1888 / 41 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Feb 1888 18:00:01 GMT) scan diff

die seiner Freunde auszusprechen. Der Minister werde sich

wohl bei ber gestrigen Abstimmung schon überzeugt haben,

daß diese Annahme irrig sei und sich heute noch mehr davon überzeugen. Er (Redner) hebe dies hervor, weil er sehr gut wisse, wie seine Haltung in dieser Sache ausgebeutet werden würde. Dem Minister erkläre er e n daß er (Redner) pon seinen früheren Aeußerungen über die Kirchenstreitigkeiten und die Schulverhältnisse nichts zurücknehme, sondern die⸗ felben noch heute voll und ganz aufrecht erhalte. Er habe estern auch nicht von dem Kultus⸗Ministerium des Hrn. von

uttkamer gesprochen, sondern von der oder den Regierungen

im Allgemeinen. Hr. von Puttkamer habe allerdings als Kultus⸗Minister 3. dem Gebiet des Schulwesens Reformen versucht, die er (Redner) nur anerkennen könnte, aber er sei leider zu kurze Zeit Kultus⸗Minister gewesen. Preußen stehe mit seinem Schulwesen . auf demselben Standpunkt, mit dem der Minister Falk begonnen habe. .

Abg. von Kleist⸗Retzow: Der Abg. Windthorst wolle die wichtigste Bestimmung aus dem Gesetze entfernen. Zur Be⸗ gründung seines Antrags habe er sich trotz seiner sonstigen Sagacität nicht anders helfen können, als mit der Uebertrei⸗ bung: „Was kann nicht Alles noch werden? Der kleine Be⸗ lagerungszustand kann schließlich über das ganze Land ver⸗ hängt werden!“ Seit dem Erlaß des Sozialistengesetzes seien zehn Jahre verflossen, und er (Redner) wünsche dem Abg. Windthorst ein so langes Leben, bis nicht blos alle Städte, sondern auch das platte Land diesem Paragraphen unterworfen seien. Die Sozialdemokratie habe Aussicht auf Erfolg lediglich in den großen Industriecentren. Daraus ergebe sich aber die Nothwendigkeit, der Regierung diese Befugniß in die Hand zu

eben. Der Schutz Berlins stehe hier in erster Reihe. Hrn.

indthorst sei es sichtlich schwer geworden, seine ursprüng⸗ liche Stellung aufzugeben, wozu ihn die geschickte Taktik des Ministers gezwungen habe. Nach den beiden grauenhaften Attentaten gegen den Kaiser verlange das deutsche Volk Schutz und Sicherheit für den Monarchen. Auch das Attentat am Niederwald⸗Denkmal fordere zu Vorsichtsmaßregeln auf. Aus dem Verhalten der sozialdemokratischen Abgeordneten zu den Vorlagen könne man abnehmen, wofür man sich zu entscheiden habe. Die Herren hätten sich gegen den kleinen Belagerungszustand ausgesprochen, während sie andererseits behaupteten, die Aus⸗ weisungen hätten ihrer Partei genützt. Darnach habe man allen Grund, für die Maßregel zu stimmen. Wer habe nicht das Gefühl der Barmherzigkeit gegen jedes Leid, auch gegen das der Frauen und Kinder der Ausgewiesenen. Aber es sei außerordentlich gefährlich, dieses Argument geltend zu machen gegen die Strafe und deren Handhabung. Dem Mitleid mit den Familien der Ausgewiesenen stehe gegen⸗ über das HYitleid mit Millionen. Das rechte Mit⸗ leid mit dem Verbrechen und der Sünde sei der Ingrimm des Herzens ge en das Verbrechen und die Sünde. Nun habe man allerdings selbst gegen den kleinen Belagerungszustand das Bedenken, daß die aus den Städten Ausgewiesenen sich über das Land verbreiteten und an Orten ihre . vortruͤgen, wo man sie bisher n, nicht gekannt habe. er indessen das treue, gute Landvolk kenne, wie er, wisse, daß die Agitatoren ö kurzer Zeit wieder verschwänden. Seine Partei werde für den §. 28 stimmen in der Hoffnung, daß nach zwei Jahren der Regierung die weiteren Handhaben gegeben würden, welche diesmal versagt seien.

Abg. Sabor: Hr. von Kleist . esagt, die Herren müßten schon deshalb für das Institut des kleinen Belage⸗ rungszustandes sein, weil die Sozialdemokraten dagegen wären. Darnach könnten diese einfach die Taktik befolgen, sich gegen etwas auszusprechen, um die Annahme zu ermöglichen. Ein derartiges Argument sei also an sich schon hinfällig. Ueber die Ausübung der Humanität könne man sehr verschiedener Ansicht sein. Er gebe zu, daß es n sei, in einzelnen Fällen inhuman zu sein, um andererseits desto humaner zu verfahren. Wolle man aber ein System anwenden, das, . grausamer Grundlage beruhend, nur zu Grausamkeiten führen muͤsse? Das System, das das Haus heute unter dem Beifall der Majorität annehme, sei das System der Gewalt und der Inhumanität. Zu welchen Auswüchsen es führe, h man in der ersten Vesung gehört, daß nämlich amtlich Leute angestellt würden um Verbrechen anzustiften. Das System sei also moralisch mit verantwortlich für diese Verbrechen.

Abg. Hänel: Seine politischen Freunde und er würden für den Antrag Windthorst stimmen. Er habe die feste Ueberzeugung, daß der Zeitpunkt nicht fern sei, wo, ähnlich wie bei den Maigesetzen, keine Partei es zugestehen werde, für dieses Gesetz als Urheber oder Theilnehmer ver⸗ antwortlich zu sein.

Abg. Dr. Windthorst: Er nehme immer noch denselben Standpunkt wie früher ein. An dem Tage, wo er wisse, daß die Herren seinen Antrag in der ursprünglichen . an⸗ nehmen wollten, sei er bereit, selbst in der dritten Lesung ihn wieder herzustellen.

