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als ungerechtfertigt herausstellen sollte, immer noch ein In⸗ teresse daran, den Selbsthülfeverkauf zu einem für ihn vor⸗ theilhaften zu gestalten. Daraus folgt, daß der Verkäufer, welchem gegenüber der Käufer die Erfüllungsweigerung aus— gesprochen hat, 1) wenn er eine Erklärung über die Wahl eines der ihm nach Art. 354 H.⸗G.⸗B. zustehen— den Rechte noch nicht getroffen hatte, eine solche Wahl erklären, und wenn er sich für den Selbsthülfeverkauf entscheidet, den Termin des angedrohten Verkaufs so ansetzen muß, daß dem Käufer die Möglichkeit, bei demselben seine Interessen zu wahren, gegeben ist. 27) Hatte der Verkäufer schon eine Nachfrist zur Erfüllung gewährt, so ist er an dieselbe nicht mehr gebunden, soweit sie die Zeitdauer über— schreitet, welche der Käufer zur Wahrung seiner Interessen beim Selbsthülfeverkauf beanspruchen kann. Im vorliegenden Fall war also der Kläger berechtigt, die Gewährung der Nachfrist zurückzuziehen, allein er mußte den Termin des angedrohten Selbsthülfeverkaufs auf eine Zeit fixiren, bis zu welcher es dem Beklagten auch möglich gewesen sein würde, sein Interesse bei demselben zu wahren.“
— Der Königliche Gesandte am Großherzoglich badischen Hofe, von Eisendecher, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während der Abwesenheit desselben von seinem Posten ist der Legations-Sekretär bei der Königlichen Gesandtschaft in Stuttgart, Dr. von Kleist, mit der Wahr— nehmung der gesandtschaftlichen Geschäfte in Karlsruhe als interimistischer Geschäftsträger beauftragt.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Hagelweide und Romeik in Königsberg i. Pr., Assistenz-Arzt Dr. Bötticher in Tilsit, Dr. Ascher in Dalldorf, Dr. Schröter in Potsdam, Dr. Proelß in Gramzow, Dr. Maaß in Hannover, Dr. Faber in Langendreer, Dr. Wethmar in Iserlohn, Dr. Hanau in Frankenau, Dr. Bieling in Hünfeld, Dr. Oidt⸗ mann in Aachen.
— Die 1. Torpedoboots⸗-Division, Divisions⸗Chef Kapitän-Lieutenant Heinrich Prinz von Preußen Königliche Hoheit, ist am 27. Juni er. von Chatham nach Kiel in See gegangen.
Württemberg. Stuttgart, 25. Juni. (St. -A. f. W.) Die Prinzessin Katharina von Württemberg hat sich heute zum Sommer-Aufenthalt nach Villa Seefeld begeben. In Friedrichshafen wurde Ihre Königliche Hoheit von dem König am Hafen begrüßt.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 27. Juni. (Thür. Corresp.. Der Großherzog und die Großherzo— gin treffen in diesen Tagen von Dornburg wieder hier ein, mit ihnen auch die Herzogin Johann Albrecht von Mecklenburg, welche zur Geburtstagsfeier des Großherzogs sich nach Dornburg begeben hatte.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Cob urg, 28. Juni. (W. T. B.) Der Herzog ist mit dem Prinzen Alfred von Edinburg, dem Sohne des Herzogs von Edinburg, gestern Abend aus England hier wieder eingetroffen.
Anhalt. Wörlitz, 25. Juni. (Anh. St..) Der h Hof siedelt heute von hier nach Ballenstedt über.
Oefterreich⸗ Ungarn. Wien, 27. Juni,. (W. T. B) Der König von Serbien stattete Nachmittags einigen
Mitgliedern des diplomatischen Corps Besuche ab; alsdann
nahm derselbe zusammen mit dem Kaiser an dem von dem Kronprinzlichen Paare zu seinen Ehren veranstalteten Diner in Laxenburg theil. Nach demselben verabschiedeten sich der Kronprinz und die Kronprinzessin, welche heute nach Galizien abreisen.
— 28. Juni. (W. T. B) Der Kronprinz und die Kronprinzessin sind gestern Abend nach Krakau abgereist.
Der König von Serbien empfing heute den englischen Botschafter Paget.
Großbritannien und Irland. London, 27. Juni. (A. C.) Die Königin gab am Sonnabend in Windsor ein großes Galabanquet, bei welchem außer den Mitgliedern der Königlichen Familie der König von Dänemark, der König von Griechenland, der Kronprinz von Schweden, der Großfürst und die Groß fürstin Sergius von Rußland, der Groß— herzog von Hessen, der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenburg-⸗Strelitz, Prinz Ludwig von Bayern, Prinz Ludwig von Baden und die meisten übrigen Jubiläumsgäste der Königin, sowie der Marquis von Salisbury, Lord Cranbrook, der Erzbischof von Canterbury und andere Würdenträger zugegen waren.
Der Herzog von Aosta hat am Sonnabend London verlassen und die Rückreise nach Italien angetreten.
— (W. T. B.) Im Unterhause theilte heute der Unter-Staatssekretär des Auswärtigen Fergusson mit, die ottomanische Regierung habe den lebhaften Wunsch ausge— drückt, daß die Ratifikation der englisch-türkischen Konvention auf den nächsten Montag festgesetzt werde; obschon eine so lange Verschiebung sonst nicht üblich sei, habe es die englische Regierung doch für ange— messen gehalten, dem Gesuche der Pforte zu entsprechen. Auf eine Anfrage erklärte Fergusson, bie Reihen— folge, in welcher die Königin die Glückwünsche der verschiedenen Botschafter und Gesandten entgegen— nahm, habe keine politische Bedeutung. Der Gesandte des Papstes sei in etwas früherer Stunde als einige andere Botschafter empfangen worden und im „Hofjournal“ seien die Audienzen vermuthlich der thatsächlichen Reihenfolge nach verzeichnet. Der Erste Lord des Schatzes Smith erklärte, die Wiederherstellung der diplomatischen Beziehun- gen mit dem Vatikan sei weder vom Papst noch von der englischen Regierung angeregt worden. Das Haus trat sodann in die Diskussion des Berichts über die irische StrafrechtsbilQl ein, und verwarf mit 180 gegen 119 Stimmen das von der Regierung bekämpfte Amendement Morley's, durch welches die Dauer der irischen Strafrechtsbill auf 3 Jahre begrenzt werden sollte. — So⸗— dann nahm das Haus die dritte Lesung der Bill, betreffend die Staatsschuld, an.
