1887 / 106 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 May 1887 18:00:01 GMT) scan diff

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Summen auch jahrgangsweise, je nachdem die Militärverwaltung ge— nöthigt wird, ihre Ansprüche zu stellen, werden bewilligt werden.

Nun hat der Herr Abgeordnete endlich noch eine lange Aus— einandersetzung gemacht über die Nothwendigkeit der Entfestigungen u. s. w. Er hat ja selbst ein Eingehen auf jedes Detail vermieden, und darum bin ich auch hier der Aufgabe überhoben, näher auf die Sache ein- zugehen. Das kann ich dem Herrn Abgeordneten nur versichern, daß von dem Vielen, was er hier gesagt hat, nichts ist, was nicht schon in den Betrachtungen der Militärverwaltung seine Rolle gespielt hätte seit mehreren Jahren, und der . Abgeordnete, glaube ich, kann sich darauf verlassen, daß es in Zukunft auch so sein wird, daß diejenigen Momente, welche verständigerweise in das gesammte Festungssystem und die Landesvertheidigung Deutschlands hineinzulegen sind, daß Lie, wie bisher, so auch ferner, und zwar auch schon aus, der eigenen Initiative der Militärverwaltung heraus, ihre Würdigung finden werden. Die endliche Entscheidung, meine Herren, über diese Frage liegt aber im Art. 65 der Reichsverfassung. Da steht:

das Recht, Festungen innerhalb des Bundesgebiets anzulegen, steht

dem Kaiser zu, welcher die Bewilligung der dazu erforderlichen Mittel, soweit das Ordinarium sie nicht gewährt, nach Abschnitt XII beantragt.

ö Herren, die Verfassung setzt ja schon ganz bestimmt fest, wo die Entscheidung liegt, und wenn die Verfassung dem Kaiser das Recht zuerkennt, Überall, wo es das Interesse der Landes— vertheidigung nach seiner Ansicht erfordert, Festungen im Gebiete des Deutschen Reichs anzulegen, so schließt das jedenfalls auch das geringere Recht in sich, die vorhandenen Festungen, soweit es der Kaiser für erforderlich hält, zu erhalten.

Der Abg. Richter meinte, dem Reichstage werde bei Festungsbauten künftig ein größeres Recht des Einspruchs zu— stehen, als bisher, wo es sich immer nur um die Bewilligung der ersten Rate handele. Diese Forderung nur einer ersten Rate sei auch hier fortgelassen. Was die Rayon-Entschädi— gungen anlange, so könnten diese doch nur geringer Natur sein; denn sonst, wenn es sich um Anlage detachirter Forts ꝛc. handelte, würde seine Partei, wie bei früheren Anlässen, eine spezielle Berathung verlangen müssen. Bei den Festungen stehe den militärischen Rücksichten auch ein großes bürgerliches Interesse gegenüber. Das Haus müsse darüber wachen, daß der Gürtel der Festungen nicht zu enge gezogen werde. Das Recht der Kriegsoberhoheit habe da seine Grenzen, wo es sich um Geldbewilligungen handele. . .

Der Abg. Freiherr von Maltzahn sprach sich dahin aus: Ueber einen Antrag, der der Budgetkommission nicht vorgelegen habe, wie der Richter'sche, könne das Haus hier in der Eile nicht beschließen; auch habe der Antrag gar keinen Grund, da das Haus überzeugt sei, daß die Regierung ihre Pflicht auf dem in der Resolution erwähnten Gebiete erfüllt habe.

Der Abg. Miquel erwiderte: Auch er sehe keine Ver— anlassung zu der Resolution. Sie könne nicht viel schaden, werde aber auch wichts nützen, namentlich nach den Erklä— rungen des Kriegs-Ministers. Durch Bewilligungen in diesem Titel gebe das Haus allerdings seine Zustimmung zu dem ganzen Plan der Regierung und engagire sich gewissermaßen doch für die Zukunft mit Rijcksicht auf die Fortschritte auf militärtechnischem Gebiete. nsofern erste Raten für Bau⸗ werke vorhanden seien, verpflichte sich das Haus durch die . willigung auch für die zweiten Raten, für die anderen Forde— rungen sei es allerdings für die Zukunft frei.

Der Abg. Dr. Bamberger sprach sich gegen die Resolution Richter aus. Die Resolution Richter hätte nur in zwei Fällen Werth: nämlich, wenn die Frage noch garnicht von der Regie— rung geprüft wäre und das Gegentheil habe man ja vom Kriegs-Minister gehört oder wenn die Forderung in ganz bestimmter Richtung, für ganz bestimmte Festungen und bestimmte Thatsachen aufgestellt wäre, auch das sei nicht der ö. und er könne sie deshalb nicht empfehlen. Was die hier gestellte Geldforderung betreffe, so engagire sich Jeder, der für die erste Bewilligung stimme, mehr oder weniger für die Zukunft für den ganzen Rest der Bauforderungen. Wer sich also überhaupt nicht engagiren wolle, der lehne jetzt gleich die 29 Millionen ab. Ein gewisses moralisches Engagement sei mit der heutigen Bewilligung entschieden verbunden.

Der Abg. Richter erwiderte, daß er die Anschauungen des Vorredners nicht zu theilen vermöge. Durch die Annahme der einen Position halte er sich durchaus nicht für die anderen mit engagirt. Wäre die Annahme dieser eine Konsequenz der Bewilligung der ersten, so würde er lieber auf Annahme der ganzen Vorlage verzichten.

Der Abg. Rickert konnte sich ebenfalls für die Form un— bedingter Annahme ohne spezifizirte Angaben der Verwendung nicht entschließen. Der Reichstag dürfe hier keinenfalls einen Präzedenzfall schaffen wollen.

Die Resolution des Abg. Richter wurde gegen die Stimmen der Deutschfreisinnigen abgelehnt, der Titel genehmigt.

Im Titel 23 sind 36 314000 6 für die Vervoll— ständigung des deutschen Eisenbahnnetzes im Interesse der Landesvertheidigung als erste Rate gefordert.

