1887 / 157 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Jul 1887 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Der bisherige kommissarische Kreis⸗Schulinspektor und Seminarlehrer Michael von C . in Dirschau ist zum Kreis-Schulinspektor ernannt worden,. ö

Dem Seminar-Direktor Freundgen ist das Direktorat des Schullehrer⸗Seminars zu Paradies verliehen worden.

Den Oberlehrern Dr. Gustav Gemß und Dr. Felär Müller am Luisen-Gymnasium in Berlin ist das Prädikat

rofessor beigelegt worden. . fehr bisherige Kreis-Wundarzt des Stadt- und Landkreises Dortmund, Dr. Schulte in Hörde, ist zum Kreis⸗Physikus des Kreises Hörde ernannt worden.

Erlaß des Ministers der geistlichen Angelegenheiten, betreffend die kirchenregimentliche Aufsicht über die Vermögensverwaltung der evangelischen Kirchengemeinden im Bezirk des Königlichen

Konsistoriums zu Kassel.

Zur Ausführung der Presbyterial⸗ und Synodalordnung für die evangelischen Kirchengemeinschaften im Bezirk des Konsistoriums zu Kassel vom 16. Dezember 1885 bestimme ich unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der 88. 18, 44 und 77 derselben rücksichtlich der kirchenxegimentlichen Ausfsicht über die Vermögensverwaltung der Kirchengemeinden das Folgende: 81.

Zu den Beschlüssen der kirchlichen Gemeindeorgane, ist die if inn unf. ö kirchlichen Aufsichtsbehörden in folgenden Fällen einzuholen: . Fallen, ber ö. Erwerb, 9. Veräußerung oder der dinglichen

elastung von Grundeigenthum; ; ö . 9 außerordentlicher Benutzung des Vermögens, welche die Sübstanz selbst angreift; ö

3) bei Kündigung und Einziehung von Kapitalien, welche nicht zu verzinslicher Wiederausleihung erfolgt;

4) bei Ausleihung von Kapitalien auf Hypothek; bei Anlegung derselben in anderen als den in ö. der Vormund schaftsordnung vom 5. Juli 1875 vorgeschriebenen Werth—

en; . . ö bei Anleihen, welche nicht blos zur vorübergehenden Aushülfe dienen und ö . Einnahmen derselben anschlagsperiode erstattet werden sollen; . . von Prozessen und Einlassung in solche, wenn dieselben nicht die Eintreibung fortlaufender Hinsen und Gefälle oder die Einziehung ausstehender Kapitaglien, deren Zinsen ,,, geblieben find, betreffen und bei Abschließung

Vergleichen; . ö. 536 . und Niederschlagung von kirchlichen Ein— künften; ö J s) bei Annahme von letztwilligen Zuwendungen und S ungen;

hen 39 Neubauten oder mehr als 300 kostenden Repa⸗ raturen, bei konstruktiven und architektonischen Veränderungen, desgleichen . . und erheblichen Herstellungen im Innern der Kirchen; . ) J 1) bei der Anlegung oder Aufhehung kirchlicher Begräb⸗ nißplätze oder . Aufstellung von Bestimmungen über die . tzung derselben; . ö he Aufstellung von Bestimmungen über die Benutzung von Kirchenstühlen; ,

12) bei Einführung eines neuen Beitragsfußes der Kirchenumlagen und bei Aenderung des bestehenden;

13) bei Veränderung bestehender und Einführung neuer Gebührentaxen; .

14) bei Bewilligung aus der Kirchentasse zur Dotirung neuer Stellen für den Dienst der Gemeinde, sowie zur dauernden Verbesserung des Einkommens bestehender Stellen; bei dauernder Verminderung solcher auf der Kirchenkasse

tender Leistungen; ö 15) bei dr ndlung veränderlicher Einnahmen der kirchlichen Beamten in feste Hebungen oder bei Umwandlung von Naturaleinkünften in Geldrente, soweit solche nicht in dem gesetzlich geordneten Ablösungsverfahren erfolgt;

16) bei. Verwendung des kirchlichen Vermögens zu anderen als den bestimmungsmäßigen Zwecken; .

17) bei Forderung einer nicht schon feststehenden Leistung von den Gemeindegliedern. ö

Die Genehmigung wird vom Minister der geistlichen An— gelegenheiten ertheilt: . J

1) bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von Grundeigenthum, wenn der Werth des zu erwerbenden oder zu veräußernden Gegenstandes oder wenn der Betrag der Belastung die Summe von 10000 (⸗ übersteigt;

2) bei der Exrichtung neuer für den Gottesdienst best immter Gebäude; .

3) bei der Anlegung von h hitchen Begräbnißplätzen.

In Fällen der Verwendung kirchlicher Vermögenstheile zu anderen als den bestimmungsmäßigen Zwecken, in welchen a. die Substanz des Stiftungsvermögens betroffen wird, p., die Stiftung selbst dauernd geändert oder der Ertrag kirchlicher Vermögenstheile zu anderen als den be— stimmungsmäßigen Zwecken dauernd verwendet werden, c. die Zuwendung für einen nicht kirchlichen Zweck erfolgen soll, . ist vom Konsistorium sowohl behufs Erwirkung der erfsorder— lichen Allerhöchsten als auch behufs der von dem Minister der geistlichen Angelegenheiten selbst zu ertheilenden Genehmigung an den Letzteren zu berichten.

In allen übrigen 3 ist das Konsistorium die zur Ge—

nehmigung zuständige Behörde.