Das Oberhaus erledigte die Einzeldebatte der Bill, betreffend die Uebertragung des Grundbesitzes ohne wesentliche Amendements.
— (A. C.) Der Marquis von Hartington hielt am Sonnabend in Blackburn wiederum eine längere Rede, worin
er die Bildung einer neuen natio nalen Partei befür— wortete, deren Aufgabe es sein würde, Obstruktion, Revolution und Anarchie zu bekämpfen und gleichzeitig andere Uebelstände zu beseitigen und die Gesetzg'bung den Erfordernissen des Zeitalters anzupassen. Diese neue nationale Parteiwürde in großem Maß⸗ stabe eine liberale Partei sein und ihr Wachsthum dürfte dissen— tirende Liberale daran verhindern, zu ihrer alten Partei zurück— zukehren, oder sich den Reihen der Konservativen anzu— schließen. Das jetzige Parlament habe gute Dienste geleistet, indem es sich geweigert, irgend einen Schritt zu thun, der die legislative Union zwischen Großbritannien und Irland beein— trächtigen könnte. Keine Regierung würde ihres Namens würdig sein, welche gestattete, daß ihre Obliegenheiten von der Nationalliga in Irland usurpirt würden. Die Nützlichkeit einer Auflösung könne er nicht einsehen, so lange sich nicht eine gewaltige Aenderung in der Gesinnung des Landes kundgegeben habe. Schließlich urtheilte der Redner sehr ab— sprechend über den Plan Gladstone's, Homerule nicht nur Irland, sondern auch Schottland und Wales zu gewähren. — 28. Juni. (W. T. B.) Bei dem deutschen Botschafter Grafen Hatzfeldt fand gestern ein Diner statt, an welchem der König von Sachsen und Prinz Ludwig von Bayern theilnahmen. Nach dem Diner war Empfang, welchem Ihre Königliche Hoheiten der Prinz und die Prin⸗ zessin Wilhelm von Preußen, Großfürst Sergius von Rußland, der Großherzog von Mecklenburg— Strelitz, Erbprinz und Erbprinzessin von Sachsen— Meiningen und Prinz Ludwig von Baden beiwohnten. Dluhltkn, 7. Juni, (M. d. B) Die Krinzen Albert Victor und Georg, die Söhne des Prinzen von Wales, trafen heute hier ein, um die Königin bei den hier statt— findenden Jubiläums-Feierlichkeiten zu vertreten. Dieselben wurden von dem größten Theile der Bevölkerung mit Ehr— erbietung empfangen, während aus der Menschenmenge auf dem Wege zum Schlosse sich Pfeifen vernehmen ließ. Die Stadtbehörde nahm an dem Empfange nicht Theil.
Frankreich. Paris, 27. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkam mer stellte Labord ere J den Antrag, daß die Wahl des Senats durch das allgemeine Stimmrecht erfolgen solle, und verlangte die Dringlichkeit für seinen Antrag. Raynal (Opportunist) trat dem Antrage entgegen, da die Annahme desselben zu einer Beseitigung des Senats führen würde, dessen Beibehaltung wünschenswerth sei. Der Minister— Präsident Rouvier sprach sich in gleichem Sinne aus und forderte die Ablehnung der Dringlichkeit, welche alsdann mit 317 gegen 205 Stimmen verworfen wurde.
Die Kommission der Deputirtenkammer zur Vor— berathung der verschiedenen Anträge bezüglich des Ver— hältnisses der in Frankreich lebenden Ausländer hörte heute den Minister des Auswärtigen, Flourens, welcher sich auf Grund der Handelsverträge gegen die Vorschläge aussprach, von den Fremden eine Aufenthalts— steuer zu erheben und sie von der Theilnahme an Sub— missionen auf Lieferungen für den Staat auszuschließen. In
Folge dieser Bemerkungen des Ministers faßte die Kommission
einen neuen Antrag ab, nach welchem jeder Ausländer nur verpflichtet sein soll, eine Erklärung bezüglich seines Ausenthaltsortes abzugeben und seine Identität nach— zuweisen. Außerdem soll jeder in Frankreich lebende Ausländer dieselbe Abgabe entrichten, welche den Franzosen für Be— freiung vom Militärdienst auferlegt wird. Minister Flourens erklärte, daß ihm dieser Vorschlag keineswegs den Verträgen zuwiderzulaufen schiene.
Asien. Afghanistan. Simla, 27. Juni. (W. T. B.) Das „Reutersche Bureau“ meldet unter dem heutigen Datum, man erachte den Aufstand der Ghilzais gegen den Emir in voller Abnahme begriffen; viele Ghilzais seien nach Hause zurückgekehrt.
Zeitungsstimmen.
In einem der „Politischen Correspondenz“ aus . zugehenden Rückhlick auf die Reichstagssession heißt es:
Man wird bis in die ersten Jahre nach der Wiederaufrichtung des Reichs zurückgreifen müssen, um dem gleicher Geiste der Schaffensfreudigkeit und der Eintracht für große nationale Ziele in der Mehrheit des Reichstages zu begegnen. Die Session zeigt indeß noch eine andere Seite. Die freudige Bereitwilligkeit der Mehrheit des Reichstages hätte vielleicht kaum ausgereicht oder wäre auch nicht in solchem Umfange hervorgetreten, wenn nicht derselbe Sinn für die Staatszwecke des Reichs auch auf Seiten aller verbündeten Regierungen vorhanden gewesen wäre. Wie derselbe sich in erfreulichster Weise bei der im Dezember und Januar Hestandenen schweren Lage bekundete und in der kritischen Periode der Wahlbewegung bewährte, so haben auch die deutschen Fürsten selbst, der Regent von Bayern, die Könige von Sachsen und Württemberg, die Großherzoge von Baden und Mecklen— burg und Andere nicht nur dem Ergebniß der Wahlen ihren vollen und warmen Beifall gezollt, sondern auch zur Grreichung desselben ent⸗ schlossen beigetragen. Das Reich hat solchergestalt eine große Kraftprobe glänzend bestanden. Schneller und fester als im Jahre 1871 erwartet werden konnte, hat sich das duf gegenseitigem Vertrauen, auf der Treue um Treue beruhende Band schönster Eintracht geknüpft, weil Preußen die Einmüthigkeit höher stellte als die Einheit, und im Bundesrath nicht sein Uebergewicht, sondern die überzeugende Kraft des nationalen Gedankens wicken läßt, durch Rücksichtnahme im Kleinen das Große fördernd. Diese Einmüthigkeit