Für diesen Titel war als besonderer Referent bestellt der Abg. Bormann⸗Trier: Diese Position sei einer Sub— kommission überwiesen worden und in derselben eingehend geprüft worden. Wesentlich unterstützt und gefördert seien die Arbeiten dieser Kommission durch die Mitwirkung zahl— reicher Vertreter der Regierung, welche an den Arbeiten Theil genommen hätten. Die Kommission habe genau zu prüfen gehabt, ob die in der Denkschrift angegebenen Gründe bei den projektirten Bauten überall Platz griffen und stichhaltig seien. Die Kommission habe nun gefunden, daß dies bei jedem einzelnen Punkte der Fall sei, und deshalb sämmtliche Anlagen aus voller Ueberzeugung billigen und für nothwendig erklären können. Der Reichsregierung sei in den Artikeln 41 bis 47 der Verfassung eine geeignete Handhabe auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens gegeben, nach welcher sie Eisenbahnen im Interesse der Landesvertheidigung bauen könne. Ein Vertreter des Reichs-Eisenbahnamts sei in der Kommission nicht anwesend gewesen, allein jener Behörde sei Kenntniß von den beabsichtigten Maßnahmen gegeben worden und sie habe sich vollkommen damit einverstanden erklärt, weitere Aufklärungen seien von ihr nicht zu erwarten gewesen. Eine Resolution, welche von einem Mit⸗ gliede in der Kommission eingebracht gewesen und eine reichsgesetzliche Regelung der Frage gefordert habe, sei wiederum zurückgezogen, nachdem dieselbe als aussichtslos be— zeichnet worden. Nachdem das Verhältniß zu den Staats— bahnen in dieser Weise festgestellt, handele es sich noch um die Privatbahnen, die, namentlich soweit sie nach 1870 ge— k seien, bereits für den Kriegsfall zu besonderen

eistungen verpflichtet worden seien. So sei z. B. die

Hessische Ludwigsbahn ven et. ein zweites Geleise anzu—⸗ legen, sobald die Reinerträge 120 000 Fl. für die Meile

troffen. Nun sei die Kommission in eine neue spezielle Be⸗ rathung aller in Vorschlag gebrachten Ergänzungsbauten ge⸗ treten. Es seien Neubauten an der schweizerischen Grenze zu prüfen gewesen. Dort schneide die Bahn Basel⸗Konstanz drei Mal in schweizerisches Gebiet ein. Im Falle eines Krieges sei dies natürlich äußerst inopportun und habe durch eine neue Linie geändert werden müssen. Was die Verträge mit den ele n. anlange, so sei darin festgesetzt, daß die zu legenden zweiten Geleise in den regelmäßigen Betrieb mit aufgenommen werden müßten. Redner ging nunmehr in die Einzelheiten der Vertragsbestimmungen näher ein, seine Aus—⸗ führungen waren aber leider im Zusammenhange auf der Journalistentribüne äußerst schwer verständlich.

Der Abg. Schrader meinte, es handele 69g hier um Aus⸗ gaben, die bis jetzt vom Deutschen Reich noch nicht geleistet worden seien. Wenn auch die enorme Höhe der Forderung zu Erörterungen Anlaß gebe, so seien es doch hauptsächlich mehr prinzipielle Erwägungen gewesen, welche die Kommission an⸗ gestellt habe. Dieselbe habe sich auf die technische Autorität der Regierung in allen den Punkten verlassen, wo es zweifel— haft gewesen, ob die Bauten nicht aus Zweckmäßigkeitsgrün⸗ den oder aus absoluter Nothwendigkeit geboten gewesen wären. Es sei als, erster Grundsatz von der Regierung aufgestellt worden, daß sie verpflichtet sei, Alles das in Bezug auf die Eisenbahnen zu unternehmen, was zur Sicherheit des Reichs nothwendig sei. Forderungen in dieser Beziehung an die Eisenbahnen habe die Regierung nicht stellen können, sich viel⸗ mehr auf langwierige und schwierige Verhandlungen mit den— selben einlassen müssen. Eine Entscheidung darüber wie weit die Interessen des Verkehrs in den Einzelstaaten und die Sicherheit des Reichs in jedem einzelnen Falle wirklich in Frage ständen, sei außerordentlich schwer zu treffen. Der §. 41 der Verfassung sage nicht, inwieweit die Eisenbahnen ihre Interessen den Forde⸗ rungen, der Landesvertheidigung unterordnen müßten. Auch die folgenden Paragraphen könnten der Reichsregierung niemals die Verpflichtung auferlegen, für alle im Interesse der Landesvertheidigung getroffenen Aenderungen eine Ent— schädigung zu leisten, sonsft müßte das Reich ja auch alle Kriegsschaͤden tragen! Die Verfassung sei noch niemals in dem Sinne ausgelegt worden, wie es jetzt die Regierung thue. Solche Auffassungen hätten auch bei früheren Fällen bei den Landesvertretungen niemals geherrscht, denn diese seien doch gewiß niemals zu Liberalitäten geneigt gewesen; sie seien eben überzeugt gewesen, daß sie im Interesse der Landesvertheidi— gung die und jene Bahn zu bauen gehabt hätten und nicht das Reich. Die Frage sei doch einfach die: Wer ist der Verpflichtete? Seiner Meinung nach seien dies die Einzelstaaten! Der Abg. Hammacher habe bereits in dieser Lesung eine Re— solution einbringen wollen, und er werde dies, soweit er (Redner) unterrichtet sei, spätestens in der dritten Lesung thun, des Inhalts, daß in irgend einer Form eine gesetzliche Rege— lung dieser Frage verlangt werde. Der gegenwärtige Zeit⸗ punkt scheine ihm dazu schlecht gewählt, weil von den Einzel— staaten nicht viel Entgegenkommen zu hoffen sei, und es werde deshalb diese Regulirung einer späteren Zeit vorbehalten bleiben müssen. Er halte es für richtiger, die vorgesehenen 36 Millionen auf die einzelnen Bahnen von vornherein zu vertheilen, und behalte sich vor, dementsprechende Anträge ein—

zubringen.

Der Staatssekretär des Reichs-Schatzamts, Dr. Jacobi, äußerte:

Meine Herren! Was zunächst die letzte Bemerkung des Herrn Abgeordneten betrifft, so sind ja die Summen, die für die einzelnen Eisenbahnen oder für die einzelnen Einrichtungen auf bestehenden Eisenbahnen verwendet werden sollen, durch die Verträge festgelegt, und kann deshalb meines Erachtens auch kein Zweifel sein, daß das Dispositiv sich nur auf diese in der Denkschrift bezogenen Eisenbahnen und Eisenbahneinrichtungen zu beziehen hat.

