1888 / 148 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Jun 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Aichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 9. Juni. Se. Majestät der Kaiser und König besichtigten gestern Nachmittag gelegent⸗ lich einer Spazierfahrt das Barackenlager des Lehr⸗Infanterie⸗ Bataillons bei Bornstedt. .

8. Vormittag 12 Uhr empfingen Allerhöchstdieselben den General⸗Adjutanten von Albedyll zum Vortrage.

Der Bundesrath hat in seiner Sitzung rom 17. Mai d. J. beschlossen, daß der Zollsatz, bis zu welchem die im Bundesrathsbeschlusse vom 11. April 1883 gewährte Erleichterung für die Ermittelung des zollpflichtigen Gewichts 3 ö. eintreten kann, auf 5 pro 100 kg er⸗ öht wird.

Steigt ein Reisender in einen Personenwagen eines . Abfahrt dastehenden Eisenbahnzuges ohne gültiges illet und ohne (unaufgeforderteꝰ Meldung beim Schaffner oder Zugführer und verschafft er sich so eine freie Fahrt, so begeht er damit nach einem Urtheil des Reichsgerichts, If Strafsenats, vom 13. März d. J, einen Betrug. Diese andlung verliert dadurch nicht den Charakter einer betrüg⸗ chen, daß er dabei im Einvernehmen mit dem mit der Billetkontrole beauftragten Schaffner handelt. „Nach 8. 14, . 3 des Betriebsreglements für die Eisenbahnen Deutschlands vom 11. Mai 1874 hat der Reisende, welcher, ohne ein gültiges Fahrbillet zu besitzen, in einen Personen⸗ wagen einsteigt, dem Schaffner oder Zugführer hiervon gleich bei' dem Einsteigen unaufgefordert Meldung zu machen. Die Unterlassung der Meldung ist also geeignet, bei dem Zug— führer, welcher den Reisenden sonst nicht befördert hätte, den Irrthum hervorzurufen, daß der Reisende ein gültiges Billet hesitze, und dieser Irrthum wird erregt durch positives Handeln des Reisenden durch das Einsteigen ohne gültiges Billet und ohne Meldung, also durch Unkerdrückung wahrer That⸗ fachen. Wenn sich der Angeklagte durch Erregung solchen Irrthums die freie Fahrt von R. nach L. ohne gültiges Billet verschaffte und auf diese Weise in der Absicht, sich den rechts— widrigen Vermögensvortheil dieser freien . zu verschaffen, das Vermögen des Eisenbahnfiskus beschädigte, so liegt schon hierin der Thatbestand des vollendeten Betruges, sollte auch der den betreffenden Wagen in R. bedienende Schaffner im Einverständniß mit dem Angeklagten gehandelt und so den Betrug desselben unterstützt haben.“

Nach einer allgemeinen Verfügung des Justiz-Ministers vom 31. Mai d. J. kann den nicht ständigen . arbeitern ihre Remuneration ohne Genehmigung Les Justiz-Ministers auch für diejenige Zeit fortgezahlt werden, während welcher sie ihre Thätigkeit in Folge einer Erkrankung, eines Urlaubs zur Wiederherstellung der Gesundheit, einer Beurlaubung fur Sonntage und allgemeine Feiertage, einer Beurlaubung während der Gexichtsferien oder einer 86. sehung zu militärischen Dienstleistungen unterbrochen haben, 6. durch die Einstellung der Thätigkeit Stellvertretungs— kosten nicht erwachsen sind.

Der Kaiserliche Minister⸗Resident in Lima, Zembsch, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten, Mit der interimistischen Wahrnehmung der Geschäfte der Kaiser— lichen Mission ist der dortige Konsul Strömsdörfer be— auftragt worden.

Der Königliche Gesandte in Dresden, Wirkliche Ge⸗ heime Rath, Graf von Dönhoff, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Während der Abwesen— heit desselben von seinem Posten fungirt der Legations—⸗ Sekretar Prinz von Thurn und Taxis als interimistischer Geschäftsträger.

Der Königliche Gesandte in Weimar, von Derenthall , hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten.

Der hiesige japanische Gesandte, Marquis Satonzi, hat sich , Regelung gesandtschaftlicher Angelegenheiten nach Brüssel begeben. Während der Abwesenheit de en, von Berlin fungirt der zweite Legations⸗Sekretär Chokichi Kikkawa als interimistischer Geschäftsträger.

Der bisherige Spezial-⸗Kommissar in Elbing, Regie⸗ rungs⸗Rath Hessen, ist der General⸗Kommission in Munster als außeretatsmäßiges Mitglied überwiesen worden.

Der Kommandant von Berlin, General⸗Major Graf von Schlief fen, General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs, hat mit kurzem Urlaub Berlin verlassen.

Nach Beendigung des Kursus bei der Artillerie— Schießschule haben sich die zur Theilnahme an demselben kommandirt gewesenen Offiziere in ihre resp. Garnisonen zurückbegeben.

Potsdam, 8. Juni. (W. T. B.). Ihre Majestät die Kaiserin hat in Begleitung Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria heute Abend 10 Uhr die Reise nach Westpreußen mittelst Extrazuges angetreten.

9. Juni. (W. T. B.) Se. Kaiser liche und Königlich Hoheit der Kronprinz traf heute Morgen 6 Uhr hier ein und begab Sich alebald in das Marmor⸗ palais.

Dirschau, 9. Juni. Majjestät . ist mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria und Gefolge heute Morgen 7 Uhr ier eingetroffen und am Bahnhof vom kommandirenden

eneral des J. Armee⸗Corps von Kleist, dem Ober⸗Präsidenten von Ernsthausen, dem Regierungs⸗Präsidenten von Heppe, dem Eisenbahn⸗Direltor Korf dem Landrath Doehn und dem Bürgermeister Wagner empfangen worden. Ihre Majestät nahm im reichgeschmückten Wartesaal ein Gabelfrühstück ein, zu welchem die zu ihrer Begrüßung erschienenen Herren ein⸗

eladen wurden. Der Bahnhof war abgesperrt; das außer— alb desselben zahlreich zusammengeströmte Publikum begrüßte hre Majestät mit lebhaftem Enthusiasmus. Um 7 Uhr