für die Zwecke des Reichs trat deutlich hervor bei den Ver— handlungen, welche der Militärvorlage vorausgingen, nicht minder bei den Verhandlungen über die strategischen Eisenbahnen. Der— selbe Geist der Eintracht hat sich auch bei der Branntwein und der Zuckersteuer bethätigt, erstere ist wesentlich unter der sördern— den Mitwirkung der süddeutschen Regierungen zu Stande gekommen, wie dies auch aus ihren in der Kommission wie im Plenum des Reichstages abgegebenen Erklärungen erhellt. Dem Vertreter der welfischen Politik war es freilich im höchsten Grade unbequem, daß die deutschen Einzelstaaten seine aufdringliche „föderative“ Fürsorge und Bevormundung entschieden ablehnten und jzurückwiesen, wie dies der Bundesbevoll mächtigte Bayerns im Reichstage gethan, derselbe, welcher auch den Kaiser Namens des Bundesraths in Kiel mit Worten begrüßt hat, die in der Geschichte unserer nationalen Entwickelung eine dauernde Stätte finden werden. Die so erfreulichen vertrauens vollen Beziehungen zwischen den Höfen von Berlin und. München haben nicht wenig dazu beigetragen, die Unebenheiten ver— schwinden zu. machen, welche ehedem in der Geschlossenheit des Reichsverbandes hin und wieder hervorzetreten waren. Nach dieser Richtung hin ist auch wohl die Verleihung des Rothen Adler— Ordens 1. Klasse an den württembergischen e,, . von Renner anläßlich des Jubiläums desselben nicht ohne Bedeutung. Je mehr in Süddeutschland der Einblick in die Vielseitigkeit der umspannenden Interessen des Reichs und seiner Bedürfnisse zunimmt, desto mehr
befestigt sich auch in Volkskreisen, wie schon längst bei den Fürsten
die Ueberzeugung, daß die Existenz der Einzelstaaten zu keiner Zeit gesicherter., wohl aber meist viel unsicherer gewesen, als beute im Reichsverbande. — Deutschlands Feinde hat im Laufe der Jahr⸗ hunderte die leider nur zu oft nicht vergebliche Rechnang auf unsere Zwietracht ermuthigt und ihnen zu Erfolgen verholfen, welche die Nation schwer genug empfunden hat. Derartiges ist wohl auf lange Zeit hinaus ausgeschlossen, wenn die Parteien der Mehrheit auch ferner die Eintracht der Reichsgesinnung bewahren, welche sie bei den letzten Wahlen bekundeten und in welcher sie auch im Reichstage gesiegt haben. ..
— Die „Danziger Allgemeine Zeitung“ bemerkt über den Abschluß der Unfallversicherung:
Mit dem Gesetz über die Unfallversicherung der Seeleute ist die Sozialreform auf dem Gebiete des Unfallversicherungswesens zum Abschluß gelangt. Der Anfang wurde mit dem am 6. Juli 1884 erlassenen Gesetz gemacht, nachdem auf Grundlage und Vorbedingung desselben die Krankenversicherung im Jahre vorher geregelt worden war. Es folgte das Gesetz vom 28. Mai 1885 über die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung, durch welches die in Verkehrs⸗ betrieben beschäftigten Arbeiter versichert wurden. Durch beide Gesetze wurden im Ganzen 3421 866 Arbeiter der mit der uͤnfallpersicherung beabsichtigten Wohlthat theilhaftig. Weiter trat das Gesetz über die Unfall- und Krankenversicherung der in land— und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen vom 5. Mai 1886 hinzu, dessen Ausführung den Landesgesetzgebungen überlassen wurde; es werden durch dasselbe gegen 7 Millionen Personen der Versicherungspflicht unterworfen. In dieser Session ist ferner das Gesetz, betreffend die Unfallversicherung der bei Bauten beschäftigten Personen, über deren Zahl keine genaueren Angaben vorliegen, und das oben genannte Seeunfallversicherungsgesetz, welches sich auf etwa 37000 Personen erstrecken wird, zu Stande gekommen. Daneben ist noch das Gesetz über die Fürsorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes in'olge von Betriebsunfällen vom 15. März 1886 zu erwähnen, welchem indeß keine berufsgenossenschaftliche Organisation zu Grunde liegt, da an Stelle dieser der Staats- oder Kommunal-Verband tritt.
Es ist in den letzten Jahren — zumal von einer Seite, welche der Sozialreform abgeneigt war — wiederholt die Klage erhoben worden, daß die Reform nicht schnell genug vorwärts gehe, und daß dieselbe, soweit sie mit dem 1. Oktober 1885 ins Leben treten konnte, sich praktisch nicht bewähre. Was den letzteren Einwand anbetrifft, so haben die inzwischen gewonnenen Erfahrungen die Grundlosig⸗ keit desselben erwiesen: die bisherige Gesetzgebung hat sich im Großen und Ganzen bewährt, und sind namentlich auch die Klagen über die angeblich mit der berufsgenossenschaftlichen Organisation nothwendig verbundene Kostspieligkeit nach den bisherigen Erfahrungen als unbe⸗ rechtigt zurückzuweisen. Was aber die Langsamkeit des Vorgehens inbetrifft, mit welcher mittelbar auch der Vorwurf verbunden war, daß das Interesse an der Durchführung der Reform erlahmt sei, so lag dieser Auffassung wohl nur ein Mangel an richtigem Verständniß für die Größe der Aufgabe, für welche es bisher irgend ein Vorbild nicht gab, zu Grunde. Gerade auch die große Verschiedenartigkeit der Verhältnisse der verschiedenen produktiven Berufe erforderte bei der Ausdehnung des Uafallversicherungs gefetzes um so m hr eine große Vorsicht und Rück— sichtnahme. Es sind drei Jahre verflossen, seitdem das erste Unfall— gesetz in den Hafen gebracht wurde; wenn nunmehr die Unfallversiche⸗ rung zum Abschluß gebracht ist, so ist damit in Wahrheit so viel geleistet, wie kaum vor drei Jahren erwartet wurde. Es brauchte auch nicht ein Schritt zurückgethan zu werden, und für alle Unfall⸗ gesetze ist der ursprüngliche Grundsatz festgehalten und durchgeführt worden, daß die nach Berufen vereinigten Verbände der Betriebs—
unternehmer die Last der Unfallfürsorge allein zu tragen haben.