Was sodann die Deduktionen des Herrn Abgeordneten angeht in Betreff der Verpflichtung der Einzelstaaten und der einzelnen Eisen— bahngesellschaften, Einrichtungen im Interesse des Reichs zu treffen, so habe ich aus jeinen Deduktionen nicht entnehmen können, daß er etwa selber der Meinung sei, es bestände eine derartige positive Ver⸗ pflichtung, ohne daß durch ein besoenderes Gesetz ein Zwang nach dieser Richtung hin ausgeübt würde. Ich glaube, die Auf— fassung der Regierung und des Herrn Abgeordneten liegt nicht soweit auseinander, als er angenommen hat. Der Hr. Abg. hat als Meinung der Regierung aufgefaßt, daß Alles, was im militärischen Interesse nöthig erscheine, vom Reich geleistet werden müsse; ich glaube aber nicht, daß die Regierung in irgend einem Stadium der Verhandlungen sich dieser Formulirung bedient hat. Der Hr. Abg. vergißt seiner seits in allen seinen Deduktionen, die Frage zu erörtern, wer denn möge ein Zwang bestehen, oder vorausgesetzt, es bestehe kein Zwang die Kosten aufzubringen habe, mit andern Worten, welche Entschädigung eventuell zu leisten ist, wenn ein Zwang Seitens des Reichs ausgeübt wird. Meine Herren, daß eine Verpflichtung auf Seiten der Einzel staaten besteht, den Interessen des Reichs, die auf militärischem Ge— biete liegen, entgegenzukommen, ist nicht in Zweifel gezogen. Es fragt sich nun, ob dies eine moralische Verpflichtung oder ob es eine gesetzliche ist. Ferner möchte ich meinen, daß gerade der vorliegende Fall deutlich gezeigt hat, wie die Einzelstaaten sich ihrer moralischen Verpflichtung dem Reich gegenüber sehr wohl bewußt gewesen sind; wenn sie es nicht gewesen wären, hätten sie sich negativ erhalten oder hätten eine volle Entschädigung in Anspruch genommen. Der Herr Abgeordnete sagt, bezüglich der neu zu bauenden Eisenbahnen könne man den Standpunkt der Regierung wohl als richtig anerkennen, nicht aber bezüglich der weiten Geleise. An diesem Beispiel können Sie ersehen, daß die Entscheidung der Frage doch nicht so einfach liegt. Es kann die Errichtung einer neuen Eisenbahn vielmehr gleich- zeitig im Landesinteresse liegen, wie die Herstellung des zweiten Geleises auf einer Bahn, die bereits besteht.

Wenn nun davon die Rede gewesen ist, es möchte in diesen Be⸗ ziehungen eine gesetzliche Regelung eintreten, soweit sie noch nicht durch die Verfassung gegeben sei, so will ich nicht unerwähnt lassen, daß Seitens der Bundesregierungen bereits vor einigen Jahren versucht worden ist, ein derartiges Gesetz zu Stande zu bringen; daß man aber in Folge der sich bei den näheren Erwägungen ergebenden Schwierig⸗ keiten von der Verfolgung des Zieles damals Abstand genommen hat. Ob eine Wiederholung dieses Versuchs einen besseren Erfolg haben würde, lasse ich dabingestellt. Es liegt ein Antrag auch Seitens des Hauses bis jetzt nicht vor. Sollte ein derartiger Antrag gestellt werden, jo werden die Bundesregierungen demnächst Stellung dazu zu nehmen haben. Aber, meine Herren, wenn ein derartiger Antrag ge⸗ stellt wird, so wäre es allerdings auch wünschenswerth, daß wenigstens einige Hinweise gegeben würden, in welcher Art ein solches Gesetz zu⸗ treffend gestaltet werden könnte. Ein Gesetz wird ja gegeben werden müssen in jedem einzelnen Falle, in welchem das Reich etwa einem Widerspruch begegnet, und es doch nöthig ist, das Interesse des Reichs zur Geltung zu bringen. Aber ein Anderes ist es, in dieser Beziehung zu einer generellen Gesetzgebung zu schreiten. Es ist sehr fraglich, ob sich Normen finden laͤssen, die auf alle Fälle passen. Das jetzige Vorgehen der Regierung hat insofern auch einen praktischen Werth, als an der Hand dieser Vorgänge vielleicht Normen gezeigt werden können, die auch für die Zukunft ar wendbar erscheinen.

betrügen. Der Beweis für ein solches Erträgniß sei nun— mehr erbracht und dem entsprechende Maßregeln seien ge—

Meine Herren, in Ihrer Kommission ist öfter die Rede gewesen

von einer Zwangslage, und auch der Herr Abgeordnete hat sich s dieses Ausdrucks ba heit Ich glaube, er hat gemeint, das ede g sich in der Zwangslage befunden; von anderer Seite ist gemeint worden, die Einzelstaaten haben sich in der Zwangslage befunden Im gewissen Sinne, glaube ich, kann man beides als richtig zugeben. Es hat eine ganz naturliche und gerechtfertigte Eifersucht zwischen da Reichsregierung und den Einzelstaaten stattgefunden, die dahin gerichtet war, Obacht zu haben, daß von keiner Seite ein zu Weniges geleistet werde gegenüber dem, was der Andere übernahm. Aber es haben darüber ganz offene und loyale Erörterungen platzgegriffen; alle be⸗ theiligten Staaten baben an den Verhandlungen iheilgenommen, und es ist nicht blos von den JInteressen der Einzelstaaten dabei die Red gewesen, sondern die Verhandlungen waren getragen von dem Bewußt. sein, daß es sich auch um die Erfüllung einer moralischen Verpflich. tung gegenüber dem Reich handele. Ich bitte zu berücksichtigen was wenigstens theilweise schon von dem Herrn Abgeordneten hervor— gehoben ist daß die Interessen der einzelnen Staaten bezüglich der von ihnen zuzugestehenden Leistungen sehr verschieden sind. Es kommen die einzelnen Landesinteressen in Betracht, die Interessen, ob, ab— gesehen von dem militärischen Bedärfniß, überhaupt eine Babn, oh ein zweites Geleis nöthig ist oder nicht, und es kommen sehr wesentlich die pekuniären Interessen in Betracht. Ein größerer Staat kann sich eher entschließen, größere Leistungen zu übernehmen zu Gunsten des Reichs, da er anderenfalls auch eine höhere Beisteuer zu den Matrikularbeiträgen zu leisten hat; bei den kleineren Staaten stelt sich dies entsprechend anders. Nun ist voll und ganz an. zuerkennen, was der Herr Abgeordnete hervorgehoben hat, daʒ preußischerseits seiner Zeit erhebliche Aufwendungen gemacht sind, um auch den militärischen Interessen des Reichs zu genügen; aber, meine Herren, es ist nicht ausgeschlossen, daß derartige Aufwendungen auch Seitens anderer Staaten gemacht sinz. und nicht ausgeschlossen, daß die übrigen deutschen Staaten in Fällen wo sie künftig Eisenbahnen ihrerseits errichten wollen, den militärischen Interessen voll und ganz auch Rechnung tragen werden. Das it wenigstens die Hoffnung, die besteht., und keinesfalls haben die gegen— wärtigen Verhandlungen, deren Resultat Ihnen vorliegt, einen Ankast gegeben, daß Seitens der Bundesregierungen ein anderer Standpunkt eingenommen werden könnte.

Der Abg. Schrader glaubte nicht, daß die Landes regierungen etwas übernehmen würden, wozu sie nicht ver— pflichtet seien, zum Mindesten müßten die Landesvertretungen darauf dringen, solche Uebernahme nicht zu machen, wozu das Reich sie nicht anhalten könne. Er wünsche nicht, daß die Zwangslage, welche bei den jetzt geschlossenen Verträgen vor— handen gewesen sei, auch fernerhin bestehen bleibe. Vor der Verfassung habe das Recht bestanden, daß die Bahnen für die Verkehrsinteressen zu sorgen hätten, auch insoweit, als es den Verkehr im Kriege beträfe. Dieses Recht sei durch die Verfassung keineswegs beseitigt, sondern heute noch zu Recht bestehend. Er wünsche, daß der jetzige Vorgang sich nicht sondern man bald zu einer gesetzlichen Regelung äme.

