Aichtamtliches.
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 31. Dezember. Se. Majestät der Kaifer und König empfingen gestern na der Spazierfahrt den Baron von Cohn, ö.
eute nahmen Se. Majestät die Meldungen der hier ein⸗ 3 kommandirenden Generale entgegen, empfingen den mit der Leitung der General-Intendantur der König⸗ lichen Schauspiele beauftragten Grafen Hochberg, und sodann den Major von Kleist vom Ingenieur -Corps, der den Tod des ehemaligen General⸗Inspecteurs, Generals von Biehler, meldete.
— Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz nahm gestern Vormittag 11½ Uhr militärische Meldungen entgegen. .
Abends befuchte Höchstderselbe mit Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen Heinrich und der rinzessin Victoria die Vorstellung im Opernhause.
— Der Minister des Innern hat darüber, inwieweit die im Königlichen oder Gemeindedienst angestellten uniformirten Polizei-Exekutivbeamten beim Erscheinen vor Gericht und anderen öffentlichen Behörden die einen Theil ihrer Uni⸗ form bilbende Kopfbedeckung aufzubehalten oder abzu⸗ nehmen haben, unterm 29. November d. J. im Einvernehmen mit dem Justiz⸗Minister bestimmt, daß die Polizeibeamten ihre Helme vor Gerichts- und sonstigen öffentlichen Behörden beim Erscheinen in dienstlichen Angelegenheiten aufzubehalten, beim Erscheinen in Privat-Angelegenheiten als Parteien oder Zeugen ꝛc6. aber abzunehmen haben. Andere Kopfbedeckungen als Helme sind vor den bezeichneten Behörden stets abzu⸗ nehmen. Uebrigens ist das dienstliche Erscheinen bei Ver— handlungen öffentlicher Behörden zu denjenigen Anlässen zu rechnen, bei welchen Polizei⸗Exekutivbeamte auch in kleineren e. der Regel nach von dem Helm Gebrauch zu machen haben.
— Aus Anlaß des 80jährigen Militär-Dienst⸗ jubiläums Sr. Rajestät des Kaisers und Königs sind von der Königlich bayerischen Armee die Generale der Infanterie Freiherr von Horn und von Orff, komman⸗ dirende Generale des J. bezw. II. Armee⸗Corps, mit dem Generalstabs-Offizier Hauptmann Freiherr Kreß von Kressenstein und den Adjutanten Hauptmann Dimxoth, à la suite des 4. Infanterie⸗Regiments König Carl von Württemberg resp. Rittmeister von Schmaltz, à la suite des J. Chevauxlegers⸗Regiments Kaiser Alexander von Ruß⸗ land, sowie der Oberst Dohrer, Commandeur des 6. In⸗ fanterie⸗Regiments Kaiser Wilhelm, König von Preußen, hier eingetroffen.
— Der bei dem Staats-Archiv in Münster als Hülfs⸗
arbeiter beschäftigte Dr. phil. Walter Ribbeck ist zum Archiv⸗Assistenten ernannt worden.
Breslau, 30. Dezember. (W. T. B.) Die feierliche
Beisetzung der Leiche des Fürstbischofs Dr. Herzog gern e 10 Uhr, Unter Theilnahme des Ober⸗
at heute ö der drei Regierungs⸗Präsidenten der Provinz, des
ber⸗Buͤrgermeisters, der Vertreter des Magistrats, der Stadt⸗ verordneten, der Malteser-⸗Ritter sowie der Geistlichen der Diözese und einer zahlreichen Trauer⸗Versammlung aus allen Kreifen der Bevölkerung, im Dome stattgefunden. Erzbischof Dinder aus Posen celebrirte das Pontifikal⸗Requiem; Prälat Spieske hielt die Trauerrede.
Bahern. München, 31. Dezember. (W. T. B.) Die „Allgemeine Zeitung“ veröffentlicht ein Handschreiben des Prinz-Regenten an den Chef der Geheimkanzlei, General⸗ Adjutanten Freyschlag von Freienstein, durch welches dieser in den erblichen Freiherrnstand erhoben wird.
Württemberg. Stuttgart, 29. Dezember. Dem „StA. f. W.“ zufolge hat Se. Majestãt der König be⸗ fohlen, daß der Commandeur des Infanterie⸗Regiments „Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120“, Oberst von Alberti, . Berlin reise, um am 1. Januar 1887 Sr. Majestät dem Ka iser, dem Allerhöchsten Chef des Regiments, die Glückwünsche desselben zur Feier des S0jährigen militärischen Dienstjubiläums zu überbringen.
Desterreich⸗ Ungarn. Wien, 29. Dezember. (Wn. Ztg.) Der Kaiser hat heute den Statthalter von Böhmen, FM. Freiherrn von Kraus, in längerer Audienz em—
pfangen.
1 29. Dezember. (Pr.) Der Landesausschuß sprach sich in seiner heutigen Sitzung e, die Erlassung eines speziellen Trunkenheitsgesetzes für Böhmen aus. Der Landtag al dagegen die Regierung auffordern, die Bewilli— gung von Branntweinschank-Konzessionen, ins— besondere in Gebirgsgegenden, möglichst einzuschränken. — Der Landesausschuß empfiehlt dem Landtage ferner die Be⸗ willigung einer Landes-Subvention von 750900 Fl. für die Errichtung einer Staats-Gewerbeschule in Prag.
est, 29. Dezember. „Budapesti Közlöny“ publizirt das Gesetz, betreffend das Budget-Provisorium für das erste Quartal 1887.
Groszbritannien und Irland. London, 29. Dezember.
