1888 / 62 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Mar 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Gesetze sei nicht zu ne weil die Strafen für groben Unfug nicht hoch genug seien; die Demonstrationen von Franzosenfreundlichkeit müßten energisch bekämpft werden. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen (33. Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der geistlichen, Unter— richts und Medizinal-Angelegenheiten, Dr. von Goßler, der Finanz-Minister, Dr. von Scholz, und mehrere, Lom— missarien beiwohnen, steht auf der Tagesordnung die Fort⸗ setzung der zweiten Berathung des Entwurfs des w für 1888,89, und zwar der Etat des Ministeriums der geistlichen, Unter—⸗ richts und Medizinal-Angelegenheiten.

Beim Titel „Universität Göttingen“ beklagt Abg. Lubrecht die starke Belastung des Hannoverschen Klosterfonds durch den Bedürfnißzuschuß für die Universität Göttingen und richtet an die Regierung die Bitte, von einer weiteren Er⸗ höhung des aus diesem Fonds zu entnehmenden Zuschusses für Universitäts- und Schulzwecke für die Zukunft abzusehen.

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗ Angelegenheiten, Dr. von Goßler, kann nicht anerkennen, daß irgend eins der bestimmungsmäßig aus dem Fonds zu sub⸗ ventionirenden Gebiete resp. Institute ungebührlich bevorzugt sei; die Grundlage der Vertheilung, wie sie in den bezüglichen Gesetzen gegeben sei, beabsichtige die Regierung nicht zu ändern.

Abg. Br. Windthorst erklärt sich gleichfalls gegen eine weitere Erhöhung der Subvention der Universität Göttingen aus dem Klosterfonds und beschwert sich sodann über die Rede des Professors der Theologie Dr. Ritschl bei dem Jubiläum der Universität, welche durch ihre polemisch-parteiische Färbung in katholischen Kreisen berechtigtes Mißfallen erregt habe.

Der Titel wird bewilligt.

Beim Titel „Universität Marburg“ betont Abg. von Meyer (Arnswalde) unter Berufung auf eine Broschüre des Pro⸗ fessors Hasse wiederum den Widersinn, der darin liege, daß man sich um die Einnahmen der Professoren aus den Kollegien— honorgren nicht kümmere, während man mit peinlichster Ge— nauigkeit die Nebenbezüge der Staatsbeamten feststelle. Hasse schlage vor, die Honorare zur Staatskasse zu vereinnahmen, um sie aus dieser an die Privat-Dozenten und außerordent⸗ lichen Professoren ganz, an die ordentlichen besoldeten theil— weise zurückzuerstatten. ;

Abg. Dr. Enneccerus bestreitet, daß die Einnahmen der Professoren aus den Honoraren allzu hohe seien, das könne nur für ganz wenige Personen gelten, im Uebrigen seien aber die Einnahmen des Anwaltstandes z. B. höher. Die Fixirung der Honorarbezüge würde erheblich: Uebelstände mit sich bringen. Redner wünscht ferner, daß die Anmeldungs⸗ und Abmeldungsfristen für die Studenten am Beginn und am Schluß der Semester abgekürzt würden.

Abg. Dr. Windthorst hält die Wünsche des Abg. von Meyer (Arnswalde) für unerfüllbar und kommt wieder auf die ö über den Unfleiß der Studenten zurück, von welchen manche glaubten, auf der Universität nur gewisse Arten des Sports treiben zu sollen. Vor Allem sei eine Beseitigung der Käuflichkeit des Doktortitels und die Verbesserung des Kollegien— besuchs anzustreben. ö

Abg. Dr. Mithoff protestirt gegen die Ausführungen des Abg. Dr. Windthorst bezüglich der Festrede des Professors Dr. Ritschl, die ein wissenschaftlicher Vortrag gewesen sei.

Abg. Dr. Windthorst hält seine diesbezüglichen Aeuße— rungen aufrecht. .

Abg. Dr. Friedberg widerspricht der Kritik des Abg. Dr. Windthorst über unsere Universitätszustände. Die studirende Jugend sei keine Bande von Müßiggängern. Die Käuflichkeit des Doktortitels sei eine leichtfertige Anklage. .

Abg. Dr. Windthorst hält dem gegenüber seine sämmtlichen Bemerkungen aufrecht.

Bei Schluß des Blattes nimmt der Minister der geist— lichen ꝛc. Angelegenheiten, Dr. von Goßler, das Wort.

Die Budgetkommission des Hauses der Ab— geordneten beantragt bezüglich der zu Kap. 124 Tit. 5 und 18 der dauernden Ausgaben des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts und Medizinalangelegenheiten für das Jahr vom 1. April 1888/89 gestellten Anträge:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

1) Die Anträge: a. des Abg. Dr. Mithoff, demnächst des

bg. Dr Enneccerus, Nr. 67 der Drucksachen, b. des Abg. Dr.

Brüel, Nr. 71 der Drucksachen, L. des Abg. von Strombeck, Nr. 73 der Drucksachen, d. des Abg. Freiherrn von Hammerstein, Nr. 74 der Drucksachen, e. des Abg Freiherrn von Huene, Nr. 78 der Drucksachen, und f. der Abgg. Br. Achenbach und Genossen, Nr. 79 der Drucksachen, abzulehnen.

2) Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen:

Für die Verwendung des Fonds in Kap. 124 Tit. 5 des Staatshaushalts- Etats zu Alterszulagen feste Grundsätze aufzustellen und solche im nächstjährigen Staatshaushalts-Etat durch den Ver— merk zum Ausdruck zu bringen.

Zu dem Antrage der Abgg. Freiherr von Huene und von Strombeck, betreffend das Einkommen der katholischen Seelsorgestellen, hat die Bu dgetkommission des Hauses der Abgeordneten beantragt:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

Den Antrag der Abgg. Freiherr von Huene und von Strom⸗ beck, Nr. 72 der Drucksachen, abzulehnen.

In dem Hause der Abgeordneten ist der Bericht der T. Kom mission zur Vorberathung des Gesetz— entwurfs, betreffend die Erleichterung der Volks— schullasten, zur Vertheilung gelangt.