Der Abg. Richter meinte, man habe für diese Sache einen anschaulichen Vorgang bei den Kasernenbauten. Die süd— deutschen Staaten, Württemberg und Baden, erhielten, da sie ihre Kasernen früher aus eigenen Mitteln hergestellt hätten, jedesmal eine Entschädigung, wenn ein Theil des norddeutschen Kasernirungsplans in Kraft trete. Nun hätten die nord— deutschen Staaten die zur Landesvertheidigung nöthigen Eisenbahnen ebenfalls aus ihren Mitteln gebaut und wenn nun den süddeutschen Staaten Zuwendungen gemacht würden, so könnten die norddeutschen mit gleichem Rechte Entschädi— gungen verlangen. Er befinde sich nicht in der Lage, dieser Forderung zuzustimmen.

Dieser Titel, der Rest des Nachtrag s-Etats, sowie das dazu gehörige Etatsgesetz und das Anleihegesetz wurden ohne weitere Debatte angenommen. .

Das Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Kagiserlichen Beamten in den Schutzgebieten, gab in erster Berathung zu keiner Debatte Anlaß, es findet mithin die zweite Berathung in pleno statt.

Hierauf vertagte sich das Haus auf Montag 1 Uhr.

Reichstags ⸗Angelegenheiten.

Die Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Besteuerung des Branntweins, hat fol— genden Wortlaut:

Zur Festigung des Reichs gegen alle Gefahren und zur dauernden usammenhaltung aller seiner Glieder bietet sich, wie die verbündeten Regierungen dem Reichstage wiederholt als ihre Ueberzeugung dargelegt haben, ein besonders geeignetes und unersetzliches Mittel in der Weiterführung der Reichssteuerreform bis zu ihrem von Anfang an dahin gesteckten Ziele, daß durch dieselbe die Mittel gewonnen werden, um die finanziellen Bedürfnisse des Reichs selbst voll befriedigen und darüber hinaus den Einzelstaaten diejenigen Einnahmen überweisen zu können, welche sie zur Erfüllung der ihnen verbliebenen großen und wichtigen Aufgaben bedürfen, aus den ihnen verbliebenen Einnahme— quellen aber nicht zu gewinnen vermögen. Daß in den letzten Jabren manche bedeutsame Schritte in dieser Richtung vergeblich gethan worden sind, hat an jener Ueberzeugung und der auf ihr beruhenden Pflicht der verbündeten Regierungen zu immer neuen Bemühungen in gleicher Richtung nichts zu ändern vermocht. Um so erfreulicher it es den verbündeten Regierungen gewesen, den neu gewählten Reichstag bei seinem Zusammentritt mit dem erneuten Ausdruck der Hoff nunz begrüßen zu können, daß es ihnen gelingen werde, mit demselben ju einer Verständigung über die nothwendigen Reformen unseres Steuer—= wesens zu gelangen.

Haben diese Worte bei der Unmöglichkeit eines freiwilligen und dauernden Verzichts auf irgend einen wesentlichen Theil der bezeichneten Aufgabe auch nur das Ganze derselben im Auge haben können, so haben doch die der gleichzeitigen Ankündigung gemäß ohne Verzug in Angriff genommenen Vorarbeiten schon wegen der gegebenen kurzen Zeit für jetzt darauf beschränkt werden können und müssen, nur eine solche Gesetz vorlage fertig zu stellen, welche geeignet ist, die unabweis baren Mehrausgaben des Reichs zu decken und sein finanzielles Verhältnis zu den Einzelstaaten, dessen befriedigendere Gestaltung bereits der Reichs haushalts Etat für 1886,87 durch einen auf rund 32 Millionen Mark veranschlagten, thatsächlich nicht eingetretenen und jetzt in dat Gegentheil abgewandelten Mehrbetran der Ueberweisungen über die Matrikularbeiträge in Aussicht nehmen ließ, mindestens so weit ju bessern, daß auch in den Einzelstaaten weiteren Verlegenheiten bor, gebeugt wird, insbesondere in Preußen der Staatshaus halts Etat nich fernerhin noch mit einem alljährlich durch Anleihe zu deckenden Defizit abgeschlossen werden muß. Hierzu erscheint für die in der Branmi— weinsteuergemeinschaft stehenden Staaten eine Mehreinnahme, welche hinter 106 Millionen Mark nicht erheblich zuräckbleibt, erforderlich und mit einer Reform der Branntweinbesteuerung wohl erreichbar, während der den übrigen Staaten offen zu haltende Beitritt zu dieser Gemeinschaft die Möglichkeit und die Aussicht gewährt, so selbst der Gesammtheit in einheitlicher und gleichmäßiger Weise Abhülfe für das dringendste Bedürfniß zu schaffen. ö

Durch die früheren Verhandlungen und die inzwischen fast un— unterbrochen fortgesetzte öffentliche Diskussion erscheint ferner jetzt au schon klargestellt, daß eine Verständigung über die zweckdienliche Reform der Branntweinbesteuerung nur wn zu gewinnen sein wird, daß neben der zeitgemäß zu verbessernden Maischbottichsteuer eine bereits bei dem Uebergange des Branntweins in den freien Verkehr

erhebende Verbrauchsabgabe eingeführt wird. Diesem System folgt aber der vorgelegte Gesetzentwurf, zu dessen . im ki nen das Nachstehende zu , . t.

u 5. 1.

Die bisherige allgemeine Befugniß zur beliebigen Ausdehnung kestebender und zur unbeschränkten Anlegung neuer Brennereien wirt durch den vorliegenden Entwurf in vollem Umfange aufrecht erhalten Jeder einzelnen Brennerei soll es auch künftig unbenommen bleiben, zeliebig viel Branntwein sowohl für den Inlandskonfum als zum Zweck es Erportes herzustellen; der zu Genußzwecken in den freien Verkehr des Inlandes übergehende Branntwein soll jedoch einer Verbrauchs⸗ abgabe unterworfen werden. Der Entwurf will diese nicht nach einem minheitlichen Satze, wie er zur Erreichung einer Mehreinnahme von dem vorbezeichneten Umfange erforderlich sein würde, sondern für einen kestimmten Theil der in den freien Verkehr des Insandes tretenden Jabresmenge Branntwein nach einem niedrigeren und für den darüber sinausgehenden Theil derselben nach einem höheren Saßze erheben. BHleibt jener Theil, wie es bei seiner Bemeffung auf 435 1 reinen Alkohols auf den Kopf der Bevölkerung voraussetzlich geschieht. hinter dem Konsum einigermaßen zurück, so wird die Differenz zwischen den beiden Abgabesätzen einerseits eine gleiche mäßige Steigerung des Preises des Trinkbranntweins, wie sie im gesundheitlichen und fistlichen Interesse des Volkes liegt, nicht hindern, andererseits aber den Spiritus preis wenigstens für einen Theil der Produktion wieder gewinn⸗ kringender gestalten und so dazu beitragen, die Verheerungen von einem großen. Theil der heimischen Landwirthfchaft abzuwenden, welche sonst durch die Einführung einer den Werth des Produkts weit über- teigenden und den Umfang seines Verbrauchs einschränkenden Abgabe in Verbindung mit den unnatürlichen, den Export diefes Produkts mehr und mehr erschwerenden Umständen nothwendig angerichtet werden und der Gesammtheit zu schwerstem Schaden gereichen würden.