. Abg. v. Kardorff; Der Standpunkt des Abg. Windthorst sei ja ein recht praktischer und bequemer. Den Gegnern des Sozialistengesetzes gegenüber könne er sich darauf berufen, daß er gegen das Gesetz gestimmt habe, den Freunden desselben, daß er für das Gesetz gestimmt hätte, wenn der 5§. 28 nicht angenommen wäre. Diese Taktik sei sehr durch⸗ sichtig. Hrn. Hänel erwidere er, daß er , für seine Person die Verantwortlichkeit für dieses Gesetz tragen werde. So sehr er dafür sei, die Bestimmungen des Sozialistengesetzes dem allgemeinen Recht einzuverleiben, der

28 werde niemals dem allgemeinen Recht einverleibt werden önnen. Er hoffe, die Zeit werde kommen, wo man diesen

aragraphen abmildern oder entbehren könne. Nach den

ortschritten des Anarchismus in der ganzen Welt werde man ihn aber auch nach zwei Jahren noch brauchen. Niemals . er sich schämen, für das Sozialistengesetz gestimmt zu aben.

Abg. Dr. von Bennigsen: Er gehe wohl nicht fehl, wenn er behaupte, daß der mtr Windthorst im Wesentlichen eine taktische Bebeutung habe. Er mache darauf . daß in dem Verhalten des Abg. Windthorst und in seinem Antrage ein sehr starker Widerspruch vorhanden sei, Derselbe habe heute und früher seinen Standpunkt dahin erklärt, daß er wünsche, durch Aenderungen und Milderungen des bestehenden Sozia⸗ ee e ne. allmählich zu einem dauernden und festen Zustande auf diesem Gebiet zu kommen. In demselben Augenblick, wo er eine solche Position einnehme, bringe er einen Antrag ein, welcher den Bel agerungszustand überall, auch für Berlin, aus⸗ n, also eine 6 erhebliche Veränderung und Milderung

es Soz

ialistengesetzes herbeiführe. Während er das thue, er⸗

darüber verständigen wollten, den Belagerungszustand für Berlin im Gesetz wiederherstelhken werde. Also zuerft mildere er das Gesetz bedeutend, im zweiten Stadium werde das ,. wieder e , und im dritten solle ein . Zustan eintreten, Medner) . sich in der jetzigen Lage auf die Erklärung, daß seine Partei in eine Erörterüng über die Aenderung des bestehenden, für gewisse Zeit erlassenen Sozialistengesetzes, namentlich über die Milderung desselben, nicht eintreten werde, dagegen habe sie nach wie ver den dringenden Wunsch, daß die zwei Jahre, für welche dieses Ge⸗ etz nun wiederum . werde, Seitens der verbündeten egierungen und der Mehrheit dieses Hauses dazu benutzt würden, um an Stelle dieses von Zeit zu Zeit immer wieder verlängerten Zustandes ein dauerndes Gesetz zu schaffen, geeignet, den Umsturzbestrebungen möglichst entgegenzutreten. Abg. Bebel: Hr. von Kardorff habe egg; er würde sich niemals schämen, für das Sozialistengesetz gestimmt zu haben. Wie könne er oder irgend ein Anderer wissen, wie sich die Verhält⸗ nisse in zehn bis zwanzig Jahren gestalteten. Es könnte doch der Tag kommen, wo er und seine Freunde diesen Schritt bitter hereuten. Eigentlich sei jede weitere Diskussion überflüssig; wenn bas Haus ohne jedes Wort ein⸗ fach abstimme, werde das Resultat genau so sein, wie wenn es acht Tage darüber debattirt hätte. Das sei zugleich ein Beweis dafür, welchen Werth heute der Parlamentarismus habe, und daß man Grund habe, gering⸗ schätzig auf diesen Parlamentarismus ö Weiter . Ir von Kardorff gesagt, gerade bei der Zunahme des narchismus in der ganzen Welt sei das Sozialistengesetz nothwendig. Das sei eine allgemein hingeworfene Behauptung ohne den geringsten Beweis. Erscheine in einem anarchistischen Blatte ein bluttriefender Artikel oder werde irgendwo von Anarchisten eine Gewaltthat begangen, so werde dies von der esammten Presse ausgenutzt gegen die den bürgerlichen k wie begreiflich; verhaßten sozialdemokratischen Be⸗ strebungen überhaupt. Den Niedergang des Anarchismus be⸗ weise nichts schlagender als die Thatsache, daß die anarchistische Presse in allen Ländern die größte . habe, sich überhaupt gistea fa g zu erhalten. Die Verschärfung, welche der undetrath beantragt habe, stütze sich wesentlich darauf, daß der Züricher „Sozialdemokrat“ alljährlich in 10 000 Exempla⸗ ren nach Deutschland eingeführt werde. Wegen dieser 10990 . „Sozialdemokraten“ müsse das mächtige Deutsche eich bei seiner großartigen Polizei, mit seinen Gerichten und seiner Armee, das erste Reich der Welt, ein Ausnahme⸗ geset machen und verschärfen. Der Anarchismus sei also in er ganzen Welt im Niedergange begriffen, und wenn ihn noch etwas erhalte, so seien es die agents proyvocateurs. Nach dem Bericht des schweizer Bundesraths sollten sich in den rößeren Städten der Schweiz höchstens 19 Anarchisten gefunden . Werfe man einen Blick in die Most'sche „Freiheit“, so ge⸗ wahre man den Jammer dieses Blattes über die Undankbar⸗ keit der Arbeiter, die nicht die nöthigen Abonnenten stellten und nicht einmal Abonnementsgelder bezahlten. Wenn er nun auf den §. 28 eingehe, so möchte er zunächst fragen, ob der kleine Belagerungszustand etwa geeignet sei, ähnliche Attentate zu verhüten. Es sei überhaupt bis e nicht fest⸗ gestellt, wie der Begriff „Umsturz der hehe el taats⸗ und Gesellschastsornun du definiren ö. Der kleine Belagerungs⸗ zustand bestehe in Berlin seit zehn Jahren. Niemand aber werde bestreiten, daß trotzdem Jemand einen Revolver in der 3 führen oder eine Dynamitpatrone versteckt halten könnte. Habe denn der §. 28 wirklich Vortheile gebracht? Die Sozial⸗ demokratie habe nach dem Sozialistengesetz erst recht an Um⸗ fang gewonnen. Man habe weiter Nichts nachweisen können, als daß die Sozialdemokraten im Geheimen die Wahlen organisirten und Zeitschriften vertrieben hätten. In allen Belagerungsbezirken hätten sie an Stimmen bei den Wahlen gewonnen. Die Ausgewiesenen, so er selbst und seine Freunde Singer und Liebknecht, hätten dadurch nur mehr Zeit ge— wonnen, mit allen Kräften für ihre Sache zu wirken. Hr. von Kleist habe gemeint, das Mitleid für die Einzelnen müsse hier zurücktreten gegenüber dem Mitleid für die Millionen, die hier geschädigt würden. Dieser Einwand sei noch stets von allen Verfolgern gemacht worden. Diese Tendenz trete auch bei dem 8. 28 hervor.