In allen Fällen, in welchen die Beschlüsse der Presbyterien der Genehmigung der kirchlichen bezw. der staatlichen Aufsichts— behörden bedürfen, ist der darauf gerichtete Antrag dem Kon— sistorium zur weiteren ö vorzulegen.

Im Uebrigen sind die friihen Aufsichtsbehörden kraft der ihnen zustehenden Beaufsichtigung der vermögensrechtlichen Wirksamkeit der Gemeindeorgane vornehmlich berechtigt und

verpflichtet, . 1I) die , . und deren Mitglieder zur pflicht—

Vorschriften die Gemeindeorgane für die gesammte vermögens⸗ rechtliche Thätigkeit oder für einzelne Zweige derselben zu zweckmäßiger Wirksamkeit anzuleiten,

2) Veschwerden, welche gegen die Gemeindeorgane oder deren Beschlüsse erhoben werden, zu bescheiden,

3) bei der Superrevision der Rechnungen oder bei anderem Anlaß ungerechtfertigten Maßnahmen der Gemeindeorgone, die Anerkennung zu versagen und die Unterlassung pflichtmäßiger Obliegenheiten zu rügen.

. den 5. Juli 1887.

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-A1Angelegenheiten. von Goßler.

Justiz⸗Ministerium.

Die Rechtsanwälte Krueger und Schweichler in Sensburg sind zu Notaren für den Bezirk des Qber-Landes—⸗ gerichts zu Königsberg, mit Anweisung ihres Wohnsitzes in Sensburg, . .

der Rechtsanwalt Malkwitz in Labiau ist zum Notar für den Bezirk des Ober-Landesgerichts zu Königsberg, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Labigu, und .

der Rechtsanwalt Eißfeldt in Northeim zum Notar für den Bezirk des Landgerichts zu Göttingen, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Northeim, ernannt worden.

Evangelischer Ober-Kirchenrath.

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Der in die Oberpfarrstelle zu Egeln berufene bisherige

Superintendent der Diözese Lützen, Oberpfarrer Klapproth

zu Lützen, ist zum Superintendenten der Diözese Egeln, Regierungsbezirk Magdeburg, bestellt worden.

Abgereist: Se. Excellenz der Direktor im Reichs-Justiz— amt, Wirkliche Geheime Rath Hanauer, nach Tirol;

Se. Excellenz der Vorsitzende der Civilgesetzbuchs⸗Kom— mission, Wirkliche Geheime Rath Dr. Pape, nach Homburg v. d. Höhe.

In der heutigen Handelsregister⸗-Beilage wird Nr. 27 der Zeichenregister-Bekanntmachungen veröffentlicht.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 8. Juli. Se. Majestät der Kaiser und König machten, wie „W. T. B.“ aus Ems meldet, gestern nach dem Diner mit dem Prinzen Wilhelm eine Ausfahrt im offenen Wagen und wohnten Abends der Theatervorstellung im Kursaale bei. Heute setzten Se. Majestät die Trink- und Inhalationskur fort und machten mit dem General Grafen Lehndorff eine Ausfahrt im offenen Wagen. Am Diner bei Sr. Majestät wird Prinz Nikolaus von Nassau theilnehmen.

Ihre Majestät die Kgiserin und Königin empfing gestern in Koblenz den Besuch Ihrer Majestät der Königin von Griechenland, Ihrer Kaiserlichen Hoheit. der Herzogin Wera von Württemberg, Großfürstin von Rußland, Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Therese von Bayern und Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Georg von Griechen— land. . .

Die Hohen Herrschaften trafen mit Gefolge von Wies⸗ baden ein und kehrten nach kurzem Aufenthalt dahin zurück.

Ihre Majestät die Kaiserin traf, wie „W. T. B.“ meldet, heute Nachmittag 1 Uhr mittelst Extrazuges zum Besuch Sr. Majestät des Kaisers in Ems ein und wird um 2 Uhr nach Koblenz zurückreisen.

Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend 5 Uhr von Ems nach Potsdam abgereist.

In der am J. d. M. unter dem Vorßttz des Staatstz— Ministers, Staatssekretärs des Innern, von Boetticher abge— haltenen Plenarsitzung des Bundesxraths wurde die Zustim— mung ertheilt: dem Entwurf einer Verordnung, betreffend die Aufhebung des Verbots der Ausfuhr von Pferden, dem Gesetz⸗ entwurf, betreffend den Verkehr mit Kunstbutter mit den vom Reichstage beschlossenen Abänderungen, dem Entwurf einer , über die Prüfung der Seeschiffer und Seesteuerleute auf deutschen Kauffahrteischiffen und dem Ent— wurf der Grundsätze eines einheitlichen Syscems zur Bezeich⸗ nung der Fahrwasser und Untiefen in den deutschen Küstengewässern. Den Eingaben von Betheiligten der Uhren-Industrie wegen des Erlasses von Uebergangs⸗ bestimmungen zu dem Gesetz über den Feingehalt der Gold- und Silberwaaren und den Eingaben mehrerer Pulverfabrikanten und eines Gußstahlfahrikanten wegen der Bezeichnung weiterer, vorzugsweise als Schießmittel dienender Sprengstoffe beschloß die Versammlung keine Folge zu geben. Endlich wurde noch über den Austritt zweier preußischer Kreise aus dem Bereich einer Unfallversicherungs⸗Berufsgenossenschaft und Zuweisung derselben zu zwei anderen Berufsgenossen⸗ schaften, über die Abänderung des Reglements für die Ein⸗ ziehung und Verrechnung der beim Reichsgericht in Ansatz kommenden Kosten, über die Zollbehandlung verschiedener Gegenstände und über die Rekursgesuche zweier Beamten gegen ihre unfreiwillige Versetzung in den Ruhestand Be— schluß gefaßt.