5 Minuten erfolgte die Weiterfahrt nach Marienburg.

Marienburg, 9. Juni, (W. T. B) Ihre Majestät die Kaiserin und Ihre Königliche Hoheit die Prin⸗ zessin Victoria trafen heute früh 7 Uhr 55 Minuten hier ein und machten alsbald, eine Rundfahrt durch die festlich geschmückte Stadt, überall von der zahlreich zusammen—

W. T. B.) Ihre l th he

eströmten Bevölkerung mit Begeisterung begrüßt. Vor der khr Töchterschule nahm 9 Ma jestät von einer Schülerin einen prächtigen Strauß entgegen; auch im Remter des Schlosses überreichten Damen mannigfache Blumen⸗ spenden. Hier begrüßte der Sängerchor des Schullehrer⸗ Seminars Ihre Majestät mit dem Gesange des Liedes, Gott grüße Dich.“ Hierauf fand die Vorstellung der Behörden, des Hülfscomités und der Geistlichkeit, darunter Bischof Thiel aus Frauenburg, und dann eine Besichtigung des Schlosses statt. m 9 Ühr 15 Minuten fuhr 5 Majestät auf einem reich geschmückten Dampfer nach Jonasdorf weiter.

Oefterreich⸗ Ungarn. Wien, 8. Juni. (W. T. B) Der Reichs⸗-Kriegsminister General Freiherr von Bauer und der Marine⸗Kommandant von Sterneck sind heute nach Pest abgereist, um der Eröffnung der Delegations⸗ sitzung en beizuwohnen. Der Minister⸗Präsident Graf Taaffe begiebt sich morgen dorthin.

Wie die „Neue Freie Presse“ erfährt, weist das gemein⸗ same Budget ein Mehrerforderniß von nahezu 5 Millionen auf, wovon 42/19 Millionen auf das Kriegsbudget entfallen; für Anschaffung von Repetirgewehren sind 13 Millionen, für organisatorische Maßnahmen im Ordinarium, wie im Extra⸗ ordinarium ca. 3510 Millionen in Aussicht genommen. Der außerordentliche Spezialkredit der Kriegsverwaltung beträgt 475119 Millionen, von denen 16 Millionen unter Verantwort- lichkeit der Regierungen bereits verausgabt sind; 13319, Mil— lionen werden zu künftiger Verwendung und 17660 Millionen für den Fall dringender Nothwendigkeit gefordert.

Pest, 8. Juni. (W. T. B.) Das Abgeordneten⸗ haus hat heute die Delegationswahlen vorgenommen.

Die ungarische Delegation hielt heute eine Vor⸗ konferenz ab, in welcher die Konstituirung des Prä⸗ sidiums und der Ausschüsse vorgenommen wurde. . Präsidenten wurde Ludwig Tisza und zum Vize— Präsidenten Kardinal Haynald aufgestellt.

Großbritannien und Irland. (A. C.) In einer von 3090 Personen besuchten Ver— sammlung von Liberalen verbreitete sich Earl Spencer, der frühere Vize-König von Irland, gestern in Shef⸗ field über die irische Frage. Die liberalen Unionisten behandelte er fast wegwerfend. Als Partei wagten sie keine Maßregel im Parlament zu ö welche dem liberalen

London, 7. Juni.

Programm angehöre, damit der Bestand der Tory Regierung

nicht in Gefahr geriethe. Bei den nächsten allgemeinen Wahlen werde es heißen „Hie Gladstone, Hie Salisbury“. Das Land wisse jetzt, was es unter der berüchtigten zwanzig— jnhrigen energischen Regierung Irlands zu verstehen habe. Den Einwurf, daß er (Lord Spencer) als Vize⸗König ebenso energisch durchgegriffen habe, wie der Ober⸗Sekretär Balfour, wies der Redner auf die gewöhnliche Gladstonianische Weise zurück, daß damals die Verhältnisse ganz anders gelegen hätten. Nachdem das Verfahren der Polizei in Mitchelstown, die Verschärfung der Urtheile bei Berufungen und das Vorgehen der irischen Exekutive gegen die Presse eine scharfe Rüge er— halten hatten, kam Lord Spencer auf Chamberlain's in der „Birmingham Post“ veröffentlichtes Programm zu sprechen. Er glaube nicht, daß die irische Landfrage gelöst werden könne, ohne den Kredit des Reichs in Anspruch zu nehmen. Welche Sicherheit könne beispielsweise der Kreis Mayo leisten, wo die Armendistrikte am Rande des Bankerotts ständen? Vor Allem müsse erst eine verantwortliche Legislatur in Dublin er— richtet werden. Welchen Nutzen würde ein Landankaufsplan in den dicht bevölkerten, armen Distrikten haben? Die Irländer würden sich niemals mit Provinzial-Verwaltung zufrieden geben. Nur Homerule könne dauernden Frieden schaffen.

(A. C) Das zwischen der britischen und canadischen Regierung zur Ansiedlung der schottischen Kaein— bauern und Käthner in Canada getroffene Ab— kommen ist jeg veröffentlicht worden. Die britische Regierung leistet einen Beitrag von 10000 Pfd. Sterl., während die canadische jeder von Westschottland auswandernden Famili⸗ 160 Acres Landes kostenfrei überläßt. Eine eigens zu dern Zweck eingesetzte Behörde überwacht die richtige Durchführung des Kolonisationsplans.

9. Juni. (W. T. B.). Nach einem Telegramm aus Simla vom 8. d. hat die indische Regierung die Zweck— mäßigkeit einer besonderen Anleihe für Grenzver— theidigungszwecke in Erwägung gezogen, um eine über— große Belastung des Ordinariums der Einnahmen zu ver— meiden.

Frankreich. Paris, J. Juni. (Fr. C.) Der Finanz—⸗ ausschußt des Senats berieth gestern über den Nachtrags⸗ kredit von fünf Millionen, welcher für die Betheiligung der verschiedenen Ministerien an der Weltausstellung von 1889 verlangt wird. Die Senatoren Boulanger, Clamageran und Maze bekämpften den Antrag, indem sie ausführten, die Ministerien könnten ihre Ausstellungen sehr wohl in den Hebäuden des Marsfeldes unterbringen, ohne die Kosten durch die Errichtung eigener Pavillons zu erhöhen. Diese Meinung wurde mit Stimmengleichheit verworfen. Dann beschäftigte sich der Ausschuß noch mit der Aenderung des Datums des Budgetjahres, welche von dem Finanz— Minister mit den Gründen vertheidigt wurde, die er schon in der Kammer geltend gemacht hatte. Ein Beschluß über die

rage wird erst am Sonnabend gefaßt werden. Der erisions-Ausschuß der Kammer erwog in seiner gestrigen Sitzung die Frage, was nun Angesichts der Erklärung der Regierung zu thun sei, gelangte aber zu keiner Ent— scheidung.