Die Kommission beantragt:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

l. Dem Geseßentwurf in der Fassung der Kommissions— beschlüͤsse seine Zustimmung zu geben.

2) Die Königliche Staatsregierung aufzufordern, auf die ange— messene gesetzliche Ordnung des Lehrerbesoldungswesens und nament lich der Alterszulagen unter Einfügung einer dritten weiteren Stufe derselben Bedacht zu nehmen.

3) Die Petitionen

II Nr. 158 170 171 183 186 189 193 212 215 216 217 218 227 228 235 236 237 238 23927 23914 247 248 249 255 256 257 261 262 283 285 286 287 291 296 297 298 310 328 329 339 340 3401 * 344 345 346 363 364 365 369 372 375 378 387 409 410 426 435, jowie 11 239 239 1-26 23 —- 3 46- , soweit sie sich auf das Diensteinkommen der Volksschullehrer beziehen, durch die Beschlußfassung über den Gesetzentwurf sowie durch die Resolution zu 2 für erledigt zu erachten.

5. 70 des Eigenthums⸗Erwerbsgesetzes vom 5. Mai 1877 bestimmt, daß der Prozeßrichter auf den Antrag einer Partei die Eintragung einer Vormerkung bei dem Grundbuchamt nachzusuchen hat, wenn ihm der Anspruch

oder das Widerspruchsrecht, welche durch die Vormerkung ge⸗ sichert werden sollen, glaubhaft gemacht sind. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, V. Civilsenat, durch Urtheil vom 10. Dezember v. J, ausgesprochen: „Zur

Eintragung der Vormerkung bedarf es nicht der weiteren Erfordernisse, welche die Civilprozeßordnung (68. 796, 814 ff.) für den Erlaß eines Arrestes oder einer einstweiligen aufstellt. Das

Verfügung

Reichsgericht hat bereits früher . daß der §. 70 eit. als materielle Rechtsvorschrift von den Bestimmungen der Civ. Proz.⸗Ordn. nicht berührt wird, und daß mithin dem An— trage auf Eintragung einer Vormerkung stattzugeben ist, so⸗ bald der Antragsteller seinen Anspruch glaubhaft macht. In Betreff der Person des Verpflichteten enthält das Gesetz keine ausdrückliche Bestimmung. Erwägt man jedoch, daß das Gesetz beabsichtigt, Denjenigen, welcher dem Prozeßrichter seinen obligatorischen Anspruch auf Eintragung oder Löschung eines dinglichen Rechts glaubhaft macht, gegen ihm nachtheilige Verfügungen des formell zur Disposition Berechtigten zu schützen, so kann kein Z3weifel darüber obwalten, daß der Verpflichtete nur der buchmäßig eingetragene Eigenthümer oder Gläubiger jein kann. Nur für diesen Fall enthält der 5. 0 eit. ein Sonderrecht. Die Ausdehnung desselben auf den weiteren Fall, daß ein Dritter verpflichtet ist, dem Antragsteller das dingliche Recht zu ver— schaffen, und daß der eingetragene Eigenthümer oder Gläubiger versprochen hat, diesem Dritten das beanspruchte Recht ein zuräumen, erscheint nicht zulässig. Für einen solchen That— bestand können vielmehr nur die allgemeinen Vorschriften über Verkümmerung von Rechten zur Anwendung gebracht werden.“

Ein Anstreicher hatte bei Gelegenheit einer gewerblichen Beschäftigung im Hause eines Kunden seines Arbeitgebers auf Verlangen eines Dieners dieses Kunden eine Jalousie am Gewächshause auf, helfen und war dabei von einem Unfall betroffen. achdem der Verletzte wegen des angeb— lichen Zusammenhangs zwischen der von ihm verrichteten häuslichen Thätigkeit und dem Gewerbebetriebe seines Arbeit— gebers einen Entschädigungsanspruch gegen die Berufsgenossen— schaft des Arbeitgebers erhoben hatte, ist durch Rekursentschei— dung des Reichs-Versicherungsamts vom 2. Januar d. J. (Nr. 488) dieser Anspruch in Uebereinstimmung mit dem Schiedsgericht zurückgewiesen worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob, in welchen Grenzen und unter welchen Voraus— setzungen ein direkter Auftrag des klägerischen Arbeitgebers zur Vornahme der betreffenden Verrichtung geeignet gewesen wäre, jenen Zusammenhang herzustellen und damit die betreffende Arbeit zu einer versicherungspflichtigen Thätig— keit „im Betriebe“ zu gestalten. Denn ein solcher Auftrag liegt hier nicht vor. Mag die Anweisung des Arbeitgebers dahin gelautet haben, wie Beklagte dies behauptet, Kläger solle sich eines höflichen und zuvorkommenden Benehmens den Kunden gegenüber befleißigen, oder dahin, wie Kläger be— hauptet, er solle alle kleinen Nebenverrichtungen, welche die Kunden etwa von ihm erforderten, ausführen: in beiden Fällen erscheint dieselbe derartig allgemein und unbestimmt gehalten, daß daraus keinesfalls der hier in Rede stehende Zusammen— hang hergeleitet werden kann. Anderenfalls würde der Kreis der der Versicherungspflicht unterliegenden Arbeiten eines jeden Gewerbebetriebes ins Ungemessene erweitert werden, wenn die Begrenzung desselben nicht nur dem Ermessen des Gewerbe— treibenden selbst, sondern dem jeweiligen Belieben seiner Kun— den, oder gar wie hier der Dienerschaft der letzteren überlassen werden sollte.

