1888 / 213 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 Aug 1888 18:00:01 GMT) scan diff

--

Nichtamtliches. Deuntsches Reich.

Preußen. Berlin, 21. August. Se. Majestät der Kaiser und König begaben Sich gestern früh s Uhr mit dem Dampfer „Alexandria“ nach Spandau und besichtigten da⸗ selbst das 4. Garde⸗Regiment z. und das 3. Garde⸗ Grenadier⸗Regiment Königin Elisabeth.

Um 11 Uhr erfolgte von dort die Rückfahrt, während welcher der Chef des Civilkabinets Sr. Majestät Vortrag hielt.

Se. Majestät speisten Nachmittag 3 Uhr mit dem Offizier⸗Corps des Lehr⸗Infanterie⸗Bataillons im , Kasino in Potsdam und begaben Sich um 5 Uhr zum Adler⸗ schießen des 1. Garde⸗Regiments z. F. nach dem Katharinenholz.

Anläßlich der kürzlich erfolgten Wahl eines Stell— vertreters des zweiten von den Arbeigebern zu wählenden nichtständigen Mitgliedes des Reichs-Versicherungs— amts war der Zweifel angeregt worden, ob die den Landes—⸗ Versicherung sämtern unterstellten industriellen Be— rufsgenossenschaften, welche gleichfalls zur Betheiligun an dieser Wahl aufgefordert waren, dazu auch berechtigt seien un ob nicht vielmehr in dieser Theilnahme eine Beeinträchtigung des Wahlrechts der ausschließlich vom Reichs⸗Versicherungsamt ressortirenden Berufsgenossenschaften liege. Demgegenüber hat das Reichs⸗Versicherungsamt in einem kürzlich an sämmtliche Berufsgenossenschafts⸗Vorstände gerichteten Rundschreiben, wie die „B. P. N.“ mittheilen, darauf aufmerksam gemacht, daß die den Landes⸗-Versicherungsämtern unterstellten Berufs—⸗ genossenschaften dadurch nicht außer jeden Konne mit dem Reichs-Versicherungsamt gebracht seien, da die Zuständigkeit des letzteren vielmehr sich auch bezüglich dieser Berufsgenossenschaften auf ein weites Gebiet allgemeiner Ausführungsbestimmungen und spezieller Entscheidungen erstrecke, und daß es deshalb sachlich durchaus begründet sei, wenn die den Landes⸗Versicherungsämtern unterstellten Ge⸗ nossenschaften an den Wahlen zum Reichs⸗Versicherungsamt theilnähmen. Das Gleiche sei der Fall mit den landwirth— schaftlichen Berufsgenossenschaften und mit den für die Unfall— versicherung errichteten staatlichen Aufsichtsbehörden.

Durch Allerhöchste Ordre vom 10. d. M. ist genehmigt worden, daß die dem Chausseegeld⸗Tarif vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee-Polizei⸗ Vergehen auf die von dem Saalkreise im Regierungsbezirk Merseburg erbauten Chausseen: 1) von Böllberg nach Wörmlitz, ?) von Braschwitz über Plößnitz nach Niemberg, 3) von Niemberg über Schwerz bis zur Schwerzer Provinzialstraße, 4) von der Naundorf⸗Wettiner Chaussee über Döͤssel nach dem Birnbaum an der Garsena⸗Rothenburger Chaussee, 5) von Dössel nach Dobis, 6) von Lebendorf nach der Grube Georg zur Anwendung kommen.

Der Kaiserliche Botschafter am russischen Hofe, ron Schweinitz, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Für die Dauer der Abwesenheit desselben von St. Petersburg fungirt bis auf Weiteres der Legations— Sekretär Graf Vitzthum von Eckstädt als interimistischer Geschäftsträger.

Der Chef⸗Präsident der Ober⸗Rechnungskammer, Wirk— liche Geheime Rath von Stünzner, ist von seiner Urlaubs⸗ reise nach Potsdam zurückgekehrt.

Der Kaiserlich und Königlich österreichisch- ungarische Botschafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Graf Széchsnyi, hat einen ihm bewilligten Urlaub angetreten. Für die Dauer der Abwesenheit desselben von Berlin fungirt der Botschafts⸗ Rath von und zu SGissenstein als interimistischer Ge— schaftsträger.

Frankfurt a. M., 20. August. (W. T. B.) Der italienische , Crispi ist heute Nach⸗ mittag um 316 Uhr hier eingetroffen und im Frankfurter Hof abgestiegen.

21. August. (W. T. B.) Heute Vormittag 9 Uhr 5 Minuten ist der Minister⸗Präsident Crispi via Bebra— Göttingen⸗Hannover nach Hamburg weitergereist und begiebt sich von dort heute Abend nach Friedrichsruh.

Bayern. München, 20. August. (W. T. B.) Die Kaiserin von Oesterreich ist mit der Prinzessin Valerie mittelst Extrazuges heute Nachmittag in strengstem Incognito hier eingetroffen und in dem Hotel „Zu den vier Jahreszeiten“ abgestiegen.

Württemberg. Stuttgart, 20. August. (St.A. f. W.) Die Erbgroßherzogin von Sachsen⸗Weimar ist vor— gestern zum Besuch des Königs und der Königin in Schloß Friedrichshafen eingetroffen.

Frankreich. Paris, 20. August. (Köln. Ztg.) Im Departement der Charente Infsérieure erhielt Boulanger 57 484 und Lair 42416 Stimmen. Boulanger ist somit in allen drei Departements, in denen seine Kandidatur aufgestellt war, gewählt worden.

(W. T. B.) Die republikanischen Abendblätter schreiben die dreifache Wahl Boulanger's zum Depu—⸗ tirten dem Umstande zu, daß die Wahl in durchweg kon⸗ servativen Departements statigefunden habe. Der „Temps“ sagt, das Ergebniß der Wahl sei ein erniedrigendes in Bezug auf den nationalen gesunden Menschenverstand und in Bezug auf die Loyalität der Politik, aber durchaus kein beunruhigendes, weil Boulanger seinen Triumph ausschließlich der Koalition der Konservativen ver— danke. Diese Koalition sei aber nicht beunruhigender als die⸗ jenige vom 16. Mai. Von mehreren Blättern wird ausgeführt, daß das Ergebniß der gestrigen Wahlen vor Allem die Ohn⸗ macht der radikalen Regierung beweise.