Italien. Rom, 8. Juni. (W. T. B.) In der De⸗ putirtenkammer wurde auf Antrag Mancini's bei der Verhandlung über das neue Strafgesetz bei dem Artikel über Abschaffung der Todesstrafe die Tagesordnung genehmigt Die Kammer verwarf fast einstimmig die Prot est⸗Petition. des Episkopats gegen verschiedene Artikel des neuen Strafgesetzes. = .

Wie von amtlicher Seite verlautet, wird bie Regierung zu den , ,, großen Manövern keine fremden Missionen zulassen und auch zu den fremden Manövern keinerlei Mission senden.

Spanien. Madrid, 9. Juni. (W. T. B.) Die Königin-Regentin wird heute hierher zurückkehren. Die Senatoren und Deputirten werden bei dem Empfang auf . anwesend sein und der Regentin eine Ovation ereiten.

Der Minister des Aeußern erklärte in der Kammer, die Regierung wünsche in Marocco den Status quo aufrecht⸗ erhalten zu sehen.

Griechenland. Athen, 7. Juni. (A. C.) (Telegr. des Bureau Reuter) Die griechische Regierung empfing die amtliche Meldung, daß die türkischen Behörden im Distrikt Elassona, unweit der Grenze, das Standrecht , haben und diese Maßregel damit rechtfertigen, daß

äuberbanden in der Nachbarschaft ihr Wesen treiben. Die griechischen Einwohner litten lange durch Einfälle von Räuberbanden, aber es wird sehr gefürchtet, daß das Uebel a. die Maßregel eher verschlimmert als verringert werden ürfte.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 6. Juni. Die schwedisch⸗dänische Kommission, welche mit, den Vor⸗ arbeiten für die Herstellung von Gesetzen in möglichst gleicher Form, betreffend die Staatsangehörigkeit und das Armen⸗ pflegewesen in Schweden und Dänemark, betraut worden ist, hat nur einige Sitzungen gehalten und sich dann bis zum Spätsommer vertagt. Die dänischen Mitglieder der Kommission sind bereits wieder nach Kopenhagen abgereist. -Die General⸗ Postverwaltung hat in Veranlassung eines Beschlusses des Reichstages in der letzten Session der Regierung jetzt einen Gesetzentwurf unterbreitet, der das bisher bestehende Postgesetz ergänzen und namentlich dem Postwesen des Staates das ausschließliche Recht zur Beförderung von Briefen und Brief— karten „zwischen dem In- und Auslande, zwischen den in⸗ ländischen Orten und in den Städten, in denen die Post— verwaltung eine lokale Briefbestellung unterhält“, sichern soll.

Zufolge eines Beschlusses des Reichstages werden die kleinen Staats⸗Domänen, die nur bis 200 Kronen Pacht bringen, nach Ablauf der jeweiligen Pachtperiode von der Domänen⸗Verwaltung freihändig verkauft. Im Jahre 1887 sind 25 Domänen dieser Art im Taxwerthe von 75 300 Kronen für 117 691 Kronen verkauft worden. Seit dem Jahre 1876, wo die ersten Verkäufe stattfanden, sind im Ganzen 228 sol⸗ cher Besitzungen im Taxwerthe von 594 259 Kronen für L245 119 Kronen veräußert. Eine bedeutende Anzahl derselben ist aber noch unverkauft, obwohl die Bedingungen für den Käufer sehr günstig sind: es ist nur 1/3 der Kauf⸗ summe jährlich zu bezahlen und Zinsen auf die Restkauf— summen werden nicht berechnet. Auf Beschluß des letzten Reichstages sollen nun auch alle Staatsdomänen, die bis 400 Kronen Pacht bringen, freihändig verkauft werden, und soll hiermit noch in diesem Jahre begonnen werden. Die ganze Anzahl der am Schlusse des Jahres 1887 verpachteten Staatsdomänen betrug 3463.

Dänemark. Kopenhagen, 8. Juni. (W. T. B.) Nach⸗ dem anläßlich des am I5. November d. J. stattfindenden Regierungs-Jubiläums des Königs eine Subskription eröffnet worden, um den Majestäten einen Landsitz in Jüt—⸗ land zum Geschenk zu machen, hat sich der König an⸗ gesichts der drückenden ökonomischen Verhältnisse und der viel⸗ fachen an die Opferwilligkeit der Bevölkerung gestellten An⸗ sprüche jede Gabe verbeten.

Afrika. Egypten. Alexandria, 8. Juni. (W. T. B.) (Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“) Der Präsident hes Ministeriums Rubar Pascha ist seines Amtes ent⸗ setzt und Riaz Pascha in das Palais berufen worden,

(Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“) Riaz Pascha hat sich bereit erklärt, die bisher von Nubar Pascha innegehabten Portefeuilles zu übernehmen. Wie man annimmt, wäre die Absetzung Nubar Pascha's wegen dessen a lzuschroffen Auftretens gegen den Unter-Staats— sekretär des Auswärtigen im Ministerrathe erfolgt.

Kairo, 9. Juni. (W. T. B.). Riaz Pascha hat das Präsidium des Kabinets und das Portefeuillle des Fnnern übernommen. Man glaubt, Mustapha Fehmi würde Minister des Auswärtigen werden und in der Be⸗ setzung der Übrigen Ministerposten keine Veränderung ein⸗ treten.

Zeitungsstimmen.