Die Bemessung auf 45 ] für den Kopf der Bevölkerung ist der— gestalt aufzufassen, daß hierbei die Bevölkerungsziffer aller jeweilig der Branntweinsteuergemeinschaft zugehörigen Staaten und Gebiets- tbeile in Rechnung zu stellen ist, mithin die der niedrigeren Ver— brauchsabgabe unterliegende Gesammtjahresmenge mit der Aufnahme der bisherigen Zollausschlüfse (Hamburg-Altona, Bremen) und dem Eintritt eines oder sämmtlicher süddeutscher Bundesstaaten in die Branntweinsteuergemeinschaft eine entsprechende Erhöhung erfährt.

Die zur Zeit bestehenden Verhältnisse nach denen sowohl die Gesammtjahresmenge des zu dem niedrigeren Abgabensatz herstell baren Branntweins, als auch die Differenz zwischen diesem und dem höheren Abgabensatz im Alinea 2 des Paragraphen bemessen worden sind, unterliegen indessen nicht nur wie andere dem Wandel, sondern können fich ihrer Natur nach selbst in kurzer Zeit wesentlich ändern. Bleibt es nun auch der Gesetzgebung in solchem Falle und jeder Zeit unbenommen, das Gesetz zu ändern, so empfiehlt es sich doch in sener Rücksicht, hier der Gesetzgebung eine immer erneute Prüfung nach kurzen dreijährigen Zeiträumen ausdrücklich zur Pflicht iu machen und damit alle Betheiligten zugleich vor täuschenden Fechnungen auf längeren Bestand etwa unhaltbar gewordener Ver— bältnisse zu warnen. Deshalb ist die Bestimmung im Alinea 3 des Paragraphen vorgeschlagen.

Die Befreiungen in dem letzten Absatz, welche schon bei der frü— beren Vorlage allgemeiner Billigung begegnet sind, schließen von vornherein die Erhebung einer Verbrauchsabgabe gänzlich aus, wo⸗ gegen aber auch keine Rückvergütung der Verbrauchsabgabe für etwa aus dem freien Verkehr zu exportirenden oder zu gewerblichen u. s. w. Zwecken zu verwendenden Branntwein gewährt werden soll.

u 5. 2.

Während für die Ordnung des Verhältnisses in jeder einzelnen Brennerei sich von selbst der Grundsatz als folgerichtig ergiebt, daß der zu dem niedrigeren Abgabensatz zuzulassende Theil ihrer Pro— duktion zu ihrer bisherigen ganzen Produktion sich möglichst ebenfo verhalte, wie der im 8. 1 näher bestimmte Theil der Gesammt— produktion zu dieser selbst, stellt sich für die praktische Anwendung als der diesem Grundsatz am meisten entsprechende und am leich⸗ testen zu gewinnende Maßstab die thatsächliche Steuerleistung der einzelnen Brennereien während der fünf Etatsjahre von 13881ñ82 bis 385/86 dar, in welchen der Betrieb der Brennereien im Großen und Sanzen noch ein regelmäßiger gewesen ist. Daß hierbei die Steuer leitung der Hefenbrennereien jedoch nur zur Hälfte, die der Ge— treidebrennereien nur zu drei Viertheilen in Anfatz gebracht werden soll, rechtfertigt sich durch den Umstand, daß die Ausbeute an Spiritus in diesen beiden Kategorieen von Brennereien hinter derjenigen in den Kartoffelbrennereien im Allgemeinen um eben so viel zurückge⸗ . ist. Die Feststellung im Einzelnen wird der Landesregierung obliegen.

Soweit die thatsächlichen Unterlagen für den bestimmten Maßstab bei einzelnen Brennereien fehlen, sei es, daß letztere noch garnicht im Betriebe gewesen sind, sei es, daß sie in Folge von Störungen, wie solche bei Mißernten, Feuerschäden, Todesfällen und dergl. unausbleiblich sind, keinen regelmäßigen Betrieb gehabt haben, kleibt nur übrig, den Maßstab aus dem Umfange ihrer bisherigen Betriebsanlagen entsprechend festzustellen, was in billiger Weise zu bewirken der Landesregierung keine Schwierigkeiten bereifen wird.

Da die Befugniß, einen Theil ihrer Produktion zu einem niedrigeren Abgabesatz herzustellen, nicht gleichsam als ein ausschließliches und dauerndes Realrecht mit den einzelnen jetzt bestehenden Brennereien verknüpft werden soll, vielmehr auch in dieser Beziehung der an sich völlig unbehindert bleibenden Entwickelung der thatsächlichen Ver— bältnisse immer möglichst billig Rechnung zu tragen sein wird, so sieht Absatz 3 des Paragraphen eine alle 3 Jahre vorzunehmende Neu⸗ bestimmung der in den dann vorhandenen einzelnen Brennereien zu dem niedrigeren Abgabesatz herzustellenden Branntweinmengen vor. Nur den etwa hinzugekommenen sogenannten gewerblichen Brennereien, deren weiterer Ausdehnung im allgemeinen Interesse möglichst wenig Vorschub zu leisten sein wird (siehe auch die Begründung der §8§8. 37 bis 40), soll die Herstellung von Branntwein zu dem niedri⸗ geren Abgabesatze nicht gestattet werden. Zu dem höheren Abgabe⸗ satze dagegen Branntwein in beliebiger Menge herzustellen und in den freien Verkehr des Inlandes zu bringen, bleibt, wie schon zu §. 1 im Eingange bemerkt worden, diesen nicht minder als allen anderen Brennereien ebenso unbenommen, wie sie in dem Quantum des zu gewerblichen Zwecken oder zur Ausfuhr herzustellenden Brannt— weins gänzlich unbeschränkt sind. .

Zu S8. 5. ; .

Für die Fälligkeit der Verbrauchsabgabe soll der Zeitpunkt maß— gebend sein, in welchem der Branntwein aus der steuerlichen Kontrole in den freien Verkehr tritt. Daraus folgt die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe für Denjenigen, welcher den Branntwein zur freien Verfügung erhält, sei dies nun der Produzent selbst oder erst ein von ihm kaufender Händler oder ein späterer Erwerber. (Siehe auch §. 10 und dessen Begründung) Hierdurch und durch die weiter vorgesehene, dem zpraktischen Bedürfniß möglichst anzupassende Stundung der Abgabe wird der nothwendige und nützliche Theil des Spiritushandels in den bisherigen Geleisen erhalten und namentlich der Ausbildung eines sogenannten Händlermonopols vollständig vor gebeugt werden; denn die bisherigen Käufer werden weder einzeln noch insgesammt erheblich mehr Baarmittel als bisher zur Uebernahme des Spiritus von den Produzenten bedürfen und auch innerhalb der Stundungsfrist den übernommenen Spiritus in die eigentlichen Ver—⸗ brauchskanäle abzugeben vermögen.