(A. C.) Das Kabinet trat gestern zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um sich über die Schritte ae n, zu machen, welche der Rücktritt des bisherigen Schatzkanzlers, Lord Randolph Churchill, nothwendig gemacht hat. Dem Vernehmen nach faßte das Kabinet zuvörderst den Beschluß, der Königin eine weitere Vertagung des Parla— ments zu empfehlen, und zwar bis zur ersten oder a. Woche im Februar, da es nach der bevor⸗ stehenden Rekonstruktion des Kabinets nicht möglich sein würde, die Vorbereitungen für die Session bis zum 13. Januar, dem für den Zusammentritt des Parlaments an⸗ fänglich sestgefetzten Termin, zu vollenden. Demnächst hielt der Marquis von Salisbury eine Ansprache an das Kabinet. Er fagte: die Minister würden sich erinnern, daß der bisherige Schatzkanzler in dem letzten Kabinetsrath die Grund— . e des Budgets mitgetheilt habe, welches er in der bevor⸗ tehenden Session einzubringen gedächte. Dasselbe sei auf namhafte Einschränkungen der Staatsausgaben basirt. Nach der Sitzung
sprechen. Be e Gruppe erster Linie wird von
abe Lord Randolph ChurchilUl ihm mitgetheilt, daß er das
chatzkanzleramt nieder würde, wenn nicht der Armee⸗ und Narine⸗ Etat bedeutende Reduktionen erführen. Eine so ernste Forderung, unterstützt durch eine Drohung, demissioniren zu wollen, habe sorgfaältige Erwägung erheischt, und die An⸗ gelegenheit sei daher mit dem Kriegs- und dem Marine⸗Minister ernsllich erwogen worden. Da beide erklärt hätten, daß sie die Verantwortung für die Sicherheit des Reichs nicht übernehmen könnten, wenn Streichungen in ihren Etats vorgenommen würden, und Lord Randolph seinerseits nicht anzugeben ver⸗ mocht habe, in welcher Weise Ersparnisse in der Armee und Marine erzielt werden könnten, ohne Beeinträchtigung der Teistungs fähigkeit derselben, so sei es unmöglich gewesen, seinem Verlangen 'stattzugeben. Nachdem Lord Randolph Churchill Kenntniß von dieser Entscheidung erhalten, habe derselbe ein Schreiben an ihn, den Premier⸗Atinister, gerichtet, worin er das Schatzkanzleramt niedergelegt und auszuführen versucht habe, daß die Interessen der Nation nicht durch die von ihm geforderte Reduktion leiden würden. Auf dieses Schreiben habe er, Lord Salisbury, erwidert, daß er es nicht auf sich nehmen könne, den Chefs des Kriegs- und Marine-Departements die von ihnen nach reiflicher Erwägung für die Vertheidigung des Landes als nöthig befundenen Summen zu verweigern; am allerweniasten könne er aber in seiner Eigenschaft als Premier⸗Minister feine Zustimmung geben, daß die für die Vertheidigung der Häfen und Kohlenstationen nöthigen Beträge gekürzt würden, und gerade gegen diese Ausgaben habe Lord Randolph am meisten Einspruüch erhoben. Dieser Antwort des Premiers i. Lord Randolph. Churchill ein Schreiben folgen assen, worin er seinen Rücktritt aus dem Kabinet endgültig und förmlich angekündigt und diesen Schritt durch die bereits bekannten Gründe motivirt habe. — Nach Verlesung dieses Schreibens verständigte der Premier das Kabinet über die mit Lord Hartington angeknüpften Unterhandlungen, welches Verfahren von den Ministern gebilligt wurde. Es wurde , die Meinung ausgedrückt, daß, falls Lord Hartington bei seinem im Sommer gefaßten Beschlusse beharren und den Eintritt in das Ministerium ab⸗ lehnen sollte, die konservative Partei nichtsdestoweniger mit
ihrem vereinbarten legislatorischen Programm vor das Par⸗ lament treten sollte. —
Nach dem Ministerrath begab sich Lord Salisbury nach Windsor zu der Königin.
Während die Ankunft Lord Hartington's erwartet wurde, ist den „Times“ zufolge ein ernstes Hinderniß für eine Koalition zwischen den Tories und den liheralen Unionisten entstanden. Obwohl Lord Salisbury ein Koalitions⸗ Ministerium wünscht und vollkommen Willens ist, unter der Premierschaft Lord Hartingten's zu dienen, das Kabinet auch seinen Entschluß gebilligt, hat, ist unter dem Gros der konfervativen Partei die i n vorhanden, jede Ab⸗ machung zu beanstanden, durch welche ihr Führer aufhören würde, Premier zu sein. Lord Salisbury wurde davon verständigt, daß die Partei mit großem Wider⸗ streben die Premierschaft Lord Hartington's annehmen würde, da sie fühle, daß „Unterwerfung unter, einen Liberalen, der nur 40 oder 50 Stimmen mitbringe, die konservative Flagge erniedrigen / würde. Die „Times“ glaubt: diese Entwickelung der Lage berühre nicht Lord Salisbury's Anerbieten, müsse aber unstreitig Lord Hartington's Antwort wesentlich be— einflussen.
— 29. Dezember, Abends. (A. C.) Die Königin ist in Begleitung des Prinzen und der Prinzessin Henry von Battenberg heute früh nach Osborne auf der Insel Wight abgereist.
Die Behörden des Kriegsamts sind mit der Ver— vollständigung der nothwendigen Details des Mohili⸗ firungsplaäns eifrig beschäftigt, sodaß später stets ein Theil der Armee bereit sein wird, unverzüglich ins Feld zu rücken. Vor dem nächsten April werden zum ersten Mal in England die endgültigen Arrangements zur Mobilisirung von zwei Armee⸗Corps fertig sein, und innerhalb 24 Stunden nach erhaltenem Befehl zur Dienstleistung im Ausland kann eine Kriegsmacht von 63 000 Mann eingeschifft werden. Die An⸗ nahme eines ähnlichen Mobilisirungsplans Seitens der Ad⸗ miralität hat selbstverständlich einen wichtigen Faktor in hohem Grade vereinfacht, nämlich die prompte Gestellung von Transportschiffen für das Militär.
Den Parlamentsmitgliedern O'Brien, Pr. Tanner und O'Connor gelang es in der Montagsnacht, die Pachtzin sen der Pächter der Kingston'schen Güter bei Mitchelstown in Gemäßheit des „Feldzugsplans“ einzu⸗ kassiren, ohne daß die Polizei etwas davon merkte, Der Jubel ö. den gelungenen Streich ist im nationalistischen
ager groß.
— 30. Dezember. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nach hat Lord Harting ton, nach vorgängiger Berathung mit seinen Parteifreunden, den Entschluß gefaßt, den ihm von Lord Salisbury angebotenen Premierposten nicht an⸗ zunehmen. — W. H. Smith werde an Stelle Churchill's die Führerschaft im Unterhguse übernehmen.
Dublin, 360. Dezember. (W. T. B.) In der Anklage— sache des Abg. Dillon wegen unberechtigter Ein⸗ ziehung des Pachtzinses in Loughrea erklärte sich derselbe bereit, die von dem Gericht verlangte Kaution für ferneres Wohlverhalten während der Dauer von 12 Monaten zu stellen; zugleich erklärte derselbe jedoch, daß er gegen diesen Beschluß des Gerichts Berufung einlegen werde.