In dem Bericht der Handelskammer für Aachen und Burtscheid für 1887 lesen wir:

Danken wir es doch dem Hochseligen Kaiser, daß der deutsche Name in allen Theilen der Welt geehrt und geachtet ist und daß für Deutschlands Handel und Industrie nicht nur neue und zeitgemaße Bahnen beschritten worden sind, sondern auch durch die Sicherung des Friedens die Möglichkeit einer gesunden Entwickelung geschaffen wurde! Seiner segensreichen Regierung ist es gelungen, einen Herzens wunsch des deutschen Volkes zu erfüllen und die deutsche Kolonial⸗ politik in energischer und thatkräftiger Weise zu eröffnen. Ihm ver⸗ danken wir die großen Errungenschaften unseres Vaterlandes auf dem Gebiete der Sozialpolitik, die geeignet sind, das Wohl und das Glück der arbeitenden Klassen zu fördern und zu sichern und den sozialen Frieden zu schaffen. =

Was die Sozialpolitik betrifft, so äußert sich der Bericht selbst in seinem allgemeinen Theile, wie folgt:

Die segensreichen Folgen der Kranken⸗ und Unfallversicherung treten immer klarer zu Tage, und die Grundlagen, auf denen sie be⸗ ruhen, erweisen sich, trotz mancher Fehler in den Einzelbestimmungen, je länger je mehr als durchaus zweckmäßig. Mögen all diese sozial politischen Einrichtungen, die Handel und Industrie freilich nicht un. bedeutend belasten, der Arbeiterwelt stets recht lebhaft im Bewußtsein bleiben und sie veranlassen, sich durch Treue, Fleiß und Ordnung dieser groß⸗ artigen Errungenschaften unferer Zeit wurdig zu erweisen. Vas deut e Volk hat alle Ursache, dem Hochseligen ersten Kaiser des Reichs und seinem' treuen Mitarbeiler, dem Reichskanzler, für die thatkräftige Förderung der dem sozialen Frieden dienenden Einrichtungen u banken, ünd künftig an' dem weiteren Ausbau derselben zum Wohle unferes Vaterlandes mitzuarbeiten. Der hohe Werth der deutschen Sozialpolitik drängt sich uns um so deutlicher auf, wenn wir einen Blick auf die sozialen Zustände anderer Länder werfen und sehen, wohin der Mangel entsprechender Fürsorge z. B. in Belgien, Amerika und England führt.

Die „Elberfelder Zeitung“ schreibt:;

Von dem Grundfatz „Billig und schlecht“ scheint Lie deutsche Induftrie in ihren besseten' Glementen fich gründiich abwenden su wollen. Und dies mit vollem Recht. Denn eine verständige und i, sichtige Konkurrenz kann in der That ihre Aufgabe nicht e n, kennen, dem Gegner durch eine gewisse Aufdringlichkeit einen . sprung abzugewinnen, sondern ihn durch bessere Qualität der . langsam aber sicher zum Rückzuge zu zwingen. Einige sen ation . Ercignisse der juͤngsten Zeit. haben vie Gediegenheit 9h deuischen Arbeit, und' der beutschen Marke in das hellstz sch? gestellt. Wir erinnern zu wiederholten Malen an die Shefflelt ö. Heustrmeffer, die mit der Bezeichnung: „In Hamburg, geschliffen , den englischen Markt gebracht wurden und ohne diese Ig erb, 3 dortselbst keinen Absatz finden konnten, an die Bemühungen deß

mehr den Ruf größerer Vollkommenheit besitze

zösischen Handels⸗Ministers Lockruy, den französischen Markt vor deutschen Provenienzen zu verschließen, indem er die Bezeichnung der⸗ felben als französische Waare durch drakonische Maßregeln zu ahnden

versuchte mittels eines Gesetzes, das vor zehn Jahren in Frankreich

einfach zu den Unmöglichkeiten gehört härte,

Derartige Symptome lieferten den glänzendsten Beweis für die Berechtigung des n , daß nur der Sieg über den inneren Werth des Fabrikats die Herrschaft und den Genuß der gemachten Eroberung dauernd zu verbürgen vermöge. Bereits in dem Bericht der Handels. und Gewerbekammer von Chemnitz für das Jahr 1886 war hervorgehoben worden, das Mittel, durch welches sich die deutschen Fabrikate allem Wettbewerbe zum Trotz einen dauernden und überlegenen Platz auf dem Weltmarkt sichern werden, bestehe nicht darin, zu der Her⸗ pvorbringung minderwerthiger Waaren seine Zuflucht zu nehmen, sondern mit allen Kräften darnach zu streben, immer bessere, edlere und schönere Qualitäten zu erzielen, damit die ausländische Industrie nicht dieser Ruf vielmehr in erster Linie der heimischen Produktion gebühre. Bereits erschallen vom Auslande aus immer lauter die Stimmen, welche die Ver⸗ breitungsfähigkeit der deutschen Erzeugnisse auf die größere Güte der⸗ selben zurückzuführen gezwungen sind. Nach dieser Richtung sind die Hebel einzusetzen, welche einen immer größeren Aufschwung bewirken uͤnd dazu führen werden, daß die Superiorität deutschen gewerblichen Fleißes aller Welt vor Augen gebracht werde.

Während nun der Chemnitzer Bericht im Interesse der Supe⸗ riorität des deutschen Handels die Aufmerksamkeit der Fabrikanten auf die Hebung der Qualität der deutschen Waaren lenkt, beschäftigt sich der diesjährige Handelskammerbericht für Aachen und Burtscheid mit der Frage des nationalen Handels in der Weise, daß er auf jenen Appell zurückkommt, der Ende 1887 an die deutschen Fabrikanten ergangen ist: Deutsche Waaren deutsche Marken, heißt es dort, das ist der Grundsatz, der in der deutschen Geschäfts⸗ welt noch immer nicht zur allgemeinen Geltung gelangt ist. Allzu häufig noch bezeichnen deutsche Fabrikanten ihre Waaren mit außer- deutschen Fabrikationsorten, Marken und Firmen, geben ihnen eine fremdfprachige Aufmachung und vertreiben sle nach ausländischem Maß und Gewicht, ohne durch einen angemessenen Zusatz die deutsche Her⸗ kunft der deutschen Waare kenntlich zu machen. Der Bericht unter⸗ sucht den Ursprung dieser Unsitte, der noch eben aus jenen Zeiten stamme, wo es nothwendig war, die Gediegenheit und Preiswürdigkeit der Waare auf das Konto desjenigen Landes zu schreiben, dessen Sprache, Fabrikationsorte und Namen der Konsument auf der Waare finde. Änstatt den Ruf der deutschen Produktion zu mehren, arbeite man also den Konkurrenznationen in die Hände und die Früchte der mühe⸗ vollen und eifrigen Arbeit der deutschen Geschäftswelt ernten schließlich diejenigen, die an der Beseitigung der deutschen Konkurrenz das dringendste Interesse haben, ein Vorgeben, das weder patriotisch noch klug genannt werden kann. Noch beklagenswerther sei es aber, wenn sich deutsche Fabrikanten dazu hergeben, in Deutschland selbst ihre Waaren unter fremdländischer Bezeichnung zu verkaufen. That— sächlich werden ja allerdings gewisse deutsche Produkte erst auf dem Umwege über das Ausland als nicht deutsches Fabrikat in Deutsch⸗ land vertrieben. Ein zielbewußtes Vorgehen werde auf diesem Ge— biet leicht Wandel schaffen; deutsche Moden seien schon durch die ö mit Erfolg eingeführt und deutsche Möbel haben den

eschmack des Publikums für das Fremdländische schon verdrängt. Wenn die Fabrikanten fest zusammenhalten, werden eben auch auf anderen Gebieten die deutschen Waaren nicht mehr nöthig haben, sich hinter dem erborgten Flitter des Auslandes zu verbergen.

