im gegenwärtigen Semester

Unterrichtskurse für praktische Landwirthe stattfinden. = .

In der gegenwärtig für die Landwirthschaft schwierigen Zeit er scheint es ganz besonders erforderlich, alle Hälfsmittel zusammenzufafsen, welche wirthschaftlich mit Aussicht auf praktischen Erfolg in Be⸗ tracht kommen können. Mehr als bisher ist es in Folge der drückenden Konkurrenzverhältnisse geboten, Nichts unversucht zu lassen, wodurch die zur Verfügung stehenden Mittel in ihrer ökonomischen Wirkung gesteigert und wirthschaftlich zweckmäßiger verwerthet werden können.

Die von der landwirthschaftlichen Hochschule ins Leben gerufenen Unterrichtskurse sind dazu bestimmt, dem in der Praxis seiner Berufs⸗ thätigkeit stehenden Landwirth die Möglichkeit zu gewähren, sich auf dem Gebiete der neueren wisfenschaftlichen Forschungsresultate und der bezüglichen praktischen Erfahrungen auf dem Laufenden zu erhalten und die für die Initiative auf praktischem Gebiete nothwendigen An⸗ regungen zu empfangen, welche unter dem Druck des Lebens und Der Betriebsverhältnisse nicht felten verloren gehen und fehlen.

Eine gewisse Bekanntschaft mit den Hauptergebnissen der Land⸗ wirthschafts⸗Wissenschaft ist für die fruchtbringende Theilnahme an diesen Kursen vorauszusetzen, da dieselben in kurzer Zeit ein volles Bild über den gesam mten Umfang der bezüglichen Wissenszweige nicht zu geben vermögen, sondern an Tie allgemeinen Grundlagen der⸗ selben anknüpfend sich über die neueren Ergebnisse und Fortschritte sowie besonders wichtige Fragen und Aufgaben der Gegenwart verbreiten.

Der bisherige Besuch der Kurse ist ein befriedigender gewesen und derselbe läßt darauf schließen, daß das Bedürfniß, mit der Wissenschaft in Verbindung zu bleiben, in weiteren Kreifen mehr und mehr zur Anerkennung gelangt. Die Betheiligung bezog sich nicht nur auf die benachbarten norddeutschen Gegenden, sondern auf zum Theil entfernte Distrikte unseres Vaterlandes und über die Grenzen desselben hinaus. Die Regierung eines auswärtigen Staates hatte im vergangenen Winter-Semester sogar zwei besondere Deputirte ent— sendet, um von der bezüglichen Einrichtung eingehend Kenntniß zu er⸗ halten.

Wie im Monat März, jedoch einige Tage früher, Kollision mit den Semestervorträgen für die Studirenden zu ver— meiden und den kundgegebenen Wünschen entsprechend möglichst die Vormittags und Mittagsstunden zu den Vorträgen und Uebungen verwenden zu können.

Die Unterrichtskurse für praktische Landwirthe werden am Dienstag den 1. März 1887 beginnen und am Donnerstag den 10. Marz ge= schlossen werden. Zur Theilnahme an denselben ist Jeder berechtigt, der sich bei dem Rechnungs-Rath Müller im Sekretariat der land—⸗ wirthschaftlichen Hochschule meldet und unter Nennung seines Namens und seiner persönlichen Verhältnisse das Unterrichts⸗Honorar für die von ihm gewählten Vorträge entrichtet.

Wünschenswerth wenn auch nicht Bedingung für die Theilnahme an den Kursen oder zu derselben' definitiv verpflichtend ist eine vorgängige schriftliche oder mündliche Meldung mit Bezeichnung der Vorträge, welche der Betreffende anzunehmen wünscht. Die Meldungen werden im Sekretariat, Invalidenstraße Nr. 42, entgegengenommen. An dasselbe sind auch alle etwaigen Anfragen in Betreff der Unterrichts⸗ kurse zu richten.

Folgende Vorträge werden angemeldet:

1) Geheimer Regierungs-Rath Professor Dr. Settegast: a. Standpunkt, Aufgaben und Ziele der deutschen Viehzucht überhaupt und ihrer einzelnen Zweige insbesondere. Is Stunden.) b. Die Be⸗ urtheilung der Thiere und die Methoden des Preisrichtens auf land— wirthschaftlichen Thierausstellungen. (3 Stunden.)

2) Professor Dr. Orth: Ueber die neueften Fortschritte in der Verwendung des Stalldüngers und der käuflichen D ungstoffe. (8 Stunden.)