Bei einer Schenkung durch Cesfion einer Forderung ist in Preußen die Cessions⸗-Urkunde, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 25. April d. J., nur dann mit dem (nach dem Betrage der abgetretenen Forderung bemessenen) chen kungsstempel zu sehen, wenn in ihr der Schenkungswille als Rechtsgrund der Cession erkennbar zum Ausdruck gelangt ist. Ist dies aber in der Urkunde nicht zum Ausdruck gebracht, so unterliegt diese nur dem Cessionsstempel.

Der General-Inspecteur der Fuß⸗Artillerie, General⸗ Lieutenant Roerdansz, ist von Dienstreisen zurückgekehrt.

Der General-Lieutenant von Grolman, Direktor des Departements für das Invalidenwesen im Kriegs— Ministerium, hat einen Urlaub bis Mitte k. M. nach Thüringen angetreten.

Der General-Lieutengnt von Hahnke, Commandeur der 2. Garde⸗Infanterie-⸗Division, ist von dem Kommando nach London bezw. von Urlaub hier wieder eingetroffen.

Der Dampfer „Hohenzollern“ mit dem Ab— lösungskommando für S. M. Kreuzerkorvette „Olga“ Bis⸗ marck“ und „Sophie“ ist am 6. Juli er. in Adelaide eingetroffen und hat am T. dess. Mts. die Reise fortgesetzt.

S. M. Kanonenboot „Iltis“, Kommandant Kapitän— Lieutenant von Eickstedt, ist am J. Juli er. in Singapore ö und beabsichtigt, am 13. dess. Mts. die Reise fort⸗ zusetzen.

Potsdam, 8. Juli. (W. T. B.). Se. Königliche Hoheit Prinz Wilhelm ist heute Vormittag hier ein— getroffen.

Württemberg. Ludwigsburg, 6. Juli. (Schw. Merk.) Der Prinz und die Prinzessin Wilhelm von Württem⸗ berg sind heute in Marienwahl eingetroffen. Der Prinz Herrmann zu Sachsen-Weimar ist gestern aus England hier wieder eingetroffen.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 6. Juli. Die „Lan⸗ des⸗Itg. f. Els.-Lothr.“ veröffentlicht folgende Bekanntmachung:

Auf Grund des 5. 2 Abs. 2 der Kaiserlichen Verordnung, be— treffend die Geschäftssprache der Gerichte und gerichtlichen Beamten, vom 17. September 1874 (Gesetzblatt S. 31), verordne ich hierdurch, was folgt: .

Die Bestimmungen des 8. 185 Abs. 1 des Gesetʒ es betreffend Abänderungen der Gerichtsverfassung, vom 14. Juli 1871 (Gesetz— blatt S. 165) treten allenthalben. wo sie gegenwärtig in Geltung stehen, und zwar bezüglich der gerichtlichen Verhandlungen und Urtheile sowie bezüglich der Verhandlungen und Beurkundungen der Gerichtsvollzieher mit dem 1. Januar 1888, bezüglich der Verhand⸗ lungen und Beurkundungen der Notare mit dem 1. Januar 1889 außer Wirksamkeit.

Straßburg, den 29. Juni 18387.

Der Kaiserliche Statthalter in Elsaß⸗Loihringen. Fürst von Hohenlohe.

Der in dieser Verordnung angezogene 3. 15 Abs. J des elsaß-lothringischen Gesetzes vom 14. Juli 1871 lautet:

„Bis auf Weiteres erfolgen bei den Friedensgerichten Metz, Gorze, Courcelles Chaussy, Verny, Salzburg. Delme, Dieuze, Vie, Lorquin-Rechicourt, Schirmeck⸗Sales und La Butraye, sowie bei dem Handelsgerichte Metz gerichtliche Verhandlungen und Urtheile in französischer Sprache, und ist den Notaren und Gerichts vollziehern in den genannten Friedensgerichte⸗Bezirken gestattet, ihre Verhand⸗ lungen und Beurkundungen in französischer Sprache abzufassen.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, J. Juli. (W. T. B.) Der „Polit. Corresp.“ zufolge hat, in Ausführung der Be— schlüsse der letzten Ministerkonferenz, heute unter dem Vorsitz des Scktionschefs von Szögyenyi eine Kommiss ion getagt, um über die Modalitäten und Restriktionen zu berachen, unter welchen eine Aufhebung des Pferdeaus— fuhrverbots stattfinden könnte.

Großbritannien und Irland. London, 7. Juli. (W. T. B) Das Oberhaus nahm in dritter Lesung die Bill an, welche bezweckt, die Last der Zehntenabgabe von den Pächtern auf die Grundhesitzer zu übertragen. Bei der Berathung des Berichts üher die Bill betreffend die Er⸗ leichterung für Uebertragung des. Grundbesitzes wurde ein Antrag auf Streichung des Artikels, welcher das Erstgeburtsrecht aufhebt, von der Regierung bekämpft und vom Hause mit 66 gegen 55 Stimmen abgelehnt. Der Bericht wurde angenommen. . .

Im Üünterhause erklärte der Unter-Staatssekretär des Auswärtigen, Fergusson, die Drum mond Wolff er⸗ theilte Fnstruktton, wonach derselbe nicht über diese

Woche hinaus in Konstantinopel verbleiben solle, sei nicht

geändert worden, die Situation sei noch genau dieselbe, wie sie von ihm am Dienstag geschildert worden sei. Das Haus begann sodann die dritte Lesung der. irischen Straf⸗ rechtsbill. Gladstone beantragte die Verwerfung der Bill. .