Durch Allerhöchste Ordre vom 22. Februar d. J. ist dem Kreise Heiligenbeil, welcher den Bau von Chausseen I) von Pörschken nach Brandenburg am frischen Haff, 2) von der Stadt Zinten über Schwengels bis zur Grenze des Kreises Pr. Eylau in der Richtung auf Landsberg beschlossen hat,

das Enteignungsrecht für die zu diesen Chausseen erforderlichen Grundstücke, sowie gegen Uebernahme der künftigen chausseemäßigen Unterhaltung der Straßen das

Recht zur Erhebung des Chausseegeldes auf den— selben nach den Bestimmungen des Chausseegeld-Tarifs vom 29. Februar 1849 einschließlich der in demselben enthaltenen Bestimmungen über die Befreiungen, sowie der sonstigen, die Erhebung betreffenden zusätzlichen Vorschriften vorbehaltlich der Abänderung der sämmtlichen voraufgeführten Be— stimmungen verliehen worden. Auch sollen die dem Chausseegeld-Tarif vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee-Polizeivergehen auf die gedachten Straßen zur Anwendung kommen.

Zu den im §. 17 Nr. 6 der Städteordnung für die östlichen Provinzen vom 30. Mai 1853 aufgeführten „Polizei⸗ Beamten“, welche nicht Stadtverordnete sein können, gehören, nach einem Endurtheil des II. Senats des Ober-Verwal⸗ tungsgerichts, vom 17. Februar d. J., auch die „Bahn— polizei⸗Beamten (8. 66 des Bahnpolizei-Reglements für die Eisenbahnen Deutschlands vom 30. November 1885, Centralblatt für das Deutsche Reich Nr. 50).

Bayern. München, 6. März. (W. T. B.) Die Kammer der Abgeordneten genehmigte heute einstimmig die zur Aufbesserung der Gehälter der nicht pragma—⸗ tischen Beamten von der Regierung geforderten 15830600 4, ebenso die zur Errichtung eines Handelshafens in Aschaffenburg nebst Herstellung der erforderlichen Ver— bindungsgeleise verlangten S0 (00 S Der Minister Frhr. von Crailsheim erklärte bei dieser Gelegenheit: wenn die Einrichtung der Kettenschiffahrt auf dem Main in Frage komme, werde zu erwägen sein, ob nicht der Staat die erforderlichen Anlagen herstellen solle.

Baden. Karlsruhe, 6. März. (W. T. B.) Der Großherzog spricht in einem zur Veröffentlichung bestimmten Schreiben an den Stgats-Minister Dr. Turban in ö Worten seinen und der Großherzogin Dank für die allseitigen Beweise der Theil nahme an— läßlich des Todes des Prinzen Ludwig aus.

Prinz Wilhelm von Preußen, welcher heute Vor— mittag hier eingetroffen war, hat Nachmittags 2 Uhr 25 Minuten die Reise nach Berlin gn e,

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 6. März. ; C.) Der Erbgroßherzog ist am Sonnabend von arlsruhe zurückgekehrt. Am 10. d. trifft der Kronprinz von Griechen land zum Besuch am Großherzoglichen Hofe ein. Für den Landtag, der am 8. d. M. zusammentritt, werden die Vorlagen so weit vorbereitet sein, daß er alsbald

Unter den Vorlagen wiro sich, dem Vernehmen nach, auch ein früher bereits erwähnter Gesetz entwurf, betreffend die Heranziehung der Eisenbahnen zu den

zum 22. d. M. erwartet.

Gemeindeabgaben, befinden. Für den Bau der Eisenbahn von Triptis nach Blankenstein fordert der preußische Staat die unentgeltliche Gewährung des Grundes und Bodens.

Anhalt. De ssau, 4 März. Die Landtag s⸗Diät ist gestern durch den Staats-Minister von Krosigk geschlossen worden. Aus der Rede desselben heben wir nach dem „Anh. St.⸗-A.“ hervor:

„Vier Gesetzentwürfe haben dem Landtage vorgelegen: das Etat. gesetz, ein Gesetzentwurf, die Verwaltungegerichte und das Ver. waltungsstreitverfahren betreffend, ein Geseßzentwurf, betreffend die sachliche Zuständigkeit der Perwaltungsgerichte und ein solcher, betreffend Ergänzung des Gesetzes vom 22. Dezember 1875 über den Civilstaatsdienst. .

Alle diese Gesetze sind durchberathen und im Wesentlichen ge— nehmigt, zum Theil mit Abänderungevorschlägen, jedoch nur mit solchen, denen die Herzogliche Staatsregierung zugestimmt hat.

Außerdem sind folgende anderweite Vorlagen der Herzoglichen Staatsregierung berathen und erledigt: der Haupt-Finanz⸗Etat für 1888 89, der Haupt⸗Finanzabschluß für 1886 87, der Abschliz der Herzoglichen Staatsschuldenverwaltungskasse für 1886,87, der General -Etat der Landarmen⸗Direktion für 1888/89, zwei Vor— lagen, die Veräußerungen landesfiskalischer Grundstücke betreffen, die Vorlage, die Errichtung einer lateinlosen, militär berechtigten höheren Bürgerschule in Cöthen betreffend, eine Vor— lage, betreffend die Ueberweisung des Kaiserplatzes und des Platzt vor dem Bahnhof in Dessau an die Stadt Tessau, eine Vorlage betreffend Grundabtretunß Seitens der Landarmen-Direktion an d Stadt Dessau, eine Vorlage, die Herstellung einer neuen Turn— anstalt für die Volksschulen der Stadt Dessau betreffend, die Vorlage, den Bau einer Zweigbahn von Alexisbad nach Günter berge betreffend, eine Vorlage, die Verwerthung des früher Seminargrundstücks in Cöthen betreffend.

Es haben dem Landtage 8 Petitionen vorgelegen; eine ist da Herzoglichen Staatsregierung zur Berücksichtigung, eine andere ist de Staatsregierung zur Erwägung empfohlen, eine der Petitionen jt durch Beschlußfassung über die Harzbahn für erledigt und eine ist alt zur Berathung ungeeignet erklärt, bezüglich der übrigen vier Pen tionen ist die einfache Tagesordnung beschlossen worden.“

Hamburg, 4. März. (Wes.⸗3Ztg.) Der Senat ha nunmehr der Bürgerschaft die Vorlage, betreffend die Organisation der Zollverwaltung, mit Motiven und einem Gesetzentwurf vorgelegt. Danach wird die oberste Landes-Finanzbehörde der Senat selbst sein. Außerdem wird eine General-Zolldirektion eingerichtet, welcher die einzurichten— . Hauptzollämter und Abfertigungsstellen untergeordnet werden.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 6. März. (W. T. B) In der heutigen Sitzung des Landesausschusses wit der Unter-Staatssekretär Dr. Studt zur Motivirung des von Winterer bekämpften Antrages der Regierung: die Schutzmannschaft in Mülhausen um 16 Mann zu vermehren, auf die Nothwendigkeit hin, die politische Ag— tation niederzuhalten. Auf Antrag von Mieg-Köchlin wurde die Vermehrung um 12 Mann beschlossen.