Niederlande. Haag, 20. August. (W. T. B.) Der König, welcher sich im Schlosse Loo befindet, ist seit einigen Tagen von einem katarrhalischen Leiden befallen und in Folge dessen das Bett zu hüten genöthigt.

Amerika. Washington, 17. August. (A. C.) Im

Senat wird die Abstim mung darüber, ob der Fischerei⸗

vertrag ratifizirt werden soll oder nicht, am 21. d. stattfinden. Der ef; , e Gesandte erklärt, daß General Salomon, welcher Hayti beim Ausbruch der

j.ungsten Revolution verließ, den Präsidentenposten nieder⸗ gelegt hat und sich wahrscheinlich nach Frankreich begeben wird. Der Gesandte fügt hinzu, daß General Boisron d⸗ Ca nal als provisorischer Präsident fungire, und daß die Kammern zusammengetreten sind, um einen Nachfolger für General Salomon zu wählen.

Afrika. Aus Suakim, vom 16. August, liegt folgendes Telegramm vor:

Die Abessynier hahen den Derwischen unter Abu Anga zwischen Metammeh und Gondar eine ernste Niederlage beigebracht. In Galabat steht eine große abessynische Streitkraft, und König Johannes hat einen hohen Eid geschworen, Khartum einnehmen zu wollen. Der Khalif ist in hohem Grade beunruhigt. Die Meldung von Lupton Pascha's Ableben wird von Augenzeugen bestätigt. Er starb nach kurzem Krankenlager Anfangs Juli an der Aus— zehrung oder an einem ähnlichen Brustleiden und wurde als Maho— medaner beerdigt. Der Khalif bedauerte sehr den Tod Lupton . da er sich im Arsengl als so nützlich erwiesen hatte.

upton hinterläßt eine abessynische Frau und eine Tochter. Hier in Suakim herrscht Ruhe. Das italienische Ka⸗ nonenboot Pro vana“ kam hier am Dienstag von Massovah an und wird am Sonntag wieder die Rückreise antreten. Die Amarars und Hamdabs haben eine für Osman Digma be— stimmte Karawane von Getreide und Waaren geplündert, und die Jemalads belegten eine Waarenladung mit Beschlag, die Osman Digma auf der Kassala⸗ Berber Route abgeschickt batte, worgus deren Feindseligkeiten gegen die Herrschaft des Khalifen ersichtlich sind. Zur Züchtigung dieser Stämme ent—⸗ sandte Osman Digmg 800 Mann, aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß erstere seine Macht brechen werden. Die benachbarten Stämme sind des Mahdismus herzlich müde, und die Anhänger Osman's werden täglich unzufriedener. Der Handel ist nur schleppend. Von Agig und Tokar sind die Anzeichen hoffnungsvoller. Das Tele— graphenkabel ist reparirt worden.

Zeitungs ftimmen.

In einem Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ über die Stellung der Regierung zu den parla— mentarischen Parteien heißt es am Schluß:

Unsere Fraktionsbildungen im Parlament wie in der Wähler⸗ schaft sind bisher nicht von der Stetigkeit und Festigkeit, daß sich eine die Regierung selbständig beeinflussende Fraktion herstellen ließe. So lange dies nicht oder doch nur vorübergehend der Fall ist, werden die Fraktionen, welche die Reichspolitik äber die Fraktionen stellen, genöthigt sein, auf dem Wege der Kompromisse untereinander und mit. der Regierung ihre Mitarbeit an der Politik. und Gesetzgebung des Reiches zu bethätigen, und die Regierung wird die Aufgabe haben, den Frieden der staats⸗ freundlichen Fraktionen untereinander und ihre eigene Verständigung mit denselben nach Kräften zu pflegen, ohne selbst zur Parteiregierung zu werden, Sie wird sich dabei gegenwärtig zu halten haben, daß in den Paiteiblättern in der Regel nicht die Ueberzeugungen und Bestrebungen der Parteien im Ganzen jum Ausdruck zu gelangen pflegen und daß die extremen Minoritäten jeder Partei in der Regel das stärkste Bedürfniß haben, im Namen der letzteren das Wort in der Presse zu führen.

In der „Landes-Zeitung für El sa ß-Lothrin— gen“ lesen wir:

Das Ergebniß der am 4. und 5. August in Elsaß Lothringen stattgehabten Ergänzungswahlen für die Bezirkstage und Kreistage darf im Allgemeinen als ein erfreuliches bezeichnet werden. Ist den Wahlen zu den gedachten Körperschaften mit Rücksicht auf die den letzteren zugewiesenen Aufgaben an sich eine erhebliche poli⸗ tische Bedeutung nicht beizumessen, so trat dieses Mal doch die politische Seite jener Wahlen in mehreren Fällen um so stärker in den Vordergrund, als gewisse Elemente in einzelnen Wahlbezirken bestrebt waren, nicht in offenen Kundgebungen, sondern auf dem Wege versteckter Bearbeitung der Wähler ein Ergebniß zu Stande zu bringen, welches der Welt beweisen sollte, daß die Bevölkerung den Maß— nahmen, welche die Regierung in neuerer Zeit zur nachdrücklichen Wahrung der deutschen Interessen zu ergreifen sich veranlaßt gefunden hatte, einen entschiedenen Widerspruch entgegensetze.

Diese Bemühungen haben sich nicht allein fast durchgängig als vergeblich erwiesen, es sind sogar einige Männer mit großer Stimmnen⸗ mehrheit gewählt worden, welche mit dem Hinweise darauf, daß unter der deutschen Regierung Freiheit und Ordnung herrsche, sich mit einer bisher noch nicht dagewesenen Rückhaltslosigkeit auf die Seite des Deutschthums gestellt haben.

In gleichem Maße erfreulich ist die in einigen lothringischen Bezirken erfolgte Wahl von Altdeutschen sowie die in mehreren Fällen erfolgte Ersetzung der bisherigen Mandatsinhaber durch Vertreter de= regierungsfreundlichen Richtung.

