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von Militär und Civil zu verwandeln die Anträge der Nationalliberalen in der Kommission bezweckten. Da müßten doch die Vertreter der Fraktion, welche die vollständige Gleich stellung so bald als möglich herbeiführen wollten, dankbar sein, daß diese Anträge und das Verhalten der National— liberalen in der Fraktion schon eine so bestimmte und so west⸗ gehende Erklärung des Staatssekretärs hervorgerufen habe. Wenn fünf Jahre lang wegen Meinungsverschiedenheiten das Militär hinsichtlich seiner Relikten von den Wohlthaen des Civilgesetzes ausgeschlossen und insofern fünf Jahre ungünstiger gestellt gewesen sei, dann sei es am Ende auch zu ertragen, daß hinsichtlich eines Theiles von Offizieren vorübergehend, vielleicht ein oder zwei Jahre, gegenüber den entsprechend be— soldeten Beamten im Civil eine gewisse Bevorzugung stattfinde. Das sei noch nicht einmal eine vollständige Ausgleichung für diese fünfjährige Ungleichheit. Nach den benimmten Erklärungen, die man gehört, dürfe man wohl erwarten, daß die verbünde⸗ ten Regierungen, namentlich wenn ihnen die größeren Mittel ugeführt sein würden, die ihnen doch vom Reichstage, wie es ö. mehr oder weniger hoch bewilligt würden im Laufe dieser Session, es sich dann zur Aufgabe machen würden, wie der Minister von Boetticher es versprochen habe, nicht bloß die Gleichstellung herbeizuführen — das wäre nur etwas Formelles —, sondern eine möglichst weitgehende Erleichterung hinsichtlich der Reliktenbeiträge, und wenn die Finanzlage der Einzelstaten es gestatte, eine vollständige Beseitigung der— selben, wie sie seine Parteifreunde und auch die Mitglieder anderer Parteien längst gewünscht hätten und woran sie nur durch die Finanzlage bisher gehindert gewesen.
Der Abg. Richter bemerkte: Gerade die Erfahrungen in früheren Jahren, wo eine schablonenmäßige Aufbesserung stattgefunden habe, machten ihn bedenklich gegen eine solche Aufbesserung. Die Verbesserung von Besoldungen sei noth— wendiger in einzelnen Verwaltungszweigen und für einzelne Beamtenklassen, während sie bei anderen Beamten und Ressorts nicht nothwendig sei. Seine Partei könne der Er— klärung des Ministers von Boetticher keine größere Bedeutung beilegen, wie der Abg. von Bennigsen es verlange. Man könne den Minister ja nicht festhalten, weil man das einzige Mittel dazu aus der Hand gebe.
Das Haus genehmigte daraus die einzelnen Paragraphen, speziell die Frage der Beitragspflicht nach den Beschlüssen der Kommission, gegen welche nur die Freisinnigen stimmten. Ueber die Resolution wird erst bei der dritten Berathung ent— schieden.
Es folgte die Diskussion über die Frage, ob dem Gesetze rückwirkende Kraft gegeben werden soll, wie es ein von der Kommission eingeschalteter neuer 8. 33 vorschlägt. Nachdem der Abg. Pfafferott sich für diesen neuen Paragraphen aus— gesprochen, wurde derselbe mit großer Mehrheit angenommen.
Es folgte die Berathung von Wahlprüfungen. Die Wahl des Abg. Landes (Munchen II) beantragte die Kom— mission, für gültig zu erklären und ferner den Reichskanzler zu ersuchen, den Protest des Vorstandes des Arbeiter-Wahl— comités der bayerischen Regierung in Abschrift zur Kenntniß— nahme mitzutheilen.
Der Referent von Friesen theilte die Thatsachen, welche im Protest behauptet werden, mit, bemerkte aber, daß die— selben auf das Resultat keinen Einfluß gehabt hätten.
Der Abg. Kräcker behauptete, daß die Vorkommnisse doch nicht alle so minderwerthig zu sein schienen, wie die Kom— mission angenommen. Wenn andere Parteien so behandelt worden wären, wie in München die Sozialdemokraten, dann würde wohl großes Geschrei entstanden sein.
Der Abg. von Köller entgegnete: die Angaben im Protest seien leere Behauptungen ohne jeden Beweis gewesen, deshalb habe die Kommission kein Gewicht darauf gelegt, da der Abg. Landes mit einer großen Mehrheit von fast 2000 Stimmen gewählt sei.
Der Kommissionsantrag wurde angenommen.
Die Wahl des Abg. Meyer (Halle) soll für gültig erklärt werden.
Der Abg. von Köller bemerkte, daß auch bei dieser Wahl Stimmzettel abgegeben seien, auf welchen der Name des Gegen— kandidaten Täglichsbeck durchstrichen und dafür der Name Meyer geschrieben worden sei. Der Redner verwies auf ein von mehreren Herren in der „Hallischen Zeitung“ veröffent— lichtes Inserat, in welchem behauptet werde, daß der Abg. Meyer mehreren Arbeitern gesagt haben sollte, sie könnten Zettel mit dem Namen Täglichsbeck in der angegebenen Weise benutzen und auf die Frage, wen sie gewählt hätten, ant— worten: Wir haben Zettel für Täglichsbeck abgegeben. Redner fragte, ob der Abg. Meyer auf diese Weise seine Wähler zur Unwahrhaftigkeit habe verleiten wollen?
Der Abg. Munckel äußerte: Der Vorredner sollte seine moralische Entrüstung gegen die erste Unsittlichkeit richten, nämlich gegen die unberechtigte Kontrole Derjenigen, welche das Wahlgeheimniß durchbrechen möchten. Im Uebrigen sei das Haus nicht hier, um solche moralischen Urtheile zu fällen.
Der Abg. von Köller erwiderte; Es scheine System in der Sache zu sein; denn in seinem Wahlkreise habe der frei⸗ finnige Kandidat aufgefordert, die auf seinen (des Redners) Namen lautenden Zettel in der besprochenen Weise zu benutzen. Wenn das ständige Uebung werden solle, dann könne man nicht mehr solche Stimmzettel als gültig bezeichnen.