Abg. Meyer (Halle); Hr. von Bennigsen hätte Hrn. Windthorst den Vorwurf der Inkonsequenz nicht machen können, wenn er genau die , zu dem vor⸗ liegenden Gesetz verfolgt hätte. Hr. Windthorst habe den Erlaß des Gesetzes mißbilligt, da es aber nun einmal erlassen sei, so wäre es ein eben so großes Uebel, es ohne Vorsichts⸗ maßregeln aufzuheben; man müsse es langsam und allmählich aufheben, und deshalb habe er einzelne Mil derungen vorgeschlagen. Diesen Standpunkt nenne der Minister ein Abbröckeln, was schädlich wirken würde. Darnach bleibe übrig, zu erwarten, ob er es fur richtig halte, daß das Gesetz für ewige Zeiten sort⸗ bestehe, oder daß es plötzlich mit einem Schlage aufgehoben werde. Das langsame Abbröckeln eines . sei nichts Schlimmes. Wenn das e ,, in derselben unschädlichen und harmlosen Weise aus der Welt komme wie die Kulturkampf⸗ . so könne man nur damit zufrieden sein. Ueber das Ver⸗

alten des Abg. Windthorst in der Kommission diene Folgen⸗ des; Hr. Windthorst habe zuerst beantragt, 8. 28 nicht völlig aufzuheben, sondern für Berlin bestehen zu lassen; und , , habe sich Hr. von Puttkamer gewendet. enn die sationalliberalen die Expatriirung verwürfen, wie könnten sie eine Ausnahmebestimmung aufrecht . die in ihrem Schoß die Expatriirung als unfehlbare Konsequenz berge? In vielen len werde . aus einem Ort ausgewiesen, wie der zaumeister Keßler, ein Mann, für den er (Redner) übrigens nicht die geringste Sympathie habe. Dieser sei aus Berlin ausgewiesen, wo er sein Domizil gehabt habe, und später aus jedem anderen Orte, weil er nirgends sein sollte, als in seinem . Diese Maßregel könne nun auf das ganze Rei ausgedehnt werden. ie wolle man es ermöglichen, da Jemand, der aus jeder einzelnen Parzelle des Deulschen Reichs ausgewiesen werde, nicht auch aus dem Deutschen Reich aus⸗ 1 werde, und dann habe man die Expatrürung! Er⸗ alte man den 5. 28, so führe man nach dem Beispiele Keßler die Expatrürung ein. Strenge gegen, das Verbrechen sei ein eur fer zu dem er sich vollständig bekenne. Es handele sich aber hier darum, daß eine Person bestraft wer⸗ den könne, ohne daß ihr in objektiver Beziehung ein Verbrechen, oder in subjektiver die Thäterschaft nach⸗ . worden sei. Die Ausweisung sei eine furchtbare

trafe, und er sei überzeugt, daß viele der Ausgewiesenen lieber eine bestimmte Gefängnißstrafe gewählt hätten. Oberster Grundsatz des Rechtsstaates sei: nulla poenag sine lege. Der

kläre er aber wirklich, daß er fanftig, wenn die verbündeten Regierungen und auch die Mehrheit des Hauses sich mit ihm

Thatbestand der strafbaren Handlung müsse genau definirt

sein. Wenn Jemand ein Mittel angeben könnte, wie solchen . Verbrechen, wie dem Attentat auf das Niederwalb⸗ Denkmal vorgebeugt werden könnte, gäbe es nicht Einen hier im Hause, der dieses Mittel nicht anwenden würde. Dat e e nn habe nicht dazu beigetragen, ihm vorzubeugen und die Enthüllung dieses Herbrechens habe fich später mit den Mitteln des gemeinen Rechts vollzogen.

Abg. Dr. Windthorst: Die Nationalliberalen wollten dag Gesetz auch beseitigen und etwas Anderes an seine Stelle setzen, verschöben es aber auf eine spätere Zeit. Sie sagten auch nicht, in welcher Weise es geschehen solle. Das Centrum wolle nicht warten, sondern sogleich an die Arheit gehen, und deshalb habe er die Anträge gestellt, die von der Kommission leider abgelehnt seien, ohne daß irgend Jemand versucht hätte sie anders zu formuliren. Ein einfaches Nein sei ihre Ant⸗ wort darauf. Nur den Antrag zu habe er hier wiederholt, und zwar ohne die früher in dem Antrag enthaltene Ausnahme für Berlin, weil die Re— gierung bestimmt erklärt habe, daß der Belagerungszustand in Berlin nicht nothwendiger sei, als in den anderen Städten. Er suche einen geeigneten Weg zur Ordnung der Sache durch einen Kompromiß zu finden, leider vergeblich. Er wolle allmählich das Gesetz beseitigen. Wenn man ihm dabei nicht helfen wolle, so könne er nichts weiter thun, und bedauere nur, daß von Anderen nicht andere Vorschläge gemacht seien.

In namentlicher Abstimmung wurde der Antrag Windt— horst mit 153 gegen 100 Stimmen abgelehnt. Für den An—⸗ trag stimmten geschlossen Centrum, Polen, Welfen, Freisinnige und Sozialdemokraten, sowie die fraktionslosen Abgg. Rete⸗ meyer, Hildebrand und Deahna; dagegen die beiden Harn der Rechten und die Nationalliberalen.

Die eingelaufenen Petitig nen wurden durch die ge— faßten Beschlüsse für erledigt erklärt.

n dritter Berathung wurde darauf der Gesetzentwu f, betreffend den Erlaß der Reliktenbeiträge, nach den Beschlüssen der zweiten Berathung angenommen.

Abg. von Bernuth mit un er n von Mitgliedern fast aller Parteien beantragte die Aufnahme eines Zusatzes, wonach Mitgliedern einer Reichs⸗Civilbeamten⸗, Militärwittwen⸗ oder Waisenkasse oder einer derartigen Landesanstalt, wenn sie von dem Recht des Widerrufs ihres Verzichts Gebrauch machen, die seit der Verzichtleistung an die resp. Anstalt ge⸗ ahlten Beiträge auf die Nachzahlungen angerechnet werden fie. Auf diejenigen Anstalten, welche . Reichtz⸗ beamten der Civilverwaltung oder Angehörigen des Reichs— heeres und der Marine eine entsprechende Anrechnung ver— sagen, soll diese Bestimmung keine Anwendung finden.