Zu §§. 4 bis 8. . ;

Zum Schutze der Verbrauchsabgabe ist es nothwendig, Sicherheit dafür zu erlangen, daß von dem in den Brennereien erzeugten Brannt- wein kein 331 heimlich entfernt wird. Eine dauernde Ueberwachung der Brennereien ist bei der großen Anzahl derselben und bei dem dazu erforderlichen sehr aer . Kostenaufwande nicht wohl durch⸗ führbar. Es bedarf daher neben den für die Maischraumsteuer gegen⸗ wärtig bestehenden Kontrolen, welche im Wesentlichen nur auf die Akte der Zubereitung der Maische gerichtet sind, für den Brennerei⸗ betrieb besonderer Einrichtungen und Kontrolen, welche den Brannt⸗ wein während der Destillation, sowie während seiner Ueberleitung aus den Brennblasen bis an die Stelle, an welcher die steueramtliche Abnahme

erfolgt, gegen jeden Zugang von außen sichern. Zu diesein Behufe ist die Aufstellung von amtlich verschlossenen Sammel gefäßen, in welche der gesammte gewonnene Branntwein zu leiten ist, fowie die Anlegung eines amtlichen Verschlusses an dem Destillirapparate und an, sämmtlichen aus demselben nach dem Sammelgefäß führenden Leitungsvorrichtungen in Aussicht genommen. In der geegl werden auch die Räume, in welchen die Sammelgefäße aufgestellt sind, unter amtlichen Mitverschluß zu nehmen sein, und zur Verein fachung des Dienstes, sowie zur Ersparung von Beamtenkraäften werden die Sammelgefäße so groß angelegt werden müssen, daß sie eine acht! bis zehntägige Branntweinansbeute auf— nehmen können. Zur Erleichterung in Fallen, in denen die Ein— richtung geeigneter Räume zur Aufstellung von Sammelgefäßen nicht oder nur mit unverhältnißmäßig hohen Kosten möglich ist, kann an Stelle der Sammelgefäße die Benutzung zuverläffiger Meßapparate gestattet werden. Die Entscheidung hierüber steht ausschließlich der Steuerbehörde zu. Der Siemens'sche Meßapparat, welcher für der⸗ artige Fälle in Aussicht genommen ist, befindet sich zur Zeit in Bayern, Italien, Rußland und Schweden im Gebrauch und hat im Allgemeinen befriedigende Resultate ergeben. Von der im §. 5 der Steuerbehörde vorbehaltenen Befugniß zur Verschärfung der Kon— trolen wird nur Gebrauch zu machen sein, wenn Brennereien sich eines unredlichen Betriebes verdächtig machen.

Daß die Kosten für die erste Anschaffung von Sammelgefäßen, Meßapparaten, Ueberrohren und Kunstschlössern von dem Fistus ge— tragen werden, erscheint billig. Dagegen haben die Brennereibesitzer die Kosten für deren Unterhaltung sowie für die Herrichtung der zur Aufstellung der Sammelgefäße und Abnahme des Branntweins (8. 10) erforderlichen Räume zu ö 8.

n 5§. 9.

In Brennereien, in welchen zugleich Hefe (Preßhefe, flüssige Hefe) erzeugt wird, hat sich die Betriebseinstellung nur auf den Betrieb der Brennerei, nicht auch auf die Bereitung der Hefe zu

erstrecken. . Zu 5. 10.

Die Feststellung des erzeugen Branntweins nach Menge und Stärke in der Brennerei durch die Steuerbehörde und die demnäch— stige Belassung des Branntweins unter steuerlicher Kontrole bis zur Entrichtung der Abgabe oder bis zum Nachweise seiner Verwendung zu steuerfreien Zwecken erscheint nothwendig, um für den Betrag der Abgabe eine amtliche Grundlage zu gewinnen und die Erhebung der Abgabe zu sichern. Ist der Brennereibesitzer nicht in der Lage, den von ihm hergestellten Branntwein alsbald nach der stattgehabten amtlichen Feststellung zu verwerthen und in den freien Verkehr zu bringen, jo gewährt 5. 10 ihm oder seinem Rechtsnachfolger die Mög— lichkeit, den Branntwein in öffentliche Niederlagen oder unter amt— lichem Mitverschluß stehende Privatläger zu bringen. Der Besitzer des Branntweins hat sodann die unbeschränkte Wahl, ob er vom Lager aus den Branntwein gegen Erlegung der Verbrauchsabgabe zu Genuß— zwecken in den freien Verkehr des Inlandes bringen oder ohne jede Abgabenentrichtung ihn zu steuerfreien gewerblichen Zwecken oder zur Ausfuhr abfertigen lassen will. Derartige steuerfrele Läger werden auch dazu dienen, einem etwaigen Preisdruck der Händler entgegen zuwirken, indem sie den Brennereibesitzern die Möglichkeit bieten, eine günstige Gelegenbeit des Absatzes abzuwarten. Auf die Lagerung und Versendung der auf die Niederlagen gebrachten Branntweinmengen werden die Grundsätze in Anwendung zu bringen sein, welche für öffentliche und unter amtlichem Mitverschluß stehende Läger im Allgemeinen bestehen. Insbesondere wird danach auch der Abgang, welchen der Branntwein während der Lagerung in Folge von Ver— dunstung, Einzehren und Leckage erleidet, von der Abgabe frei zu lassen sein. Der inländische Branntwein nimmt daher durch die Aufnahme in solche Läger nicht die Eigenschaft einer unverzollten ausländischen Waare an. Hierneben soll jedoch die bereits bestehende Befugniß, behufs Erlangung der Rückvergütung der Maischbottich—⸗ steuer dem zum Export bestimmten Branntwein durch Ueberführung in eine Niederlage die Eigenschaft einer unverzollten ausländischen Waare zu verleiben, unverändert in Geltung bleiben.