Indem wir auf diese Enunziationen zurücktommen, wollen wir nicht verabsäumen, daran zu gemahnen, daß es eben die Wirkungen unserer praktischen', unserer nationalen; Wirthschaftspolik sind, welche derlei Symptome hervorgebracht haben, während nach den Grundsätzen des „laisser faire“, des Freihandels, es als widersinnig erscheinen würde, wenn man dem Einzelnen zumuthen wollte, er solle sein Privatinreresse auch nur vorübergehend in den Dienst der Allge⸗ meinheit stellen. Der Schutz der heimischen Arbeit und der heimischen Produktion macht sich gerade nach der pon uns hier geschilderten Richtung bereits in der allerwohlthätigsten, die kühnsten Erwartungen über⸗ steigenden Weise geltend.

In einem Artikel „Zur Lage des englischen und deutschen Eisenmarkts“ bemerkt die „Rheinisch⸗West— fälische Zeitung“:

Einen äußerst wohlthuenden Gegensatz zu der Lage der beiden großen englischen Märkte bildet die Statistik der west- und südwest⸗ deutschen Roheisenerzeugung, welche stark s“, der gesammten deutschen Produstion ausmacht.

Erfreulich ist zunächst, daß wir eine Aufstellung der Vorräthe entbehren können, weil dieselben durchschnittlich kaum eine, vorüber⸗ gehend höchstens zwei Monatsherstellungen betragen werden, bei unseren Ausführungen also gar nicht in Frage kommen. Im Einzelnen zeigt sich, daß die Herstellung von 1886 auf 1887 wieder zugenommen und die von 1885 ganz wesentlich überschritten hat, wobei gleichzeitig noch die Vorräthe sich verringert haben. Die Steigerung im Minette⸗ revier war stärker wie im Nordwesten, wobei, aber zu berücksichtigen ist, daß letzterer im Jahre 1886 auch weitaus nicht den scharfen Rückgang hatte wie jenes, verglichen mit dem Jahre 1885. So hat denn das Minetterevier gegen 1885 nur einen kleinen Vorsprung in 1887, während der Nordwesten nahezu 200 900 t Steigerung auf⸗ weist. Besonders interessant ist die stetige Entwickelung des Roh⸗ eisens für Fluß -(Eisen⸗ oder Stahl-Betrieb; im Jahre 1883 noch war das Roheisen für Puddelbetrieb nahezu doppelt so stark im Quantum wie jenes im Jahre 1886. Nach einem Rückgang des letzteren in der Herstellungsmenge waren beide schon fast gleich, um zum Jahre 1887 bei eintretender Besserung des Geschäfts beide fast gleichmäßig zu steigen. Immerhin hat das Quantum von Puddeleisen die Höhe der Jahre 1883 86 nicht wieder erreicht und dürfte vom Flußmaterigl bald überholt werden. Die einzelnen Sorten des Roheisens für Flußbetrieb betreffend, hält sich die Dar⸗ stellung von Spiegeleisen ziemlich auf gleicher Höhe. Leider wird die Erzeugung seit einiger Zeit in der Statistik nicht mehr getrennt auf⸗ geführt und muß dieselbe aus dem Puddelroheisen schätzungs⸗ weise herausgeschält werden. Weitaus am meisten Beachtung bietet beim Flußeisen das Verhältniß von Bessemer⸗ und Thomas eisen; die Erzeugung von Bessemereisen geht seit 1884 langsam zurück, im letzten Jahre unter dem Einfluß eines im allgemeinen besseren Geschäftsgangs sogar fast gar nicht, während die Erzeugung von Thomaseisen schnell zunimmt. Im Jahre 1833 noch wird fast 1mal soviel Bessemereisen wie Thomas eisen gemacht, im Jahre 1887 stark doppelt soviel Thomaseisen wie Bessemereisen. Die. Erzeugun von ersterem hat sich von 1883 87 verdreifacht und beträgt jetzt schon fast z von der des Puddeleisens. Dabei ist die Vermehrung eine sietige und wird auch durch den Rückgang in der Gesammterzeugung im Jahre 1886 nicht aufgehalten, man sieht also deutlich hier die Wirkung, einmal des vermehrten Üeberganges zum ußnaterial und dann, daß seit Jahren diese, Vermehrung aus Gründen der Qualität nur dem basischen Material zugute kommt. Diese Hewegung wird auch weiter gehen und ist daraus klar zu erfehen, wie nöthig es ist, der Roheisenindustrie des Nordwestens zunächst durch Ermãaßigung der Frachten und dann Lurch schleunigste Kanalisation der Mosel die großen Mengen von Minette zuzuführen, welche die⸗ selbe haben muß, wenn sie weiter Thomagzroheisen herstellen soll. Das Thomas verfahren bietet der deutschen Roheisenindustrie den un⸗ geheuern Vortheil, daß dadurch die ausländischen, spezlell fpanischen

Föe, welche zur Darstellung von Bessemereisen in den nöthigen n engen unbedingt eingeführt werden mußten, wieder entbehrlich wer , wir nicht ebenso wie England mehr und mehr von aus— n il bbem Rohmaterial abhängig werden. Die augenblickliche . von Eisenerz nach England geht trotz der Winterzeit im n. von 4 Millionen Tonnen im Jahre, daraus entfallen, bei en hohen Gehalt der eingeführten Erze, über 2 Millionen Tonnen Ce fer das sind volle 300“, der heutigen englischen Erzeugung. i n die Spanier es sich einfallen lassen, den längst geplanten

usfuhrzoll auf Eisenerz einzuführen, so würde davon die englische

Roheisenerzeugung unweigerlich schwer getroffen werden. Wir in Deutschland sind, dank dem Thomasverfahren, mit einer Ausgabe von lumpigen 20 Millionen Mark in der Lage, uns eines der größten Erzreviere der Welt, auf Zollvereinsboden, aufzuschließen und damit den lohnenden, sicheren Bezug von künftig Millionen von Tonnen Eisenstein zu sichern. Daß dann die Grundlagen unserer Eisen⸗ erzeugung natürlichere und sicherere sein werden, als die der eng lifchen, dürfte aus den ganzen obigen Ausführungen wohl deutlich hervorgehen