Nach den Erklärungen des Ministers von Boetticher sind wir jetzt so weit, daß nunmehr der zweite Theil des Sozialreformwerks, die Alters und Invalidenversicherung in Angriff genommen werden kann. Als Kaiser Wilhelm in seiner denkwürdigen Botschaft vom 17. November die positive Förderung des Wohles der Arbeiter sich zum Ziele etzte, schien die Verwirklichung dieses Gedankens auch nur nach der einen Seite hin, nämlich betreffs der Versicherung aller Arbeiter gegen Betriebsunfälle, zumal bei den nicht eben günstigen parlamentarischen Verhältnissen, im weiten Felde zu liegen. Am 14. April 1883 wandte sich der greise Kaiser in einer zweiten Borschaft an den Reichstag, worin er denselben mahnte, die Arbeiten zu fördern. Wörtlich heißt es in dieser Botschaft: „Wir haben es jederzeit als eine der ersten von Uns als Kaiser über iommenen Pflichten erkannt, der Lage der arbeitenden Klassen im ganzen Reich dieselbe Fürsorge und Pflege zuzuwenden, welche Wir in Preußen zur Förderung der von Unserem in Gott ruhenden Vater im Anfang dieses Jahrhunderts begründeten Reformen zu bethätigen suchen . . . . Die (für wirksame Reformen auf sozial⸗ politischen Gebiet) erforderliche Zeit ist eine lange für die Empfindungen, mit welchen Wir in Unserem Lebensalter auf die Große der Aufgaben blicken, welche zu lösen sind, ehe Unsere in der Botschaft vom 17. November 1881 ausgesprochenen Intentionen eine praktische Bethätigung auch nur so weit erhalten, daß sie bei den Betheiligten volles Verständniß und infolge dessen auch volles Vertrauen finden.“ Kaiser Wilhelm sieht nunmehr das Werk zu einem Theil abgeschlossen. Möchte es ihm vergönnt sein, recht bald auch die Versicherung der durch Alter und Invalidität Erwerbs unfähigen und die Wirkung erreicht zu sehen, welche mit den sozial— politischen Gesetzen bezweckt wird: die Förderung des inneren Friedens und die Wiederbelebung des Vertrauens der Arbeiter Der glückliche Abschluß der Unfallgesetzgebung wird für Alle, welche hieran mit— gewirkt haben, gewiß ein Sporn sein, das Werk zu vollenden.
— Die „Staatsbürger-Zeitung“ äußert in einem die deutsche Flotte betreffenden Artikel:
. Ohne kräftigen Schutz der Flotte kann nie der überseeische Handel zur höchsten Blüthe gelangen. Wie kurze Zeit ist es noch her, als dentsche Kaufleute an fremden Küsten den Schutz der Eng— länder anrufen mußten — das geschah zum Beispiel in Kamerun, gar nicht lange bevor das Land deutsch wurde — nur um sich vor plötzlichen Ueberfällen zu decken. Jetzt endlich hat die deutsche Kriegsflagge, und damit auch beträchtlich mehr die deutsche Handelsflagge, sich in Achtung gesetzt. Das emsige Streben, das unsere Export⸗-Kaufleute entwickeln in dem Bewußtsein, daß das Reich sie schützt, hat Deutschlands Handel zu einem gewaltigen Aufschwung verholfen. Bei dem Mangel ganz zuverlässiger Statistik läßt sich zwar der Aufschwung unseres Handels nicht so ganz mit Ziffern belegen, aber doch annähernd, und namentlich muß der Ver— gleich mit anderen Ländern verblüffen. Frankreichs Außenhandel betrug 1383 noch eine Milliarde und 853 Millionen; drei Jahre später nur noch eine Milliarde 500 Millionen. Während 1880 noch für 10 Millionen „Pariser Artikel! von Frankreich aus ins Ausland gingen, waren es 1883 nur noch 723 000 Fr., das heißt also noch nicht der zehnte Theil! Die „Pariser Artikel, werden eben jetzt von Deutsch— land geliefert. Und wie mit Frankreich, so ist es mit England. 1874 hatte England den vierten Theil des gesammten Welthandels ln der Hand, jeßt nur noch den zwanzigsten Theil. Während früher die englische Waare allenthalben den ersten Rang einnahm, hat die deutsche In⸗ dustrie dieselbe jetzt fast durchweg siegreich bekämpft. 1850 belief sich der deutsche Exporthandel auf etwa eine Milliarde, 1880 schon auf sechs Milliarden, jetzt auf gegen zehn Milliarden. Solche Zahlen zeigen unwiderleglich, an wen der von Frankreich und England verlorene Welthandel übergegangen ist. Unsere binnenländische Produktion sollte diese Zeichen, verstehen, und sich mit immer klarerem Blick dem uͤberseeischen Geschäft zuwenden. Die deutsche Waare hatte sich, trotz ihrer Vorzüge, lange, deshalb nicht einführen können, weil kleine Aeußerlichkeiten, die sogenannte Aufmachung“, Verpackung und dergleichen mißfielen. Jetzt hat der Deutsche darin gelernt. Ulber eine immer gründlichere Beschäftigung mit Handelsgeographie allein ist im Stande, unsere äußeren Ver⸗ bindungen zu halten und zu erweitern. Der Fabrikant im Inlande muß wissen, wie der Gaucho in Argentinien die wollenen Decken zu haben wünscht und wie das Absatzgebiet zu gewinnen ist; er muß
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wissen, ob eine Waare in Brasilien, Afrika oder sonst wo begehrt wird und welche Seeverbindung vorhanden ist. Nur so sind die Plätze des Weltmarktes zu erobern. . . ;
Fragen wir uns, wodurch der Deuntsche diesen schnellen Auf⸗ schwung nehmen konnte, so ergiebt sich als einzige Antwort: durch das politifche Zusammenraffen während dreier Kriege, durch Blut und Eifen. Jede Nation geht ja die ihrem Charakter entsprechenden Wege; für den Deutschen bedurfte es einer gründlichen Zusammen⸗ rüttelung, um ihm Selbstvertrauen zu geben. Auch unmittelbar für das deutsche Exportgeschäft sind unfere Kriege von Bedeutung; Waffen, Kriegsmaterial, Tuche, Uniformen bezieht das Ausland in Mengen aus Deutschland, weil dieses im Rufe der größten Kriegs— tüchtigkeit steht. . .