Der Schlußsatz des §. 10 bezweckt eine weitgehende Berücksich⸗ tigung der für den Export arbeitenden inländischen Liqueurfabrikation sowie der Rektifikationsanstalten. Da beide während und nach der Bearbeitung den Branntwein unter steuerlicher Kontrole sollen be— lassen können, so stellt die Bestimmung der ersteren Industrie das gänzliche Außeranwendungbleiben der Verbrauchsabgabe in Aussicht, die Rektifikationsanstalten aber befreit sie von der Nothwendigkeit, für den während der Reinigung eintretenden Schwund die Verbrauchs—⸗ abgabe zu bezahlen, und beläßt ihnen auch noch nach der Rektifikation die freie Verfügung darüber, ob sie den verarbeiteten Branntwein gegen Erlegung der Verbrauchsabgabe in den freien Verkehr über— führen oder ohne Atgabenzahlung exportiren wollen. Zugleich wird hierdurch die Erlegung der Verbrauchsabgabe demjenigen Momente, in welchem der Branntwein thatsächlich in den Konsum übergeht, so nahe gerückt, als dies praktisch ausführbar erscheint, und werden die Rektifikationsanstalten in Folge dessen der Nothwendigkeit über⸗ hoben, große Summen an Verbrauchsabgabe für längere Zeitabschnitte zu verauslagen.

Endlich beseitigen die im 5. 10 für die Lagerung und Be— arbeitung des Branntweins unter steuerlicher Kontrole getroffenen Bestimmungen das Bedürfniß nach Gewährung einer Rückvergütung der Verbrauchsabgabe für Branntwein, welcher aus dem freien Verkehr ausgeführt wird, und umgehen damit eine Maßregel, welche zu ernsten Schwierigkeiten ö würde.

u 5. 11.

In einzelnen Gebietsthellen der Branntweinsteuergemeinschaft, namentlich in der Rheinprovinz und Elsaß⸗Lothringen, bestehen viele kleine Brennereien, welche keinen regelmäßigen Bekrieb haben, mit⸗ unter in Küchenräumen oder in ähnlichen beschränkten Lokalitäten untergebracht sind und so primitire Einrichtungen haben, daß ihre Leistungsfähigkeit eine äußerst geringe ist. Hauptfächlich gehören hierher die wegen der Schwankungen der Obst- und Weinernte ohnehin nicht jedes Jahr in Betrieb stehenden Brennereien nicht mehliger Stoffe, einschließlich derjenigen Brennereien, in denen nur Abfälle der eigenen Biererzeugung verarbeitet werden. Auch einzelne Brennereien mehliger Stoffe mit ähnlichen Einrichtungen sind zu diesen Betrieben zu rechnen. Für alle diese Brennereien gewährt der 5. 11 sehr weitgehende Befreiungen von den allgemein angeordneten Kontrolen. Bei dem Erlaß der nur zum Schutz gegen Defrauden erforderlichen besonderen Verwaltungsvorschriften werden die Landes . regierungen bestrebt sein, den Betrieb thunlichst zu erleichtern. Vor— nehmlich wird in diesen Brennereien über jeden einzelnen Brand eine Betriebserklärung in einem fortlaufend zu führenden Register abzu— geben sein, welche den Tag der Benutzung der Brennblase, die Gat— tung und Menge des verwendeten Rohmaterials, den Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung jedes Roh- und Feinbrandes, sowie die Menge des gewonnenen Lutters und Branntweins enthält. Brenne⸗ reien kleinster Art, d. h. solche, welche in einem Betriebsjahr in der Regel nicht mehr als 50 reinen Alkohols erzeugen, sollen übrigens, wie dies in einzelnen Bundesstaaten schon jetzt der Fall ist, von der Führung dieses Registers ausgenommen werden können.

Daß S§. 11 die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe den Brennereibesitzern auferlegt, hat darin seinen Grund, daß letztere den Branntwein sofort nach der Produktion zur freien Verfügung erhalten und zumeist unmittelbar an die Konsumenten ablassen. Da sie zu⸗ dem die Abgabe erst nach drei Monaten sollen erledigen müssen, ohne daß sie in der Regel während der Zwischenzeit für den Betrag der⸗ selben Sicherheit zu leisten haben werden, und da der Entwurf die Zu⸗ lässigkeit weiterer Stundung ausdrücklich erwähnt, so werden diese Brennereibesitzer auch von der Verauslagung der Abgabebeträge befreit

bleiben. Zu §. 14. ! Die Bestimmungen über die Verjährung der Abgabe entsprechen dem §. 15 des Vereinszollgesetzes. Zu S5. 1I5 bis 33.

Diese Paragraphen schließen sich im Wesentlichen an die in anderen Steuergesetzen enthaltenen Strafbestimmungen an. Der Begriff der

Defraudation umfaßt danach jedes Unternehmen, das darauf gerichtet ist, die Verbrauchsabgabe vom Branntwein zu hinterziehen.

Die Strafverschärfung in dem 5§. 20 durch eine Gefängnißstrafe nicht unter einer Woche, im Falle die Defraudation durch Ableitung oder Entnahme von alkoholhaltigen Dämpfen, Lutter oder Branntwein oder durch absichtliche Störung des Meßapparats verübt wird, hat darin ihren Grund, daß eine derartige Manipulation besonders gefährlich und schwer zu entdecken ist. Dem entsprechen auch die im 9 25 in Fällen der Art gegen den Brennereibesitzer als solchen angedrohten besonderen Strafen, wobei angenommen ist, daß die gedachte Ableitung von Brannt⸗ wein, beziehungsweise die wissentliche Störung des Meßapparates, sowie die Anbringung besonderer zu diesem Zweck dienender Anlagen und Vorrichtungen ohne Vorwissen des Brennereibesitzers kaum vor— genommen werden kann. Das Bestehen dieser Vermuthung hat auch zur Folge, daß der im lezten Absatz des §. 25 als Bedingung für die Straflosigkeit des Brennereibesitzers zugelassene Nachweis, daß die Zuwiderhandlung ohne sein Wissen oder wider seinen Willen verübt worden ist, dem Brennereibesitzer auf— erlegt ist. Dagegen ist in dem Falle des 5. 26 dem Brennerei⸗ besitzer ein Schutz gegen die Strafbestimmungen des 5§. 25 dadurch geboten, daß es ihm mit Genehmigung der Steuerbehoͤrde gestattet ist, seine strafrechtliche Verantwortlichkeit auf einen von ihm bestellten Brennereileiter zu übertragen. Eine solche Genehmigung wird Seitens der Steuerbehörde nicht versagt werden, wenn gegen die Person des angemeldeten Brennereileiters keine begründeten Bedenken vorliegen.

Die im 5. 28 vorgesehenen exekutivischen Maßregeln erscheinen geboten, um die für die steuerlichen Interessen nothwendige jederzeitige ungehinderte Durchführung der Kontrolbestimmungen und Verwaltungs— vorschriften zu sichern.

Zu S§. 36.

. Die Ueberweisung des Reinertrages der Verbrauchsabgabe an die einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe der matrikularmäßigen Be⸗— völkerung, mit welcher sie zur Branntweinsteuergemeinschaft gehören, entspricht dem Maßstabe, welcher grundsätzlich auch bei den anderen auf Grund von Reichsgesetzen zur Erhebung und Vertheilung gelan— genden Einnahmen Anwendung findet.