Bemerkenswerth in der deutschen Roheisenstatistik ist endlich noch der stetige Zuwachs in der Herstellung von Gießereiroheisen, mit der einzigen , ,. in dem schlechten Jahr 1886. Es zeigt dies im Verein mit der ebenfalls sinkenden Roheiseneinfuhr, daß wir auch in diesen Sorten von England immer mehr unabhängig werden. Wenn wir zum Schluß noch flüchtig die Entwicklung der deutschen Ausfuhr in den letzten Jahren überblicken wollen, so ergiebt die Statistik Folgendes:

Die Gesammtausfuhr ist in den letzten Jahren ebenfalls steigend gewesen, jedoch, besonders im Jahre 1887, bei Weitem nicht in dem Maße wie in England. Es liegt dies einmal daran, daß die bis 1886 steigende Ausfuhr von Roheisen im Jahre 1887 etwas zurück- gegangen ist, einmal weil der Bedarf im Inlande ein viel stärkerer wurde, dann aber wegen der russischen Zollmaßregeln. Man sieht, daß die Ausfuhr im letzten Quartal noch stärker zurückbleibt und danach nur 240 000 t pro anno ergeben haben würde. Aber auch in einer anderen Reihe von Artikeln fällt das vierte Quartal gegen, die drei ersten ab und schwächt dadurch das Gesammtergebniß des Jahres. So besonders in dem Artikel Draht und Stiften, in welchem die Höhe von fast 300 09000 t erreicht worden wäre, wenn das Tempo der ersten drei Quartale hätte eingehalten werden können; der Grund liegt in einem gewissen Nachlassen der Versendungen nach den Vereinigten Staaten. Derartige Schwankungen treten im Geschäft nach dort aber stets auf. Im Ganzen kann man mit der Entwickelung der Ausfuhr der Drathbranche wohl zufrieden sein. Auch in Stabeisen, Fagoneisen und verwandtem Material ist besonders bei ersterem das vierte Quartal etwas schwächer gewesen. Glücklicherweise hat vermehrte Ausfuhr der anderen Artikel dieser Gruppe den Fehlbetrag wieder ausgeglichen. Die ganze Ent—⸗ wickelung der Stabeisenausfuhr der setzten Jahre ist eine hoch— erfreuliche, das Quantum hat ebenso, wie der Draht schon früher, das Eisenbahnmaterial überflügelt, Bei dem jetzt be⸗ stehenden festen Verhältnisse für das Stabeisengeschäft im Inlande, mit wesentlich besseren Preisen hier, wird es besonders Sache der Werke mit eigenen Gruben und Hochöfen sein, die Ausfuhr weiter zu pflegen, damit das gegen England und Belgien eroberte Absatz gebiet nicht wieder verloren geht. Die Ausfuhr von Eisenbahn—⸗ material hat sich, speziell im vierten Quartal, etwas besser gestellt, wie in den drei ersten, und dazu beigetragen, den sonstigen Rückgang im vierten Quartal auszugleichen. Nach durchgeführter Kanalisation der Mosel werden auch darin die deutschen Werke eher in den Stand gesetzt sein, den Engländern die Stange zu halten. Auch im Halbfabrikat bietet das Jahr 1887 einen Fortschritt, besonders das letzte Quartal, aber doch bei Weitem nicht die Entwickelung, wie in England in den léßzten Jahren. Der Wettbewerb ist eben in dem Hauptartikel, den Rohstahlblöcken, bis jetzt darin zu schwer zu halten. Erfreulich ist die Entwickelung der Ausfuhr in Blechen, besonders im letzten Quartal. Es dürfte dies mit der Steigerung der Preise für Stahlblech in England zusammenhängen, durch die stark vermehrte Thätigkeit im Schiffbau. Auch die groben un? feinen Eisenwaaren, sowie Röhren und Diverse weisen im vierten Quartal sveziell eine schöne Steigerun auf, so daß dieses doch dem Jahres durchschnitt gleichkommt, während man im Herbst sich allerdings ein noch besseres Ergebniß versprechen durfte.

Etwas haben auf diese Verhältnisse die vielfach geschlossenen Verbände zur Erzielung besserer Preise im Inlande jedenfalls mit⸗ gewirkt, man darf aber den Eisenwerken diese immer noch bescheidenen Preise recht wohl gönnen. Die Aufmerksamkeit auf die Ausfuhr sfollte dabei jedoch nicht verloren gehen. Nach Herstellung der nöthigen Wasserstraßen, des Emgkanals, dessen Verbindung nach dem Rhein, der Kanalisation der Mosel, Lahn und Ruhr, wird in Zukunft eine ganz ungeahnte Ausdehnung der Ausfuhr noch möglich sein, die einen neuen Aufschwung der Eisenindustrie hervorrufen würde und damit eine vermehrte Quelle des Wohlstandes fär das ganze westliche und südwestliche Deutschland.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 23. Inhalt; oll und Steuerwesen: Bestimmungen des Bundesraths über die öhe der für Abläufe der Zuckerfabrikation festgesetzten Verbrauchs- abgabe. Abänderung der Bestimmungen über die Ermittelung des zollpflichtigen Gewichts von Massengütern. Bestellung eines Reichs⸗ Bevollmächtigten; desgl. eines Stations, Controleurs. Abberufung eines Stations⸗Controleurs. Statistik: Herausgabe eines neuen statistischen Waarenverzeichnisses und Verzeichnisses der Massengüter. Kolonialwesen:; Ermächtigung zur Vornahme von Givilstands Akten im deutschen Schutzgebiet der Neu ⸗Guinea Compagnie. Konsulat⸗ wesen: Ernennungen. Ermächtigungen zur Vornahme von Civil⸗ stands⸗ Akten. Todesfall. Polizeiwesen; Ausweisung von Aus- ländern aus dem Reichsgebiet. Anhang. Militärwesen: Verzeich⸗ niß der zur Ausstellung von Zeugnissen über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Militärdienst berechtigten höheren Lehranstalten; desgl. der provisorisch berechtigten Anstalten. Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 22A. Inhalt: Nichtamtliches: Abfluß. und Verdunstungsverhältnisse der nord deutschen Ströme. Radreifenbrüche auf Len deutschen Eisen—⸗ bahnen. Die Integraleurve und die Integraphen. Vermischtes: . um Erbauung eines neuen Realgymnasiums in Mann⸗ heim,. Preißbewerbung für den Neubau einer evangelischen Kirche in Köln a. R). Tragfähigkeit von Hanftauen. Eisenbahnbauten in Chili. Bücherschau.