(A. C) Im Buckingham⸗Palast fand gestern Abend ein Hofball statt, zu welchem über 2090 Einladungen er⸗ gangen waren. Unter den Gästen befanden sich außer den Mitgliedern der Königlichen Familie der König von Griechenland, die Kronprinzessin, des Deut schen Reichs und von Preußen mit den Prinzessinnen Victoria und Sophie, der Kronprinz von Portugal, der Großherzog und der Erbgroßherzog von Hessen, die ö Irene von Hessen, der G roßherzog und die Großherzogin, sowie die Erbgroßherzogin von Mecklenburg-Strelitz, die, Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen und Prinz Friedrich von An—

t⸗Dessa u.

. ol gun. W. T. B.) Die Morgenblätter besprechen die Wahl des . von Coburg zum Fürsten von Bulgarien in heifälligem Sinne. Die „Times“ hält es für ausgemacht, daß weder England noch Italien, wahr⸗ scheinlich auch die Türkei nicht, Ein spruch gegen die Wahl erheben werden. .

S. Juli. (W. T. B.). Der König von Sachsen ist heute früh von Edinburg wieder hier eingetroffen. ö

Kapstadt, 6. Juli. (A. C.) Der J und Schatzmeister der Kapkolonie erklärte heute bei Ein— führung seines Budgets in der gesetzgebenden Versammlung, daß die Einnahmen und Ausgaben sich im letzten Fingnzjahre das Gleichgewicht gehalten hätten. Für das am 30. Juni 1888 endigende Fiskaljahr seien die Ausgaben auf 3147000 Pd. Sterl. und die Einnahmen auf 3 186 900 Pfd. Sterl. veranschlagt. Neue Steuern seien folglich nicht nothwendig. Auch würden keine neuen Anleihen aufgenommen werden,. Die Finanzlage des Landes bessere sich im Allgemeinen. Beson⸗ ders günstig seien die Ausweise, üher die Eisenbahneinkünfte im verflossenen Finanzjahr. Die Einkünfte im Juni über— stiegen die im entsprechenden Monat des Vorjahres um 23 Proz. Dem Parlament sollten Vorschläge unterbreitet werden, welche die Regierung ermächtigten, mit den Nachbarstaaten und Kolo—

Der Beyoll mächtigt. zum Bundesrath, Senator der freien und Hansestadt Lübeck Dr. Klügmann, ist von hier

mäßigen Thätigkeit überhaupt anzuhalten, Auskunft über J der Gemeinden zu erfordern, durch allgemeine

abgereist.

nien behufs Herstellung eines südafrikanischen Zoll— vereins zu konferiren.

Frankreich. Paris, 6. Juli. Das heute vom „Journal officiel“ veröffentlichte Dekret über die Alkoholsteuer hat folgenden Wortlaut:

Art. 1. Die Tabelle A des Eingangs zolltarifs, allgemeiner Zoll⸗ tarif, wird folgendermaßen umgeändert: Alkohol-⸗Branntwein in Flaschen, der Hektoliter Getränk 79 Fr.; Branntwein, anders als in

laschen: der Hektoliter reinen Alkohols 70 Fr., und andere: der

ektoliter reinen Alkohols 70 Fr. Art. 2. Diese Bestimmung gilt

bis zum 30. November d. J. Alsdann treten die Zölle, die vor diesem Gesetz bestanden, wieder in Kraft, wenn nicht anders an— geordnet.

(Fr. Corr.) Die heutige Fraktionssitzung der radikalen Linken, in der man über die Stellungnahme zur Interpellation über die klerikalen Umtriebe hätte berathen sollen, verlief resultatlos, da die Gruppe noch nicht offiziell von dem Interpellationsantrage in Kenntniß gesetzt worden sei. Die äußerste Linke ihrerseits verschob ihre Beschlußfassung auf Freitag.

(Köln. Ztg. Der Minister des Innern erklärte in der Kommission für das Gesetz gegen die Ausländer, er sei bereit, dasselbe durch Dekret auszuführen; die getroffenen wirksamen Maßregeln gestatteten, die Identität der in Frank— reich wohnenden Fremden zu kennen und überall festzustellen; aber zur Einrichtung einer Fremdensteuer sei ein Gesetz er— forderlich; bei Maßregeln, die durch Dekret angeordnet werden, könne die Polizei sofort zur Verhaftung schreiten. Der Aus— schuß ersuchte hierauf den Minister, Polizeimaßregeln zur Ausführung zu bringen.

Der neue Gesandte Frankreichs bei der chinesischen Regierung, Hr. Lemaine, wurde heute von dem Minister des Aeußern empfangen, und wird sich Ende August auf seinen Posten begeben.

n , K beendete heute die Berathüng des ersten Titels des Militärgesetzes und trat alsbald in die Berathung des zweiten Titels ein, der von der Anwerbung und dem Kapi— tuliren der Unteroffiziere handelt.

Nach, einem Beschluß des Ministerraths werden sich die Minister Rou vier und Ferron heute in die Budget— kommission begeben und derselben erklären, daß die Regie— rung die Vorlage wegen versuchsweiser Mobili— sirung eines Armee-Corps aufrechterhalte.