Frankreich. Paris, 29. Dezember. (Köln. Ztg.) Das „Journal officiel“ veröffentlicht einen Erlaß des Präsidenten betreffs der Ober-Kommandos in den Fenn gen und Forts. Die festen Plätze werden in
ruppen getheilt, die dem Bezirk der Armee⸗-Corps ent⸗ Einige dieser Bezirke enthalten mehrere Gruppen.
einem Divisions⸗ eneral oder einem Brigade⸗General, der dessen Obliegenheiten vorsteht, befehligt. Demselben unterstehen alle Dienstzweige der Festungen sowie die Unter⸗-Militärbezirke, Die Gruppen der zweiten Linie werden von Brigade⸗Generälen befehligt. Jedem der Divisions-Generäle steht ein Brigade⸗General zur Seite, welcher den Befehl in der n des Bezirks hat. Alle diese Oberbefehlshaber stehen unter dem Corps⸗Komman⸗ danten. In Paris wird neben dem Gouyperneur ein Ober—⸗ befehlshaber der Vertheidigung ernannt. Der Divisions⸗General, welcher diesen Posten einnimmt, ist unter dem Befehl des Gouverneurs mit Allem betraut, was die Vertheidigung des ver⸗ schanzten Lagers von Paris betrifft. Er ist zugleich Platz Com⸗
mandant von Paris. Im Kriegsfall wird er an die Stelle
des Gouverneurs von Paris treten, da dieser dann den Be⸗ fehl über eine Armee übernehmen wird. Diesen wichtigen
osten erhält der Divisions⸗General Thibaudin, der frühere iegs⸗Minister. In den übrigen Gruppen befehligen: Lyon Divisions⸗General Béziat, Lille Brigade-General Läpn Duünkirchen B.⸗G. Masselin, Maubeuge B.⸗G. Pleu' vier, Laon B-⸗G. Bobet, Reims B-⸗G. Sainte⸗Beupe Verdun Divisions⸗General Salanson, Epinal D.⸗G. Galli. mard, Toul D⸗G. Lanty, Besangon DG. Faure, Bel— fort D-⸗G. Segretain, Langres D.⸗G. Pells, Dijon B86 Räöpécaud, Grenoble B.⸗G. Faugeron, Briangon B-. Henry, Nizza D⸗G. Le Bescond de Coatpont, Corsica B.-G. Potier, Perpignan D-⸗G. Pinel de. Grandchamp Bayonne B. G. Lesdos, Algier D-G. Poizat. Den Ober— Kommandanten der festen Plätze von Lyon, Lille, Verdun Epinal, Toul, Belfort und Nizza werden Brigade⸗Generäle als Unterbefehlshaber beigegeben. — Der „Temps“ freut sich über die Maßregel, namentlich, weil Frankreich einmal Deutschland zuvorgekommen sei, das die Commandeure fur seine Festungen noch nicht ernannt habe. Der „Tempe meint weiter, man dürfe sich jedoch nicht auf die Ernennungen beschränken, sondern müsse den Ernannten auch die Mittel an die Hand geben, um die Vertheidigung der Plätze herzustellen die sie in Kriegszeiten zu befehligen hätten. . ; 30. Dezember. (W. T. B.) Der Botsch after am Berliner Hof, Herbette, ist zum Großoffizier der Ehrenlegion ernannt worden.
Italien. Rom, 30. Dezember. (W. T. B.) Der König empfing heute Abend die bei dem hiesigen Hof be— glaubigten Botschafter und Gesandten mit ihren Ge— mahlinnen zur Neujahrs-Gratulation.
Amerika. Washingt on, 28. Dezember. (A. C.) In Folge des Todes des Generals Logan hat der Präsident den üblichen Neujahrs-Empfang im Weißen Hause aus fallen lassen. Die Leichenfeier für den Dahingeschiedenen wird in der nächsten Woche in der Senatskammer abgehalten werden, und die Beerdigung wird wahrscheinlich in Chicago stattfinden, woselbst die Stadt einen Begräbnißplatz ange— boten hat.
Afrika. Egypten. Kairo, 29. Dezember. (R. B) In Esneh ist die Meldung eingegangen, daß in Chartum der Mahdisten-Führer Khalifeh Abdullah ge storben ist.
Zeitungsstimmen.
Aus Anlaß des achtzigjährigen militärischen Dienstjubiläums
Sr. Majestät des Kaisers bringt die „Staatsbürger-gZei— tung“ folgenden Artikel: Am Tage des achtzigjährigen militärischen Dienstjubiläums des Kaisers, welches derselbe mit dem morgenden Neujahre begeht, bringt das ganze Deutschland dem Heldengreise Gefühle der Liebe, Anbäng. lichkeit und Treue entgegen. All die Huldigungen, die dem Herrscher der deutschen Nation zu diesem Tage dargebracht werden, sind ein Beweis dafür, daß selten in einem Lande Fürst und Volk, Regent und Staat so tief und innig miteinander verwachsen und verschlungen sind, wie bei uns. Der Ausspruch Friedrichs des Großen: „Der Souverän repräsentirt das Gemeinwesen, er und fein Volk bilden nur einen Leib, der ohne Eintracht und Harmonie nicht gedeihen kann‘, dieser Ausspruch ist auch die Ueberzeugung der deutschen Nation. Darum dringt zu diesem Tage aus den Herzen von Millionen Deutscher der Wunsch zum Himmel, daß Gott noch lange Zeit unsern Kaiser schützen und erhalten wolle., Und dieset Wunsch entspringt in erster Linie der Dankbarkeit, die wir dem Heldengreise zollen.
Deutschland war früher der Kriegsschauplatz, auf dem die euro= päischen Mächte ihre Händel auskämpften; Deutschlands Schwäche und Staatenlosigkeit forderte zu Uebergriffen heraus und Deutsch= lands Grenzgebiete reiten die Ländergier der Nachbarn. Dem Großen Kurfürsten, diesem Mann der Mühen und Thaten, gelang es nicht, das Ziel zu erreichen, welches er erstrebte; aber der Grund, den er gelegt hatte, erwies sich als fest genug, um auf ihm ein, starkes und mächtiges Staatsgebäude zu errichten, welches die Fähigkeit, sich zu einer mitteleuropäischen Macht zu entfalten und den Schwankungen im Stgatensystem ein Ende zu machen, in sich trug. Deutschland wäre in Folge seiner politischen Zerstückelung aus, det Reihe der Nationen gestrichen worden, wenn sich nicht in seinem Norden ein einheitlicher stärkerer Staat seit dem vorigen Jahrhundert gebildet hätte, der als Schutzwehr gegen undeutsche Politik und fremde Eingriffe den Kern zu einer nationalen Gesammtorganisation in sich verelnigte und so die vaterländischen Hoffnungen auf eine politische Wiedergeburt der Nation selbst in ungünstigen Zeiten aufrechtzuerhalten und zu ermuthigen vermocht hätte.