Oesterreich⸗.Kngarn. Wien, 6. März. (Wien. Abdy) Der Budget-Ausschuß des Abgeordnetenhause— debattirte gestern in Gegenwart des Handels-Minister Marquis von Bacquehem über das Kapitel „Po st- und J des Voranschlages des Handelz— Ministeriums. Außerdem standen auf der Tagesordnung ii Titel: ‚„Punzirung“ „Mauthen“ und „Salz“ de Etats des Finanz-Ministeriums. Auch der Aus— schuß für Erbtheilungsvorschriften hielt heute Vor mittag eine Sitzung.

Pest, 5. März. (Wien. Ztg.) Der Kaiser hat un 1 Uhr Mittags den chinesischen Gesandten Hung-Seun z empfangen und dessen Kreditive entgegenzunehmen geruht. I seiner Ansprache gab der Gesandte dem Wunsche Ausdruk, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen China und Oeste— reich-Ungarn auch weiterhin zu erhalten. Der Kaiser er— widerte mit dem Ausdruck der gleichen Gesinnung. Abend; 6 Uhr fand zu Ehren des Gesandten ein Galadiner statt

Das Abgeordnetenhaus nahm die Zuckersteuer— vorlage unverändert an.

HGroßbritannien und Irland. London, H. März (A. C.) Die Königin Victoria wird, am 23. d. M. in Florenz erwartet. Ihre Majestät reist incognito und win

Crawford fahren, wo die Vorbereitungen zur Aufnahme ja vollendet sind; die Hof-Equipagen sind bereits daselbst ein getroffen.

Der Bericht der Kommission zur Begutachtung de Vorschläge, betreffend die Befestigung der Kriegs- um Handelshäfen, ist der Oeffentlichkeit übergeben worden Die Kommission ist der Ansicht, daß zum Schutz viele britischen Häfen Befestigungswerke unumgänglich nöthi seien. Besonders wird auf die ungenügende Befestigun

der Themse und des Medway hingewiesen, währen Malta und Gibraltar auch umfassende Neubauten var langen. Die Kommission glaubt, daß mindestens 1 500 000456 Ster, zur Ausführung dieser Bauten erforderlich sein werden, und befürwortet die sofortige Inangriffnahme derselben. Fi

sion die Anlage von süubmarinen Minen.

6. März. (W. T. B.) Ein heute veröffentlichte Blaubuch enthält zahlreiche Briefe des General Gordon sowie ein Condolenzschreiben der Königit an Fräulein Gordon, die Schwester des Generals, von

1. . Februar 1885. In demselben heißt es: Rin Königin empfinde großen Kummer darüber, de die Versprechungen von Unterstützungen, welche si

so oft und so beständig denjenigen empfohlen habe, 3 Gordon veranlaßten, nach Khartum zu gehen, nicht erfill worden seien; Ihre Majestät fühle lebhaft die Schmach, welt rh das grausame, heroische Geschick Gordon's ju gefügt sei.

Das Unterhausmitglied für Cork, . ist wegen einer aufrührerischen Rede zu zwei Monathz Gefängniß ohne Zwangsarbeit verurtheilt worden, hu aber sofort Berufung eingelegt.

J. März. (W. T. B.) Bei der gestern im Untet— ha u se fortgesetzten Berathung über die Geschäftsord nun gt Vorlage wurde der Vorschlag der Regierung: die Spezia debatte über Vorlagen, bei denen es 1 um Rechtsfragen

seine Thätigkeit voll beginnen kann. Der Schluß wird bis

Gerichtsbehörden, prozessualisches Verfahren, Handel, Schiffahl

direkt vom Bahnhof nach der bei Fiesole gelegenen Vill

von Portsmouth, Plymouth sowie der Mündungen

die Vertheidigung der Handelshäfen empfiehlt die Kommi

und Fabrikate handelt, ständigen Ausschüssen zu überweisen, ange⸗ nommen. Das Amendement des Deputirten Heneage; auch die Spezial debatte über die Landwirthschaft betreffende Angelegen⸗ heiten einem ständigsn Ausschuß zu überweisen, wurde gleichfalls angenommen. Dagegen wurde der Antrag des Deputirten Campbell: die schottischön Angelegenheiten einem besonderen ständigen Ausschuß zuzutheilen, von der Regierung bekämpft, weil er das Nationalitätsprinzip aufwerfe, und von dem Hause mit 214 gegen 137 Stimmen abgelehnt.

7. März. (W. T. B.). Die meisten Morgenblätter drücken die Ansicht aus, daß die Illegalitäts-Erklärung den Prinzen Ferdinand zum baldigen Verlassen Bul— gariens veranlassen werde, daß sich indeß nach der Abreise des Prinzen die bulgarische Frage noch dringlicher ge— stalten dürfte. .

Bei Lord Salisbury fand gestern Nachmittag ein Diner statt, an welchem Graf Herbert Bismarck, die Botschafter Graf Hatzfeldt, Graf Karolyi, sowie der General Sekretär für Irland, Balfour, und der Staatssekretär des Innern, Matthews, theilnahmen. Sir Drummond Wolff ist gestern Abend zur Uebernahme seines Postens als

Gesandter in Persien nach Teheran abgereist.