An der Entwickelung der Kriegsmarine aber, als der Beschützerin des Handels, hat der gesammte Handelsstand das größte Interesse, und knausern auf diesem Gebiete schädigt den Nationalwohlstand aufs Empfindlichste. Möge die deutsche Marine fortfahren, sich die Achtung des Auslandes zu erringen; denn die Achtung ist so gut wie manche gewonnene Schlacht.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Breslau, 27. Juni. (Schles. Ztg.) Die vorherrschend feuchte und kühle Witterung während des laufenden Monats, die erst seit ein paar Tagen besser zu werden beginnt, hat den vielversprechenden Saatenstand wohl überall nachtheilig beeinflußt und den Fortgang der Vegetation erschwert. Die Winterung steht zwar im Allgemeinen noch recht gut, hat sich aber überall da, wo sie zu dicht gestanden, be⸗ denklich gelagert. Hafer und Gerste sind ungleich gerathen, können sich aber noch erholen. Dasselbe gilt von den Zucker⸗ rüben; neben schön aufgegangenen Flächen bemerkt man auch im Wachsthum recht zurückgebllebene. Das Vereinzeln der Rüben wurde durch das unbeständige Wetter erheblich erschwert, dürfte aber in einigen Tagen vollendet sein. Ebenso wurde der Fortgang der Heuernte durch die Nässe gestört. Der erste Schnitt konnte nur dort glücklich eingebracht werden, wo er zeitig begonnen war. Die Qualität dürfte durch das recht lange Lagern, Ausbleichen und Wiedernaßwerden ge—⸗ litten haben, desto mehr befriedigt aber die Menge. Ueberhaupt ist der Klee⸗ und GraSwuchs in diesem Frübjahr ein so üppiger gewesen, wie selten zuvor. Wie Ernährung mit Grünfutter bekam dem Viehstande ausgezeichnet und begünstigte mehr als sonst die Milch- und Butter⸗ gewinnung. Auch die Gemengesaaten und Hülsenfrüchte ver— sprechen einen reichen Ertrag; weniger der Raps, der theilweise auch durch Käfer gelitten hat. Den Kartoffelfeldern ist der Regen auf leichtem und Sandboden gut bekommen; auf schwerem Boden und tiefer liegenden Aeckern hat augenscheinlich Fäulniß angesetzt. Die frühgelegten Sorten sind gut aufgegangen, während die späteren zu wunschen übrig lassen. Bie anfänglich prächtig gedeihenden Abst⸗ anlagen sind stellenweise durch Raupenfraß in der Entwickelung zurückgeblieben. Die Kirschenernte hat begonnen und scheint. zu be— friedigen; nur ist die Süßigkeit der Früchte durch die fehlende Sonnenwärme während der Reife beeinträchtigt worden. Die Ge— müsearten haben durch Nässe und Kälte ebenfalls stark gelitten, Die erftgelegten Gurken kamen gar nicht auf und mußten wohl überall nachgelegt werden. Ueber den zu erwartenden Ernteauefall kann selbst⸗ verftändlich ein sicheres Urtheil noch nicht abgegeben werden. Im Ganzen und Großen aber sind die Aussichten immer noch recht be⸗ friedigende, und wenn intensive Sonnenwärme die stellenweise recht nothwendige Trockenheit bald herbeiführt, so werden auch die noch in der Entwickelung zurückgebliebenen Feldfrüchte eine normale Reife erlangen können.
Gewerbe und Handel.
London, 27. Juni. (W. T. B) Wollauktion. Eine gute Auswahl von feiner Schweißwolle wurde zu festen Preisen größtentheils von Amerikanern aufgekauft. Preise im Allgemeinen unverändert, fehlerhafte scoured jedoch eher schwächer.
Glasgow, 27. Juni. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheifsen betrugen in der vorigen Woche 3100 Tons gegen 56600 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres,
Bradford, 27. Juni. (W. T. B. Wolle ruhig, Botany— wolle stetiger, Garne ruhig.
Submissionen im Auslande.
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21. Juli. Kriegs⸗Ministerium zu Sofia. Militärtuche in folgenden (gegen die frühere Ausschreibung modisizirten) Beträgen: 45 000 m graues Tuch zu Kapoten, 94 400 m dunkelgrünes, 2000 m dunkelblaues zu Waffenröcken, 490 m dunkelblaues, nicht; ge— walktes, 5h50 m dunkelgraues, nicht gewalktes, 1459 m rotes, 90 m weißes, 90 m gelbes Tuch; ferner 334 410. m Leinwand zu Hemden, 401 400 m Futterleinwand, 2 793 m flandrische Leinwand, 73 550 in „Rawentuch“ (3Zwillich zu Sommeruniformen), 3060 Schutzzelte nebst Zubehör, 29 020 fertige Stiefel, 29 020 Stiefel⸗ schäfte, 25 5h20 Oberleder, 58 649 Sohlenleder, 58 040 Halbsohlen. Lieferproben vor dem 13. Juli einzureichen.
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5. Juli. Eisenbahn-Direktion zu Aarhus. 80 000 Pfd. Eisen in Barren, Hi00 Pfd. Reifeisen, 700 Pfd. Halbrundeisen, 20 ob ö. Stangeneisen, 576 Eisenplatten, 8000 Pfd. Banklg-Zinn, doog Pfd. Blei, 10 00 Pfd. Bleiweiß, 2000 Pfd. Blei⸗Mennig, 8000 Pfd. Soda, 150 Pfd. Stearinlichte, 100 Pfd. Leim u. s. w.
III. Niederlande. ö
12. Juli, 2 Uhr. Instiz⸗Ministerium im Haag. Bau eines Justizpalastes in Zutphen. Voranschlag 105 600 Fl. Näheres an Ort und Stelle.
Verkehrs⸗Anstalten.
Amtlichen Nachrichten zufolge ist die Postverbindungzwischen Chile und Peru, welche aus Anlaß von Quarantäne⸗ Maßregeln unterbrochen war, nunmehr wieder hergestellt. In Folge dessen können Postsendungen nach Chüle und Boliyien. fortan auch wieder über Panama, und Postsendungen nach Peru auch wieder auf dem Wege durch die Magellanstraße ihrem Bestimmungsßort zugeführt werden.
Hamburg, 77. Juni. (W. T. . B.) . Der Post dampfer „Hungaria“ der Hamburg ⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellfchaft ist am 26. d. M. in Veracruz angekommen,
— 28. Zuni. (W. T. B.) Der Postdampfer - Lessing“ ist, von New⸗Hhork kommend, Nachts 12 Uhr auf der Elbe eingetroffen, und der Postdampfer Thuringia“ ist, von West⸗Indien kommend, heute in Havre eingetroffen.
Berlin, 25. Juni 1887.