Wag in den Tagen der Schlacht bei Roßbach erst des Volkes Seher, die Dichter, zu ahnen anfingen; was im ersten Jahrzehnt unferes Jahrhunderts unter den ungünstigsten, hoffnungsärmsten Um— staͤnden nur ganz wenige und nur die hoͤchstbegabten Männer als ein in weitester N stehendes Ziel ins Auge zu fassen vermochten; was dann zwei Menschenalter hindurch von dem gebildeten Theile der Nation, langsam, aber stetig in immer weiteren Kreisen Verständniß findend, als unseres Volkes unverjährbares Recht vertreten worden: — das ist verwirklicht und gewährt worden in unseren Tagen. „Meine Hand soll das Wohl und das Recht Aller in allen Schichten der Bevölkerung hüten, sie soll schützend und fördernd über diesen reichen Leben walten. Es ist re Bestimmung nicht, dem Genuß der erworbenen Güter zu leben. In der Anspannung seiner geistigen und fittlichen Kräfte, in dem Ernste und der Aufrichtigkeit seiner religiösen Gesinnung, in der Vereinigung von Gehorsam und Freiheit in der Stärkung feiner Wehrkraft liegen die Bedingungen seiner Macht; nur so vermag es seinen Rang unter den Staaten Europas zu behaupten. Möge es mir unter Gottes gnädigem Beistande ge⸗ lingen, Preußen zu neuen Ehren zu führen! Meine Pflichten fur Preußen fallen mit meinen Pflichten für Deutschland zusammen. Al deutschem Fürsten liegt mir ob, Preußen in derjenigen Stellung zu kraͤftigen, welche es vermöge seiner ruhmvollen Geschichte, seiner ent⸗ wickelten Heeresorganisation unter den deutschen Staaten zum Hell Aller einnehmen muß.“
In diesen hochherzigen Worten der Proklamation vom J. Janunt 1861 „An mein Volk“ gab unser Kaiser als König von Preußen seinen Entschluß kund, seines Berufes zu walten. Und er hat diesen Entschluß über alles Erwarten vollkommen durchgeführt, Wie er, bit dahin als der mächtigste Kriegsherr sich gezeigt hatte und zeige mußte, um die deutsche Einheit zu vollenden, das Deutsche Reich in gründen, so trat unser Kaiser nunmehr als der größte Friedensfünt vor sein Volk und alle Rationen Europas, ja der ganzen Wel Seine Proklamation vom 18. Janugr 1871 an das deutsche Vo schloß mit den schönen, unvergeßlichen Worten: Uns aber und unseren Nachfolgern in der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, „Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht in kriegerischen Ct. oberungen, sondern in den Werken des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.“
Des Deutschen Reiches Erstehung ist vollzogen unter und durt Wilhelm J. Was fürstlicher Sinn und fürstliche Macht einem Volle bieten und leisten können, das ist dem deutschen Volke geboten un geleistet worden durch das glorreiche Haupt der Hohenzollern, zu den die gesammte deutsche Nation freudig, ehrfurchtsvoll und dankbu hinausbsickt. Möge denn der Festtag dazu beitragen, das Band gegen seitiger Liebe zwischen Kaiser und Volk noch fester zu schlingen un
die fernste Zukunft des Reiches Einigkeit, Drdnung, Wohlfahrt und Freiheit ru en!
— Ueber Kundgebungen zu Gunsten der Militärvorlage liegen der „Nerddeutschen Allgemeinen Zeitung“ mehrere neue Meldungen vor:
Eine in Berlin im Tivolisaale abgehaltene Versammlung be⸗ schloß folgende Resolutionen; .
„Die in Tivoli anwesende Versammlung Berliner Bürger erklärt es für eine nationale Pflicht, ihre unbedingte Zustimmung zur Militär⸗ vorlage der rr, . Majestät des Deutschen Kaifers zum Aus- druck zu bringen. Sie spricht die Erwartung aus, daß sich das deutsche Volk in den verschiedenen Gauen unseres Vaterlandes dieser ihrer Kundgebung anschließen wird.
An den Fürsten von Bismarck wurde folgende Kundgebung zu richten beschlossen: .
Eine nach Tausenden zählende, in Tivoli tagende öffentliche Ver= sammlung Berliner Bürger spricht Ew. Durchlaucht ihr tiefstes Bedauern aus über die durch den vorläufigen Kommissionsbeschluß gekennzeichnete Behandlung der Militärvorlage im Deutschen Reichs⸗ age. Sie giebt sich indeß der festen Hoffnung hin, daß die endgültige Abstimmung eine Mehrheit für die Vorlage ergeben wird. Sollte diese Erwartung nicht in Erfüllung gehen, so sind wir überzeugt, daß was Ew. Durchlaucht auch beschließen mögen, wie immer, so auch diesmal die begeisterte Zustimmung des deutschen Volkes finden wird.“
Landwirthe der Provinz Schleswig-Holstein veröffentlichten eine Erklärung, in welcher es heißt:
„In den Verhandlungen des deutschen Reichstages über die Militär- porlage bietet sich das, eines großen Volkes unwürdige Schauspiel, daß die Mehrzahl der Klerikalen und der sich freisinnig nennenden Partei unserer Regierung die Mittel zur projektirten Qeerespermehrung zurch allerlei Winkelzüge zu verweigern sucht. . . Sorgen wir dafür, daß unsere Nachbarvölker, die Deutschlands Größe mit Staunen und Neid betrachten, nicht die Freude haben, zu sehen, wie Zwietracht und Parteisucht in unserem deutschen Vaterlande herrschen. Lasset uns unseren Nachkommen zeigen, daß wir, würdig gewesen sind, in dieser großen Zeit zu leben, indem wir die mit großen Opfern errungene Größe unseres lieben deutschen Vaterlandes, soviel in unseren Kräften steht, zu erhalten und befestigen streben.