Frankreich. Paris, 6. März. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer setzte in der heute Vormittag abge— haltenen Sitzung die Berathung des Kriegsbudgets fort. Lockroy verlangte Aufklärungen über den Gesetzentwurf, betreffend die Einsetzung von 5 General-Inspektoren und beantragte die Verweisung dieses Gesetzentwurfs zur Vorberathung an die Armee⸗-Kommission. Der Kriegs—

sinister erwiderte, die General -Inspektoren sollten Delegirte des Kriegs-Ministers sein, die Kreirung der General-Inspektoren sei eine große Hauptsache, sie werde besser als bisher ermöglichen, die Maßnahmen für die Vorbereitung zum Krieg zu inspiziren und zu prüfen und über die Sicher— heit und Vertheidigung des Landes zu wachen. Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Vorlage erkläre er sich mit deren Ver— weisung an die Armee-Kommission einverstanden. Die Kammer vertagte sich darauf auf zwei Stunden.

7. März. (W. T. B.) Die Arm ee⸗Kommission sprach sich günstig für die Einsetzung von Armee-Inspektoren aus, und nahm die Deputirtenkammer den Entwurf an.

Die von Wilson eingelegte Berufung wird am 19. März zur Verhandlung kommen.

Italien. Rom, 6. März. (W. T. B.) Wie die Riforma“ meldet, hat der Reichskanzler, Fürst Bismarck, dem Minister-Präsidenten Erispi heute telegraphisch seinen Dank für die gestern von der Kammer ausgesprochenen Wünsche für die Wiedergenesung des Kron— prinzen wie für die bei diesem Anlaß gesprochenen Worte Crispi's übermittelt. Die Riforma“ fügt hinzu: das Tele— gramm sei nicht nur der Ausdruck eines einfachen Danks, sondern habe auch einen besonderen politischen Charakter, da es ö. Bande der Freundschaft zwischen den beiden Ländern erwähne.

Spanien. Madrid, 7. März. (W. T. B.). Der Lriegs-Minister sagte in der Kammer, gelegentlich der Diskussion über militärische Reformen: Spanien müsse einzig und allein darauf bedacht sein, im Fall eines euro— päischen Konflikts strikte Neutralität aufrecht zu erhalten.

Türkei. Konstantinopel, 7. März. (W. T. B.) Die Pforte hat ihren Botschaftern mitgetheilt, daß sie eine Erklärung an die bulgarische Regierung ge— richtet habe, worin, die Anwesenheit des Prinzen Ferdi— nand an der Spitze der Regierung des Vasallenstaats für illegal erklärt werde.

Rumänien. Bukarest, 6. März. (W. T. B.) Die Kombination Ghika⸗Carp ist in Folge von Differenzen in Finanzfragen gescheitert; Ghika sucht nunmehr mit Bratiano und den gemäßigt Liberalen ein Kabinet zu bilden.

Bulgarien. Sofia, 5. März. (Prag. Ztg.) Die gestrigen Wahlen der Generalräthe fielen überall für die Regierung günstig aus. Der österreichische diplomatische

Agent von Burian ist Sonnabend hierher zurückgekehrt.

Amerika. New-Hork, 3. März. (A. C.) Der Bundes⸗-Senat hat eine Resolution genehmigt, worin der Präsident aufgefordert wird, mit dem Kaiser von China einen Vertrag abzuschließen, der hinfort jedem Chinesen die CLinwanderung in die Vereinigten Staaten unterfsagt. Das Repräsentantenhaus faßte einen ähnlichen Beschluß, welcher den Präsidenten ersucht, dem Hause Mittheilung darüber zu machen, welche Schritte geschehen seien, um die trostz des Verbots fortgesetzte Einwanderung von Chinesen zu verhindern.

Zeitungs ftimmen.

Die „Deutsche volkswirthschaftliche Correspon— denz schreibt über den Weltsieg des Schutzzolls:

Tie Erscheinungen, die in Deutfchland zur Einführung der 5 ollpolitik führten, traten nicht mit einem Male hervor, fondern ie zeigten sich in ihren Anfängen schon lange, bevor sie allgemein bemerkt wurden. In einzelnen Erwerbszweigen traten die verderblichen Folgen der Freihandels politit früher hervor als in anderen, in manchen rler und in manchen schwächer. Es giebt aber wohl nur ,. Proꝛuktionszweige, die nicht schließlich doch die Schutzzölle für noth⸗ wendig gehalten haben und denen diefelben nicht nützten. Blicken wir uns nun in Europa um, so finden wir, daß nicht allein in Deutsch— land die Umwandelung der Anschauungen zu Gunsten des Schutzzolls *. zwar langsam, aber unaufhaltsam vollzog; in den meisten anderen r taaten, so, namentlich in Frankreich und Oesterreich, war die Frei⸗ uandelspartei nicht so ftark ünd fand insbefondere nicht den Rückkalt an der Regierung, wie in Deutschland, und aus dem Grunde vollzog sich die Umwandelung der freihändlerischen Anschauungen und die Ruͤck—⸗ ehr zum Schutzzoll in jenen Ländern früher als bei uns. * Unter allen europäischen Staaten ist es schließlich nur England, * der Macht der Verhältnisse bis jetzt widerstand, in dem der Frei⸗ aandel aufrecht erhalten wurde. Indeß ist der Zwang der Verhält . ie, so stark, daß auch England sich dem nicht entziehen kann, die Fänger des fair trade in England gewinnen von Lag zu Tag mehr

den. Die Hochburg des Freihandels, der Cobdenklub, ft das mit Schaudern und ruft alle seine Kämpen auf zum Kampf gegen . Macht der Thatsachen, die zu Gunsten des Schutzzolls fyrcchen.

jeser Erkenntniß können sich selbst fo streng freihändlerische Srgane, wie es die „Volkswirthschaftliche Wochenschrift“ ist, nicht verschließen, und, der Muth der Manchesterpartei sinkt dermaßen, daß aus ihren

reisen Klagelieder ertönen, die an Elegie kaum zu übertreffen find.