Italien. Rom, J. Juli. (W. T. B.) Im Senat erklärte Graf Robilant bei der Debatte über den afrikanischen Kredit, er halte es für seine Pflicht, dem Senat über die Prinzipien, welche ihn bei seiner Geschäfts— führung geleitet hätten, Rechenschaft abzulegen. Die wenig günstigen Erfolge bei der Okkupation von Assah und Massovah hätten ihn bewogen, im Frühjahr 1885 das Portefeuille des auswärtigen Ministeriums abzulehnen; kurze Zeit darauf hätte er dasselbe annehmen müssen; seine Bemühung hätte sich alsdann darauf gerichtet, die italienische Okkupation von der Anwesenheit der egypti— schen Behörden an den betreffenden Orten zu befreien und den Olkupationsrayon zu verringern. Hierauf gab Redner detaillirte Aufklärungen über die Mission des Generals Pozzolini bei dem Negus. Italien habe freundschaftliche Be— ziehungen mit Abessinien herzustellen gewünscht, doch hätten ihm die Thatsachen den Beweis geliefert, daß der Negus den Frieden nicht gewollt habe; er (Robilant) habe die Ueberzeugung gewonnen, daß Pozzolini aus Abessinien nicht zurückgekommen wäre, Italien hätte deshalb die Verpflichtung gehabt, eine Expedition ins Herz Abyssiniens zu unternehmen. Die allgemeinen politischen Verhältnisse hätten jedoch nicht zu einer solchen Eventualität gerathen, weshalb er bei seinen Kollegen die Rückberufung Pozzolini's durchgesetzt hätte. Nach— dem er die Ueberzeugung gewonnen, daß er von Abyssinien nichts hoffen könne, habe er dem General Gens befohlen, eine ebenso feste, wie kluge Haltung zu beobachten; er müsse loyal erklä— ren, daß das Verhalten Gené's im Jahre 1886 ein sehr gutes gewesen sei. Die Expedition Salimbeni's habe als— dann dem Negus Gelegenheit geboten, das zu thun, was er bei Pozzolini verabsäumt habe. Niemand könne von der Regierung verlangen, daß sie die Truppen von Massovah ahberufe; mit Abyssinien werde man einen Frieden nicht erzielen; man müsse demnach in Massovah stark und gefürchtet verbleiben, ohne von Revanche zu sprechen, welche für die militärische Ehre nicht nothwendig sei. Er zweifle indeß, daß 20 Millionen genügen, doch lasse ihn dieser geringe Betrag hoffen, daß die Regierung die Expedition in Afrika nicht ausdehnen wolle. Robilant wünschte schließlich, daß Italien im Fall von Verwickelungen in Europa sich nicht in einen Krieg mit Afrika engagirt finde. Corte bekämpfte den ver— langten Kredit, indem er behauptete, daß selbst eine scheinbare Aktion Italien in einen Krieg hineinreißen könnte, den man nicht wünsche; habe die Regierung einmal diesen Kredit, so werde er in einigen Monaten nicht mehr genügen. Redner beantragte eine aufschiebende Tagesordnung, welche, da sie nicht genügend unter⸗ stützt, abgelehnt wurde. Nachdem noch Massarini und Errante zu Gunsten des Kredits gesprochen, ergriff der Krieg s-Minister das Wort; derselbe erklärte, daß die verlangten 20 Millionen zur Erreichung des von der Regierung gesteckten Ziels, unvorher— gesehene Ereignisse ausgenommen, genügen werden. Die allgemeinen Verhältnisse ließen Unternehmungen, die nicht genau erwogen seien, nicht räthlich erscheinen. Die Regierung kenne ihre Verantwortung betreffs der in Europa eingegangenen Engagements und werde sehr vorsichtig vorgehen; er verlange vom Senat, daß er es der Kammer gleichthue und mit großer Majorität ein Vertrauensvotum für die Regierung abgebe. Hierauf erklärte Corte, daß er für den Kredit stimmen werde. Der Minister des Innern, Crispi, erinnerte daran, daß die vorausgegangenen Ereignisse die Okkupation von Massovah, welche im Einvernehmen mit England erfolgt sei, provozirt hätten; er werde die Gründe der Okkupation nicht aufführen, doch genüge es daran zu erinnern, daß die Verhältnisse im Suhan diese Position auch für andere Mächte wünschenswerth erscheinen ließen. Die Notifikation der Blokade an den Küsten von Abessinien sei von allen Mächten an— erkannt worden. Hierauf wurde die Debatte über den Kredit auf morgen vertagt.

S8. Juli. (W. T. B.) Der Minister-Präsident Depretis ist gestern Nacht nach Stradella abgereist. Die Minister, viele Senatoren, Deputirte und höhere Beamte gaben demselben zum Bahnhof das Geleit.

Türkei. Konstantinopel, 8. Juli. (W. T. B.) Drummond Wolff hat dem Großvezier mitgetheilt, daß er über den 10. Juli hinaus nicht in Konstantinopel bleiben

werde.

Serbien. Belgrad, JT. Juli. (W. T. B.) Gegen— über den Meldungen mehrerer Blätter über die Vorgänge bei der bersammlung der militärpflichtigen Mann— schaften des Tschuprijaer Kreises wird von amtlicher Seite mitgetheilt, es hätten sich vor der Militärrevisions— Kommission gegen 2000 Mann gestellt; der erste Tag des Revisionsgeschäfts sei ruhig verlaufen, am zpweiten Tage aber sei es unter den Mannschaften zu einer Schlägerei gekommen, bei welcher mehrere Personen das Leben verloren hätten. Von den Waffen sei jedoch kein Gebrauch gemacht, die Ruhe sei bald wiederhergestellt worden. Der Vorgang sei rein lokaler Natur gewesen, alle anderen bezüglichen Meldungen seien unbegründet. Ebenso unrichtig sei die Nachricht, daß 150 Polizeibeamte auf einmal entlassen worden seien; es hätten nur verschiedene Versetzungen und vereinzelte Entlassungen von stark kompromittirten Polizei— beamten stattgefunden.