Abg. von Manteuffel befürwortete die Annahme des An— trages, der eine Härte beseitigen solle, welche durch die Be⸗ stimmungen des Gesetzes für Diejenigen entstehe, die in den Landeskassen verblieben sind und ihre Beiträge dort gezahlt haben, jetzt aber dem Reich für die verflossene Zeit die Bei⸗ träge nachzahlen müßten.

Direktor im Reichsschatzamt Aschenborn glaubte, daß er, trotzdem der Antrag von Mitgliedern fast aller Parteien aus⸗ gehe, dennoch einige Bedenken geltend machen müsse. Bei der Militärwittwenkasse, wo schließlich das Reich in letzter Linie verpflichtet sei, könne der beabsichtigte Ausgleich vielleicht ge⸗ stattet werden. Dagegen liege es bei den Landesanstalten anders; denn die Beamten, welche auf die Wohlthaten des Reliktengesetzes , . hätten, hätten seitdem Beiträge an, die. Landeskassen gezahlt; nunmehr solle das Reich für ihre interbliebenen sorgen, ohne die entsprechenden Beiträge empfangen zu haben, die Seitens der anderen Beamten gezahlt worden seien. Hier werde dem Reich eine Verpflichtung zugemuthet, die eigentlich dem Einzelstaat obliegen würde, an dessen Kasse die Beamten bisher Beiträge gezahlt hätten. Außerdem sei auch die Fassung des Antrags eine mangelhafte, namentlich was den Schluß⸗ passus betreffe, daß dieser pusat unter gewissen Umständen keine Anwendung finden solle.

Abg. Baumbach bat, zur Erledigung dieser Bedenken den Antrag und mit ihm die noch nicht erledigten Vorschriften des Gesetzes einer Kommission zu überweisen; es handele sich um eine finanziell sehr unbedeutende Belastung des Reichs.

as Haus beschloß demgemäß; die weitere Berathung wurde vertagt.

Ohne Debatte erledigte das Haus in dritter Berathung den Gesetzentwurf, betreffend die Zurückbeförderung der Hinterbliebenen im Ausklande angestellter Reichsbeamten und Personen des Soldatenstandes. Die Vorlage wurde definitiv angenommen.

Um 4 Uhr vertagte sich das Haus auf Mittwoch 1 Uhr.

Im weiteren Verlauf der gestrigen (18.) Sitzung

des Hauses der Abgeordneten erklärte bei der

ortsetzung der Berathung des Etats des Justiz— i nisteriums der Justiz-Minister Dr. Friedberg:

Als der Herr Abgeordnete die Frage vor T Jahren gnregte, ob der Vorbereitungsdienst bei den Amtsgerichten nicht zu verlängern sei, konnte ich die Frage nur dahin beantworten, daß . der Ansicht der kein Grund vorliege, schon jetzt eine Aenderung des Regulativs eintreten zu lassen. 38 bin aber seiner damaligen Anregung nicht uneingedenk geblieben und habe die Präsi⸗ denten aufgefordert, ex professo die Frage im Auge zu behalten und mir über ihre weiteren Erfahrungen Bericht zu erstatten; da kann ich nun dem Herrn Abgeordneten bezeugen, daß allerdings die Zahl derer, die mit ihm dahin Üübereinstimmen, es sollte der Vorbereitungsdienst bei den Amtsgerichten verlängert werden, gestiegen ist. Eine Einheit lichkeit in der Ansicht herrscht aber auch enn. noch nicht, und das ist der Grund, weshalb ich noch nicht zu einer Aenderung des Regu⸗ sativs mich habe entschließen können. Ich darf bei diefer Gelegen⸗ heit wohl meiner allgemeinen Auffassung Ausdruck geben, daß ich nach den außerordentlichen Umgestaltungen, die gerade auf dem Gebiet der Justiz in den letzten 10 Jahren vorgekommen sind, allerdings eine große Scheu habe, in der e , ,. sowohl als in der Ver⸗ waltung immerfort, sobald sich nur irgendwo ein Mißstand ergeben hat, sofort ahändernd n , . as ist auch der Grund ge⸗ wesen, weshalb ich den Anregungen des Herrn Abgeordneten noch nicht 64 gegeben habe. Ich glaube aber, daß, nachdem die Mei⸗ nung bei den zunächst berufenen Instanzen sich mehr seiner Auffaffung zuneigt, ich allerdings auch in der Lage sein werde, demnächst mit einer Aenderung dieser Bestimmung im Regulativ vorzugehen, so außerordentlich ungern ich auch, ich wiederhole das, . zu solchen Aenderungen mich entschließe.

Was nun den zweiten Punkt anbetrifft, daß die Referendare des Ober ˖ Landesgerichts Celle besonders unglücklich in ihren Relationen gewesen wären, so muß ich dag leider fr n en; sowohl in der Zeit, als ich selbst Präsident der Prüfungskommission war, als auch in . Zeit ist diese i allerdings allgemein bei uns gewesen; chM glaube, das liegt daran, daß in jenen Landestheilen die sogenannte Bergmann'sche Methode im Referiren herrschend war, eine Methode, die allerdings an Weitläufigkeit, glaube ich, mehr leistete als billig