Die „Frankfurter Zeitung“ schreibt zu der Er— öffnung des neuen Bahnhofs in Frankfurt a. M.:

Der neue Bahnhof ist der Hazpt ah néch ein Werk der Staats⸗ bahn. Haben auch militärische Gründe bei der Anregung des Plans eine große Rolle gespielt, so ist doch bei der Ausführung für alle Ver kehrginteressen in ausreichendem Maße Sorge getragen worden. Das Werk ist daher in seinem Wesen eine Schöpfung der staatlichen Ver kehrpolitik Bedenkt man noch, daß diese Schöpfung zo fern vom Mittel punkt des Staats liegt, so wird man nicht umhin können, in der weitschauenden und aller Engherzigkeit abholden Politik, welche zu solchen Ergebnissen führt, einen neuen Triumph des Staatsbahn— systems zu erblicken, und man wird diesem seine warme Anerkennung nicht versagen dürfen. Wenn jetzt der Staat ein Werk geschaffen hat, das auf viele Jahre hinaus den Erfordernissen der Verkehrsentwickelung genügt, so darf sich die Stadt wohl ein Beispiel daran nehmen.

Die „Deutsche volkswirthschaftliche Corre—

spondenz⸗“ bemerkt: Ganz absonderlich ist die Art und Weise, wie die „Frei⸗ sinnige Zeitung“ zu Nutz und Frommen ihrer Leser den Bericht der landwirtbschaftlichen Verwaltung mit Kommentaren versieht, resp. im Sinne einer freisilnigen manchesterlichen Denkungsart zubereitet. In dem Bericht, heißt es dortselbst, werde ja unumwunden ausge⸗ sprochen, daß erft in Folge der modernen Entwickelung des Cisenbahn⸗ wesens und des Dampfsschiffverkehrs große Quantitäten von Getrelhe alljährlich aus denjenigen Ländern, die Ueberfluß daran haben, nach solchen Ländern verschickt werden, die nur auf mangelhafte oder wenigstens unsichere Ernten rechnen können.

Nach der agrgrischen ,,, so fährt das Blatt fort, ist es nun die Aufgabe der Gesetzgebung, dieser Wirkung der modernen Verkehrsentwickelung entgegenzuarbeiten. Das Zollwesen und alles, was drum und dran hängt, soll so gestaltet sein, daß so wenig Getreide nach Deutschland hineinkommt, wie dies vor etwa 50 Jahren der 6 gewesen ist. Nun haben wir die Frage auf⸗ zuwerfen: Ist diese moderne Entwickelung dez Verkehrswesens ein Glück oder ein Unglück? Wäre es gerechtfertigt, den Wunsch zu hegen, daß diese Entwickelung des Eiseubahnwesens und der Dampfschiffahrt nicht statt⸗ gefunden hätte? Wir glauben, e wird Niemand den Muth gewinnen, die . in dieser Weise zu beantworten. Die Entwickelung der Dampf⸗ raft, aus der mit Nothwendigkeit Eisenbahnfracht und Dampfschiff⸗ fahrt hervorgingen, ist im Kulturfortschritt von unermeßlicher Be— deutung. Es wird Niemand sich den Zustand zurückpünschen, der in früheren Jahrhunderten bestanden hat. Und wenn nun diese Ent⸗ wickelung ein Glück ist, welchen Sinn hat es dann, Maßregeln zu treffen, welche die Folgen desselben wieder aufheben? Wenn es aber

und unser Reich selbst Mittel aufbieten, um sich die Früchte dieser Entwickelung zuzueignen?*

Es verlohnt sich, diesen Uebertreibungen näher zu treten. Und da muß denn sofort konstatirt werden, daß es sich hier keines⸗ wegs um ausschließlich agrarische, sondern um solche Anschauungen handelt, welche die Schutzzöllner den Freihändlern gegenüber vertreten. Dieselben Erwägungen, welche die Freisinnige Zeitung‘ hier zum Zwecke der Bekämpfung agrarischer Anschauungen vorführt, gelten in ganz gleichem Maße auch für unseren Handel und unsere In⸗ dustrie. Den vorstehenden Deduktionen zufolge hat der Staat nicht das mindeste Recht, diejenigen Wirkungen zu kontroliren, welche die moderne Verkehrtzentwicklung hervor⸗ gebracht oder doch verschärft hat. Weil der Staat selbst Eifenbahnen und Dampfschiffe baut zu dem Ende, um der Industrie und dem Handel des eigenen Landes dienlich zu sein, deshalb darf er nun beileibe auch nicht die allergeringste Maßregel ergreifen, wenn es sich zeigt, daß vorerst der deutsche Handel! und die deutsche Industrie den von Außen gegen sie unternommenen Angriffen noch nicht gewachsen sind. So thöricht es ist, irgend Jemandem zuzumuthen, als sehne er sich nach denjenigen Zuständen zurück, wie solche vor 50 Jahren, ja vor nur zwel Dezennien bestanden, ebenso thöricht ist es, lediglich einer Theorie zu Liebe, an den Staat die Zu⸗ muthung zu stellen, er müsse, weil Eisenbahnen und Dampfschiffe nun einmal in fortschreitender Entwickelung begriffen seien, lediglich dieser Entwickelung wegen, resp. um eines Prinzipes halber, Augen und Ohren guch dann verschließen, wenn es sich zeigen sollte, daß in Folge der rapiden Entwickelung der Verkehrswege ganze Klassen der Be⸗ völkerung und ganze Serien von Industrien zu Grunde gerichtet werden. Es ist ein abgebrauchtes Mittel der „fortschrittlich manchester⸗ lichen Partei“, stets dann, wenn nach der Ueberzeugung anderer Staatsbürger die fortschrittliche Bewegung nicht in dem rapiden Tempo sich zu vollziehen hat, wie diese Himmelsstürmer es wollen, von der Rückkehr zu mittelalterlichen Formen zu sprechen. Auch hier ist von den Zuständen früherer Jabrhunderte die Rede, zu welchen wir angeblich zurückkehren, wenn wir fortfahren, unsere nationale Produktion und unsere nationale Arbeit fürderhin zu schützen. Ein Blick auf die statistischen Daten des letzten Dezenniums genügt aber, um insbesondere an der Getreideeinfuhr darzuthun, daß dieselbe keineswegs die Rückkehr von Hungersnoth und schrecklich dunklen Zuständen befürchten läßt, daß dieselbe viel⸗ mehr sowohl aus DOesterreich Ungarn als aus Rußland, aus Amerika und aus Ostindien in ganz bedeutender Weise zugenommen hat und daß allfallsige Beschränkungen der Einfuhr durchaus nichts Anderes bezwecken konnten, als einer allzu heftigen, die deutsche Land= wirthschaft ruinirenden Steigerung derselben vorzubeugen. Wer zu viel beweist, heweist nichts, und die furchtharen Schilderungen von den Wirkungen der Zölle leiden in ihren krassen Ueber—⸗ treibungen sehr bedenklich an dem „Zuvielbeweifenz; weniger wäre auch hier mehr gewesen.