Bulgarien. Tirnowa, J. Juli. (W. T. B.) Die Sobranje hat den Prinzen Ferdinand von Eoburg einstimmig zum Fürsten von Bulgarien gewählt und sich nach der Vornahme der Fürstenwahl vertagt, um die Antwort des Prinzen abzuwarten. Die Wahl des Prinzen Ferdinand von Coburg zum Fürsten wurde von dem Präsidenten der Sobranje, Toultscheff, vorgeschlagen, welcher über die Familien— beziehungen des . Mittheilung machte und die Sobranje schließlich aufforderte, den Prinzen mittelst Akklamation zum Fürsten zu wählen. Die Sobranje rief darauf, indem alle Mitglieder sich von den Sitzen erhoben, den Prinzen unter Hoch- und Hurrahrufen zum Fürsten aus. Der Beschluß der Versammlung wurde dem Prinzen sofort telegraphisch mitgetheilt. In der gestern Abend stattgehabten, nicht öffentlichen Versammlung der Sobranje gab der Regent Stambuloff nähere Aufschlüsse über die in den letzten acht Monaten befolgte Politik. Der Minister Stoiloff theilte mit, daß die Bemühungen, den Prinzen Alexander zur Rück— kehr zu bewegen, erfolglos gewesen seien; Stoiloff drückte schließlich den Wunsch aus, daß die Regentschaft und die

sinister im Interesse des Landes wieder mit einander Hand in Hand gehen möchten.

Ein Telegramm der „Agence Havas“ meldet: Die aus Bulgarien geflüchteten, in Konstantinopel befindlichen An— hänger Zankoff's zeigten der Regierung an, daß sie einen von der Sobranje einstimmig gewählten Fürsten auch ihrer— seits accept iren würden.

Rußland und Polen. Odessa, 8. Juli. (W. T. B.) Die Königin von Serbien tritt heute auf einem Donau— dampfer die Rückreise an.

Zeitungsstimmen.

Das „Posener Tageblatt“ schreibt:

Diejenigen Fälle, in denen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Maßnahmen des gegenwärtig Geltung habenden zoll; und wirth— schaftspolitischen Systems und Rückgangserscheinungen in irgend einem Zweige der nationalen Produktion nachweisbar wäre, lassen sich zählen; jedenfalls kommt ihre Wirkung gegenüber den Gesammtleistungen der nationalen Produktion absolut nicht in Betracht. Und was letztere anlangt, so bietet sie einen Anblick, dessen Kolorit von dem melancho— lischen Grau in Grau, womit der freihändlerische Pessimismus seiner Zeit die Abwendung Deutschlands von den Pfaden des Manchesterthums ausmalte, in wahrhaft herzerguickender Weise absticht. Deutschland steht nicht am Rande des wirthschaftlichen Ruins, das deutsche Volk ist nicht verarmt, die deutschen Arbeiter sind nicht der Erwerbs- und Brotlosigkeit verfallen, das deutsche Kapital ist nicht en masse ausgewandert. Im Gegentheil! Aus dem tiefen Verfall, welcher auf die Periode forcirter Treibhausblüthe Anfangs der 70er Jahre folgte, hat sich das deutsche Erwerbsleben unter dem Regime der nationalen Wirthschaftspolitik zwar langsam aber stetig aufgerafft und sich eine Stellung im industriellen Werrt— bewerbe der Kulturvölker errungen, die ihm so lange ver— sagt bleiben mußte, als Deutschland, in den Anschauungen des Manchesterthums befängen, das beste Theil seiner Kraft an die Vertheidigung des heimischen Marktes gegen die von allen Seiten hereindrängende fremde Konkurrenz zu setzen gezwungen war. Aus dem bunten Detailmosgit der Handelskammerberichte die charakteristi—⸗ schen Grundzüge der allgemeinen Lage unserer nationalen Produktion und nationalen Arbeit herauszuschälen, ist daher, trotz unleugbar vorbandener vielfacher Mängel und Anstände, eine keineswegs undankbare Beschäftigung. Auch der Laie mag daraus die beruhigende Erkenntniß schöpfen, daß an leitender Stelle für die Bedingungen unseres materiellen Gedeihens denn doch wohl kein so absoluter Mangel an Verständniß herrscht, wie dies ven manchesterlicher Seite fort und fort behauptet wird. Wenn man auf oppositioneller Seite den Bedürfnissen des Gemein— wohls nur halbwegs das gleiche Interesse zu Theil werden ließe, so würden gewisse Klagen, denen wir in den meisten, wenn nicht allen Handelskammern begegnen, entweder gar nicht oder doch nur in sehr abgeschwächtem Maße hervortreten. Wir meinen die Klagen, welche die schweren geschäftlichen Schäden betreffen, den die aus der allgemeinen politischen Unsicherheit während des vergan— genen Winters resultirenden Kriegssorgen dem Handel und Wandel zugefügt haben. Wenn Deutschlands geschworene Feinde in Ost und Süd sich vor Monaten auffallend provokant geberdeten, wenn sie drohend mit dem Säbel rasselten was war der Grund zu solchem Benehmen? Er lag ganz allein und ausschließlich in der An— nahme, wozu das Verhalten unserer Oppositionsparteien zu verleiten allerdings geeignet war, daß die deutsche Reichsherrlichkeit auf schwachen Füßen stehe, daß die im Reichstage damals dominirende Opposition mit ihrem systematischen Widerstande gegen alle und jede Kräftigung der na—⸗ tionalen Institutionen ein untrügliches Symptom der im vollen Zuge be— findlichen Zersetzung des deutschen Reichsorganismus sei und daß es für Chauvinisten und Panslawisten keine allzuschwere Arbeit bedeuten werde, der deutschen Einheit den Gnadenstoß zu versetzen. Das Schauspiel unserer parlamentgrischen Zerfahrenheit machte die Feinde kühn und kriegslustig; der Sieg des nationalen Gedankens bei den Reichstagswahlen reinigte die gewitterschwangere Atmosphäre und gab dem Handel und Verkehr allmählich dasjenige Maß von Vertrauen zurück, ohne welches ein sicherer Geschäftsbetrieb. nun einmal nicht existiren kann. Der auf den Gemüthern lastende Druck ist jetzt beseitigt worden, und zwar ebenfalls nur durch Maß— regeln, die von der Opposition als Ausfluß erzreaktionären Dichtens und Trachtens kategorisch verdammt werden. Wird Jemand behaupten wollen, die jetzige Klärung der politischen Lage werde auch im Falle der Rückkehr einer oppositionellen Reichstagsmehrheit fort— bestehen bleiben? Wer folgerichtig politisch zu denken vermag, der sagt sich auch, daß Deutschland der Politik treu bleiben muß, welche es groß, einig, mächtig und wohlhabend gemacht hat und diefe Politik ist von der Opposition allerwegen mit fanatischem Haß be⸗ kämpft worden. Das Lied, das unsere Erwerbsthätigkeit von den Segnungen der nationalen, den Schädigungen der vppositionellen Politik zu singen weiß, liegt in den Handelskammerberichten zu Jeder manns Kenntnißnahme vor.