Der Abg. Munckel antwortete: Wenn der Abg. von Köller die Benutzung seiner Wahlzettel so übel nehmen sollte, dann müsse man, um die ungerechtfertigte Kontrole zu ver⸗ hindern, auf den strafrechtlichen Schutz des Wahlrechtes hin— arbeiten und man werde dann an die Entrüstung des Hrn. von Köller appelliren. ;
. Der Abg. Rickert bemerkte; Der Abg. von Köller sollte ö. sittliche Entrüstung gegen die Arbeitgeber richten, welche as Wahlrecht ihrer Arbeiter verkümmerten, indem sie Ar— beiter, die nicht nach ihrem Willen stimmten, aus der Arbeit entließen. Diese elende, eines anständigen Menschen un— würdige Nachschnüffelei müsse erst beseitigt sein, dann wolle er in die sittliche Entrüstung des Abg. von Köller einstimmen. Der Abg. von Kardorff äußerte: Die fortschrittlichen Ar— beitgeber beeinflußten ihre Arbeiter auch. Daß die Arbeitgeber von diesem Mittel Gebrauch machten, müsse er zugeben. Aber für richtig halte er den Beschluß des Reichstages nicht, denn nach dem Gesetz solle jeder Wahlzettel nur einen Namen enthalten. Wenn ein Name durchstrichen und ein anderer zugeschrieben sei, so ständen zwei Namen darauf. Das sei nicht zulässig. Der Abg. Freiherr von Heereman erklärte: Wenn die Ar— beiter in ihrem Wahlrecht bedroht seien und ihnen der Kan— didat den Rath gäbe, das Manöver zu machen, so halte er
(Redner) das für zulässig und durchaus nicht für unmoralisch; viel weniger moralisch sei noch die Beeinflussung der Arbeiter.
Der Abg. von Köller bemerkte: Er habe sich nur dagegen gewandt, daß die Wähler aufgefordert würden, die Unwahr— . ö. sagen; das müsse man aus moralischen Gründen be— ämpfen.
Der Abg. von Kardorff sagte: Wenn Jene das System einführen wollten, dann könne ein Arbeitgeber darauf kommen, die Namen seiner sämmtlichen Arbeiter auf die Zettel zu schreiben, zu durchstreichen und den Namen seines Kandidaten darüber zu schreiben. Dann hätte er die schönste Kontrole.
Der Abg. Munckel äußerte: In einem solchen Falle könnte wohl die Wahlprüfungskommission zur Ungültigkeit der Zettel kommen. Der Abg. von Köller richte seine Entrüstung auf den Mißbrauch der Zettel, ebenso wie auf die Verleitung zur Lüge; er habe die erste Entrüstung fallen lassen. Bezüglich der Lüge habe er (Redner) geantwortet, daß der Abg. Meyer erklärt habe, er habe einen solchen Rath nicht ertheilt. Hätten jene denn keine Entrüstung übrig für Diejenigen, welche die Arbeiter in die Zwangslage brächten, um ihrer Selbsterhaltung willen zu lügen? J.
Der Abg. Dr. Windthorst meinte, man sollte von diesen Dingen nicht allzuviel reden, denn sonst könnte man auch auf die Manipulationen der Landräthe kommen, die in ihren Wahlaufrufen speziell ihn (Redner) mit allerlei Lügen und Verleumdungen bedacht hätten. So lange man Arbeitgeber habe, die ihre Leute in geradezu barbarischer Weise beeinflußten, könne er den Wählern nur den Rath geben, sich dieses Aus— hülfsmittels zu bedienen. Lügen auszusprechen, empfehle er den Arbeitern natürlich nicht.
Der Abg. Rickert fragte: Weshalb mache der Abg. von Köller den Freisinnigen diese Vorwürfe? Er (Redner) habe nur des— selbe gesagt, wie der Abg. Windthorst und Freiherr von Heereman. .
Der Abg. von Köller äußerte: Die „Freisinnige Zeitung“ habe das System unter Berufung auf die Entscheidung der Wahlprüfungskommission empfohlen. Der Abg. Windthorst habe die Lüge gemißbilligt; was sagten die Freisinnigen dazu? Solche Beeinflussungen Seitens der Arbeitgeher kämen auf dem Lande nicht vor.
Der Abg. Bamberger meinte: Das Thema, welches der Abg. von Köller allein noch aufrecht erhalte, gehöre garnicht vor den Reichstag. Jeder Wähler habe das Recht, sein Wahl— recht gegen die unberechtigte, ungesetzliche Spionage zu schützen. Die Frage, ob Jemand den Rath gegeben habe, über die Ab— stimmung etwas Falsches auszusagen, gehöre garnicht mehr zur Wahl, also auch nicht vor den Reichstag. Der Abg. von Köller glaube selbst nicht, daß der Ahg. Meyer zur Lüge aufgefordert habe; der Abg. Munckel hahe es in Abrede ge— stellt. Wo sei denn noch Jemand, der etwas verlange? Nur um dem Inserat der Herren, die den Abg. Meyer in einer Zeitung angegriffen hätten, einen Widerhall im Reichstage zu geben, habe man so lange debattirt.
Die Wahl des Abg. Meyer (Halle) wurde für gültig erklärt; dasselbe geschah mit den Wahlen der Abgg. Fehling und von Kleist⸗Retzow. .
Um 5 Uhr vertagte sich das Haus auf Dienstag 1 Uhr.
— Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung des Herrenhauses erklärte sich bei der Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Kantongefängnisse in der Rheinprovinz, der Regierungskommissar, Ministerial— Direktor von Zastrow gegen die mitgetheilten Adams'schen Anträge. Derselbe bestritt die Berechtigung einer Berufung auf das Dotationsgesetz, legte des Weiteren dar, wie nach der Auf— fassung der Staatsregierung ein historischer und kausaler Nexus zwischen den beiden Motiven unleugbar bestehe, und empfahl den Kommissionsvorschlag. J
Fürst zu Wied hätte sich, wie er sagte, dem Antrage der Kommission gern angeschlossen und der Regierung für die der Rheinprovinz entgegengebrachte Fürsorge seinen Dank auwge— sprochen; er müsse sich jedoch in dieser Frage den Anschauungen des Herrn Adams anschließen und für dessen Anträge stimmen, weil er, wie der Antragsteller, der Meinung sei, daß die Rhein— provinz bei der Veranlagung des Dotationsgesetzes zu kurz ge— kommen sei.