Anknüpfend, daran, daß der Cobdenklub die Rede des Sir Lron ! ihren Schiedsgerichte, ihrer

layfair, die dieser in Leeds über das Thema „Schutzzoll und Landwirih— chaft gehalten hat, versendet, bezeichnet es das genannte Blatt als eine traurige Wandelung der Zeiten, daß in England überhaupt Ver—⸗ anlassung geboten ist. über ein derartiges Thema zu sprechen. Vor 10 Jabren hätte man dies für absolut, unmöglich gehalten, heißt es, und Jeder wäre verlacht worden, der die Meinung ausgesprochen hätte, es könne sich in England wieder einmal die Nothwendigkeit ergeben, den Protektionismus zu bekämpfen. Es ist aber doch so gekommen. Und an einer anderen Stelle heißt es: „So kam es, daf auch auf dem klassischen Boden des Freihandels, in jenem Lande, welches gerade dem rechtzeitigen Erkennen der Segnungen einer wirklichen Freihandels⸗ politik und der resoluten Durchführung der letzteren seinen enormen wirthschaftlichen Aufschwung verdankt, die zucrst einzeln ertönenden und bei ihrem Auftauchen mit mitleidigem Achselzucken entgegen.

genommenen Rufe einiger bedrängter Landwirthe und Ge— werbsleute denn doch unter den torystischen Parteiführern

Vertheidiger fanden, welch' letztere für den von der öffentlichen Meinung Englands einhellig ( verurtheilten Protektionismus Ten sanften und zarten Namen „fair trade“ ersannen und der alten Sünde durch das neue Mäntelchen eine annehmbarere Erscheinungs— form zu verleihen versuchten. Da nun bekanntlich das moralische Mäntelchen in allen Dingen in England eine ganz hervorragende Rolle spielt, und der äußere Schein der respectability. bei welcher dem Worte fair stets ein wichtiger Platz zukommt, für gar manche Erscheinung moralischer Fäulniß den . in die beste Gesellschaft offen hält, so erwies sich das Manzver mit dem schönen Titel als geschickt und erfolgreich. Eine erkleckliche Anzahl von direkt inter— essirten Elementen, welche mit Sicherheit darauf rechnen können, aus gewissen protektionistischen Maßregeln für sich ein Profitchen heraus— zuschlagen, bemächtigte sich sofort des neuen heuchlerischen Schlag— wortes; die Torp-Partei wußte unter dem Schein staatsmännischer Erwägung und unbefangener Prüfung die Ideen des „fair trade gewissermaßen hoffäbig zu machen. Die allzemach sich verbreitende Meinung, daß diese Idee doch nicht gan; aussichtslos sei, konnte nur dazu beitragen, die Zahl ihrer Anhänger zu vergrößern.“

Aus diesem Erguß geht das Anerkenntnis hervor, daß die un— leugbaren „Segnungen des Freihandels' auch in England, alfo in dem Lande, das thatsächlich wie kein anderes Vortheile vom Frei— handel gezogen hat, nicht mehr vorhanden sind. Die Annahme, daß nur das Wort fair trade der Sache Anhänger zuführe, ist denn doch gar zu naiv, um ernst genommen zu werden, und so bleibt denn nichts Anderes übrig, als daß die sich verbreitende Meinung, daß die Idee nicht ganz aussichtslos sei', die Folge der Verhältnisse ist, di? im Laufe der Zeit sich so verändert haben, daß auch für England der Freihandel nicht mehr zeitgemäß ist. Ene bessere Rechtfertigung der Schutzzollpolitik éunserer Regierung kann es aber nicht geben.

In Anbetracht der Ursachen, die den Verfall der Freihandels— politik bedingen, erkennen auch die Anhänger Cobden's ganz gut, daß dies in erster Linie die ungeheure Konkurrenz ist, die Indien und Amerika der Landwirthschaft der alten Welt machen. Sodann aber wird Seitens des citirten Wiener Blattes auf das fortwährende Steigen der Zollschranken auf dem europäischen Kontinent hingewiesen, welches großen Mengen britischer Industrieprodukte gewohnte Absatz= märkte verschloß, oder ihnen wenigstens den Absatz dahin wefentlich erschwerte; daraus entstand Ueberproduktion und Preisfall, fo daß vielfach die Arbeit eingeschränkt werden mußte, und große Mengen von Arbeitskräften um die Gelegenhelt ihres Lebens— unterhalts gebracht wurden. Der Druck geschäftlicher Depression lagerte sich auf das Land und der Ruf nach Abbülfe wurde bielfach hörbar. Hier begegnen wir wieder der Anschauung, daß dem Frei— handel zu Liebe Thür und Thor offen gehalten werden' maß. Je schneller die Krisis eintritt, desto besser ist es nach Anficht der Manchesterpartei, denn desto besser wird sich die Anrassung“ voll⸗ zogen haben. Da ist es nun ein harter Schlag, daß man auch in England die Anpassung nicht abwarten will, sondern lieber zu dem alten, abgelegten Rock der Schutzzollpolitik greift, um damit den Volkswohlstand zu schützen. Wir haben ihn ja gottlob schon feit 1879 angezogen, und wenn er auch trotz aller Reparaturen hier noch drückt und dort noch Löcher zeigt, allmählich werden wir ihn gewiß in einen Zustand versetzen, das Jeder sich darunter wohlfühlt.

. Die „Grenzboten“ enthalten einen Aufsatz über die Nationalliberalen und die Deutschfreisinnigen. Derselbe beginnt:

Zu keiner Zeit sind die Deutschfreisinnigen, die alte Fortschritts— partei, auf die Nationalliberalen so erbittert gewesen, als jetzt. Es giebt kein Schmähwort, womit man einen unxedlichen Abtrünnigen beehrt, das nicht seit Beginn der jetzigen Legislaturperiode gegen die vielumworbenen Freunde von eheinals gebraucht worden wäre, und noch gebraucht wird. Das ist auch begreiflich. Seitdem die Nationalliberalen erfahren haben, daß fie im Bündniß mit, den beiden konservativen Parteien frucht— bringend und heilsam für das Vaterland arbeiten können, steht dieses Bündniß bei ihnen fest, um so fester, als sich vieler der— selben ein Widerwille gegen das Gewerbe der politischen und sozialen Brunnenvergiftung bemächtigt hat, das seit der Verquickung der „wirk— lich Liberalen! mit den Sozialdemokraten einerseits und mit den Ultramontanen andererseits von den echten Fortschrittlern betrieben wird. Die Nationalliberalen aber wissen, daß diejenigen Schichten der Bevölkerung, denen sie ihr politisches Mandat verdanken, für ihr Zusam—⸗ menarbeiten mit den konservativen Parteien ein volles Verftändniß haben, und daß es den Deutschfreisianigen bis jetzt unmöglich gewefen ist, die öffentliche Meinung über ihr politisches Handeln zu verwirren; auch dürfen sie aus vielen Anzeichen hoffen, daß das Verständniß fur politische Dinge im Volke so bleibt; hauptsächlich aber ist eine dauernde Lossagung derselben von der Fortschrittspartei darum an— zunehmen, weil es sich immer deutlicher und schärfer herausstellt, daß die Geister auf beiden Seiten, der nationalliberalen und der frei— sinnigen, verschieden geartet sind. Je ernster die auswärtige und die innere Lage des Vaterlandes geworden ist, desto mehr hat sich diefe Verschiedenheit der Denkungsart gezeigt. Auch diefe Wahrnehmung kann nur den Haß der Fortschrittspartei steigern.

Wie sehr diese Verschiedenheit des politischen Denkens vorhanden ist, wollen wir im Folgenden dadurch zeigen, daß wir die Vestre— bungen der Deutschfreisinnigen in einigen Hauptpunkten aufweisen; und da diese Bestrebungen sich noch freier und naturwüchsiger in der sessionslosen Zeit kundzugeben pflegen, als da, wo getagt wird und wo also der Hinblick auf sofortige Widerlegung den Eifer zähmt, so wollen wir die Bestrebungen des Fortfchritts, wie fie sich kurze Zeit vor dem Zusammentreten des Reichstages zur laufenden Session zeigten, etwas näher betrachten. Der Leser wird sich dann selber sagen können, ob eine Partei, die, wie die nationalliberale, die Einheit und Ehre des Vaterlandes über alles stellt und die das Glück des Volks in einer geordneten, in den Gesetzen und Sitten des Vaterlandes begründeten maßvollen und edeln Freiheit sieht, mit dem Geist des Freisinns noch irgend einen Zusammenhang haben kann Vor dem Zusammentreten des Reichstages zur jetzigen Session, in der sessionslosen Zeit, gehörte zur Charakterentwicklung des Frei⸗ sinns ein immer näheres Heranrücken an die Sozialdemokratie, was zuletzt derart war, daß ein Unterschied zwischen beiden Parteien in gewissen Punkten kaum noch erkennbar war. . ..

ö.. diese Behauptung werden Beweise angeführt, zuletzt das Verhalten der Deutschfreisinnigen gegen die Sozialreform. Dann heißt es weiter:

Aber trotz aller hämischen Witzeleien Richter's und seiner frei— sinnigen Genossen über die „Pfennigrentner“ wird sich doch der groß—⸗ artige Zug des ganzen Unternehmens auch im Volk immer . geltend machen, und der Kaifer immer mehr, wie die preußifchen Könige von je, als der Anwalt der Armen und Gedrückten erkannt werden, wenn von zwölf Millionen deutscher Arbeiter die drückendsten Sorgen, welche Alters. und Erwerbsunfähigkeit mit sich bringt, genommen werden. Das ungeheure Werk mag auf den ersten Anlauf

nicht ganz gelingen; wie könnte eine so weitgreifende Verwaltung mit

Arbeitervertretung, ihrer Geschäfts⸗ ordnung, beim Mangel aller Erfahrung sofort und ohne alle Fehl⸗ griffe sicher arbeiten! Trotz alledem wird die Nachwelt staunen, wie über diese ganze soziale Resorm, so insbesondere Über die kurze Zeit, in welcher sie trotz aller erdenklichen Hindernisse von Seiten der Gegner in ihren wesentlichen Grundzügen fertig gebracht und in Thätigkeit gesetzt worden ist. Noch sindes nicht sieben Jahre her, daß an jenem 17. November Die Botschaft des Kaisers seinen Wunsch und Willen in Betreff einer sozialen Reform dem deutschen Volke verkündigte, und schon wird das große Werk bald zu einem wichtigen Abschluß kommen. Der deutfche Arbeiter wird für die Zeit seines Alters ein Recht auf eine Rente haben, für welche Kinder und Angehörige und ebenfo Fremde ihn mit Freuden in ihrem Hause aufnehmen. Besonders aber, wir weifen darauf noch einmal hin, läßt sich der Einfluß auf die ganzen sozialen Verhältnisse, so z. B. auf das des Landlebens, gar nicht genug ermessen, wenn sich die Invaliden der Arbeit und unser Arbeiter in ihren späten Tagen entschließen, ihren Aufenthalt aus den Städten aufs Land zu verlegen. An dieser großen Reformarbeit haben die Nationalliberalen bis jetzt aufs treueste mitgeholfen; sie haben mitgeholfen in dem Bewußt— sein, daß, wie neulich der Abgeordnete Oechelbäuser hervorhob, eine solche Reform noch zu feiner Zeit und bei keinem Volke in folchem Umfange in Angriff Lenommen worden ist als wie vom Kaiser Wil⸗ helm und seiner Regierung. Dagegen hat der Fortschritt bis jetzt Lon Anfang an seine Aufgabe darin gesehen, dem großen Werk. hindernd in den Weg zu treten. Auch hier sstehen die Freisinnigen auf dem Standpunkte Bebel's, der die So zial⸗ reform des Deutschen Reichs eine staatssozialistische Maske nennt. Wenn aber die arbeitenden Klassen endlich, wie zu hoffen steht, trotz aller Agitation erkennen, daß durch die Fürsorge ihres Kaisers bei Unfall und Krankheit, bei Indalidität und im Alter die schwerste Noth gebannt worden ist, daß dagegen der Freifinn nur Steine bot statt Brot, dann werden diese Herren wohl auf all ihren lärmenden Spuk noch mehr als bisher den Ruf zu hören bekommen:

In die Ecke,

Besen! Besen!

Seid's gewesen!