Die „Nation al-Zeitung“ hebt die Schwierigkeiten hervor, mit welchen die Reichs⸗Postdampferlinien in dem ersten

Jahr ihres Bestehens zu känipfen gehabt hätten, und sagt dann:

. Trotz alle diesem hat der Erfolg der ostasiatischen Linie, welchem von vornherein die größten Erwartungen von allen Reichslinien entgegengebracht wurden, die Hoffnungen überragt. Es gelang, die anderen Linien meistens an Schnelligkeit der Postbeförderung zu übertreffen, damit zugleich den Passagieren eine schnellere Beförderung, daneben aber derartige Vortheile auf der Reise zu bieten, daß keine andere Linie sich damit messen konnte. Was die Frachtenbewegung endlich anlangt, so sind von vornherein die deutschen Schiffe in der ganzen Welt wegen der sorgfältigen Behandlung der Frachten bevorzugt. Die im ursprüng⸗ lichen Plane vorgesehene Postbeförderung von Brindisi mittels Zweig dampfer nach Alexandria und von dort mittels Extrazugs nach Suez, wo sie auf einen Hauptdampfer überführt werden sollten, mußte be⸗ kanntlich der Cholera Maßregeln wegen aufgegeben werden. Gleich von Anfang an ließ man die Schiffe vom Suez-Kanal ab mit voller Kraft laufen und so gelang es in der That, den vom Reich vorgeschriebenen Fahrtdurchschnitt, sowie alle anderen Postlinien bedeutend zu übertreffen. Die Schiffe machten Durchschnittsfahrten von 13 und mehr Meilen in der Stunde und der deutschen Linie gebührt die Ehre, in China die schnellsten Posten abgeliefert zu haben, welche überhaupt seit Eröffnung der Schiffahrt dahin gelangten. Das Gleiche war auf der Rückreise von China der Fall, so daß in einzelnen Fällen die englische Post sogar um 5 bis 6 Tage geschlagen wurde. Aber auch die französische Post, welche, wie erwähnt, alle Kraft anstrengte und ihrer Sache so sicher zu sein schien, daß sie den Abfahrtstag ihrer Dampfer von Shanghai um 24 Stunden hinter den des Deutschen Lloyd ver— legte, hat sich selbst gegen die alten Schiffe bisher keines Vorsprungs rühmen können, während die neu erbauten, „Preußen“, „Bayern“ und „Sachsen“, nachdem man sie auf der ersten Reise mit reduzirter Kraft hatte fahren lassen, gegenwärtig ebenfalls volle Kraft laufen. Es hat dabei beispielsweise die Preußen“ auf ihrer letzten Reise zwischen Suez und Colombo, auf einer Strecke von 3432 Meilen, eine Durch— schnittsfahrt von 15,8 Meilen erzielt, welcher kein nach Ostasien ahrender anderer Dampfer überhaupt gewachsen ist.

Auf die vorzüglichen Passagier⸗Einrichtungen hier einzugehen, würde zu weit führen; was jedoch die neuen Einrichtungen für das Einnehmen und die Stauung der Fracht betrifft, so hat man einen bisher nur von wenigen Schiffen überhaupt betretenen Weg einge schlagen. Das System der Dampfwinde ist gänzlich verlassen, die Ladung wird lediglich durch hydraulische Krähne bewegt, welche neben absoluter Geräuschlosigkeit eine bedeutend höhere Arbeitsleistung liesern, so zwar, daß im Nothfall die gesammte Ladung der 4576 Tons großen Schiffe innerhalb 24 Stunden bewerkstelligt werden kann. Für die Stauung sind eine größere Reihe bestimmter Abtheilungen, als dies bisher üblich war, geschaffen worden, so daß eine Be— schädigung trockener Ladungen durch Flüssigkeiten oder sonstige Um— stände absolut ausgeschlossen, sowie die Vertheilung von Schwer- und Leichtgut von vornherein geregelt erscheint: Thatsachen, welche bei der außerordentlich mannigfaltigen Ladung von Ostasien her schwer ins Gewicht fallen.