Nr. 26. Inhalt: Amtliches: Personglnachrichten. Nicht- amtliches: Zur Berliner Dombaufrage. Zur Beanspruchung der eisernen Träger im Hochbau. Die Preis bewerbung zur Wiederherstellung des Bremer Domes. Neuere Mittheilungen über das Gefrierverfahren von Poetsch. Vermischtes: Bekanntmachung vom 30. Mai 1888. a, m von Rohren durch Kupferniederschlag. Frage der zu⸗ lässigen Beanspruchung und der Elastizitätsgrenze des Eisens und Stahles. Königliche Technische Hochschule in Hannover. Messung des Widerstandes von Eisenbahnzügen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Aeta Nationis Germaniege Universitatis Bono- niensis ex archetypis tabularii Nalvezziani iussu instituti Ger- manici Savignyani ediderunt Ernestus Friedlaender et Carolus MNalagola, Cum quinque tabnlis. Berolini tzpis St impensis Georgii Reim eri MDGogklXXVII. XXXIX et zo pagg. in 49 maj.— Am 12. Juni feiert die Universität zu Bologna das 8. Säculum ihres Bestehens. Eg erscheint am Platz, bei diesem Anlat einer Arbeit zu gedenken, welche uns Deutschen die Wichtigkeit dieser Universität für unsere nationale Bildung in lebendige Exinnerung ruft, wir meinen die jüngst erschienenen Dokumente der

Deutschen Nation“, d. h. der zu Bologna studirenden deutschen gRechtgscholaren.

Die Bedeutung der Bolognesischen Rechtsschule hat ihr zu allen Fit das Interesse der gebildeten Welt zugewendet. Es ist das erdienst Savigny's, Alles, was diese Juristen⸗Universität angeht, ge= sammelt und in der Darstellung vereinigt zu haben, welche den an—⸗ ziehendsten Bestandtheil seiner Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter ausmacht. Mit dem Resultat der Savigny'schen For⸗ schung schien das Wissen über Bologna seinen Abschluß erreicht zu haben, bis in den letzten Dezennien, angeregt durch die historische Be⸗ handlung unseres vaterländlschen Rechts, der Gegenstand wieder in den Vordergrund gerückt und in den Schriften von Stintzing, Stobbe,

Muther, Stoͤlzel, Luschin von Ebengreuth und noch jüngst von Heinrich Denifle erneuter Forschung unterzogen wurde. Durch eine merkwürdige Entdeckung sind wir dann vor Kurzem dem Ziele sehr nahe gekommen. Im Jahre i878 ließ der Direktor des Staatsarchivs zu Bologna, Carlo Malagola, sein Buch über den im 15. Jahrhundert an der dortigen Hochschule blühenden Humanisten Urceo erscheinen, in welchem er Auszüge aus der alten Universitätsmatrikel der Landsmannschaft der Deutschen in Bologna mittheilte. Diese Thatsache erregte in der gelehrten Welt billig Aufsehen, denn jenes Dokument galt für ver⸗ loren. Als im Juni des Jahres 1796 die Truppen Bonaparte's Bologna besetzten, wurden die städtischen Behörden durch die fran⸗ zösische Herrschaft suspendirt und die Universität geschlossen; die „Deutsche Nation“ zerstreute sich wie die übrigen, ihre Akten traf das gleiche Schicksal. Malagola hatte sie im Archiv der Grafen Malvezzi de' Mediei zu Bologna vorgefunden, wo sie seit 1825 ver steckt gelegen. Graf Giuseppe Maria Malvezzi, ein großer Liebhaber und Sammler von Büchern und alten Handschriften, entdeckte damals den Schatz auf öffentlicher Straße und brachte ihn an sich. Die Akta bilden noch heute den werthvollsten Bestandtheil der an seltenen Drucken und Codices reichen gräflichen Bibliothek.

Von deutscher Seite erkannte zuerst Carl Georg Bruns den Werth der so unerwartet ans Licht gekommenen e lien Denk⸗ male und wies auf den Nutzen ihrer Veröffentlichung hin. Im Jahre 1880 war er zweimal in Bologna, um an Ort und Stelle den Fund zu relognosziren. Seine an die Berliner Scktion der Savigny⸗ Stiftung erstatteten Berichte über den Inhalt der Akta hatten den Er— folg, daß sich die Stiftung zu einer Publikation derselben in dem von Bruns kezeichneten Umfange entschloß. Der große Romanist wäre am meisten dazu berufen gewesen, die Herausgabe in die Hand zu nehmen; sein Tod (er starb am 109. Dezember 1889) vereitelte einen solchen Plan. Die akademische Kommission der Savigny ⸗Stiftung be⸗ traute nun mit dieser Arbeit den Geheimen Staatsarchivar und Archiv-⸗ Rath Dr. jur. Friedlaender in Berlin. Carlo Malagola nahm in Bologna die erforderlichen Abschriften von den Originalien und stellte sie dem Herausgeber zu. In der Folge hatte der gegenwärtige Eigen⸗ tbümer der Bolognesischen Universitätspapiere, Graf Johann Malvezzi de, Medici, die Güte, den ganzen umfãnglichen Manuskriptenbestand behufs Kollationirung und zur weiteren Be⸗ nutzung bei der Drucklegung an das Berliner Geheime Staatsarchiv zu übersenden eine Liberalität, die wir nicht unterlassen wollen, an dieser Stelle zu rühmen. Die Arbeit konnte nun bestens gefördert werden. Die beträchtlichen Kosten der Herausgabe bis zur Fertig- stellung des Manuskripts für den Druck hatte die Savigny ⸗Stiftung auf sich genommen. Da aber deren Mittel nicht ausreichten, trat, auf den Vortrag der Staatz Minister Dr. Friedberg und von Goßler, der Fürst Reichskanzler bei Sr. Majestãt dem Hochseligen Kaiser für die Sache ein und erlangte die Genehmigung des erforderlichen Zuschusses aus Reichsmitteln.