Unter der Ueberschrift,Weltmarktspreise und Wirth⸗ schaftspolitik“ schreibt die „Post“:

Die Jahre 1873,74 bilden in ganz anderem Maße einen Merk- stein in der wirthschaftlichen Entwickelung nicht blos in Deutschland, sondern aller Länder der Erde, als man ju jener Zeit und noch Jahre lang nachher annahm. Während man damals die Milliarden -Zeit und den folgenden Krach als eine vorübergehende Störung der vosks— wirthschaftlichen Entwickelung anzusehen und anzunehmen pflegte, daß nach Ueberwindung der Krisis diese ihren durch dieselbe unterbrochenen Gang fortsetzen werde, kann heute ein Zweifel darüber nicht mehr bestehen, daß jene Jahre die Grenzscheide zweier völlig verschiedener, ja gewissermaßen gegensätzlicher Phgasen der Weltwirthschaft und damit zugleich der deutschen National- wirthschaft bilden. Das Jahr 1873 ist, der Höhepunkt und dabei zugleich der Abschluß einer mehr als zwanzigjährigen Periode steigen⸗ der Preise auf dem Weltmarkte. Wohl weist auch die Zeit von 18650473 in Bezug auf einzelne Produktionszweige, wie die Gesammtlage der Preise einige Rückschläge und Stockungen auf, diesel ben haben aber

der Preise zu sein. Seit 1374 dagegen ist in den meisten und wichtigsteu Dandelsartikeln ein stetig zunehmender Rückgang der Preise eingetreten. Vorübergehend wurde in den Jahren 18814— 83 gehofft, daß die rück= säufige Bewegung ihren Abschluß erreicht habe und eine Periode steigender Preise beginne, allein diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. Es war nur eine kurze Schwankung nach oben gewesen und bald setzte sich die rückläufige Bewegung in verschärftem Tempo fort, sodaß im Jahre 1886 die Preise vieler wichtiger Waaren, theils arf, theils selbst unter das Niveau gesunken waren, welches sie vor der mit den Goldentdeckungen in Kalifornien und Australien beginnen⸗ din Periode steigender Preise hatten. Das Jahr 1887 weist, soweit ersichtlich, bei einer großen Reihe wichtiger Waaren einen Stillstand in der rückläufigen Bewegung der Preise auf; daß es den Endpunkt dieser Bewegung bedeutet, wagen wir indessen noch nicht zu hoffen. Dabei weicht die nunmehr ein halbes Menschenalter andauernde Periode rückgehender Preise insofern von den früheren ab, als, während sonst einem Preisdruck der Erzeugnisse des Gewerbefleißes als ausgleichendes Moment eine Steigerung der Preise der Rohprodukte nebenher zu gehen pflegte und umgekehrt, gegenwärtig sowohl die Waaren, bei denen die menschliche Arbeit, als diejenigen, bei denen die Naturkraft den Hauptfaktor bilden, in gleicher Weise sinkende Preise aufweisen. Langandauernder, stetiger und allgemeiner, alle Zweige der Produktion umfassender Rückgang der Preise ist die Signatur der Periode seit 1873,74; diese weist somit einen geradezu entgegengesetzten Charakter wie die unmittelbar vorhergehende auf.

Wie tief einschneidende Wirkungen die andauernde Veränderung in der Tendenz der Preisbewegung auf die gesammten Produktions— und Einkommensverhältnisse haben muß und gehabt hat, liegt auf der Hand. In letzterer Beziehung ist es für Deutschland, im Gegenfatz namentlich zu England, charakteristisch, daß der Arbeitslohn von dem allgemeinen Rückgang der Waarenpreise und den steigenden Schwie⸗ rigkeiten der Produktion glücklicherweise nur in geringem Maße beein⸗ flußt worden ist und sich im Allgemeinen auf dem Niveau erhalten hat, welcheß er, von einzelnen Ausschreitungen der Gründerjahre abgesehen, Anfangs des vorigen Jahrzehnts erreicht hatte. Cs ist klar, daß in Folge dessen die deutschen Arbeiter sich nicht nur Ange⸗ sichts der niedrigen Preise der wichtigsten Lebensbedürfnisse im Durch schnitt erheblich besser stehen, als am Schluß der vorhergehenden . sondern daß auf sie auch eine erheblich größere Quote des

olkseinkommens entfällt, als damals, sie mithin auch im Vergleich mit der größeren Mehrzahl der Gewerbetreibenden, Landwirthe, Kapi⸗ talisten relativ ungleich besser stehen, als zu jener Zeit. .

Indem wir uns vorbehalten, auf die Ursachen des geschilderten wirthschaftlichen Vorganges zurückzukommen, beschränken wir uns darauf hinzuweisen, daß in denselben zugleich die natürliche Erklärung und Rechtfertigung des Umschwunges in der Wirthschafts⸗“, vor Allem der Zoll, und Handelspolitik liegt, welcher, wie in den meisten Län dern des europäischen Kontinents, seitdem in Deutschland eingetreten ist. In den Zeiten dauernder steigender Preise ist die Konsumtion, in Zeiten dauernder sinkender Preise ist es umgekehrt die Produktion, welche in erster Linie der Fürsorge und des Schutzes der Staatsordnung bedarf. Wie in jenen daher eine mit der wirthschaftlichen Entwickelung der Nation fortschreitende Beseitigung der Zollschranken nicht nur möglich, sondern auch zweckmäßig war, so ist in der gegenwärtigen Periode umgekehrt die Politik thunlichsten Schutzes der nationalen Arbeit vor den Wirkungen des allgemeinen Preisrückganges die allein richtige, den Interessen der Nation entsprechende. Dem Fürsten Bismarck gebührt das Verdienst, den Charakter und die Bedeutung des 1813,74 vollzogenen Um⸗ schwunges in der Weltwirthschaft, wie Nasse sich ausdrückt, mit divinatorischem Blicke schon in einer Zeit erkannt zu haben, wo man sich im Allgemeinen noch einer kurz vorübergehenden Krisis gegenüber glaubte, und unbeirrt durch den lauten Widerspruch zahlreicher Theo⸗ retiker und Praktiker rechtzeitig die deutsche Zoll⸗ und Handelspolitik

ein Unglück wäre, wie könnte man es rechtfertigen, daß unser Staat

in die cichtigen Bahnen gelenkt zu haben.