Freiherr von Solemacher behauptete, das Dotationsgesetz
sei die unangreifbare Rechtsquelle für die Ansprüche der Rheinprovinz auf die Polizeistrafgelder. Ziehe man diese für den Staat ein, so nehme man der Rheinprovinz ein Stück ihrer Dotation weg. Der Rechtstitel der Rheinprovinz sei kein anderer als der, auf Grund dessen die andern Provinzen ihre Dotationen besäßen. Nicht ein Geschenk, sondern Ge— rechtigkeit verlangten die Vertreter dieses Landestheils.
Nach einer nochmaligen Entgegnung des Ministerial— Direktors von Zastrow auf die Ausführungen des Vorredners sprach sich Herr Küper für die Vorlage in der Fassung des Abgeordnetenhauses aus.
Der Präjudizial-Antrag Adams auf Zurückverweisung an die Kommission wurde sodann mit großer Mehrheit abgelehnt.
In der Spezialdiskussion nahm das Hous die §§. J bis 4 ohne Debatte an. ;
Der zu §. 5. gestellte Eventual⸗Antrag Adams wurde vom Antragsteller und von dem Fürsten zu Wied nochmals empfohlen, bei der Abstimmung indeß gegen eine kleine Minderheit gleichfalls abgelehnt und der Rest des Gesetzes darauf in der Fassung des Abgeordnetenhauses, sowie dem— nächst das Gesetz im Ganzen definitiv genehmigt.
Es folgte der Bericht der Matrikel-Kommission, welchen Graf zur Lippe erstattete.
Nach diesem Bericht besitzt das Haus insgesammt 272 Mitglieder, von denen 4 noch nicht in das Haus eingetreten sind; außerdem ruhen insgesammt 40 Stimmen.
Der Bericht wurde ohne Besprechung durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Dritter Gegenstand der Tagesordnung war der mündliche Bericht der Kommission für kommunale Angelegenheiten über die Petitionen des Centralvorstandes des landwirthschaftlichen Vereins für Rheinpreußen und des Vorsitzenden des Vereins der Grund- und Hausbesitzer von Aachen und Burtscheid, vom; Hofe, mit dem Antrag, die vollständige Beseitigung der Grund⸗ und Gehäudesteuer zu erwirken, über welche Herr Friedensburg referirte. ;
Die Petitionen wurden, entsprechend dem Kommissions⸗ antrage, durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt, weil bereits über ähnliche Petitionen im Vorjahr derselbe Beschluß gefaßt worden ist. .
Eine Petition des Rheinischen Bauernvereins wegen Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer an die Ge—
meinden wurde auf Beschluß des Hauses der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen, nachdem der Berichterstatter Herr Friedensburg hervorgehoben hatte, daß die dem Reichstage vorliegenden Steuerentwürfe zu der Erwartung berechtigten, die Einzelstaaten würden durch die vermehrten Einnahmen des Reichs in die Lage versetzt werden, diese Ueberweisung der Grund- und Gebaäͤudesteuer wirklich ausführen zu können.
Es folgten die mündlichen Berichte der Kommission für Geschäftsordnungs-Angelegenheiten über die Anträge des Ober⸗-Staatsanwalts zu Köln wegen strafrecht— licher Verfolgung des Freiherrn von Solemacher⸗ Antweiler und des Freiherrn von Schorlemer auf Burg Metternich.
Die Kommission beantragte in beiden Fällen, die Geneh— migung zur Verfolgung zu ertheilen.
Zunächst wurde der Kommissionsantrag bezüglich des Freiherrn von Schorlemer zur Debatte gestellt.
Der Berichterstatter, Herr Eggeling, führte aus: Der Ober-Staatsanwalt in Köln beantrage, die strafrechtliche Ver⸗ folgung des Freiherrn von Schorlemer auf Burg Metternich wegen Beleidigung des Herrenhauses zu gestatten. Nach dem Strafgesetzbuch sei zwar nicht ein Antrag erforderlich, um die Untersuchung zu begründen, wohl aber dürfe die Untersuchung nicht eingeleitet werden ohne Genehmigung des Hauses. Um die Ertheilung dieser Genehmigung handele es sich hier. Was die Sache selbst betreffe, so unter— stelle er (Referent), daß die Angelegenheit jedem der Herren bekannt sei. Sie sei in Zeitungen vielfach erörtert worden und auch sonst vielfach Gegenstand der Besprechung gewesen. Es seien in der Sache Publikationen in drei ver— schiedenen Stadien ergangen: zunächst habe Freiherr von Schor— lemer nach seiner eigenen Erklärung am 27. März eine Er⸗ klärung veröffentlicht, die sich auf die Duellangelegenheit zwischen ihm und Freiherrn von Solemacher beziehe, von einem Gerücht spreche, welches sich verbreitet habe, und eine das Haus nicht interessirende Erklärung abgebe. Daraufhin habe Freiherr von Solemacher in der „Bonner Zeitung“ eine Erklärung veröffentlicht. Diese Erklärung datire vom 6. April und sei erschienen in der Zeitung vom 13. April; sie schließe mit dem Satze: „Hiermit ist für mich die Sache, aber auch die Person des Frhrn. von Schorlemer endgültig erledigt. Daraufhin habe Freiherr von Schorlemer am 18. April Veranlassung genommen, eine weitere Erklärung abzugeben und durch die „Kölnische Volkszeitung“ vom 19. April zu publiziren. In dieser sehr langen Er—
klärung, die die ganze Sachlage darstellen solle und