Frankfurt a. M., 27. Juni. (W. T. B. Heute fand hier die Versammlung der Vertreter der Berufsgenossen— schaften behufs Begründung eines Verbandes der deut- schen Berufsgenofsenschaften statt. Anwesend waren etwa 150 Vertret«r von Genofsenschaftsvorständen, außerdem wohnten der Slaatssekretär, Staats-Minister von Boetticher, Ministerial Direktor Bosse, Präsident Boediker und Ober Bürger meister Miquel der Versammlung bei. Der Vorsitzende eröffnete die Versammlung mit einem dreimaligen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser. Nachdem die Versammkung durch das Frankfurter Lokal Comité begrüßt worden war, nahm der Staatssekretär von Boetticher das Wort und sprach seine Freude darüber aus, daß ihm die Einladung Gelegenheit gebe, den Vertretern der deutschen Industrie seinen Dank auszusprechen für die eifrige, verständnißvolle Mitarbeit an den sozialpolitischen Maßregeln, welche der Förderung des inneren Friedens gewidmet seien. Wenn die Gesetzgebung Fehler
werden könne. Dieser Einwurf beweise, daß man die große Bedeu⸗
rungen habe stützen können. Anfangs sei die Reichsregierung in Sorge gewesen, ob sie innerhalb der Industrie das er— forderliche, opferbereite Entgegenkommen finden werde; nach den jetzigen Erfahrungen sei, dieser Zweifel geschwunden und die Regierung gehe mit Zuversicht daran. den Berufs genossenfchaften weitere Aufgaben zuzuweisen, welche durch die Altersverficherung bedingt würden. Dieser Gesetzentwurf werde vor— aussichtlich früher zum Abschluß kommen, als man Anfangs zu hoffen gewagt habe; dann werde Deutschland auf dem Gebiete der Humanität eine Gefetzgebung besitzen, wie kein anderes Land, die aber hoffentlich auf ander Länder vorbildlich einwirken werde. Die heutige Organi⸗ sation solle die noch vorhandenen Mängel und Unebenheiten beseitigen helfen und in diesem Sinne wünsche er den Bestrebungen von Herzen Erfolg. J .
ö des provisorischen Ausschusses der deutschen Berufs— genossenschaften gab Dr. von Hasre- Leipzig Buchdrucker · Berufs⸗ genossenschaft) einen Ueberblick über die bisherige Thätigkeit des Aus⸗ schusses, welche heute ihren Abschluß finden solle, durch die Schaffung einer endgültigen Organisation der Berufsgenossenschaften auf Grund eines Statuts, welches der Ausschuß der Versammlung zur Ge— nehmigung vorlege. .
Ueber das Statut referirte Direktor Holtz-Berlin schemische Industrie). Seitens der Gegner des Unfallversicherungsgesetzes werde vorzugsweise geltend gemacht, daß der große Apparat der berufe⸗ genoffenschaftlichen Organisation über das Bedürfniß der Unfall dersicherung hinausgehe, und daß letztere viel einfacher und billiger durch bureaukratisch eingerichtete Versicherungsanstalten durchgeführt
tung des Unfallversicherungsgesetzes noch gar nicht erkannt habe. Das Verdienst, die Berufsgenossenschaften ins Leben ge⸗ rufen zu haben, sei an sich mindestens ebenso groß, wie das der Durchführung der Unfallversicherung selbst Es sei dadurch zum ersten Male eine selbständige wohlorganisirte gesetzliche Vertretung der ge— fammten deutschen Industrie geschaffen worden, welche befähigt und berufen sei, eine Reihe von Aufgaben zu lösen, die über den Rahmen der Unfallbersicherung weit hinausreichten. Von allen Seiten arbeite man daran, den Berufsgenossenschaften neue weitergehende Funktionen zu übertragen. Daß sie zu Trägern der in Vor— erestung begriffenen Invalidenversorgung gemacht werden sollten, sei bekannt, ebenfo, daß der Reichstag bei der Berathung der Arbeiter schutzgesetzgebung den Berufegenossenschaften eine Menge neuer Auf⸗ gaben (Normal -⸗Arbeitstag, Fabrikordnuagen ꝛc.) zugedacht habe. Für die Erstattung gewerblich technischer Gutachten würden die Genossen⸗ schaf́tsvorstände schon jetzt vielfach als Sachverständigen Kollegien Seitens der Behörden in Anspruch genommen, und Seitens der Re— gierungen werde gegenwärtig eine von vielen wirthschaftlichen Korpo—⸗ rationen unterstützte Eingabe erwogen, welche dahin ziele, eine dauernde organische Einrichtung in diesem Sinne zu schaffen. Von anderer Seite gehe man noch weiter und wolle die Regelung der ge— werblichen Produktion nach Maßgabe des wechselnden Bedarfs in die Hände der Berufsgenossenschaften legen, um so eine der Haupt quellen wirthschaftlicher Krisen zu verstopfen. Man könne gegen viele dieser Pläne sich ablehnend verhalten; jedenfalls bewiesen 6. die große Entwickelungsfähigkeit der Berufsgenossenschaften, deren Organisation stets als einer der fruchtbarsten gefetzgeberischen Gedanken des Fürsten Bismarck werde anerkannt werden,. Diese weitere Entwickelung stets im Auge zu behalten und Einfluß auf dieselbe zu gewinnen sei in erster Linie Sache der Genossenschaften selbst, und deshalb sei es nothwendig, eine Vereinigung zu bilden, welche die Interessen der Gesammtindustrie in allen diesen Fragen vertreten solle. Aber abgesehen von diesen weiteren Zielen habe auch schon die nächst— liegende Aufgabe der Berufsgenossenschaften, die Unfallversicherung, das Bedürfniß eines engeren Zusammenschlusses allgemein fühl bar
gemacht. Täglich tauchten auf diesem Gebiete neue Fragen auf, zu der Gesammtheit zu Gute komme, und die Schwierigkeiten durch ge⸗ meinsame Arbeit und Erörterung beseitigt würden. In diesem Sinne empfehle er (Redner) die einmüthige Annahme des vorliegenden Statutenentwurfs. ; ,
Der Präsident Bödiker konstatirte, um Mißverständnissen vorzu⸗ beugen, daß alle Berufsgenossenschaften das gleiche Maß von Selhst⸗ ständigkeit genössen, und daß das Verhältniß derselben zum Reichs⸗ Versicherungsamt jeden Zweifel an Harmonie ausschließe.
Das Statut wurde schließlich er blos angenommen.
Als Mitglieder des geschäftsführenden Ausschusses wurden gewählt: Die nordöstliche Baugewerks Berufsgenéssenschaft, die Norddeutsche Textil ⸗Berufsgenossenschaft, die Rheinisch.Westfälische Maschinenbau⸗ und Kleineisen-Industrie, die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, die Knappschafts⸗Berufsgenossenschaft, die Zucker⸗ Berufsgenossenschaft, die Norddeutsche Holzindustrie⸗Berufsgenossen⸗ schaft, die deutsche Buchdrucker⸗-Berussgenossenschaft, die Brauerei und Mälzerei⸗Berufsgenossenschaft, die Steinbruchs und Speditions— genossenschaft Den Vorsitz soll die Buchdrucker⸗Genossenschaft führen.