Was die Frachten an sich angeht, so sind die Schiffe der ost— asiatischen Linie von Anfang an zu mindestens drei Fünfteln in Bre— men selbst, zu etwa zwei Fünfteln in Antwerpen befrachter worden. Gegenwärtig ist die ausgehende Fracht so stark angewachsen, daß seit einigen Monaten bereits die Schiffe für die Beförderung derselben nicht ausgereicht haben. Die Rückfracht von Ostasien ist eine so starke, daß an die Agenturen daselbst die Wei⸗ sung hat abgehen müssen, in den entsprechenden Häfen ein im Voraus bestimmtes Quantum nicht zu über⸗ schreiten. Die Gattung der Fracht von Ostasien her umfaßt für Shanghai und Hongkong: Häute, Felle, Schafwolle, Matten, Taback und Thee; für Singapore: Pfeffer, Rettang, Zinn, Taback vom Deli u s. w.; für Colombo: Kokusöl, Jute, indische Kaufmannsgüter u. s. f. Mit Sicherheit ist zu erwarten, daß gegenwärtig mit der durch die Novelle vom Juni durchgeführten Erlaubniß zum Anlaufen von Genua der deutschen Linie eine ganz erhebliche Seidenfracht gesichert werden wird.

Die Befürchtungen vor einer Schädigung der bereits länger be— stehenden deutschen (Kingsin) Linie sind so wenig eingetroffen, daß im geraden Gegensatz dazu die letztere Compagnie von jetzt ab vierzehn— tägige, staͤtt, wie früher, monatliche Fahrten nach Ostasien unternimmt, und statt. wie früher, nur nach China, nunmehr auch nach Vokohama und Hiogo (Japan) läuft. Ebenso groß sind die Erfolge in Rücksicht auf die Passagierfahrt, hauptsächlich von Ostasien nach Europa. Trotz der im Allgemeinen in Ostasien ungemein starten Stellung der „Messageries Maritimes“ führte schon der dritte von Ostasien zurückkehrende Dampfer mehr als doppelt soviel Passagiere von Shanghai, Hongkong und dem Norden Chinas als das kaum 24 Stunden später abgehende Messagerie⸗Boot, nebenbei eines der besten der Linie, und die deutsche Linie darf sich rühmen, jetzt in dieser Beziehung die überhaupt bevorzugte im fernen Osten zu sein, wie dies die Klasse der Passagiere selbst beweist; benutzen doch selbst die Spitzen englischer Behörden gegenwärtig bereits die deutsche Linie. Um hier gleich der Behauptung entgegen zu treten, daß die Passagiere der Reichslinie auf Kosten Deutschlands billig fahren, sei hier erwähnt, daß die Passagepreise höher sind, als auf den anderen Linien, mit alleiniger Ausnahme der Zwischendecks⸗ preise nach Australien, auf welche wir unten zurückkommen werden. Schon jetzt zeigt der direkte Bezug der Erzeugnisse des Ostens für Deutschland erhöhte Werthe, die Vormundschaft des Londoner

Marktes für gewisse, bisher als englisches Monopol betrachtete Kolo—

nialartikel des französischen Marktes für den Import der Rohseide

wird erschüttert.

Landtags-Angelegenheiten.

Schildburg, 7. Juli. (W. T. B.). Bei der heute stattge—⸗ habten Landtags-Ersatzwahl für den 9. Wahlbezirk des Regte—⸗ zungsbezirks Po sen sind insgesammt 411 Stimmen abgegeben worden. Davon erhielt Joseph von Grabski auf Skottniki (Pole) 338, Tandgerichts-Direktor Emmel in Ostrowo (nat. lib. 73 Stimmen. Ersterer ist mithin gewählt.

Statiftische Nachrichten.

Nach einer im Maiheft zur Statistik des Deutschen Reichs mitgetheilten NAachweisung des Verbrauchs an gestempelten. Wechselblankets umd Wechselstempelmarken sowie der Einnahme an Wechselstempelsteuer sind im Deutschen Reich während des Etatsjahres 1886ñ87 gestempelte Blankets im Werthe von 29 066 und Stempelmarken im Werthe von 6647 610 6 abgesetzt worden. Nach Abzug des Werthes der älteren zum Zweck ihrer Vernichtung baar eingelösten Wechselstempelzeichen sowie der Vergütung und Entschädigung für Verwaltungskosten verblieb eine Einnahme an Wechselstempelsteuer von 6280 609 gegen 6 329 791 4M im Etatsjahre 1885/86.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 26. Juni bis inkl. 7. Juli er. zur Anmeldung gekommen: 250 Ehe— schließungen, 810 Lebendgeborene, 25 Todtgeborene, 599 Sterbefälle.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

W. E. Norris, der sich bei den Lesern von ‚Engelhorn's allgemeiner Romanbibliothek“ (Stuttgart, J. Engelhorn) durch die im ersten Jahrgang veröffentlichte Erzählung „Eheglück vortheilhaft eingeführt hat, bringt im 21. Bande des 3. Jahrgangs eine neue Erzählung ‚Mein Freund Jim“, die durch ihre Frische und ihren Humor des Beifalls der Leser ebenfalls sicher sein darf. Der 22. Band enthält eine aus dem Polnischen übersetzte Erzählung Hanna“ von Heinrich Sienkie wiez, dessen als Romanschrift⸗ steller auch in Deutschland bereits anerkannter Ruf durch dieses neue anmuthige Produkt seiner Muse bestätigt wird. Im 23. Bande wird