war. Das war der Grund, weshalb die Prüfung in Bezug auf die

äufig ungenügend ausfiel. Wenn aber der Herr Ab⸗ na fler nl . der Prozentsatz, weil er keineswegs Ech g an mr dem widerspräche, so kann ich diese Folgerung nicht als . zugeben; 6 es ist 5 6 e n. 8a 66. . Re⸗ wesen wäre. an kompensirte mit den übrigen . 1 en de d , der Prüfung, und darum konnte Jemand, sestz⸗ ungenügende Relatign geligfert hatte, doch schließlich bestehen, bejs er in den anderen Punkten überwiegende Proben seiner Kennt- uf. abgelegt hatte. In neuerer Zeit sind übrigens diese Klagen über , Ungenügende der Relation weniger geworden und ich hoffe, ar da ihtdallzu ferner Zeit die Referendare der dortigen Provinz au ihallich ihrer Befähigung zum Referiren nicht geringer beurtheilt ift sönnen, als die der alten Prgvinzen. werbehie Einnahmen des Justiz⸗Etats, 48 398 000 M6, wurden willigt. ; . van sge aun ersten Ausgabetitel „Gehalt des Ministers 36 0 ' M“, kam der Abg. Eberty auf den schon im Reichs⸗ tage berührten Ja Dürholt in Hirschberg zurück und kritisirte 3. Einzelnen bas Verhalten des Staatsanwalts Heim und . Gerichte. Der Redner erklärte, er trage diese Dinge dem . vor, damit er eventuell Remedur eintreten laff. Es wäre ein nationales Unglück, wenn der Glaube an die Unparteilichkeit der Gerichte verloren ginge. Der Ju hz / Mini ster Dr. 25 ö. 23 ,,,, ö ö ich ich dem Vortrage des Herrn Vorredners mit Aufmerk⸗ ae nete, ist es mir doch . fraglich geblieben, einmal, ö. diese ganze Angelegenheit mit dem ustiz Etat in Verbindung zu i en fei, und zweitens, was denn eigentlich der Zweck dieses Vor= . sein' könne Die letzten Worte des Herrn Vorredners haben an nun darüber belehrt, daß er glaubt, ich könnte aus seinen Mit⸗ ellungen Anlaß zum Einschreiten haben, sei es gegen die Staats⸗ er g t oder in Bezug auf ich sage nicht: gegen sondern Eirich: in Bezug auf die richterlichen Urtheile, die sein Mißfallen erregt haben. ö . . ; ö örderst will ich bemerken, daß die Angelegenheit mir nicht , . Nämlich unmittelbar darauf, nachdem eine Ladung l Rei 83 ergangen war, urden. . ug . n,. , m., in . dem i . ; wurf gemacht wurde, er habe ein gerichtliche fee: ö. . . wenn ich mich recht erinnere eine An lag erhoben wegen Beleidigung des Reichstages, ahne daß der Reichs ag selbft darüber gehört worden wäre. Diese Behauptung fiel mir , nusschni en hatte, sofort den Stagts⸗ , forderte, ob wirklich der Staatsanwalt sich eines ichen Versehens schuldig gemacht habe. Der er tattet⸗ Bericht ergab, he keineswegs schon ein eigentlich strafgerichtliches Verfahren bean ⸗˖ ragt worden war, sondern daß der Staatsanwalt, um den einstigen inmand der Verjährung nicht aufkommen zu lassen, den Hrn. Dürholt ber die Publikation des Artikels hatte hören wollen, daß, als Hr. Dürholt den . machte, j. ., sei J . h rum nicht vernehmen zu ; ̃ ö . ö. wurde. Ob, als dieses formale Bedenken gehoben ar, . der Redacteur verurtheilt worden, ist mir nicht gegen⸗ wiriig, jedenfalls geht die Ausfübrung des Herrn Abgeordneten dahin, d, Gericht habe den Mann zu schwer verurtheilt, . Aber meine . der . . . ö . in nationales Unglück, wenn dur erartige Vorgänge ]. er an ö Unparteilichkeit der Gerichte gekränkt und ge⸗ chidigt würde. Aber darf ich den Herrn Abgeordneten denn nicht ragen, wenn er diesen Gedanken selbst mit der Schärfe ausspricht, ob sich nicht zuerst selbst hätte fragen müssen: schädigst du nicht den Blauben an die Unparteilichkeit der Gerichte, wenn du ein Urtheil mit seinen Gründen in der Weise hier zu deiner Kognition ziehst nd sewiffermaßen der Nation denunzirst, wie es hier geschehen ist? pa, ö. 6 t win g ö ,, hun? Habe ich darf ich wohl fragen die. echt, zu prüfen, ob unter den Umftaͤnden das Gericht mit Recht eine Ftrase überhaupt ausgesprochen hat, und mit Recht eine Strafe in seset Höhe? Der damals Angeklagte ist, wie ich eben von dem erm Abgeordneten selber gehört habe, 21 mal vorher wegen Preh. ergehen, die er in derselben Zeitschrift begangen, bestraft worden. sieg da so undenkbar, wenn die Gerichte endlich zu der Meinung 1 sind: nel hte , , ng. AJ m ihn zu einer vorsichtigen Haltung in seinem bewegen, züsen wir da nicht zu härteren Strafen übergehen? Ich weiß nicht, J idenfalls habe ich nicht das Recht, in die Erwägungen, aus e trichtliche Crkenntnisse hervorgehen, irgendwie einzudringen; das will s zicht und werde ich auch nicht derartigen, Angriffen gegenüber, . bier gegen ein Gericht erhoben worden sind, versuchen, ,,. en . ich . wenn GJ . ö alten vorgeworfen wäre, aber ich glaube, ö 1. ö. te ner ö ö —̃ in Redacteur einer Zeitschrift handelt, der eben ; der Presse neigen muß wie der Redacteur, der 2 mal vorher in se Cigenschaft bestraft worden ist. . Mir ist, wie ich schließlich bemerken will, der Name auch schon iber vorgekommen, ich erinnere mich nämlich, daß ich var Jahren 7. [ mne, ö . Win ü ö,. , ö en hatte und er bei der Verbüßung der ; hltiß des. Gefängnisses in Konflikt gekommen war ih ich darum angegangen wurde, ich möchte fur eine Milderung in ö bandhabung der Strafvollstreckung wirken. Darauf habe ich an tinm Theil darauf hingewirkt, daß die Vollstreckung der 66 J äatte ausfallen können. iellei he. ö che, u bedauern, daß ich damals auf eine solche Mil derung hingewirkt W Denn ich würde vieleicht den heutigen Angriff nicht erfahren ö ich . n ö . en. Jö. er Abg. von Czarlinski bat um mög mn Dolmetschern bei gerichtlichen Verhandlungen mit Per⸗ nen die der deutschen Sprache nicht mächtig seien. er Abg. Träger bemerkte: an einem gerichtlichen Urtheil rf man vom Standpunkt der Gesetzßebung wohl eine füt üben, nicht aber die politische Gefinnung der Inter— enten in die Kritik e g. Die politische Meinung s Richters müsse für jeden Verständigen gleichgültig sein; , 6 ein dre e ., n , , sanung des Richters in seinem Urtheil nie merker Der Abg. Eberty habe auch nur die Objektivität Staatz anwalts angreifen wollen. Die Behauptung, daß taatganwalt Heim nur, um die . zu verhin⸗ , die Vernehmung Durholt z habe verfügen wollen, lase öh auf die juristifche Qualifikation desselben schließen, . müht ung . von der erlangten Kenntniß der Beleidi⸗= ab rechne. Uußerdem hätte es dem Staatsanwalt Heim mn: sein müssen, daß der Reichstag die Genehmigung 7 . gung von Beleidigungen nicht ertheilte. Gegen die , . ö , ö is nahe. Es sei ja auch allgemein 3 da zn die liberale Presse mit außerordentlicher Heftigkeit gangen werde, während kein Stagtsanwalt für die 6 . so , Presse ö . eine. Sehr dankbar würde man im ; . . der Justiz-⸗Minister sich uber zwei Fragen von höchstem hee über die Einführung der Berufung unde bie Ent— igung unschuldig Verurtheilter äußern wollte. Was den