Ueber den Bestand der im Malvezzi'schen Archiv befindlichen Dokumente der deutschen Landsmannschaft, über deren Beschaffenheit und Inhalt macht die Vorrede des Herausgebers ausführliche Mit- theilungen. Zum Abdruck gelangt ist nur der für die Periode der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland wichtige älteste Theil der annalistischen Aufzeichnungen, sowie die Schriftstücke, welche die Korporation als solche, ihre Rechte, ihre Verfassung und ihr Ver— mögen betreffen. Die Publikation umfaßt demnach 1) die ältesten vorbandenen Statuten der atio Ggermanican“ rom Jahre 1497 2) ihre Privilegien, von dem Originaldiplom Kaiser Karl's J. Ratirt den 25. Februar 1530) bis zum Privileg Clemens XII. vom 2. August 1737; 3) die „Annalen“ von 1289. 41562, welchen zugleich die Matrikel der deutschen Scholaren einverleibt ist, und 4) 96, meist notarielle Urkunden über Verfassung und Finanzen der Landsmannschaft, aus den Jahren 1265—= 1543, die „nstrumenta?. Den größten Werth für die Wissenschaft haben die Annalen. Es hat mit diesen folgende Bewandtniß. An der Spitze der einzelnen Bolognesischen Scholaren⸗ verbindungen standen jährlich von ihnen selbst gewählte. Vertreter (Conziliari), welche zusammen den Senat des Rektors bildeten und mit ihm gewisse Geschäfte erledigten. Die „Deutsche Nation“ hatte deren zwei, Procuratores genannt, und mit größerer Befugniß aus— gestattet als die Gonsiliarii der anderen Genossenschaften; sie übten mit Ausschluß des Rektors, dem sonst die oberste Jurisdiktion zustand, und der städtischen Behörden die Gerichtsbarkeit über die Mitglieder der Nation. Sie verwalteten zugleich ihr Vermögen und besorgten die Einieichnung neu hinzutretender Scholaren in die Matrikel, sowie die Einziehung des Einschreibegeldes. In der Hauptsache Rechnungs⸗ legungen über Einnahme und Ausgabe, enthalten also jene Jahres- aufzeichnungen in ihrer Zusammenfassung doch zugleich ein sorgfältiges Verzeichniß aller deutschen Rechtohörer an der Universität Bologna, und zwar unter Beisetzung von Stand und Heimath eines jeden. Sie erschließen hierdurch der Forschung nach dem Umfange der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland zu dieser oder jener Zeit ein neues und ergiebiges Feld; denn da jene Scholaren oft Manner in reiferen Jahren und meist in Amt und Würden stehende Geistliche, also in ihrer Heimath seßhaft waren, so können wir nun vermoge jener matrikularen Aufjeichnungen verfolgen, wann und wohin ein jeder derselben die in Bologna geschöpfte römisch rechtliche Bildung verpflanzte. Die Gelehrtengeschichte im Allgemeinen gewinnt gleich' falls aus diesen Angaben.

Auher der Rechnungslegung enthalten die Annalen unter den ein— zelnen Jahren Cinträge, welche ein fortlaufende Chronik der merk— würdigen Vorgänge im Leben der Korporation darstellen und daher ein allgemeineres Interess haben; wie andererseits auch die einzelnen Ausgabeposten durch die Benennung der Gelegenheit, welche sie ver⸗ 3 und des Gegenstandes, wofür sie geleistet wurden, als kultur⸗ geschichtlich interessante Daten fungiren. Wenn wir noch beispiels⸗ weise daran erinnern, daß diese Jahrbücher nach ihrer geschilderten Beschaffenheit auch die Geschichte der alten Adelsgeschlechter, die Topographie und den Wortschatz der mittelalterlichen Latinität be⸗ i , so glauben wir ihren Werth genügend ins Licht gestellt zu haben.

Die Herausgabe der Atta. hat nach den in den „Monuments Germanises befolgten Grundsäßen stattgesunden. Der oft verderbte Tert bot Schwierigkeiten; nicht die klelnsten stellten sich der Verifi⸗ kation der Namen entgegen. Auf ihre Üeberwindung hat der Heraus- geber viel Mühe gewendet, und der Text mit dem hermeneutischen Apparat, wie der dem Buche beigegebene sehr umfangreiche Index, welcher nach bewährter Methode Personen⸗ und Ortsnamen vereinigt, legen Zeugniß ab von dem Fleiß und dem Geschick, womit er seine Aufgabe gelöst hat. Der Index der Namen ist für jeden Leser der

Akta“ ganz unenthehrlich und erweist seine Nutzbarkeit namentlich

da, wo die alte Schreibung der Namen von der heutigen erhebli

abweicht. Mittelst dieses Inder läßt sich ohne Schwierigkeit . Topographie der Beschickung von Bologna aufstellen, welche wichtige auf den Bildungszustand der einzelnen deutschen Gauen 1 . eit gestattet. Zu loben ist die Reichhaltigkeit der Beleg⸗ ellen.

Wo der Text verbessert werden mußte, ist das in den Noten an⸗ ig . daselbst findet man auch die Varianten der in der Vorrede au geführten Parallel handschriften und texterklärende Bemerkungen. Der „Index rerum et verborum rariorum“ am Schlusse, gleichfalls vom Herausgeber zusammengestellt, ist, in Vertretung des Hach ker, eine willkommene Zugabe.

Von der Beigabe biographischer Daten zu den einzelnen Namen, wie sie ursprünglich im Plan des Herauggebers lag, mußte abgestanden werden, weil diese Arbeit Dezennien erfordert haben würde, sollte sie von Einem gemacht werden. Es besteht aber die Absicht, das Werk den berufensten Gelehrten des Fachs zur Kommentirung nach dieser Seire hin zugehen zu lassen und aus den so gewonnenen Materialien einen Supplementband zusammenzustellen ein Gedanke, welchem wir, bei der im Obigen dargelegten Wichtigkeit der Publikation, die ,, Verwirklichung wünschen.

Außer der erwähnten Vorrede des Herausgebers ist dem Werke noch eine zweite, von Carlo Malagola, beigegeben, welche, auf Grund⸗ lage der Annalen und unter Heranziehung weiterer Quellen, über die Scholarenverbindungen zu Bologna im Allgemeinen, über die Ver⸗

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