namentlich Gesichtspunkte erörtere, die für das Haus den Gegenstand der Berathung und Beschlußfassung nicht bildeten, sei, — und darauf komme es an, — jenes Schreiben völlig mit— getheilt, welches Freiherr von Schorlemer sich veranlaßt ge— funden habe, am 20. Januar 1887 an den Freiherrn von Solemacher zu richten: ein Schreihen, aus dem er nur refe— rirend hervorhebe, daß es anschließe an den Antrag des Frei— herrn von Solemacher auf Erlaß einer Adresse Seitens des Herrenhauses an Se. Majestät den König, darüber ein ab— fälliges Urtheil fälle, die Begründung des Antrags als unwahr bezeichne und serner sage: dieser Schritt sei in hohem Maße geeignet, das Minimum von Vertrauen, welches das Herren haus im Volke noch genieße, zu zerstören, und wo schließlich das Wortspiel vom Marasmus senilis und Marasmus servilis gebraucht werde. Zu diesen drei Publika— tionen bemerke er, daß die erste vom Freiherrn von Schorlemer unmittelbar veranlaßt sei; die zweite sei in der „Bonner Zeitung“ nicht als Publikation des Frei— herrn von Solemacher erschienen, sondern als Zeitungsreferat. Es sei der Kommission darauf angekommen, zu wissen: wer zuert und auf seine Verantwortung diesen Brief an Frei— herrn von Solemacher in die Oeffentlichkeit gebracht habe. Das sei der Thatbestand. Bei der Beurtheilung im Schoße der Geschäftsordnungskommission sei man einstimmig der Memung gewesen, daß die Genehmigung zur Verfolgung in diesem Falle ertheilt werden müsse. Man sei von der Erwägung ausgegangen, daß allerdings das Herren— baus im Laufe der Jahre in solchen Angelegenheiten eine sehr nilde Praxis befolgt habe, denn es sei eine Reihe derartiger Anträge gestellt, aber nur in einem einzigen Falle eine Unter— suchung genehmigt worden. Die Kommission habe diese Praxis für eine im Allgemeinen sehr wohlbegründete angesehen. Dennoch glaube sie in diesem Falle ,. vorschlagen zu müssen, die Verfolgung eintreten zu lassen, und sie sei da⸗ bei wesentlich von der Erwägung geleitet worden, daß einmal die Beleidigung eine recht schwere sei, und daß ferner die Sache dadurch aggrayirt werde, daß nach der Ansicht der Kommission zuerst Freiherr von Schorlemer auf seine Verant⸗ wortung jenen Brief in die Oeffentlichkeit hineingeschleudert habe. Endgültig bestimmend für den einstimmigen Beschluß der Kommission aber sei ein Gegenstand von ganz besonderem Gewicht gewesen, nämlich die Standesverhältnisse des Freiherrn von Schorlemer. Es sei nämlich nach der Ansicht der Kom— mission ein himmelweiter Unterschied, wenn etwa ein Redacteur einez Zeitungsblattes, der vielleicht schon eine lange Straf— liste aufzuweisen habe, diese Liste noch durch eine weitere Strafe belaste, oder wenn ein Mann von den Standes- und Bildungsverhältnissen des Herrn von Schorlemer, ein Freiherr einem Freiherrn gegenüber, mit einer solchen vom Zaun heruntergebrochenen Anzapfung vorgehe. Diese Erwägung sei für die Kommission durchschlagend gewesen, und sie empfehle daher dem Hause, dem Antrage des Ober-⸗Staats⸗ anwalts stattzugeben.
Der Kommissionsantrag wurde darauf mit sehr großer Mehrheit vom Hause angenommen.
Ueber den Kommissionsbeschluß bezüglich des Freiherrn von Solemacher referirte derselbe Herr Berichterstatter: Der Ober⸗Staats anwalt in Köln beantrage ferner, auch die straf— rechtliche Verfolgung des Freiherrn von Solemacher wegen Herausforderung zum Duell zu genehmigen. Es sei bei der Kommissionsberathung jedem Mitgliede klar gewesen, daß der Beschluß, die Genehmigung zu ertheilen, eine praktische Bedeutung Angesichts des bevorstehenden Sessions— schlusses und des Umstandes, daß damit die den Mit— gliedern des Hauses gewährte Immunität in allerkürzester Frist gegenstandslos werde, nicht in Anspruch nehmen könne. Nach reiflicher Ermägung habe die Kommission aber geglaubt, die Sache nicht dilatorisch behandeln zu dürfen; sie habe ge— glaubt, daß es in Konsequenz des Beschlusses bezüglich des Freiherrn von Schorlemer auch nothwendig geboten sei, denselben Deschluß bezüglich des Freiherrn von Solemacher zu fassen. In Bezug auf das Verfahren sei nun allerdings beim Herrenhause von einer Praxis in solchen Dingen, wie sie sich im Reichstage und im Abgeordneten
hause herausgebildet habe, nicht die Rede, und es hätten auch die von jenen Häusern gegebenen Beispiele nicht ohne weiteres maßgebend sein können. Auch das Herrenhaus fasse allerdings die Immunität als ein Privileg auf, von dem Ausnahmen zu statuiren sich nur unter besonderen Umständen rechtfertige. Der Beschluß, die Ertheilung der Genehmigung zu empfehlen, sei mit 5 gegen 2 Stimmen gefaßt worden. Für die Kom⸗ mission sei die Erwägung durchschlagend gewesen, daß die Er⸗ theilung der Genehmigung ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit sei, und daß es sich schon um des Präjudizes willen empfehle, die Genehmigung auszusprechen.