sonst die Justiz als Eckstein der Einheit des Vaterlandes be⸗ trachtet werde, die verbündeten Regierungen erklärt hätten, daß sie kein Interesse hätten, diese Frage zu lösen. Man abe die berechtigten Ansprüche dieser Leute an die Einzel⸗ taaten gewiesen. In Bayern und Sachsen seien nun Summen zur Entschädigung unschuldig Verurtheilter in den Etat ein⸗ estellt; warum finde sich nicht auch in unserem Budget ein olcher Posten? Der Justiz⸗Minister Dr. . erwiderte: . Meine Herren! Der Herr Abgeordnete hat in dem ersten Theil seiner Rede eigentlich nur eine Deklaration dessen gegeben, was der err Abgeordnete vorhin hat sagen wollen oder haͤtte sagen sollen. lerdings wäre meine Antwort eine andere gewesen, wenn der An⸗ griff sich blos gegen die Staatsanwaltschaft und nicht auch gegen die Gerichte gerichtet hätte. Damit darf ich aber wohl die Frage Dür⸗ holt und was damit zusammenhängt als erledigt betrachten. Der Hr. Abg. Traeger hat jedoch ferner zwei Fragen, zur Er⸗ örterung gestellt, von denen ich aber eigentlich zweifelhaft bin, ob sie in diesem Hause erörtert werden dürfen. Eg ist die Frage über die Veränderung der Reichsgesetzgebung. Der Herr Abgeordnete hat ja in einem anderen Haufe, im Reichstage, selbst nach Kräften dazu bei⸗ getragen, um die hier erörterten Fragen dort zum Austrag zu bringen, Da der Gegenstand hier zur Erörterung gekommen ist, so will ich mit meiner Meinung nicht zurückhalten, ö ich die Einführung der Berufung allein und ohne eine gleichzeitige Revision der Strafproʒeß⸗ ordnung in anderer Beziehung nicht für einen Gewinn halten würde. Ich glaube vielmehr, daß wir mit einer solchen isolirten Revision einen großen Rückschritt machen würden. Die Einführung der Be⸗ rufung wurde von der Reichs-Justizgesetzgebung nicht gewollt, an deren Stelle wurde eine große Reihe von sogenannten Garantien für die in eine gerichtliche Verfolgung verwickelten Personen in das Gesetzbuch aufgenommen, Garantien, die meiner Ueberzeugung nach sogar vielfach über das Maß des Nothwendigen hinaugehen, weil sie eine energische Strafverfolgung, wie sie ja im Interesse Aller liegt, lähmen. Jetzt neben und unter Aufrechthaltung dieser Garantien die Berufung einzuführen, ohne daß in den Bestimmungen darüber zugleich eine Aenderung eintrete, würde ich für einen legislativen ehh halten. Das sage ich hier allerdings nur als Partikulgr⸗ dinister eines Staates und werde dies sagen, wenn ich bei der Reichs · Zustijgesetz gebung in meiner Eigenschaft als Justiz⸗Minister in Preußen zur Ab⸗ gabe eines Votums Anlaß bekommen sollte. . . Dann glaube ich ferner, daß bei der Frage über Einführung der Berufung auch die Frage der sogenannten unschuldig Verurtheilten gleichzeitkz mit in Betracht gezogen werden müßte, Ich gebrauche das Wort „sogenannten“ nicht umsonst; denn eine Reihe von Personen, die im Lande als unschuldig Verurtheilte ausgegeben werden, waren meiner Ueberzeugung nach als vollkommen schuldi verurtheilt, und gelten nur jetzt als unschuldig, weil man in dem nach Jahren erfolgten Wiederaufnahmeverfahren die Schuld nicht von Neuem so beweisen konnte, wie sie im ersten Verfahren vor Jahren bewiesen war. Wenn man die Bestimmung der Reichsgesetzgebung über die Wiederaufnahme des Verfahrens, ein Rechtsmittel, das ich dort für durchaus falsch konstruirt glaube, nicht zugleich ändern wollte, wenn man nur die Berufung ohne Aenderung des Wiederaufnahmeverfaghrens einführt, dann würde man, glaube ich, das Uebel ärger machen, als es jetzt ist. Uebrigens hat diese Frage der Wiedereinführung 1 so doktrinär sie der Hauptsache nach ist, doch auch nebenbei eine recht materielle Seite. Gewöhnlich wird einfach von der Wiedereinführung der Berufung gesprochen, ohne daß man sich die weitere Frage vorlegt: was wird denn die Einführung der Berufung für einen! Einfluß auf den Justiz⸗Etat haben? Ich habe mir, da ja die Frage seit Jahren auf der Tagesordnung steht, dieselbe auch vorgelegt; nach der angestellten Berechnung würden wir, felbst wenn die Berufung an die Landgerichte und nicht an die Ober Landesgerichte ginge, einen Mehraufwand von 2 2836 090 M6 nöthig haben; denn wir würden allein so viel mehr an Justizbeamten ge⸗ brauchen, und dabei wird noch nicht in Anrechnung gezogen, wie hoch fich der Aufwand für Zeugen und sonstige Aufwendungen steilen würde, namentlich auch, wie groß der Aufwand sein würde, den wir in den Bau ⸗Etat einstellen müßten. ; Ich führe dies an, um darauf aufmerksam zu machen, daß mit der . die Gesetzgebung es doch nicht so leicht nehmen darf, daß man fie sich nicht rheterisch allein konstruiren und sagen darf: weil fie theoretisch richtig ist, darum müssen wir sie nothwendig ein⸗ führen. Will man aber der Hr. Abg. Traeger ist, soviel ich weiß, dieser Meinung die Berufung an die Ober. Landesgericht leiten, demn müffen Sie unfere Organifation, wie wir sie in Folge der Reichsgefetznscbung jetzt besitzen, von Grund aus aͤndern; denn eine Berufung mit den weiten Bezirken der jetzigen Sber ⸗Landesgerichte ist meiner Meinung, nach eine absolute Unmöglichkeit. Wir haben Ober · Landesgerichte, wo die Gerichts eingeseffenen vielleicht bis 390 Meilen zum Sitz des Gerichts haben. Denken Sie sich nun: die Berufung geht an das Ober, Landes ericht, dann müssen sämmtliche Personen, Angeklagte, Vertheidiger, Zeugen aus den Sitzen ihrer Landgerichtsbezirke bis, zum Ober · Landes ericht reifen, und damit würden Sie den Gexichtseingesessenen eine Last auf⸗ erlegen, die meiner Ueberzeugung nach geradezu unerträglich wirken würde. Die Berufung an die Ober ˖ Landesgerichte ist möglich in Staaten, wo der Bezirk der Ober ˖ Landes gerichte klein ist, wie in manchen unserer Nachbarstaaten, und ich kann daher sehr gut be⸗ greifen, daß man in solchen Staaten, wenn die Berufung eingeführt wird, daran denken kann, sie an die Ober · Lande gerichte zu legen. Bei ung aber halte ich eine solche Organisation für eine Unmöglich⸗ keit, und die Vorbedingung der Berufung an die Ober · Landesgerichte wäre: Zurückorganisation, Zerschlagung der großen Ober ⸗Landesgerichte und , ,,, der kleinen Bezirke, wie sie vor der Reichs⸗ ustizgesetzgebung waren. . rt . . Abgeordnete ferner sagte, er hätte sich gewundert, daß ich nicht einen Etakstitel durchgesetzt habe zur Entschädigung für ah gl o Verurtheilte, so hat er ein Argument schon selbst ange geben, was durchschlagend wäre, daß ich nämlich damit die Frage eigentlich präjudifirt haben würde, weil ich damit ausgedrückt hätte, es solle von der Entschädigung auf Grund des Gesetzes nicht die Rede fein dürfen, und zu einem solchen Hinweis habe ich kein Recht. Wenn der Herr Abgeordnete aber dann hinzufügt: man sieht doch darin die Liebes, daß man wenigstens etwas für unschuldig Verur. theilte thun will, ö . ch eng, . Hun, : . s. i i etzt wiederholt bewährt habe un —⸗ ,, der Nachweis geführt wurde: hier