Da das gegenwärtige Gesetz eine der im Artikel 35 der Reichs—⸗ verfassung genannten Verbrauchsabgaben betrifft, so gebührt, der Ver. fassungsvorschrift des Artikels 36 gemäß, die Verwaltung und Er— hebung den Landesbehörden.

. Zu S§§. 37 bis 40.

Die Bestimmungen der §§. 37 bis 40 bezwecken, vielfach inzwischen laut gewordenen Wünschen entsprechend, eine Umgestaltung der bisherigen Maischbottichsteuer, welche sich eng an das zur Zeit in Bayern bereits geltende, guter Erfolge sich erfreuende System anschließt.

Da die wesentliche Bedeutung der inländischen Brennerei darin liegt, daß sie als ein landwirthschaftliches Nebengewerbe zur Hebung der Landeskultur beiträgt, indem sie eine nutzbringende Verwendung der gewonnenen Bodenfrüchte, eine vermehrte Viehhaltung und durch diese eine reichlichere Ackerdüngung ermöglicht, so wird die Gesetz⸗ gebung sich angelegen sein lassen müssen, diejenigen Kategorien von Brennereien, welche diesem Zweck unmittelbar dienen, thunlichst zu erhalten und zu fördern. Als Brennereien, welche im vollen Umfange ihres Betriebes zur Förderung der Landeskultur und nicht in erster Linie zur spekulativen Herstellung von Branntwein dienen, werden die— jenigen Betriebsanstalten anzusehen sein, welche nur Getreide (Roggen, Gerste, Weizen, Mais u. s. w.) und Kartoffeln verarbeiten, sofern deren Betriebsumfang die Größe der mit dem Brennereigut verbundenen Ackerwirthschaft nicht unverhältnißmäßig übersteigt. Das richtige Verhältniß zwischen dem Umfang der Brennerei und dem des land⸗ wirthschaftlichen Betriebes wird aber überall da als vorhanden ange— nommen werden können, wo einerseits nicht mehr Schlempe gewonnen wird, als an das eigene Vieh verfüttert werden kann, und andererseits die selbst bewirthschaftete Ackerfläche groß genug ist, daß der sämmt⸗ liche Dünger des mit den Brennereirückständen gefütterten Viehstandes darauf Verwendung findet.

Alle Brennereien, welche diese Bedingungen erfüllen, bezeichnet der Entwurf als „landwirthschaftliche‘ (5. 58 Ta). In Zukunft wird demnach, im Gegensatz zu den heute geltenden Bestimmungen, die Eigenschaft einer Brennerei als landwirthschaftliche unabhängig davon sein, wieviel Raum sie an einem Tage bemaischt, ob sie selbst— gewonnenes oder angekauftes Material verarbeitet und während welcher Monate sie im Betriebe ist. .

Wenn in Folge besonderer Umstände, z. B. aus Anlaß einer vorübergehenden Verminderung des normalen Viehstandes, aus nahmsweise eine Veräußerung von Schlempe oder Dünger für kurze Zeit erfolgt, so soll hierdurch einer Brennerei der Charakter der Landwirthschaftlichkeit noch nicht verloren gehen.

Den Gegensatz zu den landwirthschaftlichen bilden diejenigen Brennereien, bei welchen die anders geartete Verwendung von Schlempe oder Dünger, oder die Verarbeitung von anderen mehligen Materialien, als Getreide und Kartoffeln, den Schluß gestattet, daß sie nicht wesentlich im Interesse der Landwirthschaft, sondern großen⸗ oder größtentheils aus spekulativen Gründen betrieben werden. Der Entwurf bezeichnet dieselben als „gewerbliche! Brennereien (8. 391 Absatz !).

Eine Scheidung der Brennereien in landwirthschaftliche und gewerbliche ist nur hinsichtlich der mehlige Stoffe oder Mischungen aus mehligen und nicht mehligen Stoffen verarbeitenden Betriebs— anstalten beabsichtigt; hinsichtlich der lediglich nicht mehlige Stoffe verarbeitenden Brennereien bedarf es einer solchen Unterscheidung nicht, da diese sämmtlich, mit alleiniger Ausnahme der unten besonders zu erwähnenden Brennereien, welche Melasse, Rüben oder Rübensaft verarbeiten, wie bisher auch in Zukunft der Materialsteuer unter— worfen bleiben sollen.

Zu den gewerblichen Brennereien werden in Zukunft voraus— sichtlich nur in den Städten belegene Betriebe oder solche von ganz besonderem Umfange gehören Da letztere, mit allen Mitteln der Technik ausgerüstet, erheblich billiger zu arbeiten und höhere Aus— beuten zu erzielen im Stande sind, als die kleineren Brennereien, so befinden diese sich im beständigen Rückgange, während die großen Betriebsanstalten eine fortgesetzte und rasche Zunahme aufweisen, wo⸗ durch das Brennereigewerbe seiner eigentlichen Bestimmung, als Nebengewerbe der Landwirthschaft dienstbar zu sein, immer mehr entfremdet wird.

Der Entwurf sucht dieser Entwickelung des Brennereigewerbes zu einer selbständigen Großindustrie entgegenzuwirken und für die landwirthschaftlichen Brennereien wenigstens den inländischen Markt möglichst zu erhalten:

1) durch die bereits bei 5. 2 erwähnte Ausschließung der neu entstehenden gewerblichen Brennereien von der Herstellung des der niedrigeren Verbrauchsabgabe unterliegenden Branntweins, während die bereits bestehenden derartigen Brennereien aus Billigkeitsgründen den landwirthschaftlichen und den die Materialsteuer entrichtenden Brennereien hierin gleichgestellt werden sollen; .

2) durch lier hella g des bisherigen Maischbottichsteuersystems. Dem Bestehen der seit mehr als 65 Jahren in Geltung, befind⸗ lichen Maischbottichsteuer ist es zu danken, daß das Brennereigewerbe sich gerade auf dem auf den Kartoffelbau angewiesenen Sandboden der östlichen Theile Deutschlands besonders entwickelt hat und für diese Gegenden einer der wichtigsten Kulturfaktoren geworden ist. Das zur Zeit geltende Maischbottichsteuersystem hat aber eine erheb— liche Ungleichheit der Besteuerung zur Folge, da das Maß der auf dem Branntwein lastenden Steuer von der Ausbeute an Altohol ab— hängt, welche aus dem Maischraum erzielt wird. Diese Ausbeute schwankt je nach Material und Betriebseinrichtungen jwischen 33 11e, und in demselben Maße verschieden ist daher auch die Steuerbelastung des Branntweins. Die Folge hiervon ist eine be—⸗ deutende Beeinträchtigung der kleineren, mit unvollkommenen technischen Betriebtzeinrichtungen versehenen Brennereien. !

Um diese Ungleichheit thunlichst zu beseitigen, behält der Entwurf, den weitaus meisten der laut gewordenen Wünsche von Interessenten und Sachverständigen folgend, die Maischbottichsteuer nur für die

landwirthschaftlichen Brennereien, sowie daneben noch für Melasse⸗ und