Die konservative Vereinigung zu Darmstadt beschloß einstimmig folgende an das Reichstags⸗Präsidium zu richtende Adresse:
„Die konservative Partei zu Darmstadt beklagt das Schicksal der Militärvorlage in der Kommission des Reichstages aufs Tiefste; sie erblickt darin ein die Ehre Deutschlands schwer schädigendes und zur Ermuthigung seiner Feinde gereichendes Ereigniß. Die konservative
artei giebt der Hoffnung Ausdruck, daß der Reichstag bei der bevor⸗ . Entscheidung diese Vorlage, welche eine Lebensfrage für das Restehen des Deutschen Reichs ist, ohne weitere Verschleppung in einer Weise erledigen werde, die dem vollen Vertrauen der Nation für Verwaltung ihrer auswärtigen und Militär⸗-Angelegenheiten ent— spricht, und daß nichts, was die wirklich Sachverständigen für unsere Sicherheit und die Behauptung unserer Macht und Ehre für noth— wendig erachten, durch die Vertreter des Volkes aus Parteirücksichten vereitelt werde.“
Leipzig, 30. Dezember. In einer heute Abend im Krystall— palast stattgehabten öffentlichen Versammlung, an welcher über 2000 Bürger theilnahmen, die verschiedenen politischen Richtungen an— gehören, wurde die folgende, vom Geheim⸗Rath Wach begründete Resolution einstimmig angenommen:
„Wir vertrauen fest und unbegrenzt der politischen und militäri⸗ schen Leitung des Reichs, die Deutschlands Größe begründet hat; wir sind überzeugt, daß die Reichsregierung dem deutschen Volke keine Lasten ansinnen wird, welche nicht für die Sicherheit des Vaterlandes unerläßlich sind; wir hegen daher die Zu⸗ versicht, daß das deutsche Volk die diesem großen Zweck die⸗ nenden Opfer willig auf sich nehmen werde. Wir halten es für patriotische Pflicht, alle Parteirücksichten schweigen zu lassen gegenüber der die Existenz des Reichs berührenden Wehrfrage. Und so sprechen wir die Erwartung aus, daß der Reichstag ohne Zaudern der Militär⸗ vorlage im Sinne der Regierung seine Zustimmung ertheilen werde.“
Die Versammlung schloß mit brausenden Hochrufen auf Se. Majestät den Kaiser.
— In der „National-Zeitung“ lesen wir;
Die der deutschfreisinnigen Partei sehr wohlgesinnte „Frankfurter Zeitung“ findet gleich uns, daß in Sachsen „die Militärvorlage zu Streitigkeiten und Wirren geführt hat, die eine vollständige Auf— lösung des bisherigen Parteiverbandes (der Deutschfreisinnigen Sach— sens) in Aussicht stellen. Auch in der hiesigen Presse, der Partei macht sich bereits leifer Widerspruch gegen die affektirte Gering— schätzung geltend, womit die Fraktionsorgane die Vorgänge in Sachsen abzuthun versuchen.
— Der „Magdeburgischen Zeitung“ wird aus Sachsen, u. d. 25. Dezember, geschrieben:
Die mannhafte und patriotische Erklärung, des sächsischen Land—⸗ tagsabgeordneten Schreck, der in seinem und, wie er sagt, im Namen mehrerer seiner politischen Freunde sich für unverzögerte Bewilligung der Militärvorlage aussprach und, obwohl zur deutsch⸗freisinnigen Partei gehörig, doch die Haltung der Abgeordneten, dieser Partei in der Militärkommission des Reichstags aufs Entschiedenste mißbilligte — diese Erklarung ist in allen liberalen, aber zugleich auch patriotisch gesinnten Kreifen Sachfens mit aufrichtiger Freude begrüßt worden. Schon zuvor hatte das Hauptorgan der sächsischen Deutschfreissnnigen, die „Dresdener Zeitung“, in ähnlichem Sinne zur Unterordnung des einseitigen Parteistandpunktes unter die höheren patriotischen Rücksichten gemahnt. Nur die „Zittauer Morgenzeitung“ hatte
allũberall ö Bewußtsein wachzurufen, daß auf dieser Liebe bis in
den wenig beneidenswerthen Muth, den Abgeordneten Schreck wegen seines patriotischen Schrittes an⸗ zugreifen. Das „Leipziger Tageblatt‘ sprach die Ueberzeugung aus, „daß die Herren Schreck und Genossen in Sachsen den weitaus größten Theil ihrer Parteigenossen hinter sich haben. Auch wir müssen diefe Hoffnung theilen und es macht uns darin auch die gestern bereits mitgetheilte „Bekanntmachung“ nicht irre, welche in Dresdener Blättern der „Vorstand des deutschfreisinnigen Vereins zu Dresden“ erläßt. Der Vorstand des deutschfreisinnigen Vereins zu. Dresden scheint übrigens doch nicht ganz sicher darüber zu sein, ob wirklich die Deutschfreisinnigen in Sachsen diesem seinem Ausspruche. folgen und das Gebahren der deutsch-freisinnigen Mitglieder der Militärkommis sion des Reichstages für so eminent „national“ ansehen, oder ob nicht biele derselben, und gerade die besten, dem Urtheile des Landtags⸗ abgeordneten Schreck beipflichten möchten, welcher dieles Gebahren für unpatriotssch' erklärt Darum versucht. der Vorstand das An— sehen SchreckKs und feinen Einfluß auf die sächsischen Deutschfreisin⸗ nigen womöglich abzuschwächen, indem er in wegwerfendem Tone von der nicht bervorragenden politischen. Bedeutung des Rechtsanwalts Schreck“ spricht. Nun ist Schreck nicht nur einer der ältesten Wort⸗ führer der alten sächsischen Fortschrittspartei, sondern er ist auch von seinen Parteigenossen allzeit als einer der Angesehensten auf den Schild gehoben und überall in die varderste Linie gestellt wor⸗ den. Schon zur Zeit der xreaktivirten ! alten Stände war er der Führer jener kleinen liberalen Minorität, welche in der Zweiten Kammer tapfer, wenn auch vergeblich, gegen die Reahtsonspolltik des Hrn., von Beust. Front machte, Er war es, der 1856 vor dem Ausbruch des Krieges durch seine Interpellation wegen der sächsischen Rüstungen die kriegslustige Politik diefes für Sachfen fo verhängnißvollen Ministers zu kreuzen versuchte und der, wenn ihm dies gelungen wäre, dem Lande unendliches Unheil erspart haben würde, während uns nichts davon bekannt ist, daß die Mit- glieder des, Vorstandes des deutschfreisinnigen Vereins in Dresden. irgend etwas in der gleichen Richtung gethan batten, Er stand wiederum mit an der Spitze der Fortschrittspartei, als diese im Landtage von 1863 - 70 und folgenden in stärkerer Anzahl in der Zweiten Kammer erschien, führte deren Sache in fast allen wichtigen Fällen in erster Reihe als