nämlich vorgekommen ist, daß mir hier Ist ein wirkich Un.

sst wirklich ein juristisches Unglück geschehen, an,. schuldig verurtheilt worden, da habe ich noch jedes Mal aus Fonds, über die ich zu verfügen habe, oder die ich mir zu diefem Zweck ausdrücklich von Sr. Majestät erbeten hatte, nach Kräften für die Entschädigung wirklich unschuldig Verurtheilter bei⸗ getragen. Das werde ich auch ferner thun, und wir sind ja in der lücklichen Lage, daß wir für einen solchen Zweck keines besonderen Fonds im Justiz⸗Etat bedürfen. 3 Der Abg. von Üechirizz bat um Aufbesserung der Gehälter der Gefängnißbeamten. Das Einschreiten gegen Dürholt sei nicht durch den Staatsanwalt Heim, sondern durch den Ersten Staatsanwalt erfolgt. . Der Justizminister Dr. Friedberg erwiderte; Ich habe mir das Wort erbeten, nur um der Auffassung ent gegen zu kreten, als ob der Herr Finanz, Minister sich abgeneigt er= wiefen hätte, meinen Antraͤgen auf Verbesserung von Beamten dieser Gefellschaftsklaffe stattzugeben. Der Herr Finanz, Minister ist gar ; nicht in die Lage gekommen, mich mit solchen Anträgen zurüctzuweisen, weil ich derartige Änträge bisher noch garnicht an ihn gerichtet habe. Ich bin von der Ansicht ausgegangen, daß, wenn diese Beamten fategorie in Gehältern verbesfert werden soll, daß nicht Isolirtes auf dem Geblet der Justiz allein geschehen dürfe, sondern daß wir

Ich hoffe, daß das in der nächsten Zeit möglich sein werde, und verwahre nochmals ganz ausdrücklich die ,, dagegen,. als ob sie es verschuldet hätte, wenn jene Beamtenkategorie aus dem 6 gi , und ihnen zu wünschende Verbesserung och nicht erfahren hat. ; ; .

; . Trimborn bat um die Errichtung eines Landgerichts in Krefeld. : Der Unter⸗Staatssekretär Nebe⸗Pflugstädt erklärte, daß ein Bedürfniß dafür nicht vorliege, und ein viertes Landgericht in diesem Regierungsbezirk absolut nicht lebensfähig sei. . Der Abg. Seyffardt (Nagdeburg) befürwortete die Bitte

des Abg. Trimborn. ; . rach sich für die Errichtung eines Land⸗

Der ö. Hitze s . t s ö. 49 aus. gerichts in München⸗Gla der Wunsch Krefeldg in

Der Abg. Biesenbach hoffte, daß un . Zukunft nach Einführung des allgemeinen Civilgesetzes erfüllt werden würde. . Der Abg. Brockmann wünschte, daß bei Errichtung eines Landgerichts in Krefeld die Interessen des Landgerichts Kleve nicht außer Acht gelassen werden möchten. ; Der Abg. Hagens bemerkte dem Abg. von. Czarlinski gegenüber aus eigener Erfahrung, daß die 6 von Dolmetschern, fobald sie nur irgend nöthig erscheine, erfolge. Außerdem sei es wünschenswerth, daß in der Justizgesetz⸗ gebung in ruhigerem Tempo vorgegangen werde, damit die ZJuristen sich in die jetzigen Einrichtungen einleben könnten, Der Abg. Cremer (Teltow) kam nochmals auf den Fall des Redacteurs Dürholt zurück und besprach dabei die Be= handlung der Redacteure in den Gefängnissen. Er wisse nicht, ob eine ministerielle Instruktion bestehe, die Re⸗ dacteure besser zu behandeln, ihm selbst sei es in Plötzen⸗ see nicht gestattet gewesen, sich . verpflegen. So lange nicht der Begriff, des politischen Vergehens fest⸗ gestellt sei, bleibe die J der Nedacteure von dem guten Willen der Gefängnißinspektoren abhängig. Die Gefäng⸗ nisse, die zu dem Ministerium des Innern gehörten, seien ö . zugängig, als die, welche vom Justiz⸗ Minister ressortirten. .