Kunst, Wissenschaft und Literatur. ‚Kaiser Wilhelm, seine Lebensgeschichte

Sterzenbach:

und glorreiche Regierung.“ 3. Auflage. (Heuser's Verlag, Berlin und. Neuwied. Preis 75 3. Diese gediegene und ffrisch ge⸗ schriebene Schrift eignet sich besonders für die Jugend. Sie ist auch mit patriotischen Gedichten zum Singen und Sagen ausgestattet.

Am 25. Februar verschied in Naumburg a. S. der pensionirte Hofrath G. Kraufe, wirkliches, korrespondirendes und Ehren— mitglied mehrerer gelehrten Gefellschaften, der, wie wir dem Cöthener Tgbl.“ entnehmen, während seiner früheren Wirksamkeit als Intendant der Herzoglichen wissenschaftlichen Sammlungen zu Cöthen sich um die Erforschung der Geschichte des Anhaltiner Landes außerordentliche Verdienste erworben hat. Derselbe wurde am 26. Juni

1804 als Sohn eines schlichten Landwirths zu Gustau bei Duaritz in Schlesien geboren und widmete sich dem Lehrfach, zu welchem Zweck er u. A. an der Berliner Universität Vorlesungen hörte Nach vollendeter Ausbildung und mehrjähriger Thätigkeit im Lehramt wurde Krause nach Sabor bei SIrünberg (Schlesien) als Erzieher der drei Prinzen von Schönaich-⸗Carolath, dann als „Rath“ unter der Regierung des Herzogs Cöthen berufen, woselbst er mit der Verwaltung der Herzoglichen Bibliothek und der Intendantur der berühmten Naumann chen Samm lungen betraut wurde.

die Geschichte des Anhaltlandes geschrieben.

des dreißigjährigen Krieges“ (Leipzig, vck R Eine weitere, in 3 Bänden erschienene umfangreiche Arbeit ist ‚Ludwig, Fürst zu Anhalt ⸗Cöthen, und sein Land, vor und während des dreißigjährigen Krieges“.

Das sgeben erschienene 6. Heft des zweiten Bandes der im Auftrage der Centralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland von dem Professor der Erdkunde an der Akademie zu Münster i, W. Dr. R. Leh mm ann und dem Professor der Erdkunde an der Universität zu Halle Dr. A. Kirchhoff herausgegebenen „Forschungen zur deutschen Landes, und Volkskunde“ (Verlag von J. Engelhorn in Stuttgart) enthält eine Abhandlung über die Siedelungsarten (Halden, Schuttkegel, Becken, Staffel? Boden,, Terrassen⸗, Teisten Hang, und Rundhöcker⸗ Siedelungen) in den Hochalpen von Dr. Ferdinand L2öwl, Professor an der Universität Czernowitz. Ladenpreis 1 (5 B. Der Verfasser legt in dem vorliegenden Heft die Ergebnisse seiner Ferschungen nieder, welche darauf gerichtet waren, die Wohnstäatten im Hochgebirge nach orologischen Kennzeichen zu sondern und in einer Reihe von Thälern vergleichbare Werthe für die unterschiedenen Siedelungsarten zu gewinnen. Den Freunden der Alpenwelt dürfte diese Abhandlung um so werthvoller sein, als sie nicht unwesentliche Berichtigungen des „Spezial-Ortsrepertoriums von Tirol und Vorarlberg“, welches die statistische Centralkommission im Jahre 1885 herausgegeben hat, enthält. .

„Der Freiherrntitel einst und jetzt.! Betrachtungen über die historischen Grundlagen der titularen Abstufung des deutschen Adels von Karl Heinrich Freiherrn Roth von Schrecken— stein. (66 Bogen gr. 8. Preis 2 6 Berlin, R. von Decker's Verlag, G. Schenck, Königlicher Hof⸗Buchhändler) Es handelt sich in dieser Schrift um Betrachtungen über den Ursprung und die Tragweite des modernen Freiherrntitels, besonders um einige Kontroversen über die demselben, im Hinblick auf andere Adels prãdikate, beizumessende Bedeutung. Die Darlegung der besonders durch die Ritterbünde, Turniergenossenschaften, Domstifte und Orden bewirkten Umgestaltung des mittelalterlichen Adelsbegriffes und der zur Be— zeichnung bestimmter Stufen dienenden Prädikate erfolgt unter Berücksichtigung der Bedürfnisse eines nicht allein durch die Standes genossen des Verfassers gebildeten Leserkreises. Im letzten Abschnitt werden die praktischen Ergebnisse der Betrachtungen zusammengestellt. Insbesondere wird erwogen, wer zur Führung des Freiherrntitels befugt sei und daß derselbe weder für das Alter der ihn führenden Familien, noch für deren sozialpolitische Bedeutung sichere Anhalts⸗ punkte gewähre.

„Schach dem König!“ Leichtfaßlicher Leitfaden zur schnellen und gründlichen Erlernung des Schachspiels. Von Albrecht Schwarz, Lehrer der Mathematik und des Schachspiels. Mit 6 Abbildungen. Oranienburg 18858. Ed. Freyhoff's Verlag. (Preis 1,50 , eleg. geb. 2 A) Der Verfasser erörtert zuerst die Grund⸗ regeln des Schachspiels und ergeht sich auf das Ausführlichste über Srielmaterial, Aufstellung, Beeichnung, Gangart der Figuren, die Schachpartie selbst, das Matt, Patt, die Rochade, Spielgesetze, Be— zeichnung der Züge; hierauf folgen Fintenspiele älterer italienischer Meister, die wichtige Spielwendungen und glänzende Kombinationen enthalten. Diesen schließen sich gespielte Partien und schließlich End⸗ spiele an, welche zeigen, wie der gegnerische König durch die ver⸗ schiedenen Figuren matt gesetzt wird. Die wichtigsten Stellungen finden sich bildlich wiedergegeben.

Hopf's „Lustiger Polterabend‘. Heitere Vortrage zum Polterabend für eine und mehrere Personen, im Kostüm vorzu—⸗ tragen und in allen möglichen Dialekten. Nebst humoristifchen

Polterabend und Hochzeitsreden, Tafelliedern, wie Mustern zu