Hierauf nahm Graf von der Schulenburg-Beetzendorf das Wort: Ohne im geringsten der Annahme des Kommissions— beschlusses in den Weg treten zu wollen, liege ihm nur daran, sein abweichendes Votum hier zu motiviren. Er bedauere, nicht in der Lage zu sein, dem Kommissionsbeschluß beipflich— ten zu können. Zunächst hätte Redner gewünscht, daß auf die Tagesordnung nicht nur gesetzt worden wäre: „strafrechtliche Verfolgung“, sondern daß wenigstens hinzugefügt wäre: „wegen Herausforderung zum Zweikampf“, da man sonst durchaus nicht wissen könne, warum straf— rechtliche Verfolgung eintreten solle. Jetzt wisse es jeder, aber späterhin werde es vergessen, während die Akten blieben und man nachher vermuthen könne, daß die Verfolgung wegen aller möglichen Verbrechen eingetreten sei. Ferner halte er es für grundfalsch, die beiden Angelegenheiten zusammen zu behandeln, denn die beiden Uebertreter des Rechts sollten ja wegen ganz verschiedener Sachen verfolgt werden. Einen praktischen Erfolg habe, ein Beschluß des Hauses bei der unmittelbaren Nähe des Sessionsschlusses überhaupt nicht. Deswegen sei er der Ansicht, daß man dem Staatsanwalt dieses Spatium von etwa 3 Tagen belassen solle, damit er aus eigener Initiative, ohne der Erlaubniß des Hauses zu bedürfen, die Sache verfolge. Alsdann — und das sei der eigentliche Grund, weshalb er zu einem abweichenden Votum komme — frage er, warum solle der Freiherr von Solemacher verfolgt werden? Er solle verfolgt werden, weil er das uralte Recht des deutschen Adels in Anspruch nehme, die Erwägung über das Recht der eigenen Ehre auf die Spitze seines Degens zu stellen. Das sei ein unveräußerliches Recht des deutschen Adels und der— jenigen Gesellschaftsklassen, welche im Staatsdienst oder im Militärdienst oder in neuerer Zeit durch Untadelhaftigkeit ihres Lebens und ihrer Sitten sich dieses Recht erworben haben. Nun wisse er (Redner) ja sehr wohl, daß die feinere Ausbildung des Ehr- und Sittlichkeitsgefühls dahin geführt habe, dieses Recht von Seiten des Landesherrn und der Regierung mit Kautelen auch strafrechtlicher Art zu umgeben, die, sehr präzisirt für Offiziere sowohl wie für den Civildienst Sr. Majestäés des Königs in Geltung seien, und er habe gar nichts dagegen, daß Jemand bestraft werde, her gegen diese Bestimmungen verstoße. Er sei aber nicht in der Lage, wenn an ihn die Frage heran— trete, ob er gestatten solle, daß Jemand verfolgt werde, der dieses Recht noch nicht einmal ausgeübt habe, sondern nur habe ausüben wollen, dem spontan zuzustimmen. Er sei also genöthigt, gegen den Kommissionsantrag zu stimmen.
Die Diskussion wurde nunmehr geschlossen und der Kom— missionsantrag mit schwacher Mehrheit angenommen.
Der letzte Gegenstand der Tagesordnung war der münd— liche Bericht derselben Kommission über Anträge der zu— ständigen Ober-Staatsanwälte wegen strafrecht— licher Verfolgung verschiedener Zeitungen, und zwar des „Hofer Tageblattes“, des „Echo der Gegenwart“ in Aachen, des „Liegnitzer Anzeigers“, des „Boten aus dem Riesengebirge“ und der „Kieler Zeitung“.
Die Geschäftsordnungs-Kommission beantragte, die Ge— nehmigung nicht zu ertheilen, während Graf Brühl die Ge— nehmigung gewährt zu sehen wünschte.
Auf den genügend unterstützten Antrag des Bericht— a n e, Herrn Eggeling, wurde die Oeffentlichkeit aus— geschlossen.
Nach Verlauf einer Viertelstunde wurde die Oeffentlichkeit der Sitzung wieder hergestellt und der Beschluß des Hauses verkündet, daß, entsprechend dem Kommissionsantrage, die Genehmigung nicht zu ertheilen sei.
Schluß 4*5½ Uhr.
Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr.
— In der gestrigen 64.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten bemerkte bei Fortsetzung der Berathung der Petitionen von Ober-Realschul-Direktoren u. A., betreffend die Zulassung der Ober-Realschul-Abitu⸗ rienten zu den Staatsprüfungen im Baufach, der Minisierial-Direktor Schultz: Als der Minister Maybach 1878 den Abiturienten der Ober⸗-Realschulen den Eintritt in das gesammte Staatsbaufach, also neben dem Maschinenbausach auch in das Hoch⸗ und in das Ingenieur— baufach, eröffnet habe, sei er von der wohl selbstverständlichen Voraussetzung ausgegangen, daß es Seitens der Chefs der übrigen höheren und insbesondere Seitens der dem Staatsbaufach näher verwandten sogenannten technischen Staatsverwaltungszweige für zulässig und zweckmäßig würde erachtet werden, mit einer gleichen Maßregel für ihre betreffenden Ressorts nachzufolgen. Diese Voraussetzung sei aber nicht eingetroffen, es sei nach dem Verlaufe der ge— pflogenen Verhand ungen auch nicht anzunehmen, daß dies in absehbarer Zeit geschehen werde. Xi dadurch eine J theiligung des Staatshaufachs eintreten müsse, würde sich nicht in Abrede stellen lassen. Die Abiturienten der Ober-Real— schulen, sofern sie überhaupt in den höheren Staatsdienst ein—⸗ zutreten den Wunsch hätten, würden, gleichviel ob sie Neigung, Beruf oder Beanlagung für das Baufach hätten, in dasselbe hineingedrängt, und würden dadurch der Staatsbaukarriere, ab— gesehen davon, daß der ohnehin schon zu große Andrang zu der— selben noch gesteigert würde, Elemente zugeführt, welche vielleicht wegen mangelnder Anlagen als besonders geeignet nicht an— , ,. könnten. Die Angehörigen des Baufachs ätten in dem Umstande, daß von allen höheren Staattz= verwaltungszweigen lediglich dasjenige des Baufachs den Abiturienten der Ober-Realschulen erschlossen sei, eine capitis deminutio erbliclt. Wenn ein solches Standesbewußtsein auch von Vielen als ein falsches und als ein Standesvorurtheil aufgefaßt werde, so müsse doch auch häufig mit solchen Vorurtheilen gerechnet und es als ein nicht wünschenswerther ustand bezeichnet werden, wenn durch solche Vorurtheile die Berufsfreudigkeit beeinträchtigt würde. Daß die Benachtheili⸗ gungen der Schulen aber durch die Entziehung der Berechti⸗ gung ihrer Abiturienten zum Eintritt in das Staatsbaufach besonders erheblich sein sollten, könne nicht angenommen werden, da die Schulen ja der Hauptsache nach zur
Vorbereitung der Schüler für das praktische Leben und für private Stellungen in demselben bestimmt seien, von den Petenten und ihren Freunden ja auch mit besonderem Nach⸗ drucke betont werde, daß die Zahl der aus den Ober⸗-Real— schulen in das Baufach Uebergetretenen eine verschwindend geringe sei. Sollten aber wirklich die Ober⸗-Realschulen ge— schädigt werden, so könnten vielleicht geeignete Maßregeln zum Ausgleich ergriffen werden. Er erinnere an die fakultative Einführung des Latein in einer Ober-Realschule. Jedenfalls seien diese Nachtheile so gering, daß sie gegenüber den Inter— essen der Staats-Baubeamten nicht in die Wagschale fallen könnten. Er bitte, den Kommissionsantrag und den Antrag Hermes abzulehnen. Ueber eine generelle Regelung der Sache stelle er die Entscheidung dem Hause anheim.