keine andere Bedeutung, als Oseillationen in der stetig aufsteigenden Linie

Ministerial ⸗Blatt für die gesammte innere Verwal⸗ tung in den Königlich preußischen Staaten. Herausgegeben im Bureau des Ministeriums des Innern. Nr. 7. Inhalt: J. Allgemeine Verwaltungssachen. Beschaffenheit der im amtlichen Verkehr zu benutzenden Tinten. II. Behörden und Beamte. Re—⸗

ulirung des Diensteinkommens der zum Militärdienst einberufenen ginn Staats⸗ und Kommunalbeamten. Veröffentlichung von Bekanntmachungen über Name und Sitz der Berufsgenossenschaften. III. Polizei verwaltung. A. Gesindeyolizei. Polizeiliche Befugnisse in Gesindestreitsachen. B. Baupolizei. Verpflichtung zur Auf bringung von Kostenbeiträgen für die Straßenregulirung Seitens der angrenzenden Grundbesitzer IV. Verwaltung der Staatssteuern und Abgaben. Stempelfreiheit der in stempelfreien Schriftstücken enthaltenen Kompromisse oder Nebenverträge. V. Verwaltung der öffentlichen Arbeiten. Vergütung für Schiedsrichter beim Ver dingungswesen. VI. Militär und Marine ⸗Angelegenheiten. Ver⸗ zeichniß der höheren Lehranstalten, welche zur Ausstellung ven. Zeug⸗ nissen über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig -frei willigen Militärdienst berechtigt sind.

0 Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts sind in der Zeit vom 5. bis 11. August er. von je ibb6 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt herechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 226, in Breslau 27,0, in Königsberg 29,9, in Köln I8, 8, in Frankfurt a. M. 14,9, in Wiesbaden 13 4 in Hannover 17,9, in Magdeburg 28,9, in Stettin 34,1, in Altong 23,3, in Kassel 16,3, in Straßburg 2636, in Metz 2259, in München 349, in Nürnberg 174, in Augsburg 28,3, in Dresden 20, , in Leipzig 21,2, in Stuttgart 194, in Karlsruhe 0,9), in Braunschweig 28,2, in Hamburg 23,1, in Wien 20,1, in Pest 38,4, in Prag 2935, in Triest 28,3, in Krakau 25,6, in AÄmsterdam 188, in Brüssel 260,9, in Paris 200, in Basel —, in London 18,0, in Glasgow 16,5, in Liverpool 19.0, in Dublin 19,4, in Edinburg i4,9, in Kopenhagen 1982, in Stockholm 162, in Christiania 13,3, in St. Petersburg 31,‚l, in Warschau 22,5, in Sdeffa 33,», in Rom 28.0, in Turin 23,2, in Venedig in Alexandria 50, J. Ferner in der Zeit vom 15. bis 21. Juli er. in New York 337, in Philadelphig 253,ůl, in Baltimore 51,65, in Kalkutta 135.5, in Bombay 26,5, in Madras 32,8.

Die allgemeine Sterblichkeit war auch in dieser Berichtswoche in den meisten Großstädten Europas eine günstige, und zwar hat sie be= sonders in den größeren niederrheinischen und nordwestlichen Städten abgenommen, während sie in den östlichen Orten vielfach größer wurde. Sehr kleine Sterblichkeitsziffern (bis 15,9 pro Mille und Jahr berechnet) melden Elberfeld, Frankfurt . M, Wies daden, Krefeld, Christianig und Edinburg. Sehr günstig (bis 20 0 pro Mille und Jahr) war die Sterblichkeit in Hannover, Stultgart, Kassel, Nürnberg, Barmen, Aachen, Darmstadt, Kopenhagen, Amsterdam, Paris, London, Glasgow, Liverpool, Dublin, Stockholm. Mäßig hoch war die Sterblichkeit (etwas über 20,9 pr. MM in Dresden, Leipzig, Berlin, Karlsruhe, Bremen, Düsseldorf, Wien, Brüssel, Warschau u. a. Hohe Sterblichkeitsziffern (über 35,0 pr. M.) melden von den deutschen Städten nur Liegnitz und Charlottenburg. Auch in dieser Woche war die Zahl der tödtlich endenden Darmkatarrhe und Brechdurchfälle in einer Zahl von Städten, wie in Berlin, Köln, Königsberg, Leiwzig, Stuttgart, Straßburg, Paris, London, Pest, St. Petersburg, Warschaun, eine größere als in der Vorwoche, während. in e n, Breslau, München, Dresden, Danzig, Stettin, Wien, Brüssel u. a. die Zahl der Todesfälle etwas kleiner wurde oder die gleich große wie in der Vorwoche blieb. Der Antheil des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit war aber meist ein geringerer als in der Vorweche, so daß von je 10 0090 Lebenden, aufs Jahr berechnet, in Berlia 111, in München 155 Säuglinge starben. Akule Ent—⸗ zündungen der Athmungsorgane. sührten erheblich seltener zum Tode. Von den Infektionskrankheiten haben Masern und wphöse Fieber etwas mehr, Scharlach, Diphtherie, Keuchhuften und Pocken weniger Sterbefälle veranlaßt. So werden Sterbefälle an Masern aus Hamburg, Wien, Paris, London, Prag, St. Peterkburg in größerer, nur aus Berlin in kleinerer Zahl gemeldet; Erkrankungen kamen aus den Reg. -Bezirken Schleswig und Wiesbaden, sowie aus Pest häufiger, aus Berlin, Wien, St. Peters. burg in geringerer Zahl zur Anzeige. -Das Scharlachfieber hat in Danzig mehr, in London die gleich! Zahl von Sterbefällen wie in der Vorwoche bedingt, Erkrankungen kamen aus Wien und Kopenhagen in geringerer, aus Berlin und St.. Petersburg und auß dem Regierungsbezirk Düsseldorf in etwas gesteigerter Zahl zur Anzeige. Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, Hamburg, Breslau, Wien, Prag, Paris, St. Peters burg eine geringere, dagegen in München, London, Pest, Kopenhagen eine größere als in der Vorwoche. Neue Erkrankungen waren in Berlin, Breslau und St. Petersburg etwas zahlreicher, im Regierungs⸗ bezirk Schleswig, in Hamburg und in Kopenhagen nur wenig gegen die Vorwoche verändert. Der Ünterleibstyphus bedingte in Berlin und Paris ein wenig mehr, in London, St. Petersburg eiwas weniger Todesfälle. Erkrankungen waren dagegen in Berlin selten, in Pest, Kopen⸗ hagen und St. Petersburg zahlreicher. An Flecktyphus kam aus St. Petersburg, an epidemischer Genickstarre aus Kopen⸗ hagen je J Erkrankung zur Berichterstattung. Der Keuch hu sten hat in London weniger Kinder hinweggerafft; neue Erkrankungen kamen aus Hamburg und Kopenhagen seltener zur Mittheilung. Er⸗ krankungen an rosenartiger Entzündung des Zellgewebes der Haut kamen seltener zum Vorschein. Aus St. Petersburg kam Ü Todesfall an Rotz zur Anzeige. Einzelne Todesfälle an Pocken h 1) werden aus Lemberg und Paris, mehrfache aus Triest und den Vororten Wiens (ie 2), aus Warschau 5, aus Prag 9 ge— meldet, neue Erkrankungen aus Wien und Pest je 2. .