Zu Punkt 7 der Tageßordnung (Verständigung mit den Regie rungen in Betreff der behördlichen und berufsgenossenschaftlichen Un⸗ fallverhütungs⸗Vorschriften) erklärte der Staatssekretär von Boet ticher, daß bei einer Kollision von genossenschaftlichen und behörd⸗ lichen Vorschriften die Jetzteren nicht ohne Weiteres außer Kraft ge—⸗ setzt werden könnten, die Regierung werde aber die Behörden an⸗ weisen, in allen Fällen eine Verständigung mit den Genossenschaften zu suchen. . .
Zu Punkt 3 der Tagesordnung (Verhältniß und Stellung der Vertrauensmänner und Beauftragten der Berufsgenossenschaften zu den staatlichen Aufsichtsbehörden) bedauerte Dr. Martius — Verlin, daß für die Ausführung der vom Reich erlassenen Gewerbeordnung nicht auch eine Reichsbehörde maßgebend sei. In einer, Genossen— schafts. Sektion, dis sich Über mehrere Staaten erstrecke, ständen oft 3 oder mehr Staatsbeamte mit verschiedenen Ansichten dem Be— auftragten der Genossenschaft gegenüber. Der Redner hoffte, daß durch Einsetzung einer gewerblich-technischen Behörde für das Reich auch diefer Uebelstand werde beseitigt werden. Der Ministerial— Direktor Boffe versprach, daß der Antrag wegen einer gewerblich⸗ technischen Reichsbehörde eingehend erwogen werden solle; eine Abhülfe des gerügten Uebelstandes sei dadurch aber nicht immer zu erwarten, doch werde die Regierung stets bereit sein, wenn Selbstverwaltungs“ organe sich vertrauensvoll an sie wendeten, berechtigte Interessen der Industrie wahrzunehmen. ; .
Zu Punkt 4 (Unfallstatistik) wurde beschlossen, daß der geschästs⸗· führende Ausschuß eine Kommisfion niedersetzen solle, welche in Ge— meinschaft mit dem Reichs⸗Versicherungsamt geeignete Normen für die Unfallstatistit aufstellen solle. ö. ö
Punkt 6 der Tagesordnung (Entschädigungsfeststellungen mit Rücksicht auf die Entscheidungen der Schiedsgerichte und des Reichs⸗ versicherungsamtz sowie Aufstellung einer allgemeinen Inpaliditäts⸗ scala wurde von der Versammlung für undurchführbar erklärt.
Die Punkte 7 (Entschädigungsfeststellung für nur zeitweilig be⸗ schäftigte Tagesarbeiker, 8 (Ausdehnung der Veisicherungspflicht auf die bei dem Unternehmer im Privatdienst beschäftigten Personen) und 9 Gulässigkeit einer Kautionserhebung beim Besitzwechsel in gleicher Weise, wie bei der Betriebseinstellung) wurden zurückgezogen.
Die Punkte 10 (Gründung eines Verbandes der Berufsge nosser— schaften zur gegenseitigen Versicherung der Genossenschaftsorgane gegen Unfälle bei Ausübung ihrer amtlichen Obliegenheiten) und 11 (Be— stimmung des Ortes und der Zeit des nächstjährigen Berufsgenossen⸗ schaftstages) wurden dem Ausschuß zur Erledigung überwiesen.
Morgen soll ein gemeinsamer Ausflug nach dem Niederwald stattfinden.
Köln, 27. Juni. (W. T. B.). Bei dem Mülheimer Eisenbahnunfall find nur 2 Damen aus Berlin, Mutter und Tochter, schwerer verletzt und befinden sich im Mülheimer Kranken haufe; die übrigen Verletzten, 15 bis 20 an der Zahl, meist Damen, find nur leicht beschädigt, wurden auf der Unglücksstätte verbunden und reisten alsbald weiter.
enthalte, so liege der Grund darin, daß man sich nicht auf Erfah—
deren Lösung es wünschenswerth sei, daß die Erfahrung der Einzelnen
Im Königlichen Opernhause gelangte am gestrigen Abend Meyerbeer's Prophet“ zur Aufführung. Die Neubesetzung dreier Rollen nahm das Interesse der Zuhörer besonders in Anspruch. In der Rolle der „Fides“ trat Frau Staudigl auf und wurde den An— forderungen der Partie in durchaus anerkennenswerther Weise gerecht. Die Gastin war bereits neulich als Amneris in „Aida“ aufgetreten und hatte gleich an diesem ersten Abend einen bedeutenden Erfolg zu verzeichnen gehabt. Die wohlklingende, volle Stimme der Dame eignet sich vortrefflich für die Sängerin der „Fides“ und zeigte sich gestern wieder in der seelenvollen Schönheit, welche ihr einen besonderen Reiz verleiht. Aber nicht nur die gefangliche Leistung verdient Beifall. sondern auch die dramatische, welche für diese Rolle, wenn anders sie einen vollen Genuß gewähren soll, keineswegs zu unterschätzen ist. Auch hier zeigte sich Fr. Staudigl als gewandte Künstlerin, welche den ihr ge— zollten Beifall als eine gerechte Anerkennung für ihr Streben und Können hinnehmen darf. Tie Rolle des „Johann von Leyden“ war Hrn. Oberländer anvertraut worden und gelangte durch denselben in erfreulicher Weise zur Geltung. Der gut geschulte, wohlklingende Tenor, die deutliche Aussprache sowie das gefällige Auftreten des Gastes zeigen, daß derselbe eine tüchtige künstlerische Kraft ist, welcher die Erledigung bedeutender Aufgaben wohl zuzutrauen ist. Die „Bertha“ wurde von Frl. Alt recht ansprechend gegeben, ein wenig mehr Leiden— schaftlichkeit könnte ihrem Spiel und Vortrag nur zum Vortheil ge⸗ reichen; an dem Beifall, welcher der gestrigen Borstellung gezollt wurde, hat auch sie Antheil; in erster Linie gebührt derselbe jedoch wohl der Frau Staudigl.
Morgen, Mittwoch, und übermorgen, Donnerstag, finden die zwei letzten Gastvorstellungen des Friedrich⸗Wilhelmstädter En sembles im Ostend⸗Theater statt. Mittwoch wird der „Zigeunerbaron“ zum letzten Male gegeben und Donnerstag als Ab⸗ fchieds⸗-Gastvorstellung dürfte die Aufführung der „Fledermaus“ statt⸗ finden, in welcher sich Frl. Wrack als „Rosalinde“ von dem Ber— liner Publikum verabschieden wird.