Der Abg. Dr. Dürre bedauerte die Benachtheiligung der Ober⸗Realschulen durch den Ministerialerlaß vom vorigen Jahre. Er werde für den Antrag Hermes stimmen.
In demselben Sinne sprach sich der Abg. Czwalina aus. Sollte klassische Bildung für die Baubearnten nothwendig sein, so möge man den Ober -Realschul-Abiturienten ein Nachexamen in den alten Sprachen auferlegen, dann aber auch den Gym— nasial-Abiturienten ein Nachexamen in den realistischen Fächern, falls sie sich technischen Studien widmen wollten. Die Gleich— berechtigung der Ober-Realschulen mit den Gymnasien sei nur eine Frage der Zeit.
Der Abg. Dr. Windthorst hielt die Verfügung des Ministers für absolut gerechtfertigt, zumal derselbe sich in einer Zwangslage befunden habe, da die übrigen Ressorts, vor Allen der Kultus-Minister, seinem ersten Schritt von 1878 nicht gefolgt seien. Er Redner) würde glücklich sein, wenn mit dem heutigen Tage die Ober⸗Realschulen überhaupt verschwänden. Er habe 1879 bei der Gründung dieser Anstalten vorausgesagt, was kommen werde. Man habe auf eine so kleine Autorität nich: gehört. Jetzt bestätige die Regierung seine damaligen Befürchtungen. Die Ober⸗Realschulen seien so recht ein Kind der modernen Zeit. Man berufe sich immer auf die moderne Bildung. Was sei denn der Gegensatz zwischen moderner und klassischer Bildung? seue Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften würden ebenso gut und aus— reichend auch auf den Gymnasien getrieben. Als Gymnasial— Abiturient würde er bequem auf jeder Realschule ein Examen in diesen Fächern haben machen können. Würden die alten Sprachen zu einseitig auf den Gymnasien bevorzugt, so folge daraus noch nicht, daß sie verwerflich seien. Das Latein halte er auch für das Baufach für nothwendig. In den bau— technischen Schriften finde man vielfache Anklänge an das klassische Alterthum. Auf eine gründliche Vorbildung seiner Beamten, auch der Baubeamten, dürfe der Staat nicht ver— zichten. Die Ober⸗Realschulen böten eine solche Vorbildung nach Ansicht der übrigen Ressorts nicht; hätte die Regierung 1379 die Sache genereller und entschiedener geordnet, dann würde die Sache jetzt vielleicht besser stehen. Ob aber eine gesetzliche Regelung empfehlenswerth sei, möchte er doch bezweifeln. Von moderner Bildung möge man nicht sprechen, die älteren Leute hätten auch Bildung und hielten diese für besser als die moderne.
Hierauf wurde der Antrag Hermes und der Kommissions— antrag gegen die Stimmen der Freisinnigen und des größten Theils der Nationalliberalen verworfen und der Antrag des Abg. Frhrn. von Minnigerode angenommen.
Die Petition des Besitzers Klingenberg zu Krohnenhof, Kreis Danzig, betreffend Entschädigung für Hoch— fluthschäden vom Frühjahr 1886, beantragte die Kom— mission, für ungeeignet zur Verhandlung im Plenum zu erklären, weil nach dem Wortlaut des Gesetzes vom 14. Juli v. J. Staatsmittel zur Verfügung gestellt worden seien, zur Gewährung von Beihülfen an einzelne durch die Frühjahrs— hochfluthen Beschädigte zur Erhaltung im Haus- und Nahrungsstande, der Petent aber nach seiner eigenen Sach— darstellung nicht erst durch die Frühjahrshochfluthen des Jahres 1886, sondern durch andere, früher eingetrétene Ereignisse in seinem Haus- und Nahrungsstande gefährdet oder sogar schon vernichtet gewesen sei.
Der Abg. Rickert sprach sein Bedauern über diesen Antrag aus. Nach seinen Informationen sei die Voraussetzung des— selben, daß der Petemn ror der Subhastation gestanden, un— richtig. Er würde sich in seinem Besitzstande haben erhalten können, wenn er die geforderte Unterstützung erhalten hätte. Er beantrage, hie Petition der Regierung zur Erwägung zu überweisen.
Der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern, von Puttkamer, entgegnete:
Meine Herren! Ich finde es durchaus begreiflich, daß ein so exceptionell trauriges Schicksal wie das, welches den Herrn Klingen berg unzweifelhaft betroffen hat, dazu geeignet ist, das allgemeine Mitgefühl zu erregen und die Frage nahe zu legen, ob der Hr. Abg. Rickert Recht hat, wenn er eine besondere Berücksichtigung für wünschensrzerth und angemessen hält. Indessen muß ich mir doch er lauben, auf Folgendes aufmerksam zu machen.