Die sanitären Verhältnisse in Berlin blieben auch in, dieser

Berichtzwoche günstige und, die Sterblichkeit eine mäßig hohe, die sogar etwas geringer als in der Vorwoche war. Die besonders in der zweiten Wochenhälfte hohe Temperatur der Luft (öas Thermo⸗ meter stieg am 10. August bis 30,09 Grad C.) bedingte zwar eine be⸗ deutende Zahl von Darmkatarrhen und Brechdurchfällen der Kinder, welche in 199 gegen 168 Fällen der Vorwoche tödtlich endeten, dennoch war der Antheil des Säuglingsalters an der Sterblichkeit ein geringerer als in der Vorwoche. Dagegen traten akute Ent⸗ zündungen der Athmungsorgane in erheblich selteneren Fällen zu Tage und führten auch viel seltener zum Tode. Auch die Infektionskrankheiten riefen meist weniger Erkrankungen hervor. So waren Erkrankungen an typhösen Fiebern selten, auch Masern, die nur noch im Stralauer Viertel größere Verbreitung zeigten, kamen seltener zur Anzeige, Erkrankungen an Scharlach und Diphtherie wurden wohl etwas mehr n kamen aber in keinem Stadttheil in größerer Zahl zur Meldung. Erkran⸗ kungen an Keuchhusten blieben selten und nahmen meist einen gut⸗ artigen Verlauf. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut wurden seltener beobachtet, Erkrankungen im Wochenbett jedoch eiwas häufiger zur Anzeige gebracht. Rheumatische Beschwerden aller Art kamen nur in wenigen Fällen zur ärztlichen Behandlung.

Knnst, Wissenschaft und Literatur.

Kulturgeschichtliches Bilderbuch aus drei Jahr- hunderten. Heraußgegeben von Georg Hirth. Verlag von G. Hirth in München und Leipzig. Fünfter Band, 9. und 10. Lieferung (des ganzen Werkes b5. und 58. Lieferung). Die vor⸗ liegenden Lieferungen bringen, wie die letzten, an Historienbil dern zu⸗ nächst noch einige Blätter von dem Hofmaler und Verherrlicher der Thaten Ludwig's XIV., F. van der Meulen. Er schildert auf figuren · reichen, geschickt komponirten Stichen den Uebergang der französischen Kavallerie über den Rhein, am 11. Juni 1672, den diese schwimmend,