Redner, ward von der Partei mit Verhandlungen mit andern Parteien betraut, kurz spielte eine so hervorragende Rolle sowohl inner= halb des Kreises seiner Gesinnungsgenossen als in der Kammer. Diese Bedeutung möchte man ihm jetzt von jener Seite her ab⸗ sprechen, weil Schreck in der gegenwärtigen brennenden Frage einen freieren Standpunkt einnimmt, als die Herren in Dresden, weil ihm das Vaterland höher steht, als das einseitige Partei⸗Interesse, weil er zuerst Patriot und dann erst Deutschfreisinniger ist, während Jene nur zu sehr den Patrioten über dem Deutschfreisinnigen vergessen und verleugnen. Schwerlich wird ihnen dies gelingen. Noch giebt es unter den Deutschfreisinnigen Sachsens Männer, welche bereits bei mehr als einer Gelegenheit gezeigt haben, daß sie nicht blindlings der von Hrn. Eugen Richter ausgegebenen Parole folgen, daß sie nicht blos eine selbständige Ueberzeugung, sondern auch den
und sie diesen
auch daran zweifeln wir nicht, daß alle Diese es für eine Gewissens—⸗ pflicht erachten werden, in einer so hochwichtigen Angelegenheit offen Farbe zu bekennen. Es dürften daher wohl in der nächsten Zeit von Männern wie Streit, Starke, Roth, Kellerbauer u. A. offene Er⸗
klärungen über ihre Stellung in dieser Sache zu erwarten stehen und wir müßten uns sehr täuschen, wenn sie gegen Schreck ausfallen sollten.
— Der „Schwäbische Merkur“ schreibt:
Dem fortgesetzten, dringenden grsugs aus allen Theilen des Landes entsprechend hat die Deutsche Partei beschlossen, folgende Petition an den deutschen Reichstag zur Unterzeichnung öffentlich auf⸗ zulegen: An den hohen Reichstag. Die einmüthige Annahme der von der Reichsregierung eingebrachten Militärvorlage durch den Reichstag ist nach der vollen Ueberzeugung der Unterzeichneten ein Gebot der Ehre und der Sicherheit des deutschen Volkes. Gleicher weise haben die Unterzeichneten das unerschütterliche Vertrguen, daß unser Kaiser und seine Berather mit den beabsichtigten Maßregeln zur Vervollständigung der bewährten Heeresorganisation das Noth— wendige und Richtige wie bisher immer getroffen haben. Das Durch⸗ dringen der auf irgend welche Verkürzung der Vorlage gerichteten Versuche, gleichviel von welchen Beweggründen sie geleitet sein mögen, erscheint den Unterzeichneten gleichbedeutend mit einer Lahmlegung derjenigen Machtmittel der deutschen Regierung, welche den Frieden zu erhalten und im Kriegsfall das Aufgebot der äußersten Kraft zu stellen ver— mögen. Die Unterzeichneten erlauben sich daher, an den hohen Reichs— tag das ebenso ehrerbietige als dringende Ersuchen zu stellen, der Heeresvorlage der Reichsregierung als Ganzem so rasch, als thunlich, seine Zustimmung zu ertheilen. — Die vorstehende Eingabe wird von heute ab in Stuttgart wie an anderen Orten des Landes zur Unter⸗ zeichnung für alle, welchen an Erhaltung des Friedens, an der Sicher heit des Vaterlandes und, um diese erhalten zu können, an der Auf⸗ stellung eines starken, jedem Feinde gewachsenen Heeres gelegen ist, öffentlich aufgelegt sein.
Dasselbe Blatt veröffentlicht folgendes Eingesandt vom Schwarzwald:
Kann man noch das Lied singen: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein? Diese Frage hat sich in letzter Zeit so Mancher vorgelegt, und dadurch, daß, er beim Aufstellen dieser Frage sich einer gewissen Bangigkeit nicht erwehren konnte, sich selbst die Antwort gegeben, Jedem' guten Deutschen blutet das Herz, wenn er hören muß, daß eine Frage, von deien Beantwortung die Existenz unseres Vaterlandes abhängen kann, nicht in einer volle Sicherheit gewährenden Weise gelöst werden soll. Wird die Mehrheit des Deutschen Reichstags zu⸗ stimmen, daß Deutschland in Zukunft nicht mehr die Machtstellung haben soll, die es gegenwärtig in der Welt einnimmt? Laßt uns hinübersehen nach Frankreich: dieses Land schafft eine Armee, weit zahlreicher als die unfrige; dieses Land scheut trotz einer enormen Schuldenlast keine Mittel, um die Schlagfertigkeit seiner Truppen fortwährend zu ver⸗ größern . Deshalb eilet all ihr guten Deutschen, setzet eure Famen unter die Schriften, in welchen ihr den Reichstag bittet, die don der deutschen Regierung geplante und von Moltke als nöthig be⸗ wiesene Verstärkung unserer Armee unverändert anzunehmen; beweiset, daß ihr mit der von Windthorst- Richter geführten Mehrheit nicht einverstanden seid, sondern daß ihr vertrauet auf die Absichten unseres Kaisers und seiner bewährten Rathgeber.
In einem Vortrage, welchen der Reichstagsabgeordnete Dr. Karl Elben in den Versammlungen der Deutschen Partei in Stuttgart und Eßlingen gehalten, heißt es, nach dem selben Blatt, zu Anfang und Ende folgendermaßen;
Eine ernste Enkscheidung steht im Deutschen Reichstage bevor. Das deutsche Volk wird die Lasten zu tragen haben, welche eine er—
höhte Rüstung des Reichs mit sich bringt; aber es wird auch die l
viel schlimmeren Folgen zu tragen haben, wenn nach Ablehnung der zur Berathung stehenden Vorlage das Heer nicht gut gewappnet sein sollte, wenn ein Krieg ausbricht, oder wenn wir gar vorübergehend Niederlagen erleiden sollten. Wie der Krieg Wunden schlägt in Palast und Hütte, so hat auch Jeder Grund, sich klar zu werden uͤber die Tragweite der Abstimmung der Vertreter, welche das Volk in den Reichstag gesandt.