Der Abg. Eberty konstatirte, daß der Justiz-Minister auf die Frage, was er angesichts der von ihm vorgetragenen Thatsachen gegen den Staatsanwalt Heim zu thun gedenke, keine Antwort gegeben habe .

Das Gehalt des Ministers wurde hierauf bewilligt.

Um 4 Uhr vertagte sich das Haus. Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr.

Der dem 3 der Abgeordneten zugegangene Entwurf eines Gesetzes, betreffend die weitere Herstel lung neuer ir g, für Rechnun des Staats und sonstige Bau⸗Ausführung en un Beschaffungen zur Vervollständigung und be sseren Ausrüstung des Staatseisenbahnnetzes, sowie die Betheiligung des Staats an den en een einer Eisenb ahn von Sigmaringen (Inztgkofen) nach Tuttlingen, lautet:

Wir Wilhse 1m, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc., verordnen, unter Zustimmung beider Häuser des Landtages Unserer Monarchie, was folgt: ö

Die Staatsregierung wird zu JL itt. Nr. 12 bis 15 und zu Il zugleich unter Ge⸗ nehmigung des beigedruckten Staatsvertrags zwischen Preußen und Sachfen Coburg⸗Gotha wegen Uebernahme des Baues und Betriebes mehrerer Eisenbahnen und, des Eigenthums. der Bahnen Gotha =—=Ohrdruf und Fröttstädt Friedrichroda durch den preußifchen Staat vom 26. November 1887

ermächtigt: .

J. Zur Herstellung von Eisenbahnen und der durch dieselbe be⸗ dingten Vermehrung des Fuhrparks der Staatsbahnen, und zwar: a zum Bau einer Eisenbahn: 1) von ohenstein in Ostpreußen nach Marienburg mit Abzweigung nach Maldeuten die Summe von 14 267 000 M, 2) von Mizwalde an der unter Nr. 1 bezeichneten Bahn Hohenstein Marienburg nach Elbing die Summe von 7giI5 0065 „6, 3) von Mogilno nach Strelno die Summe von 1144 000 4A, I von Lublinitz nach Herby die Summe von 16043 000 ο, 5) von Strehlen nach Grottkau oder einem in der Nähe belegenen Punkt der Bahn Brieg —Neisse mit Abzweigung nach Wansen die Summe von 2369 O00 AS, 6) von

irschberg j. Schlef. oder einem in der Nähe belegenen Punkt der . Kohlfurt —= Glatz nach Petersdorf die Summe von 1050000, 7) von Salzwedel nach Lüchow die Summe von 1030000 4, 8) von Triptis oder einem in der Nähe belegenen Punkt der Bahn Leipzig = Gera = Probftzella nach Blankenstein die Summe von 5 Gh doo . M, 9) von Arnstadt nach Saalfeld die Summe von 10 700 000 44, 10) von Berga nach Rottleberode die Summe von 7h50 000 AÆ, 11) von Gremsmühlen nach 3 die Summe von Hyh 6660 , 13 von Ballstädt oder einem in der Nähe elegenen Punkt der Bahn Gotha Leinefelde nach Herbsleben die Summe von 1130 009916, I3) von einem in der Nähe von Bufleben belegenen Punkt der Bahn Gotha⸗Leinefelde nach Großenbehringen die Summe von 1235 000 M, 14) von . nach Gräfenroda oder einem in der Nähe belegenen Punkt der Bahn Reudietendorf =Ritschenhausen die Summe von 737 000 M, iö) von Georgenthal oder einem in der Nähe be- legenen Punkt der Bahn Gotha Ohrdruf nach Tambach die Summe von 468 006 4, 16 von einem in der Nähe von Niederwalgern be⸗ legenen Punkt der Bahn Marburg Frankfurt a. M. nach Weidenhausen die Summe von 943 000 6, 1 von Weil⸗ burg oder einem in der Nähe belegenen Punkt der Bahn Dberlahnstein —= Wetzlar nach Laubuseschbach die Summe von Tgob 66 „M, 18) don einem in der Rähe von Volmerhausen be= legenen Punkt der Bahn Siegburg⸗Derschlag nach Brügge die Summe von 5 360 056 M, 18) von Mayen nach Gerolstein oder einem in der Rähe belegenen Punkt der Bahn Euskirchen Trier die Summe von 9 500 000 S, b. zur n, , von Betriebs⸗ mitteln die Summe von 9146 000 4Æ, zusammen 75 704 000 .½, zu verwenden, ien, II. 31 . 39. Bahnen Gotha Ohrdruf und Fröttstädt = Friedrichroda zu übernehmen. .

ö Fit . Ausführung der vorstehend unter Nr. L Litt. a auf - geführten fr . erst dann vorzugehen, wenn nachstehende Be⸗

ingungen erfüllt sind:

; 6. Der gesammte zum Bau der unter Nr. 1 bis 11 und 16 bis 19 bezeichneten Bahnen und, deren Nebenanlagen nach Maßgabe der von dem Minister der öffentlichen Arbeiten oder im Enteignung⸗ verfahren festzustellenden Projekte erforderliche Grund und Boden ist der Staatsregierung in dem Umfange, in welchem derselbe nach den landesgesetzlichen Bestimmungen der Enteignung unterworfen ist, un⸗ entgelttich und lastenfrei der dauernd erforderliche jum Eigenthum, der vorübergehend erforderliche zur 6 für die Zeit des Be⸗ důrfniffes zu überweisen, oder die Erstattung der sämmtlichen staatzfeitig für dessen Beschaffung im Wege der freien Vereinbarung oder Enteignung aufzuwendenden Kosten, ö aller Neben⸗ entschadigungen für Wirthschaftserschwernisse und sonstige Nachtheile, in rechtsgültiger

Vorflehende Verpflichtung erstreckt si

i Übernehmen und sicher zu stellen. erg ter ch . auch auf die

unentgeltliche und lastenfreie 2 des für die Ausführung der

jagen Äniagen erforderlichen Terrains, deren Herstellung dem Eisen⸗ n,, im öffentlichen Interesse oder im Interesse des be⸗

nachbarten Grundeigenthums auf Grund landesgesetzlicher Bestim⸗

teren Punkt beire e, so sei zu verwundern, daß, während

dann darauf bedacht sein müssen, diese Kategorie von Beamten all⸗ gemein und in allen gin gĩeichmãßig zu verbessern.

mungen obliegt oder auferlegt wird.