Bäder-⸗Statistik.
Personen Aachen bis zum 23. Juni (seit dem 1. Januar, Fremde) . 12 191 Alexisbad bis zum 15. Juni (30 Kurgäste, 290 sonstige JJ 320 St. Andreasberg bis zum 15. Juni (Kurgäste!⸗! 4 136 Beden-Baden bis zum 21. Juni (Badegäste u. Passanten) 15935 Berka a4. d. Ilm bis Mitte Juni (Kurgäste).. .. 204 Bertrich bis zum 15. Juni (KFurgäste) . 198 Blankenburg (Schwarzathal) bis Mitte Juni (Kurgäste) . 156 CGharlottenbrunn bis zum 18. Juni (außer 194 Parteien Er— holungsgäste mit 258 Personen, 170 Parteien Kur— . JJ 335 Elmen (bei Großsalze) bis zum 21. Juni (Kurgäste und ö k 1532 Elster bis zum 21. Juni (außer 196 Durchreisenden, Kur— gäste) JJ 1385 Ems bis zum 21. Juni (Badegäste und Passanten) .. 1605 Flinsberg bis zum 18. Juni (außer 194 Parteien Erholungs⸗ . . gaͤste mit 258 Pers. 170 Part, Kurgäste mit Pers.) 333 Frankenhausen (Kyffhäuser) bis Mitte Juni (darunter ; . 6 Pfleglinge der Kinderheilanstaltvt;t.. 105 Franzensbad bis zum 21. Juni (Badegäste und Passanten) 1549 Friedrichroda bis Mitte Juni (Kurgäste7? !.. 379 Glücksburg bis zum 23. Juni / 284 Goczalkowitz bis zum 22. Juni (außer 59 Durchreisenden, d, i 142 n, tt,, 311 Hamm bis zum 18. Juni (61 ständige Badegäste u. ca. 450 . vorübergehende Fremde, zusammen Ca.)... 510 Harzburg bis zum 12. Juni (außer 1188 Passanten bis zum . 9. Juni, Kurgäste) . ö K 230 Helgoland bis zum 24. Juni (Nrn.) 17 , e , 252 Johannisbad bis zum 15. Juni (126 ,, 223 Karlsbad bis zum 21. Juni (Badegäste und Passanten, , 12 645 Königsborn bis zum 15. Juni (außer 180 Passanten stän—⸗ . dige Kurgäste). JJ 312 e n tete, 105 W , 501 Kranz (Ostsee) am 15. Juni (anwesende Kurgäste) ... 85 Kreumach bis zum 13. Juni (Fremde) 1166 Kudowa bis Mitte Juni (außer 146 Erholungsgästen, Kur— . gäste) J 289 Landeck bis zum 15. Juni (außer 377 Erholungsgästen und durchreisenden Fremden, Kurgäste) . 469 k 629 Langensalza bis Mitte Juni (Kurgäste) ss. 210 Lauterberg (Harz) bis zum 16. Juni (Kꝗurgästeꝛꝰ !.. 217 Liebenstein (S. Meininger) bis Mitte Juni (Kurgäste) 197 Lippfpringe bis zum 26. Juni (ohne Passanten, wirkliche . Kurgäste) d 1230 . 408 n bi nm h, nt (Fremder, 1831 Neuhäufer am 15. Juni (anwesende Kurgäste! .... 210 Oldesloe bis jum 15. Jun (Badegäste 114 Seynhausen bis zum 23. Juni (außer 2821 Durchreisenden, d 2243 mn, m , mn Fön ssn, 305 Reichenhall bis zum 21. Juni (außer 880 Vassanten-Parteien; ö 1127 Saljbrunn bis zum 21. Juni (.90 Nrn. der Kurgäste mit Begleitung, Gesammtfrequenz).. 1300 Salzungen bis Mitte Juni (Kurgäste)?! .... 300 Schmalkalhen bis Mitte Juni (Kurgästez;;. 183 Schwarzburg bis Mitte Juni Kurgäste)ẽ!; 150 Soden (Taunus) bis zum 15. Jun (anwesende Kurfremde) 765 Schwarzort am 15. Junt (Anwesende)́˖n 3.2 105 Sonneberg (Sachsen⸗Meiningen) bis Mitte Juni (Kurgäste) 101 Soden a4. d. Werra bis zum 21. Juni (Badegäste und ̃ , 130 Suderode bis zum 15. Juni (Kurgäste!!... 450 Sulza bis zum 20 Juni (234 Parteien)) .. 4126 Teplitz Schönau bis zum 21. uni,. (Badegäste u, Passanten) 7592 Thale (Harz) bis zum 14. Juni C7 Kurgäste und 229 . sonstige Fremde, zusammmen) 23. 306 Travemünde bis zum 15. Juni (Badegäste)) 5 =. 191 Warmbrunn bis zum 23. Juni (außer 513 Parteien Er— holungsgäste und durchreisende Fremde mit 717 Pers., . 550 Kurparteien mit Pers) . 2 16 Westerland⸗Sylt bis zum 24. Juni (Kurgäste u. Passanten) 262 Wiesbaden bis zum 26. Juni (Freinde, mit Einschluß der ö, G 43 563 Wildungen bis zum 18. Juni (69 Nrn):; : 956 Von anderen Bädern wurden bis Mitte Juni besucht; Altenau (Harz) von 40, Arendsee von 29, — Blankenhain ,,. von 15, — Gandersheim von 47, — Georgenthal (Herzogih. Gotha von 28, — Groß ⸗Tabarz von 70, — Helmstedt von 79, — Herzberg (Harz) von 41, — Kammerberg von 98, — KLuxhaven von ?, — Lobenftein (Reuß) von 35, — Louisenhall (bei Stotternheim] vn 27 — Lünehurg von 79, — Neukuhren von 70, — Niendorf ((Ostsee) von 83, — Oberhof von 60, — Rastenburg (Thüringen) von 21. — Rauschen von 56, — Ruhla von 84, — Sachsa von 50. — Salz deifurth von 73, — Salzhemmendorf von 29, — Schwarzwald (Herzogth. Gotha) von 2, — Tennstädt von 30, — Thal (Herzogth. Gotha von 90 Kurgästen, — bis zum 20. Juni: Wassersleben von 70 Pers, — bis zum 25. Juni: Gravenstein von 16 Pers., — bis zum 23. Juni: Kollund von 16 Pers.