. .Wir befinden uns am Vorabend einer Krisis, und nach Moltke handelt es sich um baldige Entscheidungen. Ein solcher Zeit⸗ punkt ist nun und nimmermehr geeignet, unser Heer von Grund aus anders zu organisiren. Mag immerhin später einmal eine Aenderung möglich sein, heute an eine vollständige Umänderung unserer Heeres⸗ organifation zu schreiten, wäre Thorheit und Verblendung. Die Lasten des Heeres find schwer und sie werden nach Annahme der Vorlage steigen. Die Reichsregierurg mit den Regierungen der Bundesstaaten hat in den letzten Jahren Mittel und Wege zu hohen Einnahmen vorgeschlagen; der Reichstag hat seine Zustimmung verweigert. Die positiven Parteien werden von Neuem mit der Regierung Mittel zu der Deckung der hohen Ausgaben suchen müssen, und sie, werden sie bei gutem Willen finden. Heute handelt es sich um die Sicherheit des Vaterlandes, und die ist wohl des Preises werth. In einen Krieg fendet Deutschland seine Söhne, jeder von uns Brüder, Verwandte und Freunde, die mit ihrem Blute einstehen; und wenn sie umsonst kämpfen, wenn wir unser Heer nicht stark genug, hinaussenden, so hat Deutschland den Jammer eines feindlichen Einfalls zu tragen, und verlorene Schlachfen legen Handel und Industrie auf Jahrzehnte darnieder und schaffen Verluste, die nie wieder ersetzt werden können. Der Lenker der Schlachten von 1870 hat ausgesprochen, die Ablehnung der Vorlage involvire eine sehr ernste Verantwortlichkeit, vielleicht fur das Elend einer feindlichen Invasion.
Ob der Frieden erhalten werden kann, wenn wir den Feinden zeigen, daß wir an Kraft und Stärke uns nicht überflügeln lassen, wer will es sagen? Sicher aber ist, daß in die Wage, welche zwischen Krieg und Frieden schwankt, ,, Gewicht eingelegt wird für den Frieden, wenn die Vertreter des Volks einmüthig zusagen, was die Regierung zur Sicherheit des Vaterlandes für nöthig erklärt! Darum rufen wir heute unseren Vertretern im Reichstage zu Ge— denket nicht Eurer Fraktion, nicht Eurer Partei, nicht Curer Doktri⸗ nen und Theorien! Gehet hin und gedenket des Vaterlandes!
anderen Bekenntnisse an.
ü des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amt. Nr. 2. — Inhalt: Gesundheitsstand. Witterung. — Volks⸗ krankheiten in der Berichtswoche. — Choleranachrichten.— Sterbe⸗ fälle in deutschen Städten von 40 000 und mehr Einwohnern. — Des⸗ gleichen in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. — Desgleichen in deutschen Stadt- und Landbezirken. — Witterung. — Grundwasserstand und Bodentempe⸗ raturen zu Berlin und München im November. — Flecktyuphus im Regierungsbezirk Marienwerder. — Sterbefälle in deutschen Stãdten während des dritten Quartals 1886 — Desgleichen in einigen größeren Verwaltungsgebieten des In- und Auslandes. — Zeitweilige Maß⸗ regeln gegen Volkskrankheiten. — Thierseuchen. — Schafpocken in den Niederlanden. — Viehfeuchen in Desterreich im September und Oktober 1555 — Rinderpest in Rußland. — Medizinalgesetzge bung ꝛc. Dentfches Reich) Bestimmungen über Verunreinigung der Wasser⸗ läufe, = (Preußen.) Nevision der Arzneitare. — Bayern) Revision der Ärzneitare. — Vollzug des Impfgesetzes. — (Sachsen) Des⸗ infektion der zu Viehtransporten auf Eisenbahnen benutzten Wagen ꝛc. — (Schweden.) Verhütung der Einschleppung ansteckender Hausthier⸗ krankheiten. — Einrichtungen zur Förderung der öffentlichen Gesund⸗ heitspflege. (Braunschweig) „Warner's Safe Cure. —— Belgien.) Enquéte über den gesundheitlichen Zustand der Arbeiterwohnungen. — Verhandlungen gesetzgebender Körperschaften. (Deutsches Reich.) Gesetz⸗ entwurf über Verkehr mit Kunstbutter.
Statistische Rachrichten.
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 15. Dezember bis incl. 25. Dezember er. zur Anmeldung gekommen; 210 Gbeschließungen, 757 Lebendgeborene, 29 Todtgeborene, 481 Sterbefälle.
— Nach einer im Kultus- und Unterrichts⸗Ministerium gemachten Zusammenstellung der im preußischen Staat vorhandenen Föheren Mädchenschuluen beträgt die Zahl der Schulklassen 14565; davon befinden sich die meisten, 255, in der Provinz Branden⸗ burg (die Mehrzahl derselben entfällt auf Berlin). Es folgen die Rheinprovinz mit 223, Sachsen mit 197, Hannover mit 161, Hessen⸗ Nassau mit 136, Pommern mit 9e, Schlesien mit 90, Westpreußen mit 79, Westfalen mit 77, Ostpreußen mit 73. Posen mit 47, Schleswig-Holftein mit 24 Klassen. Hohenzollern hat keine höberen Mädchenschulen aufzuweisen. Die Zahl der Schülerinnen betrug 12723; darunter kamen 8648 auf Brandenburg und 5659 auf die Rheinprovinz. Hinsichtlich der Religion waren 33263 evangelisch. 3363 katholisch, 53874 jüdisch, 28 dissidentisch und 196 gehörten einem Die Zabl der Lehrkräfte betrug 2197; auf eine Lehrkraft entfielen durchschnittlich 19.4 Schülerinnen.
— Professor Dr. Leonhardi veröffentlichte im „Fuhrhalter“ vor einiger Zeit folgende Angaben über den Pferdebestand in den großeren Städten Europas. London hat etwa 200 000 Pferde, darunter 30 000 in den zweirädrigen und ebensoviel in den vierrädrigen Droschken (Cabs), 100900 Straßenbahn- und eine gleich große Zahl Omnibuspferde. Paris besitzt 64 247 Pferde, darunter circa TN bob Omnibuspferde; Berlin hat 32 527, Wien 14317, Rom 11 733, Pest 11611, Hamburg mit den Vororten 7600, Kopenhagen 6302, München 5383, Dresden 5644, Breslau 4581, Königsberg i. Pr. 4477, Hannover 4135, Stockholm 3509, Frankfurt a. M. 53009, Stutt r 2591, Leipzig 2483, Danzig 2385, Bremen 2199 und Köln 1850
ferde.