im Angesicht der niederlãndischen Armee ausführte; dann sehen wir die Festung Cambray bei der Belagerung Ludwig's XIV. (April 16775 und ferner den pvomphaften Empfang der Königin in Arras. Ein anderer holländischer Künstler, Romain de Hooghe, stellt alsdann die Festlichkeiten zu Ehren des Königs im Haag und mehrere bedeut same geschichtliche Momente der Zeit dar. Er schildert uns den Empfang des Königs durch den Magistrat vom Haag und den Hof⸗ staat, die Illumingfion des Rathhauses im Haag, ferner den Friedens- schluß zu Breda 1667 und die Eidesleistung des Prinzen Wilhelm Hein rich von Oranien. Interessant sind auch zwei andere Blätter des⸗. selben Künstlers, von denen das eine die berühmte Synagoge der Portugiesen in Amsterdam während des Gottesdienstes (1675) zum Vorwurf hat, während das andere den jungen König von Spanien darstellt, wie er vor dem Sakrament aus dem Wagen steigt und knieend dem Priester die Thür zu seiner. Prachtkutsche ge⸗ öffnet hält. Einen krassen, offenbar von dem Künstler aber auch be⸗ absichtigten Gegensatz zu obigen festlichen Bildern bietet eine Reihe von Zeichnungen, die unter dem Titel: Spiegel der France Tirannye gepleecht opde Hollantsche Dorpen“ mit entsetzlichem Realismus die Greuelthaten schil dern, welche sich die Franzosen in den Niederlanden (Ib72 und 1673) haben zu Schulden. kommen lassen. Besonders reich sind die vorliegenden Lieferungen an Bildnissen geschichtlich be⸗ deutender Persönlichkeiten aus der Zeit und Umgebung Ludwig / XIV. Wir sehen, nach zum Theil vorzüglichen Stichen, die Minister Colbert und Fouquet, den Kanzler Marquis de Louvois, den Marschall Turenne, die Marquisen von Maintenon und Montespan, die Dichter Corneille, Racine, Molisre, La Fontaine, den Kanzelredner Bischof Bossuet, ferner den holländischen Philosophen Spinoza, Kör ig Karl II. von England, den englischen Philosophen John Locke, Wilhelm Il, und III. von Oranien. Die besten Porträtisten der Zeit, wie P. Giffart, P. Mignard, Philippe de Champaigne, Claude Mellan, Ferdinand Voet, Charles Foypel, Hyacinthe Rigaud, Antoine Masson, Gottfried Kneller, Jo⸗ hann Hainzelmann, A. Scheits, Peter Nason, J. Houbraken, sind in dieser Sammlung vertreten. Vor Allem fesseln uns ein Porträt des großen Kurfürsten aus dem Jahre 1683 (von dem Franzosen Antoine Masson gezeichnet und gestochen), dann vortreffliche Bildnisse des Feldmarschalls Derfflinger und des Philosophen Leibnitz. Das Genre repräsentirt in vollendeter Weise der Holländer Cornelis Dusart mit seiner großen „Dorfkirchweih', dem berühmten Schuh flicker⸗, dem „Violinspieler„,. den „singenden Bauern“ ꝛe. Andere Blätter (in Lichtdruck vorzüglich reproduzirte Radirungen und Stiche) sind von J. van Nyport, J. P. Lembke, Heinrich Wertmüller (Reitergefechte). Auch zwes Serien ländlicher Scenen und Trachten bilder von dem oben genannten Romain de Hooghe gehören hierher. Die Landschaftskunst tritt in diesen Lieferungen an Zahl und, Bedeu⸗ tung zurück: es erscheinen nur Jean Fran gois Millet mit einer Landschaft mit Ruinen' und Pieter Bout, der in seiner „Schlitten⸗ fahrt! und den . Jägern bei der Fontaine? Genre und Landschaft ver⸗ einigt. Als kultur⸗ und kostümgeschichtlich bemerkenswerthe Blätter sind noch zu nennen die Stiche, welche die Krönung Wilhelm's III. in Westminster (1689) und den langen imposanten Krönungszug dar— stellen (von einem unbekannten Meister), dann die Abbildung eines im Jahre 1671 zu Nürnberg gehaltenen . Stuͤckschießens“ (von Georg Christoph Cimmart) und das Innere einer alten Buchdruckerei (9on Abraham de Weerdt). Auch illustrirte typographische Kunstklätter bieten die neuesten Nummern des Kulturhistorischen Bilderbuchs“, und zwar ein Flugblatt aus dem 17. Jahrhundert, auf welchem Matthias von Zommer den jungen Kaufleuten gute Lehren ertheilt und ein würdig ausgestattetes Blatt mit der Bekanntmachung des Burggräflich Nürnbergischen Landgerichtstermins zu Ansbach, aus dem Jahre 1661.

Wie wir aus der Kunst für Allen ersehen, hatte der aka⸗ demische Rath zu Dresden vor Kurzem eine Bewerbung um die Aus führung eines Reliefs für die Kanzel der Martin Luther Kirche ausgeschrieben. Es waren 17 Bewerbungsentwürfe ein— gegangen. Den ersten Preis von 500 M erhielt der Bildhauer Georg Gröne aus Dresden, z. 3. in Nürnberg, den zweiten Preis von 400 (60 Professor Melchior zur Strassen in Leipzig, während die Arbeit des Malers und Bildhauers E. Hübner mit einer lobenden Erwähnung bedacht wurde. ; ö

In dem von der Breslauer Kaufmannschaft erlassenen Preisausschreiben um den Bau eines Gesellschaftshauses ist der Entwurf der Architekten Kieschke und Bielenberg in Berlin mit dem ersten Preise (1000 Æ), der der Hrn. Abesser und Kröger, ebenfalls in Berlin, mit dem zweinen (3000 „M) gekrönt worden.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Weinbau in Frankreich. Der französische Ackerbau— Minister Viette ist von seiner Rundreise durch die weinbauenden Departements Frankreichs zurückgekehrt und hat hierüber dem Minister⸗ rath Bericht erstattet. Den französischen Blättern wird, darüber folgende Mittheilung gemacht; „Hr. Viette besuchte die. Wein— pflanzungen des Hsrault, des Gard und der Gironde; er hielt sich nicht in den Städten auf, sondern begab sich direkt nach den Pro— duktionsmittelpunkten. Er machte hierbei in Kürze folgende Be⸗ merkungen: Das Unterwassersetzen der Weinberge giebt aus— gezeichnete Resultate. Die Wiederherstellung durch Pfropfen auf amerikanische Pflanzen har ihre Proben bestanden. Der Erfolg dieser Methode ist eine feststehende Thatsache und der Versuch ausschlag⸗ gebend. Die auf die amerikanische gepfropfte französische Pflanze gewinnt an Frühreife und liefert, ohne an Feinheit zu verlieren, selbst im Mödoe bedeutendere Mengen. Nach langem Herum⸗ tappen hat man es fertig gebracht, eine Weinpflanzung in drei Jahren wieder herzustellen, wenn die nothwendigen Vor— bereitungen gemacht worden sind. Man hat in gewissen Gegenden der Gironde, in Cadillac beispielsweise, beobachtet, daß man für das Pfropfen werthvollere Arten, Abarten des Médoe, verwenden kann, die ohne direkte Pflanzung in jener Gegend nicht fortgekommen wären. Im Hörault ist die Wiederherstellung fast ganz beendet und im Gard schreitet sie rasch vor. Die in Sand gepflanzten Weinstöcke, die der Phylloxera widerstehen, bedecken große Flächen und machen an den Ufern des Gardon und in der Umgebung von AiguesMortes 66. Fortschritte. Ueberall verspricht der Rebstock eine vortreffliche