Die Staatsregierung war bei Vertheilung der Geldmittel, welche von der Landesvertretung zur Schadloshaltung der durch die Ueber schwemmung Betroffenen gewährt worden waren, ganz un— zweifelhaft verpflichtet, die von »den gesetzgebenden Ge— walten ihr vorgeschriebenen Modalitäten der Ausführung genau inne zu halten. Ich bitte, das vor allen Dingen in Erwägung zu ziehen und auch im Gedächtniß zu behalten. Nun hat das Gesetz aus— drücklich gesagt, daß die fraglichen Beihülsen gezahlt werden sollten zur Erhaltung der Beschädigten im Haus- und Nahrungsstande. Richtig ist, was der Hr. Abg. Rickert gefagt hat: die beiden mit der Vorprüfung betrauten Kommissionen, die Rreiskommission einerseits und die Provinzialkommission andererseits, sind bei Beurtheilung der Nothlage des Klingenberg von verschiedenen Gesichtspunkten ausge gangen und zu verschiedenen Ergebnissen gelangt. Die Kreiskom— mission, von der ich allerdings annehme, daß sie, weil den Verhäst⸗ nissen näher stehend, besser in der Lage war, die wirkliche Noth lage zu prüfen, ist der Meinung gewesen, daß der Vermögensverfall dieses beklagenswerthen Mannes schon vorher, vor dem Eintritt der Ueber⸗ schwemmungsbeschädigung, ein unausweichlicher und durch keine gewöhn—⸗ lichen Mittel zu beseitigender gewesen sei, daß also eine Unterstützung, sei sie so groß oder gering, wie sie wollte, zur Erhaltung des Ge— nannten im Haus und glahrnngẽ lande nicht ausgereicht, ihm somit nicht einmal gedient haben würde; und deshalb glaubte sie sich auf den Standpunkt stellen zu müssen, daß der Antrag auf Bewilligung einer so erheblichen Beihülfe für Klingenberg nicht befürwortet werden dürfe.
Die Provinzial⸗-Kommission ist von anderen Grundlagen aus— gegangen. Nachdem sich dieselbe dafür entschieden hatte, daß aller dings eine wirksame Hülfe stattfinden könne, ist die Sache an die be— theiligten Minister — der Minister des Innern ist keineswegs der allein entscheidende — gelangt, und wir — der Herr güne g nist?t und ich — haben nach Lage der Sache und nach eingehender, pflichtmäßiger Erwägung, so leid uns auch der Mann gethan hat, zu keinem anderen Ergebniß gelangen können, als daß eine Berücksichtigung des An— trages der Provinzial-Kommission mit den Vorschriften des Gesetzes unvereinbar sei.
Dazu kommt noch, meine Herren — was nicht zu unterschätzen ist und was ich Hrn. Rickert zu berücksichtigen bitte — daß die Gewährung der sehr erheblichen, auf 80 0900 M festgestellten Beihülfe, welche eine durchgreifende Wiederinstandsetzung des Gutes Krohnenhof erfordert haben würde, eine beträchtliche Herabminderung der für die übrigen Beschädigten des Landkzeises Danzig in Aussicht genommenen Unter— stützungsbeträge, welche an und für sich schon auf einen verhältnißmäßig niedrigen Prozentsatz des thatsächlich erlittenen Schadens normirt waren, hätte zur Folge haben müssen, was wir im Hinblicke darauf, daß uns die Nothlage dieser anderen Beschädigten im Sinne des Gesetzes berücksichtigenswerther erschien als diejenige . Klingenberg, nicht für gerechtfertigt zu erachteen ver— mochten.
Dieses Alles hat mich in Uebereinstimmung mit dem Herrn Finanz-Minister zu der Ueberzeugung geführt, daß es bei allem Mit- gefühl für den mehrgenannten Beschädigten gegen unsere Pflicht ge⸗ wesen wäre, so zu verfahren, wie die Provinzial⸗-Kornmission vor— geschlagen hat. Deshalb ist der für jenen ermittelte Unter— stützungsbetrag nicht etwa erspart, sondern den anderen Be— schädigten zu Gute gekommen, welche dadurch wirksamere Hülfe erhalten haben. Diese Art der Verwendung ist von uns als die dem allgemeinen Landesinteresse am meisten entsprechende erkannt worden.
Nun hat der Hr. Abg. Rickert heute aus einer gedruckten Schrift des Hrn. Klingenberg verschiedene Spezialmomente vorgebracht. Die—⸗ selben in diesem Augenblick auf ihre objektive Richtigkeit und Voll—⸗ ständigkeit zu prüfen, ist mir ganz unmöglich, aber ich glaube — ohne dem Verfasser zu nahe zu treten — doch sagen zu können: diese Schrift wird wohl die Sachlage in einem dem zc. Klingenberg möglichst, vortheilhaften Lichte darstellen. Aber selbst aus diesem Schriftstück habe ich nicht die Ueberzeugung gewonnen, daß, wenn die fragliche Unterstützung gewährt worden wäre, dem Klingenberg eine wirksame und dauernde Hülfe in dem Maße zu Theil geworden sein würde, daß er sich in seinem Besitz hätte erhalten können. Die auf diesem Gute haftende Schuldenlast von etwa 1890 000 M ist doch gegenüber dem, glaube ich, sehr hoch angegebenen Werthe von 210 900 S6 so groß, daß die Existenz des Mannes wohl kaum durch die Gewährung der gedachten Beihülfe gesichert worden wäre.