) Oekonomie⸗Rath Br. Freiherr von Can st ein: 3. Ausnutzung der Gewässer durch Fischzuchk. (4 Stunden.) b. Anbau und Pflege des Getreides. (4 Stunden.)

4) Dr. Grahl: a. Kartoffelkultur. kultur. (12 Stunden.)

5) Lr. Lehmann: a. Bedeutung, Entwickelung und An— wendung landwirthschaftlicher Fütterungsnormen. (3 Stunden.) b. Aus⸗ gewählte Kapitel über Molkereiwesen (Kritik der besten Centrifugen— systeme. Die Verwerthung der Magermilch. Bereitung von Mager— käse ohne und mit Zusatz von Fett. Die Untersuchungsmethoden der Milch). (6 Stunden.)

6) Ingenieur Schotte: a. Feldbahnen. 6 Stunden.) b. Kartoffel⸗ ernte. Maschinen. (3 Stunden.)

7) Gatteninspektor Linde muth: Obstbau.

s) Professor Dr. Kny: Einführung in den Mikroskops. (12 Stunden.)

9) Profesfor Dr. Frank: Wichtige und neue Pflanzenkrankheiten. (6 Stunden.)

109) Professor Dr. Witt mack: Die neuesten Fortschritte in der Botanik und ihre Anwendung auf die Praxis. (6 Stunden.)

11) Geheimer Regierungs- Rath Professor Dr. Landolt: Spectral⸗Analyse (mit Experimenten). (2 Stunden)

12) Professor Dr. Gruner: A. Die Bonitirung des Bodens. (3 Stunden.) b. Die mineralischen Düngemittel und ihre landwirth— schaftliche Verwerthung. (3 Stunden.) E. Die geologischen Verhält⸗ nisse des norddeutschen Flachlandes und die geologisch⸗ agronomische Kartirung. (2 Stunden.)

13) Professor Dr. Börnstein: a. Das Wetter und seine Voraus⸗ sagung. (8 Stunden.) i

vergangenen Jahre sind die Kurse wiederum auf den verlegt worden, um jede

(6 Stunden.) b. Moor⸗

(10 Stunden.) Gebrauch des

b. Die elektrische Uebertragung von Arbeits— kraft. (Experimental⸗Vortrag) (1 Stunde)

14) Professor Dr. Suntz: Ueber neuere thierphysiologische Forschungen und ihre Bedeutung für die Praxis. (6 Stunden.) 1b) Professor Dr. Schmoller: Ueber die landwirthschaftliche Krisis. (4 Stunden)

16) Professor Dr. Alex. Müller: Die Behandlung der haus— wirthschaftlichen Abfälle in Rücksicht auf Gesundheitspflege, Land—⸗ wirthschaft und Industrie. (Private und öffentliche Reinhaltung.) (6 Stunden.)

17D) Dr. C. Weigelt: Ueber Mostbehandlung, Weinbereitung und Weinfälschung. (6 Stunden.!

Berlin, den 13. Dezember 1886. Der Rektor der 1 Hochschule. 8 .

Nichtamtliches.

C

Preußen. Berlin, 20. Dezember. Im weiteren Verlauf der vorgestrigen (13. Sitzung des Reichs⸗ tages erklärte bei der betreffs der Vertagung des Reichstages sich entspinnenden Debatte der Staats“ Minister von Boetticher:

Meine Herren! Ich habe zunächst das Bedürfniß, dem Herrn Abgeordneten zu sagen, daß die Regierungen und Se. Majestaͤt der Kaiser, denen allein das Recht zusteht, den Reichstag aufzulösen, sichM zu diesem Ihren Entschlusse von keiner Seite drängen lassen, daß Sie diesen Entschluß fassen werden nach eigener Initiative und nach Maß⸗ gabe der Umstände.

Zweitens habe ich auf einen Widerspruch aufmerksam zu machen, der in den Ausführungen des Herrn Vorkedners bezüglich der Militär⸗ vorlage erkennbar wurde. Der Herr Vorredner sagt: wir haben alles bewilligt. Nun frage ich ihn, wo sind die Bewilligungen? Er hat ferner gesagt: wir werden in der zweiten Lesung die Finanzfrage einer sorg⸗ fältigen Erörterung unterziehen. Er wilt also noch von der Prüfung der Finanzlage seine Bewilligung abhängig machen. Dieser Wider⸗ spruch ist unerklärt.