— Die St. Petersburger Armenpfle ge. In St. Petersburg gab es nach den Erhebungen des Professors Janson (mitgetheilt im , Jahr⸗ buch für ges ßen Verwaltung und Voltswirthschaft im Deut- schen Reich. 15. Jahrgang, 3. Heft 1886) im Jahre 1881 im Ganzen 133 Verwaltungen und Gesellschaften, die ausschließlich oder theil⸗ weise Zwecken der Armenpflege dienten. Diese unterhielten 79 Armen⸗ häuser für S600 Altersschwache und Gebrechliche, 91 Kinderasple für gegen 16 000 Kinder; außerdem ist eine sehr große Zahl Kinder Seitens der Findelhäuser auf dem Lande untergebracht. Ferner unterhielten sie 42 Krankenhäuser mit über 7800 Betten, von denen 7270 unentgelt⸗ lich benutzt werden konnten, und in welchen 76 000 Kranke behandelt wurden, davon 66 900 ohne Entgelt. 11 Ambulatorien (Polykliniken) und 21 Hospitäler wurden von über 223 00 Kranken besucht; in iz Anstalten für Geburtshülfe fanden 1730 Frauen Auf- nahme. Es gab 33 billige oder unentgeltliche Wohnungen, in welchen 1556 Perfonen wohnten, 3 Nachtasyle, in denen 9tz 709 Personen je eine Nacht übernachteten, 9 Lokale mit billigem oder unentgeltlichem Tisch, welche 393 000 Besucher hatten (durchschnittlich etwa 19609 Per sonen täglich) und 12 Werkstätten mit Nähmaschinen und 4 für Hand arbeiten, welche von 70 000 Besucherinnen benutzt wurden urch⸗ schnittlich etwa 350 Personen täglich) Gegen 300 armen Frauen wurde Arbeit nach Haufe gegeben. Die Ausgaben der St. Petersburger Armenpflege betrugen: an Geld und anderweitiger Unterstützung 453 476 Rbl., für Armenhäuser 1150 605 Rbl., für Kinderasyle 2224 180 Rbl, für Krankenhäuser und Ambulatorien 2 432 460 Rbl, für billige und unentgeltliche Wohnungen 122 615 Rbl., für Nacht⸗ asyle 7079 Rbl., für 6 und unentgeltlichen Tisch 46 954 Rbl., für 16 Werkstätten 12012 Rbl., zusammen 5 449 388 Rbl. Davon trugen: die St. Petersburger Stadtverwaltung 1 350 000 Rbl., die Privat . wohlthätigkeit 1 006 000 Rbl., der Staat und die politischen Verbände 4100 000 Rbl. St. Petersburg hatte 282 Elementar- und Professional⸗ schulen (von letzteren 29 sowie 3 Gymnasien von Wohlthätigkeits⸗ anstalten errichtet) mit 21 300 Kindern, von denen 3500 unentgeltlich unterrichtet wurden. Die Zahl der Unterstützten wird von Professor Janson annähernd auf 229 000 geschätzt (bei 876 500 Einwohnern, die St. Petersburg im Jahre 1882 hatte).
— Summarische Uebersicht über die Zahl der Studiren⸗ den auf der Königlichen Albertus-⸗Universität zu Königs⸗ berg i. Pr. im Winter⸗Semester 1886/87. Im Sommer⸗Semester 1886 sind immatrikulirt gewesen 871. Nachträglich sind immatriku⸗ lirt 3 Theologen, 2 Juristen, 2 Mediziner, 3 Philosophen, zusammen 10, Summa 881. Davon sind: a. verstorben 3, b. abgegangen mit Ex⸗ matrikel 157, e. weggegangen, ohne sich abzumelden und daher ge⸗ strichen 10, d. gestrichen auf Grund des §. 13 der Vorschriften für die Studirenden vom 1. Oktober 1879 27, e. gestrichen aus sonstigen Gründen , zusammen 197. Es sind demnach geblieben 684. Dazu sind in diesem Semester gekommen 131. Die Gesammtzahl der immatrikulir⸗ ten Studirenden beträgt daher 815. Die theologische Fakultät zählt 232 Preußen, 3 Nichtpreußen, zusammen 235; die juristische Fakultät zählt 112 Preußen, — Nichtpreußen, zusammen 112; die medizinische Fakultät zählt 228 Preußen, 9 Nichtpreußen, zusammen 237; die philosophische Fakultät zählt a. Preußen mit dem Zeugniß der Reife 188, b. Preußen ohne Zeugniß der Reife gemäß §. 3 der Vorschriften für Studirende der Landes⸗Universitäten ꝛe. vom 1. Oktober 1879 40, zusammen Preußen 228, Nichtpreußen 3, zusammen 231, Summa 815. Außer diesen immatrikulirten Studirenden haben die Erlaubniß zum Hören der Vorlesungen, vom Prorektor erhalten: nicht immatrikulations-⸗ sähige Preußen und Nichtpreußen 11. Die Gesammtzahl der Berech⸗ tigten ist mithin 82z. Von diesen Berechtigten hören Vorlesungen: a, von den immatrikulirten Studirenden: in der theologischen Fakul⸗ tät 235, in der juristischen Fakultät 112, in der ane, ,. akul⸗ tät 237, in der philosophischen Fakultät 231, zusammen 315; vom Hören von Vorlesungen dispensirt sind: in der theologischen Fakul⸗ tät — in der juristischen Fakultät — in der eee g, akul⸗ tät — in der philosophischen Fakultät — zusammen — ; b. von den übrigen berechtigten nicht immatrikulirten n und Nichtpreußen, welche vom Prorektor die Erlaubniß erhalten haben, hören 2 , I, giebt die Gesammtzahl der Berechtigten wie oben mit 826.
Kunft, Wissenschaft und Literatur.
Die Otto Elsner sche Buchdruckerei, Berlin 8 = straße 13, hat für das Jahr 1887 einen sehr 8 Farben gedruckten Wandkalender hergestellt, der ebenfalls den Be⸗