rnte; er ist mit Trauben schwer beladen. Der Hérault, der im Vorjahre 33 Millionen Hektoliter. 80 009 hl mehr als in. den letzten Jahren, lieferte, wird im Jahre 1888 über fünf Millionen ergeben. Die Gironde wird sich der Ziffer von zwei Millionen Hekto⸗ liter nähern. In der Gegend von Cadillac in Libournais, Blayais und Médoe ist der Anblick sehr schön. Im Möoödoc bedient man sich des Schwefels und des Sulfur ⸗Carbonats gegen die Phyll oxera mit Erfolg. Der Mildew (Mehlthau) wird siegreich mit dem Bordeaux ⸗Brei bekämpft. Der General⸗Inspekkor des Acker⸗ baues, Frillieux, konstatirte überdies ver einigen Tagen, daß der Bordeaux⸗Brei in einem . von über 80 o den Blackrot vertreibt, der den Weinbauern ernstliche Befürch⸗ tungen einflößte. Es erscheint dringlich, der Pflanzstättengründung einen größeren Theil der im Kapitel der Phylloxera , Kredite zuzuweisen. Das Problem ist für den Weinbau gelöst, und es erübrigt nur noch die wirthschaftliche Frage. Eine genaue Beob⸗ achtung der für die Prüfung fremder Weine an der Grenze vorge⸗ schriebenen Maßregeln, sowie eine besondere Vorschrift für die nicht aus frischen Trauben bereiteten Weine wäre angezeigt.“

St; Peter t burg, 21. August. (W. T. B.) Nach den dem Ministerium des Innern bis zum 16. d. zugegangenen Berichten ist das Ergebniß der größtentheils bereits eingebrachten Wintergetreide⸗ Ernte im europäischen Rußland mit wenigen Ausnahmen ein befriedigendes oder zum Mindesten ein mittelmäßiges; auch der . des Sommergetreides ist im Allgemeinen ein guter.

n. den Gouvernements Meskau, Smolensk, Kaluga, Pensa, Orel und Nishny Nowgorod hatte sich ein Käfer gezeigt, welcher Hanf, Lein und Erbsen far i gtů aber mit eingetretenem kühleren Wetter wieder verschwand. Der durch Hagelschlag im Juli verursachte Schaden, von welchem die Gouvernements Poltawa, Kursk und Kielee am

meisten betroffen wurden, wird auf etwa 3 Millionen Rubel im Ganzen geschätzt.

Sanitaäts⸗, Veterinär und Quarautänewesen.

Nachrichten über Verbreitung von Thierkrankheiten im Auslande.

Rußland. In den Deutschland zunächst gelegenen und in den sonst haupt⸗ sächlich in Betracht kommenden Gouvernements und Gebieten: Im April 1888. Rinderpest.

Gouvernements: Zahl der Gefallenen: Mstrgchanan. 728 Wolhynien... 8 Jekaterinoslawmw. ... 146 e 230 , 5 Orenburg .. . 465 e k.

J /..

Oesterreich. Laut der am 30. Juli 1888 vorliegenden Meldungen. Land. Zahl der infizirten Orte. Lungenseuche.

. k J 76771 Nieder⸗Oesterreich .. ö

,, Milzbrand. e,, we . Maulseuche. Galizien 27

Maul⸗ und' Klauenseuche. Mähren 3

en 165 Nieder⸗Oesterreich ... 5 K 6419 Ober ⸗Oesterreich 3 Schafräude. Nieder ⸗Oesterreich ... 2 , .. der am 31. Juli 1888 vorliegenden Meldungen. Lungenseuche. Galizien ö

en,, ,,, Nieder⸗Oesterreich

, Milzbrand. Galizien , Böhmen Dalmatien. Krain

deo

O O0 , 0 0

Maulseuche. n,, .

Maul⸗ und Klauensen Mähren J Böhmen.. Nieder · Desterreich ,, Ober ˖ Oesterreich . Schafrãude. Nieder ⸗Oesterreich

k Laut der am 7. August 1888 vorliegenden Meldungen. Lungenseuche.

S

E.

O 2

de

Galizien Mähren ö k 2 Nieder ⸗⸗Oesterreich

Schlesien . Milzbrand. Galizien ö Böhmen Dalmatien Krain Bukowina.

0 5 5 4 15 1 7 2 3

Naulsenche. . . Maul⸗ und Klauens euche. Böhmen.. . Nieder⸗Oesterreich ö ö.

Tirol kJ Schafräude. Nieder ·˖ Oesterreich ö d

Ungarn. Vom 3. bis 10. Juli 1888. .

in 27 Komitaten, ö. Gemeinden.

Galizien

Milzbrand . Lungenseuche« Maul⸗ u. Klauenseuche . 2 3. 8

Vom 156. big 17. Juli 188. Milzbrand. in 28 Komitaten, 59 Gemeinden. Lungenseuche. ⸗. ö. 11 h.

. 7 Maul⸗ u. Klauenseuche . 2 6 2 Vom 17, bis 24. Juli 1888. Milzbrand in 26 Komitaten, 45 Gemeinden. Lungenseuche . 12

K ö. Vom 24. bis 31. Juli 1888. ; Milzbrand in 35 Komitaten, 69 Gemeinden. Lungenseuche. . 11 Sch weiz.

Vom 16. bis 30. Juni 1888. Maul⸗ und Klauenseuche. Kantone:

Glarus.. in 1 Gemeinde 1 Stall mit 2 Rinvern. Graubünden. . 3 Gemeinden 5. Ställe und 3 Weiden mit 137 Rindern, 4 Ziegen und 1 Schwein.

4 21

Vom 1. bis 15. Juli 1888. Maul⸗ und Klauenseuche. Kantone:

Glarus. in 1 Gemeinde 1 Stall mit 2 Rindern. Appenzell a. KHh. . 1 . 1Weide 20 . St. Gallen . . 1 '. 1Stall . 7 . und ĩ 2 Ziegen. 6 Gemeinden 7 Ställe und 6 Weiden mit 433 Rindern, 4 Schweinen, 19 Ziegen und 1169 Schafen. Waadt.. . 1 Gemeinde 1 Stall mit 1 Rind.

Graubünden.

Gewerbe und Handel.

Dem Geschäftsbericht, welchen der General⸗Sekretär Th. Peters (Berlin) am 20. d. M. in der ö, des Vereins deutscher Ingenieure zu erlin erstattete, entnehmen wir folgende Angaben. Von kaum 1000 Mitgliedern, die der Verein bei seiner ersten Zusammenkunft in Breslau vor 23 Jahren zählte, hat er sich jetzt auf über 6070 Mitglieder vergrößert, von denen mehr als

506 im letzten Jahre beigetreten sind. ie Zahl der Bezirksvereine

*