Nun hat der Hr. Abg. Rickert die Frage aufgeworfen — und er hat die Freundlichkeit gehabt, die ich vollständig anerkenne, mich und die, anderen betheiligten Minister von jeder Verschuldung in dieser Sache freizusprechen — ob es nicht möglich sei, auf einem anderen, extraordinären Wege die erforderlichen Geldmittel bereit zu stellen, um dem Manne zu helfen. Darauf habe ich zu erwidern: handelte es sich hier um eine mäßige Summe, die sich etwa in dem Rahmen derjenigen Gnadenbewilligungen bewegte, welche üblich aus dem Allerhöchsten Dispositionsfonds bewilligt werden, so würde ich keinen Augenblick anstehen, den Herrn Finanz⸗Minister zu bitten, sich einem Immediat⸗ gesuch anzuschließen, durch, welches eine solche mäßige Hülfe erbeten wird. Dies sind indessen immer nur, ich will nicht fagen, minimale Summen, aber doch Beträge, mit denen Klingenberg nicht rechnen kann. Bei solchen außergewöhnlichen Ereignissen pflegen Se. Majestät in der Regel zu geruhen, Unterstützungen bis etwa zu dem Betrage von 3000 500904 zu gewähren, um Jemandem aus einer besonderen Nothlage zu helfen. Hier, wo es sich um 80 900 S handelt (Abg. Rickert: 60 000 — auf 80 090 S war der erforderliche Betrag ursprünglich festgestellt — ich will das nicht weiter erörtern — also, wo es sich jedenfalls um eine viel beträchtlicher Summe handelt, muß ich doch agen, daß ich den allgemeinen Zwecken des Allerhöchsten Dispositionsfonds gegenüber Bedenken tragen würde, einen solchen Antrag an die Allerhöchste Stelle zu richten, weil die Bedürfnisse, die aus diesem Fonds bestritten werden sollen, so überaus mannigfaltiger und dringender Natur sind, daß er der Regel nach schon zu seinem ganzen Betrage mit anderen Anforderungen oder Bitten in Anspruch genommen ist, die doch auch in erster Linie Berück— sichtigung verdienen.
Es würde somit nur übrig bleiben, im vorliegenden Falle den
ganz außergewöhnlichen und, wie ich glaube, noch niemals von der Landesvertretung betretenen Weg der Feststellung einer Staatshülfe für eine, einzelne Person durch ein Gesetz zu beschreiten. Meine Herren, ich zweifle sehr daran, daß die Staatsregierung sich dazu ent⸗ schließen würde, diesen Weg, wenn er von dem Hause der Abgeordneten vorgeschlagen würde, zu betreten, wegen der gar nicht zu übersehenden Berufungen und Folgerungen, die sich darauf gründen und daran knüpfen müßten. Aber ich möchte auch dem hohen Hause dringend anheimgeben, ob es wirklich zu einem solchen schweren Entschkusse kommen will, welchen ich meinerseits für außerordentlich bedenklich halten würde. Danach vermag ich zu meinem Leidwesen in der That einen weiteren Rath nicht zu gehen. Die gesetzlich bewilligte Summe ist voll und, wie Hr. Abg. Rickert wird anerkennen müssen, zweckentsprechend ausgegeben; die Verhältnisse haben es nicht gestattet, den beklagenswerthen Mann mit in den Rahmen, Derjenigen, denen eine, Entschädigung gewährt wurde, einzuschließen. Ein anderer Weg, ihm zu helfen, sei es durch Be⸗ willigung aus dem Allerhöchsten Dispositionsfonds, sei es — was ich für ganz ausgeschlossen erachte — durch eine besondere Vorlage, ist nicht abzusehen, und ich kann deshalb nur den Hrn. Abg. Rickert pitten, die Sache nicht weiter zu verfolgen. Mir wenigstens wird es kaum möglich, sein, irgend einen Vorschlag zu machen, der die geäußerten Wünsche zu erfüllen den Effekt haben würde. Der Abg. Dr. Wehr (Dt. Krone) machte darauf aufmerksam, daß der Perent nicht durch eigenes Verschulden, sondern bereits durch die Hochfluth von 1883 in eine Nothlage gekommen sei, und beantragte, die Petition der Regierung dahin zur Erwä— gung anheimzugeben, daß dem Petenten aus anderweitigen Fonds eine Unterstützung gewährt würde.
Der Abg. Freiherr von Minnigerode hob hervor, daß
vom gesetzlichen Standpunkt aus dem Petenten kein Unrecht
gethan sei. Vom ö Standpunkt aus empfehle er eine Unterstützung. Ueber eine Anregung dürfe aber das Haus nicht hinausgehen.
Der Vize⸗Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern, von Puttkamer, bemerkte:
Die eben gehörten Aeußerungen kann ich nicht ohne eine kleine an,. 1 . ; Der Hr; Abg; Rickert erkennt zunächst an — und das ist eigent⸗— lich selbstverständlich; ich wenigstens würde dieses Anerkenntnisses 6 bedürfen — daß die Regierung bei der Entscheidung über die Ver— theilung der Entschädigungen boöna tide gehandelt hat, und daß er selbst nach Maßgabe der Information, die den Ministern vorgelegen hat, an ihrer Stelle auch nicht anders entschieden haben würde. Er behauptet aber, diese Information sei eine ungenügende und mangelhafte, viel⸗ leicht auch eine unrichtige gewesen, und leitet daraus eine moralifche Verbindlichkeit für die Regierung her, nunmehr noch nachträglich ein— zul hg ren, be, diese Behaurt b
glaube, diese Behauptung zu begründen, sind die Unterlage denn doch nicht geeignet. Ich wiederhole — ö. hier weiter ö. Details einzugehen — als die Minister über, die Verthei⸗ lung des Fonds zu entscheiden hatten, ist uns in ausreichender Weise der Nachweis erbracht worden, daß die Insolvenz des Herrn Klingenberg thatsächlich bereits vor Eintritt der Wasserfluth vorhanden gewesen ist. Das allein, glaube ich, genügt, um, wenn auch nicht die Gewährung einer Beihülfe an ihn' zur Unmöglichkeit zu machen, so doch zur allersorgsamsten Prüfung der Frage aufzufor⸗ bern, ob man nicht über die ausdrückliche Intention des Gefetzes hinausgegangen sein würde, wenn man ihm gleichwohl eine Unter⸗ ien, ö. hätte . ie Sache läge ia ganz anders, wenn das Haus etwa ein Gese
des Inhelte beschlossen hätte: die Regierung 96 prüfen, wie . die Wassserschiden durch die Weichselüberschweinmung in den be— treff ynden Landestheilen gewesen seien, und möge dann den betreffenden Beschädigten entweder eine volle, oder eine nach einem bestimmten Proꝛentsatze bemessene Entschädigung zubilligen. Dann hatten wir
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